1 ERLEBNISSE MIT MEINEN KINDERN UND DEREN

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ERLEBNISSE
MIT MEINEN KINDERN
UND DEREN AUSPRUECHE
Marie Keyserling
1913 – 1923
Unserer lieben Marie Keyserling zu ihren Hochzeitstage, Mitau, den 20.
Februar 1912, und zur Erinnerung an Tom Koskull, Meta Koskull.
Unser inniger Wunsch ist, Du koenntest in diesem Buch nur von dem
Glueck und dem Sonnenschein schreiben, der Dir mit Gottes Hilfe
reichlich zuteil werden soll.
BUCH DER KINDER
Cecile
geboren 1.Oktober 1903
Wendelin
geboren 20. Oktober 1905
He in ri ch
g ebo ren 10. Sep te mb er 19 07
Egbert
geboren 14. Dezember 1912
Maximilian
geboren 28. Oktober 1915
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Den 4. Februar
- Egbert
Gestern wurde unser kleiner Egbert getauft und bekam die
Namen: Heinrich Erich Maximilian Otto Egbert. Er sc hrie zu seiner
Taufe in den Armen von Alfred, der ihn fuer Erich hielt . Tante Sofie war
Taufmutter, Nina Huehne trug ihn herein, und Taufzeugen waren
Huehne und Sonesen. Sonst waren noch Sonia, Joachim, Fr eddy, Frau
von G r ott huss, Fr . v . Weim ar n und Fr.
v.
Huehne
da.
Pastor
Walter sprach sehr schoen ueber die W o r t e : " K o m m t lasset uns
nieder knien. und anbet en, der Herr hat Grosses an uns getan." - Eben
sass ich lange an Egberts Bettchen, er sah mich mit grossen Augen an
laechelte dazwischen . Die Menschen sagen, er saehe aus wie Wieland,
Klopstock oder Voltaire. Mein armes Jungchen! Wir f inden ihn sehr
Keyserlingsch, er gleicht Paul and auch Bild ern von Onkel Alexander und
Tante Cecile.
Heute wiegt er 9-1/2 Pfund.
Den 26. Februar – Heine, Wendelin, Cecile
Die 3 Kinder sind seit dem 15ten bei uns und fuellen das Haus
mit Froelichkeit. Gestern hatte Wendelin in seiner Wildheit die
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Bonne,
Frau
Adelheim, umgeworfen, sodass sie sich
die Lippe blutig schlug. Heine schalt ihn und er weinte. Im Bett
betete Heinchen und klag te, es sei langweilig, fuer so viele Menschen
zu beten, die der liebe Gott behueten soll.
Ich sagte, er solle bitten, dass er morgen art ig sei. Er betete: "Lass
mich artig sein, - und besonders, lass Wendelin artig sein!" Darueber
grosses Geheul im andern Bett, Wendelin war t ief g e kr a e nkt . C é c ile
n e be n an w e int e e ben f a lls u n d s agt e: "Ich weine, well der arme Papa
sich so aufregen muss ue ber s e in e u n a r t ig e n K in d e r ! ' W e n d e li n s a g t e
h e u t e b e i T is c h : "Ich weiss, weshalb Papa mir verbietet, Wasser nach
der Suppe zu trinken, - er denkt, ich richte in meinem Magen ein Bad zu,
und das.koennte schaden.
MaerzWendelin
Die kleine Agi Kuehne nennt Wendelin ihren Mann, hat ihn vor 3 Jahren
gesehen, besitzt sein Bild, das sie immer wieder kuesst. Nun hat Cecile neulich
Kuehnes besucht und kam entzueckt von Agi zurueck. Ich treffe gestern Wendelin
bei der Nana, erroetend und geheimnisvoll fluesternd. Nach langem Fragen gesteht
er, er wolle durch die Nana Agi ein Glaskaestchen schicken als Liebes-
zeichen fuer seine "Braut". Spaeter sagte er: "Ich bin so froh, ein Mann und
kein Maedchen zu sein, da kann man doch Damen immer Maentel and
Galoschen anziehen und den Hof stechen"- - Heute schickt er Agi Fastenzucker.
Cecile
Einen Abend beim Beten: "Mama, Du weisst noch nicht, dass Du
schon einen Schwiegersohn hast. Ich bin naemlich verheiratet mit Hugo.
Papa muss mir nur ein Gesinde und eine Ziege kaufen, dann koennen wir
zusammen leben. Und Wendelin ist schon geschieden, - sprich nur mit ihm
davon, das ist eine unangenehme Geschichte. Er heiratete vor 3 Jahren
unsere Bonne Stella, doch die schreibt ihm nicht mehr, - so ist er also
geschieden.
Gestern sagte sie: "Frau Adelheim kann doch noch Kinder haben, wenn aber ihr Marta ploetzlich in Italien ein Kind hat, dann muss sie gleich
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hinfahren und es naehren."
31. Maerz - Egbert
Er lacht
und kraeht schon viel und ist in einem reizenden Alter,
so rosig und niedlich, alles beobachtend, und so still und zufrieden.
April - Heini
Heini fragt Wedelin: "Nicht wahr, in Amerika machen die Goetter Nacht, hier bei uns der Liebe Gott!"
14. Juni -
Egbert
ist 6 Monate alt, lacht und sagt "Mama" und
kugelt sich morgens in unserem Betten stoehnend herum. Sein Haar ist
lang and roetlich blond. Er ist immer still and artig, lacht und spricht vor
sich hin.
Cecile hat eine grosse Huehnerzucht und eine Ziege and wirtschaftet
praktisch und fleissig in einem litauischen Rock un d Kopftuch, mistet
selbst mit grosser Heugabel den Stall aus.
Wendelin und Heini haben grosse Angst vor dem
RadieschenKobold Gugi-Mugi und dessen Bruder, Herrn Kuemmel,
von denen wir ihnen nie genug erzaehlen koennen. Manchmal kommt
Heine verkleidet an ihr Fenster, dann ist die Erregung gross.
Heini war neulich zu Mittag nicht zu finden. Endlich kam er
angeritten und sagte sehr ernst: "Ich musste doch Telefon sprechen."
" Ab er war um ?" f r agten w ir . " Nun so o o, lisp e lt e er , " um zu f r agen.
wie es steht mit Onkel Erichs Feldern und anderem. Ich habe auch
sehr viel geklingelt, und Onkel Erich hat ins Telefon geschimpft."
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Heini: "Warum faengt alles im Leben mit eins an - war das die
Lieblingsnummcr vom lieben Gott?"
Heini: I ch fuhr nach Ponewesch zum Zahnar zt m it ihm, der
einmal Heine sehr gequaelt hatte. Es wurde Heini ein Milchzahn
gezogen, er war sehr tapfer, beim Mundspuelen hob er den Kopf
and fragte: "Herr Doktor war das hier bei Ihnen, wo drei schmutzige
Juden dem armen Papachen den Zahn zogen?" - Der juedische
Zahnarzt schweigt pikiertEgbert
- Am 24. August der er st e Zahn. Er sagt schon
"M am a" seit dem Juni. Seine Amme Mascha verliess ihn Mitte Juli.
6. Oktober – Cecile, Wendelin und Heini gehen alle drei in die
Schubertesche Schule and finden es herrlich. Cecile lernt mit Eifer und
Fleiss, Wende lin sehr f luecht ig, He in i sehr g ew isse nhaf t . Er
sagte der Lehrer in am 1. Tage: "Bitte fragen Sie mich niemals, denn ich bin ein sehr dummer Mensch." Seine Freunde waehlt er sich und
fragt sie, ob sie sei ne Freunde sein wollen. Sagen sie nein, so
r e i s s t e r d i e s o l a n g e a m O h r , b i s s i e j a s a g e n . E r f i n d e t aber
Lesen sehr langweilig and dumm. "Mama", sagt er, "wozu lernen
Menschen "mu", "ma", "mi" lesen - das brauchen doch nur Kuehe
und Schafe zu wissen.?"
Wendelin antwort et neulich, als Cecile fragt, woher mein
gemietetes Klavier stammt: "Ich weiss - vom Stamme Juda'
Heini hiess bei einem Spiel "Herr Bocksberg" und war
Englaender and sollte englisch sprechcn and fragte mich einige Wort e.
A ls Cecile ihn aber fr agt e: " Nun, Herr Bocksber g, w ie geht es
Ihnen?". antwortete er tiefernst: "Very good. my darling Klisma!" Cecile wird beim Wie Wo Warumspiel gefragt (bei dem Wort
Blatt mit 2 Bedeutungen) "Wie liebst Du's?" Sie wird ganz rot and
ruft: "Wie ich es liebe - ich hasse es!" (an Buecher denkend, da sie
lesen hasst.)-
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28. Oktober - Egi ist sehr komisch and schlau, backt Kuchen spielt und
sagt "Mama", "Papa", "Nana" und lacht and spricht laut. Er hat 7
Zaehne and viel goldenes Haar, sitzt aber noch nicht allein, kriecht
aber viel auf dem Bauch herum and dreht sich hin und her.
Heini : "Mama, meine Hand riecht noch ganz nach Erde weisst Du, noch von Erdenkloss, aus dem mich der liebe Gott
gemacht hat!"
Egi - Am 2. November wurde Egi so krank (Darmeinklemung im
Bauch), dass der Arzt ihn gleich operieren wollte. Er war so
schwach vom Schreien und erbrach alles. Um 11 nachts fuhr ich im
Auto mit ihm und Nana durch die Stadt endlos weit. Die
Lichter schimmerten in den dunklen Kana elen - mein Herz war wie
versteinert vor Schmerz. Da betete ich so inbruenstig, Gott
m o e g e ihn heilen and ihm helf en and se ine Hand auf m ein
Jungchen legen. Im Hospital mussten wir etwas warten, und Egi
schlief. Dann kamen 3 Schwestern and kleideten ihn aus, in seinem
kleinen Hemdchen legt en sie ihn in gr osse we isse Laken. Er sah
m ich an, als ich sein Koepfchen kuesste and sagte: "Mama". Dann
brachten sie ihn fort ins Operationzimmer.
