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3-001
SITZUNG AM MITTWOCH, 16. JANUAR 2002
___________________________
Herr Pacheco Pereira: 164 Stimmen.
3-002
VORSITZ: PATRICK COX
Präsident
(Beifall)
Herr Provan: 162 Stimmen.
(Die Sitzung wird um 9.05 Uhr eröffnet.)
(Beifall)
3-002-250
Wahl der Vizepräsidenten des Europäischen
Parlaments
Herr Gerhard Schmid: 151 Stimmen.
(Beifall)
3-002-500
Der Präsident. – Ich möchte Sie über die Ergebnisse
der gestrigen Wahl der Vizepräsidenten informieren.
Wie Sie wissen, haben wir die Vizepräsidenten durch
Zuruf gewählt und anschließend eine Abstimmung
durchgeführt, um die Rangfolge festzulegen. 554
Abgeordnete
haben
ihre
Stimme
abgegeben,
9 Stimmzettel waren leer oder ungültig, somit waren
545 Stimmen gültig. Auf die einzelnen Kandidaten
entfallen:
Herr David W. Martin: 300 Stimmen.
(Beifall)
Herr Onesta: 148 Stimmen.
(Beifall)
Herr Puerta: 120 Stimmen.
Ich gratuliere allen diesen Kollegen. Die Rangfolge der
Vizepräsidenten ergibt sich gemäß Artikel 15 Absatz 2
GO aus der Anzahl der Stimmen, die auf die einzelnen
Kandidaten entfallen. Die neue Zusammensetzung des
neuen Präsidiums wird den Präsidenten der Organe der
Europäischen Gemeinschaften mitgeteilt.
3-003
Herzlichen Glückwunsch, Herr Martin.
Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen
Sitzung
Herr Dimitrakopoulos: 240 Stimmen.
3-004
(Beifall)
Frau Cederschiöld: 230 Stimmen.
(Beifall)
Herr Imbeni: 226 Stimmen.
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Genehmigung der Protokolle der Sitzungen vom
Montag, 17. Dezember 2001, Montag, 14. Januar 2002
und Dienstag, 15. Januar 2002. Die Protokolle wurden
verteilt.
Gibt es Einwände?
3-005
(Beifall)
Herr Vidal-Quadras Roca: 215 Stimmen.
(Beifall)
Herr Podestà: 203 Stimmen.
(Beifall)
Herr Friedrich: 200 Stimmen.
(Beifall)
Frau Lalumière: 191 Stimmen.
Rovsing (PPE-DE). – (DA) Herr Präsident, meiner
Meinung nach enthält der dänische Text einen
Übersetzungsfehler, da unter Punkt 7, „Schließung der
Sitzung“, steht: „Der Alterspräsident schloss die Sitzung
um 19.30 Uhr“. Ich glaube aber, dass die Sitzung von
Ihnen, Herr Präsident, geschlossen wurde, und so steht
es auch in der französischen Version.
3-006
Der Präsident. – Ich danke Ihnen, Herr Rovsing, dass
Sie sich schon jetzt für meine Interessen einsetzen.
Douze points! Wir werden veranlassen, dass dies im
Protokoll berichtigt wird. Gibt es weitere Einwände?
(Das Parlament genehmigt
vorhergehenden Sitzungen.)
(Beifall)
Herr Colom i Naval: 168 Stimmen.
(Beifall)
die
Protokolle
der
***
3-007
Maij-Weggen (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Ich
möchte Folgendes zur Sprache bringen. Wenige Tage
vor Weihnachten, am 19. Dezember, war ich Opfer eines
6
16/01/2002
Raubüberfalls in unmittelbarer Nähe unseres Parlaments
in Brüssel. Während ich mit meinem Wagen vor der
Ampel, die Rot zeigte, stand, wurden die Autofenster
eingeschlagen und das Fahrzeug völlig ausgeraubt.
Weitere Einzelheiten möchte ich Ihnen ersparen. Wie
ich jedoch erfahren habe, wurden danach mehrere
ähnliche Überfälle auf andere Autos verübt, auch letzte
Woche noch. Meine Frage nun lautet, ob die neu
gewählten Quästoren eine Liste der im vergangenen Jahr
in der Umgebung des Europäischen Parlaments in
Brüssel erfolgten Überfälle erstellen und die Polizei
dringend um Maßnahmen ersuchen können, denn ich
kann Ihnen versichern, so etwas über sich ergehen lassen
zu müssen, ist nicht gerade amüsant.
3-008
Der Präsident. – Frau Maij-Weggen, das Haus hat
offensichtlich keine Einwände und wir werden dies
veranlassen.1
3-009
Arbeitsplan
3-010
Der Präsident. – Der endgültige Entwurf der
Tagesordnung, den die Konferenz der Präsidenten bei
ihrer Sitzung am Donnerstag, dem 10. Januar, gemäß
Artikel 110 der Geschäftsordnung aufgestellt hat, wurde
verteilt.
Ich habe keine Vorschläge zur
Tagesordnung dieser Sitzung erhalten.
Änderung
der
(Das Parlament nimmt die Tagesordnung für die heutige
Sitzung an.)
***
3-011
Lynne (ELDR). – (EN) Herr Präsident, ich melde mich
zur Geschäftsordnung. Ende letzten Jahres haben Herr
Davies und ich einen Änderungsantrag zum Bericht über
die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
eingebracht. In diesem Antrag, der vom Parlament
gebilligt worden ist, wurde die EU aufgefordert, im
Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan eine
Vermittlerrolle zu übernehmen. Vor dem Hintergrund
dieses Änderungsantrags beantrage ich, dass für die
nächste Tagung eine Erklärung des Rates oder eine
mündliche Anfrage zu diesem Thema vorgesehen wird.
Dieser Konflikt dauert nun schon seit über 50 Jahren an,
die verabschiedeten UNO-Resolutionen wurden nicht
eingehalten und da beide Länder nun über Atomwaffen
verfügen, ist es unumgänglich, dass eine Lösung für
diesen Konflikt gefunden wird. Ich fordere die EU auf,
aktiv zu werden und ihre Dienste als Vermittler
anzubieten, da sich offenbar noch keine andere Stelle
bereit erklärt hat, diese Rolle zu übernehmen.
3-012
1
Vorlage von Dokumenten, Übermittlung von Abkommenstexten durch
den Rat, Schriftliche Erklärungen: siehe Protokoll.
Der Präsident. – Frau Lynne, das ist eine etwas
ungewöhnliche Wortmeldung zur Geschäftsordnung,
aber ich verstehe Ihr Anliegen. Bitte wenden Sie sich an
den Fraktionsvorsitzenden der Liberalen und
Demokratischen Partei Europas, damit er dieses Thema
bei der nächsten Sitzung der Konferenz der Präsidenten
zur Sprache bringt, denn dies ist die richtige Stelle, um
zu erreichen, dass dieses Thema auf die Tagesordnung
gesetzt wird.
3-013
Corrie (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich habe eine
Bemerkung zur Geschäftsordnung. Diesem Haus ist
sicher bekannt, dass letzte Woche in Nigeria eine junge
Frau wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt wurde. Sie
sollte in die Erde eingegraben und zu Tode gesteinigt
werden. Nachdem Frau Fontaine, zahlreiche Mitglieder
dieses Hauses und ich selbst als Ko-Vorsitzender der
Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU
schriftlich interveniert hatten, wurde die Vollstreckung
des Todesurteils ausgesetzt und nun kann innerhalb von
zwei Monaten Berufung eingelegt werden. Ich muss
Ihnen jedoch mit Entsetzen berichten, dass nun ein neuer
Fall aufgetreten ist. Eine weitere, 18 Jahre alte Person
soll am Montag ebenfalls wegen Ehebruchs vor Gericht
gestellt werden und auch sie wird zum Tode durch
Steinigung verurteilt werden.
Ich hoffe sehr, dass dieses Haus und jedes seiner
Mitglieder Sie darin unterstützen wird, schriftlich in
Nigeria zu intervenieren, in der Hoffnung, dass die
Verhängung solcher Urteile gestoppt wird. Über diese
barbarische Praxis, die Todesstrafe nach dem Gesetz der
Scharia zu vollstrecken, muss mit der nigerianischen
Regierung gesprochen werden und sie muss aufgefordert
werden, dafür zu sorgen, dass diese Vorgehensweise ein
für alle Mal eingestellt wird.
(Beifall)
3-014
Der Präsident. – Herr Corrie, das weitere Vorgehen ist
klar, und ich werde die notwendigen Schritte
veranlassen. Ich werde Sie und die Kollegen über die
Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
3-015
Thors (ELDR).  (SV) Herr Präsident! Gestern haben
Sie bewiesen, dass Sie auch Sinn für Geschichte haben,
weshalb ich Ihnen eine Frage bezüglich des von der EUKommission unterstützen Schulportals stellen möchte.
In der vergangenen Woche wurde dort eine Homepage
eröffnet, in der auf ein sowjetisches Geschichtsbuch von
1982 verwiesen wird, demzufolge Finnland den
Winterkrieg begonnen haben soll. Wir wissen jedoch
alle, dass die von Stalin inszenierten Schüsse von
Mainila den Winterkrieg auslösten. Ich finde es
empörend, dass das europäische Schulportal derartige
Fehler enthält. Sie verletzen mein Nationalgefühl und
mein Geschichtsbewusstsein. Die Kommission hat
zugesagt, diese Frage zu untersuchen, aber ich bitte auch
die Organe des Parlaments, sich mit diesem Problem zu
beschäftigen. Es ist haarsträubend, dass europäische
16/01/2002
Schulen eine derart schlechte Qualität auf ihren
Homepages zulassen, die dann über das Schulportal
zugänglich sind.
3-016
Der Präsident. – Ich danke Ihnen, Frau Thors. Wir
werden dies überprüfen und Sie entsprechend
informieren.
7
Tabakwaren (KOM(2001) 133 - C5-0139/2001 2001/0063(CNS)).
Ich möchte Frau Randzio-Plath fragen, ob Sie uns einen
Rat geben und uns erläutern kann, ob wir dem Antrag
auf Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens zustimmen
oder ihn ablehnen sollten.
3-022
3-017
Korakas (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident, ich
möchte Sie und das Plenum auf die ausgesprochen
widrigen Witterungsverhältnisse aufmerksam machen,
die Griechenland im Dezember heimgesucht haben und
in bestimmten Regionen noch anhalten. Der lang
andauernde Sturz der Temperaturen auf vielfach unter
-24 °C hat gewaltige Schäden angerichtet. Viele
Millionen Bäume sind eingegangen, die Oliven- und
Zitrusfrüchteproduktion ist zerstört worden, und in
vielen Fällen erreichten die Verluste 100 %. In dieser
Angelegenheit hat unser Fraktionsvorsitzender, Herr
Wurtz,
bereits
ein
Schreiben
an
den
Kommissionspräsidenten Prodi gerichtet.
Nach meiner Gratulation zu Ihrer Wahl möchte ich Sie
eindringlich darum bitten, sich in Ihrem Amt zuallererst
dafür einzusetzen, dass die griechischen Bauern, deren
Einkommen, wie Sie wissen, das niedrigste in der
Europäischen Union ist, eine Entschädigung für die
erlittenen Verluste erhalten und ihnen wieder auf die
Beine geholfen wird. Dieser tragische Zustand erfordert
unser aller Engagement.
3-018
Dupuis (NI). – (FR) Herr Präsident, aus seinem Palast in
Karthago ergreift Präsident Ben Ali weiterhin
Unterdrückungsmaßnahmen, setzt Richter ab und
schüchtert die politischen Gegner in seinem Land mit
allen erdenklichen Mitteln ein. Meiner Meinung nach
sollte unser Parlament dringend Position beziehen und
den Rat noch in dieser Woche zu einer entsprechenden
Erklärung veranlassen. Ich halte diese Situation wirklich
für unhaltbar. Unser Parlament muss sich den Ausspruch
carthago delenda est zur Devise machen, denn dieses
Regime ist nicht mehr akzeptabel.
3-019
Der Präsident. – Ich danke Ihnen, Herr Dupuis. Im
Moment steht kein entsprechender Vorschlag auf der
Tagesordnung und in dieser Woche wird auch keine
Dringlichkeitsdebatte stattfinden, aber ich habe Ihr
Anliegen zur Kenntnis genommen und wir werden
prüfen, was wir tun können.
Randzio-Plath (PSE), Vorsitzende des Ausschusses für
Wirtschaft und Währung. – Herr Präsident, hierzu
möchte ich anmerken, dass wir einen zweiten Bericht
vorlegen wollen. Wir hoffen, dass die Kommission auch
der Meinung ist, dass es hier zu einem Kompromiss mit
der Position des Parlaments kommen sollte, das ja
bekanntlich in der Abstimmung des Wirtschafts- und
Währungsausschusses den ersten Vorschlag abgelehnt
hat, aber jetzt bereit ist, im Ausschuss einen neuen
Vorschlag im Bericht Katiforis auszuarbeiten, den wir
im Februar gerne dem Plenum vorlegen möchten. Dann
hat der Finanzministerrat im Februar noch genügend
Zeit, darüber zu entscheiden. Entsprechend habe ich
auch im Namen des Ausschusses an die spanische
Ratspräsidentschaft geschrieben, und ich habe das dem
amtierenden Ratspräsidenten Rato auch in der Sitzung
des Ausschusses für Wirtschaft und Währung in der
vergangenen Woche mitgeteilt. Insofern bin ich also
nicht
der
Meinung,
dass
hier
dem
Dringlichkeitsbegehren stattgegeben werden sollte.
3-023
Der Präsident. – Wenn zwei Redner angehört werden
sollen, von denen sich einer für und einer gegen die
Annahme des Antrags auf Anwendung des
Dringlichkeitsverfahrens
ausspricht,
wird
vom
Ausschuss die Ablehnung der Dringlichkeit empfohlen.
Gibt es einen Redner, der sich für oder gegen diesen
Vorschlag ausspricht? Herr von Wogau, das ist nicht
erforderlich, aber es ist möglich.
3-024
von Wogau (PPE-DE). – Herr Präsident, ich habe den
Eindruck, dass es nur Sprecher gegen die Dringlichkeit
geben wird, denn ich halte das für einen sehr wichtigen
Vorgang. Es besteht die Gefahr, dass der Rat seine
Stellungnahme beschließt, ohne dass die Stellungnahme
des Europäischen Parlaments vorliegt.
Ich halte es für dringend notwendig, dass der Ausschuss
für Wirtschaft und Währung zunächst seine
Stellungnahme abgibt und der Rat erst dann entscheidet.
Deshalb sollten wir diese Dringlichkeit ablehnen.
3-025
3-020
Beschluss über die Dringlichkeit
Der Präsident. – Beide Redner haben sich gegen den
Dringlichkeitsantrag ausgesprochen.
3-021
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
Antrag auf Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens im
Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung für
einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur
Änderung der Richtlinie 92/79/EWG, der Richtlinie
92/80/EWG und der Richtlinie 95/59/EG hinsichtlich
der Strukturen und der Sätze der Verbrauchsteuern auf
(Das Parlament lehnt die Dringlichkeit ab.)
3-026
Wahl der Quästoren des Europäischen Parlaments
3-027
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Wahl
der Quästoren des Parlaments.
8
Ich habe Kandidaturen der folgenden Abgeordneten
erhalten: Balfe, Banotti, Maes, Marinho, Poos,
Quisthoudt-Rowohl, Smet.
Die Kandidaten haben mir ihre Bereitschaft zur
Kandidatur mitgeteilt. Da die Anzahl der Kandidaten die
Zahl der zu besetzenden Sitze übersteigt, werden wir
gemäß Artikel 13 Absatz 1 GO eine geheime Wahl
durchführen.
Angesichts der zahlreichen Abstimmungen, die gestern
durchgeführt wurden, und da die Wahl der Quästoren
heute parallel zu unserem normalen Arbeitsablauf
stattfindet, schlage ich eine elektronische Abstimmung
gemäß Artikel 135 vor.
16/01/2002
3-032
Berthu (NI). – (FR) Herr Präsident, mein
Abstimmungsgerät funktioniert nicht, und auch meinen
Nachbarn, die mir helfen wollten, gelingt es nicht, den
Fehler zu beheben.
3-033
Der Präsident. – Die Abstimmungsanlage am Platz von
Herrn Berthu kann nicht benutzt werden. Der
Vorsitzende der Fraktion der Sozialdemokratischen
Partei Europas hat angeregt, dass wir die Wahl vielleicht
doch besser per geheimer Abstimmung durchführen
sollten. Ich habe den Eindruck, dass die
Probeabstimmung gut verlaufen ist und die Kollegen die
Schwierigkeiten mit dem System gemeistert haben.
3-034
3-028
Gollnisch (NI). – (FR) Herr Präsident, es handelt sich
wirklich um eine – wenn auch ganz kurze –
Wortmeldung zum Verfahren. Ich befürchte, Herr
Präsident, dass das von Ihnen vorgeschlagene
Abstimmungsverfahren nicht alle erforderlichen
Geheimhaltungsgarantien
bietet,
denn
die
Leuchtanzeigen des Abstimmenden sind natürlich für
seine Nachbarn, die derselben Fraktion angehören,
sichtbar. Angesichts der gegenwärtigen Umstände halte
ich dies nicht für angebracht.
3-029
Der Präsident. – Das Verfahren steht im Einklang mit
der Geschäftsordnung des Parlaments. Wenn ich die
Reaktionen richtig deute, sind die Abgeordneten mit
einer elektronischen Abstimmung einverstanden.
Deshalb werde ich keine Abstimmung über das
Verfahren durchführen, vielmehr sollten wir nun mit der
Wahl der Quästoren beginnen.
Wir werden zunächst eine Probeabstimmung
durchführen, um sicherzustellen, dass jeder mit dem
elektronischen Abstimmungssystem vertraut ist. Bitte
haben Sie Nachsicht mit mir, auch ich lerne hier noch
ständig dazu. Das ist wie bei der multilateralen
Überwachung in Phase 1 der Wirtschafts- und
Währungsunion – Learning by doing.
3-030
Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, wie Sie bin
auch für den Fortschritt und unterstütze die Strategie von
Lissabon für den Einstieg in das Informatikzeitalter, aber
ich fürchte sehr, dass diese Abstimmung unter den
gegebenen Umständen, ohne dass die Kolleginnen und
Kollegen die Möglichkeit einer Schulung hatten, viele
Probleme aufwirft. Ich möchte empfehlen...
(Unterschiedliche Reaktionen)
Entschuldigung, das ist ein Recht, das nach der
Geschäftsordnung jedem Abgeordneten zusteht. Ich
möchte empfehlen, eine geheime Abstimmung mit
Stimmzetteln vorzunehmen.
3-031
Der Präsident. – Ich nehme das zur Kenntnis.
Cohn-Bendit (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, das
ist nicht das Problem. Wenn der Vorsitzende der
zweitgrößten Fraktion es für notwendig hält, das andere
System zu benutzen, sollten wir nicht darüber
diskutieren, sondern so verfahren. Wenn dies deren
Wunsch ist und sie die Wahl mit dieser Methode
bevorzugen, sollten wir ihnen diese Möglichkeit geben.
3-035
Der Präsident. – Sie haben natürlich Recht, mein
Eindruck ist nicht ausschlaggebend, genauso wenig, wie
Ihr Eindruck ausschlaggebend ist, aber ich nehme Ihre
Ausführungen als Wortmeldung für eine geheime
Abstimmung. Gibt es einen Redner, der seine
Argumente gegen eine geheime Abstimmung per
Stimmzettel und für eine geheime elektronische
Abstimmung vorbringen möchte?
3-036
Goepel (PPE-DE). – Sehr verehrter Herr neuer
Präsident dieses Parlaments, liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sind wir denn dümmer als unsere Kinder?
(Beifall)
Sind wir nicht in der Lage, in unserem Zeitalter der
Technologie zwei Tasten zu drücken? Wir haben eine
Pisa-Studie, wir haben Untersuchungen, wir haben einen
neuen Präsidenten, wir haben viel Geld bezahlt für diese
Anlage, wir sind lange dafür kritisiert worden, und jetzt
wollen wir abstimmen wie im Steinzeitalter!
(Lebhafter Beifall)
3-037
Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, im Namen
der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas
beantrage ich formell, gemäß der Geschäftsordnung
abzustimmen, die die geheime Abstimmung mit
Stimmzetteln vorschreibt.
(Beifall)
3-038
Poettering (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich bin kein Experte für
Fragen der Geschäftsordnung. Ich bin selbstverständlich
auch immer bereit, wenn es um Verfahrensfragen geht,
andere Überzeugungen zu akzeptieren. Aber wenn ich
16/01/2002
jetzt höre, dass der geschätzte Vorsitzende der
Sozialistischen Fraktion eine Abstimmung mit
Wahlzetteln verlangt und sagt, nur das ist die richtige
Form der geheimen Abstimmung, dann möchte ich mich
auf das beziehen, was Sie, Herr Präsident, zu Beginn
gesagt haben, nämlich dass die elektronische
Abstimmung eine geheime Abstimmung ist und mit der
Geschäftsordnung übereinstimmt. Wenn wir also – ich
behandle die Frage sehr fair – jetzt darüber entscheiden
wollen, ob wir elektronisch abstimmen oder mit
Wahlzetteln – und ich gestehe gerne zu, man kann der
einen oder der anderen Ansicht sein –, dann müssen Sie
über die Form der Abstimmung per Handzeichen
entscheiden lassen, durch Ja oder Nein. Nur so kann
diese Frage des Verfahrens entschieden werden. Ich
würde empfehlen, dass wir jetzt auf diese Weise
demokratisch entscheiden, wie wir abstimmen wollen.
(Beifall)
3-039
Der Präsident. – Wir kennen die Regelung zu diesem
umstrittenen Punkt.
In Artikel 135 heißt es: „Der Präsident kann jederzeit
entscheiden, dass die in Artikel 133, 134 und 136
genannten Abstimmungen mittels elektronischer
Abstimmungsanlage vorgenommen werden.“ Die
Anwendung der elektronischen Abstimmung steht also
voll und ganz im Einklang mit der Geschäftsordnung.
Offensichtlich bestehen unter den Abgeordneten jedoch
unterschiedliche Auffassungen darüber, welches
Abstimmungsverfahren in diesem Fall angewandt
werden soll.
Deshalb werde ich darüber abstimmen lassen, ob wir
eine elektronische Abstimmung durchführen sollen.
(Das Parlament spricht sich für eine elektronische
Abstimmung aus.)
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Wahl
der Quästoren.
Es gibt fünf Quästoren und somit hat jeder Abgeordnete
höchsten fünf Stimmen. Wenn ein Abgeordneter mehr
als fünf Kandidaten wählt, ist seine Stimme ungültig.
Die Stimmauszähler sind dieselben wie die bei der Wahl
des Präsidenten und der Vizepräsidenten. Ich bitte diese,
als erste abzustimmen und dann nach vorne an das Pult
des Präsidenten zu kommen, damit sie die Ergebnisse
bestätigen können.
3-040
Alavanos (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident, es ist
richtig, dass laut Geschäftsordnung die elektronische
Abstimmung möglich ist. So wie sie abläuft, ist sie aber
nicht geheim. Ich weiß, wie Frau Ainardi abgestimmt
hat, ich weiß, wie Frau Frahm abgestimmt hat, ich weiß,
wie die Kollegin hier und wie der Kollege dort
abgestimmt haben. Wir können elektronisch abstimmen,
aber ohne Sternchen. Sonst weiß man ja, wie jeder
Einzelne abgestimmt hat. Geheim ist die Abstimmung
nicht.
9
3-041
Der Präsident. – Wir sind jetzt mitten in der
Abstimmung. Genau dieser Punkt wurde bereits im
Zusammenhang mit der Frage, wie wir abstimmen
sollen, angesprochen. Wir haben darüber abgestimmt
und deshalb werden wir mit der Abstimmung fortfahren.
Ich nehme Ihren Einwand zur Kenntnis, aber ich kann
jetzt nichts mehr ändern.
(Die Wahl wird durchgeführt).
Es wurden 534 Stimmen abgegeben. Eine Stimme ist
ungültig, 533 Stimmen sind gültig. Die Mehrheit ist bei
267 Stimmen erreicht. Die Ergebnisse der Kandidaten
lauten wie folgt:
Banotti: 369
Quisthoudt-Rowohl: 299
Balfe: 259
Smet: 254
Poos: 221
Marinho: 189
Maes: 125
Angesichts der für die Mehrheit erforderlichen
Stimmenzahl erkläre ich die Abgeordneten Frau Banotti
und Frau Quisthoudt-Rowohl zu Quästoren des
Europäischen Parlaments.
Gemäß Artikel 15 Absatz 2 und Artikel 16 der
Geschäftsordnung wird die Rangfolge der Quästoren,
wie bei den Vizepräsidenten nach der Anzahl der
erhaltenen Stimmen festgelegt. Ich erkläre diese beiden
Kandidatinnen für gewählt und gratuliere ihnen zu ihrer
Wahl.
Wir werden um 12.30 Uhr mit der Wahl der Quästoren
fortfahren und dasselbe Verfahren anwenden.
So ist es in der Tagesordnung vorgesehen. Es steht den
Abgeordneten frei, Einspruch zu erheben.
3-042
Roth-Behrendt (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich habe
eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Ich
respektiere die Entscheidung des Hauses, aber dies war,
bei allem Respekt, keine geheime Abstimmung. Ich
weiß, wie alle die Kollegen neben mir abgestimmt
haben. Ich begrüße es, dass wir die Möglichkeit der
offenen Abstimmung haben, aber wenn wir offen
abstimmen wollen, sollten wir nicht so tun, als hätten
wir in geheimer Wahl abgestimmt. Wir sollten offen und
durch Handzeichen abstimmen. Das ist mein erster
Punkt.
Zweitens möchte ich unsere Kollegen in der PPE-DEFraktion bei allem Respekt darauf hinweisen, dass eine
Wahl per Stimmzettel auch nicht länger gedauert hätte.
Vielleicht können wir nun im zweiten Wahlgang ein
Abstimmungsverfahren anwenden, das wirklich eine
geheime Abstimmung gewährleistet.
3-043
10
Dell'Alba (NI). – (FR) Meiner Meinung nach haben wir
eine – gute oder schlechte – Entscheidung, aber auf
jeden Fall eine Entscheidung hinsichtlich des
Abstimmungsverfahrens
getroffen.
Ich
glaube
allerdings, dass auf jeden Fall die Zweckmäßigkeit eines
Systems überprüft werden sollte, das angeblich geheim
ist, was jedoch in Wirklichkeit nicht zutrifft. Abgesehen
davon haben wir eine Tagesordnung, nach der die
Aussprache zum spanischen Vorsitz um 10.00 Uhr
beginnen soll. Bis dahin bleiben uns dank der so
genannten geheimen Wahl noch 20 Minuten. Wir
müssen uns also beeilen und sollten den zweiten
Wahlgang sofort durchführen. Ich denke, das entspricht
dem allgemeinen Wunsch.
(Beifall)
3-044
Beazley (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich habe eine
Bemerkung zur Geschäftsordnung. Ich möchte den
Ablauf nicht verzögern. Herr Dell'Alba hat völlig Recht.
Wir haben bewiesen, dass 99,9 % der Mitglieder des
Europäischen Parlaments in der Lage sind, mit den
technischen Fertigkeiten ihrer Kinder mitzuhalten. Es
wäre wirklich absurd, nun beim zweiten Wahlgang zur
Wahl der Quästoren nicht mit der elektronischen
Abstimmung fortzufahren.
16/01/2002
neben dem Namen jedes einzelnen Kandidaten ein
neutrales Symbol steht. Auf diese Weise können andere
mit einem Blick auf den Bildschirm nicht mehr
erkennen, wie wir abgestimmt haben. Das wäre viel
besser, denn im Moment kann man ganz einfach
feststellen, wie die einzelnen Abgeordneten abgestimmt
haben.
3-047
Der Präsident. – Ich werde noch zwei weiteren Rednern
das Wort erteilen und dann werden wir dieses Thema
abschließen.
3-048
Cohn-Bendit (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, mit
geht
es
nicht
um
das
elektronische
Abstimmungsverfahren. Was unsere Fraktion offiziell
interessiert, ist, dass im Hinblick auf mögliche politische
Absprachen 12.30 Uhr abgestimmt wird.
3-049
Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Sie haben
eine Entscheidung getroffen: Es soll weiterhin dasselbe
Abstimmungsverfahren angewendet werden, obwohl wir
damit nicht einverstanden sind. Nunmehr beantrage ich,
um eine politische Bewertung vornehmen zu können,
eine Verschiebung dieser Abstimmung bis 12.30 Uhr.
(Protest)
Was den letzten Punkt meiner Kollegin auf der anderen
Seite des Hauses in Bezug auf die geheime Abstimmung
betrifft, möchte ich sagen, dass mir nicht bekannt ist,
wie meine Kollegen auf dieser Seite des Hauses
abgestimmt haben, weil ich ihnen bei der Abstimmung
nicht über die Schulter geschaut habe.
3-045
Jackson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte
den Kollegen einen einfachen Vorschlag machen, der
nichts mit Technik zu tun hat. Wir sollten unsere Zeit
nutzen und die Wahl der Quästoren zum Abschluss
bringen. Wir haben in dieser Woche schon zu viel Zeit
für die Abstimmungen aufgewendet. Herr Onesta hat
uns gestern ein sehr nützliches Papier vorgelegt. Ich
weiß nicht, ob das symbolisch gemeint ist, aber das
Papier ist leer! Die Kollegen von der Fraktion der
Sozialdemokratischen Partei Europas brauchen keine
Angst zu haben, mein Vorschlag ist nicht technischer
Natur. Nach ihrer Abstimmung sollten die Abgeordneten
ein Stück Papier – oder das Papier von Herrn Onesta –
über ihren Bildschirm legen. Es ist wirklich ganz
einfach.
(Heiterkeit)
3-046
McKenna (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, eine
Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Ich schließe mich
den
Kollegen
an,
die
das
elektronische
Abstimmungssystem bevorzugen, weil die Abstimmung
damit sehr viel schneller durchgeführt werden kann. Ich
möchte jedoch vorschlagen, dass die Techniker und
diejenigen, die für dieses wunderbare System zuständig
sind, es so ändern, dass wir über alle Kandidaten mit
Plus oder Minus abstimmen können, das heißt, dass
3-050
Der Präsident. – Ich möchte klarstellen, dass der zweite
Wahlgang nach der Tagesordnung für 12.30 Uhr
vorgesehen ist. Ich weiß, dass politische Entscheidungen
zu treffen sind, und auch wenn es aus Gründen der
Effizienz sinnvoll wäre, die elektronische Abstimmung
jetzt gleich abzuschließen, bin ich mir darüber im
Klaren, dass politische Überlegungen angestellt werden
müssen. Wir werden die Abstimmung zum
frühestmöglichen Zeitpunkt, jedoch nicht vor 12.30 Uhr,
durchführen. In der Zwischenzeit haben die Fraktionen
Gelegenheit zur gegenseitigen Konsultation. Wir werden
die
Abstimmung
über
die
elektronische
Abstimmungsanlage fortsetzen.
(Die Sitzung wird um 9.48 Uhr unterbrochen und um
10.00 Uhr wiederaufgenommen.)
3-051-001
Programm des spanischen Vorsitzes
3-052
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Erklärung des amtierenden Ratsvorsitzenden zum
Programm des spanischen Vorsitzes.
Im Moment befinden wir uns in einer sehr wichtigen
Phase der europäischen Politik. Nach der Einführung des
Euro in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage müssen
die in Lissabon und Stockholm beschlossenen
Wirtschafts- und Sozialreformen vollendet und eine
nachhaltige Entwicklung in Gang gesetzt werden.
Darüber hinaus muss in diesem Jahr die Grundlage für
eine erweiterte Union geschaffen werden und der
Konvent seine Arbeit aufnehmen, um Europa fit für die
Zukunft zu machen. Deshalb ist dies sicher ein sehr
16/01/2002
umfangreiches und ehrgeiziges Programm. Ich freue
mich, dass ich nun dem amtierenden Ratvorsitzenden,
Herrn Aznar, das Wort erteilen kann.
(Beifall)
3-053
Aznar, Amtierender Präsident des Rates. – (ES) Herr
Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten,
verehrte Mitglieder der Europäischen Kommission,
meine Damen und Herren! Es ist eine große Ehre, zum
ersten Mal als Präsident der Regierung Spaniens in
Ausübung des Ratsvorsitzes der Europäischen Union vor
Ihnen aufzutreten, um Ihnen die Prioritäten der
spanischen Präsidentschaft darzulegen.
Die spanische Präsidentschaft fällt mit dem Wechsel des
Präsidenten dieses Parlaments zusammen. Gestern
wohnten wir der Ernennung eines neuen Präsidenten des
Hohen Hauses und der Verabschiedung einer Präsidentin
bei, die eine sehr effiziente Arbeit geleistet hat.
Die Persönlichkeit sowie der politische und
institutionelle Werdegang von Herrn Cox sind eine
Garantie für die Entwicklung fruchtbarer politischer und
institutioneller Beziehungen zwischen diesem Hohen
Haus und der Präsidentschaft, deren Ziel in der Stärkung
der Europäischen Union und einer gewichtigeren Rolle
des Europäischen Parlaments besteht.
Das Europäische Parlament hat durch seine Arbeit und
seine Vorschläge, die stets durch ein beständiges,
innovatives Streben nach einer höheren Wirksamkeit des
Funktionierens der Union gekennzeichnet sind, einen
wesentlichen Beitrag zu dem geleistet, was heute die
Europäische Union ausmacht. Dieses Hohe Haus hat es
ferner
verstanden,
die
unterschiedlichen
parlamentarischen Traditionen in Europa anzugleichen
und neue Lösungen für die Beziehungen zwischen der
Zivilgesellschaft und ihren politischen Repräsentanten
zu erproben, wodurch die demokratische Kontrolle und
die Legitimität des europäischen Projekts eine Stärkung
erfahren haben. Nichts spiegelt diesen Gedanken besser
wider als das Mitentscheidungsverfahren, das allerdings
im Hinblick auf die Transparenz und Effektivität
verbessert werden muss. Daher wird die spanische
Präsidentschaft daran arbeiten, dass die in diesem
Halbjahr anstehenden acht Vermittlungen zügig zum
Abschluss gebracht werden.
Spanien möchte die institutionelle Zusammenarbeit und
die demokratische Kontrolle der Union vertiefen; daher
sichere ich die Anwesenheit der Vertreter des
Ratsvorsitzes in den Plenartagungen zu, wie es auch in
der vorangegangenen Vorsitzperiode üblich war. Ich
verpflichte mich meinerseits, das Hohe Haus nach dem
Europäischen Rat von Barcelona zu informieren und
nach dem Europäischen Rat von Sevilla eine
Schlussbilanz über dieses Halbjahr zu ziehen.
(Beifall)
11
Meine Damen und Herren! Der gegenwärtige politische
Horizont verpflichtet die Union, in drei Richtungen
Ehrgeiz zu entwickeln. Die erste besteht in der
Ausarbeitung einer Antwort auf den Terrorismus aus der
Sicht der Schaffung eines Raums der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts. Bei der zweiten geht es um
die Herausbildung einer Zone größerer wirtschaftlicher
Prosperität, durch die das europäische Sozialmodell
bewahrt wird. Und die dritte führt über die
Verwirklichung
der
historischen
Chance
der
Erweiterung und die Schaffung der Grundlagen der
künftigen erweiterten Union.
Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir auf eine
weitere Vertiefung Europas hinwirken. Mit „Mehr
Europa“ werden wir den Kampf gegen den Terrorismus
verstärken und die erfolgreiche Einführung des Euro
sicherstellen, und nur wenn wir ehrgeizig sind, werden
wir die Erweiterung zu Ende führen, bei der Schaffung
einer Zone größeren Wohlstands vorankommen, die
außenpolitische Rolle der Union stärken und die nächste
Regierungskonferenz zu einem positiven Abschluss
bringen.
Meine Damen und Herren! Mit dankbarer Anerkennung
nehme ich zur Kenntnis, welches Verantwortungsgefühl
dieses Hohe Haus und die Europäische Kommission bei
der Bekämpfung des Terrorismus unter Beweis gestellt
haben. Nur wenige Tage vor dem tragischen
11. September nahm das Parlament eine Entschließung
an, in der die Europäische Kommission dringend ersucht
wurde, verschiedene Initiativen zur Erreichung einer
größeren Wirksamkeit im Kampf gegen den Terrorismus
in der Europäischen Union vorzulegen. Man muss auf
dem Weg weiterzuarbeiten, den Sie und die Europäische
Kommission seinerzeit aufgezeigt haben. Dazu muss der
Aktionsplan der Europäischen Union gegen den
Terrorismus aus rechtsstaatlicher Sicht weiterentwickelt
werden, um jeglichen Herd des Terrors innerhalb
unserer Grenzen auszuschließen. Im Dezember
vergangenen Jahres sind große Fortschritte auf diesem
Gebiet erzielt worden. Alle Institutionen der Union und
speziell die Präsidentschaft und das Parlament müssen
nun daran arbeiten, dass die damals verabschiedeten
Instrumente schnellstmöglich wirksam werden. Diese
Instrumente werden nicht wirksam sein, wenn nicht
gleichzeitig eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen
den Sicherheitskräften der Staaten der Union erreicht
wird. Daher sieht es die Präsidentschaft als vorrangig an,
zügig gemeinsame Ermittlungsteams zu bilden, die
Wirksamkeit der Arbeit von Europol zu verstärken und
die Finanzierung der Terroristen und derjenigen, die
ihnen Schutz gewähren und sie unterstützen, zu
verhindern.
(Beifall)
Wie Ihnen wohl bekannt ist, errichten die terroristischen
Organisationen untereinander Verbindungen für eine
Zusammenarbeit, durch die sie eine unsere Grenzen
überwindende Operativität erreichen. Spanien möchte,
dass die Union international eine aktivere Rolle im
Kampf gegen den Terrorismus spielt. Ein erster Schritt
12
auch dazu ist die Gestaltung einer engen
Zusammenarbeit auf strafrechtlichem Gebiet mit den
USA in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der
Rechtsordnung der Europäischen Union, so wie es von
diesem Hohen Haus hervorgehoben wurde. Der Kampf
gegen den Terrorismus ist im Zusammenhang mit der
Errichtung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts zu sehen. Daher ist es nach Meinung des
Ratsvorsitzes von vordringlicher Bedeutung, Fortschritte
bei der Einführung einer gemeinsamen Asyl- und
Einwanderungspolitik, der Verbesserung der Kontrolle
der Außengrenzen der Union, der Verstärkung des
Kampfes gegen den Rauschgifthandel und der
gegenseitigen
Anerkennung
der
gerichtlichen
Entscheidungen sowohl in Zivilsachen durch den
europäischen Vollstreckungstitel als auch auf
strafrechtlichem Gebiet zu erreichen. Diese Initiativen
erfordern eine enge institutionelle Zusammenarbeit,
wenn wir die für die Errichtung des Raums der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts festgelegten Termine
einhalten wollen.
Meine Damen und Herren! Die Einführung des EuroBargelds verläuft – ich darf es so sagen – mehr als
glänzend. Ende dieses Monats wird es nur noch wenige
Bürger der Euro-Zone geben, die die nationalen
Währungen verwenden. Diese Tatsache ist ein klarer
Beweis für die Akzeptanz der Politik der Union, wenn
diese überlegt und wirksam umgesetzt wird. Die
Festigkeit unserer Währung erfordert außerdem eine
engere Koordinierung der Wirtschaftspolitiken. Dies
wird seinen Ausdruck in einer verstärkten Rolle der
Euro-Gruppe, in der Stärkung der Grundzüge der
Wirtschaftspolitik und in einer strikten Einhaltung des
Stabilitäts- und Wachstumspakts finden. Außerdem wird
der Euro die Sichtbarkeit der Euro-Zone erhöhen, was
die Präsidentschaft verpflichten wird, sicherzustellen,
dass die Positionen der Union in den internationalen
Foren Berücksichtigung finden.
Es sei daran erinnert, dass Europa im letzten Jahrzehnt
beim Pro-Kopf-Einkommen gegenüber den USA um
sechs Prozentpunkte zurück geblieben ist. Wir müssen
also die Modernisierung unserer Volkswirtschaften
vorantreiben, um ein höheres Wachstum zu erzielen. Die
Schaffung eines Raums größerer wirtschaftlicher und
sozialer Prosperität wird folglich ein weiterer
Hauptpunkt in der Arbeit der Präsidentschaft sein.
Nach den Vorstellungen Spaniens soll der in Barcelona
stattfindende Europäische Rat fünf konkrete Bereiche
behandeln, um auch zu „Mehr Europa“ zu gelangen.
Erstens werden wir dem Anschluss und der Öffnung der
europäischen Verkehrs- und Kommunikationssysteme
einen Impuls verleihen. Die Präsidentschaft wird sich
um die Revision der transeuropäischen Verkehrsnetze,
die Verwirklichung des einheitlichen europäischen
Luftraums und die verstärkte Liberalisierung des
Eisenbahnverkehrs bemühen.
Im zweiten Arbeitsbereich von Barcelona wird es um die
Gestaltung eines europäischen Energiemarkts gehen, der
16/01/2002
auf Öffnung, Liberalisierung, Wettbewerb, Transparenz
und Verknüpfung basiert. Nach diesen Grundsätzen wird
die Präsidentschaft die Öffnung der Gas- und
Elektrizitätsmärkte für Unternehmen und Verbraucher,
die Regeln für den Zugang Dritter zu den Netzen und die
Schaffung von Infrastrukturen und Verknüpfungen
zwischen den nationalen Energiemärkten untersuchen.
Die Integration der Finanzmärkte stellt ihrerseits eine
unerlässliche Bedingung für das ordnungsgemäße
Funktionieren
der
Einheitswährung
und
eine
grundlegende Voraussetzung für das europäische
Wachstum dar. Spanien wird sich, ausgehend von der
notwendigen
Beachtung
des
institutionellen
Gleichgewichts, für die termingemäße Einhaltung des
Aktionsplans für Finanzdienstleistungen und für die
schnellstmögliche Anwendung der neuen, durch den
Lamfalussy-Bericht eingeführten Methode einsetzen.
Wir sind uns andererseits alle der Tatsache bewusst, dass
Beschäftigung die beste Form sozialer Integration ist.
Daher wird der Europäische Rat von Barcelona, um den
vierten Punkt zu nennen, ausgehend vom LuxemburgProzess und seinem gegenwärtigen Schema, die
Beschäftigungsstrategie stärker auf die Analyse der
fehlenden strukturellen Flexibilität der Arbeitsmärkte,
auf die Besteuerungs- und Sozialschutzsysteme und
auch auf die Institutionen des Arbeitsmarkts ausrichten.
Die Erreichung einer hochwertigen Beschäftigung
verläuft ohne Zweifel über eine solide Ausbildung, mit
der die Mobilität der Auszubildenden gefördert wird.
Daher wird der fünfte Punkt beim Rat von Barcelona das
Arbeitsprogramm in Bezug auf die Bildungssysteme für
den Zeitraum bis 2010 sein. Wir werden eine höhere
Qualität und eine zunehmende Öffnung der
europäischen Bildungssysteme für die übrige Welt
erreichen müssen.
Meine Damen und Herren! In Barcelona werden die
Kandidatenländer erstmalig an einer Arbeitssitzung des
Europäischen Rates teilnehmen. Die Einbeziehung der
Beitrittskandidaten in die Arbeiten zur wirtschaftlichen
und sozialen Modernisierung ist meines Erachtens das
beste politische Signal der Union zur Unterstützung der
beabsichtigten Erweiterung.
Die Erweiterung macht es zweifellos möglich, eine
bittere Seite der Vergangenheit unseres Kontinents
abzuschließen; sie wird Länder einbinden, die zur
europäischen Familie gehören, mit denen wir unsere
Wertvorstellungen teilen und die unter den
Wechselfällen der Geschichte schwer gelitten haben. Die
spanische Präsidentschaft hat den politischen Willen,
dazu beizutragen, dass alle Staaten, die entsprechend
vorbereitet sind, ihre Verhandlungen Ende dieses Jahres
2002 zum Abschluss bringen können.
Ausgehend vom gegenwärtigen Besitzstand der
Gemeinschaft und der Finanziellen Vorausschau werden
in der Zeit des spanischen Ratsvorsitzes die Kapitel zu
den Bereichen Landwirtschaft, Regionalpolitik und
Politik des sozialen Zusammenhalts, Finanz- und
16/01/2002
Haushaltsrückstellungen sowie den institutionellen
Fragen verhandelt. Spanien wird auch versuchen, alle
bislang nicht abgeschlossenen Kapitel zu Ende zu
führen. Voraussetzung für den endgültigen Abschluss
der Verhandlungen ist die Kompromissfähigkeit aller
Mitglieder der Union sowie die rechtzeitige Vorlage der
Vorschläge durch die Kommission. Vor allem hängt er
von
den
Anstrengungen
jedes
einzelnen
Kandidatenlandes ab. Die Evaluierung der Fortschritte
wird auf dem Europäischen Rat im Juni in Sevilla
vorgenommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wissen
auch – und so wünschen wir es –, dass die Europäische
Union aufgerufen ist, eine bedeutende und wachsende
politische Funktion im internationalen Leben auszuüben.
Der Erfolg der europäischen Integration und deren
Gewicht in Wirtschaft und Handel erfordern ein immer
stärkeres, bedeutsameres außenpolitisches Profil der
Union. Die gegenwärtige internationale Lage macht eine
stärkere Präsenz der Union in Gebieten erforderlich, in
denen Frieden und Sicherheit unmittelbar bedroht sind.
Deshalb hofft die spanische Präsidentschaft, zur
Entwicklung einer anspruchsvollen globalen Strategie
auf regionaler Ebene in Mittelasien und Afghanistan
beizutragen, mit der neue Konfliktherde verhindert
werden.
Indes wird die Sicherung einer europäischen Präsenz zu
nichts führen, wenn wir nicht über die Möglichkeit eines
wirksamen Krisenmanagements und konkret über
Streitkräfte für begrenzte Operationen, die ein schnelles
Eingreifen erfordern, verfügen. Dieses Ziel muss in
naher Zukunft mit der Verwirklichung der Operativität
der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
und der endgültigen Ausgestaltung der Konsultationsund Kooperationsbeziehungen mit dem Atlantischen
Bündnis erreicht werden. Spanien beabsichtigt, auf
diesem Gebiet eine Debatte einzuleiten, damit der
Kampf gegen den Terrorismus gleichzeitig zu einem
Ziel
der
europäischen
Sicherheitsund
Verteidigungspolitik wird.
Die Glaubwürdigkeit der Außenpolitik der Union darf
sich nicht nur auf ihre internationale Präsenz gründen,
sondern muss auch auf wirksamen Instrumenten
basieren, die diese Präsenz ermöglicht, vor allem auch
auf einem besonders hohen Niveau der Mitsprache. Im
Zusammenhang mit diesem letztgenannten Aspekt
betrachtet Spanien es als vorrangig, die Beziehungen
zwischen der Europäischen Union und den USA
einerseits und der Europäischen Union und Russland
andererseits zu vertiefen. Mit Ersteren müssen wir den
transatlantischen Dialog verstärken, um ihm einen
stärker strategischen Inhalt zu verleihen. Und in Bezug
auf Russland glaubt Spanien, dass die Europäische
Union die Strategie unterstützen muss, die dieses Land
gegenwärtig entwickelt. Daher wird ein Ziel der
Präsidentschaft in der Konsolidierung der Beziehungen
der Union zu Russland auf der Grundlage konkreter und
herausgehobener Punkte und Fortschritte bestehen.
13
Meine Damen und Herren! Im Mai dieses Jahres wird in
Madrid das zweite Gipfeltreffen zwischen der
Europäischen Union, Lateinamerika und der Karibik
stattfinden, das die strategische Partnerschaft zwischen
diesen beiden Regionen erneuern und stärken wird. Ein
Ziel des Gipfels wird darin bestehen, mit Chile zu
arbeiten,
um
beim
Partnerschaftsund
Freihandelsabkommen voranzukommen, und die
Verhandlungen der Europäischen Union mit dem
Mercosur zu beschleunigen. Außerdem wird es
spezifische Treffen zwischen der Union und der
Andengemeinschaft sowie Zentralamerika geben. Ich
kann nicht umhin, hier unser Interesse und unsere
Besorgnis im Zusammenhang mit der Entwicklung der
Lage in Argentinien zu erwähnen. Die Europäische
Union wird mit den argentinischen Behörden
zusammenarbeiten, um realistische Lösungen auf der
Grundlage des Dialogs zu finden, die das Vertrauen und
die Wachstums- und Wettbewerbsmöglichkeiten der
Wirtschaft Argentiniens wiederherstellen.
Meine Damen und Herren! Die Europäische Union wird
auch eine wichtige Rolle für die Stabilität des Nahen
Ostens spielen. Dazu werden wir die Abstimmung mit
den USA und den übrigen Förderern des
Friedensprozesses verstärken müssen. Ich hoffe, dass die
jüngste Erklärung der Europäischen Union und die in
diesen Tagen auf Initiative der spanischen
Präsidentschaft bereits eingeleiteten Kontakte dazu
beitragen können, eine die Länder der Region und den
Mittelmeerraum betreffende Situation der Instabilität zu
überwinden.
Der Nahostkonflikt hat einen gewaltigen Einfluss auf
den Verlauf des Barcelona-Prozesses, des einzigen
Dialogforums, das alle am Friedensprozess Beteiligten
vereint und für das es einen Termin bei der in Valencia
stattfindenden Ministerkonferenz geben wird. Spanien
wird auch dem Abschluss der noch offenen
Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen
Union und den Anrainerländern einen Impuls verleihen
und sich für die Schaffung eines Binnenmarkts EuropaMittelmeer und die Entwicklung der regionalen
Strategien für Infrastrukturen einsetzen. Um die
Erreichung dieses Ziels zu erleichtern, hat der
Europäische Rat von Laeken auf Initiative Spaniens das
Projekt zur Schaffung einer Bank aufgegriffen, die sich
auf Operationen in den Mittelmeerländern spezialisiert.
Daran werden wir in diesen Monaten gemeinsam mit der
Europäischen
Investitionsbank
und
den
Währungsbehörden arbeiten.
Meine Damen und Herren! Nach unserer Überzeugung
können wir die illegale Einwanderung nur durch die
Stimulierung einer ausgewogenen Entwicklung wirksam
bekämpfen. Spanien ist sich der Tragweite dieses
Phänomens
bewusst
und
wirkt
unter
der
Schirmherrschaft Chinas und Vietnams seit geraumer
Zeit für den Erfolg der Ministerkonferenz über
Einwanderung zwischen der Europäischen Union und
der ASEAN. Wir wissen, dass die Ursachen der illegalen
Einwanderung in der Armut und Unterentwicklung
liegen. Daher misst die Präsidentschaft dem
14
Gipfeltreffen
in
Monterrey
über
die
Entwicklungsfinanzierung,
das
wir
in
enger
Abstimmung mit den USA und Mexiko vorbereiten,
besondere Bedeutung bei.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, nur wenige
Menschen konnten sich vorstellen, dass 45 Jahre nach
der Unterzeichnung der Römischen Verträge
300 Millionen Europäer dieselbe Währung verwenden
würden. Wir müssen diesen erfolgreichen Weg in einer
für die Union bedeutsamen Epoche fortsetzen. Das
erfordert eine stärkere Mitwirkung unserer Bürger an der
Gestaltung der Zukunft der Union.
Der Europäische Rat von Laeken hat beschlossen, einen
Konvent über die Zukunft Europas einzuberufen. Seine
Eröffnungssitzung wird am 28. Februar dieses Jahres am
Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel stattfinden.
Es gibt keinen Ort, der besser die Bedeutung der neuen
Etappe im Leben der Europäischen Union und
gleichzeitig die Anerkennung widerspiegelt, die wir
seitens der Präsidentschaft dem Wirken des
Europäischen Parlaments für die Zukunft Europas zollen
möchten. Die spanische Präsidentschaft ist fest
entschlossen, zum Erfolg dieses Konvents beizutragen.
Davon hängt es ab, dass einerseits der Prozess der
progressiven Konstitutionalisierung gefestigt wird, in
dem wir uns befinden, und dass andererseits der
Konvent künftig als gute Methode zur Vorbereitung von
Regierungskonferenzen dienen wird. Ich hoffe, der
Präsident des Konvents – so ist es vereinbart – kann auf
dem Europäischen Rat im Juni dieses Jahres in Sevilla
einen ersten Bericht über seine Arbeiten vorlegen.
Meine Damen und Herren! Ich bin heute hierher
gekommen, um Ihnen die Prioritäten des spanischen
Ratsvorsitzes darzulegen. Diese Prioritäten sollten in
einer größeren praktischen Solidarität ihren Ausdruck
finden, um auf der Grundlage des Gleichgewichts und
der gegenseitigen Achtung der unterschiedlichen
Interessen die längste Periode des Friedens, des
Wohlstands und der Freiheit, die Europa je erlebt hat,
weiter zu festigen. Wir wissen, dass die Aufgabe –
sowohl wegen der Vielzahl der Fragen, mit denen wir
uns befassen müssen, als auch weil unsere Ziele
anspruchsvoll sind – vielschichtig und schwierig ist. Nur
weil wir uns dieses Anspruchs bewusst sind und nur auf
der Grundlage einer engen Zusammenarbeit zwischen
den Institutionen wird es uns gelingen – davon bin ich
überzeugt –, dieses Projekt Wirklichkeit werden zu
lassen, dessen höchstes Ziel ein besseres Leben für alle
unsere Bürger ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
3-054
Prodi, Kommission. – (IT) Herr Präsident, Herr
Ministerpräsident, meine sehr geehrten Damen und
Herren Abgeordneten! In der Neujahrsnacht haben wir
in ganz Europa mit großer Freude die Einführung des
Euro gefeiert. Seitdem sind erst rund zwei Wochen
16/01/2002
vergangen, und schon wurde fast die völlige Umstellung
auf die neue Währung erreicht. In den 12 Ländern der
Eurozone werden inzwischen 90 % aller Zahlungen in
der gemeinsamen europäischen Währung abgewickelt:
Die Umstellung auf den Euro war eine gigantische
Operation und ein riesiger Erfolg. Darauf können wir
alle stolz sein, denn wir alle haben dazu beigetragen: das
Europäische Parlament und die nationalen Parlamente,
die Regierungen, die Europäische Zentralbank, die
Zentralbanken der Mitgliedstaaten, die Kommission, die
Handelsbanken, die Postämter, der Handel, die
Unternehmen, die Medien und alle Bürgerinnen und
Bürger, die einer wie der andere diesen historischen
Wandel erleichtert haben.
Für Millionen von Unionsbürgern sind die Banknoten
und Münzen, die sie nun in der Tasche tragen, das
greifbare Symbol für das große politische Projekt des
vereinten Europas. Der Symbolgehalt des Euro ist noch
größer als jener der Abschaffung der Ausweiskontrollen
an den innergemeinschaftlichen Grenzen, die gleichwohl
starke Emotionen ausgelöst hat. Der Euro wird auf diese
Weise zum Schlüsselelement ihres europäischen
Identitätsgefühls und eines gemeinsamen Schicksals, so
wie er schon ein fassliches Zeichen der nunmehr
unumkehrbaren europäischen Integration ist.
Die Euro-Umstellung zeigt, dass die Europäer den
Wandel mit Begeisterung und Entschlossenheit
aufzunehmen bereit sind, wenn er der Vorbreitung einer
besseren Zukunft dient und die anstehenden Fragen
umfassend und offen diskutiert werden. Die Einführung
des Euro macht deutlich, dass Europa zu großen
Leistungen fähig ist, sofern der notwendige politische
Wille vorhanden ist. Diese Lektion müssen wir bei der
Vorbereitung sämtlicher Schritte, die wir im
Integrationsprozess unternehmen wollen, beherzigen.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! „Mehr Europa“
lautet das Motto, das Spanien für seine sechsmonatige
EU-Ratspräsidentschaft gewählt hat. Kurz nach der
Einführung des Eurobargeldes können wir mit Sicherheit
behaupten, dass es keine bessere Wahl hätte treffen
können.
Ihre Regierung, Herr Ministerpräsident, hat gleichzeitig
ein umfangreiches, jedoch ausgewogenes und
ehrgeiziges Tätigkeitsprogramm ausgearbeitet, und es
freut mich, feststellen zu können, dass die in diesem
Programm hervorgehobenen Prioritäten in dieselbe
Richtung gehen wie die, welche die Kommission für das
Jahr 2002 festgelegt hat. Deshalb versichere ich Ihnen,
dass Sie auf die uneingeschränkte Mitwirkung der
Kommission zählen können.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine sehr
geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Derselbe
Ehrgeiz, der uns die gelungene Einführung der neuen
Einheitswährung ermöglicht hat, muss nun unter Beweis
gestellt und fruchtbringend genutzt werden, um die
wirtschaftlichen und die sozialen Ziele der Union zu
verwirklichen. Wir haben die Währungsunion
vollbracht. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, sich auf
16/01/2002
die Wirtschaftsunion zu konzentrieren und sie konkret
umzusetzen. Wir brauchen das Wirtschaftswachstum,
denn es bedeutet Beschäftigung und eine bessere
Lebensqualität.
Vor nunmehr zwei Jahren hat der Europäische Rat in
Lissabon das Ziel festgelegt, die Union bis zum Ende
dieses Jahrzehnts zum wettbewerbsfähigsten und
dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der
Welt zu machen: eine Union, die fähig ist, gleichzeitig
Vollbeschäftigung und einen größeren sozialen und
wirtschaftlichen Zusammenhalt zu erzielen. Seitdem
werden auf den Frühjahrstagungen des Europäischen
Rates
die
wirtschaftlichen,
sozialen
und
umweltpolitischen Fragen im Rahmen einer komplexen
Strategie der nachhaltigen Entwicklung behandelt.
Deshalb ist der Rat in Barcelona aufgefordert, die
bislang erzielten Fortschritte zu bewerten und die
Prioritäten für die kommenden Jahre festzulegen. In
Vorbereitung auf diese Ratstagung hat die Kommission
gestern ihren Frühjahrsbericht angenommen, der dem
Rat als Grundlage für seine Arbeiten dienen wird. Das
Thema des diesjährigen Berichts lautet „Die Strategie
von Lissabon: Den Wandel vollziehen“.
Die Mitteilung, die gestern von der Kommission
angenommen wurde, enthält in der Tat eine zentrale
Botschaft: Es ist an der Zeit, die bereits übernommenen
Verpflichtungen einzuhalten und die Reformen zu
beschleunigen. Wir haben keine Wahl. Die in Lissabon
angenommene Strategie ist der Schlüssel für die
Entwicklung und Festigung des europäischen
Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. Die Reformen
haben nämlich Einfluss auf eine Gesellschaft, die bereits
über eigene dynamische Werte verfügt, die gemeinsam
getragen werden, sie von der übrigen Welt abgrenzen
und somit das Fundament für die Gestaltung der
Europäischen Union bilden. Wenn wir vom
europäischen Gesellschaftsmodell sprechen, denken wir
speziell an diese Werte.
Davon ausgehend müssen wir das Gesellschaftsmodell,
das in Europa möglich und wünschenswert ist, weiter
aktualisieren, d. h. eine freie, demokratische und
gerechte Gesellschaft, die unseren Bürgern am Herzen
liegt. Gleichwohl geht es nicht um den Ausverkauf des
gesellschaftlichen Vermögens, sondern um dessen
Anpassung, Modernisierung und Stetigkeit. Dazu
zwingen uns die Geschichte, der Schutz künftiger
Generationen
und
die
Herausforderung
der
Globalisierung. Und dazu zwingt uns schließlich auch
das gegenwärtige, risikoreiche und durch Unsicherheit
geprägte Umfeld, in dem die Werte einer effektiven und
nicht nur formalen oder partiellen Solidarität praktische
Bedeutung für unsere Bürger und insbesondere für die
Schwächsten unter ihnen erlangen.
Der Bericht der Kommission untersucht die bislang bei
der Verwirklichung der Strategie von Lissabon
erreichten Fortschritte und kommt zu dem Schluss, dass
alle Voraussetzungen gegeben sind, um sie zum Erfolg
zu führen. Auf der makroökonomischen Ebene konnte
die Union dank der Anstrengungen, die im vergangenen
15
Jahrzehnt auf dem Weg zum Euro unternommen worden
sind, wirtschaftliche Stabilität erlangen und blieb in den
Zeiten der Zuspitzung der internationalen Wirtschaftsund Finanzkrisen verschont. Selbst in der gegenwärtigen
Phase des Konjunkturabschwungs bestehen in Europa
immer noch gute Grundvoraussetzungen für die
Wirtschaft.
Auch bei der Verwirklichung der in Lissabon
angenommenen
Strategie
wurden
ermutigende
Fortschritte erzielt. In zahlreichen Sektoren wie Umwelt,
Telekommunikation,
Bildung,
Reform
des
Rentensystems und Forschung wurden beachtliche
Ergebnisse erreicht. In anderen Bereichen sind die
Fortschritte jedoch weniger zufrieden stellend. Die
Vorschläge der Kommission werden blockiert, und es
droht die Gefahr, dass die vom Europäischen Rat selbst
festgelegten Termine nicht eingehalten werden. Hierzu
gehören einige wichtige Aspekte der Integration der
Finanzdienstleistungen, der Verkehrsdienste und des
Energiewesens, des Gemeinschaftspatents und des
GALILEO-Projekts. Ich freue mich, Herr Präsident, dass
Sie diese Bereiche als Priorität Ihrer Tätigkeit für die
nächsten Monate genannt haben, denn dieser Rückstand
muss
schnellstens
aufgeholt
werden.
Unsere
Glaubwürdigkeit, ja sogar unsere Fähigkeit zur
Erzielung eines wirklichen Fortschritts stehen auf dem
Spiel. Ohne Wandel werden wir weniger Wachstum und
weniger Beschäftigung haben.
Im Bericht der Kommission werden für 2002 drei
Prioritäten genannt: Beschäftigung, Reformen und
Wissen. Erstens zur Beschäftigung. Europa braucht eine
aktive Beschäftigungspolitik. Es müssen mehr
Anstrengungen zur Beseitigung der Hindernisse
unternommen werden, welche die Bürger immer noch
überwinden müssen, um Arbeit zu finden oder zu
behalten. Die Mitgliedstaaten müssen die Arbeitskosten
durch eine Senkung der Beiträge, die insbesondere auf
den niedrigsten Löhnen und Gehältern lasten, reduzieren
und die Elemente des Arbeitslosengeldes, die von einer
Rückkehr auf den Arbeitsmarkt abhalten, verändern. Der
Eintritt in den Vorruhestand darf künftig nicht mehr so
extrem
leicht
sein.
Es
gilt,
die
Kinderbetreuungseinrichtungen zu verbessern, um den
Anteil der am Arbeitsmarkt beteiligten Frauen zu
erhöhen, sowie Anreize für diejenigen zu schaffen, die
sich für ein längeres Erwerbsleben entscheiden. Die
Beschäftigungsquote kann auch durch die Verbesserung
der Kompetenzen, der Bildung und der Mobilität der
Bürger innerhalb der Union sowie zwischen den
verschiedenen Wirtschaftsbereichen erhöht werden. Wir
müssen aktiv und nicht passiv an den Wandel
herangehen.
Zweitens zu den Reformen und zur Vollendung des
Binnenmarktes. Wir müssen Europa und seine Märkte
miteinander verbinden. Es bedarf vermehrter
Anstrengungen, um die Vernetzung der nationalen
Märkte voranzubringen und die Integration der
Finanzmärkte durch den Abschluss der bereits
begonnenen Reformen zu beschleunigen. Wir müssen
die Energie- und Verkehrsmärkte öffnen und verbinden
16
und die Breitbandnetze in Europa weiterentwickeln.