Ich traute meinen Ohren kaum, als gleich darauf
Dr. Stukke erschien und sagte, es sei nicht noetig - es sei
von
selbst
zurueckgegangen
und
man
mir
Egi
wiederbrachte. - Gott hatte ein Wunder getan und mein Gebet
so ueberraschend schnell erhoert. Ich kon nte nur loben und
danken die ganze N a c ht ! - Cecile - Nach dem Ballett
fragte Cecile ob sie nicht
Balletteuse werden koennte. Heine erklaerte ihr, dass es fuer
S i e nicht passt. Am anderen Tag zu mittag haut sie plötzlich
weinend m it d e r H a n d a u f d e n T i s c h : " W a s s o l l i c h e i g e n t l i c h
w e r d e n - - Balletteuse darf ich nicht, Zirkusreiterin auch nicht, und ich will n i c h t i m m e r n u r : M u t t e r – M u t t e r ! " - - S i e e r l a u b t
d e n J u n g e n nicht, in ihr Zimmer zu kommen. Sie drucken
Visitenkarten and schicken sie foermlich hinein, and Cecile weint.
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Wir ermahnen sie und wollen ihr klarmachen, dass ihr Zimmer
doch kein Heiligt um sei. Nach einigen Tagen sagt sie: "Wa nn
werde ich endlich mal e r w a c h s e n s e i n , - d a n n k o e n n t e i c h d o c h
m e i n G e f u e h l e f u e r m i c h a l l e in hab en l" - - E inm a l um ar m t s ie
m ich z o st u er m isch. A ls Heine sie schilt, sagt sie: "Ich wollte doch
Mama nur „umweichen“.-
Wendelin, Egi und Heini haben Windpocken im November, kaum
Fieber aber ca. 3 Wochen dauert es, bis alles abfaellt.
Egi traegt eine Bruchbandage and ist seitdem gesund,
nimmt l a n g s a m z u , a b e r s p i e l t u n d r o l l t s i c h . . .
Januar 1914
Egi ist 10 Tage krank, fieber t bis 40 0 , doch fehlt ihm
nichts.Der Artz s p r i c h t v o n I n f e k t i o n , e t c . E s w i r d i h m B l u t
a b g e z a p f t , doch alles gesund. Spaeter meint er, es sei
Typhoes.- Ich halte es fuer Z a e h n e . – A m 3 . M a e r z g e h t d i e
N a n a w e g , D i t t a k o m m t , a n d i c h reise mit ihr und Egi nach
Sassenhof, auch Heini kommt mit und bleiben 2 Tage dort. Dr.
D i e t r i c h f i n d e t E g i g e s u n d , n u r r a c h it i s c h . Eg i lacht ihn a n und a lle,
d ie ihn bes ehen a nd gr u esst t ief m it dem Kopf. Ich lasse ihn in der
Klinik mit Ditta, and bekommt er Salz and Kleiebaeder,Lebertran and
mehr Gruetzen, Apfelmus und rohen Schmand. Er nimmt dort gleich zu.
Am 31. März Fahrt von alle von uns nach Malguschen. Egi in Sassenhof
dick and munter, erkennt uns und ist viel entwicklter.
Am 15. Mai schreibt Ditta, dass er allein sitzt und allein
aufsteht und steht. Er hat bis dahin 3-1/2 Pfund zugenommen und
den 8ten Zahn gekriegt, ist viel draussen and der Magen nicht
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mehr verstopft
4. Juni
Egi - ich war einen Tag bei ihm in Sassenhof. Er geht
jetzt eilig an seinem ....
entlang. Ich traf ihn so im kurzen Knabenhemdchen,
Kopf und Nacken voll goldener Loeckchen, sah er suess aus. Ich spielte den
ganzen Tag mit ihm. Er wirft alle Sachen ueber sein Gelaender, jauchzt und
lacht, kuesst sein Spiegelbild and sieht schnell hintan nach, wo er ist. Ich sagte
ihrn ernst, er duerfe eine Apfelsine nicht hinunterwerfen. Er sah mich an.
wurde dunkelrot und machte seine Wein-Lippe, innerlich aufschluchzend. Es kam
nicht zum Weinen, aber meine Strenge hatte ihn tief gekraenkt, und strebte er
von mir fort. Nachmittag schlummerte er auf meiner Brust ein, waehrend ich
mich mit Anna unterhielt - mein kleines suesses Jungchen!Ende Juni
Egi war sehr krank an Brechdurchfall. Heine
und ich fanden ihn roechelnd and sehr erschreckend veraendert vor.
Grosse Sorgentage! Ich blieb mit ihm und pflegte ihn. Gott erhielt ihn
uns. Er war noch matt, aber viel wohler, als ich ihn verliess.
Sept 1914
Die 3 grossen Kinder waren auf der Reise auf dem Schiff
glueckselig. Cecile traeumte und sprach nur davon, einmal Kapitaenin zu
werden.
Heini - Er hatte oefters uns von "Fata Morgana" sprechen
hoeren. Eines Abends zeigte er jauchzend uebers Meer und rief:
"Seht dort - dort das Dunkle im Wasser - das ist bestimmt der
„Vater Mojana!"In Hotels, besonders in Rom, gefielen ihm die kleinen Liftboys
and Piccolos am meisten, and sparte er sich immer ein wenig
Geld auf und gab denen dann bei der Abreise mit grandioser
Handbewegung Trinkgelder.
Wendelin hatte auf Reisen das Pech, immer im letzten Moment
zu verschwinden. In Mailand verspaeteten wir fast den Zug dadurch.
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Er wurde viel darueber geneckt und gescholten.
Die Kinder waren sehr enttaeuscht von der Kleinheit der Schweizer
Berge. Erst spaeter, als es ans Ktettern ging, imponierten sie ihnen. In
Thusis im Hotel wurde Wendelin viel geneckt mit einem alten Herrn, "seinem
Ebenbild", der am Nebentische ass and sehr krumm sass. -
" Cecile hatte in der Schweiz immer Sehnsucht nach Geissen, die
sie nirgends zu sehen bekam.
In Thusis, spielte im Hotel ein blinder Geiger. Wendelin gefiel sein
Spiel sehr, doch lachte er dabei so laut, als kitzele es ihn und fluesterte mir immer
zu:" Er spielt so komisch, dass man Lachen' muss“. Heini befreundete sich in
Homburg im Hotel mit den Tisch-Musikern, die ihn fragten, was fuer ein
Landsman er sei. "Russe", sagte er. "Woher kannst Du denn deutsch?"
"Meine Nana hat es mach gelehrt.“ "Was ist Nana?" " Eine einfache
Er zieher in", sagte er.
In Rom hatten sie wenig Kunstsinn, - sie rutschten auf
den Fliesen von St. Peter umher, bewunderten die paepstliche Wache - genossen
Makkaronis and schwaermten fuer Kaethe Hahn.
In Athen war die Akropolis morgens ihr Spielplatz und das
Gefaegnis des Sokrates - nachmittags der Strand von Fallero.
In Serbien wurde Cecile von viel Kampflust ergriffen beim
Anblick all der vielen Krieger, und wieder brach sie in Traen en
aus als sie die Verwundeten an den Stationen sah.
Die Kinder hatten auf dieser Reise viel Geduld noetig. - ein einziges
Quartetspiel war ihr Vergnuegen. Zu essen gab es wenig - oft nichts.
Dann hiess es, die Guertel fester ziehen. Schlafen muessten sie in der
Bahn am Boden auf Plaids. Sie waren im ganzen sehr artig.
Egi - Nach 6 Wochen hoerte ich wieder einmal was von ihm in
Odessa, wo man uns telegraphierte, er sei gesund. Anfang September holte
ich ihn ab aus Sassenhof, wo er 6 Monate war, im ganzen 4 Pfund zugenommen
hatte and mehrere Zaehne bekommen hatte. - Im September bekam er alle 4
Augenzaehne
ganz
leicht.
Anfang
Dezember
geht
er
ein
paar Schritte allein, - gefuehrt, sehr fix.Er isst immer noch nichts anderes
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als Milch mit Lahmanns Pflanzenmilch, alle Gruetzen, Bouillon,
Apfel-Pflaumenmus. Gut bekommt ihm Malzextract mit Leberthran.
Zwieback,
Wendelin und Heini versuchten, eine Nacht um 1 Uhr fortzulaufen in
den Krieg und wurden vom Fraeulein auf der Treppe noch er wischt.
I hr
P lan war, m it 70 Kop. Vermoegen erst den Dwor nik zu
bestechen, dass er sie durchliess, dann per Tram zum Bahnhof,
Perron-Billets zu nehmen, sich im Klosett des Zuges zu verstecken
und so bis Libau zu fahren, von da nach Polangen zu gehen und mit
Manteln und Bergstöcken gegen die Deutschen zu kaempfen. In ihren
Rucksaecken waren: Zwieback, Baldriantee,
Verbandstoff, eine kleine
Klistierspritze, ein
Dominospiel
fuer
unterwegs
und
kleine
Spielkanonen. Enttaeuscht, dass man sie entdeckt, und beide sehr
ueberzeugt, dass ihr Plan gelungen waere, konnten sie lange nicht ihr
Unrecht einsehen.
Dezember 1914
Egi - Um seinen 2ten Geburtstag herum fing er an, kleine
Strecken allein zu gehen. Ende Dezember bekam er Influenza,
naach der er wieder schwach war und garnicht ging. Ende Januar
geht er mutiger an allen moebeln entlang und oft auch allein. Ende Februar
geht er fix und ganz allein.
April 1915
Egi laeuft ueberall umher, mit Lene tanzt er mit Vorliebe " Sur le p o nt
d ’ A v ig no n" , B e i m ir a n d L e ne ist er im m e r lu s t ig and sehr folgsarm.
Bei Ditta ist er namenlos unartig and will nur auf ihrem Schoss sitzen
oder von ihr getragen sein. Sie verw öhnt ih n m a ss lo s, u n d m an h ör t
ih n d o r t im m er s c hr e ie n. M it m ir ist er aber zaertlich und kuesst mit
weit offenem Munde, aber er hat auch Respekt.
Wendelin lernt fluechtig und schlecht, und hab' ich auch sonst am
meisten Muehe mit ihm. Seit Ostern werden die beiden Grossen von einem Frl.
Nauheim unterrichtet, und scheint es bei i h r b e s s e r z u g e h e n a l s b e i F r l .
U l l m a n n - H e i n i l e r n t b e i F r l . U russisch und bisher bei Lene
deutsch, von heute an bei mir , da Lene gestern (April 23 -)
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fortfuhr. Er ist ein sehr fleissiger, guter Schueler. Abends lesen
wir deutsche Heldensagen, was sie alle sehr entzueckt.
C ec ile ist sehr pr akt isch auf der R e ise nac h G a id am ak. Wir haben
allerlei Geschirr mit, Heine gibt ihr taeglich Geld, und sie sorgt fu ers
Essen und holt und kauft alles m it Wen delin auf den Stationen ein,
und sie essen im Coupe. Anfangs hat sie Muehe, da Fr l. Ullm ann nie
dann hungr ig ist , wenn das Essen kom mt. I n Gaidamak hat sie wieder
ihre Huehner. Ein Hahn "Alektrio" ist ihr Liebling. und sie weint, dass
er geschlachtet wird. Nur als ich ihr sage, dass in ihm der Wunderstein
sei, mit dem sie sich alles wuenschen koenne, troestet dass sie etwas.
Heine kaufte zwei Pferdchen und einen Wagen und brachte sie mit. Pink
kam auch gerade an, wir tranken Tee auf der Veranda als die kleine
Equipage vorfuhr zum starren Entzuecken der Kinder, - Ceciles Wu nsch
m it d em Wun der st ein, e in Pf er d zu haben, war er f ue llt . Sie ritten viel
auf den Pferden.
Heini brach sich im Juli den Arm, als er sich vor Angst
beim Reiten auf dem Eselchen, das etwas trabte, hinabwarf. Es waren
schreckliche Stunden, der Knochen stak heraus, H eini schrie und
wimmerte 24 Stunden lang. Ein Feldscher wusch ihn, wir warteten eine
Nacht und bis 4 Uhr nachmittags auf. ein Schiff, das telegraphisch bestellt war.
Heini wurde auf einer Bahre aufs Schiff gest ellt . Heine und Fr l. U.
f uhr en m it, ich durfte nicht, w eil ich zu
angegriffen war. Erst 30 Stunden nach dem Bruch wurde sein Arm
in Wladiwostok unter Chloroform eingerenkt bei hohem Wund f i e b e r ,
u n d l a g e r 5 W o c h e n i n d e r K l i n i k m i t e i t e r n d e m A r m . F rl. U. war
die ganze Zeit bei ihm. Er wurde recht ner voes and verwoehnt und
war, als er zurueckkam, enerviert mit seinen Ge schwistern - sehr still und
mit sich gefaehrlich.
Egi erholte sich in Gaidaimak bei der Pflege seiner vortreff lichen
japanischen Amma , gut, ritt auf ihrem Ruecken, ging viel umher und war
immer gesund, lustig and artig.
28.O kt ober 1915
Max wurde geboren, ich war sehr krank und
lag 5 Wochen in der Klinik. Maxi war rund. und dick mit grossen
Augen und lachte schon am 3ten Tage. Am 10. Tage wurde er
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nach
Hause
geschickt.
unter Alices Pflege. Er wechselte
4 Ammen im Laufe von 3 Monaten. Seine Taufe war am 14.
Februar, und wurde er Maximilian, Heinrich, Paul, Hugo, Johann
genannt. Adolf Haaren hielt ihn im Namen seines Bruders Paul.
L ene wurde als Patin, Tante Mausa und Adolf als Zeugen
angescbrieben. Maexchen lachte ganz laut und sah suess aus. Egi im
weiss-seidenen Kleide sass neben Frl. U. and sagte dazwischen
"miau", wenn der Pastor sprach. Sehr viele Kinder schmueckten
das Fest. Pahlens, Huennes, Rosanoffs, Weimarus, Lucie, Tante
Mausa,
Gerta Medem, und Tochter, Max, Gecile Ernst. Johann, Kaetchen waren
da.
Heini wurde im Oktober nochmals von Dr. Stukke operiert u nd
lag 8 Wochen im evangelischen Hospital. Bis zum Januar aber eiterte
die Wunde noch. Im Hospital war er sehr befreundet m i t a l l e n
S c h w e s t e r n , A e r z t e n a n d K r a n k e n . A b e n d s b e f a l l e r seine
Schwestern an sein Bett, setzte die Brille auf die Nase und las ihnen
die Bibel vor, und dann musste eine das Vaterunser beten. Einmal
aber konnte er nichts herauslesen and sagte, die Bibel sei heute so
undeutlich. Er hatte sie verkehrt gehalten. Gleich nach dieser
Andacht verlangte er Baldrian, w eil es ihn so angegriffen haette.
Wendelin musste kurz vor Weihnachten auch ins Hospital, Heini
war schon weg. Wendelin lag 4 Wochen an Blinddarmschmerzen and
wur de dann oper iert , wobei a lles g latt g ing. Am Weih nacht sabend
hatt e er e in Baeumchen , Fr l. U llm ann, d ie ebenf alls am Blinddarm
operiert war, wurde auch hereingeschoben, and beide sahen so duenn and
blass aus hinter dem hellen Baeumchen und umgeben von Geschenken.
F r i . U l lm a n n g in g i m J a n u a r f o r t , F r l . K u p l e r s b l i e b e i n e
Zeitlang, und eine Franzoesin kam zum Promenieren.
Cecile machte ganz gute Fortschr itt e im Lernen, war jedenfalls
sehr f leissig bei Fr au Br and. Wendelin weniger. I m Januar waren wir
mit ihr und Heini am Imatra. Beide lernten schnell Schneeschuhlaufen.
Cecile fror nur immer bei den 26 Grad Kaelte. Aber Heini zog schon morgens
um 7 Uhr hinaus Schneeschuhlaufen.
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Egi hat Wendelins fuehere Amma als Nana , vorher einen
Drachen, die ihn quaelte und schlug, solange ich in der Klink war.
Alice fand ihn ueberaus artig and sagte, er habe "un caractere
angelique". Mich liebt er heiss and ruehrend. Im Fr uehjahr bin
ic h w ie d er 1 0 T a g e in d e r K lin k, d a s ch la ef t e r b e i H e in e. A ls ic h
a n kam zitterte, weinte un d lachte er vor Freude and wollte mich nicht
loslassen.
M ax w ir d im M a i g e im pf t . E r is t e in gr os s er S chr e ier
und schlechter Esser, ist aber immer gesund.
Cecile und Heini wurden im April von Blessing operiert,
Schieloperationen, was mit etwas Aether schnell und gut ging, und nach
8 Tagen wurden sie entlassen. mussten 3 Wochen the Augen vollkommen
erholen. Mademoiselle Barthelet war bei den Kindern .
Egi schlief auf der Reise in den Osten wieder in seinem
Reisebett und war ein sehr bequemes Reisekind. Max recht unruhig u n d
schreiend im Coupe seiner Amme. In Gaida mak faengt Egi
endlich an Fleisch zu essen und vieles andere. Er spricht auch mehr,
doch immer noch nicht alles, versteht aber 2 Sprachen, singt viele
Lieder richtig der Melodie nach und m erkt gleich, wenn ich ein Wort
aendere und versucht, das Richtige zu sagen.
Juni
Maxi kriegt im Lauf von 3 Wochen 6 Zaehne, wird dick und rund,
sitzt aber mit 9 Monate noch nicht allein, steht aber, wenn e r s i c h
h a e l t , s p r ic h t n ic h t s , s c h r e it v i e l b e i s e i n e r A m m e , die nicht so gut
ist wie die vorjaehrig verstorbene. Er sieht sehr sue ss und rosa aus, mit
einem roetlichen Haarschopf.
Wendelin und Heini lernen boettchern bei Weber und bringen
kleine, etwas schiefe Faesser zustande. Heinis Arm ist noch steif,
und ich m assie r e ihn t a eglich. Reit en will er nicht m ehr.
FrL Kassiakowsky ist mitgereist, verlaesst uns aber im Juli
und Mademoiselle Cherwit kommt.
14
Juli
Cecile
and die Jungen
baden mit Begeisterung, die beiden
G r os se le r ne n sc w im m en. E in e n T ag, a m 2 5. , s in d be id e J u n g e n i m
B o o t , w a h r e n d H e i n e , C e c i l e a n d i c h n o c h b a d e n . Ploetzlich
hoeren wir ein Geschrei und sehen das Boot weit in die Bucht
abgetrieben und Heini schreiend darin mit einem Ruder, waehrend
Wendelin, der das andere holen wollte, im Wasser s chw im m t , aber " ic h
er t r inke! " schr e it . I ch schw a m n so r asch ich konnte
doch war es
s e h r w e i t , W e n d e l i n i m m e r M u t zurufend. Er hat e sich ans Ruder
geklammert, aber schr ie immer f o r t : " I c h k a n n n i c h t m e h r ! " E n d l i c h
erreichte ich ihn un d zog ihn mit dem Rude r fort, bisHeine uns mit
einem Brett entgegenkam.
Der arme Junge war blau and zitt ernd, wir alle sehr matt. Heini schrie
im Boot am meisten, wurde aber gemuetlich ans Land getrieben.23. August
Max trinkt nicht mehr von der Amme, i s s t G r u e t z e l , Kompott und
Gemuese, hat 8 Zahne, geht um den herum, sagt: Papa, Mama,
Amma and nam-nam.
E g i h at of t M a ge nzu st a e nd e u nd s ie ht e le n d a us. E r lie bt Herrn
W e b e r h e is s . D e r z e ig t ih m a n , s e i n e n A m m as d ie F a u s t z u
zeigen. Er hebt sein winziges Faeustchen and droht hinter
ihnen. E r ist ueber haupt nur bei m ir un d Heine gluecklich. A llen
Fremden gegenueber zeigt er Keyserling’sche Hoeflichkeit, kaum sind
sie aber zur Tuer hinaus, droht er hinter ihnen her, ist selig, dass sie
fort sind and sagt: "ma! ma!" mit abwehrender Handbewegung, was
"Fort!" bedeutet.
Cecile and Wendelin reiten gern und gut. Heini laesst sich ungern zum
Reiten ueberreden, er hat, wenn Reitaussichten sind , immer 1000
andere Plaene vor. Wendelin schiesst seinen ersten Strandlaeufer und
ist sehr Stolz. Wendelin ist grosser Hundefreund. Der Hund des
Agenten "Mischka" ha engt treu an ihm. Eine zugelaufene Huendin
"Juno" bleibt bei uns. Als wir in die Stadt kommen, bekommt sie gleich
15
den ersten Abend 11 Junge. Ich klaere die Kinder etwas auf, habe
es schon . im vorigen Jahr getan. Besonders Cecile fragt and gruebelt
zuviel, und ich mache ihr manches klar. Die kleinen Hunde sind ein
grosser Spass, 6 werden ertraenkt. Zur " H u n d e t a u f e " i s t W i l d e m a n n
d a , u n d W e n d e l i n e r z a e h l t i h m : "Pensez, Juno a eut 11 enfants, 6
meres et 5 peres, nous avons noye les meres et seulement garde les
peres“. Heini nennt seinen "Fips Fipsowitsch". Da er lispelt, kann er es kaum
aussprechen.