Diese Bereiche sind das Rückgrat unserer Wirtschaft.
Wir brauchen mehr Wettbewerb, um die Preise zu
senken und das Wachstum zu erhöhen, wobei jedoch
eine angemessene Grundversorgung für alle gewahrt
werden muss.
Drittens zur Bildung, Ausbildung und Forschung. Dies
sind gewiss die Schlüsselelemente der wirtschaftlichen
Erneuerung, des nachhaltigen Wachstums und der
Schaffung
von
Arbeitsplätzen.
Die
„Wissensgesellschaft“ ist ohne Wissen nicht möglich.
Deshalb müssen wir deutlich mehr in diese Bereiche
investieren. Wir brauchen eine integrierte Bildungs- und
Forschungsstrategie auf europäischer Ebene. Diese
Strategie muss auf dem Netzkonzept und auf der
Mobilität basieren und den Zukunftstechnologien wie
beispielsweise den Biotechnologien und den sauberen
Technologien Vorrang einräumen.
Was schließlich die Zeit nach Barcelona anbelangt, so
verweist unser Bericht auf die Notwendigkeit,
Maßnahmen zur verstärkten Koordinierung der
allgemeinen Wirtschaftsstrategie zu beschließen. Es
muss ein Konsens zu wirtschaftspolitischen Grundsätzen
und Regeln herbeigeführt werden, welche die
wirtschaftlichen Wechselbeziehungen innerhalb der
Euro-Zone berücksichtigen.
In diesem Sinne müssen die drei laufenden Prozesse
betreffend die Grundzüge der Wirtschaftspolitik, die
beschäftigungspolitischen Leitlinien und die in Cardiff
auf den Weg gebrachten Wirtschaftsreformen
aufeinander abgestimmt werden. Auf diese Weise kann
auf dem jährlichen Frühjahrsgipfel eine Bewertung der
Wirtschafts- und Sozialpolitik in ihrer Gesamtheit
vorgenommen und somit deren Nachhaltigkeit gesichert
werden. Nur mit Hilfe eines kohärenteren Ansatzes wird
es uns möglich sein, die verschiedenen uns zur
Verfügung stehenden Instrumente umfassender und
wirksamer zu nutzen. Wir müssen also die nach
Sektoren getrennten Methoden der Vergangenheit
aufgeben.
Herr Ministerpräsident, der Kommissionspräsident hat
eine Rolle wahrzunehmen, die mitunter auch sehr
unbequem sein kann: Er muss nämlich innerhalb des
Europäischen Rates die Kolleginnen und Kollegen
ermahnen,
die
gemeinsam
übernommenen
Verpflichtungen einzuhalten. Ich bin jedoch sicher, dass
ich auf Ihre Unterstützung zählen kann, wenn ich in
Barcelona die Mitgliedstaaten dazu auffordern werde,
das Programm der gemeinsam in Lissabon vereinbarten
Reformen entschlossen voranzubringen und dabei den
Empfehlungen des Berichts zu folgen. Wir müssen
sicherstellen, dass die Tagung des Europäischen Rates in
Barcelona ein voller Erfolg wird. Sollte der Prozess zum
Stillstand kommen, so käme uns die „Nicht-Reform”
sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im Hinblick
auf die politische Glaubwürdigkeit der Union teuer zu
stehen.
16/01/2002
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten!
2002 wird ein entscheidendes Jahr für den
Erweiterungsprozess sein, und wir wissen, dass die
spanische Ratspräsidentschaft, wie wir gehört haben,
keine Mühen scheuen wird, um diesen Prozess weiter
voranzutreiben, damit noch in diesem Jahr die
Verhandlungen mit den Ländern, welche den Nachweis
für die Einhaltung der Beitrittskriterien erbracht haben,
abgeschlossen werden können.
So wichtig die Osterweiterung auch für die Zukunft der
Union sein mag, so ist sie doch nicht die einzige äußere
Dimension, der sich die EU widmen muss. Die
Beziehungen zu den Mittelmeerländern sind eine
notwendige Priorität unserer Außentätigkeit. Ich rechne
damit, dass der Europa-Mittelmeerdialog in den sechs
Monaten der spanischen Präsidentschaft zügig
vorankommen wird. Im Übrigen wurde dieser Dialog
just in Barcelona auf den Weg gebracht. Hierzu müssen
wir einen flexibleren Ansatz beschließen, indem wir mit
einigen Ländergruppen am südlichen Ufer des
Mittelmeers
neue
Formen
der
subregionalen
Zusammenarbeit einleiten.
Sodann müssen wir die gemeinsame Idee der spanischen
Präsidentschaft und der Kommission von einer
Mittelmeerbank konkretisieren. Diese muss, egal ob es
sich nun um eine selbständige Bank oder eine
Struktureinheit der Europäischen Investitionsbank
handeln wird, eine der Entwicklung verschriebene
Einrichtung sein, in der Akteure aus Europa und aus
dem südlichen Mittelmeerraum zusammenarbeiten.
Ferner ist es von grundlegender Bedeutung, das
gegenseitige Verständnis und Kennenlernen der Völker
und Kulturen durch verschiedene spezifische Aktionen
zu fördern und zu unterstützen. Gerade durch das
Weitertragen
unserer
Erfahrung
bei
der
Friedenssicherung und unseres Einsatzes für die
Demokratie werden wir weltweit mehr Europa
einbringen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben uns daran erinnert,
dass Lateinamerika eine Region ist, die zwar geografisch
weit entfernt ist, jedoch der Kultur und den Wurzeln
Europas sehr nahe steht; eine Region, die eine lange
historische Wegstrecke mit vielen europäischen Ländern
gemeinsam zurückgelegt hat. Die Union muss nun, in
dieser dramatischen Krisensituation, starke Solidarität
mit Argentinien und allgemein mit dem MERCOSUR
üben.
Argentinien
muss
auf
den
Weg
des
Wirtschaftswachstums zurückfinden, denn dies ist der
einzige Weg, um die derzeitige schwierige soziale Lage
zu verbessern. Für die Erreichung dieses Ziels gibt es
nur ein Rezept, nämlich die Wiederherstellung des
Vertrauens: Vertrauen in die politischen Institutionen, in
die Stabilität des Rechtsstaats sowie in ein
glaubwürdiges und schlüssiges Wirtschaftsprogramm.
Unsere
Erfahrungen
auf
dem
Gebiet
der
Haushaltssanierung und der durch Handel und
Integration unterstützen Wirtschaftsentwicklung können
16/01/2002
einen
wertvollen
Beitrag
zum
Aufschwung
Lateinamerikas leisten, was für alle Beteiligten von
Vorteil ist.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine sehr
geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie
mich abschließend einige Worte zum Konvent sagen,
der
seine
Arbeit
unter
der
spanischen
Ratspräsidentschaft aufnehmen wird.
Die Bedeutung des Konvents liegt darin, dass er die
Gelegenheit bietet, ein Ruhmesblatt der Geschichte
Europas zu schreiben. Wir alle haben die Pflicht, uns
nach Kräften dafür einzusetzen, dass dies Wirklichkeit
werden kann. Ich habe Präsident Giscard d’Estaing
bereits die volle Unterstützung der Kommission und
ihrer Vertreter im Konvent zugesichert. Die Kommission
erhofft sich eine ebensolche enge Zusammenarbeit mit
dem Europäischen Parlament als dem legitimen
Interessenvertreter der Unionsbevölkerung. Wir müssen
sicherstellen, dass eine intensive und fruchtbare Debatte
geführt wird, und vor allem, dass aus ihr eine
Zukunftsvision hervorgeht, zu der sich die Mehrheit
unserer Bürger bekennen kann. Der Konvent und die
anschließende Regierungskonferenz müssen die
Errichtung eines offenen, verantwortungsbewussten,
demokratischen und gerechten Europas vollenden.
(Beifall)
3-055
Poettering (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr
Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Ratspräsident, Sie
kommen zu einer Zeit ins Europäische Parlament, wo
wir dabei sind, unsere Arbeiten für die zweite Hälfte
dieser Wahlperiode zu organisieren. Die technische
Arbeit für Europa ist die Voraussetzung dafür, dass wir
die großen Ziele, von denen Sie gesprochen haben,
erreichen. Unsere Fraktion heißt Sie herzlich
willkommen im Europäischen Parlament.
Sie haben selbst gesagt, dass Sie das erste Mal hier sind.
Wir begrüßen es nachdrücklich, dass Sie drei Mal als
Ratspräsident, als der Ministerpräsident Spaniens hier im
Europäischen Parlament Rechenschaft geben werden
über die Entscheidungen unter Ihrem Vorsitz. Dafür sind
wir Ihnen dankbar, und wir hoffen, dass Ihr Beispiel
Schule macht für alle nachfolgenden Präsidentschaften.
Wir erwarten allerdings auch mehr Transparenz im
Ministerrat, und bitten Sie darum, dass der Bericht, der
jetzt im Rat verfasst wird, auch zu wirklichen
Ergebnissen führt, und dass unter Ihrer Präsidentschaft
ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz im
Ministerrat erreicht werden kann.
Sie haben auch über den Terrorismus gesprochen. Wir
stehen an Ihrer Seite! Es gibt keinen guten und keinen
schlechten Terrorismus. Es gibt nur Terrorismus, und
wir müssen deutlich sagen: Überall, wo bewusst
Menschen gewaltsam getötet werden, ob durch die ETA
in Spanien, ob am 11. September, ob im Nahen Osten
oder wo auch immer in der Welt, muss dies unseren
17
entschiedenen Widerspruch finden, und wir müssen mit
aller Entschlossenheit den Terrorismus bekämpfen und
Recht und Demokratie zur Grundlage der Beziehungen
zwischen den Völkern und den Menschen machen.
(Beifall)
Ich habe es sehr begrüßt, Herr Ratspräsident, dass Sie
Russland erwähnt haben. Wir brauchen gute
Beziehungen zu Russland, aber wir wissen, dass
gegenwärtig schwerste Menschenrechtsverletzungen in
Tschetschenien stattfinden. Wir sagen als christliche und
europäische Demokraten: Das Leben eines friedlichen
Moslems in Tschetschenien oder wo auch immer in der
Welt hat den gleichen Wert wie das Leben eines
Christen oder eines Nichtchristen in der westlichen
Welt. Wir müssen die Menschenwürde überall auf dieser
Erde verteidigen.
(Beifall)
Sie haben auch über den Euro gesprochen. Wir
unterstützen das, was Sie gesagt haben. Lassen Sie uns
in dieser Stunde der Freude über den Euro - den der
Kommissionspräsident
als
gigantisches
Projekt
bezeichnet hat - lassen Sie uns also - der Euro hat viele
Väter und Mütter bzw. wohl leider nur viele Väter daran erinnern, dass es Persönlichkeiten waren wie
Helmut Kohl, der Ehrenbürger Europas, wie François
Mitterrand und Jacques Delors, die damals dieses
großartige Projekt mit der Unterstützung von anderen
vorangetrieben haben. Ich möchte ausdrücklich auch
Valéry Giscard d'Estaing, den Vorsitzenden des
Konvents, nennen, der in den siebziger Jahren mit
Helmut Schmidt und anderen Wegbereiter des
Europäischen
Währungssystems
war.
Ich
beglückwünsche Sie zu der Entscheidung.
Jetzt kommt es darauf an, dass wir Stabilitätspolitik
betreiben, denn die Dinge ändern sich. Ich weiß noch,
wie auch Parteifreunde von mir vor der Einführung des
Euro auf Italien geblickt und daran gezweifelt haben, ob
Italien der Währungsgemeinschaft beitreten solle, ob
dort wirklich Stabilitätspolitik betrieben wird. Heute
hören wir durchaus aus Italien, und ich will das jetzt
nicht an einem Land festmachen, dass gegenüber den
Ländern, in denen Italien früher kritisiert wurde, heute
die gleiche Kritik angebracht ist, weil sie nicht das
Notwendige für die Stabilität der europäischen Währung
tun. Also Haushaltssanierung!
Wir müssen den Wirtschaftsstandort Europa festigen,
und das bedeutet, dass wir gerade den Mittelstand durch
eine vernünftige, maßvolle Steuerpolitik fördern müssen,
was wir sehr unterstützen. Wir brauchen eine
Koordinierung in der Wirtschaftspolitik, in der
Stabilitätspolitik, damit wir den gleichen Weg gehen.
Nicht Harmonisierung, sondern eine Koordinierung.
Herr Ratspräsident, ich begrüße sehr, was Sie zum
Konvent gesagt haben. Wenn es also gewünscht wird,
bieten wir gern unseren Fraktionssaal an - es hat auch
schon einmal eine andere große Fraktion darin getagt,
deswegen kann sie vielleicht zustimmen -, aber heute ist
18
der Geist unseres Fraktionssaales besonders dazu
geeignet, an dem Projekt Europa zu arbeiten.
Ich habe eine Bitte an Sie, Herr Ratspräsident: Wir
haben mit großer Freude gehört, dass unser Kollege, der
frühere Ministerpräsident Luxemburgs und frühere
Präsident der Europäischen Kommission, Jacques
Santer, durch die luxemburgische Regierung, also den
Ministerpräsidenten Luxemburgs, Jean-Claude Juncker,
als Vertreter Luxemburgs im Konvent berufen wurde.
(Beifall)
Wir bitten Sie herzlichst, dass Sie Ihren Einfluss als
Ratspräsident geltend machen, damit alle Regierungen
Persönlichkeiten in diesen Konvent entsenden, deren
Wort in den nationalen Hauptstädten, in den
Regierungen Gewicht hat, damit das, was im Konvent
entschieden wird, auch ein Stück Bindungswirkung für
die nationalen Regierungen in den Ländern der
Europäischen Union hat.
Lassen Sie mich auf einen letzten Gesichtspunkt
hinweisen: Erweiterung und Mittelmeerdialog. Wir sind
ganz an Ihrer Seite, was das Timing für 2002 angeht,
nämlich den Abschluss der ersten Beitrittsverträge. Wir
haben in unserer Fraktion entschieden, dass aus den
Ländern, mit denen die Verträge unterzeichnet sind,
möglichst schnell Beobachter ins Europäische Parlament
entsandt werden sollten. Beobachter, die dann bis zur
Europawahl die Informationen in die Länder
weitergeben, bis die Vertreter aus diesen Ländern
gleichberechtigt im Europäischen Parlament sitzen.
Wir unterstützen Sie sehr beim Mittelmeerdialog. Wir
müssen sicherstellen, dass die Menschen in den
Mittelmeerländern, soweit sie nicht zur Europäischen
Union gehören, im eigenen Land - in Marokko, in
Algerien, überall, auch in den arabischen Staaten - eine
Chance, eine Perspektive haben und nicht alle zu uns
kommen. Dabei müssen wir ihnen helfen, und ich
begrüße die Initiativen der spanischen Präsidentschaft
sehr. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg auf Ihrem Weg.
Wir heißen Sie hier im Parlament stets herzlich
willkommen. Wenn Sie Erfolg haben, haben wir
gemeinsam Erfolg, die Ratspräsidentschaft, das
Parlament, die Kommission und unsere gemeinsame
Europäische Union! Viel Erfolg für Sie persönlich, aber
auch für Ihre Präsidentschaft.
16/01/2002
geworden ist. Ich mache darauf aufmerksam, dass wir
den Äquator der Wahlperiode mit einer deutlich
konservativen Wendung im Rat überschritten haben, was
bestätigt wird, Herr Präsident, durch Ihre Eigenschaft als
Vorsitzender der IDC – der Internationale des
Demokratischen Zentrums in Ihrem Fall und der
Christlich-Demokratischen Internationale im Fall von
Herrn Poettering; in jedem Fall also konservativ.
Das Programm Ihrer Präsidentschaft folgt der üblichen
Halbjahresmethode des Rates, sich alle möglichen
Erfolge zuzuschreiben. Aber natürlich kann man nicht
nur ernten, sondern man muss auch säen und pflegen.
Gestatten Sie mir, Herr Präsident, eine Analyse der
sechs Ziele der spanischen Präsidentschaft, die Sie im
Lichte dieser Methode
in drei Richtungen
zusammengefasst haben.
Als Erstes will ich auf den Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts mit der Bekämpfung des
Terrors als Priorität eingehen. Sie haben zu Recht
anerkannt, dass das Europäische Parlament Vorreiter
war, als es die Notwendigkeit der Ausarbeitung einer
Gemeinschaftspolitik gegen den Terrorismus betonte.
Das Parlament tat dies vor dem 11. September. Wir
haben sehr hart an den Vorschlägen der Kommission
gearbeitet und hätten jetzt bereits diese Politik, wäre da
nicht die Ineffizienz des Rates, der uns die
Konsultationen im Dezember übermittelte. Meine
politische Familie ist voll und ganz für dieses Ziel. Die
Probleme haben Sie eher in der Ihren, aber wir
gedenken, Ihnen zu helfen.
Zweitens will ich auf den Euro Bezug nehmen. Der Euro
verdankt seinen Erfolg vor allem unseren Völkern und
unseren Mitbürgern. Man muss das anerkennen, weil wir
immer unsere Bürgerferne kritisieren, und diesmal, am
ersten Januar, haben diese uns überholt. Es ist auch ein
Erfolg – einmal können wir das schon sagen – der
Kommission, die für die Operation verantwortlich war,
von Präsident Prodi, der, als er ECOFIN-Präsident war,
die Teilnahme Italiens am Euro mit dem heutigen
Präsidenten der Republik möglich machte – die
Teilnahme eines Landes, dessen derzeitige Regierung es
am ersten Januar teilweise vorzog, die Einheitswährung
zu diffamieren. Es war auch ein Erfolg des
Kommissionsmitglieds Pedro Solbes, der im Dezember
1995 Wirtschaftsminister der spanischen Regierung war.
(Unterschiedliche Reaktionen)
(Beifall)
3-056
Der Präsident. – Ich möchte die Gelegenheit
wahrnehmen, um Herrn Santer zu gratulieren, der als
Vertreter Luxemburgs in den Konvent berufen worden
ist.
Denn sowohl der Euro, meine Damen und Herren, als
auch die Wirtschafts- und Währungsunion wurden in
Madrid geboren.
Herr Präsident, ich gehe davon aus, dass Sie mir die Zeit
aller dieser Zwischenrufe gutschreiben werden.
3-057
Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr
Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, meine
Damen und Herren! Zunächst danke ich dafür, dass die
spanische Präsidentschaft so rasch hier erschienen ist
und somit fortsetzt, was bereits zur Gewohnheit
Hoffen wir, dass sich diese spanische Präsidentschaft
mit den vorangegangenen messen kann. Der Euro ist
gleichermaßen ein Erfolg der Europäischen Zentralbank,
der Finanzinstitute, von hunderttausenden anonymen
Bürgern, die am ersten Januar gearbeitet haben, und
16/01/2002
auch ein Erfolg, das muss anerkannt werden, von Pierre
Werner, Valéry Giscard d’Estaing, Helmut Schmidt,
François Mitterrand, Helmut Kohl, Ruud Lubbers,
Giulio Andreotti, John Major, Felipe González und auch
von Jacques Santer als Kommissionspräsident. Meiner
Meinung nach ist es nur gerecht, dies anzuerkennen.
Die Herausforderung besteht jetzt darin, eine
Wirtschaftsunion zu schaffen, die der Währungsunion
entspricht – wie der Präsident der Kommission sagte –,
und auch die Strategie von Lissabon zu entwickeln, die
nach unserer Meinung nachhaltige Entwicklung, mehr
sozialen Zusammenhalt, mehr Vollbeschäftigung und
mehr Wettbewerbsfähigkeit bedeutet. Dabei lenke ich
Ihre Aufmerksamkeit, Herr amtierender Ratspräsident,
auf die Entschließung des Europäischen Parlaments
hinsichtlich der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, die sehr explizit war. Es genügt nicht,
Dienstleistungen zu privatisieren, ohne zu liberalisieren,
weil das bedeutet, öffentliche Monopole durch private
zu ersetzen. Es muss Regeln geben, die die Bürger und
die Verbraucher schützen. Schauen Sie sich an, was mit
Enron geschehen ist und wie es Ihrer Regierung mit den
Stromabschaltungen zu Weihnachten erging, als sie
darum bat, die Beleuchtung zwei Stunden später
einzuschalten.
19
Meine Damen und Herren! Wir fassen den Konvent
nicht als eine Schlacht zwischen Parteien auf, und dabei
muss ich darauf hinweisen, dass Herr Berlusconi in „Le
Monde“ vom 12. Januar gesagt hat, wir wären dafür,
alles zu zentralisieren. Was denn? Die Massenmedien?
Da sind wir wirklich bereit, gemeinsam unser Projekt zu
verteidigen.
Ein letztes Wort über das Regieren und die
Mitentscheidung. Sie applaudieren dem Bericht
Mandelkern, aber wir kennen ihn nicht, und das macht
uns große Sorgen. Noch haben wir nicht über das
Lamfalussy-Verfahren diskutiert. Wir unterstützen nicht
den Bericht eines redlichen Beamten des Rates, den wir
nicht kennen und der gegen die Mitentscheidung
gerichtet sein kann. Sprechen Sie mit uns, säen und
pflegen Sie, ernten Sie nicht nur.
(Beifall)
3-058
Der Präsident. – Ich möchte die Fraktionsvorsitzenden
und die Kollegen daran erinnern, dass heute Vormittag
noch Abstimmungen durchgeführt werden müssen. Ich
möchte den Terminplan einhalten.
3-059
Im Hinblick auf die Erweiterung kommt es Ihnen zu,
etwas voranzutreiben und zur Reife zu bringen, was Sie
nicht ernten werden, aber Sie müssen es tun, und ich
begrüße
es,
dass
Sie
diese
Aufgabe
verantwortungsbewusst übernehmen.
Bezüglich des
internationalen
Auftretens
der
Europäischen Union bin ich der Ansicht, dass neben der
Notwendigkeit, im Nahen Osten nicht nachzulassen und
den Europa-Mittelmeer-Prozess wieder anzukurbeln,
Lateinamerika und speziell Argentinien gegenwärtig im
Mittelpunkt stehen. Wir teilen Ihre Sorge. Wir halten
eine entschlossene, von der Kommission gesteuerte
Antwort für notwendig. Mit Argentinien haben wir
Europäer Verbindungen und historische Verpflichtungen
durch jene Menschen, die dort auf der Flucht vor Hunger
und Unterdrückung ankamen. Wir müssen den
Argentiniern sagen, dass sie an ihr Land, an ihre Werte
und ihre Währung glauben müssen und dass wir ihnen
helfen können. Ich ersuche die Kommission um einen
konkreten Vorschlag auf diesem Gebiet.
Abschließend will ich auf die Debatte über den Konvent
und das Regieren eingehen. Wir begrüßen den
historischen Meilenstein, den die Einberufung des
Konvents darstellt. Lange Jahre haben wir für ihn
gekämpft. Der Europäische Rat hat es akzeptiert, die
europäische und nationale parlamentarische Präsenz zu
verdoppeln. Auch Sie haben zugelegt, Sie haben die
Troika und die Präsidentialtrinität, aber wir haben relativ
gewonnen. Sie sind perfekte Gastgeber. Sie haben nicht
gesagt, was Sie über das „Mehr Europa“ denken. Ist das
ein Änderungsvorschlag? Auf jeden Fall glaube ich,
Herr Präsident, dass eine große Mehrheit dieses Hauses
für eine Konstitutionalisierung des Prozesses ist, für eine
Föderation von Staaten und Bürgern.
Watson (ELDR). – (EN) Herr Präsident! Herr
Ministerpräsident, Sie haben Ihren Ratsvorsitz unter das
Motto „Mehr Europa“ gestellt. Die Liberaldemokraten
hoffen, dass sich dieses Motto in ihrem Engagement für
die Erweiterung der Europäischen Union widerspiegeln
wird. Ebenso engagiert wie sich dieses Haus vor etwa
15 Jahren trotz der Zweifel, die in den Regierungen
bestimmter Mitgliedstaaten bestanden, für die Aufnahme
der Länder der iberischen Halbinsel eingesetzt hat,
werden wir uns für eine baldige und erfolgreiche
Osterweiterung einsetzen, für die das Jahr 2002 von
entscheidender Bedeutung sein wird. Wir werden Ihren
Ratsvorsitz vor allem an Ihren Erfolgen messen, die Sie
bei der Vorbereitung auf die Wiedervereinigung unseres
Kontinents erreicht haben.
Wir wünschen Ihnen ferner Erfolg bei Ihren
Bemühungen um die reibungslose Einführung des Euro.
Ich habe den Jahreswechsel in Frankreich verbracht und
bin deshalb besonders dankbar, dass Spanien Chirac und
Jospin mit ein bisschen Kleingeld aushelfen konnte.
Wenn Sie Tony Blair das nächste Mal treffen, können
Sie ihm ja vielleicht auch ein paar Münzen geben und
ihn fragen, ob er bei seiner Unentschlossenheit bleibt.
Die Einführung des Euro in Großbritannien wäre sicher
ein Schritt, den wir in Richtung „Mehr Europa“
begrüßen würden.
(Beifall)
In Ihrer Zukunftsvision haben Sie neue transnationalen
Herausforderungen erwähnt. Die Beziehungen zwischen
Indien und Pakistan geben Anlass zu großer Sorge, aber
unsere Aufmerksamkeit muss in erster Linie
Afghanistan gelten. Die Bombardierungen müssen bald
eingestellt werden und der Aufbau muss beginnen. Wir
20
16/01/2002
müssen die Not und das Elend der Bevölkerung durch
großzügige Hilfe lindern und die Maßnahmen zur
Friedenssicherung umfassender unterstützen.
auf Seite 20 erwähnt wird. Dieses Haus ist das wahre
demokratische Forum in Europa und wir fordern, dass
seine Rechte respektiert werden.
Ein Schwerpunkt Ihres Programms ist der Kampf gegen
den Terrorismus. Dies ist kein konventioneller Kampf
und er kann mit konventionellen Waffen nicht gewonnen
werden. Einige von uns befürchten, dass die militärische
Aufklärung und die darauf folgenden Bombardierungen
und Militäraktionen Kollateralschäden verursachen und
Probleme schaffen, die sich erst in der Zukunft äußern.
Wir hoffen, dass Europa diesen Kollateralschäden etwas
entgegensetzen kann, indem es unser militärisches
Arsenal durch emotionale Intelligenz ergänzt, weil
politische Probleme häufig politische Lösungen
erfordern.
Das Einzige, was aus der Sicht meiner Fraktion in
diesem Programm fehlt, ist die Anerkennung der
unterschiedlichen Regionen und Kulturen in Europa. Für
mich ist Ihr Programm ein kastilisches Programm, das
nicht für das ganze Spanien steht, das ich besucht habe
und das in meiner Fraktion vertreten ist. Was ist aus der
Arbeit des angesehenen Generaldirektors der
Kommission, Herrn Eneko Landaburu, geworden? In
Ihrer zweiten Definition von „Mehr Europa“ wird die
europäische Natur der spanischen Gesellschaft
beschrieben. Unsere zweite Definition von „Mehr
Europa“ wäre, dass unter diesem Motto der Beitrag aller
iberischen Kulturen, und deren Gedeihen unter den
anderen europäischen Kulturen, zum Aufbau eines
Europa zu verstehen ist, dessen Stärke nicht die eines
monolithischen Staates mit vergänglicher Entwicklung,
sondern die Einheit durch Vielfalt ist. Ich wünsche Ihnen
viel Erfolg, Herr Ministerpräsident, und freue mich auf
eine lebhafte Debatte mit dem spanischen Ratsvorsitz.
Sie haben meinen Bericht über die Rolle der Union beim
Kampf gegen den Terrorismus erwähnt, der am
6. September vergangenen Jahres verabschiedet wurde.
Ich
möchte
Sie
außerdem
auf
unseren
Entschließungsantrag
über
die
Zusammenarbeit
zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen
Union beim Kampf gegen Terrorismus aufmerksam
machen.
Mit
großer
Sorge
betrachten
die
Liberaldemokraten die sich anbahnende Kluft zwischen
dem amerikanischen Ansatz von Ausnahmegesetzen und
Militärgerichten und dem auf Rechten beruhenden
Ansatz, den wir in der Union verfolgen. Wir sind davon
überzeugt, dass es möglich ist, hart gegen den
Terrorismus vorzugehen, ohne dass wir dabei unsere
Verträge missachten.
(Beifall)
Sie werden den Aufbau des Raums der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts vorantreiben, der im Vertrag
von Amsterdam verankert ist. Im Programm Ihres
Ratsvorsitzes betonen Sie, dass die gegenwärtigen
außergewöhnlichen Umstände es erfordern, der
Sicherheit höchste Priorität einzuräumen. Wenn das
stimmt, werden wir trotzdem darauf drängen, dass Sie
sicherstellen, dass die Freiheit und das Recht nicht in
den Hintergrund geraten.
Bei der Ausarbeitung eines solchen Programms steht
jeder Ratsvorsitz vor einem Dilemma. Wir wissen das.
Eine Liste von Prioritäten wird schnell zu einem
umfangreichen Katalog. Jeder Mitgliedstaat bringt etwas
anderes ein. Wir begrüßen den Beitrag, den Spanien zum
Barcelona-Prozess und zu Euro-Med leisten kann, aber
wir haben mit großem Erstaunen in Ihrem Programm
gelesen, dass darüber hinaus auch die Nördliche
Dimension der Europäischen Union zu Ihren
Schwerpunkten zählt. Wir werden die Entwicklungen in
diesem Bereich genau verfolgen.
Die von Ihnen erwähnte Reform des Rates ist höchst
begrüßenswert. Wir hoffen, dass Sie sicherstellen
werden, dass der Rat seine Verpflichtung im Hinblick
auf den öffentlichen Zugang zu Dokumenten einhält und
an einer Verbesserung seiner Beziehungen zu diesem
Hohen Haus arbeitet, das in Ihrem Programm leider erst
(Beifall)
3-060
Frassoni (Verts/ALE). – (ES) Herr amtierender
Ratspräsident, als Erstes möchte ich Sie in diesem
Hohen Haus willkommen heißen. Wir wünschen Ihnen
alles Gute für diese sechs Monate und hoffen, dass die
Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament
weiterhin so positiv und offen vonstatten geht wie
während der belgischen Vorsitzperiode.
Gerade in einem konstruktiven Geist möchte ich Ihnen
im Namen der Fraktion der Grünen/Freie Europäische
Allianz einige unserer Bedenken und Kritiken zu dem
Konzept des Programms, das Sie uns gerade vorgestellt
haben, vortragen.
Wenn man sich mehr Europa zum Ziel setzt, so bedeutet
das nicht unbedingt, ein besseres Europa zu wollen im
Sinne eines demokratischeren, offeneren, solidarischeren
Europa.
3-061
(IT) Die spanische Ratspräsidentschaft hat beschlossen,
ihr Hauptaugenmerk auf die Terrorismusbekämpfung zu
richten, was zweifellos ein legitimer Ausdruck des im
Vordergrund stehenden innenpolitischen Ziels ist, die
Gewalt der ETA ein für allemal zu zerschlagen.
Gleichwohl möchten wir hervorheben, dass der Gedanke
an eine mögliche Eindämmung der terroristischen
Gewalt durch den Abbau einiger der wichtigsten
Errungenschaften der europäischen Demokratien und der
Union wie Achtung der individuellen Freiheiten,
Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz und
parlamentarische
Kontrolle
aller
einschlägigen
Entscheidungen sowohl auf einzelstaatlicher als auch
selbstverständlich auf europäischer Ebene weder
akzeptabel noch wirksam ist. Wir hätten uns wirklich
gefreut, wenn Sie diese Grundsätze deutlicher bekräftigt
hätten.
16/01/2002
Große Sorge bereitet uns auch, dass die spanische
Regierung besonderen Wert auf die Zusammenarbeit mit
den Vereinigten Staaten legt, ohne sich gleichzeitig von
jenen
Entscheidungen
der
US-Regierung
zu
distanzieren, mit denen faktisch der Rechtsstaat
ausgesetzt und eine Militarisierung des Justizwesens in
Aussicht gestellt wird.
Ebenso erhöht es nicht gerade die Glaubwürdigkeit der
Europäischen Union, wenn von einer internationalen
Antiterror-Koalition
gesprochen
und
zugleich
verschwiegen wird, dass die russische Regierung
fortfährt mit der Terrorisierung und Zerstörung von
Tschetschenien.
(Beifall)
Zweitens, Herr Präsident, enthält Ihr Arbeitsprogramm
zwar einen Themenkatalog, zeigt aber keine klare
politische Perspektive für das europäische Aufbauwerk
auf. Das wird auch dadurch bestätigt, dass Sie dem in
zwei Monaten beginnenden Konvent lediglich die
Aufgabe zubilligen, konkrete und realistische Optionen
auszuarbeiten, die dann der Regierungskonferenz im
Jahr 2004 vorgelegt werden sollen. Und das, obwohl Sie
sehr wohl wissen, dass dieser Konvent durch das
Scheitern von Nizza geboren wurde und sein Erfolg an
seiner Fähigkeit gemessen werden wird, bei der Reform
der
Union
mit
der
Methode
der
Regierungszusammenarbeit zu brechen und die Vertreter
der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft am
europäischen Integrationsprozess zu beteiligen.
Ich
hoffe
aufrichtig,
dass
die
spanische
Ratspräsidentschaft die Arbeiten dieses innovativen
Gremiums positiv begleiten und es gelassen akzeptieren
möge, dass nunmehr nicht allein die Staaten, sondern
auch die Bürger und ihre Vertreter auf europäischer,
nationaler und regionaler Ebene – ja auch auf regionaler
Ebene – an der Gestaltung der Zukunft der Europäischen
Union teilhaben können und müssen.
In Bezug auf die gemeinsamen Werte möchte ich Sie
bitten, die europäische Dimension der gegenwärtigen
Ereignisse in meinem Heimatland, Italien, nicht zu
unterschätzen, wo der Grundsatz der Gewaltenteilung
ständig
in
Frage
gestellt
wird
und
die
Eigentumskonzentration im Medienbereich und der
damit verbundene Interessenkonflikt nach wie vor ein
Problem sind.
Drittens erfüllt es uns mit großer Sorge, dass in Ihrem
Programm der Frage der nachhaltigen Entwicklung und
dem dringenden Erfordernis, mit konkreten und
durchgreifenden Maßnahmen auf die vor uns liegenden
umweltpolitischen Aufgaben zu reagieren, sehr wenig
Aufmerksamkeit gewidmet wird. Dies scheint uns die
direkte Konsequenz einer überholten Auffassung zu
sein, wonach immer noch ein Widerspruch zwischen den
Prioritäten des Wirtschaftswachstums und denen des
Umweltschutzes und der Lebensqualität besteht. Das
Gegenteil ist der Fall. Und trotzdem finden die
21
Umweltbelange – das will ich wirklich unterstreichen –
in der Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik der Union
und ihrer Mitgliedstaaten immer noch zu wenig
Berücksichtigung.
Hierzu möchte ich kurz zwei negative Beispiele
anführen, die Spanien direkt betreffen. Da wäre als
Erstes der nationale Wasserplan zu nennen, gegen den
sich in Ihrem Land, Herr Präsident, ein starker
Widerstand regt: 400 Demonstranten in Madrid und
10 000 in Brüssel sowie 25 000 bei der Kommission
eingegangene Einzelbeschwerden sind keine Kleinigkeit,
weshalb wir uns in unserer Arbeit besonders damit
befassen werden. Wir akzeptieren es nicht, wenn
behauptet wird, der Wasserplan sei eine interne
Angelegenheit Spaniens, nicht nur, weil die spanische
Regierung möchte, dass er mit 8 Milliarden Euro
teilweise aus den Strukturfonds finanziert wird, sondern
auch, weil seine Umsetzung gegen die europäischen
Rechtsvorschriften im Bereich des Naturschutzes und
des Erhalts der Wasserressourcen verstoßen und einen
unlauteren Wettbewerb in der Landwirtschaft
hervorrufen würde. Ein weiterer Grund ist schließlich
der, dass das eigentliche Ziel des Plans darin besteht,
Wasserressourcen von benachteiligten Regionen in
reichere Regionen umzuleiten, um eine intensive
Landwirtschaft
und
eine
intensive
Fremdenverkehrsentwicklung zu fördern. Dieses Modell
ist zum Scheitern verurteilt und hat bereits zu
Auswüchsen geführt, deren Wiederholung wir uns nicht
leisten können.
Herr Präsident, ich hätte eigentlich noch andere
Bemerkungen zur Liberalisierung des Strommarktes
anführen wollen, doch werde ich dies ein andermal tun.
Gleichwohl wünsche ich Ihnen für die kommenden
sechs Monate viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.
(Beifall)
3-062
Jové Peres (GUE/NGL). – (ES) Herr Präsident, Herr
amtierender Ratspräsident, Herr Präsident der
Kommission, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
spanische Ratsvorsitz fällt, was die internationale
Situation betrifft, in eine schwierige Zeit, in der
hochrelevante Fragen anstehen, wofür in der Tat – wie
Sie sagen, Herr Aznar –mehr Europa vonnöten sein
wird.
Die Einführung des Euro-Bargelds hat eine neue Realität
geschaffen. Die dringendste Aufgabe, Herr Aznar,
besteht darin, den Euro im wirtschaftlichen und sozialen
Bereich zu vervollständigen. Sie haben die Absicht
bekundet, den Komplex von, wie Sie es nennen, neuen
wirtschaftlichen Reformen in Angriff zu nehmen. Im
Sprachgebrauch der Konföderalen Fraktion der
Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne
Linke bedeutet dies, jetzt dem sozialen Aspekt des
europäischen Aufbaus einen entschlossenen Impuls zu
verleihen und den wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenhalt zu stärken. Wir glauben, dass die
Kohäsion und wirtschaftliche Entwicklung Europas
22
durch Liberalisierungs- oder Privatisierungspolitiken,
durch Deregulierungen des Arbeitsmarkts, die die
Beschäftigung gefährden, und durch den Abbau des
Sozialschutzes oder durch Steuerreformen, die den
Steuersystemen Angemessenheit und Progressivität
nehmen, keine Verbesserung erfahren werden.
Andererseits, Herr Aznar, rät die internationale
Wirtschaftslage zu Ideenreichtum und Flexibilität. Wir
halten es nicht für angebracht, der Situation unbedingt
mit einem rigorosen und zu restriktiven Konzept des
Stabilitätspakts begegnen zu wollen. Über die
gegenwärtige Quasirezession der Weltwirtschaft besteht
kaum Zweifel, Herr Aznar. Die Europäische Union
benötigt einen politischen Impuls und eine
Demokratisierung wirtschaftlicher Entscheidungen. Wir
brauchen Haushaltspläne, die auf die Beschäftigung und
den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt
ausgerichtet sind. Der Stabilitätspakt muss flexibel
gestaltet werden und im Fall von zu hohen
Haushaltsdefiziten
zumindest
die
öffentlichen
Investitionen als Ausgaben schützen, die ein
notwendiges Element für die weitere Entwicklung der
Union und, auch kurzfristig, einen Dynamisierungs- und
Multiplikationsfaktor der Wirtschaftstätigkeit darstellen.
Es ist unerlässlich, die Einheitswährung durch einen
Harmonisierungsprozess auf steuer-, beschäftigungsund sozialpolitischem Gebiet zu ergänzen und so eine
echte Wirtschaftspolitik – nicht nur Währungspolitik –
zu schaffen und in der Frage des sozialen Europas der
Gemeinschaft einen großen Schritt nach vorn zu tun.
Schließlich, Herr Aznar, stimmt uns bedenklich, dass
kein Versuch unternommen wird, um die öffentlichen
Dienstleistungen aus der Sicht eines sozialen Konzepts
des europäischen Aufbaus zu stärken.
Viele Reformen sind jetzt en vogue, und in unseren
europäischen Ländern werden öffentliche Monopole in
strategischen Sektoren abgeschafft, um sie jedoch häufig
in private Oligopole zu verwandeln, wobei die
öffentliche Kontrolle über diese erschwert wird und
ohne dass dies eine wirkliche Verbesserung ihrer
Effektivität mit sich bringt. Ich könnte verschiedene
Beispiele in mehreren Ländern zur Situation des
Eisenbahnverkehrs, zum Gesundheitswesen oder zur
Stromversorgung anbringen. Deshalb, Herr Aznar, um
diesen Teil zusammenzufassen, sollte der Gipfel von
Barcelona unserer Ansicht nach diese Bestrebungen zu
einer weitaus dynamischeren und stärkeren Vision des
sozialen Aufbaus Europas widerspiegeln.
Sie werden mir zustimmen, dass die Probleme, die ich
zu diesem Thema darlege, ganz offensichtliche
Differenzen zwischen unseren verschiedenen politischen
Kräften sind. Es ist in der Tat erforderlich, Herr Aznar,
dass die Verhandlungen über die Grundlagen des
Erweiterungsabkommens
–
die
spanische
Präsidentschaft hat sich in diesem Sinne geäußert, und
ich teile diesen Standpunkt – in diesem Halbjahr
abgeschlossen
werden.
Andernfalls
wird
die
Erweiterung im Jahr 2004 nicht möglich sein.
16/01/2002
In diesem Zusammenhang, Herr Aznar, möchte ich
folgende Überlegung anstellen: in einer Union aus
27 Staaten – durch die Erweiterung um 10 Staaten –
wird die Fläche der Europäischen Union um 34 % und
die Bevölkerungszahl um mehr als 28 % anwachsen,
aber das Gemeinschaftseinkommen wird nicht einmal
um 5 % steigen. Wird damit die politische
Herausforderung der Erweiterung klar? Wird
verständlich, dass sich die sozialen Probleme durch die
Erweiterung möglicherweise verschärfen? Derzeit leben
in der Europäischen Union 16 % der Bevölkerung mit
einem Pro-Kopf-Einkommen, das 90 % unter dem
Gemeinschaftsdurchschnitt liegt, und in der Union mit
beispielsweise 27 Staaten wird dieser Anteil auf 34 %
anwachsen.
Daher sind wir der Meinung, dass wir uns jetzt erstmalig
– im Gegensatz zu dem, was mit den so genannten
Delors-Paketen geschah, als es in aufeinander folgenden
Erweiterungen
des
Binnenmarktraums
feste
Verpflichtungen in Bezug auf eine entscheidende
Verstärkung der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion
gab –, in einer Situation befinden, in der die
wirtschaftliche und soziale Kohäsion – wie es in den
Delors-Paketen zum Ausdruck gebracht wurde – absolut
verstärkt und erhöht werden muss. Deshalb hätten wir
gern ein eindeutiges Signal in dieser Hinsicht.
Möglicherweise
setzt
die
Verhandlung
im
landwirtschaftlichen Bereich einer Übergangsperiode ein
Ende, sodass es möglich wird, erfolgreich über das Jahr
2006 hinauszukommen. Das Problem ist, was danach
geschehen soll. Die Landwirtschaft braucht, wie jede
andere Wirtschaftstätigkeit auch, Perspektiven, und die
Verhandlungen müssten von klaren Signalen zur
Zukunft der Agrarpolitik begleitet sein. Hier werden wir
sicher die Forderungen einiger Personen nach
Demontage von Gemeinschaftspolitiken im Interesse
von Haushaltseinsparungen vernehmen. Andere, wie
wir,
sind
der
Auffassung,
dass
die
Gemeinschaftspolitiken nicht abgebaut, sondern in
einigen Aspekten verstärkt werden müssen, wie in der
Frage der Lebensmittelsicherheit und in Umweltfragen,
die alle unsere Gemeinschaftspolitiken durchdringen
sollten.
Die Frage der Strukturfonds rückt – wie bei meiner
Erwähnung der Delors-Pakete – die künftige politische
Gestaltung der Europäischen Union in den Vordergrund.
Eine größere Europäische Union wird größere
Anstrengungen zur Erhöhung der wirtschaftlichen und
sozialen Kohäsion zwischen den Regionen erforderlich
machen.
Wir müssen in der Tat, Herr Aznar, einen Raum der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger
unter voller Beachtung der demokratischen Traditionen
unserer Länder und der in unserer Charta verankerten
grundlegenden Menschenrechte errichten. In diesem
Raum ist kein Platz für den Terrorismus. Der
Terrorismus ist unser Feind, aber ebenso wenig darf es
Platz für repressive Gesetze und Maßnahmen geben, die
nichts mit diesem Kampf zu tun haben und die geeignet
16/01/2002
sind, den rechtlichen und gerichtlichen Schutz der
Bürger einzuschränken. Die Errichtung dieses Raums
der Freiheit muss auch Anlass sein, eine Harmonisierung
des Rechtsschutzes auf einem sehr hohen Niveau zu
erreichen.
Zum Bereich der Außen-, Sicherheits- und
Verteidigungspolitik, Herr amtierender Ratspräsident,
werde ich der Kürze wegen auf einige ganz konkrete
Fragen eingehen. Es obliegt der spanischen
Präsidentschaft zu erreichen, dass die Europäische
Union
und
das
Europäische
Parlament
in
Zusammenarbeit mit der spanischen Präsidentschaft
einen entscheidenden Schritt auf der Suche nach einer
gerechten Lösung für den Nahen Osten tun. Wir meinen,
es muss ganz klar zum Ausdruck kommen, dass die
Beschlüsse der Vereinten Nationen und das Völkerrecht
zu respektieren sind und die illegale und militärische
Besetzung des palästinensischen Staates durch Israel
beendet werden muss.
Begrüßenswert ist die Absicht, den zur Zeit
brachliegenden Barcelona-Prozess weiterzuführen. Eine
echte regionale Integration der Anrainerstaaten des
südlichen Mittelmeers ist notwendig. Die Entwicklung
der Region kann nicht ausschließlich auf den individuell
für jedes einzelne der Mittelmeerländer gewährten
Handelshilfen oder -konzessionen der Europäischen
Union fußen.
Mehr Europa bedeutet, die uns zukommende Rolle bei
der regionalen Stabilisierung wahrzunehmen und die
wirtschaftliche Entwicklung unserer Nachbarländer zu
fördern. In diesem Sinne halten wir die Initiative zur
Einrichtung der Europa-Mittelmeer-Bank für positiv. Es
ist jedoch notwendig, vielleicht um es noch schwieriger
zu machen, Herr Aznar, den Konflikt zwischen Marokko
und der Sahara zu lösen, indem das von den Vereinten
Nationen
beschlossene
Referendum
über
die
Selbstbestimmung durchgeführt wird. Die Position der
spanischen Regierung zu diesem Problem, die von der
Verantwortung Spaniens für das saharauische Volk und
der Achtung des Völkerrechts getragen wird, betrachten
wir als lobenswert.
Gegenüber Lateinamerika muss die spanische
Präsidentschaft größere Anstrengungen unternehmen,
vor allem in entscheidenden Momenten wie der akuten
Krise von Kolumbien oder dem Zusammenbruch der
Wirtschaft in Argentinien. Das Europäische Parlament
hat sich einmütig für eine Lösung des langen in
Kolumbien
schwelenden
Konflikts
auf
dem
Verhandlungswege ausgesprochen und sich somit von
der Militarisierung dieses Konflikts, wie sie von den
USA mit dem Plan Kolumbien vorgeschlagen worden
war, abgegrenzt. In diesen tragischen Momenten kann
die autorisierte Stimme der Europäischen Union für die
Konsolidierung der Gespräche zwischen der Regierung
und der Guerilla entscheidend sein. Wir hoffen, Herr
Aznar, dass Sie entsprechend handeln werden. Die
belgische Präsidentschaft hat wichtige Schritte zur
Normalisierung
der
Beziehungen
mit
Kuba
unternommen und den Anfang für die Überwindung des
23
so genannten gemeinsamen Standpunkts gesetzt, der
eher zum Kalten Krieg als zur heutigen Zeit passt.
Herr Aznar, meine Fraktion hat sich energisch für den
Konvent eingesetzt. Wir hätten uns eine stärker
pluralistische Mitwirkung gewünscht, aber grundsätzlich
sind wir von seiner Bedeutung überzeugt. Die spanische
Präsidentschaft sagte, dass die Themen des Konvents
sehr offen sein müssen und es wünschenswert sei, dass
seine Vereinbarungen und Schlussfolgerungen in die
künftigen Beschlüsse der Regierungskonferenz und den
Vertrag von 2004 einfließen.
Herr Aznar, wie Sie sehen, habe ich ein Panorama
positiver und negativer Standpunkte aufgezeigt. Sie
haben in allen positiven Fragen die Unterstützung der
bescheidenen Gruppe, die ich innerhalb meiner Fraktion
vertrete.
3-063
Collins (UEN). – (EN) Herr Präsident, bei der
Vorstellung
des
Programms
des
spanischen
Ratsvorsitzes und der wichtigsten politischen
Schwerpunkte, die in den nächsten sechs Monaten im
Mittelpunkt der Arbeit der Europäischen Union stehen
werden, hat der spanische Ministerpräsident erklärt, dass
der weltweite Kampf gegen den Terrorismus während
des sechsmonatigen spanischen Ratsvorsitzes an erster
Stelle stehen wird. Ich unterstütze dieses politische Ziel
ausdrücklich. Die Europäische Union hat in den
vergangenen Monaten bereits eine Reihe von
Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus verabschiedet und damit unmittelbar auf die
schrecklichen Terroranschläge im September letzten
Jahres in den USA reagiert. Die Schaffung von
Mechanismen, die verhindern, dass das europäische
Finanzsystem von terroristischen Organisationen zur
Geldwäsche missbraucht wird, muss weiterhin Priorität
in unserer Union genießen. Die fünfzehn Regierungen
der Union sollten ferner die Möglichkeit haben, die
Vermögenswerte terroristischer Organisationen sowie
des organisierten und internationalen Verbrechens
einzufrieren.
Ich begrüße das Ziel der spanischen Regierung, die
polizeiliche Zusammenarbeit über die Grenzen der
Union hinweg zu fördern. Das ist sehr wichtig, weil die
Geheimdienste in der Union und Europol sehr viel enger
zusammenarbeiten und ihren Informationsaustausch
verbessern müssen, wenn die Zerschlagung der in
Europa operierenden Terrornetze gelingen soll.
Die Erweiterungsverhandlungen mit den Beitrittsländern
werden während des spanischen Ratsvorsitzes in eine
neue Phase treten. Dabei muss der Ratsvorsitz zwei sehr
schwierige Kapitel in den Erweiterungsverhandlungen
bewältigen, die Agrarpolitik und die Regionalbeihilfen.
Die Union und die Beitrittsländer müssen sich
zusammensetzen und eine Einigung über die
schwierigen Verhandlungskapitel erreichen, weil
andernfalls die Erweiterung der Union nicht zügig
erfolgen kann und nicht erfolgreich verlaufen wird.
24
Die Länder Mittel- und Osteuropas erhalten derzeit
Gelder aus den EU-Strukturfonds,
um die
Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft zu verbessern.
Dies ist eine wichtige politische Zielsetzung, die
sicherstellen wird, dass diese Länder sich nach ihrem
Beitritt zur Europäischen Union im Wettbewerb
behaupten können. Wenn die Volkswirtschaften der
mittelund
osteuropäischen
Länder
nicht
wettbewerbsfähig sind, können sie nicht wirklich und
erfolgreich am Binnenmarkt teilhaben. Die Förderung
der Marktwirtschaft in den Ländern Mittel- und
Osteuropas hat auch positive Auswirkungen für die
Unternehmen in der Union, die für ihre Waren und
Dienstleistungen dort neue Märkte erschließen können.
Die spanische Regierung wird außerdem im März dieses
Jahres die Einrichtung des Konvents organisieren, der
sich mit der Gestaltung der zukünftigen EU-Politik im
Kontext der nächsten Regierungskonferenz 2004
befassen wird. Es ist wichtig, dass dieser Konvent einen
klaren und eindeutigen Auftrag hat und dass die
Schlussfolgerungen, die zu gegebener Zeit vorgelegt
werden, keine Auflistung unerfüllbarer Wünsche sind.
Änderungen der Verträge müssen von den Staats- und
Regierungschefs der Europäischen Union gebilligt
werden und alle Vorschläge, die dieser Konvent
vorlegen wird, müssen ausgewogen, nach vorne weisend
und erreichbar sein.
Ich begrüße ferner, dass sich die spanische Regierung
verpflichtet hat, die Umsetzung von EU-Verordnungen
und Richtlinien zu fördern, welche die Nutzung neuer
Informationstechnologien in allen Teilen der Union
ermöglichen wird. Dies ist für die Erhaltung der
Wettbewerbsfähigkeit der Union in den kommenden
Jahren von größter Bedeutung.
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich noch daran
erinnern, dass es eine der großen Enttäuschungen des
Gipfeltreffens von Laeken war, dass keine Einigung
über die Standorte von bis zu 12 neuen und wichtigen
Agenturen der EU erreicht werden konnte. Ich hoffe,
dass die spanische Regierung rasch eine Einigung über
die Standorte dieser wichtigen Agenturen, insbesondere
der Europäischen Lebensmittelbehörde und der
Europäischen Agentur für die Sicherheit des
Seeverkehrs, erzielen kann.
3-064
Bonde (EDD). – (DA) Herr Präsident, auch die kleinste
Fraktion im Parlament, die Fraktion für das Europa der
Demokratien, möchte den Ratspräsidenten, Herrn Aznar,
willkommen heißen, und wir möchten gerne über den
Konvent reden, der am 1. März mit 105 Mitgliedern
seine
Arbeit
aufnimmt,
der
sehr
ungleich
zusammengesetzt ist und ein Präsidium hat, das aus 14
Mitgliedern besteht und wahrscheinlich ebenfalls sehr
ungleich zusammengesetzt sein wird. Ich möchte Sie
dazu auffordern sicherzustellen, dass unter diesen 14
Mitgliedern auch Vertreter jener 49 % sein werden, die
bei der Volksabstimmung über Maastricht in Frankreich
mit Nein gestimmt haben, oder der gut 50 %, die bei
einigen Volksabstimmungen in Dänemark mit Nein
16/01/2002
gestimmt haben. Es erscheint mir sehr unangemessen,
ein Präsidium mit 14 Vertretern zu besetzen, die
gleichartig denken und ein Ergebnis hervorbringen, das
dann 3-4 Jahre später in einer Volksabstimmung
verworfen wird. Es ist praktikabler, sich gleich mit den
unterschiedlichen Standpunkten auseinander zu setzen,
die es in der Bevölkerung gibt, und einen dauerhaften
Kompromiss anzustreben.
Die interfraktionelle Gruppe in diesem Parlament, die
sich „SOS Demokratie“ nennt, und die man als den
Gegenpol
der
Föderalisten
und
einen
Kooperationspartner in Bezug auf Offenheit und
Subsidiarität bezeichnen kann, hatte eine sehr gute
Aussprache mit Herrn Verhofstadt und bittet auch Sie
um ein entsprechendes Treffen. Im Verlauf dieses
Gesprächs versprach Herr Verhofstadt zwei interessante
Dinge:
Einmal, dass er dazu aufruft, dass in den Delegationen
aller Länder so genannte Euro-Realisten vertreten sein
sollen, und dass zum Beispiel wenigstens einer der drei
Vertreter von zwei Ländern – zwei Vertreter des
Parlaments und einer der Regierung – einen eurorealistischen Standpunkt vertritt. Er versprach sich
hierfür einzusetzen und forderte uns auf, eine Kampagne
in Gang zu setzen, damit dies erreicht wird. Sein zweites
Versprechen war die Zusage, sich für eine anschließende
Volksabstimmung einzusetzen.
Meine Frage an Herrn Aznar lautet, ob auch er sich für
ein breites Spektrum der Vertretung und eine
anschließende Volksabstimmung einsetzt? Wird er dazu
beitragen, dass zwei unterschiedliche Entwürfe
ausgearbeitet werden, eine Verfassung für einen
demokratischen Bundesstaat und ein demokratisches
Abkommen zwischen selbständigen Ländern, damit die
Menschen den Unterschied erkennen können? Wird er
sich für die Durchführung einer konsultativen
Volksabstimmung über die beiden unterschiedlichen
Vorschläge einsetzen? Wird er es unterstützen, dass wir
die Menschen nach ihren Ansichten fragen und
anschließend eine Regierungskonferenz einberufen, um
einen Kompromiss auszuarbeiten? Wir müssen darüber
diskutieren, inwieweit die Charta für die Institutionen
verbindlich sein kann, ohne den Verfassungen und dem
Gerichtshof für Menschenrechte ins Gehege zu kommen.
Wir müssen darüber diskutieren, wie eine Unterteilung
des Vertrags in zwei gleiche Teile die Möglichkeit von
Volksabstimmungen bei Änderungen nicht behindert,
wie über dreißig Entscheidungsformen auf drei
überschaubare Formen reduziert werden können, wie ein
Vetorecht in lebenswichtigen Fragen formuliert werden
muss, ohne insgesamt lähmend zu wirken. Wir müssen
darüber diskutieren, wie die nationalen Parlamente in die
Zusammenarbeit eingebunden werden und ob sie
Initiative, Monopol und Zuständigkeitskatalog von der
Kommission übernehmen können. Und schließlich, wie
sichergestellt wird, dass sich nicht wiederholt, was mit
dem Legalitätsprinzip geschehen ist.
Abschließend möchte ich Sie, Herr Aznar, im
Zusammenhang mit der auch von Graham Watson
16/01/2002
angesprochenen Offenheit noch fragen, ob Sie die
Einstellung Spaniens ändern werden und das Parlament
das bekommt, was auch der Ministerrat erhält. Als
Freund Spaniens begrüße ich Sie hier besonders und
hoffe, dass Sie uns überraschen und die Offenheit
einführen werden, die einzuführen Schweden nicht
gelungen ist und für die Belgien sich nicht eingesetzt
hat. Bienvenido.
3-065
Gorostiaga Atxalandabaso (NI). – (EN) Vielen Dank,
Herr Präsident.
(Der Redner fährt in baskischer Sprache fort.)
Urte berri on danori eta zuri zorionak Lehendakari
Jauna.
Herr Präsident, ich wünsche allen ein gutes neues Jahr
und gratuliere unserem Präsidenten. Gestern hat Herr
Poettering gesagt, dass die Tatsache, dass Sie als Ire zum
Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt
worden sind, der beste Beweis für den politischen Erfolg
der kleinen Länder unseres Kontinents ist. Ich als Baske
habe das sehr gerne vernommen, weil die Republik
Irland, die erst seit hundert Jahren existiert, ein sehr
ermutigendes Beispiel für eine staatenlose europäische
Nation wie die unsere sein kann. Auch aus diesem
Grund wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg.
In den kommenden Monaten wird die Regierung des
Königreichs Spanien jedoch an Ihrer Seite stehen und
darüber wachen, wie genau Sie dem von Ihrer
Vorgängerin eingeschlagenen Weg folgen. Ich möchte
daran erinnern, dass durch die Weigerung der
spanischen Regierung, ihre nationalistische Verblendung
aufzugeben, im Jahr 1999 die größte Chance, die es seit
mehr als einer Generation damals für den Frieden
gegeben
hat,
verspielt
worden
ist.
Herr
Ministerpräsident, können Sie diesem Parlament einen
kleinen Hoffnungsschimmer geben, indem Sie zum
Ausdruck bringen, dass Sie sich um eine politische
Lösung des anhaltenden Konflikts im Baskenland
bemühen werden? Die Zeit wird knapp. Ende dieser
Woche werden bereits 10 % der Amtszeit des
spanischen Ratsvorsitzes in der Europäischen Union
abgelaufen sein. Sie müssen sich beeilen. Wir sind
bereit, den gegenwärtigen Stillstand in den
Verhandlungen unverzüglich zu durchbrechen. Ich
möchte zum Abschluss an die Worte von Herrn Watson
erinnern, der gesagt hatte, es sei notwendig zu erkennen,
dass „politische Probleme häufig politische Lösungen
erfordern“.
3-066
Der Präsident. – Da wir dank der Fähigkeit einiger
Fraktionsvorsitzender, sich kurz zu fassen, schon hinter
unserem Zeitplan zurückliegen, werde ich in der Zeit,
die uns heute Morgen noch verbleibt, strenger auf die
Einhaltung der Redezeit achten.
3-067
25
Galeote Quecedo (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, ich
hoffe, Sie beginnen nicht bei mir, die Redezeit zu
kürzen.
Ich glaube, es ist in unserer Debatte heute Vormittag
ganz deutlich geworden, dass dies ein entscheidender
Zeitpunkt in der europäischen Integration ist. Deshalb
bin ich der Auffassung, dass die ehrgeizigen Ziele der
spanischen Präsidentschaft – die alle als historisch
bezeichnet werden können – genau dieser Tatsache
entsprechen. Die Entschlossenheit, ja Begeisterung, mit
der 300 Millionen europäische Bürger den Euro
aufgenommen haben, lässt uns in der Tat mit
Optimismus in die Zukunft blicken.
Das Europäische Parlament, als Ausdruck des
Volkswillens, muss jetzt seine Fähigkeit unter Beweis
stellen, seine Rolle als Impulsgeber in der Debatte
wahrzunehmen. Diese Rolle war ihm besonders während
der letzten sechs Monate von der belgischen
Präsidentschaft zuerkannt worden, und der Präsident der
spanischen Regierung hat sie heute Vormittag bekräftigt.
Wir haben der Kommission und dem Rat als Ansporn
gedient, um beispielsweise die Justizverwaltungen der
Mitgliedstaaten
mit
Gemeinschaftsinstrumenten
auszustatten, die einen wirksameren Schutz der
Freiheiten vor dem Terrorismus ermöglichen. Hier, in
diesem Hohen Haus, ist seit Beginn dieser
Legislaturperiode deutlicher als anderswo geworden,
dass der Terrorismus ein Problem und eine Bedrohung
für alle, nicht nur für die unmittelbaren Opfer, darstellt.
Deshalb bedeutet die Erklärung des Ratspräsidenten,
dass es notwendig sei, das Mitentscheidungsverfahren in
der nächsten Reform des Unionsvertrags zu verbessern,
eine Anerkennung, die unseren Dank verdient.
Wir werden diese Reform mit der gleichen Methode
angehen, mit der die Charta der Grundrechte – bei der
meine Fraktion im Übrigen erwartet, dass sie in den
neuen Vertrag aufgenommen wird – erarbeitet wurde,
das heißt, durch einen Konvent, der im März am Sitz des
Parlaments eröffnet wird, wie wir heute Vormittag
erfahren haben.
Wir vertrauen darauf, dass diese positive Haltung des
Rates während der Tätigkeit des Konvents anhält, damit
wir auf zwei Notwendigkeiten reagieren können: zum
einen, die Gemeinschaftsinstitutionen den Bürgern näher
zu bringen, indem ihre Demokratie, Effektivität und
Transparenz verstärkt werden; und zum anderen, eine
tiefgreifende Reform eines für sechs Gründerstaaten
gedachten institutionellen Rahmens in Angriff zu
nehmen und ihn an eine Realität von 25 oder mehr
Mitgliedstaaten, die wir für 2004 erwarten, anzupassen.
Die Verhandlungen zur Erweiterung der Europäischen
Union – wie es hieß, werden einige ihrer wichtigsten
Kapitel in den kommenden Monaten behandelt – sollten
in keiner Weise von den internen Debatten des Hauses
gestört werden. Im Gegenteil, Regierung und Opposition
der
jetzigen
Mitgliedstaaten
müssten
die
26
Auseinandersetzung zwischen den Parteien zugunsten
dieses großen Ziels der Union zurückstellen.