Wir haben eine Mademoiselle, die sehr nett ist, nach so vielen
anderen, besonders nach der letzten, die die Wildnis in Goldschuhen and
seidenen Kleidern durchschritt, zur Guitarre sang and die armen Kinder mit
entsetzlichen Stunden quaelte.
28. Oktober ist Max 1 Jahr alt, hat 10 Zaehne, die er leicht
bekam, kriecht durch alle Zimmer und geht an de n Stuehlen entlang.
Er hat eine uralte, komische Amme, die ihn heiss liebt.
Egi hat eine juengere. Er umarmt sie immer und sagt:
"Eddi Amma pei - Nana Amma (d.i.D. Alte) pae - Nana Babys
Amma" Er schwaermt fuer Singspiele mit Mademoiselle und
spricht franzoesische und japanische Worte.
Im Winter in Vladivostock lernen Cecile und Wendelin bei
einem Frl. Till. Im Fruehjahr macht Wendelin Examen in der 1.
K lasse der Cer ner - Schu le. He in i ist in e inem Kr e is e, wo er w en ig
ler nt . Be i M iss F in d ley ler nen a lle 3 en g lisch.
13. April 1917
Wendelin hat Masern gehabt, 4 Tage hohes Fieber, starker
Husten, rote Augen, bis der Ausschlag kam , dann besser. Er lag 11
Tage zu Bett und wurde dann gebadet und ging hinaus.
Cecile wurde 12 Tage nach seinem Masern -Anfang krank
mit Fieber und Halsschmerzen. Am 4. Tage noch Husten,
f u e h l t e sich sehr schlecht und phantasierte, doch war sie nur 10
Tage krank.
16
Heini hatte es sehr leicht,
Husten.
nur 2 Tage Fieber, aber lange
Egi war sehr krank, f ieberte 2 -1/2 Wochen m it Erbrechen,
starkem Husten, Bronchitis und Durchfall. Nach 3 -1/2 Wochen stand er
auf, doch konnte lange nicht gehen, erst in Japan all maehlich wieder.
Max hatte starken Husten und Durchfall and war auch ca. 3
Wochen krank.
N a c h d e n M a s e r n r e is e ic h m it d e n K le in e n n a c h J a p a n .
Cecile verbringt des Englischen wegen den Sommer bei Mrs. Pray. Die
Jungen in der Ferienkolonie und spaeter mit Rudsiansky in Gaidamac.
Egi ist auf der Reise nach Japan sehr munter, geht zu jeder m ann
and laesst sich auf den St at ionen von a llen Tr aegern tr agen und nennt
sie alle "Boy".
Egi und Maxi baden in Juli mit mir im Meer. Egi hat eine kleine,
br aunaeugige Freundin, m it der er ins Wasser geht. Er i st mutig
and wirft sich mit ihr ins Wasser, and oft kommt eine Welle and geht
ueber ihn weg, and ich muss ihn halten, dass er nicht versinkt. Er
and seine Freundin haben beide hellblau - gestreifte Kostueme and
sehen suess aus. Max, dick wie ein kleiner Baer, wackelt ungern ins
Wasser in einem dunkelblauen Kostuem, hebt die Haende hoch und
betrachtet misstrauisch die Wellen- Sie haben 2 kleine portugiesische
Freunde, Louis and Etienne, von 2 Jahren and 9 Monaten, beide m it
r iesigen schwarzen Augen. Egi liebt sehr, das kle ine Baby zu
str eicheln, m it Louis spie l en s i e s e h r g u t , m a n c h m a l z a n k e n s i e
sich and beissen sich in die Haende wie kleine Tiere. Egi beisst
a u c h M a x , a n d i c h s t r a f e i h n o f t d af ue r . E r sa gt d a nn " na u gh t y
b o y" . E r s pr ic ht b e ss er , m e ist russisch. Seine Hauptliebe sind Autos,
die grossen kann er stundenlang besehen und sagt: "Autobi essen
Autobi naughty boy! Autobi schlafen , Aut ob i a a m achen. Aut o b i
ke ine Nase - aber Edd i N a s e ! A u t o b i s r e i t - M a k s e m o m e s r e i t ! "
I n d i e s e r W e i s e i s t seine Conversation. Kleine Autos, die man ihm
schenkt, sind sein Entzuecken. In der Hitze kriechen beide gan z nackt
im Zimmer umher mit ihren Spielsachen.
17
Frl. Tscheremissinoff
reizend gelungen.
hat
beide
modelliert,
sie
sind
Im Herbst reise ich nach V. mit den Kleinen and bald darauf,
als H. seinen Abschied erhael t, reisen wir alle nach Japan - finden
ein Haus in Yokohama. Cecile kommt ins Convent nach Tokyo, wo
sie anfangs ungluecklich ist, spaeter dafuer schwaermt.
Die Jungen sind im St. Joseph's College, lernen rasch englisch,
sind aber viel krank and dort nicht gluecklich, besonders Wendelin,
der in viele religiose Tempel hineinkomrnt.
April 1918
Imn Winter hatten Heini, Egi und Max Keuchhusten, mit Injektionen
wurden sie behandelt, auch Wendelin, der es nicht bekam. Egi hatte es
am schlimmsten. Die 2 Kleinen waren 3 Monate in ihrem Zimmer
eingesperrt, am Kamin feuer, and gingen selten aus, die Ka elte im Hause
und draussen war zu gross.
Cecile ist im Convent and dort sehr gluecklich und geniesst das
Leben mit den vielen Maedchen s ehr. Sie lernt auch l ieber und besser
- zuviel Katholizismus.
Wendelin hat in der Schule manche Kaempfe bestanden, erst
mit den Jungen wegen der Nationalitaet, dann mit den Lehrern wegen
Religion, und daher ist er in einem Stadium des Widerspruchs and
Zankes und gruebelt ueber religio ese Probleme etc., wofuer er viel
zu jung ist, und ha t keine Freunde.
Heini nimmt Lernen und Leben leichter und froehlicher. Er war
einem Monat im Hospital in Tokyo und wurde von Dr. Schoda oper iert.
Sein Arm scheint besser und sol l noch viel massiert werden. Er hat
keine Schmerzen, doch gr osse Angst davor a nd schreit und stoehnt,
18
wenn man ihm nahe kommt. Im Hospital
hatte
er
viele
japanische Freunde, ein Student Torii mit seiner kleinen Schwester
Hari (Fruehling) war sehr nett mit ihm. Er schwae rmt fuer Hari, die im
reizenden Kimono Koto spielte und sang.
Egi ist jetzt sehr lebhaft and kom isch, die beiden Kleinen sind
ganz Max und Moritz. Egi laeuft allein aus dem Garten auf die Strasse
zu den Rikschamännern, die ihn heiss lieben, and spielt dort. Oft
sucht man ihn und findet ihn unten, ohne Muetze, seine hellen Locken
im Winde flatternd, wie er versucht, die Wagen zu ziehen. Alles auf der
Strasse interessiert ihn, besonders die Maenner, die mit Tragstoecken
gehen und was verkaufen wie Bohnen kuchen, Austern, Fische und dazu
"Oi" schrein. Egis und Maxis liebstes Spiel ist, mit Stoecken oder
Handtuchhaltern im Zimmer umherzugehen, die sie auf der Schulter tragen
wie jene Leute und "Oi" rufen. Einen Morgen hoert man Max laut
bruellen. Egi hat ihn festgekriegt, haelt ihn am Kragen und waescht ihn
mit dem Schwamm. Haar und alles f liesst, und der Arme ist nass von
oben bis unten. " Sooo - M ax ganz r e in! " s agt Eg i st o lz, " E g i sehr
gut ! " M or gens s t e h e n i h r e B e t t e n u n t e r e i n a n d e r , u n d s i e k l e t t e r n
einer zum andern, was sie sehr lieben. Ihren Papierschirm haben
s i e i n Fetzen ger issen and grosse Loecher gemacht, als ob Ratten
ihn zernagt haetten. Heine hat beiden die Peitsche gegeben dafuer,
jetzt zeigt Max jedesmal, wenn man davon spricht, mit erhobener Hand,
wie die Peitsche schlug und Papa kam.
E g i s in gt v ie l - T sc his ik T s ch is ik go n t e b i ll
Na Fantanten - Makaka (Chaloko) yill.
wie er es selbst veraendert hat, und dann noch, "Oh Du
froehliche", "0 my Darling Clementine", "Muede bin ich" etc.
Einen Abend, als ich allein mit den Kleinen blieb und in der
Kueche war, hoere ich lautes Klirren . Als ich ins Esszimm er
komme, haben sie das ganze Buefett ausgekramt, Egi tuermt die Teller
auf den Tisch und verteilt sie auf dem Teppich, und Max sitzt, jauchzt
und zerkeilt einen nach dem andern. Beide rennen fort, als ich
komme und verstecken sich.
Dezember 1918
19
Cecile ist auch nach Kobe in die Schule gekommen, wo sie
sehr gluecklich ist, doch eine gewisse ferne Schwaermerei fuer ihr altes
katholisches "convent" hat sie behalten. Sie schreibt oft und manchmal
etwas heimwehvolle Briefe. Es ist auch schwer, die Kinder so lange nicht
zu sehen, und freuen wir uns alle auf Weihnachten, wenn das Haus voll
Stimmen und Froehlichkeit sein wird und wir sehen werden, wie die Kinder
sich in der neuen Schule entwickeln.
•
Wendelin nennt sich jetzt "Robert", um dem Spot ueber seinen
sonderbaren Namen zu entgehen. Er scheint sehr zufrieden in der Schule zu sein
und schreibt oft.
Heini laesst selten von sich hoeren and wenn, dann schreibt er von
Base- and Football.
Im Sommer in Chefro befreundete sich Wendelin mit Boris Gerassimoff, einem
freundlich-dicken Juengen, etwas maedchenhaft. Heini hatte viele Freunde
und Freundinnen, Vladek Sakulsky, Tania Tukmakoff, Ninette Kra eutler
and die kleinen Weinglas. Er verstand sich ueberall beliebt zu machen,
und die Mamas lobten alle seine Liebenswuerdigkeit- Cecile fand keine
Freudinnen, die Weinglas waren ihr zu langweilig, Ducia, die ihr gefiel,
aelter und kein guter Umgang. Sie schloss sich an eine Englanderin mit 2
kleinen Soehnen, die wir "la chevre" nannten, und die freundlich und
dumm war and mit Cecile Sweater strickte.