Herr Barón, man muss berücksichtigen, dass der Erfolg
einer Präsidentschaft nicht in nationalen und schon gar
nicht in parteilichen Termini gemessen wird. Heute
Vormittag räumten Sie ein, dass Sie einige Lehrgänge
absolvieren müssten. Ich befürchte, nicht nur in
Informatik. Sie haben als spanischer Sozialist
gesprochen. Es wäre zu erwarten, dass Sie die gleiche
Loyalität an den Tag legen, wie sie die Europäische
Volkspartei
den
beiden
vorangegangenen
Präsidentschaften entgegengebracht hat.
(Protest der PSE)
Herr Präsident, wir müssen dieses Halbjahr nutzen, um
die Europäische Union in der Welt zu stärken, um zu
erreichen, dass sie sich mit einer gemeinsamen Position
an den internationalen Debatten beteiligt. Dafür ist es
notwendig, nicht nur institutionelle Reformen der GASP
durchzuführen, um sie innerhalb und außerhalb unserer
Grenzen effektiver und sichtbarer zu machen, sondern
auch die der Europäischen Union bereits zur Verfügung
stehenden Instrumente für den außenpolitischen Dienst
der Gemeinschaft zu verbessern.
Fraglos
stehen
uns
in
diesem
Halbjahr
Herausforderungen bevor, für die die Anstrengungen
und die Unterstützung aller vonnöten sein werden: der
Bürger, der europäischen Institutionen, der Regierungen
und politischen Parteien. Wir haben volles Vertrauen
darin, dass mit dieser Präsidentschaft ein weiterer Schritt
in Richtung eines größeren und einigeren, weltoffeneren
und bürgernahen Europas getan wird.
(Beifall)
16/01/2002
Prozess von Lissabon, die internationale Koalition für
die Freiheiten und gegen den Terrorismus, der
einheitliche Raum der Sicherheit und des Rechts, die
Außenpolitik,
die
Beziehungen
zu
den
Mittelmeerländern, die Rolle Europas in Lateinamerika
– soweit, Herr Präsident, die Agenda. Aber wir
Sozialisten hätten gern eine konkrete Verpflichtung, eine
ehrgeizige Initiative in dieser oder jener Frage gehört.
Beispielsweise hätten wir uns gewünscht, dass Sie im
Zusammenhang mit dem Prozess von Lissabon den
Akzent auf die sozialen Aspekte gesetzt hätten. Denn im
Prozess von Lissabon einigte man sich auf ein
strategisches Ziel, zu dem neben der Errichtung eines
Wirtschaftsraums mit höherem Wohlstand und
verstärkter Wettbewerbsfähigkeit die Vollbeschäftigung
und die größere Kohäsion gehören.
Verpflichten Sie sich, Herr Präsident, dass alle
Methoden der Koordinierung dieser Strategien der
Sozialagenda eine immer stärkere gemeinschaftliche
Prägung erfahren. Beziehen Sie in diesen Prozess das
Europäische Parlament, die Gewerkschaften und die
Arbeitgeberschaft ein. Das wird nach unserer
Auffassung zu mehr Europa führen. Ich möchte ein
anderes Beispiel anführen: Der Mittelmeerraum und
Lateinamerika sind europäische Prioritäten, aber eine
gute spanische Präsidentschaft sollte aufgrund der Nähe
und privilegierter Beziehungen in der Lage sein, in
Bezug auf diese beiden geografischen Regionen eine
herausragende Rolle zu spielen. Aber wir sehen in Ihrem
Programm keine konkreten Initiativen für eine
Wiederbelebung des Dialogs und der Zusammenarbeit,
abgesehen von der Einrichtung der Europa-MittelmeerEntwicklungsbank, die im Übrigen 1995 in Barcelona
und danach in Laeken ins Auge gefasst wurde. Sie sagen
uns nicht einmal, wie und wann Sie die Verhandlungen
mit dem Mercosur und mit Chile abschließen werden.
Wir vermissen konkrete Verpflichtungen.
3-068
Díez González (PSE). – (ES) Herr Präsident, der
Ratsvorsitz bietet einem Land stets Gelegenheit, sein
Engagement für die gemeinsame Sache unter Beweis zu
stellen, die nichts anderes ist als die Weiterführung des
europäischen Aufbaus zum Wohle der Bürger. Ich weiß,
Herr Präsident Aznar, dass Sie es nicht leicht haben,
dass die internationale Lage in politischer und
wirtschaftlicher Hinsicht kompliziert ist, und zudem hat
Ihnen, wie es hieß, die belgische Präsidentschaft die
Latte sehr hoch gelegt. Aber ich versichere Ihnen, Herr
Präsident, dass die spanischen Sozialisten vorbehaltlos
daran mitwirken werden, dass dieser Ratsvorsitz für
Spanien und für Europa ein Erfolg wird. Es wird von
unserer Seite niemals Illoyalitäten geben, niemals.
Andere müssen so manchen Fall bereuen. Wir möchten,
dass Sie eine gute Arbeit leisten, denn wir wollen, dass
Spanien mit dieser Vorsitzperiode in Europa an Ansehen
gewinnt. Deshalb, Herr Präsident, müssen Sie sich mit
Ihrem persönlichen Engagement und mit dem der
Mitglieder Ihrer Regierung der Situation gewachsen
zeigen.
Herr Präsident, Sie haben in Ihrer Rede die derzeitigen
Prioritäten in Europa aufgezeigt. Die Erweiterung, der
Wir freuen uns, Herr Präsident, dass Sie das Motto
„Mehr Europa“ gewählt haben, und nicht, weil es ein
Klassiker der sozialistischen Familie ist. Ich sagen Ihnen
im Voraus, dass wir Sie nicht an der Zahl der
Konferenzen messen werden, die Sie während des
Halbjahrs abhalten, wir werden Sie an den Ergebnissen
messen. Sie müssen jetzt von den Worten zu den Taten
schreiten, Herr Präsident. Was verstehen Sie unter mehr
Europa? Doch wohl nicht, dass, wie Minister Piqué
erklärte, Europa 2050 mit einer Stimme spricht, denn, so
würde man gemeinhin sagen, „für diese Reise brauchen
wir keinen Proviant“. Die Ambition des Herrn
Außenministers beeindruckt mich in der Tat. Mehr
Europa bedeutet mehr Sicherheit, aber auch mehr
Freiheit. Mehr Europa bedeutet mehr Beschäftigung und
weniger Ungleichheit. Mehr Europa ist mehr
Demokratie und mehr Mitwirkung. Mehr Europa ist
auch eine Union, die sich aktiver für die Menschenrechte
einsetzt. Mehr Europa, Herr Präsident, ist letztendlich
auch weniger alter und neuer Nationalismus.
Herr Präsident, wenn Sie so handeln, werden wir die
Ersten sein, die Ihnen Beifall zollen. Wir wollen Ihren
Erfolg, und wir wollen ihn gemeinsam feiern.
16/01/2002
27
3-069
Gasòliba i Böhm (ELDR). – (ES) Herr Präsident, Herr
amtierender Ratspräsident, Herr Präsident der
Kommission, meine Damen und Herren! Zunächst
möchte ich die Unterstützung der Liberalen Fraktion und
meiner Partei, der Convergència Democràtica de
Catalunya, hervorheben, um zu gewährleisten, dass diese
Präsidentschaft am Ende eine positive Bilanz mit guten
Noten vorlegt und sich so in die Bewertung der beiden
vorangegangenen spanischen Vorsitzperioden einreiht.
Von den für diesen Ratsvorsitz als Prioritäten genannten
Themen möchte ich die drei folgenden herausstellen.
Zur Tagung des Europäischen Rates von Barcelona im
März sei gesagt, dass diese konkrete Verpflichtungen
und Ergebnisse bringen sollte, die vergleichend
kontrolliert werden können, um zu garantieren, dass die
strukturellen Reformen und die notwendigen
Liberalisierungsprozesse wirklich durchgeführt werden,
damit die Ziele des in dem vom Rat von Lissabon
initiierten Prozess erreicht werden.
Was die Europa-Mittelmeer-Konferenz angeht, so soll
sie eine neue Etappe in dem Prozess eröffnen, der 1995
in Barcelona, ebenfalls unter spanischer Präsidentschaft,
begann, um eine stärkere und bessere Zusammenarbeit
zwischen der Europäischen Union und den Drittländern
des Mittelmeerraums zu gewährleisten. Wir sind für die
Schaffung eines Finanzinstituts, das einen vollständigen,
effizienten Einsatz der für die Mittelmeerprogramme
vereinbarten Mittel gestattet. Die gemeinschaftliche
Außenpolitik, von der wesentlich der Frieden und die
künftige Stabilität der Union abhängt, muss intensiviert
werden.
In Ihrer Schlüsselrolle als Mitglied des Präsidiums des
Konvents fordern wir, die Einbindung und die
Mitwirkung der konstitutionellen Regionen in den
Institutionen der Europäischen Union durch Aufnahme
in den Verfassungstext, der auf der Regierungskonferenz
von 2004 beschlossen werden soll, zu sichern. Wie der
Vorsitzende der Liberalen Fraktion hervorhob, kann die
Europäische Union nicht als abgeschlossen betrachtet
werden, wenn in ihr nicht die Beteiligung und die volle
Integration des Europas der Regionen gegeben ist. Das
ist ein Thema, dem wir, wie hervorgehoben wurde, unter
der spanischen Präsidentschaft, die zusammen mit dem
Konvent beginnt, höchste Bedeutung beimessen.
3-070
Bautista Ojeda (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident,
Herr Präsident der Kommission, Herr amtierender
Ratspräsident! Spanien übernimmt die Präsidentschaft
der Europäischen Union mit einem ambitiösen und
voluntaristischen Vorschlag von Prioritäten. Der
europäische Aufbau erfolgt heute durch die Vertiefung
der Freiheiten, die Zurückdrängung des Intoleranten und
seine Einstellung auf den notwendigen Kampf gegen die
Terroristen.
Die Priorität, mit der Spanien die Erweiterung sieht, geht
nicht mit den erforderlichen Verpflichtungen einher, die
die legitimen Ziele der Ziel-1-Gebiete garantieren.
Für mich als Andalusier und auch für die Sicherung der
Zukunft sind die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik,
die Debatte über die ländliche Entwicklung, die
Mitbestimmung in der Landwirtschaft und die
Lebensmittelsicherheit von erstrangiger Bedeutung, um
kostspielige Krisen und Beunruhigung unter den
Verbrauchern zu vermeiden. Die Präsenz der
Autonomen Gemeinschaften im Rat, wenn Themen
unseres Interessen- und Zuständigkeitskreises behandelt
werden, wird stets positiv und bereichernd sein.
Stellen Sie in Europa die Realität Spaniens dar.
Versuchen Sie nicht, sie zu verbergen, Herr Aznar. Auch
die Autonomen Gemeinschaften sind der Staat. Ein
pluralistisches Spanien in einem pluralistischen Europa
führt zu mehr Union. Vertiefen Sie diese politische und
soziale Realität.
Herr Aznar, Sie haben Marokko nicht ausdrücklich in
Ihrer Rede genannt. Nehmen Sie sich des Themas
während Ihrer Präsidentschaft an.
Herr Aznar, die Neutralität der Präsidentschaft darf Sie
nicht bei der Verfolgung unseres legitimen, typisch
europäischen Ziels der Kohäsion lähmen. Zeigen Sie
festen Willen, aber seien Sie auch dialogbereit.
3-071
Muscardini (UEN). – (IT) Herr Präsident, ich bedaure
es, dass es einige führende Vertreter der Linken einmal
mehr vorgezogen haben, eine vorurteilsvolle und
parteiische Position gegen Italien und somit gegen ein
Volk zu ergreifen, das seine Regierung frei und
demokratisch gewählt hat, anstatt sich gründlich mit der
Gegenwart und Zukunft der Europäischen Union zu
befassen. Andererseits muss ich sagen, de minimis
praetor non curat.
Herr Präsident Aznar, das Programm des spanischen
Vorsitzes enthält eine Fülle an Argumenten und
Zielsetzungen, wobei wir im Vorfeld jedweder Initiative
die Verpflichtung erkennen, die Politik ins Zentrum der
Debatte zu rücken. Aus Zeitgründen können wir nur
einige Stichworte herausgreifen. Erstens die von Ihnen
angesprochene gemeinsame Wirtschaftspolitik, die der
Kommissionspräsident als wichtigsten Faktor für die
Zukunft bezeichnete und wodurch unsere Erklärungen
anlässlich des Brüsseler Votums für den Euro bestätigt
werden: ohne eine starke gemeinsame Wirtschaftspolitik
kann es keine gemeinsame Währungspolitik geben.
Zweitens die Mittelmeerpolitik, die zügiger und rascher
vorangetrieben werden muss, denn obgleich die
Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten der
europäischen Staaten sehr wichtig ist, um den
Terrorismus zu bekämpfen – worauf wir auch in der
Debatte zu diesem Thema hingewiesen haben –, ist es
doch ebenso wichtig, die Armut zu bekämpfen, den
Frieden im Nahen Osten wiederherzustellen und den
politischen Schwerpunkt der Europäischen Union wieder
ins Lot zu bringen: eine starke Mittelmeerpolitik muss
daher der Glanzpunkt des bevorstehenden Gipfels in
Barcelona werden. Drittens die reale Verwirklichung des
28
Konzepts „Mehr Europa“, oder „Mehr Europa der
Bürger“, d. h. weniger Bürokratie und mehr Demokratie
in den Institutionen, mehr Respekt vor den Traditionen
und der Identität der einzelnen Länder, für ein Europa,
das kein Einheitsbrei ist, sondern ein Wachstumsfaktor
für jeden, worauf gestern der Präsident des Europäischen
Parlaments, Herr Cox, hingewiesen hat.
Und schließlich dürfen wir auch das Problem
Argentinien
nicht
vergessen:
Dies
ist
die
einhundertzwanzigste Krise seit 1975. Packen wir also
auch das Problem der spekulativen Seifenblase, des
Missverhältnisses zwischen realer und offizieller
Wirtschaft an; gehen wir das Problem Argentinien mit
Soforthilfen an, auch weil zwischen unseren Ländern
und Argentinien freundschaftliche und traditionelle
Bande bestehen.
3-072
Coûteaux (EDD). – (FR) Herr Präsident, es ist sehr
bedauerlich, dass Spanien, dieses große Land, das in
Frankreich und bei den Franzosen hoch im Kurs steht,
als Motto „mehr Europa“ gewählt hat, was nicht sehr
originell ist, denn dieses Motto ist gewissermaßen seit
fast 50 Jahren obligatorisch. Es gibt uns allerdings
Grund zur Besorgnis, denn dieses „mehr Europa“ äußert
sich im Allgemeinen nur in einer immer stärkeren
Zerstörung der Substanz Europas, d. h. der Nationen.
Auch in anderer Weise bietet Spanien nichts Neues. Sie
bieten insbesondere nichts Neues in dem Bereich, den
Sie zur Ihrer Priorität erklärt haben, Herr
Ministerpräsident, d. h. im Kampf gegen den
Terrorismus. Es ist schon etwas lächerlich, gegen den
Terrorismus kämpfen zu wollen, während gleichzeitig
offenbar alles getan wird, um dessen oberflächliche wie
tiefere Wurzeln in Europa und in der ganzen Welt zu
stärken. Was die oberflächlichen Wurzeln betrifft, so
herrscht offenbar immer noch diese lächerliche und
kriminelle Zwangsvorstellung, die Grenzen abschaffen
zu müssen, wodurch natürlich die polizeilichen
Kontrollen immer schwieriger werden und vor allem ein
Internationalismus gefördert wird, der seit Anbeginn der
Welt schon immer die Hauptwaffe der Terroristen war.
Tiefer gesehen, wird mit der Abschaffung der Grenzen
die nationale Zugehörigkeit zerstört, die den Menschen
seit Jahrhunderten Orientierung in Raum und Zeit gab
und damit einen Platz in der Geschichte. Sie werden so
wieder zurückgeworfen auf ihren ethnischen Ursprung
und fangen an, die Reste des Nationalstaates zu
bekämpfen, was wir im Übrigen zuweilen auch gefördert
haben. So geschieht in Spanien, was auch überall sonst
geschieht. Der baskische Terrorismus kann unserer
Meinung nach nur durch die Umsetzung einer
bedeutsamen spanischen Politik auf der internationalen
Szene bekämpft werden, die Spanien glücklicherweise in
der Lage ist, in Europa, im Mittelmeerraum und in
Lateinamerika zu führen. Doch diese Selbstbehauptung
wird Ihnen von Europa verwehrt.
Doch im Grunde genommen, wird der Terrorismus auch
gefördert und ermutigt durch die Regellosigkeit, in
16/01/2002
welche die Welt aufgrund der Beeinträchtigung der
Nationen durch das hochheilige kapitalistische Dogma
der Handelsliberalisierung gestürzt wird. Dies führt nicht
nur zur Zerstörung der nationalen Zugehörigkeit, was im
Übrigen eine der Ursachen für den islamischen
Terrorismus ist, sondern unter dem irreführenden
Konzept der Globalisierung auch zur Errichtung einer
wirklichen Mauer zwischen der reichen Welt und der
armen Welt, der damit die Zukunftsperspektiven verbaut
scheinen und die auf diese Weise in die schlimmsten
Notlagen gerät.
Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen, ist es
glücklicherweise ermutigend, dass die Nationen,
insbesondere in Europa, wieder den Kopf erheben.
Positive Zeichen in dieser Hinsicht lassen sich heute in
Italien und Deutschland erkennen, waren gestern in
Dänemark und Irland zu verzeichnen und werden
morgen zweifellos auch aus Frankreich kommen. Dies,
Herr Ministerpräsident, könnte in den kommenden sechs
Monaten zu Ihrer größten Sorge werden. Und da Sie sich
offensichtlich entschieden haben, die nationalen
Realitäten zu ignorieren, kann ich, können wir Ihnen nur
viel Glück wünschen.
3-073
Bonino (NI). – (IT) Herr Präsident, ich begrüße und
beglückwünsche Sie von ganzem Herzen! Sie haben uns
ein sehr dichtes Arbeitsprogramm für Ihre
Ratspräsidentschaft vorgelegt. Sie werden gestatten, dass
ich Ihnen einige Empfehlungen gebe, damit dieses
Programm auch großartig und ehrgeizig wird.
Ich gehöre einer politischen Familie an, die im
Unterschied zu vielen anderen stets geglaubt hat, dass
das einzige ernsthaft Greifbare die Ideen und eine
Zukunftsvision sind. Unter Ihrer Präsidentschaft kann
nun eine alte Idee, die einige von uns extremen
Verfechtern des Rechts und des Völkerrechts seit vielen
Jahren verfolgen, voll verwirklicht werden. Sie können
unter Ihrer Präsidentschaft im Interesse der Menschheit
die
Schaffung
des
Ständigen
Internationalen
Strafgerichtshofs
für
Akte
des
Völkermords,
Kriegsverbrechen
und
Verbrechen
gegen
die
Menschlichkeit vollenden. Dies wird ein historisches
Datum bzw. ein grundlegender Wandel werden, der
neben den Verträgen den Grundstein für eine
internationale Rechtsprechung legen wird.
60 Länder müssen die Instrumente zur Ratifizierung des
Vertrags hinterlegen: Bisher haben dies über 50 getan.
Viele uns nahe stehende und mit uns befreundete Länder
sind uns voraus. Ihren Willen vorausgesetzt, kann die
spanische Präsidentschaft mit Unterstützung von uns
allen – im Februar wird dieses Thema von unserem
Parlament behandelt – die 60 Ratifikationen im Namen
von 200 Millionen Unionsbürgern erwirken. Ich hoffe,
Sie werden diese Möglichkeit als historische
Gelegenheit für einen Wandel ergreifen. Denken Sie nur,
wie anders wir auch bei der Terrorismusbekämpfung
dastehen würden, wenn wir – wie im Falle von
Milosevic, der ein simpler Kriegsverbrecher ist, der auf
sein Urteil wartet – heute die Möglichkeit hätten,
16/01/2002
Menschen wie Osama Bin Laden oder Mullah Omar vor
einen Ständigen Internationalen Strafgerichtshof zu
stellen, ohne dass die US-Amerikaner gezwungen
wären, Militärgerichte oder Ähnliches einzuführen. Das
liegt in unseren bzw. in Ihren Möglichkeiten, und dazu
sind wir zutiefst entschlossen.
Herr Präsident, selbstverständlich muss man der
Terrorismusbekämpfung beipflichten, doch was mir
Sorge bereitet, ist die politische Antwort, denn
offenkundig reichen die militärischen oder juristischen
Antworten nicht aus. Die politische Antwort lässt jedoch
zu wünschen übrig. Wir denken und handeln weiterhin
nach dem Grundsatz, wonach der Feind meines Feindes
automatisch mein Freund ist. Wir riskieren es, dass
einige völlig undenkbare Regime kritiklos als
unmittelbare Verbündete behandelt werden, weil wir sie
brauchen. Manche davon befinden sich ganz in unserer
Nähe, Herr Präsident, am südlichen Ufer des
Mittelmeers.
Ich möchte Sie noch auf einen zweiten Aspekt
hinweisen. Ich glaube nämlich, dass wir neben einem
Pulverfass sitzen und dass in der Gegenwart und sicher
auch in unserer unmittelbaren Zukunft eine neue Sicht
unserer Beziehungen zum Mittelmeerraum im
Vordergrund stehen muss.
Das wären also meine wenigen Empfehlungen, Herr
Präsident, die jedoch den Weg weisen, um wirklich
visionär zu sein, denn das genau ist es, was auch die
Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten.
3-074
Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE). – (ES) Herr
Präsident, zunächst möchte ich der amtierenden
Ratspräsidentschaft viel Glück für ihr ehrgeiziges
Programm wünschen, das sie heute Vormittag hier
vorgestellt hat. Die Reden einiger Kollegen haben mich
an die Worte von Marx – nicht Karl, sondern Groucho –
über einige Literaturkritiker erinnert, die so sehr mit dem
Schreiben der Kritik beschäftigt waren, dass sie nicht
einmal fünf Minuten Zeit fanden, um den Roman zu
lesen.
Ich möchte bemerken, Herr Präsident, dass die spanische
Präsidentschaft eine Reihe von Zielen hat, die sich
unmittelbar stellen, sowohl hinsichtlich der inneren als
auch der äußeren Dimension des Projekts. Es geht
eindeutig um einen einheitlichen Willen, es geht darum,
Konsense zu schmieden und den Weg abzustecken,
damit das Projekt der Europäischen Union weiter
voranschreiten kann. Dazu sind zwei Dinge erforderlich.
Es wird eine Methode benötigt; in Laeken wurde die
Methode des Konvents beschlossen, die innovativ ist:
Europa kann nicht auf der Grundlage konzentrischer
Kreise errichtet werden. Und es wird Ehrgeiz gebraucht.
Ich bin nicht einverstanden mit dem, was mein guter
Freund Watson sagte, dem ich zu seiner Ernennung als
Vorsitzenden der Liberalen Fraktion beglückwünsche,
denn ich glaube, dass Spanien sich in einer sehr guten
Position befindet, um seinen Beitrag zu leisten und eine
29
der historischen Herausforderungen unserer Zeit zu
meistern, die darin besteht, umsichtig und feinfühlig
Einheit und Vielfalt in Einklang zu bringen und beide
verträglich zu machen. Wie ist das Projekt der
Europäischen Union zu gestalten? Mit einem gut
eingestellten, gut gestimmten Orchester, wie Mozart
sagte, das sich nach demokratischen Impulsen und nicht
wie ein Bataillon zum Klang des Horns bewegt.
Herr Präsident, als die Freiheit am 11. September
vergangenen Jahres von der Barbarei brutal attackiert
wurde, wurde sonnenklar, dass die Begriffe der
Sicherheit, Verteidigung, Zusammenarbeit, Außenpolitik
und
Entwicklungshilfe
miteinander
in
Wechselbeziehung stehen, und es muss sich in einem
gemeinsamen Bewusstsein widerspiegeln, dass die
Bedrohungen und Gefahren des Terrorismus uns alle
gleichermaßen betreffen und deshalb von allen eine
gleichlautende Antwort notwendig ist.
Zwei Worte zu Lateinamerika, Herr Präsident. Dieses
Parlament ist der Ansicht, dass Lateinamerika keine
Almosen braucht, sondern Chancen. Aber hier im
Parlament denken wir auch, dass von den
Seligpreisungen
irgendwann
zur
Buchführung
übergegangen werden muss, und deshalb haben wir die
von der Kommission vorgeschlagenen Summen für die
Zusammenarbeit mit dieser Region im Jahr 2002
bedeutend
erhöht
und
einen
anspruchsvollen
Maßnahmenkatalog vorgelegt, der dieses von den Staatsund Regierungschefs auf dem Gipfel von Rio de Janeiro
vereinbarte strategische Ziel der Schaffung einer
biregionalen strategischen Partnerschaft mit Inhalt füllen
soll. Deshalb hoffen wir, dass der Gipfel von Madrid,
wie der amtierende Ratspräsident angekündigt hat, eine
klare und wohlformulierte Botschaft in Bezug auf eine
neue Verpflichtung Europas gegenüber Lateinamerika
aussenden kann.
Ich hege nicht den leisesten Zweifel, dass die Wohnung,
welche die amtierende Präsidentschaft in diesem
Gebäude des gemeinschaftlichen Aufbaus zu errichten
hat, den ehrgeizigen Prioritäten, die uns heute Vormittag
vorgestellt wurden, gerecht wird.
3-075
Van den Berg (PSE). – (NL) Herr Ministerpräsident
Aznar, vor 20 Jahren war ein europäischer Binnenmarkt
mit einer einheitlichen Währung, dem Euro, noch ein
Traum, und heute ist dies Wirklichkeit. Ein ebenso
ehrgeiziges Ziel streben die europäischen Sozialisten für
die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
an, und die Erfahrungen des 11. September haben dieses
Streben nur noch verstärkt. Eine solche Politik ist die
Voraussetzung für Frieden und Fortschritt. Deshalb
unterstützen wir die Absicht des spanischen Vorsitzes,
dieser ESVP neue Impulse zu verleihen, ihre Kapazität
zu verbessern und sie generell mit mehr Mitteln
auszustatten, um sie effizienter zu gestalten. Von
wesentlicher Bedeutung dabei ist die Übermittlung der
Botschaft eines Multilateralismus. Die Aufkündigung
des ABM-Vertrags durch die Vereinigten Staaten steht
dazu im Widerspruch. Wir möchten nicht in ein erneutes
30
Wettrüsten zurückfallen. Wir ersuchen den spanischen
Vorsitz, diese Botschaft Europas insbesondere auch
unserem Verbündeten, den USA, zu übermitteln. Einen
diesbezüglichen
Appell
können
wir
umso
nachdrücklicher an die Vereinigten Staaten richten, als
die Europäische Union bereit ist, den Kampf gegen den
Terrorismus innerhalb und außerhalb Europas im
Rahmen des internationalen Anti-Terror-Bündnisses
energisch fortzusetzen.
Meine zweite eindringliche Frage an den spanischen
Vorsitz lautet: Sind Sie bereit, sich auch für eine
internationale Koalition zur Bekämpfung der Armut in
der Welt einzusetzen? Armut stellt nämlich zu einem
erheblichen
Teil
den
Nährboden
für
fundamentalistischen Hass welchen Ursprungs auch
immer dar. Für eine Koalition gegen die Armut in Asien,
in Afrika sowie im Kontext des euro-mediterranen
Prozesses, denn eine stabile Sicherheit auf unserer Erde
kann es nicht geben, wenn sie lediglich für einige gilt,
sondern nur dann, wenn sie im Rahmen einer
internationalen Rechtsordnung für alle besteht.
Hält der spanische Vorsitz finanzielle Investitionen in
dieses Ziel nicht auch für sinnvoller als sämtliche Karten
einseitig darauf zu setzen, wieder in solche Projekte wie
Star Wars zu investieren?
Sind sie vor diesem Hintergrund gewillt, alle
Anstrengungen zu unternehmen, damit den Herren
Solana
und
Patten
2003
eine
vollständige
Einsatzfähigkeit zur Durchführung der Petersberger
Aufgaben sichergestellt werden kann?
Im Nahen Osten droht der ehemalige iranische
Ministerpräsident Rafsanjani mit dem Bau einer
Atombombe zur Vernichtung Israels. Das ist absolut
inakzeptabel. Aber auch die Politik von Ariel Sharon,
der Arafat isoliert und unschuldige palästinensische
Bürger zu Opfern macht, leistet nicht den geringsten
Beitrag zur Sicherheit in Israel und Palästina. Ist der
spanische Vorsitz bereit, gemeinsam mit den
Vereinigten Staaten und Russland eine neue
Friedensinitiative für den gesamten Nahen Osten zu
ergreifen? Dafür wären wir ihm äußerst dankbar.
3-076
Sánchez García (ELDR). – (ES) Herr Präsident, Herr
Aznar, Herr Prodi, meine Damen und Herren! Als
Abgeordneter der Liberalen Fraktion, der von den
Kanarischen Inseln, einer Gemeinschaftsregion in
äußerster Randlage, stammt, möchte ich diese
Ratspräsidentschaft ganz herzlich willkommen heißen.
Vergessen Sie nicht, Herr Aznar, die noch ausstehenden
Aufgaben zu erfüllen, die in diesem jetzt angebrochenen
Halbjahr vor uns stehen, in dem die Erweiterung und die
Musik des Euro das Szenarium des gemeinschaftlichen
Europas bestimmen, getragen von einem ganz
außergewöhnlichen universellen Hintergrund, von dem
der gesamte Planet mehr oder weniger und aus
unterschiedlichen Gründen betroffen ist, die uns
zwingen, nicht nachzulassen in unseren gemeinsamen
16/01/2002
Anstrengungen zur Erreichung des Friedens und
Wohlstands.
Was unseren europäischen Bereich angeht, so sei daran
erinnert, dass wir bei allen Pfeilern des
Gemeinschaftsgebäudes
Instandhaltungsprobleme
haben. Deshalb muss es in den Gemeinschaftspolitiken
einen Aspekt geben, auf den Sie hingewiesen haben:
„Mehr Europa“. Und das stimmt, vor allem wenn es um
die Revision der GAP, der Strukturfonds, der
Konsolidierung der Gebiete in äußerster Randlage und
um die Formulierung einer echten europäischen
Einwanderungspolitik geht. Es trifft auch zu für die
institutionellen Reformen, die Definition der Rolle und
der Beteiligung der Regionen an der Errichtung des
Europas des 21. Jahrhunderts sowie eine angemessene
Umweltpolitik, ohne den Bereich der Sozialpolitik, das
heißt, der Beschäftigung und der KMU, aus den Augen
zu verlieren.
Vergessen Sie in Ihrer Doppelfunktion als Präsident des
Rates und Oberhaupt der spanischen Regierung auch
nicht, mehr Europa in die Welt zu exportieren. Dafür ist
eine Revision der Außenbeziehungen der Union – wie
des Gemeinsamen Standpunkts des Rates zu Kuba und
der Zukunft der Sahara durch ein Referendum über die
Selbstbestimmung – notwendig, ohne den Dialog mit
den benachbarten Ländern des Mittelmeerraums – von
Marokko bis zum Nahen Osten – oder mit den
geografisch weiter entfernten – wie Lateinamerika mit
dem Fall Argentinien oder die Vereinigten Staaten von
Amerika und China  zu vernachlässigen.
Natürlich können Sie, wie immer, im gemeinsamen
politischen Kampf Europas gegen den Terrorismus auf
uns zählen.
Ich wünsche Ihnen Glück in diesem besonderen Mandat
und hoffe, dass wir uns bei der Auswertung im Juni alle
gemeinsam über den erreichten Erfolg freuen können,
denn was gut ist für Europa, ist gut für alle, insbesondere
für die Bürger in äußerster Randlage.
3-077
Nogueira Román (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident,
Herr Präsident der Kommission, Herr Ratspräsident! Bei
Ihren Prioritäten für die Präsidentschaft berücksichtigen
Sie nicht jene Politiken  beziehungsweise Sie setzen sie
erst an die zweite Stelle , die für die Union wie auch
für den spanischen Staat und mein Volk grundlegend
sind und deshalb im Jahr 2002 behandelt werden
müssen: die GAP, die gemeinsame Fischereipolitik und
die Zukunft der Strukturfonds. Dagegen beabsichtigen
Sie, Ihr Präsidentenamt für Ihre autoritäre Obsession
gegen die europäische Vielfalt zu nutzen, indem Sie die
Präsenz der Nationalitäten und Regionen des spanischen
Staats im Rat negieren und auf ein Souveränitätskonzept
zurückgreifen, das in der Union antihistorisch und
anachronistisch ist. Wenn Sie Recht haben, Herr Aznar,
müssten wir schlussfolgern, dass Sie heute hier als
Präsident einer ausländischen Institution auftreten.
16/01/2002
Wir denken nicht so. Ich vertrete mein Volk und bin
gleichzeitig Bürger des spanischen Staats und der Union,
was keine Widersprüche birgt. Sie verstricken sich
selbstherrlich in etwas, das in den Verträgen und in der
Praxis gelöst wurde, und Sie versuchen zu ignorieren,
dass wir uns  ohne dass es hier um ein Problem von
Souveränität und schon gar nicht von Separatismus geht
 künftig fragen werden, warum die Slowakei einen Rat
„Fischerei“ leiten kann, aber Galicien, Andalusien oder
die Kanaren darin nicht vertreten sein können, und auch,
warum mit Recht der nationale historische Charakter
von Malta oder Luxemburg anerkannt wird, nicht aber
der von Galicien, dem Baskenland, Katalonien,
Schottland, Wales oder Flandern.
3-078
Raschhofer (NI). – Herr Präsident, werte Kolleginnen
und
Kollegen!
Unter
der
spanischen
EURatspräsidentschaft treten die Verhandlungen mit den
Beitrittskandidaten in ihre bislang schwierigste Phase
ein. Die Kapitel Landwirtschaft und Regionalförderung
erfordern deshalb äußerste Sensibilität und besondere
Umsicht. Insbesondere was die Direktzahlungen an
Landwirte betrifft, ist eine differenzierte Sichtweise
angebracht. Wenn wir uns nicht vorhalten lassen wollen,
dass die Mengenerzeugung bis zum Exzess angekurbelt
wird, müssen wir uns mehr auf integrierte ländliche
Politik in den Beitrittsländern konzentrieren, statt das
System der Direktzahlungen zu übertragen. Gerade vor
dem
Hintergrund
der
sich
abzeichnenden
Schwierigkeiten und der gegenläufigen Interessen, was
Förderungen
betrifft,
wird
besonderes
Verhandlungsgeschick erforderlich sein. Es ist wohl von
entscheidender Bedeutung, dass die Verhandlungen
Tragfähigkeit und Beständigkeit für die Zukunft
ermöglichen, und damit meine ich über 2004 und über
die Agenda 2000 hinaus.
3-079
Evans, Jonathan (PPE-DE). – (EN) Die Ausführungen
von Ministerpräsident Aznar von heute Morgen lassen
darauf schließen, dass er den Ratsvorsitz effizient und
professionell führen und die wichtigen Themen in
Angriff nehmen wird. An der internationalen Front hat
der Ratsvorsitz zahlreiche Aufgaben zu bewältigen,
wobei die Fortführung des weltweiten Kampfes gegen
den Terrorismus die schwierigste und zugleich
wichtigste Aufgabe ist.
Der Ratsvorsitz hat zugesagt, sich mit allem Nachdruck
dafür einzusetzen, dass die Europäische Union in dieser
schweren Zeit nicht von ihrer Solidarität mit den
Vereinigten Staaten abrückt. Dies ist begrüßenswert,
aber es werden auch andere außenpolitische Probleme zu
bewältigen sein. In Simbabwe spitzt sich die
dramatische Lage zu und hier muss die EU schnellstens
handeln: Wir müssen unverzüglich intelligent angelegte
Sanktionen
verhängen
und
unmissverständlich
klarstellen, dass das derzeitige kriminelle Vorgehen von
Präsident Mugabe gefährliche Folgen haben kann.
Mit ähnlich schwierigen Herausforderungen wird der
Ratsvorsitz im Bereich der Wirtschaft konfrontiert sein.
Wenn
Europa
tatsächlich
bis
2010
zum
31
wettbewerbsfähigsten
und
dynamischsten
wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden soll,
wird in Barcelona die Stunde der Wahrheit gekommen
sein. Wir können es uns nicht leisten, erneut nicht weiter
voranzukommen. Europa muss seine Aufgaben erfüllen.
Seit dem Gipfeltreffen von Stockholm sind keine
Fortschritte erreicht worden, im Gegenteil, manches
entwickelt
sich
wieder
zurück.
Die
Liberalisierungsagenda
ist
durch
neue
Herausforderungen im sozialen Sektor und im
Umweltbereich in den Hintergrund geraten. Inzwischen
wurden mindestens drei neue EU-Richtlinien erlassen,
mit denen die Arbeitsmarktflexibilität unmittelbar
verringert wird. Weitere Richtlinien sind geplant.
Außerdem wurden neue einzelstaatliche Gesetze, wie
zum Beispiel in Frankreich, verabschiedet, durch welche
die Handlungsfreiheit von Unternehmen eingeschränkt
wird.
Durch
diese
Vorgehensweise
werden
Arbeitsplätzen vernichtet.
In den Schwerpunktbereichen zur Verbesserung des
Wettbewerbs ist die Situation offen gesagt untragbar.
Bei den Finanzdienstleistungen - zum Beispiel im
Bereich der Telekommunikation – ist das Tempo der
Liberalisierung zu langsam. Die Liberalisierung der
Energiemärkte und der Postdienste liegt hinter den
ursprünglichen Zeitrahmen weit zurück. Wenn Europa
bis zum Ende dieses Jahrzehnts tatsächlich die führende
Rolle in der Weltwirtschaft spielen will, muss es sich
dieser Dinge endlich annehmen. Wir müssen dafür
sorgen, dass die Gründung und Führung von
Unternehmen einfacher wird und Gewinne in den
Unternehmen bleiben und dort investiert werden können.
Das bedeutet auch, dass wir uns gegen allerhand
Besitzstandsdenken durchsetzen müssen. Wir hoffen,
dass Ministerpräsident Aznar hier die Initiative ergreifen
wird.
3-080
Swoboda (PSE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident,
Herr Kommissionspräsident! Dieses Parlament ist mit
der Kommission in eifriger Diskussion hinsichtlich
neuer Formen des Regierens, der European governance.
Wir haben als Parlamentarier gegen manche Vorschläge
im
Interesse
eines
tatkräftigen,
lebendigen
Parlamentarismus Einwände erhoben. Aber wir haben
uns auch gemeinsam mit der Kommission auf einige
Dinge geeinigt. Etwas, was wir uns beide wünschen,
Herr Ratspräsident, was aber der Rat bisher abgelehnt
hat, ist eine interinstitutionelle Arbeitsgruppe, in der wir
gemeinsam, Parlament, Kommission und Rat, die Fragen
der neuen Form des Regierens besprechen können. Ich
bitte Sie, Herr Ratspräsident, dafür zu sorgen, dass der
Rat dieser gemeinsamen Vorgehensweise zustimmt.
Wir sind der Meinung, Herr Ratspräsident und Herr
Kommissionspräsident, dass wir jedenfalls gleich
behandelt werden sollten wie der Rat, auch in der Frage
der sekundären Gesetzgebung. Wir sind der Meinung,
dass auch wir eine call back-Position haben sollten, falls
die sekundäre Gesetzgebung nicht gut funktioniert. Wir
sind ferner der Meinung, dass Rahmenrichtlinien eine
Art sunset clause, eine Befristung, haben sollen.
32
Jedenfalls sind wir gemeinsam mit der Kommission der
Meinung,
dass
die
Gesetzgebung
und
die
Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union
immer wieder auf ihre Wirksamkeit überprüft werden
sollten. Das gilt auch für den Bereich der
Liberalisierung, bei der wir manchmal Zweifel haben, ob
sie mit Augenmaß und sozialem Bewusstsein
durchgeführt wird. Fragen, die dabei zu bewerten sind,
sind zum Beispiel: Führt die Liberalisierung immer auch
langfristig zu niedrigeren Preisen? Führt sie immer zu
Wettbewerb, oder nicht manchmal auch zu Monopolen
und Oligopolen, nur diesmal halt europaweit?
Wie steht es um die Chancen der Klein- und
Mittelbetriebe, um die wir uns alle Sorgen machen, bei
der Liberalisierung, insbesondere auch in den kleineren
Bereichen? Was ist mit der Frage der Konzentration zum
Beispiel im Medienbereich? Italien ist heute schon
erwähnt worden. Hier ist man oft auf einem Auge blind.
Was ist mit der Nettoauswirkung auf Beschäftigung und
Löhne?
Das sind Dinge, die ich nicht deswegen erwähne, weil
ich oder meine Fraktion gegen die Liberalisierung wäre.
Aber das sind Dinge, die wir erwähnen, weil wir die
Liberalisierung im Interesse unserer Bürgerinnen und
Bürger durchführen wollen, mit Augenmaß, mit
sozialem Bewusstsein.
Vielleicht, Herr Kommissionspräsident und Herr
Ratspräsident, sind manche Regierungen auch deshalb
skeptisch und langsam bei der Durchführung der
Liberalisierung, weil sie das Gefühl haben, dass diese
nicht immer genau zu dem guten Zweck führt, der
angedacht ist, und weil sie das Gefühl haben, dass die
eigene Bevölkerung nicht immer die Vorteile sieht, die
diese Liberalisierungsstrategie im Detail hat.
Deshalb darf ich Sie bitten, im Rahmen des BarcelonaProzesses und des Lissabon-Prozesses zu überlegen, wie
die Liberalisierung, die Sie in Ihrem Programm ja
forcieren und weiterführen wollen, im Interesse unserer
Bevölkerung erfolgen kann, damit auch die sozialen
Aspekte berücksichtigt werden. Es kann nicht darum
gehen,
eine
blinde
Liberalisierungsstrategie
fortzuführen.
Wenn Herr Berlusconi meint, wir sollen Europa stärken,
indem wir amerikanischer sind als die Amerikaner, dann
meine ich doch, wir sollten unseren eigenen
europäischen Weg der Liberalisierung gehen!
3-081
Ortuondo Larrea (Verts/ALE). – (ES) Herr
Ratspräsident, Sie haben gerade „Mehr Europa“ und den
Kampf gegen den Terrorismus als zwei Ihrer großen
Ziele genannt, die ich teile und für die ich Ihnen viel
Erfolg wünsche.
Nun, Europa kann nicht nur von den Regierungen der
Staaten unter Ausschluss der übrigen öffentlichen
Institutionen errichtet werden. Daher lege ich Ihnen die
16/01/2002
Beispiele von Deutschland und der vorangegangenen
belgischen Präsidentschaft nahe, wo wir sehen konnten,
dass die Vertreter aller ihrer Regionen und
Gemeinschaften beteiligt waren.
Die spanische Regierung indes behindert immer wieder
jegliche Präsenz der Autonomen Gemeinschaften in den
europäischen Organen, selbst wenn diese über
ausschließliche Zuständigkeiten dieser Gemeinschaften
entscheiden, wie dies gewöhnlich im Falle des ECOFINRats und der Steuer- und Finanzfragen geschieht, bei
denen die Autonomen Gemeinschaften des Baskenlands
und Navarras die volle Souveränität ausüben.
In der Frage der Ausmerzung der Gewalt nenne ich
Ihnen das Beispiel der britischen und der irischen
Regierung, die das Karfreitagsabkommen und einen
Friedensprozess in Ulster unterstützt haben, und ich
ersuche Sie und die Volkspartei, nicht weiter hartnäckig
an Ihrer Allianz mit Herri Batasuna – Beschützer der
ETA-Mitglieder – festzuhalten, mit dem alleinigen Ziel,
den politischen Ausnahmezustand für die baskische
Regierung aufrecht zu erhalten. Stattdessen sollten Sie
den demokratischen Dialog fördern, um den historischen
politischen Konflikt mit der Mehrheit des baskischen
Volks zu lösen, das in Frieden leben will, und sein Recht
auf freie Bestimmung seiner Zukunft zu respektieren.
(Beifall)
3-082
Borghezio (NI). – (IT) Herr Präsident, „mehr Europa“
lautet das Motto, dem wir zwar beipflichten, das aber
durch die Worte „mehr Freiheit“ und „mehr Identität“
ergänzt werden muss. Als überzeugte Verfechter des
Europas der Völker, denen wir uns verwandt fühlen –
von den Basken über die Korsen bis hin zu den Flamen
und Padaniern –, und somit der Freiheit und
Selbständigkeit bekennen wir uns zum europäischen
Aufbauwerk, auch als Antwort auf die schwerwiegenden
Gefahren der Globalisierung. Dieses Motto „mehr
Europa“ müsste auch gezieltere Verpflichtungen und
Inhalte zur Verteidigung der Freiheiten und Identität der
Völker einschließen. Um mehr Europa zu erreichen,
müssen vor allem Verpflichtungen zur Verteidigung
unserer sprachlichen, regionalen, nationalen und
kulturellen Besonderheiten und Zugehörigkeiten
übernommen werden, für die unsere Bürger, angefangen
bei den Bürgern Padaniens, kämpfen. Das bedeutet, sich
für etwas einzusetzen, was dem, wozu uns die
gleichmacherischen Richtlinien der durch kein
Bevölkerungsvotum legitimierten technokratischen
Oligarchie drängen, die gegenwärtig die gesamte Politik
der Europäischen Union lenkt und steuert, zuwiderläuft.
Und wie kann man schließlich die unsere Zustimmung
findende
Verpflichtung zur
Bekämpfung des
Terrorismus nicht mit den Gefahren einer illegalen
Einwanderung in Zusammenhang bringen, die doch
dessen Nährboden schafft? Es gibt eine Entschließung
des Europarates, in der dazu aufgefordert wird, die
Zuwanderung zu begrenzen, um die Arbeitslosigkeit
16/01/2002
innerhalb der Staaten nicht zu fördern und zu
verschlimmern. Warum findet sie keine Erwähnung?
3-083
Brok (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident,
Herr
Kommissionspräsident!
Die
spanische
Präsidentschaft fällt außenpolitisch in eine Zeit, in der es
darum geht, den Krieg zwischen zwei Atommächten zu
verhindern, im Nahen Osten Frieden zu stiften und den
Barcelona-Prozess zum Erfolg zu führen, weil diese
Bereiche, wenn wir hier nicht erfolgreich sind, unsere
unmittelbaren Interessen in grausamer Weise betreffen
können.
Ich glaube, dass wir bei den Schwerpunkten, die Sie,
Herr Präsident, gesetzt haben, vorankommen können.
Dies ist alles international und auch national mit dem
Kampf gegen den Terror verbunden, und nach einer
Rede, die einer meiner Vorredner gehalten hat, möchte
ich zum Ausdruck bringen, dass es keine politische
Begründung für Terror gibt, der sowohl innerhalb als
auch außerhalb der Europäischen Union abgelehnt
werden muss.
Herr Ratspräsident, ich habe während der letzten Monate
verfolgt, dass Sie in kluger Vorbereitung Ihrer
Präsidentschaft in außenpolitischen Fragen nicht der
Gefahr des Bilateralismus erlegen sind, wie man das
zum Teil aus Berlin, London und Paris gesehen hat. Ich
glaube, dass dies aus der Erkenntnis stammt, dass wir
die Aufgaben der Bekämpfung des internationalen und
nationalen Terrors sowie die Sicherung des Friedens nur
mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung und nicht jeder
für sich, zu Wege bringen können, und dass wir aus
diesem Grunde zu einer gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik kommen müssen. Ich bin dankbar,
dass Sie offensichtlich in diese Richtung gehen können.
Ihre Präsidentschaft fällt noch aus zwei anderen
Gründen in eine entscheidende Phase. Mit dem Beginn
des Konvents werden Sie entscheidende Akzente setzen
können, wie die zukünftige innere Gestalt der
Europäischen Union aussehen wird. Deshalb bitten wir
Sie um Unterstützung, dass der Konvent die
erforderlichen Arbeitsmöglichkeiten haben wird, damit
er diesen Voraussetzungen entsprechen kann. In Ihrer
Präsidentschaft werden aber auch die vorbereitenden
Entscheidungen für die Erweiterung der Europäischen
Union, das heißt, für die zukünftige äußere Gestalt der
Europäischen Union zu treffen sein. Wir erhoffen uns in
den nächsten sechs Monaten in diesen Fragen eine sehr
enge Zusammenarbeit mit Ihnen.
(Beifall)
3-084
Terrón i Cusí (PSE). – (ES) Herr Präsident, in Laeken
wurden zwei sehr wichtige Beschlüsse zur Schaffung
eines europäischen Rechtsraums im Kampf gegen den
Terrorismus gefasst: die Definition und gemeinsame
Sanktionen in Bezug auf den Terrorismus sowie der
europäische Fahndungs- und Haftbefehl. Diese beiden
Maßnahmen hatte dieses Parlament im Bericht von
Herrn Watson – dem ich zu seiner Wahl und auch zu
33
seinen
Worten
beglückwünschen
möchte
–
nachdrücklich gefordert, und ich glaube, dass wir
gemeinsam mit dem Rat und der Kommission
konstruktiv daran mitgewirkt haben.
In Laeken wurde auch eine Bewertung der Umsetzung
der Agenda von Tampere vorgenommen. Ich werde kurz
darauf eingehen. Aber ich möchte bemerken, dass
darüber hinaus der AStV am 27. Dezember eine Reihe
von Beschlüssen im Kampf gegen den Terrorismus
gefasst hat. Der Beschluss, der die Aufstellung einer
Liste von in der Europäischen Union agierenden
Personen und Organisationen ermöglicht, ist relevant.
Auf Letztere findet der Artikel 4 des Gemeinsamen
Standpunkts Anwendung, der die Notwendigkeit der im
Vertrag und in den diesbezüglichen internationalen
Übereinkommen vorgesehenen polizeilichen und
gerichtlichen Zusammenarbeit aufgreift. Wir freuen uns
über diesen Beschluss, der einen unbestreitbar
symbolischen Wert besitzt. Wir hoffen, dass die
Maßnahmen für den Kampf gegen die Finanzierung des
Terrorismus in Europa ebenfalls in Kürze realisiert
werden können.
Und ich hoffe auch, Herr Präsident, dass der Rat die
ausgezeichnete Zusammenarbeit, die er, mit Ausnahme
der letzten Zeit, mit diesem Parlament pflegte,
weiterführen wird.
Da die wichtigsten Maßnahmen im Kampf gegen den
Terrorismus verabschiedet sind, geht es nunmehr darum,
sie
umzusetzen.
Sie
können
und
müssen
Überzeugungsarbeit gegenüber den Staaten leisten, die
noch größere Zweifel haben.
Ich möchte auch auf einen Punkt in Bezug auf die
Einwanderung eingehen, der Anlass zur Besorgnis
bietet. In Ihrer Agenda gehen Sie von der Einwanderung
aus humanitären Gründen zur Bekämpfung der illegalen
Einwanderung über. Sie überspringen ein wichtiges
Paket: das der Rechte und Pflichten und der
Organisation der legalen Einreise von Personen. Dabei
gibt es schon Dokumente der Kommission in dieser
Richtung.
Bitte setzen Sie die gesamte Agenda in Gang, damit man
später nicht bedauern muss, dass nicht alle Beschlüsse
erfüllt wurden, wie dies in Laeken mit einigen
Beschlüssen von Tampere der Fall war.
3-085
Mayol i Raynal (Verts/ALE). – (FR) Senyor President
Aznar, Sie haben Ihre Präsidentschaft unter das Motto
Mehr Europa gestellt. Mehr Europa, das bedeutet auch,
dass das Katalanische, die Sprache von fast 10 Millionen
Europäern und Europäerinnen, Bürgerrecht in diesem
Haus erhält, denn das entspräche nur der
Grundrechtecharta und der kulturellen Vielfalt. Mehr
Europa, das bedeutet auch, dass unsere Minister direkt
an den europäischen Entscheidungen, die sie betreffen,
mitwirken können – dies entspricht dem Vertrag von
Maastricht. Mehr Europa, das bedeutet auch, das
ökologische
Staatsverbrechen
des
nationalen
34
Wasserbewirtschaftungsplans nicht zuzulassen, denn das
gebieten
die
europäischen
Habitatund
Wasserrichtlinien. Mehr Europa, das bedeutet auch, dass
alle Nationen, die dies wünschen, Vollmitglied der
Union
werden
können,
denn
in
mehreren
Entschließungen unseres Parlaments wird das
Selbstbestimmungsrecht anerkannt.
Für all diese demokratischen Fortschritte, Herr Präsident
Aznar, können wir, kann meine Partei Esquerra
Republicana de Catalunya, die Republikanische Linke
Kataloniens, nicht auf Sie zählen. Mister President,
wenn ich die Sterne unserer Fahne betrachte, sehe ich an
allen Ecken Europas alte und junge Nationen, die sich
erheben. Sie wollen alle ihren Platz, den ihnen
zustehenden Platz in diesem gemeinsamen Haus
einnehmen. Gestatten Sie mir, auf Katalanisch zu
schließen:
Visca Catalunya lliure! Visca Europa unida!
3-086
Méndez de Vigo (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, mit
den Sternen der europäischen Fahne vor Augen glaube
ich, jemand hat das Forum verwechselt und ist hierher
gekommen, um seine lokalpatriotischen Forderungen
vorzutragen. Ich werde keine Diskussion darüber
beginnen, denn hier soll über Europa gesprochen
werden. Und wir sind hier zusammengekommen, gerade
um über ein Programm zu beraten, das Ambition und
Vision vereint.
Deshalb, Herr Präsident, ist es eine große Genugtuung,
dass uns ein sechsmonatiges Programm vorliegt, durch
das meiner Ansicht nach, wie auch die Mehrheit dieses
Hohen Hauses zum Ausdruck brachte, viele Dinge in
Angriff genommen und zahlreiche Initiativen ergriffen
werden.
Es ist eine Tradition dieses Parlaments, dass es von der
jeweiligen Präsidentschaft Taten fordert. Aber ich
glaube auch, dass sich dieses Parlament, als gerechten
Ausgleich für die vielen Forderungen, die es heute an
Sie gestellt hat, verpflichten muss, etwas zu tun, das ich
für außerordentlich wichtig halte: Der Prozess von
Barcelona wird ein grundlegendes Element dieser
Präsidentschaft sein. Der Prozess von Barcelona ist
notwendig, um den in Lissabon begonnenen Prozess zu
verwirklichen, und Sie sagten, Herr Präsident, dass es
keine größere soziale Integration gibt als die Schaffung
von Arbeitsplätzen. Während die europäische Wirtschaft
eine schwierige Zeit durchlebt, muss ein klares Signal
gesetzt werden, dass die Europäische Union bereit ist,
diese Anstrengungen zu unternehmen, und deshalb
verpflichten wir uns in diesem Parlament und dieser
Fraktion, in der kommenden Woche im Ausschuss für
konstitutionelle Fragen den Bericht des Kollegen von
Wogau anzunehmen, um die Maßnahmen im
Lamfalussy-Bericht in Gang setzen zu können, die nach
meiner Auffassung ein ganz klares Signal für die Märkte
darstellen werden, dass wir zu einer Übereinkunft bereit
sind – und ich freue mich, dass Sie hier sind, Herr Prodi,
denn die Kommission hat zu diesem Thema viel zu
16/01/2002
sagen –, einer gerechten Übereinkunft zur
Liberalisierung dieses Marktes, unter Achtung der
Ausgewogenheit der Institutionen. Aus dieser Sicht fügt
sich die Verpflichtung des Europäischen Parlaments
auch in die guten Initiativen einer ehrgeizigen und
visionären Präsidentschaft ein.
Herr Präsident, ich glaube, ich bin der einzige Redner,
der seine Redezeit nicht voll genutzt hat.
(Beifall)
3-087
McNally (PSE). – (EN) Herr Präsident, Herr
Ministerpräsident, vielen Dank für Ihre Darlegungen zu
den Schwerpunkten der spanischen Ratspräsidentschaft.
Ich werde nur zu einem dieser Schwerpunkte Stellung
nehmen, nämlich zu Ihrem Vorhaben, den Binnenmarkt
im Gas- und Elektrizitätssektor zu vollenden. Wir haben
Bedenken gegen Ihren Ansatz. Sie sagten, die EU solle
sich von fünf wichtigen Grundsätzen leiten lassen:
Offenheit, Liberalisierung, Wettbewerb, Transparenz
und Verknüpfung. Diese Grundsätze sind von größter
Bedeutung für einen offenen Markt. Energie ist jedoch
nicht mit anderen Waren und Dienstleistungen zu
vergleichen. Sie hat andere Facetten: Sie ist zur
Erfüllung
grundlegender
sozialer
Bedürfnisse
erforderlich und sie hat Auswirkungen auf die Umwelt.
Eine übereilte und unüberlegte Liberalisierung wäre sehr
gefährlich. In Ihrem Land sind als Folge der
Liberalisierung erst vor kurzem gravierende Engpässe
bei der Energieversorgung, ähnlich wie in Kalifornien,
aufgetreten.
Die Liberalisierung führt sofort zu verstärkter Nachfrage
nach Gas und dies zwingt uns, Gas aus einigen Ländern
mit sehr instabilen politischen Systemen einzuführen.
Wir müssen sicherstellen, dass die Energieversorgung zu
einem wesentlichen Teil aus heimischen Energiequellen
gedeckt werden kann. Insbesondere erneuerbare
Energiequellen müssen durch einen Rechtsrahmen
geschützt und gefördert werden. Der wichtigste Beitrag
zur Versorgungssicherheit ist die intelligente
Energienutzung, was im Rahmen einer vernünftigen
Liberalisierung vorgeschrieben sein sollte. Sie sollten
dafür sorgen, dass die Energieeffizienz in Barcelona als
wichtiger nationaler Indikator eingeführt wird. Die
uneinheitliche Marktöffnung in den einzelnen Ländern
sorgt für großen Unmut. Wir unterstützen Ihr Vorhaben
ausdrücklich, Druck auf bestimmte Regierungen
auszuüben, die die eigenen Märkte nicht öffnen, aber
von den offenen Märkten in anderen Ländern
profitieren. Ich bitte Sie, uns zuzusichern, dass die
Liberalisierung des Energiesektors in einem streng
geregelten Rahmen stattfinden wird, der den Schutz der
Umwelt und die Berücksichtigung der teilweise
gravierenden sozialen Folgen ermöglicht. Im Gegensatz
zu Herrn Evans halten wir dies für wichtig.
3-088
Der Präsident. – Ich möchte Sie davon in Kenntnis
setzen, dass wir hinter unserem Zeitplan zurückliegen
und ich dem Ratspräsidenten voraussichtlich gegen
12.45 Uhr oder 12.50 Uhr das Wort erteilen werde,
16/01/2002
damit er sich zu Anfragen äußern kann, die in der
Aussprache gestellt wurden. Das heißt, dass die
Abstimmung höchstwahrscheinlich nicht vor 13.00 Uhr
stattfinden wird. Diese Information wird auch auf den
Bildschirmen im Parlament angezeigt, so dass die
Kollegen, die an der Abstimmung teilnehmen wollen,
diese Möglichkeit erhalten. Bei den Ausführungen des
Ministerpräsidenten sollte jedoch, wenn sich das machen
lässt, Ruhe im Plenum herrschen.
3-089
Tajani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, die spanische
Ratspräsidentschaft
wird
mit
unserer
vollen
Unterstützung eine wichtige Rolle bei der Gestaltung
eines Europa übernehmen, das nicht nur das Europa der
Einheitswährung, sondern auch der Gemeinsamen
Außen- und Verteidigungspolitik sein wird. Das
gemeinsame Handeln der Union wird zuallererst an der
Bekämpfung des Terrorismus gemessen werden, der
kein innenpolitisches Problem Spaniens, sondern ein
grundsätzliches Problem ist, an dessen Lösung wir alle
mitwirken müssen, wie dies gegenwärtig mit der
europäischen Präsenz in Afghanistan geschieht. Wir
teilen die Entschlossenheit zum Handeln im Nahen
Osten, denn nur durch die Lösung des israelischpalästinensischen Konflikts wird es uns gelingen, den
Terrororganisationen den entscheidenden Schlag zu
versetzen. Nicht nur durch das militärische Engagement,
sondern vor allem durch seine Politik kann Europa zum
Protagonisten des Sieges über die Hintermänner der
Terroranschläge vom 11. September werden.
Die Wiederherstellung der internationalen Legalität wird
zum Wirtschaftswachstum und somit zur Verbesserung
der Lebensbedingungen der Unionsbürger beitragen,
denen wir zudem ein Sozialschutzsystem garantieren
müssen, das mit alten Vorrechten bricht. Aufgabe des
Konvents wird es ebenfalls sein, den Weg zur Geburt
der neuen Charta zu weisen, und wir hoffen, dass die
Regierungskonferenz im zweiten Halbjahr 2003
stattfinden kann, damit nicht mitten im Wahlkampf über
die Geschicke Europas diskutiert werden muss.
Bevor ich zum Schluss komme, muss ich noch auf
bestimmte Behauptungen antworten, die in diesem Saal
aufgestellt wurden. Die überzeugte Europabegeisterung
Italiens und seiner demokratisch gewählten Regierung
stehen außer Zweifel. Immer bereit, weitere
Klarstellungen zu erbitten und abzugeben, bekräftigen
wir, dass sich niemand eine andere Rolle für Italien
vorstellen kann als die eines selbständigen Hauptakteurs
des europäischen Einigungswerkes. Vielmehr sollen die
Sozialisten die Vereinbarung erklären, die sie in Berlin
mit den Erben der DDR, mit den Mauer-Nostalgikern
unterzeichnet haben: eine Vereinbarung, die den großen
Freiheitsbestrebungen nicht nur des deutschen Volkes,
sondern aller Europäer zuwiderläuft.
3-090
Hughes (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich melde mich
im Namen der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei
Europas zu Wort und möchte den Standpunkt des
Ausschusses
für
Beschäftigung
und
soziale
Angelegenheiten erläutern. Das Gipfeltreffen von
35
Barcelona wird während der Zeit des spanischen
Ratsvorsitzes ein wichtiger Meilenstein sein. Der
weltweiten Konjunkturschwäche müssen wir die weitere
Vertiefung und Stärkung des Prozesses entgegensetzen,
der in Lissabon festgelegt und in Stockholm und
Göteborg weiterentwickelt worden ist.
Der in Lissabon festgelegte Policy-Mix bestehend aus
den sich wechselseitig unterstützenden Faktoren
Wirtschaftsreform,
Vollbeschäftigung,
sozialer
Zusammenhalt und nachhaltige Entwicklung muss durch
konkrete Maßnahmen verstärkt werden, die das
Wachstumspotenzial
erhöhen
und
Arbeitsplätze
schaffen. Es wäre ein schwerer Fehler, sich nur auf einen
Aspekt des Lissabonner Prozesses, nämlich den der
Strukturreform, zu konzentrieren, wie es heute einige in
dieser Debatte getan haben. Der Lissabonner Prozesses
muss jetzt von uns in seiner Gesamtheit weiterentwickelt
und intensiviert werden.
Konkret heißt das, dass in Barcelona mehrere Prioritäten
erarbeitet werden müssen, von denen einige bereits im
Synthesebericht der Kommission enthalten sind, der in
dieser Woche gebilligt wurde.
Nachfolgend will ich nur einige Beispiele aufzählen,
weil die Zeit nicht ausreicht, um alle Schwerpunkte zu
nennen. Wir fordern verstärkte Anstrengungen, damit
das Ziel, die Erwerbstätigenquote bis 2010 auf 70 % zu
steigern, erreicht werden kann. Hier sind bereits
beachtliche Fortschritte erzielt worden. Außerdem
wollen wir erreichen, dass der Anteil der Erwerbslosen,
der an aktiven Beschäftigungsförderungsmaßnahmen
teilnimmt, in fast allen Mitgliedstaaten auf mindestens
20 % steigt. Wir wollen noch weiter gehen und ein neues
Ziel von 44 %, das ist der Stand in den drei besten
Mitgliedstaaten, festlegen, das innerhalb von fünf Jahren
erreicht werden soll. Innerhalb dieses Zeitrahmens
müssen wir unter anderem Maßnahmen zur Förderung
von Frauen und älteren Arbeitnehmern unterstützen, die
im Arbeitsleben verbleiben können und wollen; wir
müssen die Verfügbarkeit von bezahlbaren und guten
Kinderbetreuungsangeboten verbessern, wir müssen
Ziele für den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit festlegen
und wir müssen das lebenslange Lernen und die
Weiterbildung verstärkt fördern und die Mobilität
steigern. Wir müssen darüber hinaus weitere
Maßnahmen zur Bewältigung des demographischen
Wandels treffen und dazu einen integrierten Ansatz
entwickeln, um sichere Renten für alle zu garantieren.
3-091
Sudre (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr
amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident!
Die spanische Präsidentschaft der Union hat ein Motto
gewählt: mehr Europa. Dieser Wunsch wird von der
großen Mehrheit der Europäer geteilt, die seit dem 1.
Januar bereits eine gemeinsame Währung besitzen. Mehr
Europa darf nicht bedeuten, mehr regelungswütiges,
allgegenwärtiges Europa. Mehr Europa muss im
Gegenteil heißen: mehr politisches Europa dort, wo es
notwendig ist, um auf der internationalen Ebene besser
bestehen zu können, um unseren Wirtschaften zu
36
ermöglichen, an Stärke zu gewinnen und mehr
Arbeitsplätze zu schaffen.
Spanien nimmt seine dritte Unionspräsidentschaft wahr.
Es kann also auf reiche Erfahrungen in diesem Bereich
zurückgreifen, doch vor allem verwirklicht es unter der
Führung der Regierung von José Maria Aznar, dem ich
meine Hochachtung ausspreche, eine erfolgreiche
Innenpolitik, die, wenn sie im europäischen Maßstab
Anwendung fände, sich als äußerst positiv erweisen
würde.
Was den Antiterrorkampf betrifft, so ist es
unglücklicherweise nicht erforderlich, näher auf die
Tragödien einzugehen, die das spanische Volk allzu oft
als Opfer der Barbarei der ETA und deren Komplizen zu
erleiden hat. Daher ist leicht einzusehen, insbesondere
nach den Ereignissen des 11. September, dass die
spanische Präsidentschaft den Kampf gegen den
Terrorismus in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts zu ihrer Priorität gemacht hat.
Doch was die Bürger wirklich von Europa und generell
von den staatlichen Behörden erwarten, ist die
Schaffung der Bedingungen für eine wettbewerbsfähige
Wirtschaft im Interesse des Wohlstands eines möglichst
großen
Teils
der Bevölkerung.
Dies,
Herr
Ministerpräsident, haben Sie in ihrem Land zu erreichen
vermocht. Wir sind sicher, dass Sie es verstehen werden,
die erforderlichen Impulse zu geben, damit das in
Lissabon festgesetzte Ziel der Vollbeschäftigung bis
2010 im Rahmen eines präzisen Zeitplans bereits im
März dieses Jahres in Barcelona bekräftigt und
konkretisiert wird.
Es wird wohl niemanden erstaunen, dass ich als
Volksvertreterin der Insel Reunion den ausdrücklich
angekündigten Willen der spanischen Präsidentschaft
begrüße, die Umsetzung von Artikel 299 Absatz 2 des
Vertrags von Amsterdam fortzuführen, damit die
Besonderheiten dieser Regionen in jeder der
Unionspolitiken Berücksichtigung finden.
Zum Schluss noch eine kleine Präzisierung, Herr
Ratspräsident: Die erste Zusammenkunft des Konvents
findet nicht am Sitz des Europäischen Parlaments in
Straßburg statt, sondern an einem seiner Arbeitsorte, d.
h. in Brüssel.
3-092
Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Präsident, die
spanische Präsidentschaft hat den Kampf gegen den
Terrorismus mit Recht an die erste Stelle gesetzt. Die
spanische Präsidentschaft wies ebenfalls ganz richtig auf
die Bedeutung der Geldwäsche für den Terrorismus hin.
Denn derzeit ist der wirkliche Motor des Terrorismus,
zumindest in Europa, nicht die Ideologie, sondern das
Geld. Wir haben Bedenken, ob es im Rat möglich sein
wird, das Hindernis zu überwinden, das diesem Kampf
gegen den Terrorismus in den Weg gelegt wird, da eine
Regierung die Vorschläge der Gemeinschaft zur
Bekämpfung der Geldwäsche blockiert.
16/01/2002
Des Weiteren, Herr Präsident, hebt die spanische
Präsidentschaft das Problem der Einwanderung und die
Notwendigkeit ihrer Kontrolle hervor. Im Programm der
Präsidentschaft ist auch die Rede von den Gebieten in
äußerster Randlage. Ich möchte diese beiden Probleme
in Zusammenhang setzen und darauf verweisen, dass die
Regionen in äußerster Randlage, auch wenn sie vom
Festland der Gemeinschaft etwas entfernt liegen, doch
zum Hoheitsgebiet der Gemeinschaft gehören, und somit
die illegale Einwanderung in diesen Regionen
kontrolliert werden muss. Ich glaube nicht, dass das
Vorgehen eines bestimmten lokalen Beamten der
geeignete Weg ist: Gratisflugscheine zu vergeben, um
die illegalen Einwanderer von den Kanaren weg mitten
in den Kontinent zu schicken. Wenn jedoch im
Gemeinschaftsbereich keine Maßnahmen ergriffen
werden, könnten sich andere lokale Behörden
gezwungen sehen, das Gleiche zu tun.
Abschließend sei bemerkt, Herr Präsident, dass der Rat
und auch die Kommission in den letzten Jahren
anscheinend vergessen haben, wo Lateinamerika liegt.
Es sieht so aus, als wären die Seekarten verschwunden.
Die spanische Präsidentschaft weist darauf hin, wie
wichtig die Durchführung des Iberoamerikanischen
Gipfels ist, und auch der Herr Präsident betont in seinen
Darlegungen mit Recht die Bedeutung der Hilfe für
bestimmte Länder wie Argentinien und Kolumbien. Ich
halte es für sehr wichtig, dass die spanische
Präsidentschaft erneut das Ruder in die Hand nimmt,
Lateinamerika wieder auf die Seekarten des Kontinents
setzt und, wie im 15. Jahrhundert, mit einer neuen
Überfahrt die Verbindung zwischen der Europäischen
Union und Lateinamerika fördert.
3-093
Maij-Weggen (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident!
Zunächst möchten wir den spanischen Vorsitz herzlich
willkommen heißen.
Herr Ministerpräsident Aznar, wir bringen Ihnen großes
Vertrauen entgegen und wünschen Ihnen viel Erfolg bei
der Verwirklichung Ihrer löblichen Vorhaben für das
kommende Halbjahr.
Eine wichtige Aufgabe besteht meiner Meinung nach
darin, einen reibungslosen Start des Konvents, der
Vorschläge für die Zukunft Europas ausarbeiten soll,
sicherzustellen. Auch kommt es darauf an, dass die
Arbeiten bald aufgenommen werden, und ich bin erfreut
zu hören, dass dies bereits Ende Februar der Fall sein
wird. Sie sprachen heute davon, die Reform der
europäischen Institutionen, die Vertiefung also, sei im
Hinblick auf eine erfolgreiche Erweiterung notwendig.
Darin gehe ich mit Ihnen völlig konform. Des Weiteren
haben Sie sich für mehr Mitentscheidung und mehr
Transparenz ausgesprochen. Auch das findet meine
Unterstützung. Das Europäische Parlament muss zu
einem normalen Parlament mit uneingeschränkter
Legislativbefugnis werden, und der Rat muss in seiner
Eigenschaft als Mitgesetzgeber transparenter arbeiten,
eventuell nach dem Modell des deutschen Bundesrats.
16/01/2002
Ich unterstütze auch die Fürsprache von Herrn Aznar für
ein entschiedeneres Vorgehen gegen den Terrorismus
sowie für eine Verstärkung von Europol. Herr
Ministerpräsident Aznar, Sie haben Recht, wenn Sie
sagen, der Drogenhandel müsse energischer angepackt
werden. Zusammen mit dem Menschenhandel bildet der
Drogenhandel offensichtlich eine der wichtigsten
Finanzquellen des Terrorismus. Diesem Übel muss
unbedingt der Garaus gemacht werden, und hoffentlich
werden Sie darin auch von den Niederlanden unterstützt.
Abschließend noch eine Bemerkung zur Wirtschaftsund Sozialpolitik. Sie sprachen von dem Erfordernis
einer größeren Mobilität auf dem Arbeitsmarkt. In
meinem Land, den Niederlanden, haben wir einen
Arbeitskräftemangel. Wir haben Zehntausende und
wahrscheinlich sogar über Hunderttausende offener
Stellen, für die keine Bewerber zu finden sind. Ich denke
dabei an das Gesundheitswesen und an den öffentlichen
Verkehr. Diese beiden Bereiche sind nicht hinlänglich
funktionsfähig, weil es an Arbeitskräften fehlt. Weshalb
werden keine europäischen Arbeitsverwaltungen
eingerichtet, die untersuchen, in welchen Ländern es zu
wenig Personal gibt und wo ein Arbeitskräfteüberschuss
besteht? Es muss doch möglich sein, mit Hilfe von
Sprachschnellkursen den Millionen Arbeitslosen in
Deutschland dabei behilflich zu sein, beispielsweise in
den Niederlanden eine Beschäftigung zu finden. Wenn
Sie diesbezüglich etwas unternehmen können, helfen Sie
sowohl den Ländern mit einem Arbeitskräftemangel als
auch denen mit einer großen Zahl von Arbeitslosen.
3-094
Roth-Behrendt (PSE). – Herr Präsident! Herr
Ministerpräsident, Sie haben es fertig gebracht, bei den
sechs Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft kein
einziges Wort zum Schutz der Umwelt zu sagen. Ich
gebe zu, das ist eine ehrliche Leistung, auch eine
transparente Leistung. Zu oft habe ich in den letzten
zwölf Jahren von Ratspräsidenten hören müssen, dass
sie in ihren Prioritäten zu Beginn der Ratspräsidentschaft
ankündigen, was sie nicht erfüllen. Sie kündigen es erst
gar nicht an. Das finde ich sehr offen, sehr transparent
und sehr klar. Wenn ich an den Kollegen Salafranca
denke, der vorhin Groucho Marx ins Gespräch gebracht
hat, bin ich ihm sehr dankbar dafür. Auch ich bin an
Groucho Marx erinnert worden, als ich der Rede
zugehört habe, weil ich zugeben muss, dass ich das mehr
als grotesk finde. Groucho Marx steht für das Groteske,
und ich finde es mehr als grotesk, dass die spanische
Ratspräsidentschaft im Jahr des Gipfels von Rio plus 10,
im Jahr des Weltgipfels in Johannesburg, dazu nichts zu
sagen hat.
Herr Aznar, es ist nicht die Sache Ihres
Umweltministeriums, das zu tun, es ist Ihre Sache. Ich
möchte Sie daran erinnern, dass der letzte Gipfel, der
Gipfel in Göteborg, Sie, den Europäischen Rat
aufgefordert hat, auf seiner Frühjahrstagung, also in
Barcelona, zu überprüfen, was noch nötig ist. Sie
müssen also etwas zum Emissionshandel sagen. Sie
müssen sagen, wann Sie das Protokoll von Kyoto
ratifizieren wollen. Sie müssen zum Beispiel sagen,
37
wann Sie vorhaben, die sektoralen Strategien des
sechsten Umweltaktionsprogramms durchzuführen. Das
ist mitnichten eine Sache der Umweltverwaltung in
Ihrem Land, sondern das ist Ihre ureigene
Angelegenheit. Weil wir immer Wert darauf legen, dass
wir eine enge und gute Zusammenarbeit mit dem Rat
haben, biete ich Ihnen, Herr Aznar, dazu Nachhilfe an,
wenn Ihre Regierung das braucht. Ich bin gerne bereit,
Ihnen dazu für meine Fraktion all die Anregungen zu
geben – mit all dem Respekt selbstverständlich -, die
nötig sind, damit Sie Ihre Aufgaben zu Anfang des
Jahres erfüllen können.
(Beifall)
3-095
Carlsson, Gunilla (PPE-DE).  (SV) Herr Präsident!
Herr Ratspräsident Aznar, ich begrüße Ihre
Präsidentschaft! Der endgültige Einzug des Euro ist für
uns
Befürworter
einer
europäischen
Zusammengehörigkeit und wirtschaftlichen Entwicklung
ein feierlicher Augenblick. Nun muss die EU dafür
sorgen, dass der Euro auch die in ihn gesetzten
Erwartungen erfüllt. Aus diesem Grunde ist es von so
großer
Bedeutung,
dass
die
spanische
Ratspräsidentschaft
einem
dynamischen
und
wettbewerbsfähigen Europa Vorrang einräumt.
Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen
Partei Europas, der im Übrigen an dieser Aussprache
recht desinteressiert zu sein scheint, hat nur sehr
verdrießliche Kommentare dazu abgegeben. Tatsache ist
jedoch, dass Sie, Herr Aznar, als Regierungschef durch
die Modernisierung von Verwaltung und Wirtschaft
Spanien zu einem wesentlich dynamischeren Land
gemacht haben. Erhebliche Strukturanpassungen und
Steuererleichterungen haben in Spanien die Hemmnisse
für neue Unternehmen und die Schaffung neuer
Arbeitsplätze
verringert,
was
zu
sinkender
Arbeitslosigkeit und größerem Wohlstand in diesem
Lande geführt hat. Das mag vielleicht unerfreulich sein
für Herrn Barón Crespo, ist aber positiv für die Spanier.
Eine solche Wandlung muss auch innerhalb der EU
erfolgen, wenn man es mit dem Prozess von Lissabon
ernst meint. Die Sozialdemokraten haben von den zehn
Jahren bereits zwei verstreichen lassen. Daher muss die
spanische Ratspräsidentschaft nun den Druck verstärken
und eine Politik des Wohlstandes, der Entwicklung und
der Möglichkeiten für die Menschen in Europa betreiben
und nicht nur davon reden.
Der Erweiterungsprozess befindet sich jetzt in einer
entscheidenden Phase. Ich vertraue darauf, dass Spanien,
das unter einer Diktatur gelebt und Demokratie und
Freiheit durch die europäische Zusammenarbeit
gesichert hat, jetzt dafür sorgen wird, dass der Rat
während der Zeit der spanischen Ratspräsidentschaft
diese Frage nicht vernachlässigt. Ferner gehe ich davon
aus, dass Spanien Europa die gleiche Solidarität und
denselben guten Willen entgegenbringt wie sie diesem
Land seit 15 Jahren erwiesen werden.
38
Schließlich freue ich mich auch auf eine
Ratspräsidentschaft, die den USA mit Freundschaft,
Achtung und Selbstvertrauen gegenübertritt. Ich
wünsche Ihnen viel Glück bei der Umsetzung Ihrer
Pläne!
3-096
Sakellariou (PSE). – Herr Präsident, Herr
Ratspräsident,
Herr
Staatssekretär,
Herr
Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Seit dem außerordentlichen Gipfel von Köln im Juni
1999 verfügt die Europäische Union über eine
europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität, die
zum ersten Mal den Namen „gemeinsam“ wirklich
verdient. Wir haben in diesem Bereich riesige Schritte
vollzogen, die uns erlauben werden, mit der schnellen
Eingreiftruppe, die ab 2003 einsatzbereit sein wird, die
so genannten Petersberg-Aufgaben selbstständig
zumindest auf unserem Kontinent und auf jeden Fall mit
einem entsprechenden UNO-Mandat durchführen zu
können.
Zu Ihren Ausführungen, Herr Ratspräsident, möchte ich
eine kurze Bemerkung anfügen und eine große Bitte an
die spanische Präsidentschaft richten. Zuerst die
Bemerkung: Sie erwähnten die schnelle Eingreiftruppe
auch als ein Instrument gegen den Terrorismus in der
Europäischen Union. Ich denke, in unseren
demokratischen Staaten ist die Bekämpfung des
Terrorismus in erster Linie eine Aufgabe der inneren
Ordnung und der Justiz. Wenn jemals, wie nach dem 11.
September, auch militärische Aktionen notwendig
werden, bleibt das so genannte Prinzip des Rechtsstaats
trotzdem bestehen. Die Bitte an die spanische
Präsidentschaft: Bei militärischen Operationen, die
ausschließlich unter Leitung der Europäischen Union
durchgeführt werden, muss die Möglichkeit gegeben
sein, auf materielle Ressourcen der NATO
zurückzugreifen, speziell im Bereich des Transports und
der Aufklärungskapazitäten sowie zum Teil auch der
Kommandostrukturen.
Es ist wirklich erstaunlich, dass das notwendige
Abkommen zwischen der EU und der NATO wegen des
Widerstandes der Türkei noch nicht zu Stande
gekommen ist. Der Vorschlag, den Großbritannien und
die Vereinigten Staaten ohne Auftrag der EU beim
Gipfeltreffen von Laeken vorgelegt haben, ist untauglich
und inakzeptabel. Deswegen bitte ich, dass die spanische
Ratspräsidentschaft dafür sorgt, dass wir ein Abkommen
mit der NATO bekommen, damit unsere Sicherheitsund Verteidigungspolitik sichergestellt ist.
(Beifall)
16/01/2002
zweite bedeutende Ereignis, der 11. September, hat uns
– falls dies noch notwendig war – vor Augen geführt,
welche neuen Gefahren die Welt bedrohen. Mit dieser
zweifachen Herausforderung muss die spanische
Präsidentschaft fertig werden. Indem sie den
Antiterrorkampf in den Vordergrund ihres Programms
stellt, kommt die spanische Präsidentschaft auch den
Anforderungen eines Europas nach, das zu einem Raum
der Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit für alle
europäischen Bürger werden muss. Es muss in der Tat
alles auf europäischer Ebene getan werden, um die
rechtsstaatlichen Instrumente mit der Einführung des
europäischen Haftbefehls, der Sicherstellung von
Vermögensgegenständen,
der
gegenseitigen
Anerkennung von Gerichtsentscheidungen und dem
Aufbau von Eurojust zu stärken.
Doch um den Erwartungen unserer Mitbürger gerecht zu
werden, müssen wir uns einer zweiten Herausforderung
stellen. Es gilt, ein starkes und machtvolles politisches
und damit demokratisches Europa aufzubauen. Die
spanische Präsidentschaft kann sich zweckmäßigerweise
auf die Arbeiten des Konvents stützen, um endlich eine
Vereinfachung der Verträge zu erreichen, um auf eine
klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der
Europäischen Union und den Mitgliedstaaten
hinzuarbeiten, doch vor allem um rasch die
Entscheidung zur Erarbeitung einer europäischen
Verfassung herbeizuführen.
Ich weiß, mit welcher Entschlossenheit die spanische
Präsidentschaft alle diese Fragen in Angriff nehmen
wird. Das uns heute vorgestellte Arbeitsprogramm wird
den vor uns stehenden Herausforderungen gerecht. Wir
kennen Ihre Vorstellungen, wir kennen Ihre
Entschlossenheit, und darum vertrauen wir Ihnen.
3-098
Miguélez Ramos (PSE). – (ES) Herr Präsident, morgen
wird dieses Parlament die Entschließung zum Grünbuch
der Kommission über die Zukunft der Gemeinsamen
Fischereipolitik verabschieden, in dem ihre Zukunft
skizziert wird.
Ich würde mir wünschen, dass das von der spanischen
Präsidentschaft gewählte Motto „Mehr Europa“ in
diesem Jahr der Reform seinen Niederschlag in der
definitiven Integration der Fischerei in den Binnenmarkt
findet, wie ich mir auch eine GFP mit größerer
Beteiligung wünsche, eine GFP, an deren Definition und
Durchsetzung nicht nur die Zentralregierungen, sondern
auch die Regionen beteiligt sind, wenn es um Fragen
geht, in denen sie die Zuständigkeit für die Fischerei
haben, und wo natürlich auch die Wirtschafts- und
Sozialakteure präsent sind.
3-097
De Sarnez (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Spanien
übernimmt die Präsidentschaft der Europäischen Union
zu einem historischen Zeitpunkt des europäischen
Einigungswerks, der von zwei bedeutenden Ereignissen
gekennzeichnet ist. Erstens haben die europäischen
Völker heute den Euro in den Händen. Dies ist ein
grandioser Erfolg, der uns verpflichtet, rasch das
politische Europa, das sie brauchen, aufzubauen. Das
Die Fischerei bewegt sich, wie die Wirtschaft insgesamt,
im Rahmen internationaler Parameter. Bei ihrer Reform
darf diese Realität nicht außer Acht gelassen werden.
Dagegen sehen wir mit Sorge, wie der Zugang der
Gemeinschaftsflotte zu den Außengewässern immer
weiter eingeschränkt wird und wie unsere Flotte
Fanggebiete verliert, anstatt neue zu gewinnen. In sechs
16/01/2002
Monaten werden wir diese Präsidentschaft an ihren
Ergebnissen messen können und sehen, ob es ihr
gelungen ist, diese Tendenz umzukehren.
Angesichts der Bedeutung dieser Wirtschaftstätigkeit für
zahlreiche europäische Regionen, in ihrer Mehrheit in
Randlage und Ziel-1-Gebiete, und aufgrund ihrer Rolle
als Element der wirtschaftlichen Integration und sozialen
Kohäsion ersuchen wir, sie als prioritäres Ziel zu
berücksichtigen, wenn es um die Gestaltung der
Strategien zur Wahrung des europäischen Sozialmodells
geht, die Sie in Ihrer Rede genannt haben. Es wäre zu
wünschen, dass Sie hier ausdrücklich diese
Verpflichtung eingehen und so diesem Sektor helfen,
Kampfkraft und Vertrauen zurückzugewinnen.
3-099
Elles (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte auf
einen Aspekt dieser Debatte eingehen, nämlich dem der
langfristigen Glaubwürdigkeit der Organe der
Europäischen Union.
39
(FR) „Daher wird sie [die Präsidentschaft] sich in
Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen des
Europäischen Rates von Laeken bemühen, eine Debatte
über die vom Generalsekretär vor Barcelona vorgelegten
Vorschläge anzuregen, damit der Europäische Rat von
Sevilla aus diesen Vorschlägen die operationellen
Schlussfolgerungen ziehen kann.“
3-101
Ist es im Interesse eines Prozesses echter demokratischer
Willensbildung möglich, dass wir im Parlament zu den
Dokumenten konsultiert werden, die Sie dem Rat in
Barcelona und Sevilla vorlegen werden? Außerhalb der
Europäischen Union wird der Rat häufig als „Kreml des
Westens“ bezeichnet, als einer der letzten Orte, an denen
die Rechtsetzung noch hinter verschlossenen Türen
stattfindet und wir als Parlamentarier würden es
begrüßen, wenn Sie sich der Realität stellen würden.
(Beifall)
3-102
Herr Ratspräsident, Sie sind heute hierher gekommen,
um Ihr Engagement für eine umfassendere
demokratische Kontrolle zum Ausdruck zu bringen. Wir
begrüßen dies sehr. Außerdem haben Sie sich bereit
erklärt, dem Haus im Laufe Ihres Vorsitzes noch
mehrmals Rede und Antwort zu stehen.
Seit Mitte der 80er Jahre bemühen wir uns über die
Änderung der Verträge intensiv um die stärkere
Einbeziehung des Parlaments in den Prozess der
demokratischen Willensbildung. Vor der nächsten
Vertragsänderung im Jahr 2004 und vor der Europawahl
im selben Jahr müssen wir jedoch größere Fortschritte
bei der Reform aller Organe der Europäischen Union
erreichen.
Kommissionspräsident Prodi hat sich mit großem Eifer
dafür eingesetzt, dass Personen auf der Grundlage ihrer
Leistung befördert werden können und dass
verschiedene Bestimmungen und Vorschriften geändert
werden. Diese Änderungen sollen dem Haus in den
nächsten Monaten vorgelegt werden. Das Problem ist
nur, dass nur sehr wenige Personen in diesem Haus oder
außerhalb über die in der Kommission durchgeführten
Änderungen informiert sind. Wir würden uns freuen,
wenn wir ein Dokument über die aktuellen
Veränderungen erhalten würden, damit wir wissen, wie
der derzeitige Stand ist.
Herr Parlamentspräsident, Sie haben eine umfassende
Reform der Arbeitsverfahren im Parlament zugesagt. Da
Sie erst 24 Stunden im Amt sind, können wir noch keine
Änderungen erwarten, aber Sie können bei
tiefgreifenden Veränderungen, insbesondere im Hinblick
auf den Haushaltsplan des Parlaments für 2003, auf
unsere Unterstützung zählen.
Abschließend möchte ich auf Ihre Ausführungen, Herr
Ratspräsident, eingehen. Sie haben in Ihrem Programm
erklärt, dass:
3-100
Sauquillo Pérez del Arco (PSE). – (ES) Herr Präsident,
unter den Prioritäten der spanischen Präsidentschaft
habe ich eine solidarischere europäische Politik mit der
übrigen Welt vermisst. Als Koordinatorin der Fraktion
der Sozialdemokratischen Partei Europas bitte ich um
eine nähere Erläuterung Ihrer Absichten im Hinblick auf
die soziale Entwicklung und den Abbau der Armut, die
von der Kommission, dem Parlament und den
vorangegangenen Präsidentschaften als Ziele definiert
wurden.
Sie haben die Internationale Konferenz von Monterrey
erwähnt. Welchen Standpunkt werden Sie zu den zu
finanzierenden Maßnahmen einnehmen? Durch wen sind
sie zu finanzieren? Wird das Ziel von 0,7 % des BIP, das
auf dem letzten Rat „Entwicklung“ von den meisten
Mitgliedstaaten bestätigt wurde, Ihre Unterstützung
finden? Wie werden Sie die Zusammenarbeit mit
Lateinamerika und den Mittelmeerländern gestalten, mit
einem Gesamtkonzept von kommerziellen Beziehungen
und der Bekämpfung der Armut? Wie wird der
Standpunkt zu den Verpflichtungen sein, die mit den
Programmen der Vereinten Nationen zur Bildung und
Gesundheit für alle eingegangen wurden? Welche
Stellung beziehen Sie zu den gegenwärtigen Konflikten
in Afrika? Ich hoffe, dass Sie bei allen diesen Fragen mit
dem Europäischen Parlament sowie mit der
Zivilgesellschaft und den NRO rechnen.
Herr Aznar, ich wünsche Ihnen eine für Europa
fruchtbringende Präsidentschaft.
3-103
Bodrato (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Präsident
Aznar hat ein klares Ziel für dieses Halbjahr der
spanischen Ratspräsidentschaft gewiesen – nämlich
„mehr Europa“ –, und er hat erläutert, wie er dieses
Programm umzusetzen gedenkt. Aufgrund der
Zeitknappheit müssen wir uns auf wenige Fragen
konzentrieren und uns kurz fassen. Die erste Frage
betrifft den Konvent, der das Projekt der
Grundrechtecharta
vollenden
soll,
indem
die
40
Gemeinschaftsmethode
und
die
föderalistische
Perspektive als Garant für politische Demokratie,
wirtschaftliche Integration und sozialen Zusammenhalt
gefördert werden.
Die zweite Frage betrifft die Reformen von Lissabon,
die nunmehr mit der Einführung des Eurobargelds
verflochten sind. Die gemeinsame europäische Währung
festigt den Binnenmarkt und ist ein entscheidender
Schritt zur politischen Union und zu einer gemeinsamen
Wirtschaftspolitik. Die Einheitswährung stärkt die
Position Europas im Globalisierungsprozess, doch sie
nimmt den nationalen Systemen die Möglichkeit,
Wettbewerbsfähigkeit
durch
Abwertung
zurückzuerlangen. Der Stabilitätspakt muss eingehalten
werden. Die Erholung von Wirtschaft und Beschäftigung
setzen daher voraus, dass die Strukturreformen, die
Kommissionspräsident Prodi präzise in Erinnerung
brachte, mit der notwendigen Entschlossenheit
fortgeführt werden. Diese Strategie muss mit den
allgemeineren
Zielen
der
Integration,
des
Zusammenhalts
und
der Harmonisierung der
verschiedenen Politikbereiche, die entscheidenden
Einfluss auf das europäische Sozialmodell haben, im
Einklang stehen. Es ist nicht leicht, eine Balance bei der
Verfolgung scheinbar gegensätzlicher Ziele zu finden,
doch das gerade ist die Herausforderung, der wir uns in
diesem Augenblick stellen müssen.
Die dritte Frage betrifft den „politischen“ Beitrag, den
Europa zum Kampf gegen den Terrorismus zu leisten
vermag, in dem sich seit dem 11. September alle großen
Demokratien engagieren. Ich möchte besonderen
Nachdruck
auf
die
Wiederbelebung
der
Mittelmeerpolitik und auf Friedensinitiativen im Nahen
Osten legen und darauf hinweisen, dass Spanien in
diesen Bereichen vielfach eine führende Rolle gespielt
hat.
Schließlich stimme ich Präsident Aznar und seinem
Versprechen zu, Argentinien Priorität einzuräumen,
denn dieses Land leidet an einer Krise, die sogar die
Demokratie bedroht und Auswirkungen auf die ohnehin
schwierige Lage in anderen lateinamerikanischen
Ländern haben könnte.
3-104
Hernández Mollar (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident,
als letzter Redner möchte ich dem Herrn Ratspräsidenten
dafür danken, dass er an der gesamten Aussprache
teilgenommen hat.
In dieser kurzen Rede möchte ich auch insbesondere
meine persönliche Genugtuung darüber zum Ausdruck
bringen, dass heute vor diesem Hohen Haus gerade der
Präsident der spanischen Regierung, José María Aznar,
auftritt, der schon lange vor den Ereignissen des
11. September die Verteidigung der Freiheit und den
Kampf gegen jene, die sie bedrohen, die terroristischen
Mörder, zu einem Leitmotiv seines politischen Handelns
gemacht hat. Die Ergebnisse dieser politischen Aktion
auf europäischer Ebene können nicht hoffnungsvoller
sein.
16/01/2002
Ferner,
Herr
Ratspräsident,
benötigt
die
Einwanderungspolitik der Union Ihren Impuls und Ihre
Sensibilität gegenüber einer solch brennenden Frage,
die, wie ich weiß, zu den Zielen der Präsidentschaft
gehört. Ich denke da beispielsweise an die
unausweichliche Notwendigkeit, ein Gemeinschaftsrecht
in die Wege zu leiten, das so wichtige Aspekte wie die
Familienzusammenführung, das Asylverfahren oder die
Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelt, um
eine Regelung der Migrationsströme zu erreichen, durch
die solche Leute wirksam bekämpft werden, die mit der
menschlichen Not Geschäfte machen und die die
tragischen Todesfälle provozieren, wie sie sich in
einigen Teilen Europas, so an den Küsten Andalusiens
und Spaniens, zugetragen haben.
3-105
Der Präsident. – Bevor ich dem nächsten Redner das
Wort erteile, bitte ich die Kollegen im Haus, ihre Plätze
einzunehmen, so dass wir die Ausführungen des
Ratsvorsitzes in einer der Würde des Parlaments
angemessenen Weise verfolgen können.
3-106
Aznar, Amtierender Präsident des Rates. – (ES) Vielen
Dank, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich
danke für alle Reden, die im Laufe dieser Sitzung
vorgetragen wurden und denen ich mit höchster
Aufmerksamkeit zugehört habe. Ich möchte Ihnen
sagen, dass ich ohne Zweifel viele der hier geäußerten
Absichten teile. Ich teile auch viele Ihrer Sorgen, und es
darf dabei niemanden verwundern, dass ich einige Dinge
gehört habe, mit denen ich nicht direkt einverstanden
bin. Aber ich habe allgemein das Gefühl, dass die
Fragen, Ziele und Bestrebungen, die wir, die
verschiedenen Institutionen und insgesamt die
europäischen Bürger, heute teilen, in ihren wesentlichen
Aspekten in dem Maße für die Zukunft angestoßen
werden oder angestoßen werden können, wie wir unsere
Ideen, unsere Projekte umsetzen.
Ich möchte als Erstes die Bedeutung des institutionellen
Dialogs und innerhalb des institutionellen Dialogs
einmal mehr mein eigenes Engagement hervorheben.
Wir werden Gelegenheit haben, über diesen
europäischen Impuls und auch über die Arbeiten der
spanischen Präsidentschaft zu sprechen, sowohl im März
nach dem Europäischen Rat von Barcelona als auch im
Juni nach dem Europäischen Rat von Sevilla, abgesehen
natürlich von dem Auftreten der verschiedenen
Mitglieder der spanischen Regierung in den
unterschiedlichen parlamentarischen Instanzen dieser
Institution.
Es sei bemerkt, dass ich als Präsident nichts dagegen
habe, den Bitten oder Forderungen einiger Abgeordneter
nachzukommen und eine Arbeitsgruppe für den
interinstitutionellen Dialog zu schaffen, die den Rat, das
Parlament und die Kommission umfasst und demzufolge
die Möglichkeit bietet zu prüfen, wie unsere Arbeiten
funktionieren. Ich glaube, dass die Kommission keine
Einwände erhebt. Insofern bin ich mir also einiger Ihrer
Sorgen bewusst und teile sie, wie die Behandlung von
16/01/2002
Dokumenten des zweiten und dritten Pfeilers. Diese
Frage muss mit allen Garantien gelöst werden, die die
Umstände, die Tatsachen und die heikle Materie
erfordern, wie das in so vielen nationalen Parlamenten
üblich
ist,
mit
Sicherheitsgarantien
und
Vertraulichkeitsgarantien. Gewiss können wir in vielen
dieser Fragen vorankommen, und folglich wird es
seitens des Ratsvorsitzes keine Probleme in Bezug auf
die Schaffung dieser interinstitutionellen Arbeitsgruppe
geben.
Wenn Sie mir gestatten, möchte ich mich in meiner
Rede nur auf die Ziele und das Programm der
Präsidentschaft konzentrieren. Ich glaube, vor uns liegt
eine sehr wichtige Chance für die Europäische Union,
ein wahrhaft bedeutsamer historischer Moment. Meiner
Ansicht nach bietet sich uns eine Gelegenheit, die wir
nicht ungenutzt verstreichen lassen dürfen. Sie kommt
zumindest in mehreren Umständen zum Ausdruck. Die
Realität der Welt hat sich nach dem 11. September auf
dramatische Weise verändert. Priorität haben heute
weltweit der Kampf gegen den Terrorismus und die
Sicherheit. Dieser Wandel nach dem 11. September führt
weltweit zu grundlegenden strategischen Änderungen,
die die Welt der Zukunft bestimmen werden. Darüber
müssen die europäischen Institutionen nachdenken,
miteinander reden und eine Position für die Zukunft
beziehen. Die Europäische Union als solche mit ihren
verschiedenen Institutionen darf bei der Reflexion über
die strategischen Veränderungen, die sich in der Welt
vollziehen werden, und bei der Mitwirkung an ihnen
nicht abseits stehen.
Zum Zweiten ist es eine sehr wichtige Gelegenheit aus
wirtschaftlicher Sicht. Und das aus verschiedenen
Gründen. Erstens, weil wir erstmals über den Euro
verfügen,
unsere
Einheitswährung,
die
eine
Stabilitätsgarantie darstellt und ein großer Erfolg ist.
Zweitens, weil unsere Volkswirtschaften aus Gründen,
auf die ich später eingehen werde, weiter auf starke
Reformen setzen müssen. Drittens, weil wir
konjunkturell
Momente
eines
wirtschaftlichen
Abschwungs erleben und uns zweifellos einer sehr
großen Chance zur Erholung unserer Wirtschaften
begeben werden, wenn wir nicht in der Lage sind, die
Euro-Einführung
zu
nutzen,
um
den
Wirtschaftsreformen einen Impuls zu verleihen.
Der dritte Aspekt, der herausgestellt werden muss, ist
die Tatsache, dass wir kurz vor dem Abschluss einer
Operation von fraglos außerordentlicher Tragweite
stehen, die wir als Erweiterung oder Ausdehnung, wie
auch immer, bezeichnen können, die aber letztendlich
die große politische Operation der Wiedervereinigung
Europas darstellt, und dies ist ein Ziel, das für sich allein
genommen in der Tat die Ambitionen einer politischen
Generation ausfüllen würde, die fähig ist, auf die
europäische Geschichte zurückzublicken, und der es ein
Anliegen ist, unsere Zukunft zu planen und sinnvoll zu
gestalten.
Schließlich sind wir uns bewusst, dass wir eine
institutionelle Reform durchführen müssen, und dazu
41
haben wir den Konvent und eine Regierungskonferenz
vorgesehen.
Alle diese Ambitionen bieten uns eine entscheidende
Chance. Ich möchte diesem Europäischen Parlament
versichern, dass sich die spanische Präsidentschaft dieser
Ambition verpflichtet fühlt, teilen und gleichzeitig
geschlossen daran arbeiten wird, unsere Ziele mit
höchster Effizienz zu erreichen. Deshalb haben wir
einige Prioritäten dargelegt, zu denen ich im Hinblick
auf Ihre Beiträge ganz kurz einige Bemerkungen machen
möchte.
Erstens, was den Kampf gegen den Terrorismus
anbelangt; dieser Kampf ist nicht mehr ein Problem
einiger Weniger, sondern ein Problem aller. Manch einer
mag ihm mehr Aufmerksamkeit widmen als andere, aber
es ist eine gemeinsame Verantwortung. Natürlich, und
das habe ich gesagt, schätze ich die diesbezüglich vom
Europäischen Parlament durchgeführten Arbeiten und
unternommenen Anstrengungen hoch ein. Wir dürfen
den Kampf gegen den Terrorismus nicht nur isoliert
betrachten, sondern müssen ihn auch im Zusammenhang
mit der Schaffung des Raums der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts und mit den Verpflichtungen von
Tampere sehen, die Bestandteil dieser Realität eines
stärker integrierten Europa sind, das wir für die Zukunft
errichten wollen.
Verschiedene Redner und speziell Herr Poettering haben
Entschlossenheit im Kampf gegen den Terrorismus
gefordert. Das ist richtig. Man muss sich fragen, ob die
Europäische Union in diesem historischen Moment ganz
allgemein den Umständen gewachsen war. Ich glaube,
dass dies durchaus der Fall war, dass der europäische
Haftbefehl – der übrigens von den fünfzehn
Mitgliedstaaten der Union getragen wird –, der Kampf
gegen
die
Finanzierung
der
terroristischen
Organisationen und die Erarbeitung einer Liste von
Organisationen und Personen, die den Terrorismus
unterstützen, außerordentliche Schritte sind. Ich hoffe
und wünsche, dass das Europäische Parlament in seiner
Sitzung am 5. Februar ebenfalls einen endgültigen
Schritt in dieser Richtung unternimmt.
Wie soll das erfolgen? Den Ausgangspunkt müssen die
Garantien des Rechtsstaats bilden. Sie haben völlig
Recht, meine Damen und Herren, wenn Sie sagen, dass
der Rechtsstaat und unsere Freiheiten uneingeschränkt
garantiert werden müssen. Und man sollte wirklich
gerade zum jetzigen Zeitpunkt nicht vergessen, dass die
Demokratien dies garantieren und dass diejenigen, die
den Terrorismus praktizieren oder unterstützen, gerade
dies zerstören und beseitigen wollen.
(Beifall)
Die Wahrung der Demokratie durch den Rechtsstaat ist
unsere beste Garantie. Es darf keine Grauzonen geben –
und es gibt sie nicht –, wenn gegen den Terrorismus
gekämpft wird, da es keine Grauzonen zwischen dem
Leben und dem Tod, zwischen der Legalität und der
Illegalität, zwischen der Achtung der Gesetze und der
42
Komplizenschaft mit dem Terrorismus gibt. Aber es ist
eine eindeutige Verteidigungsbereitschaft vorhanden,
falls erforderlich, im internationalen Maßstab durch die
internationale Koalition und, wenn dies notwendig ist,
durch das interne Engagement mit der internationalen
Unterstützung aller Kräfte, damit unsere Freiheiten und
unser Rechtsstaat den Sieg davontragen. Dazu müssen
wir weiter operativ an den Fragen im Zusammenhang
mit der Sicherheit, den Geheimdiensten, der
Kooperation zwischen den Streitkräften, mit den
gemeinsamen Ermittlungsteams und auch den
gemeinsamen gerichtlichen Fragen arbeiten, die ein
entscheidender
Bestandteil
des
europäischen
Integrationsprozesses sind.
Wenn wir uns einig sind und den Terrorismus als eine
der größten Bedrohungen ansehen, die es gegenwärtig
für unsere Zivilisation gibt, werden wir den Terrorismus
als ein Ziel in die Definition der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik
der
Europäischen
Union
aufnehmen müssen. Mir scheint, dass dieser Aspekt sehr
wichtig ist und als ganz besonderer Punkt zumindest in
zwei Fällen sehr relevanter Beziehungen für die
Europäische Union behandelt werden muss: zum einen
mit den USA, mit denen auch auf strafrechtlichem
Gebiet zu sprechen ist, natürlich unter Respektierung
unserer Auslieferungen und unter Beibehaltung unserer
klaren Haltung gegen die Todesstrafe oder für die
Rechtmäßigkeit der Gerichte und aller Verfahren, die
gegen eine beliebige Person geführt werden können.
Aber sprechen müssen wir darüber.
Und wir müssen auch mit Russland sprechen, um einige
Konsequenzen aus Ihrer Sorge um die Bedeutung der
Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus zu
ziehen.
3-107
Der Präsident. – Bitte entschuldigen Sie, Herr
Ministerpräsident, dass ich Sie unterbreche.
Kollegen, ich muss darauf bestehen, dass Sie Ihre Plätze
einnehmen und sich dabei ruhig verhalten. Ich weise die
Saaldiener an, allen Abgeordneten, die sich unterhalten,
aufzufordern, ihre Plätze einzunehmen oder den Saal zu
verlassen.
(Beifall)
Wir können bei einem Anlass wie diesem nicht arbeiten,
wenn im Plenum unzumutbare Zustände herrschen!
3-108
Aznar, Amtierender Präsident des Rates. – (ES) Herr
Präsident, wir können in diesem Zusammenhang
Fortschritte bei der Ingangsetzung des Internationalen
Strafgerichtshofs und der Verbesserung der Instrumente
der internationalen Rechtssicherheit erzielen. Aber zu
diesem Kapitel des Kampfes gegen den Terrorismus
möchte ich abschließend etwas ganz deutlich sagen:
Vergessen wir niemals die moralische Lektion der Opfer
– ich weiß, dass die übergroße Mehrheit dieses Hohen
Hauses sie nicht vergisst –, und vergessen wir niemals,
worin unsere grundlegenden Verpflichtungen bestehen.
16/01/2002
Den Terrorismus nicht zu verurteilen und von Dialog zu
sprechen, den Terrorismus zu unterstützen und von
Dialog zu sprechen, zu morden und von Dialog zu
sprechen, ist nicht nur ein Fehler, sondern eine
Beleidigung des gesunden Menschenverstands und des
Andenkens der Menschen, die ihr Leben gegeben haben
oder es in diesem Moment zur Verteidigung der
Menschenrechte, der Freiheiten, des Rechtsstaats und
der Demokratien, speziell in bestimmten Ländern,
riskieren.
(Beifall)
Die zweite Frage, auf die ich eingehen möchte, betrifft
die Tatsache, dass der Euro ein europäischer Erfolg ist
und wir deshalb in diesem Kreis vielleicht eine mehr
oder weniger lange Liste mit Namen möglicher
Protagonisten oder Personen aufführen können, die im
Zusammenhang mit dem Euro ein Recht auf
Anerkennung haben. Aber vor allem ist es natürlich ein
Erfolg Europas, der europäischen Gesellschaft, ihrer
Institutionen und der europäischen Bürger. Ein Erfolg
derjenigen, die die Idee hatten und sie vorangebracht
haben, die sie ausgeführt und in die Praxis umgesetzt
haben, und wir möchten vor allem, dass es ein Erfolg für
die Zukunft Europa wird.
Ich meine, der Euro ist kein Ziel-, sondern ein
Ausgangspunkt, damit es uns nach der Sanierung
unserer Volkswirtschaften in Europa – einem Prozess,
der beibehalten und fortgesetzt werden muss – gelingt,
mit dem Ehrgeiz der Strategie von Lissabon, das heißt,
einem
wettbewerbsfähigeren
Europa
mit
Vollbeschäftigung und größeren Möglichkeiten, unseren
Wohlstand
zu
entwickeln
und
unsere
Zukunftsmöglichkeiten in der Welt zu verbessern. Darin
besteht unsere klare Aufgabe. Daher ist es ganz
lebenswichtig für Europa, die Einführung des Euro mit
dem Prozess der Wirtschaftsreformen zu verbinden und
dies in den Zeithorizont des Europäischen Rates von
Barcelona einzuordnen.
Ich möchte Ihnen nur kurz einige Zahlen ins Gedächtnis
rufen. Während der neunziger Jahre verzeichneten die
USA jedes Jahr, mit einer einzigen Ausnahme, ein
Wachstum von über 3 %. In den neunziger Jahren
verzeichnete die Europäische Union jedes Jahr, mit einer
einzigen Ausnahme, ein Wachstum von unter 3 %. Wie
ich in meiner Rede sagte, hat die Europäische Union
beim Einkommen im Vergleich mit den USA sechs
Prozentpunkte
eingebüßt.
Die
Fähigkeit
zur
technologischen Erneuerung und die Kapazität für
europäische Investitionen in den USA, für die es dort
bessere Bedingungen als in den europäischen Ländern
gibt, hat eine tiefgreifende Krisenwirkung in den
europäischen Wirtschaften hervorgerufen.
Wir würden meiner Meinung nach einen Fehler
begehen, geständen wir uns nicht ein, dass es neben den
Faktoren der derzeitigen Wirtschaftskrise strukturelle
Faktoren gibt, die unsere Aufmerksamkeit erfordern.
Daher ist Barcelona jetzt, nach der Einführung des Euro,
16/01/2002
eine ganz grundlegende Herausforderung. Wofür? Um
die Erreichung des Ziels der Vollbeschäftigung zu
ermöglichen.
Wenn Sie mir den Ausdruck gestatten, so gehöre ich zu
jenen, die weiterhin glauben, dass die beste
Sozialpolitik, die beste Politik der Solidarität und auch
die Politik des gesunden Menschenverstands diejenige
ist,
die
Arbeitsplätze
schaffen
und
das
Wirtschaftswachstum fördern kann, und dass die
Gesellschaften dadurch zu mehr Wohlstand, mehr
Gerechtigkeit, Solidarität und Gleichheit gelangen.
(Beifall)
Genau darum geht es. Deshalb sprechen wir über den
Verkehr, die Energie, den Finanzplan. Ich hoffe, dass die
Kommission und das Parlament tatsächlich ihre letzten
Differenzen ausräumen und den Finanzaktionsplan
aufstellen können. Deshalb sprechen wir über Bildung,
über Beschäftigung. Dies ist in der Tat die Methode, um
für ein Europa zu arbeiten, das größere
Wettbewerbsfähigkeit und Fortschritt vereint. Tun wir
dies nicht – das ist mein persönlicher Eindruck –, dann
wird es eine wirtschaftliche Erholung in den USA geben,
die in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und aus der Sicht
der Beschäftigung und der Wirtschaft erneut einen
großen Vorsprung erzielen werden. Dies darf niemand
so verstehen, dass etwa das europäische Sozialmodell
nicht gewahrt bleibt oder in Frage gestellt wird. Die
einzige Möglichkeit, die wir haben, um das europäische
Sozialmodell zu erhalten, besteht darin, es nachhaltig,
durchführbar und finanzierbar zu machen, und das wird
durch Wachstum und Beschäftigung gelingen, Rezepte,
die wir zweifellos unterstützen müssen.
(Beifall)
Ich habe bereits mein eindeutiges Engagement für die
Erweiterung angesprochen. Hierbei geht es mir um drei
konkrete Fragen. Es ist möglich und wünschenswert,
dass die Erweiterung stattfindet, und wir müssen darauf
hinarbeiten, dass dieses Ziel am 31. Dezember dieses
Jahres erreicht wird. Drei grundlegende Bedingungen
sind dabei zu beachten. Erstens das Prinzip der
Differenzierung: Aufgenommen werden müssen die
Kandidatenländer, die entsprechend vorbereitet sind.
Zweitens die Respektierung des Besitzstands der
Gemeinschaft: Der Besitzstand der Gemeinschaft darf
nicht in Frage gestellt werden, wenn die Termine der
Erweiterung eingehalten werden sollen; und drittens die
Einhaltung der Agenda 2000, der in Berlin festgelegten
Verpflichtungen, welche die Grundelemente der
Erweiterung enthalten und erklären. Wenn diese drei
Säulen respektiert werden, dann können die
Verhandlungskapitel und die gemeinsamen Standpunkte
in die historische Operation der Erweiterung münden.
Man wird in der unmittelbaren Zukunft reformieren und
Entscheidungen treffen müssen, aber wir werden der
großen politischen Operation der Erweiterung einen
bedeutenden Dienst erwiesen haben.
43
Diesbezüglich möchte ich auf eine Frage eingehen, die
viel hiermit zu tun hat: die Einsetzung des Konvents, die
institutionellen Reformen und der Gedanke von mehr
Europa. Meine Damen und Herren, ich glaube an das
integrierte Europa und das Europa der Vielfalt. Ich
verstehe, dass manche Menschen vielleicht denken,
mehr Europa, ein stärker integriertes Europa würde die
rechtspolitische Realität oder die Nationalstaaten, so wie
wir sie heute kennen, beseitigen. Dem ist nicht so. Das
integrierte Europa, das uns bis hierher geführt hat, ist
etwas historisch Neues und stellt einen großen Erfolg
dar, und wir müssen fähig sein, es in seiner Vielfalt zu
bewahren. Jeder einzelne Nationalstaat muss auf
demokratische Weise seine Zuständigkeiten zwischen
dem Nationalstaat, den Gemeinschaften oder Regionen
und den lokalen Gewalten verteilen.
Es wird die Aufgabe der Europäischen Union als
Staatengemeinschaft sein, die Wege der Mitbestimmung
zu suchen. Aber wir dürfen natürlich weder die Prismen
noch die Möglichkeiten verwechseln, und wir dürfen
auch nicht institutionell etwas an dem ändern, was
Europa Garantien der Sicherheit, des Wohlstands, der
Freiheit und des wirtschaftlichen Erfolgs gegeben hat.
Von nun an wird der Konvent unter den vereinbarten
Bedingungen seine Arbeiten durchführen müssen, und
die Regierungskonferenz im Jahre 2004 wird in
Vertretung der Mitgliedstaaten das Ihre tun müssen.
Abschließend möchte ich kurz auf Fragen im
Zusammenhang mit der Außenpolitik und der
gemeinsamen Sicherheit eingehen und bemerken, dass
die Entwicklung des zweiten Pfeilers, nachdem die
europäische Sicherheitspolitik für tragfähig erklärt
wurde, absolut grundlegend ist. Ich stimme mit dem
Abgeordneten überein, der hier sagte, dass man die
entsprechenden operativen Übereinkommen mit dem
Atlantischen Bündnis erreichen kann. Es ist ganz
entscheidend, in einem Europa, das in der sicherheitsund verteidigungspolitischen Realität nicht existent ist
und das sich Tag für Tag bitter über seine Nichtexistenz
beklagt, zu diesen Übereinkommen zu gelangen. Und
ich hoffe, dass die Mitgliedstaaten, die eine größere
Verantwortung
beim
Zustandekommen
solcher
Übereinkommen haben, genügend Einsicht haben, um
dies in naher Zukunft zu tun.
Wir müssen und können mehr Verantwortung im
Sicherheitsbereich übernehmen, und natürlich ist dies
auch eine unserer wichtigsten Aufgaben mit Blick auf
die Zukunft. Wenn davon gesprochen wird, welche
möglichen strategischen Elemente von Prioritäten es
gibt, so habe ich die USA und Russland genannt und
möchte das nicht wiederholen. Ich will meine
Überzeugung darlegen, meine Damen und Herren: In
diesem Dialog mit den USA und in diesem Dialog mit
Russland geht es wesentlich um die Zukunft unserer
europäischen Landsleute. Im Übrigen werden wir noch
viele weitere wichtige Fragen zu besprechen haben, eine
davon ist der Mittelmeerdialog. Das ist nicht nur ein
Impuls seitens einer spanischen Präsidentschaft, sondern
eine lebenswichtige Notwendigkeit im Europa des Euro
und im Europa der Erweiterung. Um nicht noch weiter
44
16/01/2002
auszuschweifen  ich bitte um Entschuldigung, Herr
Präsident , möchte ich nur eine Zahl nennen, weil
mehrfach die Begriffe Solidarität und Entwicklung
erwähnt wurden.
Wollen die Anrainerländer des Mittelmeers ihr
gegenwärtiges Niveau im Hinblick auf Beschäftigung
und Ressourcen beibehalten, müssen sie innerhalb von
zehn Jahren 40 Millionen Arbeitsplätze geschaffen
haben. Das ist eine Herausforderung aus der Sicht des
Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Lage
der Länder südlich des Mittelmeers. Es ist eine generelle
Herausforderung für alle europäischen Länder. Und wir
würden gut daran tun, intensiv darüber nachzudenken,
inwieweit wir in der Lage sind, uns diesen
Herausforderungen zu stellen.
***
Bericht (A5-0463/2001) von Herrn Bushill-Matthews
im Namen des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik über
allgemeine Aspekte der Verbraucherschutzpolitik
sowie
Information
und
Unterrichtung
des
Verbrauchers im Hinblick auf die Anwendung der
Richtlinie 90/314/EWG (2001/2136(INI)).
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
Ich denke, Lateinamerika – in Madrid wird das zweite
Gipfeltreffen der Europäischen Union, Lateinamerika
und der Karibik stattfinden, das erste wurde in Rio de
Janeiro durchgeführt – muss eine strategische Priorität
für die Europäische Union sein, ebenso das Interesse an
der Entwicklung und der Stabilität der Welt. Meine
Damen und Herren, dies waren die Überlegungen, die
ich bei meinem ersten Auftreten während des spanischen
Ratsvorsitzes vor diesem Hohen Haus anstellen wollte.
Empfehlung für die zweite Lesung im Namen des
Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik betreffend den Gemeinsamen
Standpunkt des Rates in Form eines Schreibens im
Hinblick auf den Erlass des Beschlusses des
Europäischen Parlaments und des Rates über ein
Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung
von hauptsächlich im Umweltschutz tätigen
Nichtregierungsorganisationen (13397/1/2001 - C50643/2001 - 2001/0139(COD)).
(Beifall)
(Das Parlament billigt den Gemeinsamen Standpunkt.)
3-109
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Ratspräsident. Ich
nehme Ihre Bereitschaft zur Kenntnis, dem Haus nach
dem Gipfeltreffen von Barcelona Bericht zu erstatten.
Wir glauben, dass dies ein wichtiger zusätzlicher Impuls
für den Dialog zwischen unseren Organen sein wird.
3-110
Abstimmungen
3-111
Der Präsident. – Wir kommen nun zur Abstimmung.
***
Bericht (A5-0462/2001) von Frau Jackson im Namen
des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit
und Verbraucherpolitik über den Vorschlag für
einen Beschluss des Rates über den Abschluss des
Protokolls über Wasser und Gesundheit zu dem
Übereinkommen von 1992 zum Schutz und zur
Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und
internationaler Seen im Namen der Gemeinschaft
(KOM(2001) 483 – C5-0644/2001 – 2001/0188(CNS)).
Vorschlag für einen Beschluss über die Anzahl der
Mitglieder in den Ausschüssen (B5-0032/2002) gemäß
Artikel 150 Absatz 1 der Geschäftsordnung,
eingereicht von den Abgeordneten Poettering im
Namen der PPE-DE-Fraktion, Barón Crespo im
Namen der PSE-Fraktion, Cox im Namen der
ELDR-Fraktion, Cohn-Bendit im Namen der
Verts/ALE-Fraktion, Wurtz im Namen der
GUE/NGL-Fraktion, Collins im Namen der UENFraktion und Bonde im Namen der EDD-Fraktion.
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
(Das Parlament nimmt den Beschluss an.)
3-112
***
Vorschlag für einen Beschluss über die Einsetzung
eines Nichtständigen Ausschusses zur Maul- und
Klauenseuche (B5-0021/2002), eingereicht von der
Konferenz der Präsidenten gemäß Artikel 150
Absatz 2 der Geschäftsordnung.
***
Der Präsident. – Damit ist die Abstimmung beendet.
ERKLÄRUNGEN ZUR ABSTIMMUNG
- Nichtständiger Ausschuss zur Maul- und
Klauenseuche
Inglewood (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich wollte
dem Haus mitteilen, dass, wie einige Kollegen wissen,
fast der gesamte Tierbestand meines Betriebes an Maulund Klauenseuche erkrankt ist und geschlachtet werden
musste. Da ich jedoch nicht glaube, dass der
vorgeschlagene Untersuchungsausschuss für mich
persönlich finanzielle Auswirkungen haben wird, habe
ich mich für diese Untersuchung ausgesprochen.
3-113
(Das Parlament nimmt den Beschluss an.)
Wahl der Quästoren des Europäischen Parlaments
16/01/2002
45
3-114
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
zweite Wahlgang zur Wahl der Quästoren des
Europäischen Parlaments.
Abgegebene Stimmen: 570, gültige Stimmen: 567.
Mehrheit: 284.
Herr Poos: 304 Stimmen - gewählt
Herr Balfe: 288 Stimmen - gewählt
(Beifall)
Frau Smet: 288 Stimmen - gewählt
Herr Marinho: 264 Stimmen - gewählt
Frau Maes: 116 Stimmen - gewählt.
Eine weitere Abstimmung ist nicht erforderlich. Alle
fünf Sitze für die Quästoren konnten besetzt werden. Ich
gratuliere allen, die gewählt worden sind, und möchte
Sie zu einem kleinen Empfang einladen.
(Die Sitzung wird um 13.24 Uhr unterbrochen und um
15.00 Uhr wiederaufgenommen.)
Einführung des Euro
3-120
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über die Einführung des Euro, den wir nun
seit einigen Wochen in der Tasche haben und mit dem
ein lang gehegter Traum der Europäischen Gemeinschaft
in Erfüllung gegangen ist. Die Einführung des Euro war
ein großer Erfolg und hat das Leistungsvermögen der
Europäischen Zentralbank und des Systems der
Zentralbanken eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Anerkennung muss
man den Banken, den
Finanzinstituten, allen gewerblichen Einrichtungen und
dem Einzelhandel aussprechen, vor allem aber den
europäischen Bürgern, die den Euro so bereitwillig
angenommen haben, dass er die Währung in den
betreffenden Mitgliedstaaten nun praktisch ersetzt hat.
3-121
Solbes, Kommission. – (ES) Herr Präsident, meine
Damen und Herren Abgeordneten! Fast zehn Jahre nach
der Unterzeichnung des Maastricht-Vertrags hat der
Euro nunmehr seinen Platz in unserem Geldbeutel und,
wie ich glaube, auch im Herzen unserer Mitbürger
gefunden.
3-115
VORSITZ: PATRICK COX
Präsident
3-116
Der Präsident. – Ich möchte das Haus darüber
informieren, dass unserem Kollegen, Herr John Hume,
von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei
Europas in Kürze der Mahatma-Ghandi-Friedenspreis
von der indischen Regierung verliehen wird. Im
vergangenen Jahr wurde Nelson Mandela mit diesem
neu geschaffenen Preis geehrt. Herr Hume hat sich mit
außergewöhnlichem Engagement für Frieden und
Versöhnung in Irland eingesetzt und ich freue mich sehr,
ihm zu dieser Auszeichnung gratulieren zu können. Ich
bin sicher, das Haus ist sehr stolz darauf, dass einem
unserer bekanntesten Mitglieder diese Ehre zuteil wird.
Die Aktionen dieser ersten zwei Wochen zur Einführung
des Euro haben außerordentlich gut funktioniert. Unsere
optimistischsten Erwartungen sind übertroffen worden.
Die Europäer haben sich enthusiastisch und
verantwortungsbewusst gezeigt, und die am Umtausch
direkt Beteiligten waren engagiert und korrekt.
Die Einführung des Euro-Bargelds am 1. Januar 2002
bildete den Höhepunkt eines Projekts, an dem wir über
viele Jahre gearbeitet haben. Unsere Mitbürger sind der
Ansicht, dass der europäische Aufbau sehr langsam
voranschreitet. Historisch betrachtet, geschieht dies
jedoch mit hoher Geschwindigkeit. Die Mitgliedstaaten
haben ein Jahrtausend benötigt, um die Währungseinheit
in ihren Territorien zu erreichen, und der Gemeinschaft
ist dies in etwas mehr als 40 Jahren gelungen.
3-117
Begrüßung
3-118
Der Präsident. – Die Delegation für die Beziehungen zu
Russland hat heute die Ehre eines Besuchs unserer
russischen Kollegen, unter denen auch Wladimir Lukin
ist. Ich sehe, dass Wladimir, mit dem ich seit langem
befreundet bin, bereits auf der Besuchertribüne Platz
genommen hat. Herzlich willkommen, Wladimir. Er ist
Vizepräsident der Russischen Staatsduma und KoVorsitzender
des
Parlamentarischen
Kooperationsausschusses EU-Russland. Es ist schön, Sie
hier zu sehen und ich hoffe, wir werden Gelegenheit zu
einem persönlichen Treffen haben. Ich sollte dies in
meiner Funktion als Parlamentspräsident nicht sagen.
Wladimir, ich bin erst seit gestern Parlamentspräsident,
und da muss ich noch lernen, wie ich mich zu verhalten
habe, aber es ist gut, alte Freunde in diesem Haus zu
sehen.
3-119
Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen die Männer
und Frauen ehren, die den Erfolg dieses Projekts
ermöglicht haben. Es sind viele, und heute Vormittag
wurden einige von ihnen genannt. Ich will ihre Namen
nicht wiederholen, wir alle kennen sie, aber das Projekt
– wenn ich das so sagen darf – hat nicht nur Väter,
sondern auch Mütter, und ich möchte stellvertretend eine
konkrete Person hervorheben: Christa Randzio-Plath.
Sie personifiziert das Wirken und das Engagement
dieses Parlaments und ihres Ausschusses für Wirtschaft
und Währung für den Euro.
(Beifall)
Aber es wäre ungerecht, zwei weitere Parlamentarier
unerwähnt zu lassen: Karl von Wogau, der in seiner
Funktion als Vorsitzender des Wirtschafts- und
Währungsausschusses ebenfalls eine wichtige Rolle
spielte, und den ehemaligen Präsidenten der
Europäischen Kommission, Jacques Santer. Und ich
möchte auch meinen Vorgänger nennen, Yves-Thibault
46
de Silguy, der in der vorangegangenen Periode eine
wesentliche Rolle spielte.
Wir haben gemeinsam mit dem Parlament effektiv
gearbeitet, und ich hoffe, dass wir dies auch weiterhin
tun können, um neue Schritte bei der vor uns liegenden
Aufgabe in Angriff zu nehmen. Denn ich möchte
bemerken, dass die Einführung der Euro-Münzen und
-Banknoten nicht nur den Höhepunkt eines Projekts
bildet. Sie ist auch der Beginn einer neuen Ära in der
Geschichte des europäischen Aufbaus.