Egbert hat sich die 2 letzten Monate hier, wo er fast nur mit uns zusammen
ist, sehr entwickelt und spricht viel mehr, lange Reden, doch sind ihm viele Worte
schwer auszusprechen, und Heine lehrt es ihn mit ruehrender Geduld. Er ist
sehr wohl and frisch, nach langer Dissenterie im Sommer, und hier
sehr selbststaendig, deckt den Tisch ab, giesst Tee ein, plempert mit
Wasser wo er kann, waescht sich, nascht, wo er was festkriegt; einmal im
Bueffet mit Max griff er in die Reisschuessel mit den Händen, and beide stopften
ein, soviel sie konnten. Ein anderes Mal ass er alles Kompott auf, doch immer
holt er Max mit heran und fuettert ihn. Er sagte mir einen Tag: ''Papa sagt so:
pfui - Du alter Safttopf!"
Er meinte "Schafskopf". Ich erzaehlte ihm vom lieben Gott and Adam
und Eva. Da sagt er zum Schluss: "Der liebe Gott soll rasch kommen Egis
Bauch reiben - Egi bischen Bobo." Abends lieben beide Singspiele,
20
besonders „Fuchs, Du hast die Gans gestohlen“ was ich ohne Ende
mitspielen soll. Seine Ausdruecke "Unsel Papale" and "Arme arme Mamale
ist ganz muede" und "Baby weint, Egi geht ihn pei machen" sind sehr
haeufig und niedlich. "Papa macht
boese Augen", sagt er, "Papa holt . die Lute, die Lute". Dann spielt er
immer, dass er jemand ist "ein alter Kuruma oder "Ojiji", oder Cecile,
die nach Hause kommt und alle umarmt, und beim Bet en ist er im m er
" Heini - der ganz krumm kniet" . Auch Pferde und andere Tiere stellt
er vor, aber niemals ist er eine Kuh, die er namenlos fuerchtet. Er hat
lange grosse Angst vor dem Pull im Badezimner, bis wir ihn allmaelich
ueberzeugen. dass da nur Wasser fliesst, und jetzt geht er schon selbst hin
and zieht und lobt sich spaeter lange. Er isst allein und gibt sich grosse
Muehe, die Gabel richtig zu halten.
Max ist leider noch ganz stumm, doch ganz fix, faengt an, den Loeffel zu
halten, versteht fast alles und fragt mich immer, wie alle D inge heissen. Ich
hoffe, er behaelt es allmaelig und spricht endlich mal. Sehr selten sagt er
ploetzlich ein langes Wort ganz richtig. Er denkt nur an Essen oder spielt
sehr geschaeftig mit seinen kleinen Sachen. Die monatelange Dissenterie hat ihn
sehr heruntergebract. Jetzt ist er gottlob wohl. Mich nennt er niemals, aber
folgt mir immer. .A1les Essen heisst "Oa", sonst sagt er nur "Papa", "Boy"
"Edi" "Herebo" "Kasha" "Icky" "Brena" and seine Ente heisst "Kaka".
Wenn er essen will, schreit er "Amma" durchs Haus, was er in Nagasaki im
Hotel tat.

Maerz 1919
Cecile war zu Weihnachten noch recht verzweifelt in der neuen
Schule, wo die Lehrerinnen gleichgueltig, die Maedchen kalt waren. Sie
genoss ihre russischen Freundinnen, die Ueberschwengliche, zaertliche,
verliebte tanzende Olga Neuecrief und Tania Turepin sehr, fuhr ihre alte
Schule besuchen, nach der sie sich heiss sehnt. Sie denkt viel an Geld
verdienen und fuer uns arbeiten. Leider ist sie in der Schule noch so weit
zurueck in der 7.Klasse, dass da noch viel zu lernen ist.
Robert hat in Kobe wieder mit allerlei Missionaren und bekehrten
Juden zu tun und las nur religiose Buecher. Cecile schrieb darueber und
mussten wir es ihm verbieten, da sein Kopf immer ganz wirr davon wird. Er
versprach, es aufzugeben. Er ist so eindrucksfaehig und glaubt jedem, so ist
21
das recht schwer.
Heini schickt brillante Zeugnisse , schreibt aber nie von
Lernen. Er hat Klavierstunden angefangen und hat einen geliebten
Freund, mit dem er alles t eilt .
Egi und Max sind ganz und gar Max and Moritz geworden, und
nichts ist vor ihnen sicher. Sie naschen alles, giessen mit Wasser in
Glaesern and Zimmern herum, schleppen Buecher, die Max noch zerreisst,
umher. kramen Bueffets aus, stellen Stuehle und Tische auf den Kopf,
schleppen Nachttoepfe umher, laufen immerwaehrend allein fort nach
Uschisaka und werden von Japanerkindern nach Hause gefuehrt - kur z,
m an ist n ie s icher ; da s ie ke ine Am m e hab en und der B oy oft m i t
Kochen beschaeftigt ist, spielen sie draussen allein mit
i h r e n kleinen Schubkarren, manchmal hat der alto Ojiji Zeit, nach ihnen
zu sehen. Egi befieh lt den herum in rechtem Junkerton: "Oji-ja,
come - Nallakalla", das ist mit ihm seine Sprache und noch
japanische Worte. Er unterscheidet genau, welche Sprache er mit
jedem spricht, mit Boy immer russisch: " Boika, skare. idi sada! Dai
nie palto - gulliat nada! " Mit uns spricht er jetzt undeutlich, aber
recht viel und kann doch alles s a g e n . E r s in g t " 0 D u f r o e h li c h e "
u n d s p r ic h t v ie l v o n W e ih n a c h t e n . S e i n e L i e b l i n g s l i e d e r s i n d
n o c h " D e r K o e n i g A r t h u r v o n E n g e l a n d " , " We r hat d ie
s c ho en st en S c ha ef ch e n" , " Der B e se n - d e r B es e n" un d "Oh my
Darling Clementine". Max singt auch die Melodien manchmal.
Egi liebt sehr Bilder und Buecher und Geschichten. Die
biblischen Bilder liebt er sehr. Nachdem ich ihm von Adam and Eva erzaelte,
sagte er: "Armer Lieber Gott, hat garkein e Aepfel mehr und keinen
Apfelkompott mit seinem Pudding!" Bei der Sindflut sagte er:"Ganz
dumme M e n s c h e n - k a n n n ic h t s c h w im m e n w ie u n s e r P a p a le u n d
M a m a. " H e in e w ir d v o n b e id e n a d o r ie r t . M a x n ic k t a n d w i n k t ih m
im m e r z u and klett ert morgens auf ihm herum im Bett. Egi schwatzt
rast los und laut mit ihm beim Auziehen und Rasieren. Vor der Rute
haben beide Angst, die bei nassen Hoeschen angewandt wird. "Sie kommt, sie
kommt", sagt Egi, "ganz rasch, ganz allein zu Egi tap tap tap.und dann.
ge bt s ie w ie der f la pen! " Er bet et im m er sehr g er n" - allerlei Variationen,
dass "unsel Boika 'sund is", dass "Egi molgen altig - nich' Hosen nass, nich'
Lute". dass "unsel Papale auch altig und 'sand ist", - und wenn ihn was
scmerzt, bittet er immer den Lieben Gott zu helfen.
22
Mit Baby albern und lachen sie viel und amuesieren sich herrlich.
M ax m a c ht a lle r le i D am m h e it e n, u nd E g i r o llt s ic h vo r L ach e n,
u e be r ihn. Max ist auch oft sehr komisch, so kurz und breit und
wichtig wackelt er herum, wie eine Wachspuppe, rosig und rund mit
seinen blonden Locken, sieht er reizend aus. Er sagt konsequent niemals
" M am a " , n ur " P ap a" . H o lz t ier ch e n, d ie s ie z u We ih n ach t e n
b e kom men, sind ihr liebs tes Spielzeug, besonders die G iraffe m it
duennem, langem langem „Makaloni-Hals" wird sehr geliebt. In
den k a lt e n M o n a t en w a r e n s ie im m er in P e lz e n d r a u s s e n ,
m o r g e n s v o n 9-12, dann Fruehstueck, bis 4 geschlaf en und
wieder draussen bis 7 Uhr in der Dunkelheit.
Es bekam ihnen so
gut, dass sie keinen Schnupfen hatten, obgleich das Haus eisig war,
doch im Zimmer trugen sie immer watt iert e kleine Joppen.
"M einen swat zen Lock - so wie del Papale !“ nannt e es Egbert.
17. Maerz
Egi sagte bei Tisch nachdenklich: "Gott sei Dank fuer Peis un Tank B aby is Pe is – u n’ Eg i is d er T ank! " I ch ver sucht e, ihm d ie Sache
zu erklaeren, er war sehr nachdenklich und still und schien es' sehr
merkwuerdig zu finden. Endlich sagte er:"Wasser is Tank un' S u p p e
is Peis." Ob er das aber beha lten wird, weiss ich nicht.
Gestern abend weinte er beim Waschen und Abziehn. Ich ging fort
und l ie s s d e n B o y m it i h m . D a w u r d e e r s t i l l. A ls ic h a n s e in B e t t
b e t e n kam sagte er:"Egi wiede' atig, nun Ma ma nich’ fortgehen!"
Ohne dass ich ihn gescholten, war es ihm klar geworden.
7. Dezember
Drei herrliche Monate verlebten wir im Sommer in Num age in
einem kleinen japanischen Haeuschen dicht am Meere - so einsam
und lieblich - in der Hitze wenig bekleidet, nur in Kimonos and Bade kostuemen. Die Kinder erholten s ich and brannten ein wie die
Zigeuner, besonders die grossen Jungen. Diese hatten viele
Japanerfreunde, mit denen sie fischen gingen, badeten, turnten and
beim Schwimmen Fische stachen. AIle 3 Grossen hatten Raeder, die
wir fuer sie gemietet ,und machten weite Touren mit ihren Freunden nach
23
Ninnoka in die Berge - nach Miko und
die
ganze
huebsche
Umgebung. Wir genossen das nahe Meer und den Wald, in dem wir
lebten, da die Luft sehr rein und schoen w a r . D ie K le in e n w u r d e n
b r a u n u n d s t a r k, E g i b a d e t e m it P a s s io n , Max fuerchtete s ich
anfangs, spaeter ging auch er mutig in die Wellen. Sie h atten auch
kleine Japanerfreunde aus Tokyos reichen Familien, mit denen sie
Sandkuchen backten und spielten.