Die physische Existenz des Euro bietet uns Gelegenheit,
weiter in unserem Integrationsprozess voranzuschreiten.
Darauf komme ich später zurück, jetzt möchte ich mich
auf die wichtigsten Aspekte dieser ersten Tage des
Umtauschs konzentrieren.
Zunächst sei auf die Begeisterung der Europäer
angesichts des neuen Geldes hingewiesen. Dies war
fraglos ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der
Operation. Die europäischen Bürger haben den Euro
schnell in ihr tägliches Leben integriert.
Bereits der Verkauf der Starterkits vor dem 1. Januar
war ein Erfolg. Ab dem 1. Januar begannen die
Verbraucher, die Banknoten massiv zu verwenden. Das
Volumen der Entnahme aus den Geldautomaten lag von
Anfang an über den Erwartungen. Die Bankschalter
verzeichneten in der ersten Januarwoche ein solches
Gedränge, dass in einigen Ländern der Umfang der
Abhebungen oder Umtauschoperationen am Schalter
über dem der Geldautomaten lag.
Ein weiterer Indikator für den Erfolg der gemeinsamen
Währung bei den Bürgern war der zügige Fortschritt bei
den Zahlungen in Euro. Sie lagen bereits am 2. Januar,
dem ersten Arbeitstag, bei 20 %. Zum heutigen Tag –
also nicht einmal neun Arbeitstage danach – erfolgen
neun von zehn Zahlungen in Euro. Mithin ein Erfolg, da
nach zwei Wochen mehr als 90 % der Operationen in
Euro getätigt werden.
Die zweite Bemerkung gilt der Anpassung der
Geldautomaten. Auch sie erfolgte zügig und in der
gesamten Eurozone. Seit zwei Jahren sprechen die
Kommission und die Europäische Zentralbank mit den
Banken, um diese zur Änderung ihrer Pläne zu bewegen
und die Geldautomaten praktisch sofort umzustellen.
Diese Aktion war erfolgreich. Im Durchschnitt waren
80 % der Automaten zum 1. Januar umgestellt. Am
2. Januar stieg der Anteil auf 90 % und am 3. Januar auf
97 %. Am 4. Januar haben praktisch alle Automaten nur
noch Euro ausgegeben.
Eine Anmerkung zum Handel: Die Mehrheit der Bürger
war vor allem bestrebt, sich von ihren nationalen
Währungen zu trennen und das Wechselgeld in Euro zu
erhalten, womit sie ihren Wunsch bezeugten, so bald wie
möglich ausschließlich mit dem Euro zu zahlen. Die
Händler hielten zumeist die Verpflichtung ein, in Euro
herauszugeben, wodurch es möglich war, die Bestände
an alten Währungen zügig aus dem Verkehr zu ziehen.
16/01/2002
Die schnelle Zahlung in Euro hat zusammen mit den
außerordentlichen Maßnahmen seitens der meisten
Händler verhindert, dass sich Schlangen in den
Geschäften bildeten. Der Samstag, der 5. Januar, war der
entscheidende Tag in dieser Hinsicht. Der Test war
überzeugend, und in allen Mitgliedstaaten waren die
Warteschlangen normal. Dieser Zustand hat sich auch
seit dem darauffolgenden Montag nicht geändert, als in
vielen Ländern Europas die Schlussverkäufe begannen.
Dennoch war die erste Januarwoche im Handel äußerst
kompliziert. Einerseits war die Vorversorgung der
Geschäfte unzureichend und stieß in einigen
Mitgliedstaaten auf logistische Probleme. Andererseits
nutzten viele Verbraucher die Einkäufe, um die
nationalen Geldscheine mit hohem Wert auszugeben,
was in einer ganzen Reihe von Mitgliedstaaten alsbald
zu Problemen in der Versorgung mit kleinen Banknoten
führte. Dieses Problem wurde auf die eine oder andere
Weise gelöst.
Eine Bemerkung zum Preisverhalten. Die Kommission
hat sich gestattet, die Mitgliedstaaten und alle am
Umtausch Beteiligten in den Monaten vor dem 1. Januar
auf diese Frage aufmerksam zu machen. Ich kann Ihnen
sagen, dass nach den Berichten, die wir von den
zuständigen nationalen Behörden erhalten haben,
abgesehen von einigen Einzelfällen, infolge der
Umstellung auf den Euro keine wesentliche Änderung in
Form einer Preiserhöhung eingetreten ist. Ja, in manchen
Fällen erfolgten Korrekturen nach unten, wenn auch hier
und da – das muss gesagt werden – punktuell das
Gegenteil der Fall war.
Insgesamt – das wiederhole ich – besteht kein Anlass,
von einer wesentlichen Preiserhöhung zu sprechen, und
wir erwarten deshalb auch keine negative Auswirkung
auf die Inflation des Monats Januar.
Letztendlich ist die Bilanz dieser beiden ersten Wochen
nach Ansicht der Kommission sehr positiv. Die größte
Umtauschoperation der Geschichte ist praktisch ohne
Schwierigkeiten über die Bühne gegangen. Das ist ein
gewaltiger Sieg für die Union und eine Demonstration
der hohen Qualität der peinlich genauen Vorbereitungen.
Die Anstrengungen aller Hauptakteure des Übergangs
zum Euro – das Eurosystem, die nationalen
Regierungen,
die
Kommission,
die
privaten
Unternehmer und alle Bürger – haben Früchte getragen.
Der Erfolg der Einführung des Euro ist das Ende eines
Kapitels – wie ich bereits sagte –, aber nicht das Ende
des Werks. Wir müssen jetzt die Früchte dieses Erfolgs
ernten,
indem
die
Koordinierung
der
Wirtschaftspolitiken verstärkt und vertieft wird und die
notwendigen Strukturreformen zur Erhöhung des
Wachstums und der Beschäftigung in unserer Union
durchgeführt werden.
Mit der gleichen Energie und dem gleichen Ehrgeiz, von
denen die Einführung des Euro geleitet wurde, muss
jetzt die Koordinierung von Wirtschaftspolitiken
16/01/2002
erfolgen, die uns in die Lage versetzen, das Wachstum
und die Beschäftigung zu steigern. Kurzfristig hat der
Stabilitätsrahmen der Eurozone die Möglichkeit
geboten, eine ausgewogene und angemessene Antwort
auf die derzeitige Abschwächung der Wirtschaft zu
geben.
47
unsere Kraft und unsere Arbeit widmen, und wir hoffen,
dass wir mit der Unterstützung des Parlaments rechnen
können, die wir bis jetzt immer hatten, und dass die
Zusammenarbeit mit diesem Hohen Haus so effizient
und harmonisch wie in der Vergangenheit verläuft.
3-122
Die deutliche Verbesserung der Haushaltssalden hat
einen Handlungsraum geschaffen, der es gestattet, die
Auswirkungen der leichten Verschlechterung der
Haushaltsdefizits infolge der globalen Abschwächung
aufzufangen.
Für das Jahr 2002 erwarten wir wiederum ein zufrieden
stellendes Wachstum, das zur globalen Erholung der
Wirtschaft beitragen wird. Die erfolgreiche Einführung
der Euro-Banknoten und -Münzen wird das Vertrauen
der Verbraucher und der Unternehmen stimulieren und
auf diese Weise Unsicherheiten beseitigen und zu dieser
Erholung beitragen.
Mittelfristig hat sich die Europäische Union in Lissabon
klare Ziele in Bezug auf die Stärkung des
Wachstumspotenzials und die Schaffung von
Arbeitsplätzen gesetzt. Zur Erreichung dieser Ziele ist es
wichtig, den Schwung beizubehalten, der uns die
Umsetzung der notwendigen Reformen für eine
Erhöhung der Beschäftigungsquote und der Produktivität
ermöglichen soll.
Für dieses Jahr schlägt die Kommission drei
Prioritätsbereiche vor: erstens, Beschäftigungspolitiken
und
insbesondere
aktive
Arbeitsmarktpolitiken;
zweitens, die Wirtschaftsreformen zur Stärkung des
Wettbewerbs, der Integration und der Investitionen in
die netzgebundenen Sektoren; und drittens, Investitionen
in das Wissen, um die Wettbewerbsfähigkeit und die
Beschäftigung zu erhöhen. Ich will nicht weiter auf diese
Punkte eingehen, zu denen gestern der Präsident der
Kommission gesprochen hat.
Die größere Verflechtung der Wirtschaft der
Mitgliedstaaten und insbesondere der Eurozone erfordert
eine stärkere und effektivere Koordinierung der
Wirtschaftspolitiken.
In diesem Zusammenhang glaube ich, dass die
Verstärkung der Koordinierung auf der Grundlage einer
besseren Analyse der wirtschaftlichen Situation und des
policy mix der Eurozone erfolgen muss: Stärkere
Öffnung bei der Konsensfindung in der Frage der
geeigneten
Politiken
und
Information
der
Mitgliedstaaten und der Kommission über die
wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die
jedes Land künftig so anwenden wird, dass die Peer
Review, die wir im Gemeinschaftsbereich haben,
effektiv funktionieren kann.
Fortschritt bedeutet Erfüllung unserer Verpflichtungen:
der durch den Vertrag und durch den Stabilitäts- und
Wachstumspakt auferlegten Verpflichtungen. Fortschritt
bedeutet auch, sich den neuen Herausforderungen zu
stellen. Dieser Aufgabe werden wir als Kommission
Der Präsident. – Ich danke Ihnen, Herr Solbes. Wie Sie
sagten, wurden heute bereits zahlreiche Beteiligte
genannt und deren Leistung gewürdigt. An dieser Stelle
möchten wir nun aber auch Ihnen und Ihren Mitarbeitern
sowie dem Kollegium der Kommissionsmitglieder
unseren Dank für all die Arbeit aussprechen, die Sie in
den vergangenen Jahren geleistet haben, um dieses
Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wir gratulieren Ihnen
und sprechen Ihnen unsere Anerkennung aus.
3-123
von Wogau (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr
Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die
Rede, die ich jetzt halte, ist die letzte Rede, die ich als
Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung
hier in diesem Saal halte. Ich habe diesem Ausschuss 22
Jahre lang angehört. Ab morgen werde ich Mitglied des
Ausschusses
für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit
und
Verteidigungspolitik sein. Ich bin davon überzeugt, dass
der nächste Schritt auf dem Wege der Verwirklichung
der Europäischen Union die politische Union sein muss.
Ich freue mich darauf, in Zukunft an dieser Aufgabe
mitzuarbeiten.
Wenn ich auf diese Jahre zurückblicke, möchte ich
zunächst einmal an unseren Kollegen Basil de Ferranti
erinnern, der mittlerweile leider verstorben ist, der
damals die ersten Berichte zur Verwirklichung des
Binnenmarktes verfasst und somit den Anstoß zu dieser
ganzen Entwicklung gegeben hat. Es war am Anfang
eine Arbeitsgruppe für technische Handelshemmnisse,
aus der später die Känguru-Gruppe hervorgegangen ist.
Das waren die ersten Initiativen zur Verwirklichung des
Binnenmarktes. Damals war Jacques Delors der
Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und
Währung des Europäischen Parlaments, also unser
Vorgänger, Frau Randzio-Plath, der dann als
französischer Finanzminister und später als Präsident der
Europäischen Kommission die Grundlagen für die
Verwirklichung dieser Ideen gelegt hat.
Ich möchte auch an Jacques Moreau erinnern, der
damals im Jahr 1984 gemeinsam mit mir den ersten
Bericht des Europäischen Parlaments über die
Vorschläge zur Verwirklichung des Europäischen
Binnenmarktes vorgelegt hat.
Wenn man sieht, mit welchem Enthusiasmus am 1.
Januar der Euro begrüßt wurde, diese neue Währung für
300 Millionen Menschen in der Europäischen Union,
dann muss man sich erinnern, wie schwierig dieser Weg
auf der einen Seite war. Auf der anderen Seite muss man
sich aber auch die Frage stellen, was sind denn die
Voraussetzungen dafür, dass der Euro, diese
gemeinsame Währung, langfristig Erfolg haben wird?
48
Ich möchte hier drei Bedingungen nennen: Die erste ist
eine konsequente Verwirklichung des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes. Es ist ja fast eine Ironie, dass wir
heute feststellen, dass es mein Vaterland Deutschland
war, das damals am stärksten gekämpft hat für diesen
Stabilitäts- und Wachstumspakt und seine strengen
Kriterien und dass man in der heutigen Situation fast
davon ausgehen kann oder muss, dass Deutschland als
erstes Land von den Sanktionen dieses Vertrages erfasst
werden wird. Aber ich bin der Auffassung, hier müssen
wir konsequent sein, wenn wir wollen, dass der Euro
langfristig eine stabile Währung wird und bleibt und
dass langfristig die Zinsen in der Europäischen Union
für unsere Unternehmen niedrig bleiben als
Voraussetzung für Investitionen und Wachstum.
Die zweite Voraussetzung ist die, dass wir in den
Mitgliedsländern und der Europäischen Union
Wirtschaftspolitik nach gemeinsamen Grundsätzen
betreiben müssen. Diese Grundsätze sollten nach dem
Willen des Europäischen Parlaments, das mit breiter
Mehrheit dafür war, die Grundsätze der sozialen
Marktwirtschaft sein.
Zum Dritten müssen wir weitergehen zur politischen
Union. Wir haben damals vor Maastricht gesagt, wir
wollen gleichzeitig die Währungsunion und die
politische Union. Wir haben schon damals gesagt, ohne
politische Union hat eine Währungsunion langfristig
keinen Bestand. Hier müssen wir konsequent bleiben.
Wir müssen diese Schritte zur politischen Union jetzt
tun. Dazu gehört als Kern eine Gemeinsame Außen- und
Verteidigungspolitik.
Zum Schluss möchte ich an etwas anknüpfen, was
Jacques Delors gesagt hat. Jacques Delors hat bei diesen
endlosen Debatten, die wir über den Europäischen
Binnenmarkt hatten, einmal sehr richtig bemerkt, man
kann sich nicht in einen Binnenmarkt verlieben. Es ist
also sehr wenig Emotion mit dabei. Das Gleiche würde
ich auch für eine Währung sagen, obwohl es einige von
uns gibt, die zur Währung ein sehr emotionales, fast
erotisches Verhältnis haben. Aber was wir brauchen und
was wir freilegen müssen, das ist das Bewusstsein für
die gemeinsame europäische Identität, für Europa. Ich
glaube, das ist sicherlich die wichtigste Aufgabe, vor der
wir als Europäisches Parlament stehen.
(Beifall)
3-124
Randzio-Plath (PSE). – Herr Präsident! Die EuroBargeldeinführung ist nicht nur ein logistischer und
organisatorischer Erfolg, sondern trägt in der Tat schon
heute zu einer besseren europäischen Identitätsbildung
und Identitätsfindung bei. Daran können auch
Europaskeptiker in Italien nichts ändern.
(Beifall)
Mit dem Euro zum Anfassen wird Europa Alltags- und
Lebensrealität, so wie wir es als Abgeordnete immer
gesagt haben. Der Euro war sozusagen die erste Wahl
16/01/2002
des Europäischen Parlaments seit seiner Direktwahl, vor
allem des Wirtschafts- und Währungsausschusses.
Insofern gehört der Euro seit zwei Jahrzehnten zu den
Erfolgsprojekten des Europäischen Parlaments. Wir sind
für einen Markt und eine Währung eingetreten und
haben an der Gestaltung mitgewirkt. Ich denke, dass
allen Abgeordneten hier im Haus zu danken ist, und
auch Ihnen, Herr von Wogau.
(Beifall)
Euro wird meines Erachtens das positive Wort des
Jahres 2002 werden. Schließlich verkörpert der Euro
Europas Dynamik und Entschlossenheit, eine
europäische Identität herzustellen, die europäische
Wettbewerbsfähigkeit zu Gunsten von Wirtschaft und
Beschäftigung zu verbessern und zu einer unkündbaren
Solidargemeinschaft
zusammenzuwachsen.
Die
Währungsunion vollendet den Binnenmarkt - eine
richtige Antwort auf die Herausforderungen der
Globalisierung - und macht ihn auch erst nutzbar für alle
- für die kleinen und mittleren Unternehmen und vor
allem für die Menschen.
Der Euro wird zum Erfolg werden, weil er nicht nur von
den Märkten, sondern auch von den Menschen
akzeptiert wird. Endlich freuen sich viele - und das
haben wir als Abgeordnete auch immer vorausgesagt -,
im Euroland zu leben. Der Erfolg der EuroBargeldeinführung begeistert alle und schafft das Klima
von Optimismus, das wir in Europa dringend für
Investitionen, eine Ankurbelung der Binnennachfrage
und damit auch für Beschäftigung brauchen. Diese
Einführung krönt und belohnt die nachhaltigen
Anstrengungen auf dem Weg zur Währungsunion.
Schon heute fragen sich viele, warum es die EuroBargeldeinführung nicht schon viel früher gegeben hat,
wie wir als Abgeordnete es immer schon gefordert
haben. Dänemark, Schweden und Großbritannien sind in
ihrem eigenen Interesse aufgefordert, der Euro-Zone
noch vor der Osterweiterung beizutreten.
Die D-Mark war eine Währung mit einer stolzen
Vergangenheit. Drei Jahre Währungsunion versprechen
uns eine ebenso stabile Währungszukunft. Bislang gab
es in der Währungsunion jedenfalls niedrigere
Inflationsraten als in den DM-Jahrzehnten zuvor. Damit
zusammen hängt das niedrige Zinsniveau, das gute,
investitionsfreundliche
Finanzierungskonditionen
gewährleistet. Die Währungsunion hat folglich das
gehalten, was politisch im Vertrag von Maastricht
versprochen war: Preisstabilität.
Mit der Euro-Bargeldeinführung kommt es dann auch zu
sichtbaren Erfolgen für Verbraucher: die Preise für
langlebige Konsumgüter, wie z. B. Autos, werden
sinken. Der Euro ermöglicht in der Vollendung des
Binnenmarktprogramms
endlich
auch
einen
verbraucherfreundlichen Wettbewerb. Das führt zu
einem mittelfristigen Druck auf die Preise und zu einem
Anreiz zu höherer Qualität.
Der Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion, der
inneren Reform der Europäischen Union und einer
16/01/2002
europäischen Verfassung sowie der Erfolg der EUOsterweiterung sind die großen Herausforderungen,
denen sich Europa stellen muss. Wir dürfen hier aber
eines nicht vergessen: Der Euro ist nicht nur ein
monetäres Projekt, sondern er war immer ein politisches
Projekt und ist Teil der politischen Union Europas.
Europa ist klein auf dem Globus, und von daher ist der
durch die Währungsunion vollendete Binnenmarkt ganz
sicherlich die richtige Antwort. Der Euro stellt außerdem
die Fähigkeit der Europäer und der Europäerinnen unter
Beweis, Gemeinsamkeit im eigenen Interesse aller
Staaten Europas zu organisieren. Er ist zugleich
Bindeglied und Stein des Anstoßes für weitere kühne
europäische Projekte.
William Shakespeare hielt zu Recht fest: „Wo Geld
vorangeht, sind alle Wege offen“. Das gilt hoffentlich
auch für eine effizientere und bessere Koordinierung der
Wirtschafts-,
Finanz-,
Beschäftigungsund
Sozialpolitiken. Der Euro braucht dringend eine
Flankierung durch eine Art Wirtschaftsregierung.
Konjunkturelle Entwicklungen gestalten sich nicht mehr
in Nationalstaaten, sondern in Wirtschaftsfragen. Von
daher ist der EU-Gipfel in Barcelona gefordert, die
Dogmatik im Umgang mit dem Stabilitäts- und
Wachstumspakt, der ja Spielraum lässt, gegen eine
solide Politik, die auf monetäre, finanzielle aber auch
soziale Stabilität setzt, einzutauschen.
Besonders wichtig war unser Engagement als
Europäisches Parlament in Bezug auf den monetären
Dialog mit der Europäischen Zentralbank. Wir im
Parlament sind für die Unabhängigkeit der Europäischen
Zentralbank eingetreten, aber genau so auch für eine
demokratische Rechenschaftspflicht dieser Institution.
Von daher ist es sehr wichtig, dass wir eine
Kulturrevolution in Europa organisiert und bewegt
haben, denn im früheren Umgang der Mitgliedstaaten
mit den nationalen Zentralbanken gab es diese
demokratische Rechenschaftspflicht nicht, die es bei uns
heute gibt. Damit wird die Geldpolitik transparent und
nachvollziehbar und trägt dazu bei, dass wir auch dieses
Geheimnis ergründen. Denn Geldpolitik ist nicht neutral,
sondern hat auch einen Einfluss auf die reale Wirtschaft,
auf Wachstum und Beschäftigung.
3-125
Peijs (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! In meiner
Fraktion wurde beschlossen, dass die Wahl der
Koordinatoren im Ausschuss für Regionalpolitik,
Verkehr und Fremdenverkehr um 15.30 Uhr erfolgen
soll. Da ich mit zu den Kandidaten gehöre, muss ich bei
der Wahl anwesend sein. Ich möchte Sie fragen, ob Herr
Pronk an meiner Stelle meinen zwei Minuten dauernden
Redebeitrag vorlesen kann, wenn mein Name auf dem
Bildschirm erscheint?
3-126
Der Präsident. – Frau Peijs, wenn das Haus dem
zustimmt, und das wird sicherlich der Fall sein, habe ich
keine Einwände. Wir werden also Ihrem Vorschlag
gemäß verfahren.
49
3-127
Peijs (PPE-DE). – (NL) Vielen Dank.
3-128
Maaten (ELDR). – (NL) Herr Präsident! Ich werde
meinen Redebeitrag selbst vortragen. Am 1. Januar
dieses Jahres haben sich zahlreiche Unionsbürger
erstmals mit der neuen Währung, dem Euro, vertraut
gemacht. Und in welchem Umfang dies geschah, zeigt
sich daran, dass nach knapp zwei Wochen der Euro
überall an die Stelle der nationalen Währungen getreten
ist. Hätte man dem Wunsch dieses Parlaments, EuroBanknoten schon vor dem 1. Januar an die Öffentlichkeit
auszugeben, entsprochen, wären einige kleinere
Probleme wohl vermieden worden, aber wer sich jetzt
noch darüber aufhält, ist ein Griesgram.
Ich stimme uneingeschränkt zu, dass die Umstellung ein
großartiger Erfolg ist. Für diesen Erfolg gebührt vor
allem – und wie es sich einem ordentlichen Liberalen
geziemt, haben Sie selbst bereits darauf hingewiesen –
dem europäischen Bürger Anerkennung. Dieser hat die
Währungsumstellung mit Enthusiasmus begrüßt und sich
dabei geduldig verhalten. Sodann verdienen die
Geschäftsleute Lob. Sie haben die Last der effektiven
Durchführung getragen, und für mich sind sie damit
auch die Helden der Umstellung.
Die Euro-Bargeldeinführung stellt meiner Ansicht nach
jedoch lediglich einen ersten Schritt dar, wie auch
Kommissar Solbes bereits hervorgehoben hat. Jetzt
kommt es entscheidend darauf an sicherzustellen, dass
die neue Währung auch langfristig Erfolg haben wird.
Dazu bedarf es seitens sämtlicher Teilnehmerstaaten
noch erheblicher Anstrengungen, d. h. sie müssen den
politischen Willen aufbringen, die Währung zu
unterstützen, und dürfen sie nicht, wie es einige
Mitglieder der italienischen Regierung taten, in ein
negatives Licht rücken; sie müssen den politischen Mut
haben, den Stabilitätspakt unangetastet zu lassen, damit
der richtige Finanzrahmen des Euro bestehen bleibt, und
sie müssen schließlich die politische Kraft besitzen, auf
dem Erfolg des Euro weiter aufzubauen. Jetzt ist mithin
der Zeitpunkt gekommen, nach dem erfolgreichsten
europäischen Projekt Schritte zur Vollendung des
Binnenmarkts zu unternehmen. Wenn wir die in
Lissabon festgelegten Ziele tatsächlich erreichen wollen,
so müssen wir uns ganz entschieden für eine weitere
Liberalisierung und Flexibilisierung des Binnenmarkts
einsetzen.
Hier gibt es fünf eindeutige prioritäre Bereiche, nämlich
Post, Verkehr, Elektrizität, Gas und Wasser. In einer
liberalisierten und flexiblen wissensbasierten Wirtschaft,
wie wir sie in der Europäischen Union anstreben, ist dies
eine unabdingbare Voraussetzung und liegt auch im
Interesse des Bürgers. Für den Bürger wird damit
ersichtlich, welche Vorteile Europa bietet. Herr
Präsident, nur wenn wir diesen Weg einschlagen, kann
die Europäische Union tatsächlich zu einer
Wirtschaftsmacht werden und die neue Währung
weiterhin stark bleiben.
3-129
50
Abitbol (EDD). – (FR) Herr Präsident, Herr
Kommissar! Die tatsächlich reibungslos erfolgte
Einführung des Euro-Bargeldes beweist nur eines: den
großen Pragmatismus der europäischen Völker. Die
Märkte, die ihrerseits immer die Wahl haben, legen - wir
mir scheint – eine deutlich geringere Begeisterung an
den Tag. Auf jeden Fall wird meiner Meinung nach das
Preisniveau das wirkliche Kriterium dafür sein, ob die
Währung von Euroland angenommen wird oder nicht.
Unabhängig davon verursacht diese Währung ohne Staat
bereits neue Probleme. Der Einzelhandel musste bereits
freiwillig die Rolle der Banken bei der Einführung des
Euro übernehmen. Man kann davon ausgehen, dass
dessen Interesse dabei mit dem der Verbraucher
übereinstimmte. Doch nun stellt sich das Problem des
Falschgeldes. Es sind bereits gefälschte Banknoten im
Umlauf, und es ist abzusehen, dass im Sommer dieses
Jahres sich die verschiedenen Geldsorten aus dem
Norden und dem Süden von Euroland in großem
Maßstab vermischen werden. So werden zum Beispiel
200- und 500-Euroscheine, die nicht in Frankreich und
in den südlichen Ländern Europas gedruckt wurden,
dorthin gelangen. Dies beginnt bereits jetzt mit
Geldscheinen aus Deutschland. Im kommenden Sommer
werden wir mit solchen Geldscheinen überschwemmt
werden. Natürlich ist kein kleiner Einzelhändler in der
Lage, eventuelle Fälschungen zu erkennen, die aber
immerhin – mit Verlaub zu sagen – einen Wert von über
3500 unserer armen alten Franken aufweisen, was der
Hälfte des gesetzlichen Mindestlohnes in Frankreich
entspricht. Die Verantwortung für die Entschädigung der
Opfer, die möglicherweise mit Falschgeld betrogen
werden, obliegt der Kommission, da es keinen
zuständigen Staat gibt. Doch werden die europäischen
Bürger und die Einzelhändler, die aus Versehen und
ohne dies bemerken zu können, Falschgeld erhalten, von
den Mitgliedstaaten oder von der Europäischen
Zentralbank entschädigt?
3-130
Della Vedova (NI). – (IT) Herr Präsident, Herr
Kommissar, der Erfolg des Euro steht meines Erachtens
außer Zweifel und ist der Europäischen Zentralbank, der
Kommission und all jenen, die, auch in diesem
Parlament, daran mitgewirkt haben, als Verdienst
anzurechnen. Der Kollege von Wogau hat darauf
hingewiesen, dass die nächste Etappe die politische
Union sein muss. Ich teile diese Auffassung, doch wäre
es falsch zu glauben, der Erfolg des Euro und seine
Durchsetzung als solide, starke und zuverlässige
Währung hingen von der politischen Union ab, die aus
anderen Gründen verwirklicht werden muss. Der Euro
wird eine starke Währung sein, wenn die Wirtschaft
Europas stark ist.
Herr Kommissar, Sie haben in Ihrer Rede mehrfach auf
die notwendige Koordinierung der Wirtschaftspolitiken
hingewiesen. Meines Erachtens gibt es noch etwas
Wichtigeres als die wirtschaftspolitische Koordinierung,
die, wenn sie übertrieben wird, auch negative
Auswirkungen haben kann. Es kommt darauf an, dass in
Europa gute Wirtschaftspolitik betrieben wird, denn
16/01/2002
davon hängt die Stärke des Euro ab. Wir müssen die
tragfähigen Politiken und nicht die gegenwärtigen
Verkrustungen zusammenführen. Die Kraft des Euro
wird also von der Fähigkeit dieser tragfähigen Politiken
abhängen, den Wirtschaftssystemen Dynamik zu
verleihen – wie der Kollege Maaten in Erinnerung
brachte –, sie von korporativistischen und dirigistischen
Lasten zu befreien, die Märkte zu liberalisieren usw. All
dies ist häufig das Ergebnis von weniger und nicht von
mehr Wirtschaftspolitik, und diesbezüglich glaube ich,
dass der Vergleich zwischen den politischen Konzepten
bzw. der Wettbewerb zwischen den vielfältigen von den
Mitgliedstaaten
angewandten
Lösungen
eine
Bereicherung darstellen und durch ein buchstäbliches
Benchmarking positive Nachahmungsprozesse fördern
können.
Der Rahmen des Binnenmarktes ist zusammen mit dem
gleichwohl noch zu vervollkommnenden Stabilitätspakt
– eine wirtschaftliche Verfassung, die faktisch vielen
Ländern, darunter auch Italien, fehlte – ein recht breiter
Rahmen, der ohne Traumata oder Kontraindikationen
eine lebendige Vielfalt von Entscheidungen beinhalten
muss, die den einzelnen Ländern überlassen bleiben
müssen. Aus dieser Weichenstellung und auch aus der
Anerkennung der Pluralität der Entscheidungen werden
meiner Ansicht nach eine stärkere Wirtschaft und somit
auch die Bedingungen für eine stärkere gemeinsame
europäische Währung hervorgehen.
3-131
Pronk (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Ich lese zwar
in der Tat den Text von Frau Peijs vor, - und zwar von
ihrem Platz aus, um dies zu betonen -, möchte aber mit
aller Deutlichkeit unterstreichen, dass ich voll und ganz
dahinter stehe. Das Projekt „Euro-Einführung“ war eine
Erfolgsstory. In den Niederlanden und in Irland ist die
Einführung des Euro bereits so gut wie abgeschlossen.
Über 90 % sämtlicher Zahlungen werden bereits in Euro
getätigt. Ich bin stolz darauf, sagt Frau Peijs – und ich
pflichte ihr uneingeschränkt bei –, dass sich der
Unionsbürger so innovationsbewusst gezeigt und den
Euro unverzüglich akzeptiert und seine nationale
Währung beiseite gelegt hat.
Die
Europäer
benötigten
keine
langen
Umstellungsfristen. Ein besonderes Wort des Dankes
und der Anerkennung darf heute an den Einzelhandel
gerichtet werden, der zahlreichen Schwierigkeiten mit
Flexibilität begegnet ist. Auch die Banken und ihre
Mitarbeiter haben einen wesentlichen Beitrag zu einem
reibungslosen Ablauf geleistet. Jetzt gilt es, einen
wichtigen nächsten Schritt zu tun. Der Euro muss eine
stabile starke Währung bleiben. Primäre Voraussetzung
dazu ist, dass der Präsident der Europäischen
Zentralbank auf seinem Posten verbleibt und die Ziele
der EZB, nämlich die Sicherung der Preisstabilität, im
Auge behält. Fast noch wichtiger ist die allmähliche
Erkenntnis der Mitgliedstaaten, dass sie nicht alleine und
nicht völlig autonom sind, sondern alles, was sie tun,
und vor allem das, was sie nicht tun, Auswirkungen auf
die
gesamte
Gemeinschaft
und
auf
die
Währungsstabilität hat.
16/01/2002
Um das Vertrauen der Märkte zu erhalten, kommt es
wesentlich darauf an, dass insbesondere die großen
Mitgliedstaaten – und hauptsächlich wohl die
Bundesrepublik Deutschland – nunmehr endlich die
erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihre Märkte
völlig zu liberalisieren, ihre Arbeitsmärkte zu
flexibilisieren, ihre Rentensysteme nachhaltiger zu
gestalten und ihre sozialen Einrichtungen zu
modernisieren. Diese Länder sind momentan kein Motor
der Union, sondern hemmen vielmehr ihren Fortschritt.
Eine etwaige Schwäche der Währung ist den
Mitgliedstaaten anzulasten und bislang nicht der
Zentralbank, die, außer auf dem Gebiet der
Zahlungsbilanzsysteme wie TARGET sowie des
Verbrauchersystems, hervorragende Arbeit leistet.
3-132
Ruffolo (PSE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar,
es gibt zwei Aspekte der Euro-Bargeldeinführung, die in
den Redebeiträgen sowohl von Kommissar Solbes als
auch von den Kolleginnen und Kollegen hervorgehoben
wurden: der zweifelsfreie Erfolg des Euro und seine
künftigen Perspektiven. Ich möchte in meinen kurzen
Ausführungen auf den zweiten Aspekt eingehen, weil
der Euro wirklich eine offene Tür ist, die in die Zukunft
führt. Ich glaube nämlich, dass die Einführung des Euro,
abgesehen von ihrer großen symbolischen Bedeutung,
keine unmittelbaren und kurzfristigen Auswirkungen auf
unsere Wirtschaft, die Inflationsrate oder die
Beschäftigungsquote haben wird, sondern dass sie
vielmehr Europa eine hervorragende Gelegenheit zur
Entwicklung in der Stabilität bietet, und dies vor allem
in zweierlei Hinsicht: mittelfristig und langfristig.
Mittelfristig steht Europa vor dem Problem, seine
Wirtschaft vom Zyklus der USA abzukoppeln. Auch
heute noch ist die europäische Entwicklung in starkem
Maße exportgesteuert und demzufolge zu einem
Großteil von der amerikanischen Nachfrage abhängig.
Unter diesen Bedingungen können sich die
gegenwärtigen rückläufigen Tendenzen in den
Vereinigten Staaten auch bei uns bemerkbar machen,
anstatt durch unsere eigenständige Wachstumsfähigkeit
ausgeglichen zu werden. Diese Fähigkeit zur
Entwicklung der Binnennachfrage kann zwar
weitgehend
durch
die
Vereinheitlichung
der
Währungspolitik gefördert werden, doch darf sie nicht
allein darauf vertrauen. Sie muss durch eine
Wirtschaftspolitik gefördert werden, bei der die
Währungs- mit der Steuerpolitik verbunden wird, vor
allem aber durch eine Forschungs- und innovative
Investitionspolitik, wie sie zwar in Lissabon umrissen,
jedoch in der Praxis nicht verfolgt wurde.
Längerfristig stellt sich das Problem des Euro als
mögliche
internationale
Reservewährung,
gleichberechtigt neben dem Dollar. Wir haben bereits in
einer früheren Entschließung dieses Parlaments
hervorgehoben, dass die zentrale Richtschnur für die
Wechselkurspolitik nicht darauf hinausläuft, einen
starken oder schwachen Euro, sondern einen stabilen
Euro anzustreben, selbstverständlich in einer Bandbreite
von Schwankungen, die keine destabilisierenden
51
Wirkungen haben. Hierfür wird es früher oder später
erforderlich sein, im gegenseitigen und im gemeinsamen
Interesse irgendeine Form von Einigung zwischen der
Währungspolitik der USA und der Union anzubahnen.
Der Euro ist zwar wirklich eine große Chance, doch
muss diese erst noch ergriffen werden. Dieser
potenzielle Raum, von dem auch meine Vorredner
gesprochen haben, muss durch die Politik, die
Politikfähigkeit
der
Union
und
eine
verantwortungsbewusste Verwaltung der Wirtschaft,
welche die Faktoren einer unabhängigen Entwicklung
innerhalb Europas fördert und eine wirksame
Wechselkurspolitik außerhalb Europas gewährleistet,
ausgefüllt werden.
3-133
Lang (NI). – (FR) Herr Präsident, meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Übereinstimmend behaupten
die Regierungen der Länder der Eurozone sowie die
Zentralbank, die Europäer hätten den Euro, die
kaiserliche Währung, die neue Reichsmark, mit
Begeisterung, ja sogar mit Euphorie aufgenommen.
Nach den offiziellen Reden soll diese triumphale
Einführung von keinerlei Problemen getrübt worden
sein. Als Beweis wird angeführt, dass vierzehn Tage
nach der Einführung des Euro schon die übergroße
Mehrheit der Geschäftsvorgänge in dieser Währung
abgewickelt werden.
Doch wenn wir ehrlich sein wollen, sind diese eindeutig
propagandistischen Behauptungen weit von der Realität
entfernt, denn im Grunde hat nichts so funktioniert wie
vorgesehen. In den ersten Tagen ist es zu einem Mangel
an Eurogeld gekommen, weil die Banken ihrer Aufgabe
nicht ordnungsgemäß nachkamen, indem sie den
Umtausch ablehnten oder begrenzten und, was der
Gipfel ist, indem sie versuchten, dafür Gebühren zu
erheben. Die Geldautomaten haben Schwierigkeiten mit
der Ausgabe von 20-Euroscheinen; die Automaten
akzeptieren keine in anderen Ländern hergestellten
Euromünzen; die Geldfälscher wittern Morgenluft, da
keiner die neuen Scheine genau kennt. Man muss schon
offen sagen: Die Europäer benutzen den Euro nicht mit
Begeisterung, sondern nur gezwungenermaßen, weil ihre
nationale Währung immer weniger zur Verfügung steht.
In Deutschlang bezahlen manche, obwohl es dort keine
Übergangszeit gibt, immer noch in Mark, die ja seit dem
1. Januar kein gesetzliches Zahlungsmittel mehr ist.
Der Euro bringt im täglichen Leben also keinerlei
Vorteile. Er verursacht nur Probleme und kommt allen
teuer zu stehen, ganz zu schweigen von der nicht
hinnehmbaren Aufgabe von Souveränitätsrechten, die
seine Einführung erforderte. Heute haben alle Europäer
eine fremde Währung. Zudem ist ein Wiederaufleben
der Preisinflation zu verzeichnen. Jeder stellt beim
Einkaufen fest, die Preise sind überall und in einem
überaus beunruhigendem Maße in die Höhe geschossen,
vor allem bei Waren des täglichen Bedarfs.
Die Situation ist vielleicht noch nicht so wie im
Ruhrgebiet in den zwanziger Jahren, doch sie ähnelt der
52
in den Siebzigern. Der Preisindex für den Monat Januar
wird vielleicht noch durch die Ausverkäufe gerettet,
doch warten wir die Zahlen für das ganze Jahr ab.
Warten wir ab, bis die ersten antisozialen Auswirkungen
des eurobedingten Wettbewerbs in Bezug auf Löhne,
Betriebsverlagerungen und Entlassungen spürbar
werden. Daher möchten wir unsererseits im Namen des
Selbstbestimmungsrechts der Völker das Recht der
Völker bekräftigen, künftig ihre nationale Währung
wieder einzuführen, so wie dies in der Vergangenheit die
vom sowjetischen föderalistischen Joch befreiten Völker
getan haben.
3-134
Berthu (NI). – (FR) Herr Präsident, heute Vormittag hat
uns Präsident Prodi erzählt, dass die Einführung der
Euromünzen und -scheine ein großer Erfolg war. Und
mehrere Redner sind sogar noch weiter gegangen, indem
sie von der Begeisterung der Verbraucher sprachen, die
sich geradezu auf die neue Währung gestürzt hätten.
Diese Darstellungen erscheinen uns übertrieben. Der
Umtausch der Münzen und Scheine ist zwar technisch
reibungslos erfolgt, doch den Verbrauchern blieb ja
keine andere Wahl, als einige Tage früher oder später
das neue Bargeld zu verwenden. Die wirkliche
Nagelprobe wird der währungspolitische Umgang mit
dem Euro in den kommenden Jahren sein. Und
diesbezüglich würde ich an der Stelle der Föderalisten
kein Triumphgeschrei anstimmen, sondern wäre eher
beunruhigt. Denn heute sagen Leute, die einen ganz
anderen Platz auf der politischen Bühne einnehmen als
wir, wie z. B. Jacques Delors, genau das, was wir schon
immer gesagt haben, dass nämlich der Euro in der
jetzigen Art nicht funktionieren kann. Es müsste die
Integration verstärkt werden, wie Romano Prodi
dargelegt hat. Es wäre erforderlich, den wirtschaftlichen
Pfeiler zu verstärken oder das politische Europa zu
schaffen, wie andere sagen. Kurzum, es wäre mehr
supranationale und integrative Macht auf europäischer
Ebene erforderlich, d. h. - man kann es drehen und
wenden wie man will – mehr Superstaat.
16/01/2002
Vaterlande als auch aus Überzeugtheit von der
unbedingten Notwendigkeit des nationalen Rahmens für
die Demokratie und die Solidarität bevorzugen, ist klar.
Doch gibt es noch eine dritte Hypothese, nämlich die
einer Einheitswährung ohne Staat. Diese wäre für uns
überzeugend. Allerdings weiß niemand, wie sie im Falle
von asymmetrischen Schocks funktionieren würde. Und
im Übrigen sind auch die Märkte selbst nicht davon
überzeugt, wie an der anhaltenden Schwäche des Euro in
der letzten Zeit zu erkennen ist.
Daher zieht uns der Euro in ein Abenteuer mit äußerst
schwer wiegenden politischen und finanziellen Folgen,
über die die Bürger nicht aufgeklärt wurden und die sie
auch nicht auf sich nehmen wollen. Seine Erfinder haben
wirklich allen Grund zur Beunruhigung.
3-135
Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, durch die
Einführung der Euro-Banknoten und Münzen ist der
Euro nun zu einer politischen Realität für die 300
Millionen Menschen im Euroland geworden. Ich komme
aus einem Land, das den Euro nicht eingeführt hat und
gehöre einer Partei an, die gegen die Einführung des
Euro ist, und ich muss sagen, dass ich doch damit
gerechnet hatte, dass die Einführung einer ungeliebten
Währung mehr Probleme verursachen und mehr
Widerstand in der Bevölkerung hervorrufen würde. So
weit so gut, und auch die Preissteigerung durch die
Aufrundung der Preise hält sich in Grenzen. Ich
gratuliere der EZB, der Kommission und den nationalen
Zentralbanken zu ihrer logistischen Organisation dieser
enormen Aufgabe, die bewältigt werden konnte, ohne
dass dadurch eine Zunahme der bewaffneten
Raubüberfälle
oder
eine
Steigerung
der
Geldfälschungsaktivitäten ausgelöst wurde. Trotzdem
zweifle ich noch immer an der Notwendigkeit einer
500 EUR Banknote, die sicher nur der Kriminalität
förderlich sein wird.
Hier liegt das Problem, Herr Präsident. Ist Europa bereit,
diesen Superstaat zu akzeptieren? Nein! Erstens sind die
europäischen Nationen in jeder Hinsicht zu
unterschiedlich, um eine optimale Währungszone zu
bilden. Mancher mag hier einwenden, dass daher ein
Superstaat mit der Befugnis zur Vereinheitlichung umso
notwendiger ist. Das ist der Teufelskreis, in dem sich die
Länder der Eurozone in den kommenden Jahren
befinden werden.
Die britischen Konservativen sind naturgemäß
zurückhaltend und vertreten die Auffassung, dass mit
dem Euro, der für Reisende weitere Erleichterungen
durchaus bewirken und die Preistransparenz im
Binnenmarkt verbessern kann, primär eindeutig die
Stärkung der paneuropäischen Identität als Basis für die
weitere politische Integration - eine Tatsache, die von
allen außer Herrn Blair und unserer Labour-Regierung
eingeräumt wird - und für die Kontrolle nicht nur
unserer Geldpolitik, sondern auch unserer Steuerpolitik
beabsichtigt ist.
Man könnte auch von einem Wettlauf sprechen:
Entweder gelingt es den Verantwortlichen rechtzeitig,
um den Euro zum Erfolg zu machen, die Strukturen der
Nationen aufzulösen und einen Superstaat zu schaffen –
dann wird der Euro von Dauer sein, doch in welchem
Zustand werden sich dabei Europa und die Demokratie
befinden? – oder die Nationen werden durch das bloße
Weiterbestehen ihrer Unterschiede eine einheitliche
Währungspolitik unmöglich machen. Was wir
unsererseits sowohl aus Verbundenheit mit unserem
Das Konzept einer Geldpolitik „für alle“ kann nicht für
alle Länder zu jedem Zeitpunkt richtig sein, wie im
pessimistischen
Wirtschaftsbericht
2001
der
Kommission eingeräumt wird. Eine solche Politik,
gekoppelt mit der restriktiven Finanzpolitik des
Stabilitäts- und Wachstumspakts, verursacht in
bestimmten
Volkswirtschaften
ernste
Stabilitätsprobleme und einen Mangel an Flexibilität,
wie wir an dem Szenario des künstlichen Aufschwungs
in Irland gesehen haben. Das Risiko eines
16/01/2002
asymmetrischen Schocks wird sich nach der
Erweiterung noch erhöhen, weil eine Reform der
europäischen Arbeitsmärkte ausbleibt und diese Märkte
zum
größten
Teil
unbeweglich
sind.
Kommissionspräsident Prodi hat eingeräumt, dass dieses
Risiko besteht. Wir werden schon bald den Ruf nach
einer erheblichen Aufstockung des EU-Haushalts und
nach direkten EU-Steuern hören, damit Mittel zur
Unterstützung der Länder bereitgestellt werden können,
die ihre Währungen nicht mehr abwerten und ihre
Zinsen nicht mehr senken dürfen. Trotzdem wünsche ich
dem Euro als der Währung unserer wichtigsten
Handelspartner viel Erfolg, weil auch der Wohlstand des
Vereinigten Königreichs durch die Stabilität des Euro
beeinflusst wird.
Ich hoffe, dass meine pessimistische Prognose, die mit
der ebenfalls pessimistischen Einschätzung der
Kommission übereinstimmt, sich im Laufe der Zeit als
falsch erweisen wird. Ich möchte außerdem Herrn
Solbes fragen, ob er ebenfalls der Auffassung ist, dass
das Vereinigte Königreich vor einer Einführung des
Euro mindestens zwei Jahre lang am WKM-II
teilnehmen muss, bevor weitere Schritte unternommen
werden können. Abschließend möchte ich Ihnen, Herr
Präsident, zu Ihrer Wahl gratulieren.
3-136
Solbes, Kommission. – (ES) Herr Präsident, zunächst
möchte ich allen Rednern für ihre Ausführungen danken.
Danken möchte ich insbesondere Karl von Wogau für
seine zweiundzwanzigjährige Mitwirken an diesem
Prozess. Wir bedauern, dass er den Wirtschafts- und
Währungsausschuss verlässt, wissen jedoch, dass auch
seine Tätigkeit im Ausschuss für auswärtige
Angelegenheiten dem Parlament und dem europäischen
Aufbauprozess eine Hilfe sein wird.
Karl von Wogau sagte mit Bezug auf Jacques Delors,
dass man sich nicht in den Euro verlieben kann, Frau
Christa Randzio-Plath bemerkte jedoch, dass die Völker
glücklich sind. Möglicherweise stehen beide Themen im
Zusammenhang mit einer grundlegenden Frage: Der
Euro ist das erste europäische Identitätsmerkmal, das
allen Bürgerinnen und Bürger der Teilnehmerstaaten der
Währungsunion gemeinsam ist.
Er hat eine sehr große Bedeutung – wie sie auch die
Abschaffung der Grenzen und der Binnenmarkt hatten,
die allerdings nur Waren bzw. Personen betreffen, die zu
einem bestimmten Zeitpunkt die Grenzen überschreiten
–, aber darüber hinaus ist der Euro ein Stück unserer
europäischen Identität, das wir täglich, vom Morgen bis
zum Abend, in allen Ländern der Währungsunion unter
exakt den gleichen Bedingungen anwenden. Unter
unseren gemeinsamen Werten ist er als sehr positives
Element hervorzuheben, das jedoch nichts mit einer
Vereinheitlichung zu tun hat, denn es gibt natürlich
Fragen, in denen wir uns deutlich unterscheiden.
Von jetzt an wird uns der Euro, den wir als Münzen und
Banknoten in Händen halten, einen leichten
53
Wirtschaftsaufschwung bringen, da die Unsicherheit
beseitigt ist. Aber natürlich, da stimme ich mit einigen
der Redner überein, werden die Hauptelemente von
unserem Wachstumspotenzial oder, mit anderen Worten,
von der Ingangsetzung des Prozesses von Lissabon mit
einer größeren Ambition, als es bislang der Fall war,
abhängen.
Wir können uns von den USA lösen, wie Herr Ruffolo
es tun möchte; wir hätten es gern. Dennoch hat uns die
Erfahrung des Jahres 2001 gelehrt, dass uns eine relative
Unabhängigkeit in kommerzieller Hinsicht nicht davor
bewahrt, von einer Krise in den USA in Mitleidenschaft
gezogen zu werden, die sich über die wirtschaftlichen
Kanäle infolge der Verknüpfung der Unternehmen und
Finanzmärkte überträgt.
Der Wechselkurs wird zu einer echten Prüfung des Euro
werden. Ich habe stets gesagt, dass der Wechselkurs nie
ein Ziel der Politik der Union gebildet hat. Unsere
Währungspolitik zielt auf eine weiterhin niedrige
Inflation, und wir sind überzeugt, dass eine Währung mit
einer niedrigen Inflation langfristig eine stabile, eine
beliebte und eine Fluchtwährung ist und eine Währung,
die in der Wirtschaftswelt eine wichtige Rolle spielen
wird.
Doch
was
geschieht,
unabhängig
von den
wirtschaftlichen Aspekten im eigentlichen Sinne, mit
unserer institutionellen Struktur? Ist der Euro der Beginn
einer Wirtschaftsregierung? Ich glaube, wir haben in
Maastricht ein Modell kreiert, das auf einer einheitlichen
Währungspolitik und auf koordinierten nationalen
Wirtschaftspolitiken basiert. Dies ist nach meiner
Auffassung unser Modell. Und wir müssen daran
arbeiten, dass der Euro auf dieser Grundlage zum Erfolg
wird. Ich will jetzt nicht vorschnell darüber urteilen, ob
wir in den politischen Integrationsprozessen mehr oder
weniger vorankommen sollten. Möglicherweise würde
ich mich jenen anschließen, die für eine stärkere
politische Integration sind, aber ich verstehe auch, dass
dies eine Entscheidung von fünfzehn Staaten ist, die auf
anderen Ebenen, in anderen Foren und im Ergebnis
anderer Debatten getroffen werden muss. Allerdings bin
ich überzeugt, dass wir den Prozess zu einer größeren
wirtschaftspolitischen
Koordination
vorantreiben
können, die keinesfalls eine Unifizierung unserer
Wirtschaftspolitiken bedeutet, denn unsere Situationen
sind unterschiedlich, und davon hängt ihre Anwendung
ab.
Heute vermischen wir zuweilen, wie auch sonst so oft,
Stabilitätspakte und Grundzüge der Wirtschaftspolitik.
Ist der Stabilitätspakt ein Problem für die
Wirtschaftspolitik der Union? Darüber haben wir
verschiedentlich in diesem Hause diskutiert. Ich möchte
weiterhin den Standpunkt vertreten, den ich immer hatte:
Der Stabilitätspakt ist nicht mehr und nicht weniger als
das notwendige Element, das uns einen policy mix
zwischen Haushaltspolitik und Währungspolitik und
eine Währungspolitik mit niedrigen Zinssätzen
ermöglichen kann. Die strukturellen Veränderungen
unserer Wirtschaften und der Wachstumsfortschritt, die
54
Kongruenz
zwischen
unseren
nationalen
Wirtschaftspolitiken und der Politik insgesamt mit der
Währungspolitik müssen über die Grundzüge der
Wirtschaftspolitik gesteuert werden. Wir verfügen über
die Instrumente, wir müssen sie vervollkommnen und
verbessern, aber ich halte das System für zweckdienlich.
Der policy mix wird eines der Schlüsselelemente des
spanischen Ratsvorsitzes sein, so erklärte der Präsident
des ECOFIN-Rates, und ich bin sicher, dass wir noch
Gelegenheit haben werden, hier im Haus über diesen
wichtigen Punkt zu sprechen. Natürlich werden die
Strukturreformen, wie ich eingangs bemerkte, weiterhin
entscheidend für die Zukunft sein.
Einen Kommentar zu den Erweiterungen der Eurozone.
In den Anwärterländern haben wir ein größeres Interesse
an unseren Erfahrungen in der Eurozone festgestellt.
Vielleicht könnte ich sogar sagen, dass in den drei
Anwärterländern ein zusätzliches erhebliches Interesse
geweckt worden ist, das sich in einigen politischen
Elementen widerspiegelt, die uns übermittelt wurden
oder die wir in den letzten Tagen beobachtet haben.
Tatsache ist, dass es noch Kritiker des Euro gibt, und es
stimmt, dass unter den Euroskeptikern, da sich die
Probleme kurzfristig nicht stellen, jetzt Furcht davor
herrscht, was in zehn oder fünfzehn Jahren geschehen
wird. Natürlich können wir dazu nichts sagen. Ich
glaube, es ist schwierig vorherzusagen, was in zehn oder
fünfzehn Jahren sein wird, aber ich persönlich bin
überzeugt, dass wir in zehn oder fünfzehn Jahren
wesentlich weniger Probleme in dieser Hinsicht haben
werden als zum jetzigen Zeitpunkt.
Welche Bedingungen werden den „pre-in“-Ländern für
ihre Teilnahme gestellt? Exakt die gleichen wie den
übrigen, nicht mehr und nicht weniger. Es geht um die
Erfüllung der Bedingungen von Maastricht mit der
zusätzlichen Tatsache des opting-out, auf das Dänemark
und Großbritannien ein Recht haben. Es wird keine
Änderung geben, weder für die „pre-in“-Länder noch für
die Kandidatenländer. Wir halten die Gleichbehandlung
aller Mitgliedstaaten der Union für ein Grundprinzip,
das wir in keinem Fall korrigieren dürfen.
Eine letzte Bemerkung zu einem geringfügigeren
Thema, das uns aber heute in gewissem Maße
beschäftigt hat: die praktischen Probleme der
Einführung des Euro. Hat der Handel die Rolle der
Banken übernommen? Nein. Der Handel hat durch eine
Vorversorgung mit der neuen Währung als Stimulator
für die schnelle Verwendung der gemeinsamen Währung
gedient. Zwar sind einige praktische Probleme
aufgetreten, aber eher durch den Druck einiger Bürger,
den Handel als Bank zu nutzen, als sie versuchten,
nationale Banknoten von hohem Wert in den Geschäften
zu wechseln und nicht in den Banken, wie es vorgesehen
sein sollte.
Gibt es gravierende Probleme mit Fälschungen? Weder
gravierende noch weniger gravierende. Im Moment sind
uns keine Fälle bekannt, die man technisch als „EuroFälschungen“ bezeichnen könnte. Es gibt Fotokopien. Es
gibt Euro, die mit Scannern hergestellt wurden, die sich
16/01/2002
aber wesentlich vom echten Euro unterscheiden, und
folglich sollte es diese Bedenken, die manchmal
vorgebracht werden, heute nicht geben. Meiner Ansicht
nach hat der Euro, ganz im Gegensatz zu anderen
nationalen Währungen mit starker Verbreitung in der
Welt, einen sehr hohen Sicherheitsfaktor, der uns die
Garantie geben dürfte, dass derartige Situationen nicht
auftreten.
Auch manche Behauptungen zum Betrieb von
Automaten halte ich nicht für korrekt. Praktische
Probleme gibt es. Jeder, der Mautstrecken befahren will,
auch nicht weit von hier, wird feststellen, dass einige
Automaten nicht mit allen Münzen und Banknoten der
einzelnen Länder der Union funktionieren. Solche
praktischen Probleme treten auf, wir dürfen ihnen aber
nicht mehr Bedeutung beimessen, als sie besitzen: Es
sind Anekdoten in einem Prozess von großer Tragweite
und Komplexität.
Ebenso wenig glaube ich, dass die Preisprobleme
signifikant sind und dass sich die Rabattpreise auf die
Januar-Preise auswirken werden, wie sie auch in der
Vergangenheit keinen Einfluss hatten, da dem niemals
Beachtung geschenkt wurde.
In der vergangenen Woche haben wir in einem Gespräch
mit dem ehemaligen Präsidenten des ECOFIN-Rates,
Herrn Reynders, festgestellt, dass wir aus diesem
Prozess gelernt haben, dass wir den nächsten
Geldumtausch nicht am 1. Januar durchführen dürfen.
Aber da ich sicher bin, dass sich dieser Fall nicht
einstellen wird, können wir wohl auch diese Erfahrung
ad acta legen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, vielen Dank
für Ihre enorme Unterstützung in dieser Periode. Sie war
ein wesentlicher Beitrag zur guten Arbeit der
Mitgliedstaaten und zur besseren Unterrichtung der
Bevölkerung sowie ein Ansporn für die Arbeit der
Kommission.
3-137
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
3-138
Auftragsvergabe
3-139
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame Aussprache über folgende Berichte:
- Bericht (A5-0378/2001) von Herrn Zappalà im Namen
des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt über den
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über die Koordinierung der
Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge,
Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge (KOM(2000)
275 – C5-0367/2000 – 2000/0115(COD)) und
- Bericht (A5-0379/2001) von Herrn Zappalà im Namen
des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt über den
16/01/2002
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Koordinierung der
Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der
Wasser-,
Energieund
Verkehrsversorgung
(KOM(2000) 276 – C5-0368/2000 – 2000/0117(COD)).
3-140
Zappalà (PPE-DE), Berichterstatter. – (IT) Herr
Präsident, zunächst möchte ich Sie zu Ihrer Wahl zum
Präsidenten dieses Hohen Hauses beglückwünschen: Ich
wünsche Ihnen und dem gesamten Parlament alles Gute
für die kommenden zweieinhalb Jahre.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Dem Plenum werden sowohl die Richtlinie zur Vergabe
öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und
Bauaufträge als auch die Richtlinie für spezifische
Sektoren, nämlich die Auftragsvergabe im Bereich der
Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung, zur
Abstimmung vorgelegt. Dies geschieht, nachdem die
Kommission vier Jahre lang, in denen zahlreiche
Anhörungen, Studien und Bewertungen durchgeführt
wurden, daran gearbeitet und sich das Europäische
Parlament zwei weitere Jahre damit befasst hat;
nachdem eine auf großen Zuspruch gestoßene
öffentliche Anhörung stattgefunden hat und der
Ausschuss der Regionen sowie die Branchen- und
Berufsverbände ganz Europas Stellung genommen
haben.
Ein solcher Arbeitsaufwand darf nicht überraschen,
wenn man bedenkt, dass in der EU jedes Jahr etwa
15 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts, was
einem Betrag von über 1 500 Milliarden Euro entspricht,
auf das öffentliche Auftragswesen entfallen. Was die
derzeit geltenden Richtlinien anbelangt, so fallen
schätzungsweise nur 20 Prozent dieses Betrags unter die
darin enthaltenen Bestimmungen, da der Schwellenwert,
ab dem sie angewandt werden müssen, verhältnismäßig
hoch ist und in etwa den Vereinbarungen über die
Beteiligung von Drittstaaten entspricht. Die geltenden
Richtlinien, die vor langer Zeit angenommen wurden
und nicht mehr aktuell sind, müssen daher überarbeitet
und an die neuen Technologien sowie an die neuen
Marktlagen
angepasst
werden.
Gerade
die
Notwendigkeit
der
immer
umfassenderen
Verwirklichung des Binnenmarktes hat die Kommission
dazu veranlasst, sich mit den fraglichen Richtlinien zu
befassen und sie vorzuschlagen. Die Materie ist äußerst
wichtig und konnte bzw. kann daher nicht nur
oberflächlich behandelt werden. Neben einzelnen
Kollegen haben vier mitberatende Parlamentsausschüsse
und der federführende Ausschuss für Recht und
Binnenmarkt
die
Texte
geprüft
und
Änderungsvorschläge eingereicht; praktisch hatte mehr
als die Hälfte der Mitglieder die Gelegenheit, die
Vorschläge zu prüfen, zu diskutieren und abzuändern.
Die Inhalte lassen sich leicht zusammenfassen: Revision
und Aktualisierung der geltenden Richtlinien;
Einführung
elektronischer
Vergabemechanismen;
Klärung der Bestimmungen zu den technischen
Spezifikationen;
Präzisierung
der
Vorschriften
55
betreffend die Vergabekriterien; Vereinfachung der
Schwellen; Einführung eines einheitlichen Vokabulars
für das öffentliche Auftragswesen.
Insgesamt sind die Vorschläge zu billigen und finden
auch Zustimmung: Wir alle sind uns ihrer Bedeutung
bewusst
und
wollen,
dass
sie
das
Rechtsetzungsverfahren
reibungslos
passieren.
Gleichwohl gilt es, die wichtigsten aufgetretenen und
erkannten Probleme, die Anlass zur Diskussion
innerhalb der einzelnen politischen Kräfte als auch
zwischen ihnen und zwischen den nationalen
Vertretungen geben, herauszustellen.
Zunächst zu den Schwellenwerten, d. h. zu jenen
Werten, unterhalb derer die Richtlinien nicht zwingend
angewandt werden müssen. Diese Werte, die wie bereits
erwähnt ohnehin relativ hoch sind, sollen dennoch
gemäß
dem
Kommissionsvorschlag
dem
für
Vereinbarungen mit Drittländern geltenden Wert
entsprechen. Es wurde vorgeschlagen, diesen Wert
anzuheben. Dies führt zu einem doppelten Problem:
Rückgang der Beschaffungen, die unter die Pflicht zur
Einhaltung der Richtlinien fallen, und möglicher Vorteil
für Drittstaaten, mit denen bestehende Abkommen nicht
überarbeitet werden können. Darüber hinaus können die
ausschreibenden Stellen außerhalb der gemeinsamen
Regeln operieren, mit all den Risiken, die damit
verbunden sind. Einige haben angemerkt, dass es trotz
der Anhebung der Schwellenwerte nicht zu einem
Rückgang der öffentlichen Auftragsvergabe auf
europäischer Ebene kommen wird, weil die
Unternehmen unterhalb eines bestimmten Wertes kein
wirtschaftliches Interesse daran hätten, in einer anderen
Region oder gar in einem anderen Land tätig zu werden.
Zudem gilt es, die Möglichkeit eines jeden
Mitgliedstaats und jeder Regionalverwaltung zur
Anwendung von unter den Schwellenwerten liegenden
lokalen Standards zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich
Folgendes: je höher die Schwellenwerte, desto
unterschiedlicher werden die Bestimmungen innerhalb
der Union sein, weshalb auch die Regeln in der EU
immer weniger einheitlich sein werden.
Ungeachtet der Höhe der Schwellenwerte darf meines
Erachtens nicht zugelassen werden, dass innerhalb der
Union unterschiedliche Rechtsvorschriften bestehen.
Das käme einem Abbau und keiner Erweiterung des
Gemeinsamen Marktes gleich und würde außerdem
bedeuten,
dass
die
einzelnen
territorialen
Rechtsetzungsorgane ihr regionales oder nationales
Gebiet gegenüber nicht ansässigen Unternehmen
abschotten können. Das dürfte jedoch nur insoweit
geschehen, als es nicht durch die Richtlinien abgedeckt
wird. Daraus ergibt sich, dass die allgemeinen Inhalte
der Richtlinien auch in die nationalen und regionalen
Rechtsvorschriften übernommen werden müssen,
weshalb auch ein in diese Richtung gehender
Änderungsantrag eingebracht wurde.
Ein weiteres wichtiges Thema betrifft die Umwelt- und
Sozialbelange. Einige haben vorgeschlagen, die
Richtlinie solle spezifische Normen in diesen Bereichen
56
enthalten und ergänzen. Diese Argumentation war
Auslöser
einer
gleichermaßen
breiten
wie
tiefschürfenden
Diskussion
und
könnte
zur
Rücküberweisung an den Ausschuss führen, falls bei der
Abstimmung
kein
mehrheitsfähiger
Standpunkt
angenommen wird. Meiner Ansicht nach darf ein
Regelwerk, das auf die Verwirklichung des
Binnenmarkts in einem Sektor mit wirtschaftlichem
Charakter sowie auf die Verstärkung des Wettbewerbs
abzielt, keine Grundsätze enthalten, die in den
sektorspezifischen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen
sind. Der Vorschlag der Kommission enthält bereits
angemessene Hinweise, damit bei der Ausschreibung
alle geltenden Vorgaben bezüglich des Umweltschutzes
und der Arbeitnehmerrechte eingehalten werden. Diese
Vorschriften können nicht im Wege von Richtlinien, die
sich auf die Vergabe öffentlicher Lieferaufträge,
Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge beziehen
sollen, erweitert oder geändert werden. Die
diesbezüglichen Änderungsanträge, die allerdings bei
der Abstimmung im federführenden Ausschuss und in
einigen mitberatenden Ausschüssen angenommen
wurden, zielen darauf ab, neue Vorschriften einzuführen.
Falls diese Änderungsanträge auch im Plenum
angenommen werden sollten, wäre es besser, die
geltenden Texte beizubehalten, anstatt Formulierungen
einzuführen, die zwar moderner sind, jedoch die Gefahr
eines
Rückschritts
in
Bezug
auf
wichtige
Grundprinzipien mit sich bringen.
Ein anderes Problem, welches diese Richtlinien nicht
vernachlässigen dürfen, das jedoch von der Kommission
nicht angemessen behandelt wurde, sind die geistigschöpferischen Dienstleistungen. Es ist nunmehr an der
Zeit, klar und deutlich zwischen geistiger und
ausführender Dienstleistung, d. h. zwischen der
konzeptionellen Arbeit und der Ausführung, zu
unterscheiden. Manche Branchenorganisationen tun sich
schwer mit der Übernahme eines solchen Konzepts und
verteidigen von ihrem Standpunkt aus Positionen, die
sich mit der Zeit gefestigt haben. Weder kann das
geistig-schöpferische Werk wie die Ausführung eines
handgefertigten Erzeugnisses betrachtet werden, noch
kann ein Unternehmen alles von der Planung bis zur
Ausführung übernehmen, es sei denn in Ausnahmefällen
oder aufgrund des Einsatzes spezifischer Technologien.
Dafür gibt es zwei Gründe: Das Produkt des Geistes ist
nicht quantifizierbar, und eine Idee gleicht niemals einer
anderen. Die Geschichte ganz Europas – auf ein
Jahrhundert mehr oder weniger soll es nicht ankommen
– ist reich an Werken unterschiedlicher Natur, welche
die Zeit aufgrund ihres künstlerischen Wertes überdauert
haben. Nun kann zwar nicht alles bzw. jede Leistung mit
einem Kunstwerk verglichen werden, doch darf das
Produkt des Geistes auch nicht mit der reinen
Ausführung verwechselt werden. Das ausführende
Unternehmen besitzt Kapazitäten, Erfahrungen und
Ausführungstechnologien und eignet sich somit am
besten für die technische Planung und Umsetzung der
Ideen von anderen, aber abgesehen von einigen wenigen
Ausnahmen eben nur dazu. Mit der Trennung zwischen
schöpferisch-geistigen
und
ausführenden
Dienstleistungen wird man den geistigen Berufen und
16/01/2002
Werken gerecht. Die Gesamtvergabe, das heißt die
gemeinsame Vergabe der alleinigen ausführenden
Planung und der Ausführung, ist angebracht, wenn es
innerhalb eines Unternehmens oder der mit ihm
verbundenen
Unternehmen
Erbringer
geistiger
Dienstleistungen gibt, die gemäß den geltenden
Rechtsvorschriften hierfür zugelassen sind. Auf diesen
Erwägungen beruhen sowohl der Änderungsantrag,
wonach die gemeinsame oder die getrennte Vergabe von
Ausführung und Planung nicht vorgeschrieben wird,
sondern die Gesamtvergabe vom Auftraggeber zu
begründen ist, als auch der Änderungsantrag, in
welchem klar definiert wird, was unter vorheriger,
endgültiger und ausführender Planung zu verstehen ist.
Schließlich und endlich werden dem Parlament zwei
Richtlinien vorgelegt, die sich im Wesentlichen ähneln,
denn einige spezifische Bereiche wurden bzw. werden
demnächst liberalisiert. Der Telekommunikationssektor
wurde bereits liberalisiert und aus diesem Grunde nicht
behandelt. Durch die nunmehr auch im Bereich der
Wasser-,
Energieund
Verkehrsversorgung
fortschreitende Liberalisierung, die von der Kommission
direkt oder auf einseitigen Antrag der einzelnen
Mitgliedstaaten geprüft wurde, wird die zweite
Richtlinie hinfällig werden, ohne eine Änderung der
ersten Richtlinie notwendig zu machen.
Insgesamt hoffe ich, dass uns unparteiische Erwägungen
zur Annahme von Bestimmungen veranlassen mögen,
die sektorspezifisch sind, ohne zu gefährlichen
Erweiterungen zu führen; die zur Vollendung des
Binnenmarktes beitragen; die den EU-Beitritt weiterer
Länder mit eigenen Traditionen und Erfordernissen
berücksichtigen und die tendenziell zur zunehmenden
Vereinheitlichung der Regeln und nicht zu deren
Zersplitterung führen.
Darüber hinaus muss festgestellt werden, dass die
Arbeit, welche die Kommission mit ihrem Vorschlag
geleistet hat, größte Wertschätzung verdient.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich stolz darauf
bin, bei der weiteren Ausgestaltung und hoffentlich auch
Verbesserung eines Regelwerks mitgewirkt zu haben,
das nicht nur zur Verwirklichung eines geeinteren und
stärkeren Europas beiträgt, sondern auch eine Wende in
der Bekämpfung von Betrug und Verbrechen
herbeiführt, die in der Wirtschaft oftmals die Oberhand
gewinnen. Just um Schlupflöcher zu vermeiden, ist
gegebenenfalls ein Stillstand der Richtlinien besser als
die Existenz von Vorschriften, die einen zu großen
Ermessensspielraum einräumen.
3-141
Rapkay (PSE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung.
– Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich aus der Sicht des Ausschusses für
Wirtschaft und Währung einen Blick auf die
wirtschaftlichen und wettbewerbspolitischen Aspekte
beim öffentlichen Auftragswesen werfen. Der Kollege
Zappalà hat ja gerade schon angedeutet, 14 % bis 15 % –
16/01/2002
das ist zumindest die Schätzung der Kommission –
Bruttoinlandsproduktes der Union entfallen
Bauaufträge, Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge
Staates
und
von
Unternehmen,
Versorgungsleistungen für die Allgemeinheit
erbringen haben.
57
des
auf
des
die
zu
15 %, wenn man sich das einmal in absoluten Zahlen
anschaut, bei einem Bruttoinlandsprodukt von etwa
900 Milliarden Euro jährlich in der Union, ist das eine
Größenordnung von 125 bis 130 Milliarden Euro. Das
ist ja wahrlich keine kleine Summe. Aber genau in
diesem Bereich des öffentlichen Auftragswesens hat sich
der Binnenmarkt noch nicht sonderlich durchgesetzt.
Hier muss eine Veränderung herbeigeführt werden. Die
grenzüberschreitende Auftragsvergabe ist weiterhin die
Ausnahme. Die Vorschriften sind kompliziert, zerfahren,
starr, langwierig, bürokratisch und auch die Integration
sozialer Anliegen und Umweltbelange in die
Beschaffungspraxis ist noch nicht geklärt. Das
zumindest sind die Anforderungen, die das Parlament
selber bei seinen Debatten über das Grünbuch und über
die Mitteilung der Kommission in 1996 und 1998
formuliert hat. Deswegen müssen wir hier den Blick auf
die ökonomischen, auf die wettbewerbspolitischen Ziele
werfen. Ziel ist also, dem Binnenmarkt in diesem
Bereich zum Durchbruch zu verhelfen. Es bedarf klarer,
transparenter Regeln, die keinen Bieter für diese
Aufträge diskriminieren.
Aber auf der anderen Seite muss auch gewährleistet
werden, dass sich kein Bieter ungerechtfertigte Vorteile
verschaffen kann. Deswegen muss klargestellt werden,
dass
arbeitsrechtliche,
tarifrechtliche
und
umweltrechtliche Vorgaben auch eingehalten werden.
Deswegen ist das Argument des Kollegen Zappalà als
letzte Bemerkung nicht ganz korrekt, wenn er sagt, wir
sollten die wirtschaftlichen von den anderen Dingen
trennen. Man darf sich natürlich auch nicht, um einen
wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, den anderen
Standards entziehen. Das gehört zu den gemeinsamen
Spielregeln, und das muss dann auch eingehalten
werden.
3-142
Hughes (PSE), Verfasser der Stellungnahme des
Ausschusses
für
Beschäftigung
und
soziale
Angelegenheiten. – (EN) Herr Präsident, der Ausschuss
für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten setzt
sich seit langem für die verstärkte Rücksichtnahme auf
soziale und arbeitsrechtliche Standards im öffentlichen
Auftragswesen ein. Es gibt zwei Möglichkeiten, um
dieses Ziel zu erreichen. Erstens, indem sichergestellt
wird, dass die geltenden Vorschriften von allen
Bewerbern eingehalten werden, um unlauteren
Wettbewerb zu verhindern. Ich bitte die Abgeordneten,
dies vor dem Hintergrund dessen, was der
Berichterstatter in seiner Einführung gesagt hat, nicht zu
vergessen. Wir müssen in diesem Zusammenhang zur
Kenntnis nehmen, dass es nicht um soziale Kriterien
geht, welche die Objektivität der Vergabeverfahren in
Frage stellen, sondern um genau das Gegenteil! Es
sollen gleiche Voraussetzungen für alle geschaffen
werden, die an einer Ausschreibung teilnehmen.
Die zweite Art und Weise, auf die wir möchten, dass
soziale Kriterien berücksichtigt werden, besteht darin,
den Auftraggebern zu ermöglichen, im Rahmen des
Vergabewesens
bestimmte
sozialund
beschäftigungspolitische
Zielsetzungen,
etwa
Chancengleichheit und soziale Eingliederung, zu
verfolgen. Dies muss allerdings stets, und ich betone das
vor dem Hintergrund der Ausführungen des
Berichterstatters, unter der strengen Voraussetzung
erfolgen, dass damit keine Wettbewerbsverzerrungen
geschaffen werden. Dies wird in den Änderungsanträgen
des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt, die auf der
Grundlage der Stellungnahme des Ausschusses für
Beschäftigung und soziale Angelegenheiten vorgelegt
wurden, wiederholt und unmissverständlich klargestellt.
In der Stellungnahme des Ausschusses für
Beschäftigung und soziale Angelegenheiten werden die
unterschiedlichen Phasen des Vergabeverfahrens
beschrieben und eine Reihe von Empfehlungen für jede
dieser Phasen ausgesprochen. In der ersten Phase soll
eine Bezugnahme auf das anzuwendende Recht bereits
Bestandteil der Verdingungsunterlagen sein. Die
Bewerber, die Bieter in einem Verfahren, sollten Zugang
zu allen Informationen über sämtliche soziale und
arbeitsrechtliche
Kriterien
erhalten,
die
sie
berücksichtigen sollen.
In diesem Zusammenhang ist Artikel 27 in der
allgemeinen Richtlinie besonders wichtig. Ich möchte
die Mitglieder auf den Änderungsantrag 129 von Frau
Berger aufmerksam machen. Das ist ein ausgezeichneter
Änderungsantrag, den das Parlament hoffentlich
unterstützen wird.
In der zweiten Phase müssen wir sicherstellen, dass die
in der ersten Phase festgelegten Standards sorgfältig
eingehalten werden. Außerdem sollte eine Möglichkeit
bestehen, Bewerber auszuschließen, die in der
Vergangenheit diese sozialen und arbeitsrechtlichen
Standards nicht eingehalten haben. Artikel 46 ist hier
sehr wichtig, und ich möchte die Mitglieder auf die
Änderungsanträge 82, 86, 87 und 89 hinweisen.
Bei der Auswahl der Bewerber und der Auftragsvergabe
ist die Konformität mit den Vorschriften über
Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen zu garantieren.
Dies ist in Artikel 53 festgelegt, dem bei den
Diskussionen im Ausschuss für Recht und Binnenmarkt
die größte Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Ich
möchte die Abgeordneten in diesem Zusammenhang
auch auf Änderungsanträge 134 und 140 hinweisen. Ich
hoffe sehr, dass wir bei unserer morgigen Abstimmung
eine Einigung über einen dieser Änderungsanträge
erreichen können.
Schließlich ist ein angemessenes Einspruchsverfahren
einzurichten, um zu gewährleisten, dass diese Kriterien
bei der Durchführung des Auftrags eingehalten werden.
58
Änderungsantrag 108 ist hier unter anderem von
Bedeutung.
Ich möchte noch auf einen letzten wichtigen
Änderungsantrag hinweisen. Er wurde in der
Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und
soziale Angelegenheiten erwähnt und bezieht sich auf
die geschützte Beschäftigung. In Änderungsantrag 36 ist
festgelegt, dass Mitgliedstaaten bestimmte Aufträge
Programmen für eine geschützte Beschäftigung oder
geschützten Werkstätten vorbehalten können, in Fällen,
in denen in diesen Programmen oder Werkstätten
mehrheitlich Behinderte beschäftigt werden. Darüber
wird in einigen Mitgliedstaaten, insbesondere in meinem
Heimatland, schon seit langem diskutiert. Ich hoffe, dass
dieser Änderungsantrag morgen gebilligt wird und dass
die neue Richtlinie eine klare Regelung hierzu enthalten
wird.
Das sind die wichtigsten Punkte der Stellungnahme des
Ausschusses
für
Beschäftigung
und
soziale
Angelegenheiten. Alle diese Forderungen sind in den
Änderungsanträgen enthalten, über die morgen
abgestimmt werden soll. Ich hoffe, sie werden die
Unterstützung des Parlaments erhalten.
3-143
Schörling (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme
des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik.  (SV) Herr
Präsident! Die Umwelt kann ja auf verschiedene Weise
geschützt werden, wobei wir hier im Europäischen
Parlament vor allem versuchen, zwei Wege zu gehen.
Entweder versuchen wir, durch Richtlinien und
Verordnungen umweltbelastende Tätigkeiten zu
verbieten oder einzuschränken, oder durch Richtlinien
und Verordnungen Privatpersonen, Unternehmen und
öffentliche Behörden dazu zu bewegen, freiwillig zur
Verringerung von Umweltbelastungen beizutragen.
Herrn Zappalà möchte ich sagen, dass die Zeit ganz
einfach vorbei ist, wo man lediglich wirtschaftliche
Kriterien zugrunde legen konnte und dass der EGVertrag uns jetzt ebenfalls dazu verpflichtet, neben
wirtschaftlichen auch soziale und ökologische Belange
zu berücksichtigen. Die beiden Richtlinienentwürfe für
die Vergabe öffentlicher Aufträge müssen es den lokalen
und regionalen Gebietskörperschaften sowie den
staatlichen Behörden ermöglichen, Aufträge für Waren
und Dienstleistungen so zu vergeben, dass eine
minimale Umweltbelastung erreicht wird.
Den Vorschlag der Kommission halte ich insofern für
bezeichnend, als er eine solche umweltfreundliche
Auftragsvergabe unmöglich macht. In die beiden
Stellungnahmen des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit
und
Verbraucherpolitik,
deren
Verfasserin ich war, haben wir ausdrücklich die
Möglichkeit einer solchen Auftragsvergabe unter
Berücksichtigung von Umweltbelangen aufgenommen.
Diese Stellungnahmen wurden in ihrer Gesamtheit und
ohne irgendwelche Änderungen angenommen, was eine
sehr deutliche und nachdrückliche Aussage seitens des
16/01/2002
Umweltausschusses darstellt. Zu meiner großen Freude
konnte ich auch feststellen, dass die meisten der
Änderungsanträge des Umweltausschusses vom
federführenden Ausschuss angenommen worden sind.
Es gibt allerdings einige Punkte, bei denen der
federführende Ausschuss ein etwas merkwürdiges
Ergebnis vorgelegt hat. Das gilt insbesondere für den
Vorschlag zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge,
Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge, bei dem
Artikel 53 dahingehend geändert werden muss, dass die
Berücksichtigung von Umweltbelangen wesentlich
erleichtert wird. Außerdem werden in der zweiten
Richtlinie über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber
im
Bereich
der
Wasser-,
Energieund
Verkehrsversorgung diese Änderungen nicht in Artikel
54 eingefügt, der jedoch denselben Wortlaut hat wie
Artikel 53 der erstgenannten Richtlinie. Ich nehme an,
dass es sich hier um ein Versehen handelt, möchte es
aber erwähnt haben. Gleichzeitig appelliere ich an alle,
für Änderungsantrag 140 zur Richtlinie über die
Vergabe
öffentlicher
Lieferaufträge,
Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge zu stimmen.
Diese Änderungen sind von wesentlicher Bedeutung und
die Richtlinien sollten, wie gesagt, übereinstimmen.
Wenn die Formulierung „das für den Auftraggeber
wirtschaftlich günstigste Angebot” erhalten bleibt,
bedeutet das, dass der Auftraggeber weder
Umweltbelange noch gesellschaftliche Interessen oder
den
langfristigen
ökologischen
Lebenszyklus
berücksichtigen muss. Daher ist es von größter
Bedeutung, dass wir diesen Text wirklich dahingehend
ändern, dass er mit dem im Vorschlag für die Richtlinie
zur
Vergabe
öffentlicher
Lieferaufträge,
Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge übereinstimmt.
Diese
Kriterien sind
nämlich im Sechsten
Umweltaktionsprogramm
und
der
integrierten
Produktpolitik
enthalten.
Ferner
sollen
diese
Vorschriften auch der Förderung einer nachhaltigen
Entwicklung im Sinne des Amsterdamer Vertrags
dienen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die
unbegreifliche Entschärfung der bereits existierenden
Richtlinie durch die Kommission ist mir unverständlich,
da die Kommission der Ansicht ist, dass beispielsweise
die Beachtung des ökologischen Lebenszyklus kein
Bewertungskriterium darstellen soll. In dieser Frage ist
jedoch schon eine gerichtliche Prüfung eingeleitet
worden, wobei der Generalanwalt bereits deutlich
gemacht hat, dass meine Sichtweise und die des
Umweltausschusses, im Gegensatz zu der von der
Kommission angeführten, korrekt ist.
Ich freue mich auch sehr über die vom Ausschuss für
Beschäftigung
und
soziale
Angelegenheiten
eingebrachten Änderungen, da eine nachhaltige
Entwicklung die Beachtung wirtschaftlicher, sozialer
und ökologischer Belange erfordert. Aus diesem Grunde
hoffe ich, dass wir den Änderungsanträgen der Fraktion
Die Grünen und der PSE-Fraktion zustimmen werden.
3-144
16/01/2002
Kuhne (PSE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie. – Herr Präsident! Auch ich
möchte zunächst noch etwas zu der Frage sagen, ob
wirtschaftliche Gesetzgebung quasi neutral ist und man
sie von anderen Aspekten trennen kann. Im Bereich der
so genannten Sektorenrichtlinie haben wir ein Beispiel.
Da kann man nämlich durch die scheinbar neutrale
Gesetzgebung sehr unterschiedliche Effekte erzielen.
Wenn man sagt: Der Richtlinie unterliegen die
Eigenbetriebe von Kommunen, ausgelagerte Betriebe
aber nicht, dann haben wir auf einmal Unternehmen, die
den gleichen Zweck verfolgen, völlig unterschiedlichen
Rechtsregelungen unterworfen, und wir haben keine
neutralen Effekte.
Aus diesem Grunde hat sich auch der Ausschuss für
Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie, der ja
sonst nicht in dem Ruf steht, soziale oder
Umweltbelange besonders zu berücksichtigen, in einer
flügelübergreifenden Mehrheit bereit gefunden, diese
Aspekte in seinen Vorschlägen aufzugreifen. Ich möchte
hier einige noch einmal deutlich darstellen, weil wir ja
nicht nur diskutiert haben, sondern wir haben
wesentliche Ergebnisse des Industrieausschusses wie
auch des Ausschusses für Beschäftigung und soziale
Angelegenheiten
und
des
Ausschusses
für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung in den
vor uns liegenden Vorschlag aufgenommen.
Unser wichtigster Vorschlag lautet, dass neben den
arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften auch die
kollektiven Übereinkommen zwischen Arbeitgebern und
Gewerkschaften - wie es in unserem Vorschlag noch
heißt - am Ort der Ausführung einzuhalten sind. Um
Missverständnisse auszuschließen, glaube ich, dass der
Industrieausschuss auch mit der Formulierung
„allgemeingültige Tarifverträge“ einverstanden sein
könnte, zumal der Vorschlag des Ausschusses für Recht
und
Binnenmarkt
die
Möglichkeit
anderer
Missverständnisse eröffnet.
Auf jeden Fall aber sollten wir eines klarstellen, und ich
sage das einmal im Hinblick auf den Mitgliedstaat, aus
dem ich komme: Es kann nicht sein, dass dort Teile des
politischen Spektrums Ängste für den Arbeitsmarkt
aufgrund der anstehenden Osterweiterung schüren,
während wir in Teilen dieses Hauses dabei sind, die
Türen zu öffnen, so dass die Ängste möglicherweise
berechtigt sind. Das sollten wir uns nicht vorhalten
lassen.
Ich begrüße auch, dass der Rechtsausschuss unsere
Forderung aufgenommen hat, wonach Unternehmen bei
Nichteinhaltung der tariflichen und sonstigen arbeitsund sozialrechtlichen Bedingungen im Land der
Niederlassung oder einem anderen betroffenen Land von
Angebotsverfahren ausgeschlossen werden können. Wir
haben in der Sektorenrichtlinie, in der heute zur Debatte
stehenden Vorlage zwei wichtige Punkte verankert, die
Bedeutung etwa für kommunale Unternehmen haben,
wobei wir gesagt haben, verbundene oder gemeinsame
59
Unternehmen mit mindestens 50 % durchschnittlicher
Umsatzbeteiligung sind aus dem Geltungsbereich der
Richtlinie ausgenommen. Auch das finden wir in der
Vorlage.
Oder dass die Lieferung von Energie- und Brennstoffen
aus
dem
Geltungsbereich
dieser
Richtlinie
ausgenommen werden soll. Damit wird der Ist-Zustand,
wie wir ihn jetzt haben, beibehalten, auch vor dem
Hintergrund
des
unterschiedlichen
Liberalisierungsstandes in der Europäischen Union, und
es wird vermieden, dass ein Effekt eintritt, den ich zu
Anfang beschrieben habe, dass etwa kommunale
Eigenbetriebe
und
ausgelagerte
Unternehmen
unterschiedlich behandelt werden. Wir sind auch dafür,
dass Postdienstleistungen unter diese Richtlinie fallen.
Das gilt allerdings nicht für sämtliche Arten von
Postdienstleistungen, sondern nur für die, bei denen
noch kein freier Wettbewerb besteht.
Wenn es gelingen sollte, auch meinen Hinweis zum
Thema Tarife in die endgültige Abstimmung
aufzunehmen, und wenn diese Punkte, die ich weiterhin
ausgeführt habe, berücksichtigt werden, dann denke ich,
wird der Industrieausschuss mit dem Ergebnis hoch
zufrieden sein.
3-145
Jonckheer (Verts/ALE), Verfasser der Stellungnahme
des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und
Währung. – (FR) Herr Präsident, ich spreche hier zum
zweiten Richtlinienvorschlag. Gestatten Sie mir, Sie
ebenfalls zu Ihrer Wahl zu beglückwünschen.
Ich möchte das Plenum informieren, dass der Ausschuss
für Wirtschaft und Währung die von mir verfasste
Stellungnahme
am 12. Juni
2001
einstimmig
angenommen hat. Diese einstimmige Annahme ist
insofern von Bedeutung, da der Ausschuss für
Wirtschaft und Währung anerkannt hat, dass die
Verfahren zur Vergabe
öffentlicher Aufträge
Instrumente sind, die unter die Strategie zur
nachhaltigen Entwicklung fallen und der Umweltschutz
durchgängig in alle Politikbereiche der Union
einbezogen werden muss, wie dies im Vertrag
vorgesehen ist.
In diesem Rahmen müssen die zuständigen Behörden,
die politische Verantwortung tragen, bevollmächtigt
werden, ökologische und soziale Kriterien festzulegen,
die sie bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen
anwenden wollen, wobei selbstverständlich der
Grundsatz der Nichtdiskriminierung einzuhalten ist.
Um nicht zu wiederholen, was bereits von anderen
gesagt worden ist, möchte ich lediglich auf zwei Punkte
aufmerksam machen. Der Ausschuss für Wirtschaft und
Währung hat eine Vereinfachung der Verfahren zur
Auftragsvergabe vorgeschlagen, insbesondere durch
Verdoppelung der Schwellenwerte, von denen ab die
Richtlinie für öffentliche Aufträge zur Anwendung
kommt. Des Weiteren schlägt er vor, die
mittelständischen Unternehmen besonders zu schützen,
60
indem den vergebenden Behörden erlaubt wird, 15 %
des zu vergebenden Auftragsvolumens kleinen und
mittleren Unternehmen vorzubehalten.
3-146
Lehne (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr
verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir sind sehr
wohl grundsätzlich der Meinung, dass Fragen der
Umweltpolitik und Fragen der Sozialpolitik eigentlich
im Umweltrecht und im Sozialrecht geregelt werden
sollten. Aber von jedem Grundsatz gibt es Ausnahmen.
Da wir natürlich auch nicht weltfremd sind, wissen wir,
dass wir diese Debatte über diese neuen
Richtlinienvorschläge der Kommission zur öffentlichen
Ausschreibung natürlich nicht ganz ohne soziale und
Umweltaspekte führen können. Von daher ist es für uns
völlig klar, dass natürlich auch soziale und
Umweltaspekte bei dieser Entscheidung eine Rolle
spielen. Allerdings machen wir eine ganz deutliche
Unterscheidung. Wir sind der Meinung, dass im
Europäischen Binnenmarkt die Bedingungen für alle, die
sich wirtschaftlich an diesem Binnenmarkt beteiligen,
gleich sein sollen. Das Stichwort level playing field hat
einer der Vorredner angesprochen.
Das ist natürlich nur dann gewährleistet, wenn diese
Kriterien, die wir hier zusätzlich schaffen wollen und die
neben den wirtschaftlichen Kriterien stehen sollen, wenn
diese
Kriterien
bereits
Bestandteil
der
Ausschreibungsbedingungen sind und nicht erst später
zu einem Zeitpunkt mit eingebracht oder zur
Anwendung gebracht werden, wenn die Ausschreibung
abgeschlossen ist und wenn es um die Frage des
Zuschlags geht. Aus diesem Grunde hat die EVPFraktion in der Debatte bisher immer die Ansicht
vertreten, dass wir, soweit solche Kriterien mit
berücksichtigt werden, diese Bitte im Bereich der
Ausschreibungsbedingungen angesiedelt haben wollen
und nicht später bei der Frage der Erteilung des
Zuschlags. Deswegen möchte ich auch deutlich darauf
aufmerksam machen, dass sich der Artikel 53, der
immer wieder angesprochen wurde und der tatsächlich
einer der Streitpunkte, einer der Hauptdiskussionspunkte
dieser Debatte war, auf den Zuschlag bezieht. Das ist der
Grund,
warum
die
EVP-Fraktion
bei
den
Änderungsanträgen zum Artikel 53 bei der Abstimmung
restriktiv vorgehen wird. Wir wollen so wenig wie
möglich Änderungen des Artikels 53, wie er von der
Kommission vorgeschlagen worden ist. Nur dann
können wir gewährleisten, dass am Ende nicht
manipulative Möglichkeiten entstehen, mit denen die
ausschreibenden Behörden, die Ausschreibungen
veranstalten, zum Ende doch noch die Möglichkeit
haben, sozusagen mit Kriterien, die nachträglich erst in
die Diskussion eingebracht werden, Entscheidungen zu
treffen, die einen völlig anderen Hintergrund haben als
die Hintergründe, die wir hier diskutieren und die sich
an objektiven Kriterien orientieren.
Ich glaube, dass das ein ganz entscheidender
Unterschied ist, der auch in der Debatte im
Rechtsausschuss herausgearbeitet werden muss und der
16/01/2002
auch in den Fraktionen vielleicht bisher noch nicht
abschließend völlig deutlich geworden ist.
Um noch eines zu sagen: Wir sind auch dagegen,
Bedingungen in die Richtlinie mit aufzunehmen oder für
den nationalen Gesetzgeber zu ermöglichen, der dies
später umsetzt, die am Ende faktisch den Binnenmarkt
zum Erliegen bringen und ihn scheitern lassen. Wenn
beispielsweise in meinem Heimatland, in Deutschland
im Augenblick ein so genanntes Tariftreuegesetz
diskutiert wird, das faktisch dazu führt, dass eben nicht da teile ich die Ansicht von Herrn Kuhne - die allgemein
verbindlichen Tarifverträge zur Grundlage einer
Ausschreibung gemacht werden - die sind ja wie
Gesetze, an die man sich halten muss -, sondern
regionale bis hin zu Haustarifverträgen Bedingung
werden können, dann führt dies dazu, dass man eine
Ausschreibung so gestalten kann, dass sich am Ende nur
noch ein einziges Unternehmen überhaupt an der
Ausschreibung beteiligen kann. Damit ist der
Binnenmarkt kaputt. So etwas ist Unsinn, und so etwas
sind wir nicht bereit mitzumachen. Darum werden wir
da, wo solche Türen durch Änderungsanträge geöffnet
werden, mit Nein stimmen. Ich bin aber sehr wohl der
Meinung, dass das, was Herr Kuhne für den
Industrieausschuss vorgetragen hat, nämlich es auf die
allgemein verbindlichen zu begrenzen, etwas ist, was
meine Unterstützung bzw. die Unterstützung meiner
Fraktion durchaus bekommen kann.
Im Hinblick auf die Schwellenwerte hat meine Fraktion
noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Wir
werden das morgen in der Fraktionssitzung vor der
Abstimmung tun, weil es bei uns dazu unterschiedliche
Ansichten gibt. Ich möchte aber darauf aufmerksam
machen, dass es einen recht interessanten Antrag des
Kollegen Zappalà gibt, im Wege eines Kompromisses das ist der Änderungsantrag 147 - für den Fall, dass eine
Erhöhung der Schwellenwerte beschlossen werden
sollte, sicherzustellen, dass die Grundprinzipien dieser
Richtlinie auch für alle Vergaben unterhalb dieser
Schwelle gelten.
Jetzt kann man sagen, das ist eine Selbstverständlichkeit,
aber der Antrag enthält eine wesentliche Neuerung. Ich
denke, das wäre ein echter Fortschritt für den
Binnenmarkt, nämlich die Justiziabilität dessen, was hier
gemacht
wird,
und
die
Justiziabilität
des
Ausschreibungsverfahrens. Das ist heute nicht in allen
Mitgliedstaaten unterhalb der Schwelle gewährleistet.
Wenn dies möglich wäre, dann glaube ich, wäre dies ein
echter Fortschritt. Ich bitte insbesondere die
Kommission, ihre Haltung zu diesem Änderungsantrag
147 noch einmal zu überdenken und dem Parlament
morgen mitzuteilen, ob sie zu diesem Antrag ihre
Zustimmung erteilen könnte, weil ich denke, dass dies
ein echter Kompromiss zur Frage der Schwellenwerte
sein könnte.
Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bei den
Berichterstattern, an der Spitze Herrn Zappalà,
bedanken. Dies ist eines der schwierigsten
Gesetzgebungsvorhaben dieses Hauses, und Sie haben
16/01/2002
uns durch diese Untiefen bis jetzt sehr gut geführt. Dafür
möchte ich mich bedanken.
3-147
Berger (PSE). – Herr Präsident, auch ich darf Ihnen
zunächst sehr herzlich zu Ihrer Wahl gratulieren.
Sehr geehrter Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und
Kollegen! Auch ich möchte zunächst dem
Berichterstatter im Namen meiner Fraktion gratulieren
und ihm und allen Verfassern der Stellungnahmen der
mitberatenden Ausschüsse danken für die enorme
Arbeit, die mit diesem Bericht verbunden ist.
Wir beschäftigen uns ja jetzt schon sehr lange mit diesen
beiden Richtlinienentwürfen der Kommission, schon gut
eineinhalb Jahre. Wir hatten vor einem Jahr eine
öffentliche Anhörung zu diesem Thema. Ich denke, nach
den intensiven Beratungen, nach einer sehr langwierigen
Abstimmung im Ausschuss für Recht und Binnenmarkt
ist es doch höchste Zeit, dass wir morgen mit der
Abstimmung im Plenum - und ich hoffe, dass sie
stattfinden kann -, die erste Lesung abschließen.
Die vielen Abänderungsanträge, die wir bereits im
Ausschuss und teilweise auch noch morgen für das
Plenum zu behandeln haben, bedeuten nicht, dass wir
mit den grundsätzlichen Ansätzen der Kommission nicht
einverstanden wären. Die Zusammenfassung der
bisherigen Richtlinien, deren Harmonisierung und
Modernisierung ist sicher ein sehr wesentlicher Schritt.
Für meine Fraktion gibt es neben einigen anderen
wichtigen Themen, die zum Teil schon angesprochen
wurden, einen zentralen Punkt, in dem wir mit der
Kommission nicht übereinstimmen können. Es ist dies
die Neufassung der Vergabekriterien. Hier nimmt die
Kommission im Vergleich zur bisherigen Rechtslage
eine sehr wesentliche inhaltliche Änderung vor und fasst
nicht nur Bestehendes zusammen.
Der Kommissionsvorschlag engt die Spielräume, die
bisher gegeben waren und geltendes Recht sind,
dramatisch ein. Diese Einengung geht vor allem zu
Lasten von qualitativen Kriterien, insbesondere von
sozialen, ökologischen und gesundheitsbezogenen
Kriterien.
Die Kommission hat selbst in ihren beiden
interpretativen Erklärungen aufgezeigt, wie diese Spielund Gestaltungsräume heute diskriminierungsfrei
angewandt werden können. Auch der Europäische
Gerichtshof hat in richtungweisenden Erkenntnissen und
gerade jetzt auch im Schlussantrag in der Helsinkisache
eine sehr gute und verlässliche Auslegung des
bestehenden Rechts geliefert. Für die Kommission
scheint diese bestehende Rechtslage aus politischen
Gründen nicht akzeptabel zu sein. Deshalb soll sie jetzt
massiv geändert werden. Hier sind wahrscheinlich einige
Kollegen sehr verwirrt, weil vieles von dem, was die
Kommission dankenswerterweise in ihren beiden
interpretativen Mitteilungen aufzeigt, aufgrund der
neuen Rechtslage, wie sie die Kommission vorgelegt
hat, nicht mehr möglich sein wird, wenn wir morgen
61
keine Änderungen dazu beschließen. Auftraggeber, wie
zum Beispiel Gemeinden, dürfen in Zukunft nur mehr
egoistisch denken, nur mehr an den unmittelbar eigenen
Vorteil. Der wirtschaftliche Vorteil muss eindeutig beim
Auftraggeber sein. In Österreich nennen wir das das
„Florian-Prinzip“: Lass lieber das Haus meines
Nachbarn brennen und nicht mein eigenes! Das heißt,
Nachteile und Kosten, die für eine andere
Gebietskörperschaft anfallen, dürfen bei einer
Vergabeentscheidung nicht mehr berücksichtigt werden.
Verbieten will die Kommission auch, dass Kriterien, die
auf die Herstellung eines Produkts bezogen sind, nicht
mehr anwendbar sind. Damit wird zum Beispiel eine
Ausschreibung, die Holzprodukte aus einer nachhaltigen
Forstwirtschaft oder Lebensmittel aus einer biologischen
Anbauweise oder aus einer artgerechten Tierhaltung
verlangt, rechtswidrig und stellt eine Diskriminierung
konventioneller Anbieter dar.
Damit werden nicht nur die Zielsetzungen des Vertrags,
zum Beispiel Integration des Umweltschutzes in alle
Politikbereiche sowie eine Politik der nachhaltigen
Entwicklung unterlaufen, es wird auch die Autonomie
und die Demokratie der Städte und Gemeinden und der
Regionen und der Bundesländer eingeschränkt. Mit EURecht verbieten wir dann einem demokratisch gewählten
Organ, einer Stadt, einer Gemeinde zu entscheiden, eine
umweltfreundliche Beschaffungspolitik weiter zu führen
oder neu einzuführen. Ich glaube nicht, dass wir damit
die Popularität der Europäischen Union bei den Bürgern
erhöhen.
Gerade diese Perspektive der Städte und Gemeinden
Europas ist es auch, die dazu führt, dass in unserer
Fraktion
mehrheitlich
eine
Erhöhung
der
Schwellenwerte befürwortet wird. Selbst in einer kleinen
Gemeinde wie meiner eigenen in einem Land, in dem
aus klimatischen Gründen das Bauen sehr teuer ist, liegt
man heute schon mit einem simplen Schulbau über den
Schwellenwerten. Die Ausschreibungskosten sind
wesentlich höher. Diese Summe kann man allerdings
nicht wieder einsparen, weil die Summe immer noch zu
niedrig ist, um tatsächlich Anbieter aus anderen Ländern
anzulocken. Es wurde schon betont, dass auch unter den
Schwellenwerten die Regeln des Binnenmarktes gelten.
Ich möchte abschließend vor allem an die EVP
appellieren, dass sie die Haltung, die sie im Ausschuss
eingenommen hat, bei den Vergabekriterien vielleicht
doch in einigen Punkten ändert. Wir haben zu meinen
Anträgen 134 und 110 verschiedene split votes
eingebracht. Ich denke doch, dass es auf dieser
Grundlage möglich sein müsste, den Kommissionstext in
diesen Punkten noch zu verbessern.
(Beifall)
3-148
VORSITZ: DAVID MARTIN
Vizepräsident
3-149
Thors (ELDR).  (SV) Herr Präsident! Es ist gut, dass
wir diese Aussprache zu einem Zeitpunkt mit großer
62
Beteiligung in dieser Kammer führen und wir uns hier
nicht nur mit „Juristerei“ beschäftigen. Die Richtlinien
über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe
öffentlicher Aufträge gehören zu unseren wichtigsten
Mitteln für eine effiziente Verhinderung von Korruption
in der Verwaltung. Wir sprechen hier von den
verhasstesten und geschätztesten Richtlinien, deren
Auswirkungen bis weit hinein in die nationalen
Verwaltungen in den verschiedenen Teilen der EU
reichen.
Während der Anhörung im Ausschuss habe ich, ebenso
wie viele andere auch, mit Besorgnis zur Kenntnis
genommen, dass so wenige Ausschreibungen
grenzüberschreitend erfolgen. Ich glaube, das wichtigste
Ergebnis dieses Tages und dieser Aussprache muss eine
funktionierende Richtlinie mit einem wirksamen
Sanktionsmechanismus sein, wobei jedoch noch viel zu
wünschen übrig bleibt.
Es ist bereits viel über Umweltfragen gesagt worden,
aber ich halte es für wichtig festzustellen, dass wir im
Bereich des Umweltschutzes für die öffentlichen
Behörden die Voraussetzungen schaffen müssen, dass
sie dieselben Ergebnisse erreichen, wie wir sie von den
fortgeschrittensten Unternehmen verlangen. Warum
sollte man auf diesem Gebiet im öffentlichen Sektor
nicht ebenso den Wettbewerb fördern wie im privaten
Sektor?
Nach Ansicht der Kommission besteht das Ziel darin,
möglichst viel für sein Geld zu erhalten. Ich möchte
allerdings betonen, dass es sich in diesem
Zusammenhang relativ häufig um kommunale
Selbstverwaltung handelt. Diese funktioniert so, dass bei
Fehlern und bei Unzufriedenheit unter den Bürgern die
Entscheidungsträger ausgewechselt werden können.
Daher sind auch diese an guten Umweltbeschlüssen in
ihren Kommunen interessiert. Meiner Ansicht nach ist es
auch ein sehr überzeugendes Argument, dass wir bereits
eine Richtlinie über die Förderung der Nutzung
erneuerbarer Energieträger angenommen haben. Warum
sollten wir dann nicht auch eine Richtlinie über die
Auftragsvergabe beschließen, die dies unterstützt? Diese
Begründung ist zwar bereits mehrfach angeführt worden,
kann aber nicht oft genug genannt werden. Ich teile auch
die Einschätzung, nach der die Haltung der Kommission
in ihrem Vorschlag äußerst drastisch ist, verglichen mit
der herrschenden Rechtspraxis.
Es bestehen jedoch auch Unterschiede zwischen den
Umweltfragen und den so genannten sozialen Belangen.
Was die Umweltproblematik betrifft, so verfügen wir
über relativ einheitliche Voraussetzungen, während es
bei den sozialen Fragen sehr unterschiedliche
Richtlinien gibt. Es ist sehr interessant zu sehen, dass die
soziale Problematik besonders von vielen deutschen
Abgeordneten angesprochen worden ist. Ich komme aus
einem kleinen EU-Land und meinen Erfahrungen nach
ist es beispielsweise für finnische Bauunternehmen sehr
schwer, auf den deutschen Markt vorzudringen. Das
gleiche gilt für den schwedischen Markt, wo ebenfalls
die so genannten Tarifverträge starke Berücksichtigung
16/01/2002
finden. Darum dürfen wir keine zweideutigen
Vorschriften beschließen. Auf sozialem Gebiet bestehen
unterschiedliche Voraussetzungen und wir sind uns nicht
im Klaren darüber, welche Vorschriften in jedem Fall zu
befolgen sind.
Ich hoffe jedoch im Namen der liberalen Fraktion ein
wichtiges Signal setzen zu können, indem wir den
Änderungsantrag zur Erhöhung der Schwellenwerte im
Falle seiner Annahme nicht unterstützen. Unserer
Meinung nach schränkt dieser Vorschlag den
Anwendungsbereich noch weiter ein. Wir haben bereits
mehrfach betont, dass wir eine solche Einschränkung
nicht befürworten können, da damit das Ziel und die
gesamte Frage sinnlos werden. Aus diesem Grund
möchte ich in diesem Zusammenhang einen
entsprechenden Appell an unsere Kollegen hier richten.
Lassen Sie mich abschließend noch darauf verweisen,
dass einer der vorgelegten Änderungsanträge nach der
Rechtspraxis vieler Mitgliedstaaten keinen echten
Kompromissvorschlag darstellt.
3-150
Hautala (Verts/ALE). – (FI) Herr Präsident, ich möchte
Ihnen zu Ihrer Wahl zum Vizepräsidenten gratulieren,
bei der Sie eine große Zahl von Stimmen auf sich
vereinigen konnten.
Ich möchte ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Helsinki
anführen, das mit diesen Richtlinien in Zusammenhang
steht. Der Verkehrsbetrieb Helsinki, bei dem es sich um
einen öffentlichen Auftraggeber handelt, schrieb vor
einer Zeit einige Buslinien aus und stellte zum Beispiel
Kriterien auf, wonach die anzuschaffenden Busse
möglichst emissionsarm, also umweltfreundlich sein
sollten. So entschied sich die Stadt Helsinki dann für
einen erdgasbetriebenen, sehr schadstoffarmen Bus.
Ein Mitanbieter gab sich damit nicht zufrieden, sondern
klagte vor dem zuständigen nationalen Gericht unter
anderem deshalb, weil die Stadt Helsinki nicht das
wirtschaftlich günstigste, also preiswerteste Angebot
gewählt hatte. Der Generalanwalt des Europäischen
Gerichtshofs hat hierzu kürzlich sein Gutachten
vorgelegt, das zu einem Urteil des Gerichtshofes werden
kann. Im Grunde genommen stützt das Gutachten des
Generalanwalts nachdrücklich die Auffassung der Stadt
Helsinki, dass ein öffentlicher Auftraggeber das Recht
haben soll, umweltfreundliche Kriterien aufzustellen, die
er in seinen Ausschreibungen nutzt und auch
dementsprechend die Produkte auswählt. Interessant ist,
dass sich der Standpunkt des Generalanwalts exakt mit
dem der Generaldirektion Umwelt der Kommission
deckt und von dem der Generaldirektion Binnenmarkt
unterscheidet. Nun möchte auch ich die Aufmerksamkeit
von Herrn Bolkestein auf diese Entscheidung lenken, die
tatsächlich auch eine endgültige werden kann; das
wissen wir natürlich noch nicht.
Diese Richtlinien sind von immenser wirtschaftlicher
Tragweite; unsere Verpflichtung gestattet es, die
Spielregeln möglichst transparent und fair zu gestalten
16/01/2002
sowie die Ausschreibungen möglichst transparent zu
machen und den öffentlichen Stellen zu erlauben,
umweltfreundliche und auch sozial verträgliche
Entscheidungen zu treffen.
Meiner verehrten und lieben Kollegin Astrid Thors
möchte ich entgegnen, dass die Sozialgesetzgebung
natürlich in jedem Land verschieden ist, aber vielleicht
müssen wir gerade auch deshalb zulassen, dass eine
öffentliche Einrichtung nach ihren eigenen sozialen
Kriterien vorgehen kann, und wir sollten in diesen
Fragen zwischen den politischen Fraktionen nach
nachhaltigen Kompromissen suchen.
3-151
Ainardi (GUE/NGL). – (FR) Herr Vizepräsident,
erlauben Sie mir, Ihnen ebenfalls zu Ihrer Wahl zu
gratulieren. Nach meinen Kollegen, die hervorgehoben
haben, dass es sich wirklich um einen Mammutbericht
handelt, der eine Unmenge Arbeit erfordert hat, möchte
ich in zwei Minuten versuchen herauszuarbeiten, was
mir als das Wesentliche erscheint, indem ich
insbesondere die Betroffenen, vor allem die örtlichen
und regionalen Gebietskörperschaften sowie die Bürger,
einbeziehe.
Meiner Meinung nach stellt der vom Rechtsausschuss
angenommene Bericht Zappalà eine Verbesserung des
ursprünglichen Richtlinienvorschlags der Kommission
dar. So enthält die Vorlage der Kommission zwecks
Vereinfachung und Aktualisierung der geltenden
Rechtsbestimmungen
zwar
Vorschläge
zur
Vereinheitlichung von Vorschriften, die allerdings im
Wesentlichen, wenn nicht ausschließlich unter dem
Gesichtspunkt der Liberalisierung gemacht werden, was
ich nicht hinnehmen kann. So wird bei der
Zuschlagserteilung dem niedrigsten Preis Vorrang vor
sozialen und umweltbezogenen Kriterien eingeräumt.
Ich bin wie andere Kollegen der Auffassung, dass hier
viel auf dem Spiel steht. Die öffentlichen Behörden
müssten in ihrer Wirtschaftstätigkeit vor allem die
Beschäftigung und die nachhaltige Entwicklung in den
Vordergrund stellen. Doch stattdessen wird einzig und
allein auf finanzielle Kriterien orientiert, obwohl der
Europäische Gewerkschaftsbund bereits im März 2000
darauf hinwies, dass die Gemeinschaftsregelung für die
Vergabe öffentlicher Aufträge dem Preisbegriff
gegenüber dem sozialen und territorialen Zusammenhalt,
der Gleichheit und der Beschäftigung zuviel Bedeutung
einräume.
Mit dem Bericht Zappalà wird, wie gesagt, der
Richtlinienvorschlag der Kommission verbessert, indem
insbesondere die Schwellenwerte, ab denen die
Vergabevorschriften greifen, um 50 % angehoben
werden und soziale sowie umweltbezogene Kriterien
stärkere Berücksichtigung finden. Wenn der Vorschlag
in seiner jetzigen Fassung angenommen würde, dann
wäre dies meiner Meinung nach ein Fortschritt
gegenüber der gegenwärtigen Situation. Doch
unabhängig
davon
würde
im
Grunde
das
Liberalisierungskonzept bestätigt.
63
In einer Mitteilung vom 15. Oktober letzten Jahres sah
sich die Kommission veranlasst, die Möglichkeit der
Einbeziehung von sozialen und Umweltaspekten in die
Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen
anzusprechen. Diese Mitteilung hat jedoch keinerlei
Rechtskraft. Es sind daher weiter gehende Schritte
erforderlich, um die bisherigen Vorstellungen zu
überwinden. Dies ist das Ziel der von meiner Fraktion
eingebrachten Änderungsanträge. Es geht darum, der
Beschäftigung, der Umwelt und der Raumplanung bei
den Zuschlagskriterien den gleichen Stellenwert
einzuräumen wie den wirtschaftlichen Kosten. Das
Abstimmungsverhalten meiner Fraktion wird natürlich
von
dem
Abstimmungsergebnis
zu
den
Änderungsanträgen des Ausschusses wie auch zu den
morgen eingebrachten Anträgen abhängen.
3-152
Crowley (UEN). – (EN) Herr Präsident, ich möchte
mich meinen Kollegen anschließen und Ihnen zu Ihrer
erneuten Wahl zum Vizepräsidenten gratulieren. Ich
möchte außerdem dem Berichterstatter sowie allen
Verfassern der Stellungnahmen zu ihrer Arbeit an einem
auf den ersten Blick einfachen Thema gratulieren, das
sich jedoch bei näherer Betrachtung als extrem
schwierig erweist. Ich werde nicht wiederholen, was
bereits gesagt wurde, sondern mich auf drei spezielle
Punkte konzentrieren.
Erstens
ist
hinsichtlich
der
Anhebung
der
Schwellenwerte,
bei
deren
Erreichung
eine
Aufforderung zum Wettbewerb erfolgen muss, die
angestrebte Erhöhung um 50 % wichtig, weil die
bisherigen Schwellenwerte nachweislich keinen
vermehrten grenzüberschreitenden Austausch zwischen
Unternehmen und zwischen Unternehmen und Behörden
erlauben. Der Grund ist, dass das Auftragsvolumen zu
klein ist. In der Praxis erfordert die Erbringung von
Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat zusätzliche
Finanzmittel und einen größeren Auftrag, damit eine
solche Aktion wirtschaftlich sinnvoll ist. Es hat doch
keinen Sinn, dass wir öffentliche Gelder zur
Unterstützung eines Systems ausgeben, dass nicht
funktioniert und veraltet ist. Wir sollten das Geld für
ordentliche Zwecke verwenden – natürlich auch zur
Verbesserung
der
Infrastruktur,
für
bessere
Dienstleistungen und um auf lokaler Ebene möglichst
viele Arbeitsplätze zu schaffen, aber es sollte nicht bloß
als Ersatz für private und andere Investitionen oder für
andere Initiativen zur Schaffung lokaler Arbeitsplätze
eingesetzt werden.
Der
zweite
Bereich,
bei
dem
es
um
Umweltgesichtspunkte geht, ist ebenfalls sehr wichtig.
Dies ist ein Bereich, bei dem wir uns alle darin einig
sind, dass bestimmte Mindestanforderungen festgelegt
werden müssen. Wir müssen aus den Fehlern der
Vergangenheit lernen und geeignete Kontrollen und
Mechanismen schaffen, die gewährleisten, dass das, was
wir zukünftigen Generationen hinterlassen, in einem
besseren Zustand ist als zu dem Zeitpunkt, als wir es
übernommen haben. Dieses Ziel sollte jedoch die
Entwicklung nicht behindern oder blockieren. Bei der
64
Berücksichtigung dieser beiden Aspekte gibt es einen
golden Mittelweg, von dem wir nicht abweichen dürfen.
Mein dritter Punkt bezieht sich auf die sozialen
Verpflichtungen und ich schließe mich hier insbesondere
den Mitgliedern an, die sagten, dass mit der Vergabe
eines Auftrags soziale Vorteile für die Vergabebehörde
und ihre Region verbunden sein müssen. Dieses Ziel
sollte jedoch nicht dazu führen, dass die
Auftragsvergabe verzögert wird oder zusätzlicher
bürokratischer Aufwand entsteht, der verhindert, dass
der günstigste Preis vorgelegt wird.
Mein letzter Punkt bezieht sich auf die qualitativen
Auswahlkriterien. Natürlich muss sichergestellt werden,
dass öffentliche Aufträge nicht an Wirtschaftsteilnehmer
vergeben werden, die Straftaten begangen haben, die
sich des Betrugs oder illegaler Handlungen schuldig
gemacht und die finanziellen Interessen der
Gemeinschaft geschädigt haben. Eines macht mir jedoch
im Hinblick auf die Fälle, in denen ein Urteil noch nicht
rechtskräftig ist, Sorgen: Wir agieren hier als Richter
und Geschworene und verweigern Interessenten die
Teilnahme an einer Ausschreibung, obwohl kein
rechtskräftiges Urteil vorliegt und noch nicht
abschließend geklärt ist, ob die betreffende Person sich
einer Straftat schuldig gemacht hat oder nicht. Hier
müssen wir sehr vorsichtig sein.
Abschließend möchte ich sagen, dass es an der Zeit ist,
dass diese Richtlinien zusammengefasst werden, dass
die Texte klarer formuliert werden und dass der
Rechtsrahmen, in dem die Beteiligten operieren müssen,
mehr Sicherheit bietet. Vor allem aber müssen diese
Richtlinien als Fortschritt betrachtet werden, der eine
Verbesserung der öffentlichen Dienste für alle
gewährleistet.
3-153
Van Dam (EDD). – (NL) Herr Präsident! Ich möchte
Sie zu Ihrer Wiederwahl als Vizepräsident dieses
Parlaments beglückwünschen.
Herr Präsident, die Kommission schlägt die
Konsolidierung und Aktualisierung der geltenden
Richtlinien betreffend öffentliche Ausschreibungen vor.
Ein gerechtfertigter Vorschlag insofern, als die
Verfahren für die Auftraggeber und die Unternehmen
gleichermaßen zu kompliziert und zu bürokratisch sind.
Lassen sich denn politische Ideale durch die Verfahren
zur Vergabe öffentlicher Aufträge verwirklichen? Dies
ist offensichtlich die Kernfrage in der langwierigen
Diskussion zu diesem Thema. Änderungsantrag 98 zu
dem vorliegenden Bericht zielt darauf ab, dass bei der
Bewertung des günstigsten Angebots sowohl soziale als
auch Umweltkriterien zusätzlich mit berücksichtigt
werden. Die Standards, die die Umwelt – ein
europäisches Politikfeld par excellence – betreffen, sind
anhand von Normen für das Umweltmanagement
objektiv messbar und lassen sich dadurch in der Praxis
problemlos anwenden. Auf europäischer Ebene
festzulegen, dass die nationalen Instanzen bei ihrer
16/01/2002
Beurteilung auch sozialen Belangen Rechnung zu tragen
haben, geht uns allerdings zu weit. Sozialpolitik ist
national zu bestimmen, und das muss so bleiben.
Darüber hinaus wird das Verfahren durch diesen
Änderungsantrag für die ausschreibenden Behörden
ebenso wie für die Unternehmen wesentlich
komplizierter und kann zu diversen neuen Streitpunkten
sowie zu unterschiedlichen Interpretationen führen. Die
Anwendung der neuen Richtlinie wäre damit genauso
schwierig wie im Falle der gegenwärtigen.
Der Ausschluss von Unternehmen, die eine Straftat
begangen haben, findet unsere uneingeschränkte
Unterstützung. In meinem Land sind gegenwärtig
verschiedene
Verfahren
gegen
Bauunternehmer
anhängig, und Betrügereien scheinen doch ein sehr weit
verbreitetes Phänomen zu werden. Der vorliegende
Bericht übermittelt den Unternehmen ein klares Signal,
nämlich dass mit dem Geld des europäischen Bürgers
nicht sorglos umgegangen werden darf.
3-154
Cederschiöld (PPE-DE).  (SV) Herr Präsident! Diese
beiden Richtlinien sind von großer Bedeutung für die
Schaffung
eines
reibungslos
funktionierenden
Binnenmarktes. Die öffentliche Auftragsvergabe in der
EU macht jährlich einen Wert von 1,5 Mrd. Euro aus,
davon allein 40 Mio. in Schweden. Diese Zahlen zeigen
die Bedeutung klarer und einfacher Spielregeln.
Kleine und mittlere Unternehmen sollten zu gleichen
Bedingungen konkurrieren können. Wenn die EU bis
zum Jahr 2010 zum wettbewerbsstärksten Markt der
Welt werden soll, müssen kleine und mittlere
Unternehmen gefördert und ihre Möglichkeiten
verbessert werden. Daher ist es wichtig, die
Schwellenwerte
beizubehalten,
um
verbraucherfreundliche
und
wettbewerbsfördernde
Lösungen zu erzielen. Auf diese Weise können wir die
Auftragsvergabe erhöhen und die Voraussetzungen für
einen
europäischen
Markt
im Bereich
der
Auftragsvergabe
schaffen.
Damit
wird
der
Protektionismus auf den nationalen Märkten verhindert
und ein sparsamer Umgang der Politiker mit den Steuern
der Bürger erleichtert, was sehr wichtig ist!
Deutliche Regeln muss es auch für die ökologischen und
sozialen Aspekte geben. Die beiden heute zu
behandelnden Dokumente sind Wirtschaftsrichtlinien.
Sollen dabei auch ökologische und soziale Faktoren
berücksichtigt werden, so sollte dies bei der Aufstellung
der Kriterien für die Auftragsvergabe erfolgen. Auf
diese Weise werden die Regeln für diejenigen, die ein
Angebot einreichen, deutlich und sie wissen genau,
welche Bedingungen für die Auftragsvergabe gelten.
Der Anbieter mit dem wirtschaftlich günstigsten
Angebot soll dann den Zuschlag bekommen.
Ich möchte auch Frau Thors in dem zustimmen, was sie
über ihre Erfahrungen hinsichtlich des Zugangs kleiner
Länder zum deutschen Markt gesagt hat. Ähnliche
Erfahrungen habe ich auch für mein Land machen
können, wobei ich allerdings auch den größtenteils
16/01/2002
fehlenden Wettbewerb in der Baubranche meines
eigenen Landes nicht verschweigen will, der auch zu den
hohen Wohnkosten bei uns geführt hat.
Unser Ziel ist Vereinfachung, Effektivitätssteigerung
und Ausbau der grenzüberschreitenden Auftragsvergabe,
bei
gleichzeitiger
Qualitätssteigerung
und
Kostensenkung.
3-155
Gebhardt (PSE). – Herr Präsident! Ich möchte Ihnen zu
Ihrer Wahl gratulieren. Herr Präsident, Herr Kommissar,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit vielen Gesetzen ist
es wie mit unseren Lieblingskleidern. Wenn wir sie nicht
pflegen, werden sie schnell unansehnlich und schließlich
unbrauchbar. Sie erfüllen ihren Zweck nicht mehr.
Deshalb ist es nur gut, dass sich die Kommission das aus
den siebziger Jahren stammende Vergaberecht für
öffentliche Aufträge vorgenommen hat, und wir nun
dabei sind, mit zwei Richtlinien den Erfordernissen des
Binnenmarktes und der heutigen Zeit Rechnung zu
tragen. Zur Modernisierung der Vergaberichtlinien ist
bereits einiges gesagt worden; dem brauche ich nichts
hinzuzufügen. Ich möchte aber ausdrücklich davor
warnen, dass wir das Vergaberecht zwar technisch
verbessern und handlicher machen, es jedoch
gleichzeitig in der Substanz verschlechtern. Das will
nämlich die Vorlage der Kommission. Dort gehen der
reibungslos funktionierende Binnenmarkt und der
Wettbewerb über alles. Die berechtigten Wünsche und
Interessen der Menschen werden vernachlässigt. Das
dürfen wir als Parlament nicht zulassen.
Wir sind nicht irgendwelchen Mechanismen und
Wirtschaftsideologien verpflichtet. Wir sind den
Bedürfnissen der Bürger in Europa verpflichtet und
haben darüber hinaus dafür zu sorgen, dass deren
Steuergelder nicht verplempert werden. Dabei hilft uns
ein gut funktionierender Binnenmarkt, wenn er
menschenorientierte Standards einhält. Deshalb können
öffentliche Aufträge nicht einfach an den niedrigsten
Bieter vergeben werden. Soziale Erfordernisse müssen
ebenso entscheidende Kriterien sein wie die Rücksicht
auf die Gesundheit der Menschen und der pflegliche
Umgang mit der Umwelt. Dazu gibt es
Änderungsanträge meiner Fraktion, ohne deren
Annahme die Vergaberichtlinie nach meiner Ansicht
nicht zustimmungsfähig ist. Dazu ein Beispiel: Es ist
doch
geradezu
selbstverständlich,
dass
die
Auftragnehmer Vorschriften über Arbeitsschutz und
Arbeitsbedingungen sowie alle arbeitsrechtlichen
Verpflichtungen kollektiver und individueller Art
einhalten müssen. Dazu gehört auch die Einhaltung der
Tarifverträge, die am Ort des Auftrags gelten. Sonst
kommen wir leicht in eine Spirale der Diskriminierung
und
des
Lohndumping
auf
Kosten
vieler
Arbeitnehmerfamilien. So darf der Wettbewerb im
Binnenmarkt nicht aussehen.
Dieser Wettbewerb darf auch nicht zu Lasten der
Umwelt ausgetragen werden. Deshalb ist es völlig klar,
dass öffentliche Auftraggeber die Einhaltung von hohen
Umweltstandards verlangen müssen. Lassen Sie mich
65
schließlich noch ein Wort zu den Schwellenwerten für
die europäische Ausschreibung sagen. Nachdem die
bisherigen Schwellenwerte nachweislich keinen
vermehrten grenzüberschreitenden Austausch im
Bereich des öffentlichen Auftragswesens gebracht
haben, können wir sie getrost heraufsetzen. Ich
persönlich habe auch kein Problem mit einer
Verdoppelung. Höhere Schwellenwerte verhindern einen
ungerechtfertigt hohen Verwaltungsaufwand bei
kleineren Projekten. Sie verhelfen zu mehr Flexibilität
bei der Planung und Ausführung von überschaubaren
Projekten und sind ein Beitrag zum sparsamen Umgang
mit Steuergeldern. Die Bürgerinnen und Bürger werden
uns dankbar sein, wenn wir ihre Bürgermeister nicht
zwingen, das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster
zu werfen.
Ich möchte mich sowohl bei Herrn Zappalà als auch
beim Herrn Kommissar entschuldigen, dass ich leider
nicht bis zum Ende bleiben kann, weil seit 16 Uhr eine
Besuchergruppe auf mich wartet, zu der ich doch endlich
mal hingehen sollte, denn eigentlich hätte ich die
Antwort des Herrn Kommissars gerne gehört.
3-156
Wallis (ELDR). – (EN) Herr Präsident, im Mittelpunkt
dieser Aussprache steht der Schutz der öffentlichen
Interessen bei der Vergabe von Aufträgen durch
Behörden. Es geht im Zusammenhang mit dem
Binnenmarkt
auch
um
die
Förderung
grenzüberschreitender Ausschreibungen und der
grenzüberschreitenden Erbringung von Leistungen:
15 % des BIP der EU – das ist ein wichtiger Beitrag zur
Erreichung von Zielen, die dem Allgemeinwohl zugute
kommen. Wir sollten versuchen, das Optimale für unsere
Bürger zu erreichen und ein transparentes Verfahren für
alle schaffen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen.
Die optimale Lösung kann niemals die sein, bei der
ausschließlich finanzielle Kriterien zählen. Der Preis
allein kann nicht der Maßstab dafür sein, was im
öffentlichen Interesse ist und welches Angebot das
günstigste ist.