Frueh morgens erhob sich Heine und mit ihm die 2 Kleinen u nter
dem grossen blauen Moskitonetz, und Vater und Soe hne gingen in
Pajam as auf d ie Duene. Heine sass und r aucht e sein Pf eifchen, u nd
die Kleinen sassen in derselben Pose vor ihm, jeder ein Stoeck chen im
Munde. ebenfalls rauchend. Die Luft war so rein und frisch am Morge n,
das Meer duftig blau, und der Fiji s chien so nah, wie er rechts von un s
aus seinen rosa Morgenwolken hervorkroch.
Cecile war in der Hitze sehr angegr iffen und da wir im
Angust mit den Kindern jeden Morgen lernten {Heine Arithmetik und
ich Geschichte und G eographie), so mussten wir ihr 8 Tage zum
Ausruhen freigeben, in denen sie v iel schlief und im Sande la g . S ie
l e h r t e E g i e n g l is c h, d e r r e c h t s c h n e l l v ie le s s p r a c h . In der
Wirtschaft half sie viel. Alle drei bekamen waehrend 2 Wochen
Geld and mussten sich dafuer allein bekoestigen and alles kaufen, was
ihnen viel Spass rnachte, aber auch viele Sorgen schlechtes Essen, bis ich
diese Einrichtung wieder auf hob. Neben uns wohnten Yokois - er
Japaner, sie Russin - mit 2 Maedchen, Tamara und Mary, die sich viel
m it unseren Kindern sahen. Be sonders mit den Jungen waren sie
grosse Freunde, Cecile fand sich i m m e r z u g r o s s z u a l l i h r e n
S p i e l e n u n d s a s s l i e b e r b e i u n s . Spaeter ging auch sie oft hinueber.
Abends in der dunklen Veranda - von Moskitos gequält und mit
Räucherkerzen umgeben - wurde Cecile von H.und mir viel gepredigt.
besonders ueber die unwuerdige Freundin, Lois Lippard, die sie in
der Schule hat te, f uer die sie schwae rmte, und welch e sie sehr
schlecht behandelte. Da gab es viele Trae nen, aber auch viel
Gelaechter - bis ihr die Sache klar wurde.
24
Robert
hatte
einen japanischen
Kadetten
als
Hauptfreund, ihn Ju-ji-ju lehrte. Im Lerner war R. anfangs der Fixte,
spaeter ermuedete auch er. Allerlei Ideen, empfindlichkeiten und
Eigensinn versuchten wir ihm abzugewoehn en. Er ist in einem
schwier igen A l t e r . - M i t B o y m a c h t e e r e i n e g r o s s e T o u r n a c h
C h u c k e n j i i n die Berge auf 2 Tage, was beide sehr genossen.
Heini war der munterste and unternehmendste den ganzen
Sommer. Er angelte oft und f ing wenig - er stach Fische mit einer
gr ossen Br ille auf der Nase. Er hatte den ganzen Tag etwas vor. Mit
Yokois war er sehr befreundet, sas s immer im Sande mit ihnen und
hatte 1000 Spiele. Er zeichnete sich durch Ritterli chkeit aus, deshalb
liebte Cecile es, nur in seiner B egleitung zu radeln. Mit alten Japanern
schloss er Freundschaft, die ihm zeigten, Netze zu machen, und ganz
krumm, den Faden mit den Zehen der Fue sse haltend, hockte er Netze
strickend am Boden.
Am 20. September fuhren die 3 Kinder nach Kobe in ihre
Schule zuriick. 7. Dezember
Egbert hat sich in der Letzten Zeit sehr entwickelt.nur spricht er
keine Sprache richt ig. Er lie st jetzt und schreibt bei m ir,d o c h
g e h t d a s s c h w e r u n d l a n g s a m . E n g l i s c h e W o r t e l e r n t er sehr
rasch und leicht. Er geht mit mir in die Stadt, und das liebt er
sehr – alles wird besehn und beobachtet, namentlich die Trams
und Autos. Er vers teht es wie keins der Kinder meine Gefuehle
mir abzulesen, und in der fuer mich so schweren Zeit nach dem
Tode meiner drei Lieben – Paul - Lene und Papa - wo ich oft
betruebt bin, kommt er und troestet mich, streichelt mich mit
seinen kleinen Händen un d sagt:" Alte Mutter - weine nicht ! " Er
nennt mich immer "Alte Mutter" und kann das so niedlich und m it
soviel Zaertlichkeit sagen. Fuer die Hueh ner, die Eier legen,
interessiert er sich sehr. - doch bei seinen Spielen muessen alle
seine Tier e - Pf er de, Ese l, E lep hant en et c. - E ier legen.
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Max ist am 10. November vier geworden, und noch imm er
spricht er nicht. Morge ns im Bett sage ich ihm Worte vor, die er
leise nachspricht, doch am T age hat er nur einige Worte. die er
br aucht, verst eht aber alles, was man ihm sagt. Er spielt eifr ig,
se ine T ier e. " E ine S e it e - ander e Se it e, " ist se in liebst e r Satz.
Abends m ache ich allerlei Singspiele mit ihnen - "Wer will unter die
Soldaten", " 'Tis a long way to Tipparary", "Das Wandern in des
Müllers Lust", "Schnick Schnack Dudelsack", "Seht einm al da kimmt
e r " , "Die Gigerlkoenigin", "Adam hatte sieben Soehne.
Max liebt die
2 letzten Sachen, bei der Gigerlkoenigin ist er sehr komisch, wenn er
umherschwaenzelt. und bei "Adam hatte 7 Soehne " kann Egi oft vor
Lachen nicht weiterspielen, weil Max alle Dinge so ausdrucksvoll und
ernst macht. Doch das Lachen liebt er nicht, dann kommt er und ruft:
"Mama – ichio !“ (noch)
Weihnachten 1919
C e c ile ist s ehr n u et z l ic h u n d t a e t ig, h a t m ic h u nd d ie K le in e n
zu pflegen. da wir am 1. Feiertag Influenza bekamen. Sie sieht matt
und bleich aus, als Heine am 30. nach Hause kommt, bleibt er noch eine
Woche laenger zum Helfen. Sie behauptet, sie sei in eine Zeit gekommen,
wo sie "verrrueckt" auf Kleider sei, ist daher se lig ueber eine graue
Samtmuetze zu Weihnachten und einen Shawl.
Robert bekommt wieder einmal eine Uhr.sein groesster Wunsch,
doch hat er wieder Unglueck mit ihr und zerbricht sie fortwa ehrend.
Leider sehe ich nicht viel von den Jungen, da ich sie nicht in mein Krankenzimmer
lasse. Ihre Zeugnisse sind recht schwach.
Heini ist sehr kindisch, spielt mit kleinen Sachen und denkt nur
an sich, was uns betruebt and so recht den Schulegoismus zeigt. Er
hat aber sehr geschickt allein den Fuss zum Weihnachtsbaum gemacht.
Egi und Max sind sehr zufrieden am Weihnachtsbaum mit
ihren Sachen. Boy hat sie and alle andern grossartig beschenkt und ist
26
selbst am frohsten darueber. Egi wird am 30. an Influenza krank
and wird mir, die schon am 26. krank wurde, ins Zimmer gebracht. Er
ist sehr matt, fiebert nur 5 Tage, aber kann 3 Wochen nicht gehn,
spricht and spielt nicht und sitzt im Bett mit blassen, muedem
Gesichtchen, vollstaendig apathisch. In der 4. Woche fängt er zu gehn
and sprechen an, doch hat er noch wenig Energie und spielt nichts.
Max erkrankt am 1. Januar, fiebert 14 Tage ueber 39 0 , doch er erholt
s ich r ascher und kan n n ur sch lecht geh n, doc h ist er lust ig und
allem bereit.
10. Maerz 1920
Egi and Max sind beide ganz munter. Max lit t
nach der Inf luenza noch lange a m Magen. Da es die ses Jahr sehr
lange kalt is t , m u e ss e n s ie n o c h im m e r i n P e lz e n h in a u s g e h n . E g i
g e h t o f t weit in die Stadt mit mir, wo ihn alles interessiert,
besonders die Trams - nur keine schwar zen, d ie fuerchtet er
kom ischer w eise. Oft essen w ir Kuchen beim Konditor, Egi bezahlt
dann im mer. Er lernt schwach, ich lehre ihn jetzt deutsche Buchstaben
und Silben lesen, doch ist er zu zerstr eut. Biblische Geschichten kann
ich ihm nur mit Auswahl erzaehlen - alles Haessliche, Grausame und
Schlechte darin versteht er nicht, und fuerchte ich, es beeindruckt ihn
zu sehr, s o w ie A b r am u n d I s ak , b e i s e ine r L ie b e u n d V er t r au e n z u
H e in e. Nach Abel und Kains Geschichte sagt er: "Dann steht Abel wieder
gesund auf. und Kain sagt. er wird artig sein und nicht mehr boxen."
Bei der Sintflut sagt er: "Dann. steigen alle Menschen aus dem
Wasser heraus, nehmen Handtuecher, trocknen sich ab und gehn ins
Bett."
Er pf legt m ich, waehrend ich krank bin. Er nannt e m ich immer
"alte Mutter", jetzt sagt er „Mamachen“. Er betet, dass Gott Heine
bald zurueckschickt. Das letzte Mal, als Heine ankam, sagte er: "Das
ist eine Freude - der liebe Gott hat uns Papale geschickt!"
Manche Dinge benennt er nach seiner Art. Der Koksofen heisst
"der cock-san Ofen" (koch auf jap. cok-san). Onkel Schniewind nennt er
"Der Onkel Wind der Wind das Himmelskind".
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Märchen, die man ihm erzaehlt, muessen immer sehr milde
sein. Als ich ihm m al von einem Drachen erzaehlte, war er sehr
aufgeregt, sah sich immer um und wiederholte den ganzen Abend:
"Aber dieses seussliche alte Tier - mit langen dicken Auge n and
lappigen Ohren ist nicht mehr da und kommt nicht zu un s und slaeft
ganz ganz fest."
Max faengt mehr zu sprechen an und kann alles sagen , was
man ihm vorspricht. Er ist sehr unternehmend und geschaeftig , sehr
bereit, schnell die Rute zu h olen, wenn Egi sie bekommen soll; Egi
nennt er immer nur "Awa", and dafuer hat Egi ihn "Dekawa“ oder
"Nennika" abgetauft, - woher das stammt, weiss ich nicht. Max liebt
sehr, morgens in mein Bett zu klettern and sich zu kuscheln.