Ich bin selbst in einer Kommunalbehörde tätig gewesen
und erinnere mich an einen Fall, in dem der Stadtrat
Zeit, Mühe und Geld verschwendet hat bei dem
Versuch, den Vertrag mit einem Auftragnehmer zu
lösen, dessen Angebot für die Bereitstellung von
Schulessen zwar sehr günstig war, dessen Leistungen
aber keinesfalls ausreichten. Der Preis stimmte, aber im
Endeffekt haben nur die Rechtsanwälte davon profitiert.
Die von den Behörden verfolgten Ziele sind
berechtigterweise, und das liegt im öffentlichen
Interesse, eine Mischung, die Umweltziele und soziale
Zielsetzungen beinhaltet. Solange die Voraussetzungen
gleich sind und das Verfahren absolut transparent ist,
können und sollen diese Ziele und Kriterien gelten, wie
vom EuGH kürzlich bestätigt worden ist. Diese Kriterien
sind ein wichtiger und wesentlicher Bestandteil des
lokalen politischen Lebens.
3-157
66
MacCormick (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident, es
ist ein glücklicher Zufall, dass Sie heute Nachmittag den
Vorsitz führen, weil ich dadurch Gelegenheit habe, zum
Ausdruck zu bringen, dass ich stolz darauf bin, nach den
geltenden Wahlbestimmungen als Mitglied dieses
Hauses für Schottland gemeinsam mit Ihnen einen
Wahlkreis zu vertreten. Sie haben unserem Wahlkreis
durch Ihr ehrenhaftes und lobenswertes Verhalten in den
vergangenen Wochen, über das wir sehr erfreut sind, alle
Ehre gemacht.
(Beifall)
In unserem Wahlkreis ist man, wie Sie wissen, nicht
unbedingt der Auffassung, dass alle staatlichen
Leistungen schlecht und nur die von privaten Anbietern
erbrachten Leistungen gut sind. Dies ist auch nicht die
Position der Kommission. In dieser Debatte geht es
jedoch, wie Frau Wallis eben sagte, um die Frage,
welche Entscheidungen zu Recht im Rahmen
demokratischer Verfahren und auf der Grundlage
öffentlicher Auswahlverfahren von den Behörden zu
treffen sind und was darüber hinaus vernünftigerweise
dem Markt überlassen werden muss.
Es ist wichtig, dass diese Trennlinie richtig gezogen
wird. Frau Hautala hat eine Frage gestellt, die Herr
Bolkestein beantworten muss, wenn er zur heutigen
Debatte Stellung nimmt. Diese Frage kann auch an
Herrn Zappalà gerichtet werden, der sagt, dass wir nur
wirtschaftliche Bedingungen berücksichtigen sollten,
und keine anderen Aspekte, wie zum Beispiel
Umweltgesichtspunkte oder soziale Aspekte. Wenn die
Luft in Helsinki oder Edinburgh schwer mit
Dieselabgasen verschmutzt wäre, würden dadurch
Kosten entstehen. Irgendjemand müsste letztlich für
deren Beseitigung aufkommen. Es wäre falsch zu
behaupten, dass das Kosten sind, die nichts mit der
Wirtschaft zu tun haben. Darum drehen wir die Sache
um: Wir fragen, wer darüber entscheiden soll, ob auf den
Straßen von Helsinki oder Edinburgh umweltfreundliche
und umweltgerechte Busse gebraucht werden. Wer kann
diese Entscheidung am besten treffen? Sollte sie in
Brüssel getroffen werden? Oder wäre es am besten,
wenn diese Entscheidung in Straßburg von diesem
Parlament getroffen würde? Sollte sie in London
getroffen werden? Nein, am besten wäre es, wenn diese
Entscheidung in Edinburgh oder in Helsinki getroffen
würde.
Solche Entscheidungen müssen vor Ort getroffen
werden. Wir wollen natürlich nicht, dass diese
Entscheidungen zu Ungerechtigkeiten führen. Die
Entscheidungen müssen in einem offenen und
transparenten Verfahren getroffen werden. Wer darf ein
Angebot abgeben und unter welchen Bedingungen kann
ein Bieter den Auftrag erhalten? Das ist gut, aber die
lokalen Behörden, die Menschen in der Region, dürfen
nicht ausgeschlossen werden und müssen selbst
festlegen, welche Standards sie von denen fordern, die
Leistungen für sie erbringen. Wird dies durch
europäisches Recht außer Kraft gesetzt, so wird Europa
in der Gunst seiner Bürger nicht gerade steigen. Wir
16/01/2002
müssen diese ganz klare Verantwortung für das Wohl
der Öffentlichkeit den Behörden überlassen. Ich würde
gerne erfahren, wie Herr Bolkestein über dieses Thema
denkt.
3-158
Cossutta (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, ich
bekunde meine Wertschätzung für den vom Ausschuss
für Recht und Binnenmarkt unseres Parlaments
angenommenen Richtlinienvorschlag der Kommission.
Nichtsdestotrotz bedarf es einiger Änderungen, damit
die
Sozialschutz-,
Umweltschutzund
Gleichbehandlungskriterien
stärker
in
die
Vergabeverfahren Eingang finden. Die von mir
unterbreiteten Änderungsvorschläge zielen auf eine
stärkere
Rolle
der
Auftraggeber
bei
der
Qualitätskontrolle der Auftragnehmer ab und heben die
Bedeutung der Umweltverträglichkeitsprüfungen bei
öffentlichen und privaten Vorhaben hervor. Darüber
hinaus unterstreichen sie die Notwendigkeit, Personen,
die aufgrund von Straftaten wie Geldwäsche, Betrug
oder Erpressung verurteilt worden sind, von der
Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen. Dies
möchte ich auch an dieser Stelle bekräftigen, u. a. weil
in meinem Herkunftsland, Italien, die Präsenz der Mafia
leider immer noch zu spüren ist und die Duldsamkeit
gegenüber der Mafia im Gegensatz zu den
Behauptungen des italienischen Arbeitsministers
Lunardi völlig unannehmbar ist.
3-159
Harbour (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, auch ich
möchte Ihnen zu Ihrer Wahl zum ersten Vizepräsidenten
gratulieren.
Ich werde das Thema der heutigen Aussprache von einer
anderen Perspektive aus betrachten. Wir haben in dieser
Debatte bisher noch nichts über diejenigen gehört, die
nach den enormen Fortschritten, die bei der Öffnung des
öffentlichen Auftragswesens in allen Teilen der
Europäischen Union erzielt worden sind, heute bereits
Leistungen für Behörden in der gesamten Union
erbringen.
Noch nicht erwähnt wurden heute Nachmittag auch
diejenigen, die zum Wirtschaftserfolg beitragen, weil sie
auf elektronischem Weg kostengünstig und ohne großen
Aufwand Zugang zu Ausschreibungen haben. Dies gilt
für Betriebe, Organisationen, Dienstleistungsanbieter,
Hersteller, Unternehmer in der gesamten Europäischen
Union. Vor einigen Wochen habe ich eines dieser
Unternehmen in meinem Wahlkreis besucht. Dort sind
80 Mitarbeiter beschäftigt. Jeden Morgen wird über das
Internet das Amtsblatt heruntergeladen. Dort sind fünf
oder sechs Ausschreibungen veröffentlicht, alle für das
Vereinigte Königreich. In diesem Unternehmen sind
derzeit keine Exportaktivitäten geplant, aber das
Amtsblatt ermöglicht ihm über ein Standardformat den
kostengünstigen
und
einfachen
Zugang
zu
Auftraggebern in Behörden. Es erstellt und reicht jede
Woche Angebote für diese Kunden ein.
Von diesem Blickwinkel aus möchte ich auf die
Ausgewogenheit
zwischen
wirtschaftlichen
16/01/2002
Erfordernissen, Umweltbelangen und sozialen Aspekten
eingehen. Dieses Unternehmen im „Black Country“ des
Vereinigten Königreichs beschäftigt 80 Mitarbeiter, es
bietet 80 dringend benötigte Arbeitsplätze und es erfüllt
alle sozialen Anforderungen, die im Vereinigten
Königreich gesetzlich vorgeschrieben sind. Es erfüllt
ferner alle Umweltschutzvorschriften des Vereinigten
Königreichs. Es verfügt über alle Voraussetzungen, die
ein Bieter für eine Bewerbung um öffentliche Aufträge
erfüllen muss. Warum sollte das anders sein? Warum
sollte dieses Unternehmen noch weitere Vorgaben
erfüllen müssen? Dies ist in erster Linie ein
wirtschaftliches Instrument. Das ist der Zweck, für den
es ursprünglich entwickelt wurde. Nun könnte es sein,
dass wir weitere soziale Vorgaben aufnehmen wollen,
wie dies von zahlreichen Kollegen von der anderen Seite
des Hauses beabsichtigt ist. Wir werden viele weitere
Diskussionen mit Frau Thorning-Schmidt und anderen
Kollegen
über
die
Aufnahme
zusätzlicher
Anforderungen zur Verbesserung der Sicherheit und des
Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer in Unternehmen
wie diesem führen müssen. Dagegen ist nichts
einzuwenden. Wenn Unternehmen diese Bedingungen
erfüllen, sollten sie sich um öffentliche Aufträge
bewerben können.
Ich möchte nun auf die Ausführungen von Herrn
MacCormick eingehen, weil ich der Meinung bin, dass
er zu viele Einwände hat. Zu seinem Beispiel über die
Beschaffung von Bussen in Helsinki möchte ich sagen,
dass es natürlich den Behörden in Helsinki vorbehalten
ist, vor der Ausschreibung eines Auftrags zu
entscheiden, welche Busse sie kaufen wollen, welche am
besten
für
die
Stadt
geeignet
und
am
umweltfreundlichsten sind. Es ist nicht Bestandteil eines
öffentlichen Auftrags, von den Busherstellern zu
verlangen, vor der Einreichung des Angebots eine
Bewertung
der
Umweltsituation
in
Helsinki
vorzunehmen. Wenn die Behörden in Helsinki 100
erdgasbetriebene Busse erwerben wollen und wenn dies
der Auftrag ist, dann ist das in Ordnung, wenn sie sich
dafür entschieden haben. Trotzdem sollte das Verfahren
in einem solchen Fall offen und einheitlich sein.
Abschließend möchte ich auf die Frage der
Schwellenwerte eingehen. Darüber wird eine äußerst
merkwürdige Debatte geführt. Ich beziehe mich hier
insbesondere auf eine der Stellungnahmen des
Ausschusses für Wirtschaft und Währung, in der unser
leider nicht anwesender Kollege sagte, er wolle die
Dinge durch die Anhebung der Schwellenwerte
vereinfachen, während er gleichzeitig vorschlug, 15 %
der Aufträge an KMU zu vergeben. Glaubt er, dass er
durch die Anhebung der Schwellenwerte, die zur Folge
haben wird, dass zahlreiche Aufträge nicht mehr der
Regelung für die öffentliche Auftragsvergabe
unterliegen, die Situation der KMU verbessern kann? In
welcher Welt leben wir eigentlich?
Dies ist ein Bereich, in dem wir den Wettbewerb der
KMU wollen. Wir wollen, dass die Kommunalbehörden
Aufträge in einem einheitlichen und offenen Verfahren
ausschreiben, die den optimalen Nutzen für unsere
67
Bürger gewährleisten. Wir wollen die Behörden dazu
verpflichten. Gerade weil sie das schwierig finden, weil
sie glauben, dass ihnen dadurch Kosten entstehen
- vielleicht, weil sie nicht alle Anforderungen erfüllen
wollen
-,
fordern
sie
einen
größeren
Ermessensspielraum, damit sie Aufträge ohne ein
offenes Verfahren vergeben können. Genau darum geht
es bei der Anhebung der Schwellenwerte. Wir sollten die
Schwellenwerte nicht anheben. Dies wird das System
unterminieren, das schon jetzt gut funktioniert. Unser
Ziel sollte die Verbesserung des Systems sein, nicht
dessen Zerstörung.
3-160
McCarthy (PSE). – (EN) Herr Präsident, auch in
meinem Wahlkreis gibt es Unternehmen, die von dieser
Regelung für die öffentliche Auftragsvergabe
profitieren. Es gibt sogar Unternehmen, die EuroSpielautomaten an Behörden liefern, obwohl
Großbritannien gar nicht in der Eurozone ist. Hier gibt
es viele Möglichkeiten. Ich möchte jedoch einige
wichtige Fragen zu diesem Thema an Herrn Bolkestein
richten, und ich hoffe, dass er in seiner Stellungnahme
auf diese Fragen eingehen wird.
Herr Bolkestein, in der Frage der Schwellenwerte ist
eine Klarstellung erforderlich, wie Herr Harbour bereits
sagte. Es würde mich wirklich interessieren, welche
Auswirkungen eine Anhebung der Schwellenwerte für
das öffentliche Auftragswesen und insbesondere kleine
und mittlere Unternehmen und die Verbraucher hätte.
Ich bitte außerdem um Auskunft darüber, ob im
Zusammenhang mit unseren internationalen, gemäß dem
allgemeinen
WTO-Beschaffungsübereinkommen
gegenüber Drittländer eingegangenen Verpflichtungen
die Aussage der Kommissionsdienststellen zutrifft, dass
Vertragspartner aus den USA und Japan begünstigt
würden und unsere Lieferanten aus der EU das
Nachsehen haben, weil wir zwei völlig unterschiedliche
Regelungen anwenden.
Ich möchte einige Fragen zu den sozialpolitischen
Kriterien stellen. Von anderen Abgeordneten wurde
bereits betont, dass die Einbeziehung strenger
sozialpolitischer Kriterien in die Vergabeverfahren
durchaus kompatibel ist mit der Einhaltung der
Grundsätze des Wettbewerbsrechts sowie der
Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung. Es sollte
möglich
sein,
Wirtschaftsreformen
und
Wettbewerbspolitik mit strengen und vernünftigen
Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen
Fortschritts zu kombinieren. Ich kann nicht verstehen,
warum wir, wenn wir ein System der Transparenz und
des offenen Wettbewerbs haben, nicht verhindern
können, dass dieses System bei der Veröffentlichung
von
Ausschreibungen
als
Vorwand
für
protektionistisches Verhalten dient. Warum hat die
Kommission nicht dafür gesorgt, dass die bewährten
Verfahren aus der europäischen Rechtsprechung
verbindlich in den Kern dieser Richtlinie aufgenommen
werden, um sicherzustellen, dass wir die höchsten
sozialen und wirtschaftlichen Standards im öffentlichen
Auftragswesen garantieren? Das sind wir unseren
68
16/01/2002
Behörden, unseren Verbrauchern und auch unseren
Unternehmen doch schuldig. Warum hat sich die
Kommission für ein Konzept der Freiwilligkeit
entschieden?
Auch die Diskussion hier hat gezeigt, dass die
Auffassungen zu Schwellenwerten, zu Sozialstandards
durch alle Fraktionen gehen, und mit großer Spannung
werden wir morgen die Abstimmung erwarten können.
Ich hoffe, die Kommission kann die von meinem
Kollegen, Herrn Hughes, erwähnten Änderungsanträge
akzeptieren, damit bestimmte Aufträge Programmen für
eine geschützte Beschäftigung vorbehalten werden
können. Ich hoffe, die Kommission wird den Wunsch
des Parlaments nach einer strengen Regelung in dieser
Richtlinie respektieren, welche die Einhaltung der
wichtigsten Arbeitsnormen gewährleistet und den
Ausschluss von Bewerbern ermöglicht, die diese
Normen nicht erfüllen.
Aus meiner Sicht müssen die neuen Richtlinien
fortschrittlich, fair und funktionell sein. Wir unterstützen
die
von
der
Kommission
vorgeschlagene
Modernisierung, z. B. zur Einführung elektronischer
Auktionen und elektronischer Angebotsabgaben. Ich
habe aber große Sorgen, dass die Richtlinie in einem
bestimmten Punkt nicht fairer wird. Hier beziehe ich
mich auf die Frage von Sozial- und Umweltstandards.
3-161
De Clercq (ELDR). – (NL) Herr Präsident! Herzlichen
Glückwunsch zu Ihrer Wahl. Herr Kommissar, liebe
Kolleginnen und Kollegen, dieser Bericht hat weitaus
größere Auswirkungen, als man auf den ersten Blick
annehmen könnte. Jedes Jahr werden Tausende von
Aufträgen durch öffentliche, häufig regionale oder
kommunale, Behörden vergeben. Etwa 14 % des
gesamten BIP der Europäischen Union entfallen heute
auf das öffentliche Beschaffungswesen. Die geltenden
Rechtsvorschriften sind jedoch zu kompliziert, zu
komplex, so dass die Vorteile des Binnenmarkts diesem
Marktsegment bisher weitgehend vorenthalten geblieben
sind.
Der vorliegende Bericht darf deshalb sein Ziel, nämlich
Vereinfachung der Rechtsvorschriften und mehr
Möglichkeiten für europäische Verfahren zur Vergabe
öffentlicher Aufträge, nicht verfehlen. Unter anderem
aus diesen Gründen bin ich gegen eine zu starke
Erhöhung der Schwellenwerte, wodurch knapp 8 bis
12 % aller Ausschreibungen der Europäischen Union
unter die neue Regelung fallen würden. Auch bei der
Einführung von Sozial- und Umweltkriterien ist
Vorsicht geboten. Zu viele und zu komplizierte
Auflagen schaffen sowohl für unsere Städte und
Gemeinden als auch für die KMU erneut zusätzliche
Schwierigkeiten. Wir müssen uns im Klaren darüber
sein, dass sie in erster Linie mit diesen europäischen
Rechtsvorschriften konfrontiert sein werden. Wir
müssen sie der Europäischen Union näher bringen und
durch sie die Botschaft Europas verkünden lassen. Eine
Überreglementierung ist dafür sicherlich nicht der
geeignete Weg.
3-162
Wuermeling (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr
verehrten Damen und Herren. Herzlichen Dank und
meinen Respekt an den Berichterstatter, der sich mit viel
Energie, Disziplin und Intelligenz diese Materie
erarbeitet hat. Meine größte Bewunderung gilt ihm
deshalb, weil er seine römische Heiterkeit trotz eines
teilweise doch sehr schwierigen Verfahrens nicht
verloren hat. Vielen Dank auch an die Kollegen, ich
glaube, es war eine der bisher interessantesten Debatten
im Rechtsausschuss.
Ich möchte noch einmal ausdrücklich auch für die
anderen Kollegen meiner Fraktion sagen, dass es uns
nicht darum geht, dass soziale und Umweltkriterien im
Vergabeverfahren überhaupt keine Rolle spielen. Nein!
Kollege Hager hat das sehr klar dargelegt. Diese
Standards müssen bei der Beschreibung des Produkts
festgelegt werden. Wir wollen vermeiden, dass es bei
dem Zuschlagsverfahren am Ende, wenn man die
Angebote verglichen hat und wenn feststeht, das
Angebot 1 ist das wirtschaftlich günstigste, Angebot 2
ist schlechter, Angebot 3 ist noch schlechter, Angebot 4
ist am schlechtesten, noch einmal ein Ermessen eröffnet
wird, um festzustellen, dieses Unternehmen ist sozialer,
weil es mehr Behinderte eingestellt hat, dieses andere
Unternehmen ist ökologischer, weil es ein
Abfallmanagementsystem hat, um dann entgegen der
Feststellung des wirtschaftlich günstigsten Angebots
doch dem teureren Unternehmen den Zuschlag zu geben.
Das ist die Situation, die wir vermeiden wollen, denn das
würde dem Binnenmarkt zuwider laufen. Deswegen ist
das für uns ein so wichtiger Punkt, und wir bräuchten
diese Richtlinie mit solchen Standards im Grunde
überhaupt nicht mehr.
3-163
Koukiadis (PSE). – (EL) Herr Präsident, ich möchte
Ihnen gratulieren und hoffe, dass Sie Ihre Pflichten auch
weiterhin mit Effizienz erfüllen werden.
Die Auseinandersetzung um die sozialen und
Umweltkriterien, die durch den Vorschlag des
Ausschusses für Wirtschaft und Währung weitgehend
beendet wurde, zeigt, dass das Europäische Parlament
überzeugter Verfechter des europäischen Sozialmodells
und des verträglichen Wachstums bleibt, das allein
Europa im globalen Umfeld wettbewerbsfähig macht.
Die Änderungsanträge bezüglich der sozialen und
Umweltkriterien, die im Zusammenhang zu sehen sind,
schaffen keine neuen Verpflichtungen und erhöhen auch
nicht die Ausgaben der Unternehmen, sondern es wird in
ihnen eine Selbstverständlichkeit vorgeschlagen,
nämlich die Respektierung des Europäischen
Besitzstands beim Arbeits- und Umweltschutz.
Auf derselben Linie muss zudem einmütig
Stellungnahme des Ausschusses für Recht
Binnenmarkt angenommen werden, wonach
Förderung der Beschäftigung benachteiligter
ausgegrenzter Personen bzw. die Bekämpfung
die
und
die
oder
der
16/01/2002
Arbeitslosigkeit
Gegenstand
der
Auftragsvergabevorschriften sein können. Denn
nachdem die Beschäftigungspolitik in alle anderen
Politiken integriert werden soll, ist die Bekräftigung
dieser Position eine Bestätigung dafür, dass wir an
unsere Beschlüsse glauben und sie ernst nehmen.
Ermutigend ist überdies die Einfügung des neuen
Absatzes in Artikel 7, der über die Festlegung des
Rechtsrahmens des Arbeitsschutzes hinaus eine
Anpassung an das Übereinkommen 94 der
Internationalen Arbeitsorganisation und an die Richtlinie
über die Entsendung von Arbeitnehmern verlangt. Die
Einhaltung der Mindeststandards der internationalen
Verträge für die Arbeit ist eine elementare Verpflichtung
der entwickelten Staaten der Europäischen Union.
Ein anderes Problem, das uns beschäftigt hat, war die
Frage der Schwellenwerte. Meiner Meinung nach
bannen wir mit der Anhebung der Schwellenwerte
tatsächlich die Gefahr der Ausgrenzung der kleinen und
mittleren Unternehmen aus dem Markt, die eintreten
würde, wenn sie entsprechend den komplizierten
Verfahren der Richtlinie mit den großen Unternehmen
auf Gemeinschaftsebene konkurrieren müssten. Insofern
wird mit dem Änderungsantrag sowohl die
Beschäftigung als auch die Lebensfähigkeit der
Unternehmen gefördert.
Schließlich appelliere ich an die Kommission, bei
Ausschreibungen über die elektronischen Auktionen
hinaus auch andere Mittel vorzusehen. Hier geht es um
bestimmte Modelle öffentlicher Ausschreibungen wie
elektronische Kataloge, elektronische Formen des
Einkaufs durch die öffentliche Hand sowie eine Reihe
analoger, von den Unternehmen genutzter elektronischer
Mittel.
3-164
Thorning-Schmidt (PSE). – (DA) Herr Präsident, das
öffentliche Auftragswesen ist ein sehr wichtiges Mittel,
um die gesellschaftliche Entwicklung in nachhaltige
Bahnen zu lenken. Gemeinden und staatliche
Organisationen müssen deshalb selbstverständlich das
Recht haben, bei ihren Einkäufen auf Umwelt,
Arbeitsumwelt und soziale Zielsetzungen Rücksicht zu
nehmen. Hier ist die Rede von einem Recht, Herr
Harbour, nicht von einer Pflicht, auch wenn sie immer
wieder versuchen, es so darzustellen. Es geht um ein
Recht, das den Gemeinden zusteht. Natürlich muss dabei
in ausreichendem Maße darauf geachtet werden, dass
keine Wettbewerbsverzerrungen auftreten. In der EU
bestehen zwar einige gute Zielsetzungen in den
Bereichen Umwelt und Soziales, aber wenn diese
Zielsetzungen nicht in alle EU-Rechtsnormen integriert
werden, werden sie nicht viel bewirken und es wird
nichts erreicht. Die öffentliche Hand muss an die von ihr
zu beschaffenden Produkte Umweltansprüche stellen
können und hier muss besonders betont werden, dass
sich diese Ansprüche auf den gesamten Lebenszyklus
der Produkte beziehen müssen. Es verwundert, dass das
eigene EU-Umweltzeichen im Entwurf der Kommission
nicht stärker hervorgehoben worden ist. Wenn die
69
öffentliche Hand technische Spezifikationen erstellt,
muss sie natürlich auf das eigene Umweltkennzeichen
der EU verweisen können. Durch eine Reihe von
Änderungsanträgen haben wir versucht, den sozialen
und den Umweltaspekt einzubringen. Ich hoffe, dass die
Kommission dies in diesem Fall positiv aufnehmen
wird.
3-165
Bolkestein, Kommission. – (EN) Herr Präsident, ich
möchte dem Berichterstatter, Herrn Zappalà, für seine
umfangreiche Arbeit zu diesem, wie viele Mitglieder
heute Nachmittag bereits sagten, äußerst komplizierten
und wichtigen Thema danken.
Im Mai 2000 wurden von der Kommission zwei
vorgeschlagene Richtlinien zur Vereinfachung und
Modernisierung
der
Gemeinschaftsregelung
für
öffentliche Aufträge gebilligt. Diese Vorschläge
beinhalten wesentliche Neuerungen zur Anpassung der
Richtlinien an die zeitgemäßen Anforderungen bei der
Vergabe von Aufträgen. Im Interesse der Vereinfachung
wurde von der Kommission die Umwandlung von vier
bestehenden Richtlinien zu zwei neuen Richtlinien
vorgeschlagen.
Ich stelle fest, dass das Parlament diese Neufassung der
vier Richtlinien zum Anlass genommen hat, um den
acquis der Gemeinschaft auch in Bereichen in Frage zu
stellen, in denen die Kommission keine Änderungen
vorgeschlagen hat. Ich beziehe mich hier insbesondere
auf die Änderungsanträge zur Anhebung der
Schwellenwerte, durch die der Anwendungsbereich der
Richtlinien erheblich eingeschränkt würde, vor allem,
und dieser Hinweis gilt Frau McCarthy, im Hinblick auf
kleine und mittlere Unternehmen. Wenn diese Anträge
gebilligt werden sollten, müsste sich die Kommission
ernsthaft überlegen, ob der Vorschlag überhaupt aufrecht
erhalten werden sollte.
Viele der vorgelegten Änderungsanträge sind ein
wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Auftragsvergabe
und sind deshalb begrüßenswert. Die Kommission
unterstützt die Änderungsanträge, die zur Vereinfachung
und Modernisierung beitragen. Dazu gehören die
Änderungsanträge: 1, 3, 167, 141, 4, 13, 16, 17, 24, 28,
34, 36, 174, 40, 50, 128, 53, 79, 80, 85, 88, 97, 109 –
soweit sie Herstellungsverfahren betreffen – und 112.
Die Kommission kann ferner eine Reihe von
Änderungsanträgen im Grundsatz akzeptieren, wenn
noch einige Änderungen vorgenommen werden. Dies
sind die Änderungsanträge 2, 10, 42 teilweise, 45, 46,
47, 123, 52 teilweise, 93 und 95 teilweise, 109, 110 und
154 über den Umfang, in dem Umweltgesichtspunkte in
den verschiedenen Stufen eines Vergabeverfahrens
berücksichtigt
werden
können.
Auch
die
Änderungsanträge 11, 15, 48 teilweise, 51, 129, 52, 86,
87, 124, 89, 100 teilweise, 110 und 164, in denen
gefordert wird, dass Bieter nicht gegen das Arbeitsrecht
verstoßen dürfen, können in geeigneter Form in die
Richtlinie aufgenommen werden. Dies trifft teilweise
70
auch für den Änderungsantrag 163 über Informationen
über die Vergabe von Unteraufträgen zu.
Verschiedene Änderungsanträge, mit denen der
zunehmenden Zentralisierung der Vergabe von
Aufträgen entgegengewirkt werden soll, können von der
Kommission ebenfalls gebilligt werden, wenn sie
umformuliert
werden.
Dies
betrifft
die
Änderungsanträge 5, 6, 20 teilweise, 126, 21, 41, 168,
172 teilweise und 175.
In ähnlicher Weise können wir auch Änderungsantrag 38
über den Zusammenschluss von Vergabebehörden und
die Änderungsanträge 39 und 40 billigen.
Eine Reihe von Änderungsanträgen bezieht sich auf die
breite Palette der elektronischen Mittel, die den
Vergabebehörden zur Verfügung stehen. Dies sind die
Änderungsanträge 23, 54 und 65 über elektronische
Auktionen sowie die Änderungsanträge 74 und 104, in
denen es um die Integrität und Vertraulichkeit der von
den Wirtschaftsteilnehmern übermittelten Daten geht.
Hinsichtlich der Vertraulichkeit von Daten kann
Änderungsantrag 31 teilweise akzeptiert werden, aber
dadurch würde der Änderungsantrag 77 überflüssig und
müsste abgelehnt werden.
Verschiedene
Änderungsanträge
über
den
wettbewerblichen Dialog, insbesondere in Bezug auf
Geldpreise für die Teilnehmer, können berücksichtigt
werden. Konkret sind dies die Änderungsanträge 9, 56,
57 teilweise, 58 teilweise, 137 teilweise und 138.
Einigen Änderungsanträgen, die ich als Erläuterungen
bezeichnen würde und die sich auf mehrere Themen
beziehen, kann die Kommission ebenfalls zustimmen.
Hier geht es um die Änderungsanträge 7, 125 teilweise,
18, 142, 26, 30, 35, 46 teilweise, 70, 113, 114, 121, 132,
153, 169, 170 und 171. Der wesentliche Kern von
Änderungsantrag 147 über die Anwendbarkeit des
Vertrags
bei
Aufträgen,
die
unterhalb
der
Schwellenwerte liegen, kann ebenfalls akzeptiert
werden, wenn noch Änderungen vorgenommen werden
und wenn dieser Punkt in eine Erwägung aufgenommen
wird.
Die Kommission hat andererseits jedoch keine andere
Alternative, als die Änderungsanträge abzulehnen, durch
die der gemeinschaftliche Besitzstand in Frage gestellt
wird, die Modernisierung der Richtlinien beeinträchtigt
wird oder die Regelungen komplizierter gestaltet
werden. Dementsprechend kann die Kommission
folgenden Änderungsanträgen nicht zustimmen:
Den Änderungsanträgen über die Anhebung der
Schwellenwerte in den Richtlinien um 50 %, die, wie ich
bereits sagte, dazu führen würde, dass zahlreiche
Aufträge nicht mehr in den Anwendungsbereich der
Richtlinien fallen, für die diese Richtlinien derzeit
gelten. Dies betrifft die Änderungsanträge 32, 33, 67,
130, 101, 105 und 106. Die negativen Folgen dieser
Änderungsanträge werden durch Änderungsantrag 147
16/01/2002
nicht gemildert, so gut dieser Antrag auch gemeint ist. In
Wirklichkeit ist es ja so, dass das Raison d'être der
Richtlinien allein und ohne die ausführlichen
Verfahrensregeln der Richtlinien nicht ausreicht, um
eine einheitliche und rechtssichere Anwendung zu
gewährleisten und die Rechte der Wirtschaftsteilnehmer
durch wirksame Rechtsmittel zu schützen.
Den Änderungsanträgen, mit denen ohne stichhaltige
Begründung neue Ausnahmeregelungen in Bezug auf
den Anwendungsbereich der Richtlinien geschaffen
werden, die zur Folge hätten, dass zahlreiche öffentliche
Aufträge nicht mehr dem Wettbewerb innerhalb der
Gemeinschaft
unterliegen
würden,
wie
die
Änderungsanträge 37, 38 teilweise, 122, 136, 150 und
157.
Den Änderungsanträgen, die das eigentliche Ziel der
Auftragsvergabevorschriften unterminieren, das darin
besteht, sicherzustellen, dass die Entscheidungen
öffentlicher Auftraggeber nicht durch andere als
wirtschaftliche Gründe beeinflusst werden, wie zum
Beispiel die Änderungsanträge 12, 14, 98, 134, 140 und
Änderungsantrag 166 über die Vergabekriterien, welche
die Anwendung anderer als wirtschaftlicher Kriterien,
insbesondere sozialer und Umweltschutzkriterien,
ermöglichen.
Den
Änderungsanträgen,
die
die
angestrebte
Modernisierung der Richtlinien durch die Einschränkung
der Anwendung elektronischer Verfahren zur Vergabe
von Aufträgen beeinträchtigen, wie zum Beispiel die
Änderungsanträge 70 teilweise, 73, 75, 102, 103, 115,
117 und 131.
Den Änderungsanträgen, durch die unverhältnismäßige
Anforderungen an KMU gestellt werden durch
Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen sowie
durch andere Vorschriften, wie zum Beispiel in den
Änderungsanträgen 42, 48 teilweise, 49, 76, 100
teilweise, 116, 133, 152 und 159.
Den Änderungsanträgen, durch welche die Transparenz
bei Ausschreibungen verringert wird, dies betrifft
insbesondere die Änderungsanträge 62, 68 und 78, und
Änderungsanträge, durch welche die Möglichkeiten für
Verhandlungen erweitert werden, nämlich die
Änderungsanträge 57, 61 teilweise, 66 und 151.
Den Änderungsanträgen, durch welche die Anwendung
von Rahmenvereinbarungen ohne ersichtlichen Grund
eingeschränkt
wird,
wie
zum
Beispiel
die
Änderungsanträge 25, 27, 135, 139, 63, 64 und 158.
Den Änderungsanträgen, durch die Umweltaspekte in
einer Weise in die Vergabeverfahren integriert werden,
die nicht mit den Richtlinien vereinbar ist, wie dies
teilweise bei Änderungsantrag 45 in Bezug auf
Umweltzeichen, Änderungsantrag 92 über die Phase der
Auswahl und Änderungsantrag 109 über die Festlegung
von
technischen
Spezifikationen
und
deren
Kompatibilität mit dem Umweltschutz der Fall ist.
16/01/2002
Den Änderungsanträgen, die nicht mit der Flexibilität
des Wettbewerbsdialogs kompatibel sind, insbesondere
die Änderungsanträge 55, 58 teilweise, 59, 60 und 160.
Den Änderungsanträgen, die zusätzliche Straftatbestände
für den obligatorischen Ausschluss von Personen
beinhalten, gegen die Strafurteile wegen bestimmter
Vergehen verhängt wurden; bei der vorgeschlagenen
Regelung sollen nur die Vergehen berücksichtigt
werden, die in allen Mitgliedstaaten strafrechtlich
verfolgt werden. Daher können einige der Vergehen, die
zum Beispiel in den Änderungsanträgen 81, 82 und 83
genannt sind, nicht berücksichtigt werden. Andererseits
ist die Vorgehensweise bei einigen dieser Vergehen
bereits durch die Bestimmung über fakultative
Ausschlüsse in Artikel 46 Absatz 2 geregelt. Die
Änderungsanträge 84 und 90 sollten ebenfalls abgelehnt
werden, weil sie dazu führen könnten, dass die
Auftragsvergabe an ein Unternehmen ausgeschlossen ist,
das sich um die Stabilisierung seiner finanziellen Lage
bemüht.
Den Änderungsanträgen, die überflüssig sind oder die
Wirkung anderer Bestimmungen in den Richtlinien ohne
hinreichenden Grund wesentlich verändern könnten, wie
zum Beispiel die Änderungsanträge 8, 19, 20 teilweise,
22, 29, 30 teilweise, 43, 127, 44, 45 teilweise, 55, 59, 60,
69, 70 teilweise, 71, 72, 94, 96, 108, 111, 143, 156, 162,
172 teilweise und 173.
Den Änderungsanträgen, die ohne Grund die Befugnisse
beeinträchtigen, die der Kommission nach geltendem
Recht vom Gesetzgeber übertragen wurden, wie zum
Beispiel Änderungsantrag 107.
Die letzte Kategorie von Änderungsanträgen zum ersten
Vorschlag, die von der Kommission nicht akzeptiert
werden können, sind die Änderungsanträge, in denen die
Streichung klarstellender Änderungen gefordert wird,
die zur Herstellung einer größeren Rechtssicherheit
bestimmt sind, wie zum Beispiel Änderungsantrag 99
über die Gewichtung von Zuschlagskriterien,
Änderungsantrag 100 über ungewöhnlich niedrige
Angebote, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe
erhalten hat, Änderungsanträge 144, 145, 146, 148 und
149 über die Änderung der Definition von Bauaufträgen
und Änderungsantrag 161 über die Grundsätze zur
Regelung von Fristen.
3-166
Das sind alle Punkte, welche die erste Richtlinie
betreffen.
Bei der zweiten Richtlinie, der so genannten
Sektorenrichtlinie, ist dies der zweite Vorschlag, der im
Mai 2000 von der Kommission verabschiedet wurde.
Neben
der
angestrebten
Vereinfachung
und
Modernisierung, die ich eben erwähnte, zielt dieser
zweite Vorschlag insbesondere auf die Überprüfung des
Anwendungsbereichs
der
Richtlinie
vor
dem
Hintergrund
der
laufenden
oder
zukünftigen
Liberalisierung der betreffenden Sektoren ab. Auch in
diesem Vorschlag wurden die bestehenden Texte neu
71
gestaltet und gemeinsam mit den vorgeschlagenen
Änderungen in einem einzigen Text zusammengefasst.
Ich kann nur nochmals auf die Bedenken hinweisen, die
insbesondere durch die vorgelegten Änderungsanträge
über die Schwellenwerte ausgelöst wurden.
Viele der vorgelegten Änderungsanträge sind ein
wichtiger Beitrag zu Verbesserungen im Bereich der
Beschaffung und deshalb begrüßenswert. Die
Kommission unterstützt die Änderungsanträge, die im
Einklang mit der von ihr vertretenen Position stehen, wie
zum Beispiel die Änderungsanträge 2, 7, 21, 37, 43, 47,
95, 111 und 116. Die Kommission kann ferner, obwohl
ein wenig widerstrebend, Änderungsantrag 29
akzeptieren, weil über diesen Änderungsantrag ein
umfassender Konsens sowohl im Parlament als auch im
Rat besteht.
Vorbehaltlich einiger Änderungen kann die Kommission
auch die Substanz zahlreicher Änderungsanträge
akzeptieren:
Dies betrifft die Änderungsanträge 3, 18, 34 teilweise,
35, 36, 38, 40, 64, 87, 89, 92, 96, 99, 101, 118 und 119
über technische Spezifikationen, die Möglichkeit,
Umweltaspekte in den verschiedenen Phasen des
Vergabeverfahrens zu berücksichtigen und Nachweise
der technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit.
Die Änderungsanträge 4, 9, 44 teilweise, 56, 90
teilweise, 93, 97 teilweise und 108 teilweise über die
Einhaltung anderer Rechtsvorschriften, insbesondere der
Sozialgesetze, Klauseln über die Ausführung von
Aufträgen und Vorschriften über die Vergabe von
Unteraufträgen.
Die Änderungsanträge 57, 59, 60 und 109 über
Ausschlusskriterien können teilweise akzeptiert werden,
soweit sich obligatorische Ausschlüsse auf die
Auftraggeber beschränken, die Behörden sind, und
soweit die Liste der Gründe für einen obligatorischen
Ausschluss mit der in der „klassischen Richtlinie“
enthaltenen Liste übereinstimmt.
Die Änderungsanträge 66 teilweise, 67, 68 und 69 zur
Vereinfachung der Vorschriften über die Erwähnung der
relativen Gewichtung von Vergabekriterien.
Den Änderungsantrag 70 über ungewöhnlich niedrige
Angebote, abhängig von den Sprachversionen, da in
bestimmten Sprachen keine Änderung erforderlich ist.
Änderungsantrag 76 über den Sektor Kohle- und feste
Brennstoffe kann akzeptiert werden, soweit er vorsieht,
dass der freiwilligen Anwendung der Richtlinie 94/22 im
Sinne von Artikel 29 Rechnung getragen wird, jedoch
ohne dass die freiwillige Anwendung mit einer
Rechtsvermutung in Zusammenhang gebracht wird.
Die Änderungsanträge 78, 79, 80, 81, 82, 83, 85, und 86
über die verbesserte Transparenz bei der Anwendung
von Rechtsmitteln. Vorbehaltlich der Zustimmung zum
wesentlichen Inhalt des Kommissionsvorschlags in
72
Bezug auf Artikel 29 kann die Kommission ferner die
Änderungsanträge 13 und 16 über die Übertragung von
Unternehmen, die Postdienste anbieten, von der
„klassischen Richtlinie“ in die Sektorrichtlinie
unterstützen. Das Ziel, die wirtschaftliche Nutzung von
Wärme zu ermöglichen, die durch Kohle erzeugt wurde,
steht im Mittelpunkt von Änderungsantrag 15 und
diesem Ziel wird durch die Billigung von
Änderungsantrag 29
Rechnung
getragen.
Dem
Änderungsantrag kann in der vorliegenden Form nicht
zugestimmt werden, da damit nicht die beabsichtigte
Wirkung erreicht werden könnte.
Im Hinblick auf die Erteilung von Aufträgen zwischen
verbundenen Unternehmen kann Änderungsantrag 27
teilweise akzeptiert werden, soweit dies die
Möglichkeiten betrifft, Dienstleistungsaufträge an neu
gegründete, verbundene Unternehmen und bestimmte
Dienstleistungsaufträge
an
ein
gemeinsames
Unternehmen, zu vergeben. Die Änderungsanträge 51
und 75 über die Wahrung der Vertraulichkeit von
Informationen, die auf elektronischem Wege übermittelt
werden, können akzeptiert werden. Verschiedene
Änderungsanträge, die aus meiner Sicht zur Klarstellung
beitragen und eine Reihe von Themen betreffen, können
ebenfalls angenommen werden. Dies betrifft die
Änderungsanträge 22, 30, 53, 113 teilweise und 117.
Die Kommission hat andererseits jedoch keine andere
Alternative, als die Änderungsanträge abzulehnen, durch
die der gemeinschaftliche Besitzstand in Frage gestellt
wird, die Modernisierung der Richtlinien beeinträchtigt
wird oder die Regelungen komplizierter gestaltet
werden. Dementsprechend kann die Kommission
folgenden Änderungsanträgen nicht zustimmen:
Den Änderungsanträgen, in denen eine Anhebung der
Schwellenwerte in der Richtlinie um 50 %, gefordert
wird, die dazu führen würde, dass zahlreiche Aufträge,
die derzeit in den Anwendungsbereich der Richtlinie
fallen,
ausgeschlossen
würden
oder
den
Änderungsanträgen, durch die auf andere Weise die
Transparenz wesentlich verringert würde, wie dies zum
Beispiel bei den Änderungsanträgen 20, 46, 72, 102,
101, 105 und 107 der Fall ist.
Den Äderungsanträgen, mit denen ohne stichhaltige
Begründung neue Ausnahmeregelungen in Bezug auf
den Anwendungsbereich der Richtlinien geschaffen
werden, die zu Folge hätten, dass zahlreiche öffentliche
Aufträge nicht mehr dem Wettbewerb innerhalb der
Gemeinschaft
unterliegen
würden,
wie
die
Änderungsanträge 6, 19, 24, 25, 26, 27 teilweise, 28, 45
und 84.
Den Änderungsanträgen, die eine grundlegende
Änderung der in Artikel 29 und in Anhang X
festgelegten Bedingungen bewirken würden, unter denen
die Kommission rechtsverbindliche Ausnahmen im Falle
einer Liberalisierung und des dadurch entstandenen
echten Wettbewerbs gewährt oder durch die ein
Widerspruch zwischen dieser Richtlinie und anderen
gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften
entstehen
16/01/2002
würden: Dies betrifft die Änderungsanträge 31, 58, 76,
sofern seine Aufnahme in Anhang X eine
Rechtsvermutung schaffen würde, und Änderungsantrag
77.
Den Änderungsanträgen, die das eigentliche Ziel der
Auftragsvergabevorschriften unterminieren, das darin
besteht, sicherzustellen, dass die Entscheidungen
öffentlicher Auftraggeber nicht durch andere als
wirtschaftliche Gründe beeinflusst werden, wie die
Änderungsanträge 8, 17, 65, 94, 104, 110 und 122 über
die Vergabekriterien, welche die Anwendung anderer als
wirtschaftlicher Kriterien, insbesondere sozialer und
Umweltschutzkriterien, ermöglichen.
Den
Änderungsanträgen,
die
die
angestrebte
Modernisierung der Richtlinien durch die Einschränkung
der Anwendung elektronischer Verfahren zur Vergabe
von Aufträgen beeinträchtigen, wie zum Beispiel die
Änderungsanträge 49, 50, 73, 74 und 103.
Den Änderungsanträgen, durch die unverhältnismäßige
Anforderungen an KMU gestellt werden durch
Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen, wie
zum Beispiel in den Änderungsanträgen 32, 41 und 42
sowie den Änderungsanträgen, durch die soziale
Aspekte in einer Weise in die Vergabeverfahren
integriert werden, die nicht mit der Richtlinie vereinbar
ist, wie dies zum Beispiel bei den Änderungsanträgen
33, 55, 62, 63, 71 und 88 der Fall ist.
Den
Änderungsanträgen
über
technische
Spezifikationen, durch die entweder Umweltaspekte in
einer Weise berücksichtigt werden sollen, die nicht mit
den Richtlinien vereinbar ist, oder durch die
unangemessene
Anforderungen
hinsichtlich
der
Gleichwertigkeit technischer Lösungen gestellt werden.
Dies betrifft den Teil von Änderungsantrag 34, in dem
es um Umweltzeichen geht, den Teil von
Änderungsantrag 36, der sich auf die Kosten bezieht,
sowie die Änderungsanträge 39, 91, 98 und 100.
Den Änderungsanträgen, die nicht mit der flexiblen
Natur dieser Richtlinie kompatibel sind, die sowohl auf
öffentliche als auch auf private, kommerzielle
Auftraggeber
anwendbar
ist,
sowie
den
Änderungsanträgen, durch die Bestimmungen aus der
„klassischen Richtlinie“ ohne stichhaltigen Grund in
diese Richtlinie übernommen werden, wie zum Beispiel
bei den Änderungsanträgen 10, 11, 52, 54, 59 teilweise,
60 teilweise und Änderungsantrag 61.
Den Änderungsanträgen, die überflüssig sind, die
erhebliche Rechtsunsicherheit auslösen oder welche die
Wirkung anderer Bestimmungen in den Richtlinien ohne
stichhaltigen Grund wesentlich verändern könnten, wie
zum Beispiel die Änderungsanträge 1, 5, 12, 14, 23, 48,
Teile des Änderungsantrags 66 über die Gewichtung von
Vergabekriterien, 106, 112, 114, 115, 120, 121, 123 und
124.
Ich sehe, dass ich nun schon 24 Minuten gesprochen
habe, aber das Parlament hat ein Recht darauf, die
16/01/2002
Stellungnahme der Kommission zu allen eingereichten
Änderungsanträgen zu hören. Ich möchte noch auf
einige Fragen eingehen, die während der Aussprache an
mich gerichtet worden sind, aber ich fürchte, damit
würde ich die vorgesehene Redezeit weit überschreiten
und deshalb bitte ich Sie, mir mitzuteilen, wie ich weiter
vorgehen soll.
3-167
VORSITZ: JOAN COLOM I NAVAL
Vizepräsident
3-168
Bolkestein, Kommission. – (EN) Ich schlage vor, dass
ich versuche, kurz auf die verschiedenen Fragen
einzugehen und dass Sie mir sagen, wenn Sie glauben,
dass ich zu lange spreche.
3-169
Der Präsident. – Ich danke Ihnen für Ihre ausführliche
Erklärung. Vielleicht können Sie uns die Antwort
schriftlich zukommen lassen und jetzt nur die
wichtigsten Punkte zusammenfassen.
3-170
Bolkestein, Kommission. – (EN) Auf die Frage von
Herrn Zappalà möchte ich antworten, dass in der
aktuellen Definition von Bauaufträgen ausdrücklich
vorgesehen ist, dass solche Aufträge entweder nur für
den Bau oder sowohl für die Planung als auch für den
Bau erteilt werden können. Eine Änderung dieses
Ansatzes würde insbesondere die Vergabe von
schlüsselfertigen Projekten, die Nutzung von öffentlichprivaten Partnerschaften, von Baukonzessionen und
Wettbewerbsdialogen verhindern oder zumindest
wesentlich erschweren. Die Kommission ist daher gegen
die Einführung einer getrennten Vergabe von Planung
und Ausführung.
Zur Frage von Frau Schörling kann ich mitteilen, dass
die
Kommission
vorgeschlagen
hat,
die
Umweltmerkmale
eines
Produkts
oder
einer
Dienstleistung
als
mögliches
Vergabekriterium
einzubeziehen, vorausgesetzt, dass diese Merkmale
einen Vorteil für die Vergabebehörde darstellen. Dieses
Kriterium ermöglicht es dem öffentlichen Auftraggeber,
die wesentlichen Qualitäten des Produkts oder der
Dienstleistung zu bewerten und dem wirtschaftlich
günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen. Die
vorgeschlagenen Änderungsanträge gehen noch weiter
und ermöglichen die Berücksichtigung allgemeinerer
Umweltgesichtspunkte, wie zum Beispiel die
langfristigen Umweltauswirkungen der erworbenen
Produkte oder Dienstleistungen, bereits in der
Vergabephase. Solche Aspekte sind nicht messbar, sie
können die Bewertung der wesentlichen Qualitäten des
Produkts oder der Dienstleistungen nicht unterstützen
und sind daher in der Vergabephase nicht geeignet.
Herrn Rapkay und Herrn Hughes möchte ich darauf
hinweisen, dass das Ziel der Richtlinien über das
öffentliche Auftragswesen die Koordinierung der
Verfahren für die Auftragsvergabe und nicht die
Feststellung ist, welche sozialen oder anderen Pflichten
private Auftragnehmer nach der Vergabe eines Auftrags
73
einhalten müssen. Die Auftragnehmer sind in jedem Fall
verpflichtet,
alle
einschlägigen
Gesetze
und
Verpflichtungen einzuhalten, unabhängig davon, ob sie
sozialer oder anderer Natur sind.
Die Kommission ist jedoch bereit, in den Erwägungen
der Richtlinien zu erklären, dass Bieter bei der
Ausführung
von
öffentlichen
Aufträgen
die
einschlägigen Sozialvorschriften sowie die allgemein
gültigen Tarifverträge einhalten müssen. Die
Kommission stimmt außerdem dem Vorschlag zu, dass
Vergabebehörden verpflichtet werden sollten, in den
Verdingungsunterlagen die Stellen zu nennen, bei denen
sich der Bieter über die einschlägigen sozialen
Verpflichtungen erkundigen kann.
Frau Hautala kann ich im Hinblick auf die
Vorabentscheidung, die derzeit vom Gerichtshof geprüft
wird, mitteilen, dass die Kommission die Schlussanträge
des Generalanwalts zur Kenntnis genommen hat. Diese
Schlussanträge können jedoch das eigentliche Urteil
nicht vorwegnehmen. Darüber hinaus sieht die
Kommission, wie sie bereits bei der gerichtlichen
Anhörung erklärt hat, in Anbetracht des Inhalts der
Mitteilung über die Vergabe von Umweltaufträgen und
öffentlichen Aufträgen keinen Grund, weshalb das
Emissionskriterium nicht berücksichtigt werden sollte,
wenn dies, wie der Fall der Stadt Helsinki gezeigt hat,
externe Kosten für den Auftraggeber selbst einschließt.
Die Kommission wird daher die Entscheidung des
Gerichts abwarten und die Auslegung vor dem
Hintergrund des Urteils überprüfen und dann
gegebenenfalls
ihre
Position
gegenüber
den
Änderungsanträgen des Europäischen Parlaments
revidieren.
Ich wollte auch auf die Frage von Herrn Lehne
eingehen, aber da er den Plenarsaal bereits verlassen hat,
werde ich auf diesen Teil meiner Antwort verzichten.
3-171
Zappalà (PPE-DE), Berichterstatter. – (IT) Herr
Kommissar, auch wenn Herr Lehne nicht anwesend ist,
bitte ich Sie dennoch um eine Beantwortung. Wir
werden Herrn Lehne Ihre Antworten später übermitteln.
Hier handelt es sich um eine umfassende Debatte, die
über persönliche Belange hinausgeht.
3-172
Bolkestein, Kommission. – (EN) Herr Präsident, es ist
der Kommission eine Freude, die Mitglieder des
Parlaments bei ihrer Meinungsbildung unterstützen zu
können. Ich hätte deshalb gerne die Frage von Herrn
Lehne beantwortet, wenn er anwesend wäre, aber ich bin
natürlich auch bereit, zu diesem Punkt Stellung zu
nehmen, obwohl Herr Lehne nicht hier ist.
Herr Lehne sagte, die Sozial- und Umweltklauseln
müssten in die eigentlichen Verdingungsunterlagen
einbezogen werden und sollten die Entscheidung in der
Vergabephase nicht beeinflussen. Daher unterstütze ich
seine Auffassung, dass Artikel 53 über die
Vergabekriterien nicht geändert werden sollte. Solche
Überlegungen können in der geeigneten Phase
74
16/01/2002
berücksichtigt
werden,
entweder
in
den
Verdingungsunterlagen oder in den Vertragsklauseln.
Voraussetzungen für die mögliche Anwendung der EURichtlinien schafft.
Ich kann Änderungsantrag 147 von Herrn Zappalà nicht
unterstützen, weil den Wirtschaftsteilnehmern durch die
vorgeschlagene Regelung keine Rechtssicherheit
geboten wird.
3-174
Ich möchte meine Stellungnahme im Parlament hiermit
beenden und zum Abschluss darauf hinweisen, dass es
jetzt wichtig ist, dafür zu sorgen, dass unsere
Auftragsvergabevorschriften auch unter den immer
komplizierter werdenden Beschaffungsanforderungen
ihre Gültigkeit behalten müssen. Aus diesem Grund
müssen das Parlament und der Rat diese Richtlinien
zügig vorantreiben und sicherstellen, dass sie so schnell
wie möglich verabschiedet werden.
Herr Präsident, es tut mir leid, dass meine Ausführungen
eine halbe Stunde Redezeit in Anspruch genommen
haben, aber ich bin der Auffassung, dass das Parlament
ein Recht auf eine umfassende Antwort zu den
zahlreichen eingebrachten Änderungsanträgen hat. Die
Kommission sieht der morgigen Abstimmung mit
Interesse entgegen.
3-173
Zappalà (PPE-DE), Berichterstatter. – (IT) Herr
Präsident, angesichts der Bedeutung dieser Thematik
möchte ich den Herrn Kommissar lediglich um eine
Klarstellung bitten. Gleichwohl möchte ich ihm meinen
Dank für all die von ihm formulierten Bemerkungen, die
für mich zweifellos wichtig waren, aussprechen, auch
wenn ich die Unabhängigkeit des Europäischen
Parlaments fordere – und morgen fordern werde –, das
unter politischen Gesichtspunkten und nicht aus anderen
Erwägungen heraus entscheidet. Trotzdem scheint mir
die Reaktion auf den Änderungsantrag 147
widersprüchlich zu sein: Während die Kommission eine
Anhebung der Schwellenwerte ablehnt, weil sie, wie ich
den Erklärungen bei den Anhörungen, Treffen und
Aussprachen im Rechtsausschuss entnommen habe, die
breitestmögliche Anwendung der Richtlinien für das
Beschaffungswesen im Allgemeinen anstrebt, soll den
heutigen Ausführungen des Vertreters der Kommission
zufolge die Schwellenanhebung just einen Rückgang der
Auftragsvergabe bewirken.
Bolkestein, Kommission. – (EN) Herr Präsident, ich
werde versuchen, mich kurz zu fassen. Bis 1971 galten
für die Vergabe öffentlicher Aufträge nur die
Vorschriften und Grundsätze, die im Vertrag selbst
verankert waren und hier insbesondere die
Bestimmungen der Artikel 28 und 49. Die Erfahrung hat
jedoch gezeigt, dass eine wirkliche Marktöffnung und
die Schaffung eines echten und leistungsfähigen
Binnenmarkts die Klarstellung dieser Vorschriften und
Grundsätze durch ausführliche Bestimmungen zur
Koordinierung der nationalen Verfahren erfordert.
Die Rückkehr zur rechtlichen Situation der 70er Jahre,
und genau dies wäre die Folge des eben geäußerten und
in Änderungsantrag 147 verankerten Vorschlags, ist
nicht akzeptabel, insbesondere im Zusammenhang mit
einem Vorschlag, dessen Ziel die Modernisierung der
Gesetzgebung ist. Darüber hinaus würden die
Wirtschaftsteilnehmer dadurch eine der wichtigsten
Errungenschaften auf dem Gebiet des öffentlichen
Auftragswesens verlieren, nämlich die Möglichkeit, ihre
Rechte mit wirksamen Rechtsmitteln durchzusetzen.
Diese Möglichkeit wird durch die beiden spezifischen
Richtlinien garantiert, in denen die Anwendung von
Rechtsmitteln im Zusammenhang mit Aufträgen geregelt
ist, die in den Geltungsbereich der Richtlinien über die
Vergabe von öffentlichen Aufträgen fallen. Deshalb
ändert auch die Aufnahme von Änderungsantrag 147
nichts an der Ablehnung der Änderungsanträge über die
Anhebung der Schwellenwerte in der gesamten
Richtlinie.
3-175
Der Präsident. – Das Missverständnis konnte noch
nicht ganz ausgeräumt werden. Ich glaube, wir können
eine gemeinsame Lösung für dieses Problem finden.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-176
Ozongehalt der Luft
3-177
Ziel von Änderungsantrag Nr. 147 ist aber gerade eine
Erweiterung der Basis für das Beschaffungswesen,
weshalb ich den Grund für die Ablehnung der
Kommission nicht verstehe. Ich wäre dem Herrn
Kommissar dankbar, wenn er mir jetzt oder auch später
persönlich erklären könnte, was an Änderungsantrag 147
inhaltlich nicht in Ordnung ist. Das ist wichtig, Herr
Präsident, weil wir hier eine bedeutsame Materie
behandeln. Wenn also jetzt keine Gelegenheit dafür ist,
weil wir die Arbeiten unterbrechen und zum nächsten
Tagesordnungspunkt übergehen müssen, so bin ich auf
Wunsch des Kommissars gern bereit, ihn auch später zu
treffen, damit er mir erklärt, welches Problem es mit
Änderungsantrag 147 gibt, der meines Erachtens für alle
Vergaben, gleich welcher Art, hundertprozentig die
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über den Bericht (A4-0454/2001) von Herrn
Davies über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten
gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über den Ozongehalt der Luft
(PE-CONS
3658/2001
C5-0524/2001
1999/0068(COD))
3-178
Davies (ELDR), Berichterstatter. – (EN) Herr
Präsident! Ich habe den letzten Bericht nicht im
Einzelnen verfolgt, aber wenn Kommissarin Wallström
ähnlich gelaunt sein sollte wie Herr Kommissar
Bolkestein, bin ich froh, dass ich heute keine
Änderungsanträge vorzulegen habe.
16/01/2002
Ich möchte die Dinge von einer ganz anderen Seite her
betrachten. Vor einigen Wochen las ich meiner Tochter
Kate aus Ein Weihnachtslied von Charles Dickens vor,
dem britischen Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert.
Scrooge saß in seinem Kontor, so stand geschrieben. „Es
hatte eben erst drei Uhr geschlagen, doch war es schon
stockfinster. Den ganzen Tag über war es nicht hell
geworden, und die Kerzen in den Fenstern der
benachbarten Kontore flackerten wie rote Flecken auf
der dicken braunen Luft.“
Für die europäischen Städte der Gegenwart muss es
großer Anlass zur Freude sein, nicht mehr diese „dicke
braune Luft“ atmen zu müssen. Das zeugt von
Fortschritten im Umweltbereich und beweist, dass die
Luftgüte heute besser ist als sie es Jahrhunderte lang
war.
Aber es bleibt noch einiges zu tun. In ihrem Programm
„Saubere Luft für Europa“ hat die Kommission
Schwebestaub und Ozon als zwei Schwerpunkte
benannt.
Die Ozonbelastung trägt Jahr für Jahr dazu bei, dass
zehntausende Menschen frühzeitig sterben; sie führt zu
Atembeschwerden,
Husten,
Kopfschmerz
und
Augenreizungen. Die Weltgesundheitsorganisation kann
keinen Schwellenwert nennen, bis zu dem keine
Auswirkungen festzustellen sind.
Das Ozon kann darüber hinaus die Pflanzenwelt
schädigen, Ernteerträge verringern und das Wachstum
der Wälder beeinträchtigen. Es kann wie saurer Regen in
das Material von Gebäuden und Kunstwerken
eindringen und dieses zersetzen.
Nun liegt also dieser Richtlinienentwurf vor, um das
Problem anzugehen. Er geht auf einen ursprünglich
bemerkenswert schwachen Vorschlag zurück, dessen
wichtigstes Element die Festlegung von Zielvorgaben
für 2010 für eine möglichst große Zahl von Fällen war,
in denen die WHO-Leitlinien überschritten werden,
wobei diese Zielvorgaben allerdings für die
Mitgliedstaaten nicht zwingend sein sollten. Weiterhin
wurde darin die Erarbeitung kurzfristiger Aktionspläne
zum Umgang mit akuten Problemen, eine bessere
Information der Öffentlichkeit und die Festlegung von
Alarmschwellen
bei
gesundheitlichen
Gefahren
gefordert.
In den vergangenen zwei Jahren ist es dem Parlament
mit Hilfe seiner Mitentscheidungsbefugnis gelungen,
dieser Rechtsvorschrift mehr Biss zu verleihen. Wir
haben das Recht der Öffentlichkeit auf Information
gestärkt. Wir haben erreicht, dass es leichter wird,
Länder, die wiederholt ihren Verpflichtungen nicht
nachkommen, beim Namen zu nennen, damit sie sich
stärker in der Verantwortung sehen, ihre Leistung
verbessern. Wir haben dafür gesorgt, dass materielle
Schäden berücksichtigt werden. Wir haben unseren
Wunsch bekräftigt, dass bis zum Jahr 2020 in
Übereinstimmung mit den Vorschlägen der Richtlinie
75
über nationale Emissionshöchstmengen eine langfristige
Reduzierung des Ozonpegels erreicht werden soll.
Aber vor allem haben wir uns dem Problem der nicht
verbindlichen kurzfristigen Zielwerte zugewandt.
Anstelle des ursprünglichen Vorschlags, wonach die
Mitgliedstaaten gehalten waren, diese „so weit wie
möglich“ zu erreichen, haben wir darauf bestanden, dass
effektive Maßnahmen zu ergreifen sind, es sei denn, die
Zielvorgaben
sind
nachweislich
nicht
mit
„angemessenen Maßnahmen“ erreichbar. Ich möchte
betonen, dass wir dieser Formulierung zugestimmt
haben, weil sowohl die Kommission als auch unser
eigener juristischer Dienst uns zugesichert haben,
dadurch werden die Bestimmungen der Richtlinie
vollstreckbar und die Mitgliedstaaten können vor den
Europäischen Gerichtshof gebracht werden, wenn sie es
versäumen, solche Maßnahmen einzuleiten. Das heißt
also, wir haben unsere Mitentscheidungsbefugnis
genutzt, um eine Absichtserklärung in eine
rechtsverbindliche Verpflichtung umzuwandeln.
Doch das Europäische Umweltamt hat uns kritisiert und
gefragt: „Wozu brauchen wir überhaupt eine Richtlinie,
wenn die Zielvorgaben für 2010 nicht voll verbindlich
sind?“ Aber das geht am Kern der Ozonbelastung
vorbei. Sie ist in hohem Maße grenzüberschreitend.