Abends spiele ich viele Sing- and Marschierspiele mit ihnen. wonach
beide immer pedantisch verlangen. Mit Wasser, Feuer. Messern.
Nadeln, Glaesern, Tinte - allen verbotenen Sachen spielen sie mit
Passion, und muss man sehr hinterner sein.
1920 - August. Nagasaki
Cecile
hatte schwer e Dyssent r ie. Ein japanischer Arzt
kuriert sie mit guten japanischen Mitteln, darunter eine Art G elee mit
Wein, sehr gut. Cecile ist sehr ungeduldig and schwer zu pflegen.
weint viel and hat Angst zu sterben. Spaeter lange matt.
W e n d e l in a n d H e in i l a n g w e i l ig e n s ic h , d a C h o le r a h e r r s c h t
and man nicht baden kann. Die Kinder haben nur den langweiligen
Kira Schachowski and die affektierte Lidessia Keesmenko als
Fr eunde. Heini noch den kleinen Bor is Speranski - alles
Fluecht linge. Robert ist schockiert, dass die Fuerstin Shachereski ih n
bei der Hitze im Hemde empfaengt. "Dann sieht man doch garnicht,
dass sie eine Fuerstin ist", sagt er.
Er wird viel geneckt von den Geschwistern dass er immer
erzaehlt: "Ich erinnere mich noch, als ich Masern bekam in
Vladivostok assen wir Pfannkuchen and Pink kam herein," was
Cecile immer wieder anfuehrt.
28
Cecile
ist den Sommer ueber sehr schwierig, sehnt
sich nach "echten" Freundinnen, hasst ihren Geburtsort Nagasaki
and weiss nicht, was mit sich anzufangen. Sie spricht vie l,
Missionarin zu werden and denkt an ihre "Canadian Academy".
Egi ist ver liebt in die kleine Pf leget ochter Nina von der
alten Frau Kusmetkoff, er nennt sie "Die schoe ne Nina - die mir
gehoert." Beide Kleinen verm issen den Boy se hr, der uns untreu
verlaesst.
November 1920 - Yokohama
A1s wir bei Frl. Tscheu nissinoff wohnen in Tokio, gibt die se einen
Kaffee fuer reiche Japaner, wo Egi und Max in rotseidenen russischen
Hemden sehr bewundert werden. Max aber behandelt die feinen
Japanerinnen, die ihn mit Spiegeln und kleinen Sachen beschenken,
sehr veraechtlich, will auf ihren Ruecken steigen und sagt: " Am m a - ke i
ke i" , d. h. " Tr ag m i ch" .
Bei Yokois, wo wir 8 Tage wohnen, schwaermen sie fue r Mary
and Tamara, doch Egi am meisten fue r die arme kranke Frau Yokoi,
an deren Bett er sitzt und laut betet: "Lieber Gott, mach Tante Yokoi
wieder all right - and lass ihre Kinder artig sein und s ie nicht
weinen". Sie liebt ihn heis s.
Bei Trofimoff in der Pension in Yokohama schwaermen sie fue r
Wolvoja Sokolnikoff, einen 15 jaehrigen Jungen. Wenn ich mal abends
weggehe, da sie keine Amme haben, bleibt er bei ihnen, bis sie schlafen
und spaeter erzaehlt mir Egi selig:"Wolvoja liegt auf
Deinem Bett - mit smutzige Stiefel - und raucht, und wenn wir
lachen, brummt er un d sagt: spat nada - M axa - Ega-!" Auch den
Tr of imoffschen Grossohn Leva bewundern sie, nur ist er zu wild.
Wenn sie Herrn Hartmann sehn, machen sie in schrecklich
29
naturalistischer
Weise
sein Lahmen
nach.
Auch
das
kreuzbeinige Wackeln des armen Frl. Vietinghof macht Max
entsetzlich nach -ich zittre sie sieht es.
Mai 1921
Wir reisen ueber Kobe nach Shanghai und wohnen in Kobe eine
Nacht bei Stavrakoffs. Egi schwärmt fuer Oleg und Wadin, besonders
letzteren, der im kleinen Boot uns noc h bis ans Schiff begleitet, and als
wit m it der " Tungus" (Stavr akoffs Schiff) abr eisen, winkt e er zu Egis
Wehe mit Fahnen. "Er ist ein wirklicherColumbus", sagt Egi.
In Shanghai in der juedischcn Pension in der Schaffungroad ist Egi
entzueckt von Herrn und Frau Semliakoff. Da er Kloessesuppe liebt,
sagt er bei Tisch immer leise zu Semliakoff:
"Siwodne Kliotzki". Spaeter heisst er nur der Kliotzkionkel.
Cecile ist in dem halben Jahr in der amerikanischen Schule and
bei Grosses sehr dick geworden, ganz rundlich, mit frischen Farben :and
sehr lustig, da sie endlich in Freundinnen schwelgt. Isi und Anita
Grosse nehmen sie zu viel Spass mit, in der Schule sind Vanda
Newheart, Roberta White und andere ihre Freundinneri. Wir sind ihr ein
etwas stoerendes Element, sie weint heisse Traenen, wenn sie
dazwischen, wenn wir Wohnungen suchen, bei den Kleinen bleiben
muss, statt zu Anita zu geben, and klagt sich bei dieser aus.
Wendelin und Heini sind ziemlich schrecklich bei Kraemer
untergebracht. Heini ist da beliebt, mit Max Kraemer sehr befreundet.
Sie bilden mit Boris Speranski ein Trio, das unzertrennlich ist und
wir die "Dschinkis" nennen.
Robert lernt schwach. Heinis Zeugnisse sind brilliant. Cecile
lernt gewissenhaft, aber schwer. Zu Sport taugen alle drei nicht
viel. Robert boxt, aber verstaucht sich die Hand and bekommt vom
Boxlehrer eins ab – dass er’s aufgibt. Heini ist gut im Hochsprung,
Robert im Theaterspiel. Die Portia im "Kaufmann von Venedig" gibt er
sehr gut and sieht so schoen aus, dass Cecile sagt: "Warum ist er nicht
lieber Deine Tochter."
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In der Wohnung Route de Soeur werden wir alle
krank an Dyssenterie, ausser den 2 grossen Jungen.
Maxi ist schon ganz blau und aufgegeben von wochenlangem
Hungern. Ich nehme ihn in mein Bett und waerme ihn. Trotz des
Doktor’s Verbot gebe ich ihm Huehnerbouillon, dann Koteletts, und er
wird langsam besser und faengt still zu spielen an mit kleinen Sachen.
Er und Egi koennen lange nicht gehn und sitzen totenblass in
ihren Betten, sprechen wenig.
Als Cecile sie pflegen muss, da ich ins Hospital muss mit
Dyssenterie, wird sie selbst angesteckt. Ich komme zurueck, and
wir liegen alle, and ich muss dazwischen nachts auf zu Cecile.
Sie ist diesmal ruehrend and geduldig, nur weint sie, dass sie die
Konfirmationsstunden nicht fortsetzen kann. Pastor MueIler gibt ihr
2 am Bett.
Robert ist auch sehr beeindruckt von Konfirmationsstunden,
Pastor M uellerer sagt: " Der Robert ist ein heller Kopf - nur hat er
e in e n g r os se n F eh le r , e r u e b er he bt s ic h u e ber a lle , k e in
K am er ad ist ihm r echt . Da w ir d er' s schwer haben im Leben. - Die
Cecile aber traut sich wieder nix zu - sie ist zu demuetig aus lauter
Sehnsucht, was zu sein."
Er liebte sie aber beide sehr. Sie wu rden am 30. Oktober
konfirmiert, leider war Heine nicht zurueck aus Vladivostok.
Collea Dedisho wohnte bei uns, ich hatte noch e in Zimmer
bei F r l . Clernent gemietet fuer ihn. Heini schlief mit ihm. Einmal
kam Collea blau verhauen zum Essen and klagte, Heini pruegle ihn.Heini
schwieg. Als ich ihn spaeter fragte sagte er: " E r kriegt noch mehr, weil er
klatscht, lueg t und ein Feigling ist. Ich will ihm schon die
Hammelbeine geradeziehen."
Heini lernt schlechter ist fluechtig und viel mit seinen
Dschinkis zusammen. Auch Oleg und Wadin Stavrakoff s ind ihre
Freunde.
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C ec ile
w ir d of t unr u h ig und s ehn t s ich nach
G ese lligke it en wie Grosses haben und kraenkt sich, dass Anita sie
vergisst und selt en einlaedt. Bei einer Soir ee bei Grosses tanzt
Cecile einen russischen Tanz vor, da sie den aber nicht huebsch
kann, ueberhaupt ungrazioes ist, bin ich darueber unz ufrieden.
Das gibt heisse Traenen. Als aber auch Frau Grosse spa eter
sagte, Cecile haette fue r ihr Alter vie l zu vie l Aplom b, sieht sie
es e in, dass es dumm war. Ein komisches Gemisch von
Verlegenheit und dann wieder sich irgendwie bemerkbar machen zu
wollen ist in ihr.
1922 Februar
Wir reisen mit der Aleut nach Vladiwostock. Cecile in einer
Kajuete mit Frau Stavrakoff, ich mit Heine und den Kleiner t - alle
seekrank. Semliakoffs begleite n uns aus. Der "Kliotzkio nkel"
t raegt Eg i zaer t lich aufs Schiff. A ls wir bei 40° Fr ost in Vladiwost ok
ankommen, nimmt der ‘ blonde Jude Dimitrieff (Heine’s Angestellter) Egi
und t r aegt ihn ans L and. Da sein Bart verschneit ist, hat er eine
gewisse Aehnlichkeit mit Semliakoff, und Egi sagt mir selig: "Wieder ist
der Kliotzkionkel“ da.
Cecile geniesst die 7 Monate Februar - September in
Vladiwostok und erholt sich gut von der Dyssenterie und lernt v i e l , u m i m
H e r b s t w i e d e r i n d i e S c h u l e z u k o e n n e n . D a i h r Algebra so
schwer faellt, unterrichtet sie ein russischer Lehrer gut. Geschichte
nehm ich mit ihr durch - da ihr Gedaechtnis schlecht ist, nimmt ihr das
Lernen viel Zeit. Sie hat aber G ese lligkeit und Ver g nue gen. B e i
T ir t of f s ist s ie v ie l, m acht herrliche Segelpartien mit ihnen und is t
s c ho ck ie r t u e be r T us s is und Ver as Ton m it Her r en. Dor t tanzt
sie auch paar m al, einige Amerikaner sind da.
Ebenfalls sind wir mit ihr beim a merikanischen Consul zu
Tee und Tanz, wo die eine la nge haessliche Tochter Everett v iel
"toddeld", was Cecile beneidet. Ceci le tanzt wenig - noch zu jung
und unscheinbar. Frau Tirtoff nennt sie "the small violet". Auch be i
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Prays
wird
getanzt.
Dorothy schwelgt in Courmachen und
Cecile sitzt viel Hand in Hand mit der noch scheueren Ala Lakschewitz, die
viel aelter ist, aber sich Cecilien's annimmt und mit ihr
spazierengeht. Manchm al ist Cecile auch bei Lakschew itz und
findet die 3 Toechter ziemlich sonderbar, doch nett, die blonde Ala,
die finstre schoene Katia und die tanzende wilde Crania, die mit
Japanern flirtet.
Auch bei Didishos ist sie mit uns zu Ost ern und sehr
scho ck ier t u eber den w ild en T on. M it Ala L aksche w it z d isk ut ier t
sie v iel lieber Ehe - d iese ist ver lobt - aber Cecile r edet ihr d ie
Ehe im allgemeinen und speziellen nach Kraften au s. Auch mit uns
sind abends lange Diskussionen, wir necken sie, dass sie ihren
zukuenftigen, unbekannten Mann hasst wie Feuer und bedauern und
vert eidigen ihn. " Wenn er wage n w ird, m ir was zu bef eh len!
Wenn er - d er unve r schaem t e K er l - n ur e in e Bem er kung m acht
ueber mein Haar oder Kleid - lass ich mich scheiden!“
Angeregt zu diesen Gedanken ist sie noch, als wir einen Tag
alle in d. "Bania" gehen, Heine, ich und die Kleinen zusammen, Cecile
apart,hat sie eben einen Brief von Grosses erhalten und nimmt ihn
zum Bade mit, doch schnell stuerzt sie noch an unsere Tuer und ruft:
"Anita hat sich mit dem scheusslichen Trautschold verlobt."
Nachdem wir gebadet baben und im Vorzimmer auf sie warten,
kommt sie verweint mit nassen Haaren heraus, aber umarmt mich
strahlend: "Ich bab den Brief so schnell gelesen und die gauze Zeit
geweint vor Auf egung im Bade - und eben les ich ihn noch einm al gott lob, es ist nur Isi und nicht meine Anita, die ver lobt ist."
Robert und Heini kommen Ende Juni auch an, da aber Robert in
Shanghai und unterwegs leichten Scharlach hatte, lassen wir ihn nicht
ins Haus, sondern ins Hotel, wo er zwei Tage ist und dann mit
Heines gemieteten Dampfer Tungus 2 Reisen nach Norden macht,
wobei er sich gut erholt, sich anfangs als Matrose aufspielt, dann
aber lieber in der Kajue te Campagna sitzt und wilde
Raeubergeschichten anhoert. Die erste Reise geniesst er, nach der
zweiten bittet er dringend, in W. zu bleiben - es wurde ihm doch oede.
Heini - der auch als Quarantaene - 2 kleine Reisen auf einem andern
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Schiff macht, ist zu seekrank und aengstlich, es zu geniessen.
Egi wird aber trotzdern augesteckt, und 5 Wochen bin ich
mit ihm eingeschlossen. waehrend Cecile Max bemuttert. Er ist
leicht krank, sehr geduldig und artig.
Wãhrend man die Wohnung desinfiziert, werden Cecile, Heini
und Max nach Passiet zu einer russischen Familie geschickt mit
unzaehligen Kinder. Dort herrscht viel Schmutz und Landleben,
Cecile lernt melken, reitet und laesst sich von wilden Russinnen tolle
Geschichten erzaehlen. Heini hat einen Haufen Freunde, nur Max
verwahrlost, wird magenkrank und nervoes,und als sie nach 14 Tagen
heimkommen, ist er blass und traurig.
Am 9. September reisen Rob und Heini zur S chule auf dem Yun
Shin ab und Cecile Ende September.
Egi liebt heiss den freundlichen, oft betrunkenen, aber
guten, schmutzigen Koch, der, die Pfeife im M und, mit beiden Kleinen in
den Stadtgarten Karussel fahre n gebt, was sie sehr l ie b e n . S i e l ie b e n
a u c h , u n t e r a m P r is t o r e m it m ir z u s t e he n u n d endlos auf Heine zu
warten, der im kleinen hoelzernen Contor sitzt,und die Schiffe
ankommen und abfahren zu sehen, auch oft auf den Schiffen
herumzuspielen. Auch den Zug lieben sie, jedoch zittert Egi immer beim
Nahen der Lokomotive.
In unserem Hause unten leben . 2 Kinder, Serioschen und
Tania, die manchal mit ihnen spielen.
P i n k is t i h r g r o s s e r F r e u n d - E g i f r a g t ih n e n d l o s a l l e r le i .
Am 24. Oktober muessen wir fliehen, ich mit den 2 Kindern,
Heine mit Wojewodo und der Starkschen Flotte. Schreckliche Sturmnaechte, 12
Tage sind wir auf der Chinpinyay unterwegs,
eine enge heisse Kajuete, die Kinder sehr ruhig und artig, ich
muss auf der Erde schlafen, und die Wellen spritzen ueber meine Fuesse.
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Egi wird vom Kapitaenshund gebissen. Wochenlang hat er
am Arm davon eiternde Beulen.
Max lauft unruhig auf Deck herum, bei einem Schwanken des
Schiffs faellt er um und rutscht unters Gelaender durch, und nur der
geschickte Handgriff eines russischen Jongleurs, der nach Shanghai
reiste, kriegte ihn noch am Fuss fest. Gottlob war ich nicht dab ei andere hatten es gesehn. Die Kinder toben und lachen beim Essen
mit den 2 kleinen Livinschen Maedchen, Dissia und Nata , die sie heiss
l i e b e n . Z w e i S c h a f e s i e h t m a n u n t e r g e h n - e s i s t s e h r g r a u s i g . Die
Kinder aber kennen nicht Angst und Sorge.
In Shanghai am 5. November erwarten uns dick und frisch die
3 Grossen am Ufer, die Jungen leben jetzt bei Uschin sky, wo sie
sehr gluecklich sind und Heini wie ein Sohn geliebt wird, und Cecile
wieder in der Schule, wo sie ihre Freundinnen geniesst und besser
lernt.
Wir - die Kleinen und ich - leben bei allerlei Juden herum haben kein Geld und essen wenig - 3 Tage nur Reis - bis Egi sagt:
"Nun aber bekomm ich bestimmt Biri Biri !“ Aber Heine kommt und kommt
nicht. I ch r eg m ich auf - sit z im t r ost losen Wayside G ae r tchen und
dann troestet Egi mich mit den weichen Haenden streichelnd.
"Ich pass schon auf Dich auf, alte Mutter, bis der Va eterchen
kom m t - n ic ht we inen - ich b le ib be i D ir ." Cec ile kom int selt en - die Schule ist wei t, und in ihr er Freize it hat s ie v ie l v or . Robe rt laeuf t s ich ab f uer uns G e ld zu
bor g en, meist vergeblich.
Als Heine endlich kommt, am Silvesterabend, ist man fast zu
kaputt, sich noch sehr zu freuen - doch Egi sieht ihn immer an und
sagt: "Mutter weint doch - warum kamst Du nicht? Warum ging der
alte "Chefoo" so langsam wie ein Maulesel?"
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Da wir kein Geld hatten, mussten wir alle auf den Waypoo
ziehn und auf dem "Chefoo" leben weit draussen am Arsenal.
1923
Egbert und Max leben ganz
froehlich auf dem kalten Schiff,
befreundet mit allen boesen Leuten, denen H. nicht auszahlen kann
und fuettern muss. Egeroff mit boesen Augen wird geliebt und ein
Andrei Andrevitch, der Egi viel erzaehlt. Als Heine
Lungenentzuendung hat und im Hospital ist und ich viel bei ihm,
bleiben sie allein bei den Russen, die sie schl afen legen und pflegen,
bis Egi auch sehr krank wird und ans Ufer muss mit Pneumonia und
wir alle zu den sehr ungastlichen Grosses ziehen, wo Heine a uch schon
sich auspflegt. Kapitaen Roose traegt Egi in den Armen h e r au f , E g i
la e c he lt ih n s c hw a ch a n. 3 T a ge is t er s e hr f ie b er n d und matt. Frau
Grosse will ihn ins Hospital bringen, aber der
Arzt Kugnezoff erklaert rund, es ginge nicht, die Sehns ucht nach mir
dort koennte ihm schaden. Spaeter kommt Frau Grosse auch herein und
spricht mit ihm. Ihre steifen, unfreundlichen Toechter helfen n ie, gehn
nur aus, tanzen und ziehn sich an. Isi sehr huebsch als junge Frau mit
dem laberigen Trautschold.
Max befreundet sich mit der alten Am ma. sitzt auf einem
Schemel bei ihr im Zimmer und spielt.
Egi fragt Frau Grosse:"Tante Ella, gibt es heute Reispudding? Warum gibst
Du uns so wenig zu essen?"
Robert ist sehr viel herumgelauf en, als Heine auf dem Schiff
erkrankte, ihn im Hosp ital unterzubringen, sehr entruestet ue ber
Heimanns und Kramers Unfreundlichkeit. Pastor Mu eller hilft.
Robert hat zu Weihnachten die Public School
schwachem Zeugnis, ausser Literatur und Geschichte
Cambridge Senior Examen gemacht und tritt zu Stinnes ins
ein, wo er erst sehr eifrig, dann sehr unzufrieden
Mitmenschen.
beendet, mit
und auch sein
Schiffscontor
ist mit seinen
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Heini wird von Ushinski verwoehnt, ist viel mit seinen Dschinkis und
lernt schlechter und fluechtig.
Cecile beendet ihre Highschool im Juni. Erst hat sie viele
Abschiedsfeste und Banketts vor. Auch ein Theaterstueck fuehrt ihre
Classe auf, wo sie zu u nserem Entzetzen sich so verunstaltet h at,
da ss sie wie ein boeser Traum wirkt, und Leonie sehr entsetzt sagt :
"Warum muss sie so hae sslich sein!" Waehrend die anderen
Maedchen alle vorteilhafte niedliche Rollen haben, tritt sie als Koechin auf,
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