Während die Spitzenwerte überall in Europa sinken,
nimmt die Durchschnittsbelastung weiterhin zu, was
nahezu mit Sicherheit auf Belastungen zurückzuführen
ist, die ihren Ursprung jenseits unserer Grenzen haben.
Ich glaube nicht, dass Spanien, Italien, Deutschland oder
irgendeinem anderen Mitgliedsland Sanktionen drohen
sollten, weil es unter einer von China verursachten
Ozonbelastung leidet. Das wäre unfair und wenig
realistisch. Ich möchte, dass die Mitgliedstaaten alles
tun, was realistischerweise von ihnen erwartet werden
kann, um diese Ziele zu erreichen, nicht mehr und nicht
weniger.
Die „dicke braune Luft“ hat viel zur Atmosphäre der
Geschichte von Scrooge beigetragen. Doch heute gibt es
sie nicht mehr. Vielleicht werde ich meine Tochter Kate
bitten, eine Fassung für das 21. Jahrhundert zu
schreiben, in der die Luft sauberer ist.
Mit Unterstützung der Kommission und der belgischen
Präsidentschaft im vergangenen Jahr ist es dem
Parlament
inzwischen
gelungen,
seine
Verhandlungsmacht dazu zu nutzen, eine simple
Wunschliste in Forderungen an die einzelnen
Regierungen umzuwandeln, Schritte einzuleiten, die die
Luftqualität überall in Europa wesentlich verbessern
werden.
Wir haben größere Veränderungen herbeigeführt und
eine ehrgeizigere Richtlinie erreicht, als bei Vorlage des
Entwurfs zunächst zu erwarten war.
Wir können auf das Erreichte stolz sein.
3-179
76
García-Orcoyen Tormo (PPE-DE). – (ES) Herr
Präsident, mit der Richtlinie über den Ozongehalt der
Luft wird der Versuch unternommen, das Problem des in
der Troposphäre gebildeten Ozons und seiner
Einlagerung in bodennaher Luft, was sich, wie wir alle
wissen, schädlich auf die menschliche Gesundheit und
die Vegetation, die Ökosysteme und die gesamte
Umwelt auswirkt, zu lösen. Die Ozonkonzentration –
das wissen wir – ist auf eine Ansammlung von
Vorläufersubstanzen in der Atmosphäre zurückzuführen,
doch kann man sie nicht ohne Weiteres beseitigen, denn
unter bestimmten Umständen tragen diese Stoffe zum
Ozonabbau in der Atmosphäre bei.
Verschiedene auf nationaler Ebene durchgeführte
Messungen haben ergeben, dass unter bestimmten
klimatischen Bedingungen wie hohe Leuchtstärke und
stabile
Atmosphäre
eine
Verringerung
der
Vorläufersubstanzen nicht die gewünschte Verringerung
der Ozonkonzentration nach sich zieht, sondern genau
das Gegenteil bewirkt. Die Lösung des Problems der
Ozonkonzentration ist daher komplex. Die bloße
Ausschaltung der die Vorläufersubstanzen freisetzenden
Emissionsquellen, zum Beispiel die Stillegung eines
Fabrikschornsteins, durch den Rauch in die Atmosphäre
gelangt, der als Vorläufersubstanz des Ozons fungiert,
ist keine geeignete Lösung.
Der Berichterstatter und mehrere Mitglieder des
Umweltausschusses – ich eingeschlossen – haben fast
zwei
Jahre
intensiv
daran
gearbeitet,
den
Kommissionsvorschlag zu verbessern – was zweifellos
notwendig war –, aber auch zu einem ausgewogenen
Vorschlag zu gelangen, der eine maximale Umsetzung
seitens der Mitgliedstaaten gestatten würde. Im Oktober
vergangenen Jahres lag dann schließlich ein
gemeinsamer Text vor, der vom Vermittlungsausschuss
gebilligt wurde.
Was den gebilligten Vorschlag angeht, so möchte ich die
Kombination aus langfristigen Zielen und einem
kurzfristigen Umgang mit den Gefahrensituationen
sowie alle auf eine rigorose Kontrolle und Überwachung
der atmosphärischen Ozonwerte in sämtlichen
Mitgliedstaaten gerichteten Maßnahmen als sehr positiv
bewerten.
Ferner scheint mir die Anwendung des Grundsatzes der
Transparenz der Informationen wichtig, da die
Bevölkerung gründlicher und besser über die
Auswirkungen
der
atmosphärischen
Ozonwerte
informiert sein muss.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Berücksichtigung
der Wetterbedingungen und der diesbezügliche
Vergleich zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten,
aus dem sich Daten herleiten lassen müssen, die
Aufschluss über die Entwicklung dieses Problems in den
jeweiligen Mitgliedstaaten geben.
Diese Richtlinie ist ein wichtiger Schritt in die richtige
Richtung, um das Problem der Luftverschmutzung
umfassend in Angriff zu nehmen, und wir denken, dass
16/01/2002
sie zusammen mit der Richtlinie über nationale
Emissionshöchstmengen in der Tat sehr wichtige
Instrumente darstellen, um die Umweltprobleme und
insbesondere das Problem der Luftverschmutzung auf
horizontaler Ebene anzugehen.
3-180
Lund (PSE). – (DA) Herr Präsident, zunächst möchte
ich mich bei Kommissarin Wallström und Chris Davis
für ihre gute Arbeit in dieser Angelegenheit bedanken.
In Bezug auf Ozon sind wir in einer seltsamen Lage.
Hoch oben in der Atmosphäre ist die Ozonschicht zu
dünn, was u. a. gesundheitliche Probleme mit sich
bringt, während andererseits Ozon am Boden in zu hoher
Konzentration vorkommt. Meiner Meinung nach waren
die Vergleichsverhandlungen aber erfolgreich und das
Ergebnis ist besser als erwartet ausgefallen, wenn man
die negative Haltung einiger Mitgliedstaaten bedenkt,
die diese bezüglich des in Frage stehenden Themas
Luftqualität eingenommen hatten. Zusammen mit der
Richtlinie über nationale Emissionshöchstgrenzwerte,
bei der Frau Riita Myller hier neben mir als
Berichterstatterin mitgewirkt hat, leistet diese Richtlinie
einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung einer
niedrigeren Ozonkonzentration in Europa, nicht zuletzt
in den großen europäischen Städten.
Ich finde es gut, dass wir von den WHO-Bewertungen
der vorhandenen Gesundheits- und Umweltrisiken
ausgehen können. Es gibt jetzt einige Teilziele, einige
Zielwerte für 2010, die erfüllt werden müssen. Aber es
stimmt natürlich nachdenklich, dass wir jahrelang
akzeptieren müssen, dass WHO-Schwellenwerte an
einer bestimmten Anzahl von Tagen pro Jahr
überschritten werden. Deshalb begrüße ich es, dass
beschlossen wurde, dass es auch einige längerfristige
Zielsetzungen geben soll, die den WHO-Zielwerten
entsprechen müssen. Was die Präzision angeht, ist das
Parlament nicht ganz zufrieden. Es wurde ein
Referenzpunkt für das Jahr 2020 festgelegt. Viele von
uns hätten 2020 lieber als festes Ziel für die Erfüllung
der WHO-Empfehlungen gehabt. Ich halte es auch für
gut, dass die Mitgliedstaaten nicht nur zur Ausarbeitung
konkreter Programme im Hinblick auf die Ziele
verpflichtet werden, sondern dass es auch obligatorisch
sein wird, die Bürger über die geplanten Programme und
die erreichten Ergebnisse zu informieren – seien sie nun
positiv oder negativ. Ich begrüße auch die neuen Regeln
darüber, wie die Bürger vor zu hoher Ozonkonzentration
gewarnt werden sollen, nicht nur die Bürger im
Allgemeinen, sondern auch solche Bürgergruppen, für
die dieses Problem eine besondere Belastung darstellt.
Schließlich möchte ich sagen, dass ich es auch für gut
halte, dass die beitrittswilligen Länder berücksichtigt
wurden, so dass sie zu einem frühen Zeitpunkt
einbezogen werden können, und wir können ja damit
rechnen, dass die Richtlinie vor dem Beitritt der ersten
Kandidaten zur Union in Kraft tritt, damit sie bereits
zum Zeitpunkt ihres Beitritts die Verpflichtungen
erfüllen, die den Ländern gemäß Richtlinie auferlegt
werden. Ich hoffe, dass wir mit dieser Richtlinie die
schädlichen
Auswirkungen
zu
hoher
16/01/2002
Ozonkonzentrationen auf die menschliche Gesundheit
und das Pflanzenwachstum verhindern und begrenzen
können, und dass der heutige Tag ein guter Tag für die
zukünftige Luftqualität in Europa sein wird.
3-181
Korhola (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident, die nun in
dritter und fünfter Lesung vorliegende Richtlinie wird
meines Erachtens dazu beitragen, die Luftqualität in
Europa zu verbessern. Sie ändert die Richtlinie aus dem
Jahr 1996 dahingehend ab, dass den nationalen
Emissionsgrenzen für Luftverschmutzungen und den
Empfehlungen
der
Weltgesundheitsorganisation
entsprochen wird. Das Parlament hat bei der Erarbeitung
der Richtlinie einen bedeutsamen Beitrag geleistet, so
dass ich Herrn Davis und den anderen Kollegen, die in
dem zweieinhalb Jahre währenden Prozess daran
mitgewirkt haben, noch einmal herzlich dazu
beglückwünschen möchte. Ferner gilt Belgien erneut ein
besonderer Dank für das Engagement während seines
Ratsvorsitzes.
In der nun gebilligten Richtlinie werden die
Mitgliedstaaten verpflichtet, Pläne zu erstellen, mit
denen die zum Schutz der Menschen und Vegetation
erforderlichen Grenzwerte bis zum Jahr 2010 gesenkt
werden. Das Jahr 2020 ist das Bezugsjahr für das
langfristige Ziel und die spätere Überprüfung der
Richtlinie. Auf besonders gefährdeten Gebieten werden
auch kurzfristige Aktionspläne sowie aktive und
transparente Öffentlichkeitsarbeit verlangt.
Für diese Richtlinie ist es von besonders großer
Bedeutung, auch alle Bewerberländer möglichst
frühzeitig einzubeziehen, denn die grenzüberschreitende
Wirkung von Stickoxiden und Emissionen flüchtiger
organischer Verbindungen auf den Ozongehalt der
Atmosphäre ist beträchtlich. In Finnland zum Beispiel
kommt das meiste Ozon in der Atmosphäre aus der
Ferne bzw. stammt aus Emissionen, die unser Land ohne
die Europäische Union praktisch überhaupt nicht
beeinflussen kann.
Verehrter Herr Präsident, wie Sie selbst festgestellt
haben, haben wir die Halbzeit der fünften Wahlperiode
erreicht. Das Parlament konnte bereits in dieser Phase
der Legislaturperiode in erheblichem Maße auf die
Verbesserung der Luftqualität der Bewerberländer
Einfluss nehmen. Auf dem Umweltsektor hat das
Parlament also von seiner neuen größeren Befugnis
verantwortungsbewusst Gebrauch gemacht. Diese Arbeit
muss weitergeführt werden, die Kommission muss
ermutigt werden, ihre Vorschläge ehrgeiziger als bisher
zu formulieren und die gutentwickelte Zusammenarbeit
mit dem Rat im Umweltbereich muss eng und effizient
bleiben.
3-182
Wallström, Kommission.  (SV) Herr Präsident! Ich bin
natürlich sehr erfreut darüber, dass wir uns jetzt dem
Punkt nähern, an dem wir die Richtlinie über den
Ozongehalt der Luft annehmen können. Dank dieser
Richtlinie werden wir die Vegetation und die
menschliche Gesundheit vor den schädlichen
77
Auswirkungen zu hoher Ozonkonzentrationen schützen
können. Ausnahmen bilden die Fälle, in denen dies
nachweislich nicht mit angemessenen Maßnahmen zu
erreichen ist. Daher begrüße ich sehr den gemeinsamen
Entwurf
des
Vermittlungsausschusses
vom
11. November 2001.
Wie bereits erwähnt, ist die Richtlinie auf ihrem Weg
vom Gemeinsamen Standpunkt bis zur endgültigen
Richtlinie in wesentlichen Punkten verbessert und
deutlicher und zielgerichteter formuliert worden. Das ist
der hohen Qualität der Änderungsanträge des
Europäischen Parlaments sowie den erfolgreichen
Vermittlungsverhandlungen zu danken. Ich möchte
daher einfach die Gelegenheit nutzen und insbesondere
dem Berichterstatter, Herrn Chris Davies, und den
Mitgliedern des Vermittlungsausschusses meinen Dank
aussprechen.
3-183
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-184
Sechstes Umweltaktionsprogramm
3-185
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über die Empfehlung für die zweite Lesung
Myller (A5-0456/2001) im Namen des Ausschusses für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
betreffend das Sechste Umweltaktionsprogramm der
Europäischen Gemeinschaft (11076/1/2001 - C50434/2001 - 2001/0029(COD)).
3-186
Myller (PSE), Berichterstatterin. – (FI) Herr Präsident,
zuallererst möchte ich den „Schattenberichterstattern“
der verschiedenen Fraktionen
für die
gute
Zusammenarbeit im Hinblick auf das Sechste
Umweltaktionsprogramm
danken.
Diese
Zusammenarbeit
zwischen
den
„Schattenberichterstattern“ hat bewirkt, dass zumindest
die Abstimmungsliste ganz anders aussieht als bei der
ersten Lesung: Der Schwerpunkt lag auf den wichtigsten
Änderungsanträgen. Ich hoffe, dass sich diese gute
Zusammenarbeit auch morgen bei den Abstimmungen
widerspiegelt. Ebenso erwies sich die Kommission als
guter Partner: Wir haben viele Gespräche geführt. Ein
besonderer Dank gilt Schweden, das während der ersten
Lesung den Vorsitz innehatte.
Das wichtigste Ziel des Programms besteht ja darin, die
Umweltpolitik in die übrigen Politikbereiche
einzubeziehen. In dieser Hinsicht wird das Fünfte
Umweltaktionsprogramm weitergeführt, aber bei der
Einbeziehung müssen konkrete Zielvorgaben und
wirtschaftliche Ergebnisse erreicht werden, und dann
werden auch strukturelle Änderungen, zum Beispiel in
der Tätigkeit der Kommission erforderlich. Ziel ist
natürlich, den Umweltaspekt in den verschiedenen
Politikbereichen direkt zu berücksichtigen. Besonderes
78
Gewicht muss auf den Sektoren Energie, Verkehr,
Landwirtschaft und Fischerei liegen, weil sie
umweltpolitisch gesehen die schwierigsten Bereiche
sind.
Bei der künftigen Agrarreform müssen wir uns an
nachhaltigeren Verfahren orientieren, und bei den neuen
Instrumenten der Entwicklung der Umweltsituation
muss eine klare Ausrichtung der Subventionspolitik der
EU auf den Umweltaspekt erfolgen. Der Widerspruch,
den es derzeit bei den Subventionen hinsichtlich des
Umweltaspekts gibt, muss überwunden wird. Es muss
eine Liste der Subventionen mit umweltbelastenden
Auswirkungen
erarbeitet
werden,
und
diese
Subventionen müssen spätestens 2010 eingestellt
werden. Das Geld ist ohnehin ein guter
Unternehmensberater, und in diesem Sinn müssen zum
Beispiel auch die Umweltsteuern entwickelt werden. Ich
freue mich, dass wir in diesem Haus weitgehend
Einigkeit darüber erzielen konnten, auch auf
Gemeinschaftsebene die Umweltsteuer zu entwickeln.
Für die zentralen Umweltprobleme müssen qualitative
und quantitative Ziele und Zeitpläne aufgestellt werden.
Dabei handelt es sich um eine sehr strittige Frage, die
Kommission befürwortet das nicht, auch im Rat gibt es
Vorbehalte. Ich persönlich bin der Auffassung, dass es
in einem Programm wie diesem besonders wichtig ist,
die Forderungen zu verstehen, die an die
Entscheidungsfindung hinsichtlich des Umweltaspekts
gestellt werden. Wenn die Ziele gesetzt und vernünftig
gegliedert
werden,
kann
der
politische
Entscheidungsträger verstehen, was die Stunde
geschlagen hat, welche Beschlüsse in dieser Situation
gefasst werden müssen. Meines Erachtens werden diese
Ziele insbesondere als Lenkungsinstrumente gebraucht.
Die Kommission schlägt thematische Strategien vor,
durch die die Umweltpolitik der Zukunft dann gesteuert
wird. Die Kommission schlägt das Sechste
Umweltaktionsprogramm vor, das Parlament hat die
stadtthematische Initiative eingebracht, und das traf auf
eine recht weitgehende Zustimmung. Über die
thematischen Strategien muss im Verfahren der
Mitentscheidung abgestimmt werden. Meines Erachtens
ist das ganz klar, weil durch sie die Umweltpolitik
zentral gesteuert wird.
Ich habe gesagt, dass es sehr wenige Änderungsanträge
gibt, auf einen aber möchte ich kurz eingehen. Es
handelt sich um einen Änderungsantrag der Liberalen
und Demokratischen Partei Europas über die Ablehnung
des Gemeinsamen Standpunkts. Meiner Meinung nach
bringt das die Sache nicht weiter und ich verstehe seinen
Inhalt auch nicht; nur durch die Verbesserung des
Gemeinsamen Standpunkts können wir Verbesserungen
in der europäischen Umweltpolitik herbeiführen.
3-187
González Álvarez (GUE/NGL). – (ES) Herr Präsident,
zunächst möchte ich der Berichterstatterin dafür danken,
dass sie in einer ersten Lesung die Bedenken des
Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments
16/01/2002
berücksichtigt hat. Angesichts der täglichen Praxis
dieses Petitionsausschusses konnte es sich bei diesen
Bedenken nur um solche handeln, die sich auf die
Einhaltung der Gesetzgebung beziehen und in einige
Änderungsanträge der Berichterstatterin und einige
Kompromissänderungsanträge aufgenommen wurden.
Sämtliche Politiken sind als zur Umweltpolitik gehörig
zu betrachten (wie es in einigen Änderungsanträgen
berücksichtigt wurde). Die Beteiligung und Information
der Öffentlichkeit ist notwendig (wie es ebenfalls in
einigen Änderungsanträgen berücksichtigt wurde).
Als Bürgerin einer kleinen Bergwerksregion in Asturien
verhehle ich nicht, dass ich – ich persönlich, nicht meine
Fraktion – einige Schwierigkeiten mit dem
Änderungsantrag habe, in dem von einem Zeitplan für
die Einstellung von Subventionen für Projekte mit
schädlichen Umweltauswirkungen die Rede ist. Im
Allgemeinen habe ich damit keine Schwierigkeiten, im
Konkreten aber schon: In der Region, in der ich lebe,
führten Umstrukturierungen zum Verlust von mehr als
30 000 Arbeitsplätzen. Daher habe ich so meine
Schwierigkeiten mit solchen Änderungsanträgen. Mit
den übrigen Änderungsanträgen sind wir vollkommen
einverstanden.
Wir pflichten auch einigen Kollegen bei – sicher wird
mein Kollege Jonas Sjöstedt dasselbe sagen –, dass
dieser letztgenannte Vorschlag nicht im Parlament
entstand. Über diesen Vorschlag ist debattiert worden,
über ihn hat man sich mit allen anderen Fraktionen
geeinigt, über ihn hat sich die Berichterstatterin mit der
Kommission und dem Rat geeinigt, alles, um schließlich
zu diesem uns hier vorliegenden endgültigen Vorschlag
zu gelangen. Daher stimme ich auch der
Berichterstatterin zu, dass wir den Änderungsantrag der
Liberalen Partei, der die Rücküberweisung des
Vorschlags vorsieht, nicht akzeptieren können und
gegen ihn stimmen werden.
Herr Präsident, der Vorschlag ist unerlässlich. Das
Fünfte
Umweltaktionsprogramm
ist
bereits
abgeschlossen. Die Europäische Union braucht für die
nächsten Jahre eine klare Strategie mit Verpflichtungen
und konkreten Zeitplänen, und mir scheint, dass dieses
ein klarer Vorschlag mit Verpflichtungen und konkreten
Zeitplänen sein kann, den es umzusetzen gilt.
3-188
Gutiérrez-Cortines (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident,
ich freue mich, sagen zu können, dass die Parteien in
dieser zweiten Lesung daran gearbeitet haben, ihre
Positionen einander anzunähern. Und da schon der Rat
und die Kommission Anstrengungen unternommen
haben, die zahlreichen Änderungsanträge unserer ersten
Lesung zu billigen, können wir jetzt wohl sagen, dass
die Bemühungen um Meinungsfindung und die
Annäherung an gemeinsame Positionen vom Parlament
ausgingen. In diesem Sinne möchte ich die Rolle von
Frau Myller hervorheben.
Wir glauben, dass es sich um ein durchdachtes
Programm handelt, mit dem die Kommission arbeiten
16/01/2002
kann, das den Erlass von Gesetzen gestattet und den
Ländern ermöglicht, sich im Rahmen durchführbarer
Programme zu bewegen. Daher sind wir der Meinung,
dass wir das Programm unterstützen müssen. Es ist der
geeignete Rahmen, um die Entwicklung der Völker
Europas mit der Schwerpunktpolitik einer nachhaltigen
Entwicklung zu verbinden, und das ist, denke ich,
ausreichend. Wenn es so geschieht, muss bei der
Vermittlung klar sein, dass bestimmte Bereiche der
Subsidiarität unterliegen.
Ich will auch über Grundsätze sprechen. Das Streben,
alle Maßnahmen zu verallgemeinern und alle Länder auf
eine einheitliche Politik festzulegen, widerspricht dem
Grundsatz der Nachhaltigkeit und entspringt der
Globalisierungsmentalität. Es ist sehr leicht, gegen die
Globalisierung zu Felde zu ziehen, wenn von der
Wirtschaft die Rede ist, und es nicht Globalisierung
nennen zu wollen, wenn alle Welt den gleichen Anzug
tragen soll. Bei der Nachhaltigkeit wird den sozialen
Grundsätzen, der technologischen Durchführbarkeit und
dem Umfeld, in dem die Maßnahmen Anwendung
finden, sehr viel Bedeutung beigemessen. Oberster
Grundsatz der Nachhaltigkeit ist die Fähigkeit, die
allgemeinen Grundsätze mit dem Maßanzug zu
verbinden, wie ihn für jedes Volk, jede Gegend, jedes
Klima und jedes Umfeld benötigt.
Wir müssen souverän genug sein, den Regierenden
Freiräume zuzugestehen, damit sie ihre Maßanzüge
fertigen und ihr Modell – auf das wir nicht verzichten –
den Maßnahmen anpassen können.
Andererseits treten wir hier für eine wissenschaftliche
Politik ein und denken, dass in diesem Fall die Funktion
der Volkspartei und des Parlaments darin besteht, den
Rat und die Kommission zu unterstützen, denn die
Mitentscheidung ist nicht nur ein Recht des Parlaments,
sondern sie stellt gleichzeitig eine Verpflichtung dar, die
Regierenden zu unterstützen. Wir respektieren daher
zum Beispiel die Abschlussfristen für all jene
Übereinkommen, die die Kommission und der Rat mit
anderen europäischen Ländern zu schließen haben. Man
muss diese Politik, die sie so manche Mühe gekostet hat,
redlich unterstützen.
Wir unterstützen die themengebundenen Strategien und
eine wissenschaftlichere Politik, weil dies eben die
Anpassung an die Sachlage, die Situation der Länder
und den jeweiligen Sektor und das eigentliche Problem
voraussetzt. Es ist zu untersuchen, ob entsprechend
angepasste Technologien existieren oder nicht, ob
anwendbare Technologien zur Verfügung stehen oder
nicht, denn oft können die Technologien aufgrund des
Klimas, der Bedingungen, der Unternehmensgröße etc.
unterschiedlich sein. Aber die Ergebnisse müssen gleich
sein.
Wir unterstützen daher den wissenschaftlichen Charakter
und die Untersuchung der wirtschaftlichen und sozialen
Auswirkungen, die das Programm haben wird, denn
wenn es keine sozialen Grundsätze gibt, gibt es keine
Nachhaltigkeit. Genau deswegen sind wir nicht für eine
79
bloße Revision der Subventionen, das heißt, dass man
ein Zeitlimit für jedwede Subvention setzt, insbesondere
für bestimmte Sektoren, die aufgrund von Maßnahmen
schließen mussten, die von der Kommission diktiert
wurden. Die Kommission hat ihnen Gesetze
aufgezwungen – wie im Kohlesektor geschehen –, und
jetzt stehen sie vor dem Problem, dass auf sie strengere
Kriterien angewendet werden als auf andere.
Definieren wir zunächst die Kriterien für die negativen
Subventionen, und tragen wir dem Umstand Rechnung,
dass fünf Jahre nicht für die Erholung einer Generation
oder die Regeneration betroffener Gebiete ausreichen.
Zudem lehnen wir das Substitutionsprinzip ab, weil es
keine Garantien für die Industrie, die Bürger oder die
Gesellschaft bietet und eine sehr freie Auslegung seitens
bestimmter Sektoren, bestimmter Länder oder
bestimmter Beamter oder Experten ermöglicht, sodass
Maßnahmen getroffen werden können, die der
Gesellschaft schaden und keine Rechtsgarantie haben.
Und der Grundsatz der Rechtsgarantie kennzeichnet
einen Rechtsstaat.
Ich hoffe, dass die Vermittlung gelingt.
3-189
Hulthén (PSE).  (SV) Herr Präsident! Ich möchte Frau
Myller danken, die sich über einen langen Zeitraum mit
diesem Umweltaktionsprogramm beschäftigt und mit
starker Hand dafür gesorgt hat, dass wir es in den Griff
bekommen. Es ist schön zu wissen, dass jetzt endlich der
Zeitpunkt gekommen ist, an dem wir zum Sechsten
Umweltaktionsprogramm Stellung nehmen können.
Im Hinblick darauf ist es vielleicht gar nicht so
verwunderlich, dass viele von uns sich ein Programm
mit einer höheren Qualität wünschen, oder sich
gewünscht hätten, und viele enttäuscht darüber sind,
dass es unsere Erwartungen nicht ganz erfüllt hat.
Gleichzeitig empfinden wir aber vielleicht auch eine Art
Frustration über die ungerechte Machtverteilung, die wir
manchmal zwischen den Institutionen der Union zu
sehen glauben und die wir gerade im Fall des Sechsten
Umweltaktionsprogramms irgendwie demonstrieren
wollen.
Ich wünschte mir jedoch, die Liberalen und alle anderen,
die in diesen Bahnen denken, würden sich zügeln und
ihre Frustration im Zaum halten. Lassen Sie uns
zwischen
Politik
und
Entscheidungsprozess
unterscheiden und unser Mandat erfüllen. Lassen sie uns
das erfolgreich tun und die institutionellen und
konstitutionellen Streitigkeiten woanders austragen und
nicht
hier
bei
der
Arbeit
am
Sechsten
Umweltaktionsprogramm.
Wir wollen uns darauf konzentrieren, was das Sechste
Umweltaktionsprogramm ist und wozu wir es nutzen
können, nämlich als Schwerpunkt in der Politik der
gesamten Union, in der Umweltpolitik, aber auch in
anderen Bereichen. Ferner stellt es eine grundlegende
Säule für die gesamte Strategie der nachhaltigen
80
Entwicklung dar, mit der wir im September dieses Jahres
gemeinsam nach Johannesburg fahren werden. Es gibt
also keinen Grund, dieses Dokument abzulehnen. Daher
müssen wir es heute annehmen.
Zu
der
von
Frau
Myller
aufgeworfenen
Umweltbesteuerung auf europäischer Ebene möchte ich
einen kürzlich in Schweden veröffentlichten Bericht
nennen, demzufolge der starke Rückgang der für die
Klimaveränderungen verantwortlichen Gase eine Folge
der CO2-Besteuerung ist. Das liefert uns ein weiteres
Argument für unsere gemeinsame Überzeugungsarbeit
mit der Kommission, damit der Rat endlich begreift,
dass die Zeit für eine Umweltbesteuerung auf
europäischer Ebene – nicht zuletzt auch für das CO2 –
reif ist.
16/01/2002
Schwerpunkte, nämlich unseres Erachtens Themen wie
Klimaänderung, Energie, Abfall und biologische
Vielfalt. Sodann hätte das Programm wesentlich
konziser sein und durch eine weitaus größere Kohärenz
und Weitsicht gekennzeichnet sein müssen. Unseres
Erachtens ist der Rat nicht mehr anders zu bezeichnen
als ein Kaiser ohne Kleider. Bei flüchtigem Hinsehen
mag er ja ganz passabel erscheinen, bei genauerem
Betrachten hält er den kritischen Blicken jedoch nicht
stand.
Werte Kolleginnen und Kollegen, das ist keine Strategie,
es ist sogar weniger als die durch eine Büroklammer
zusammengeheftete bestehende Politik. Deshalb handelt
es sich hier um einen Rückschritt. Aus diesem Grund
schlagen wir die vollständige Ablehnung des jetzt
vorliegenden Vorschlags vor.
3-190
Maaten (ELDR). – (NL) Herr Präsident! Im Mai letzten
Jahres hatten wir die erste Aussprache über das Sechste
Umweltaktionsprogramm der Kommission. Seinerzeit
hatten
wir
als
ELDR-Fraktion
den
Kommissionsvorschlag heftig kritisiert. Er war unseres
Erachtens viel zu umfangreich, und es wurden darin
keine präzisen Schwerpunkte gesetzt. Zugleich stellten
wir uns die Frage, ob ein Zehnjahresprogramm wirklich
noch zeitgemäß ist.
Inzwischen sind acht Monate vergangen und haben die
Kommission, der Rat sowie der Ausschuss für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik
des Parlaments ihre Stellungnahmen zu dem Vorschlag
abgegeben. War das Urteil zufrieden stellend, und ist
man weiter vorangekommen? Nein, leider keines von
beidem. Der Vorschlag, wie er seinerzeit vorlag, ist
mittlerweile vollständig verwässert worden. Der
Standpunkt des Rates, Herr Präsident, ist in jeder
Hinsicht zutiefst enttäuschend. Das letzte Mal hatte ich
noch von einem Weihnachtsbaum mit einer Fülle von
Vorschlägen gesprochen, durch die der gesamte Text an
Wert eingebüßt hat.
Das heutige Programm erscheint eher als eine leere
Verpackung denn als ein Christbaum. Während die
Form gerade noch präsentabel ist, ist der Inhalt jedoch
völlig unzulänglich. Ich kann Ihnen sogleich die Gründe
dafür nennen. Unsere Berichterstatterin, Frau Myller, hat
ganz vorzügliche Arbeit verrichtet, und die Frau
Kommissarin hat ihr Bestes getan, das Programm zu
präzisieren und die Wünsche dieses Parlaments stärker
zu berücksichtigen. Der Rat hat jedoch jegliche
substanzielle Verbesserung des Vorschlags vereitelt. Die
Vorstellung, dass wir, wenn wir als Parlament für die
heutige Fassung des Programms stimmen, eigentlich
ganz zum Ausgangspunkt zurückgekehrt sind, und dies
nach zweijähriger harter Arbeit der Kommission und des
Parlaments, ist bestürzend. Ist dies dem europäischen
Bürger noch zu vermitteln? Für ihn ist die Umwelt doch
etwas Wichtiges! Und all die hervorragende Arbeit, die
geleistet wurde, ist jetzt vom Rat zunichte gemacht
worden.
Was wäre denn erforderlich gewesen? Meine Fraktion
vermisst bei dem ganzen Projekt inhaltliche
3-191
Schörling (Verts/ALE).  (SV) Herr Präsident! Bei der
Arbeit
an
Umweltfragen
und
verschiedenen
Maßnahmen, Programmen, Konventionen usw. auf
diesem Gebiet kann man oftmals erstaunt und
ungeduldig reagieren, wenn man sieht, wie langsam es
vorangeht und wie schwer es ist, die Formulierung und
Umsetzung der Ziele für den Umwelt- und
Gesundheitsschutz zu konkretisieren. So war es auch
beim Sechsten Umweltaktionsprogramm. Anfangs war
nicht sicher, ob wir überhaupt ein Aktionsprogramm
bekommen würden. Als wir dann den Vorschlag der
Kommission sahen, fanden wir ihn sehr schwach, da er
weder qualitative und quantitative Ziele noch Zeitpläne
enthielt. Wenn ein Umweltaktionsprogramm jedoch
überhaupt Sinn machen soll, muss es notwendigerweise
Umweltziele festlegen. Die Berichterstatterin, Frau
Myller, und der Umweltausschuss haben wirklich
versucht, das Sechste Umweltaktionsprogramm zu
verbessern. Dafür möchte ich der Berichterstatterin
danken, ebenso wie den anderen Kollegen für die gute
Zusammenarbeit.
Wenn wir nun Stellung nehmen zum Standpunkt des
Rates bei der zweiten Lesung, können wir konstatieren,
dass er viele der vom Parlament eingereichten
Änderungsanträge aufgegriffen hat. Was allerdings die
Konkretisierung von Fristen usw. betrifft, so geht es
noch immer sehr langsam voran. Das müssen wir
ändern, indem wir jetzt für die Änderungsanträge des
Ausschusses sowie die von mehreren Fraktionen
vorgelegten Kompromissänderungsanträge stimmen.
Das übergreifende Ziel des Programms besteht ja u. a.
darin, die zwangsläufige Verbindung zwischen
Wirtschaftswachstum
und
zunehmender
Umweltbelastung zu durchbrechen. Bisher wurden die
erreichten Verbesserungen stets von wachsender
Produktion und Konsumtion zunichte gemacht. Ein
weiterer übergreifender Grundsatz ist die Schaffung der
Grundlage und das Festlegen der Prioritäten für eine
nachhaltige Entwicklung sowie die Anwendung des
Vorsorge- und Substitutionsprinzips. Um das zu
ermöglichen, möchte ich allen Abgeordneten empfehlen,
für Änderungsantrag 44 zu stimmen, demzufolge bis
16/01/2002
spätestens 2003 zu untersuchen ist, welche EU-Beihilfen
in die entgegengesetzte Richtung führen, d. h. negative
Umweltauswirkungen haben, und das Datum ihrer
Abschaffung festgelegt werden muss.
Was Chemikalien und Pestizide betrifft, so halte ich alle
diesbezüglich vorgelegten Änderungsanträge für positiv.
Der Europäische Rat der Verbände der Chemischen
Industrie, Cefic, hat erklärt, die Änderungsanträge
würden nicht mit dem Bericht zur Chemikalienstrategie
übereinstimmen. Das ist, so möchte ich behaupten,
völlig aus der Luft gegriffen und ich halte es für
unglücklich, dass hier eine so unvollständige und
einseitige Analyse vorgenommen wurde. Als
Berichterstatterin zum Weißbuch kann ich Ihnen
versichern, dass diese Änderungsanträge gut sind und
das Sechste Umweltaktionsprogramm stärken.
Was den Vorschlag der ELDR-Fraktion betrifft, so
hätten wir uns, ebenso wie Frau Hulthén, gewünscht,
dass das Programm wirksamer wäre und wir mehr hätten
durchsetzen können. Aber nun haben wir also den
vorliegenden Entwurf. Es gibt so viel zu tun und in
diesen Institutionen müssen wir uns über vieles einig
werden. Darum möchte ich den Vorschlag der Liberalen
entschieden zurückweisen und an alle appellieren, für
den Vorschlag des Umweltausschusses sowie die
vorgelegten Kompromissänderungsanträge zu stimmen.
3-192
Sjöstedt (GUE/NGL).  (SV) Herr Präsident! Ich
möchte zunächst auf den Vorschlag der ELDR-Fraktion
eingehen, die die Ablehnung des Gemeinsamen
Standpunktes fordert. Dies können wir nicht
unterstützen, da wir es für unverantwortlich halten,
keinen
Beschluss
zum
Sechsten
Umweltaktionsprogramm zu fassen.
Mir wäre ein weiter gehender Vorschlag auch lieber
gewesen, denn der ursprüngliche Entwurf war äußerst
schwach und vage. Tatsache ist jedoch, dass ein Teil der
Änderungsanträge des Parlaments in den Gemeinsamen
Standpunkt aufgenommen worden sind und wir daher
morgen die Möglichkeit haben, eine Reihe der von uns
angestrebten qualitativen Ziele und Fristen einzufügen.
Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen.
Wir müssen diesen Vorschlag in seinem Zusammenhang
sehen.
Während
der
Laufzeit
dieses
Umweltaktionsprogramms wird die Europäische Union
um eine große Anzahl neuer Länder erweitert werden.
Das kann zu einer Reihe von Problemen auch im
Umweltbereich führen. So kann die Umweltarbeit an
Geschwindigkeit verlieren und die Einführung neuer
Umweltvorschriften erschwert werden. Dann ohne ein
Umweltaktionsprogramm dazustehen, wäre nicht
besonders klug. Um bei der Erweiterung nicht an Tempo
in der Umweltarbeit zu verlieren, ist es gut, ein
Programm mit Zeitplänen und konkreten Zielen zu
haben, an das man sich dann halten kann.
Meine Fraktion wird sowohl für den Vorschlag des
Ausschusses als auch für alle während der
81
Verhandlungen
erarbeiteten
Kompromissänderungsanträge stimmen. Wir halten sie
nicht für perfekt, aber für annehmbar.
Lassen Sie mich besonders auf Änderungsantrag 10
verweisen, der meines Erachtens wichtig ist und in dem
es um die Europäische Investitionsbank geht. Viele der
Ausschussmitglieder haben gegen diesen Antrag
gestimmt, was für mich unbegreiflich ist, da er den
eigentlichen Kernpunkt der Einbeziehung des
Umweltgedankens in andere Politikbereiche berührt. Im
Falle der Europäischen Investitionsbank ist dies bisher
nicht gelungen. Die im Änderungsantrag erhobene
Forderung nach Einhaltung des Umweltrechts sollte
selbstverständlich sein. Deshalb ist es so wichtig, in
dieser Frage eine deutliche Botschaft zu vermitteln. Das
gilt auch für die Chemikalienpolitik, bei der wir
ebenfalls eine handfeste Formulierung haben wollen.
3-193
Hyland (UEN). – (EN) Herr Präsident! Nicht zum ersten
Mal habe ich in diesem Haus Gelegenheit, meine
Besorgnis hinsichtlich der Sicherheit von Kernanlagen
zum Ausdruck zu bringen, insbesondere solcher
Anlagen, die nachgewiesenermaßen schlecht geführt
werden und damit das Leben und die Gesundheit von
Millionen Bürgern gefährden. Die von der britischen
Regierung
betriebene
Wiederaufbereitungsanlage
Sellafield ist ein solches Beispiel. Das ist nicht nur
meine Auffassung: die lange Liste schwerer
Managementfehler und ernsthafter technischer Mängel
ist allgemein bekannt, obwohl versucht worden ist, sie
vor der Öffentlichkeit zu verbergen.
Es ist unfassbar, dass die britische Regierung versucht,
nicht nur die Weiternutzung der Anlage Sellafield in
ihrem gegenwärtigen, gefährlichen Zustand zu
rechtfertigen, sondern deren Tätigkeit auch noch auf die
Wiederaufarbeitung von MOX-Brennstäben ausdehnen
möchte. Da diese gefährliche Anlage Irland näher ist als
den meisten Teilen des britischen Festlands, hat die
irische Regierung erneut ernsthafte Bedenken gegen
ihren weiteren Betrieb angemeldet.
Aus den Protokollen des Parlaments geht hervor, dass
ich die Kommission bereits aufgefordert habe, ihre
Befugnisse gemäß Artikel 35 des Euratomvertrags
hinsichtlich der Prüfung der Kernanlage Sellafield
wahrzunehmen. Auf Anfragen meiner Fraktion hat die
Kommission unlängst bestätigt, dass die letzte Prüfung
dieser Art 1993 stattgefunden hat, also vor fast einem
Jahrzehnt. Wie kann die Kommission ihr Schweigen und
ihre Untätigkeit in einer Frage rechtfertigen, die in der
Öffentlichkeit auf so große Besorgnis trifft, wie die
Häufigkeit beweist, mit der diese Frage im Parlament
von allen politischen Fraktionen angesprochen worden
ist? Ich fordere die Kommission auf, unverzüglich eine
Untersuchung aller Aktivitäten auf dem Gelände in
Cumbria einzuleiten, und bitte die Frau Kommissarin,
dies im Rahmen ihrer Antwort zuzusichern.
3-194
Bernié (EDD). – (FR) Herr Präsident, unter
Zusammenfassung mehrerer sektoraler Richtlinien wie
82
der zum Klimawandel oder zur Abfallwirtschaft will die
Kommission
ein
innovatives
Programm
zur
Verbesserung
der
Umwelt
aufstellen,
doch
herausgekommen ist ein einziges Wirrwarr, das für den
Bürger unverständlich ist. Der Rat war zu einem
vernünftigeren Standpunkt zurückgekehrt, indem er
weder einen Zeitplan noch verbindliche bezifferte Ziele
festlegte. Was wünscht dann die Berichterstatterin noch?
Ist es z. B. sinnvoll, den Grundsatz der Substitution
einführen zu wollen, zu dem es bisher keinerlei
politische oder rechtliche Definition gibt?
Es stellen sich auch Fragen zu den Umweltstraftaten, zur
Ökosteuer und zu den Rechtsvorschriften über die
Umwelthaftung. Bei den chemischen Stoffen müsste auf
Übereinstimmung mit der Entschließung vom November
letzten Jahres geachtet werden. Diese grundlegenden
Fragen für das Wirtschaftsgefüge können nicht auf die
Schnelle im Rahmen dieses Berichts behandelt werden.
Beunruhigt bin ich auch über den Stellenwert, der der
Artenvielfalt eingeräumt wird, sowie über die kaum zu
lösende Aufgabe der Einrichtung des Natura-2000Netzes in Frankreich und in anderen Ländern.
Auch hier ist der gewählte Ansatz nicht der richtige, und
es gibt Alternativlösungen. Deshalb werden wir für den
Antrag auf generelle Ablehnung stimmen. Wir sollten
realistisch und pragmatisch bleiben und uns an die
Grundziele des Sechsten Umweltaktionsprogramms
halten: Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus unter
Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips und der
Unterschiedlichkeit der einzelnen Regionen der
Gemeinschaft. Dies ist meiner Meinung nach bereits
eine bedeutsame Aufgabe.
3-195
Jackson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich hoffe,
wir können zu einer Einigung über das Sechste
Umweltaktionsprogramm gelangen, am besten ohne
Vermittlung. Ich möchte Frau Myller im Namen des
Ausschusses für die von ihr geleistete umfangreiche
Arbeit bei der Erstellung dieses Berichts danken. Die
Betonung liegt dabei auf dem Umfang der geleisteten
Arbeit, denn viele ihrer Schlussfolgerungen kann ich
nicht teilen. Wir haben uns jedoch so ausführlich mit
dieser Angelegenheit beschäftigt, dass es wahrscheinlich
nichts bringen würde, das Ganze noch weiter
auszudehnen, um dann schließlich spät in der Nacht in
Brüssel das Vermittlungsverfahren in all seiner
reizvollen Länge zu durchlaufen.
16/01/2002
Die chemische Industrie bekommt die Rolle des
Schurken zugeteilt, und in den vom Ausschuss dem
Parlament
zur
Abstimmung
vorgelegten
Änderungsanträgen taucht das viel strapazierte
Substitutionsprinzip wieder auf. Änderungsantrag 1 –
und in bestimmtem Umfange auch Änderungsantrag 30
–
liegt
die
Vermutung
zugrunde,
das
Substitutionsprinzip läge als umfassendes Konzept vor.
Dies ist aber nicht der Fall. Es ist vielmehr eine
Mischung aus von der grünen Bewegung zu einem
universellen Allheilmittel hochstilisierten Annahmen
und Verdächtigungen. In den Änderungsanträgen wird
dies als voll ausgearbeitetes Konzept hingestellt. Doch
wir sollten wenigstens konsequent sein. In dem vor
einigen Monaten verabschiedeten Schörling-Bericht
wurde die Kommission aufgefordert, eine Definition des
Substitutionsprinzips vorzulegen, deshalb können wir
kaum so tun, als läge diese bereits vor.
Brauchen wir ein Sechstes Umweltaktionsprogramm
überhaupt? Ich teile den Zynismus und die Verzweiflung
einiger Abgeordneter der ELDR-Fraktion nicht. Eine Art
Fahrplan oder eine Checkliste sind stets hilfreich und
wünschenswert. Die Kommission hat vielleicht aus
früheren Fehlern gelernt, wenn sie die Idee eines
Programms so stark in den Vordergrund stellt. Die
Kommissarin hätte gern ein schlankes Programm gehabt,
nun ist es doch wieder sehr umfangreich geworden!
Darüber hinaus bedaure ich – und vielleicht geht es ihr
ja ganz genauso – dass das Programm dem vollen
Mitentscheidungsverfahren unterworfen wurde, weil das
den Vorgang auf jeden Fall in die Länge gezogen hat,
ohne seiner Substanz etwas hinzuzufügen. Für mich ist
die Konzentration auf eine bessere Durchführung das
wichtigste am Umweltaktionsprogramm. Früher wollten
wir ein Aktionsprogramm, um damit Druck auf den Rat
auszuüben, Rechtsvorlagen zuzustimmen. Inzwischen ist
es eher so, dass der Rat Rechtsvorlagen zustimmt und
dann kaum etwas dafür tut.
Wenn es keine bessere Durchführung gibt, machen wir
den Menschen in Europa etwas vor und sie glauben
dann, alles würde immer besser, um eine alte
Behauptung der Labourpartei aufzugreifen. Weder bei
uns im Vereinigten Königreich noch hier wird alles
immer besser. Behauptungen sind schnell gesagt, doch
zu oft mangelt es an der Umsetzung, aber genau dafür
müssen wir uns stark machen.
3-196
Die vom Ausschuss und von der Berichterstatterin
vorgelegten Änderungsanträge bringen insgesamt kaum
inhaltliche Verbesserungen, und wo dies der Fall ist,
würden die Ergebnisse die Aussichten des
Umweltaktionsprogramms auf Erfolg wahrscheinlich
nur schmälern. Ich erwähne hier nur Änderungsantrag
11, der bereits überholt ist.
Wie Herr Bernié möchte auch ich kritisch anmerken,
dass die Berichterstatterin in erheblichem Maße einen
bestimmten Jargon pflegt. Da werden alte Schlachtrösser
hervorgeholt und noch einmal in den Ring geschickt.
Bowe (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe eine Rede
vorbereitet, aber ich muss zugeben, Frau Jackson hat
mich veranlasst, darüber nachzudenken, wie ab einem
bestimmten Alter alles immer besser wird. Gewiss hat
Frau Jackson dieses Alter erreicht und meint nun, früher
sei alles besser gewesen als jetzt.
Wie Frau Jackson möchte auch ich der Berichterstatterin
für ihre gute Arbeit danken. Dieses Dokument hat die
Annahme verdient, aber es hätte noch größere
Zustimmung verdient, wenn eine größere Zahl von
16/01/2002
Änderungsanträgen
worden wäre.
83
des
Parlaments
aufgenommen
Zu den Problemfeldern Umgang mit Chemikalien,
Bewahrung der Artenvielfalt, Klimaänderung, Verkehr
und Schutz der Luft- und Wassergüte liegen eindeutige
und lohnende Vorschläge vor, auf die in der Vermittlung
aufgebaut werden kann.
Die Änderungsanträge des Parlaments enthalten
ernsthafte und vernünftige Vorschläge zur Steuerpolitik.
Die Einführung einer wie auch immer gearteten
europaweiten Umweltsteuer zum gegenwärtigen
Zeitpunkt muss jedoch genauer durchdacht werden. Im
Moment würde das so wirken, als versuchte man, mit
einem
Vorschlaghammer
eine
Reihe
ganz
unterschiedlicher Nüsse zu knacken, was – wie ich
meine – nur von sehr geringem Erfolg gekrönt wäre.
Wir müssen jetzt als Parlament zusammenstehen und
morgen früh den nächsten Schritt auf dem Weg zur
Vermittlung tun, bei der wir zusammenarbeiten müssen,
um einen gemeinsamen Standpunkt zu finden, wie wir
die Umwelt unseres gemeinsamen europäischen Hauses
schützen und für künftige Generationen bewahren
können. Ich sehe diesem nächsten Schritt morgen früh und der Unterstützung durch die Christdemokraten - mit
Freude entgegen.
3-197
de Roo (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident! Ich möchte
Frau Myller danken. Sie hat einen hervorragenden
Bericht durch den Ausschuss für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik durchgebracht.
Der Vorschlag des Rates ist, offen gesagt, schwach,
phantasielos, ohne konkrete Ziele und ein Wortbrei.
Meine Kritik richtet sich auch an die vier grünen
Minister, die zwar Fortschritte versprochen hatten, ihre
Versprechen aber nicht eingelöst haben.
Der jetzt vorliegende Vorschlag eignet sich auch nicht
als EU-Propagandamaterial für Jugendliche, wie Frau
Kommissarin Wallström vorgebracht hat. Deshalb
gehört er in den Papierkorb und wird die übergroße
Mehrheit meiner Fraktion den Änderungsantrag der
Liberalen, wonach der Gemeinsame Standpunkt
abgelehnt werden soll, unterstützen.
Die politische Entscheidung liegt jetzt bei den beiden
großen Fraktionen, den Christdemokraten und den
Sozialisten. Wenn sie gegen den Änderungsantrag
stimmen und ihn ablehnen, tragen sie auch die
Verantwortung für diesen substanz- und inhaltslosen
Brei.
Selbstverständlich werden die Grünen sämtliche
Verbesserungsvorschläge befürworten. Senkung der
Treibhausgasemissionen um 1 % pro Jahr, Zertifizierung
von Holz, für einwandfreies und nachhaltig erzeugtes
Holz, den Änderungsantrag, auf den die GUE/NGLFraktion
verwiesen
hat,
die
Europäische
Investitionsbank,
die
Chemiepolitik
mit
dem
Substitutionsprinzip. Dies ist, Frau Jackson, kein
Hirngespinst der Grünen, sondern die in Dänemark und
in Schweden bestehende Politik, und selbst die rechts
gerichtete neue dänische Regierung beabsichtigt nicht,
diese Politik zu ändern.
Die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für freiwillige
Vereinbarungen zwischen der Industrie und der
Europäischen
Kommission
stellt
zwar
einen
vernünftigen Vorschlag dar, doch habe ich geringe
Hoffnung, dass die betreffenden Änderungsanträge die
erforderlichen 314 Stimmen erhalten werden. Das
bedeutet, dass sich letztendlich die Beamten der
Europäischen Kommission durchsetzen werden,
dieselben Beamten, die vorgeschlagen haben, überhaupt
kein Sechstes Umweltaktionsprogramm vorzulegen.
Deshalb ist dies eine Niederlage für die Politik und auch
für
die
europäische
Umweltpolitik.
Die
Hauptverantwortung
dafür
liegt
bei
der
christdemokratischen Fraktion, deren Verhalten von
bestimmten Beamten der Europäischen Kommission
suggeriert wurde.
Noch ist es jedoch nicht zu spät. Morgen werden wir
abstimmen, und hoffentlich wird vielleicht ein Teil der
Christdemokraten Vernunft annehmen und bereit sein,
für einige der brauchbaren Änderungsanträge zu
votieren, so dass wir eventuell zu einem
Vermittlungsverfahren kommen werden, das noch einen
gewissen Inhalt hat und bei dem es nicht nur um einen
verbalen Brei geht.
3-198
Blokland (EDD). - (NL) Herr Präsident! Bereits seit den
70er Jahren ist es im Europäischen Parlament Usus, mit
Hilfe von Umweltaktionsprogrammen umweltpolitische
Weichenstellungen vorzunehmen. Damals war dies von
großer Bedeutung, denn wir mussten gleichsam bei Null
anfangen. Im weiteren Verlauf ist zwar viel erreicht
worden, doch jetzt beschleicht mich zunehmend ein
unbehagliches Gefühl. Bei der Evaluierung des Fünften
Umweltaktionsprogramms hat sich deutlich gezeigt, dass
wir in eine Sackgasse geraten sind. Die Zielsetzungen
des Fünften Umweltaktionsprogramms sind nicht
erreicht worden, u. a. deswegen, weil zahlreiche
Mitgliedstaaten Umweltgesetze nicht umgesetzt haben.
Da es uns nicht gelingt, ein Programm zu erstellen, das
gegenüber den Aktionen, die wir heute bereits auf dem
Gebiet der Umwelt durchführen, einen Mehrwert besitzt,
frage ich mich, ob wir die Umweltaktionsprogramme
fortsetzen sollen. Deshalb werde ich auch den
Änderungsantrag von Herrn Maaten, wonach der
Gemeinsame Standpunkt des Rates abgelehnt werden
soll, unterstützen. Dies ist keine Kritik an der
Berichterstatterin, Frau Myller, oder an der
Kommissarin, Frau Wallström, sondern es geht um die
Rolle des Rates
Herr Präsident, lassen Sie uns nun das Fünfte
Umweltaktionsprogramm
tatsächlich
fortsetzen.
Implementierung und Einhaltung der geltenden
Umweltrechtsvorschriften: Darauf kommt es an,
insbesondere
angesichts
der
bevorstehenden
Erweiterung.
84
3-199
16/01/2002
Santini (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ein für die
zweite Lesung empfohlener Gemeinsamer Standpunkt
könnte eine rein funktionale Etappe vermuten lassen, die
darauf abzielt, den Weg zur Umsetzung der Beschlüsse
frei zu machen. Diese Aussprache deutet jedoch, wie
auch von mehreren anderen Kollegen hervorgehoben
wurde, auf einige wesentliche Punkte hin, die noch zu
klären sind. Auch wenn der Rat die Mehrzahl der vom
Europäischen
Parlament
in
erster
Lesung
angenommenen Änderungsanträge übernommen hat,
fehlen in dem Sechsten Rahmenprogramm präzise
operative Fristen sowie konkretere Festlegungen zu den
strategischen Zielen. Wir dürfen nicht vergessen, dass
dieses Programm für einen Zeitraum von zehn Jahren
gelten soll; deshalb darf ganz bestimmt kein zeitlich und
inhaltlich ungenauer Fahrplan ersonnen werden.
wir das sicher oft zu kritisieren und zu verbessern, aber
zu sagen, es ist alles Unsinn, ist angesichts dieser
politischen Konstellation auch etwas schwierig.
Trotzdem müssen wir den Ratsvorschlag verbessern, ihn
aber nicht komplett ablehnen.
Insbesondere fordert das Europäische Parlament mit
seinen neuen Änderungsanträgen entschiedenere und
strengere Maßnahmen gegen die Gefahr der Pestizide,
was nicht nur für die gegenwärtigen Mitgliedstaaten der
Union, sondern auch für die Beitrittsländer gilt, sowie
ein
konsequenteres
Vorgehen
gegen
den
Treibhauseffekt, gegen die uns überall und zu jeder Zeit
begegnende überhandnehmende Lärmbelästigung und
die immer häufigeren, durch die Nachlässigkeit des
Menschen verursachten Umweltschäden, bei denen es
zunehmend schwieriger wird, die Verantwortlichen zu
ermitteln, sie ausfindig zu machen.
Nun hat der Ausschuss das Datum 2005 beschlossen.
Damit haben viele - nicht nur in unserer Fraktion Probleme. Deswegen gibt es da verschiedene
Kompromissvorschläge. Ich glaube aber, dass wir auf
jeden Fall einen Änderungsantrag beschließen müssen,
der strenger ist als das, was der Rat beschlossen hat. Wir
sollten auch andere ökonomische Instrumente, wie zum
Beispiel eine ökologische Steuerreform nicht ad acta
legen, sondern sie weiter verfolgen, und zwar auch auf
europäischer Ebene.
Weiterhin
zielen
die
Änderungsanträge
des
Europäischen Parlaments darauf ab, einige der bereits
genannten Vorschläge zu konkretisieren, die ich
lediglich anhand von mindestens vier Schwerpunkten,
d. h. vier prioritären Bereichen, zusammenfassen
möchte:
Klimawandel,
biologische
Vielfalt,
Zusammenhang zwischen Umwelt und menschlicher
Gesundheit
und
Abfallentsorgung.
Bei
so
lebenswichtigen Themen kann man gewiss nicht umhin,
noch präziser und noch verantwortungsbewusster zu
sein, noch darf man sie auf ferne Zeiten verschieben, wie
dies anscheinend der Rat tun will.
3-200
Liese (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen, sehr geehrte Frau Kommissarin! Ich
möchte der Berichterstatterin, Frau Myller, und auch den
Schattenberichterstattern,
insbesondere
der
Schattenberichterstatterin unserer Fraktion, für die
Arbeit an diesem Bericht danken. Ich glaube, dass weder
der Vorschlag der Kommission noch der Bericht, den
der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherschutz vorgelegt hat, wertlos sind.
Deswegen verstehe ich den Vorschlag der Liberalen und
der Grünen nicht ganz, den ganzen Vorschlag, den
ganzen Gemeinsamen Standpunkt abzulehnen. Ich
verstehe ihn auch deshalb nicht, weil, wenn ich das
richtig sehe, die Umweltminister in den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union ja nicht nur von
Christdemokraten gestellt werden, sondern in erster
Linie von Grünen, aber auch von liberalen
Sozialdemokraten
und
Mitgliedern
unserer
Parteienfamilie. Wenn der Rat etwas vorlegt, dann haben
Ich plädiere insbesondere dafür, dass wir eine strenge
Formulierung zu den umweltschädlichen Subventionen
finden. Die Formulierung des Rates ist mir zu schwach.
Ich glaube, wenn immer gesagt wird, Umweltschutz
kostet Geld, dann muss man sich erstens bewusst
machen, dass natürlich auch Umweltzerstörung und die
Folgen der Umweltzerstörung Geld kosten, dass es aber
noch schlimmer ist, wenn man für Umweltzerstörung
Subventionen, also Geld, ausgibt. Das ist eine sehr
wirksame Sparmöglichkeit. Deswegen unterstütze ich
die Idee des Subventionsabbaus nachdrücklich.
3-201
Wallström, Kommission.  (SV) Herr Präsident, sehr
geehrte Abgeordnete! Ein Vorschlag für ein neues
Umweltaktionsprogramm gleicht einer interessanten
Reise. Das Ganze war sehr lehrreich. Natürlich waren
Ihre freundlichen Worte, die Sie zumindest teilweise für
mich und auch die ausgezeichnete Berichterstatterin
gefunden haben, sehr ermutigend.
Vielleicht hätten wir bereits bei meinem Hearing ein
wenig näher auf die Erwartungen an das Sechste
Umweltaktionsprogramm eingehen und schon zu einem
früheren Zeitpunkt offene Fragen diskutieren sollen. Ich
kann nämlich in dieser Aussprache zahlreiche
abweichende und etwas widersprüchliche Wünsche
erkennen.
Wir verstehen, dass ein langfristigeres Programm
erforderlich sein kann, da Umweltprobleme oft erst nach
mehreren Jahren entstehen. Ferner brauchen wir eine
längere Planungszeit, um die richtigen Maßnahmen
ergreifen zu können. Andererseits wollen wir natürlich
auch gerne konkrete Ziele und Maßnahmen beschließen,
denn nur so können wir Druck auf die Mitgliedstaaten
ausüben. Aber wir können nicht nur glaubwürdige Ziele
für einen Zeitraum von zehn Jahren erarbeiten, sondern
es gibt auch noch übergreifende Ziele, die uns die
Richtung weisen und daher zweifelsohne von großer
Bedeutung sind. Gleichzeitig handelt es sich aber auch
um ein Maßnahmenprogramm, ein Aktionsprogramm,
und darauf haben wir uns konzentriert. Wir haben darin
aufgezeigt, wie wir die Ziele erreichen wollen, während
die konkreten Ziele und Fristen während der
Zehnjahresperiode in den jeweiligen spezifischen
16/01/2002
85
Strategien, den verschiedenen Gesetzesvorlagen und
sonstigen Vorschlägen festgelegt werden. Dieses
Programm sollte also nicht einfach eine Fortsetzung der
bisherigen Praxis, die weitere Ergänzung der bereits im
Fünften Umweltaktionsprogramm enthaltenen langen
Liste von Gesetzesvorlagen sein, zumal es, wie Frau
Jackson ganz richtig betont hat, bei der Umsetzung des
bisherigen Umweltaktionsprogramms zahlreiche Mängel
gegeben hat. Daran müssen wir arbeiten.
gehört auch die Forderung, dass aktive Partnerschaft und
Dialog sowie die neuesten wissenschaftlichen Daten die
Grundlage der Politik sein sollen. Wir müssen also die
vor uns stehenden Probleme und ihre mögliche Lösung
gründlich analysieren und uns gleichzeitig mit den
neuesten Forschungsergebnissen befassen, Indikatoren
nutzen usw. So machen wir Politik durch gediegene
Arbeit, was zudem der strategischen Ausrichtung dieses
Programms entspricht.
Es ist jedoch auch wichtig, die Punkte zu unterstreichen,
in denen wir uns einig sind. Das sind vor allem die
übergreifende Struktur und die Schwerpunkte. Wir
müssen den Mut haben zu betonen, dass diese vier
Fragen die wichtigsten sind. Ferner geht es um die
grundlegenden Prinzipien für die Umweltpolitik im
kommenden Zeitraum von zehn Jahren sowie die
Notwendigkeit von Konsultationen auf breiter Basis und
einer möglichst umfassenden Beteiligung an der
Beschlussfassung in Umweltfragen. Wir sind uns einig
darüber, welche Fragen besonders betont werden sollen.
Das sind die Klimaveränderungen, die Natur und die
biologische
Vielfalt,
der
Umweltund
Gesundheitsschutz sowie die Frage der Nutzung
natürlicher Ressourcen und die Abfallproblematik.
Ferner stimmen wir darin überein, dass die geltenden
Vorschriften vollständig in die Praxis umgesetzt werden
müssen, Umweltbelange in die übrigen Politikbereiche
zu integrieren sind und Gesetzgeber, Politiker und die
Öffentlichkeit
Zugang
zu
relevanten
Umweltinformationen haben müssen.
Daher ist es auch, wie bereits gesagt, sinnlos, mehr oder
weniger nach Gutdünken Ziele und Fristen in das
Programm aufzunehmen. Desgleichen möchte ich aber
ebenso eventuelle Missverständnisse vermeiden und
betonen, dass ich selbstverständlich die Festlegung
klarer Ziele und Zeitpläne befürworte. Diese werden
auch in unseren Vorschlägen enthalten sein und dann
vom Parlament und vom Rat diskutiert werden. Die
wenigen, bereits jetzt im Programm festgeschriebenen
übergreifenden Ziele sind allgemein anerkannt und so
sollte das ja auch sein.
Die Strategie für die kommenden zehn Jahre baut auf
dem Fünften Umweltaktionsprogramm auf, das
allerdings um eine Beschreibung der Veränderungen in
der Umweltpolitik und der zu meisternden
Herausforderungen
ergänzt
worden
ist.
Die
Umweltproblematik wird in hohem Maße von unseren
heutigen Lebensmustern, unseren Verbrauchs- und
Produktionsmustern sowie unserer Lebensweise als
Privatpersonen geprägt.
Das Umweltaktionsprogramm stellt eine große
Herausforderung dar. Ich bin mir dessen bewusst und
übernehme dafür die Verantwortung. Auch wenn es
dazu starke Kritik gab, halte ich es für richtig, neue
Dinge auszuprobieren und eine neue Struktur zu finden.
Für mich war es wichtig, ein Umweltaktionsprogramm
vorzulegen, das alle, und nicht nur die Fachleute,
erfüllen und bewerten können, wenn neue Vorschläge
eingereicht und Initiativen – wie beispielsweise kürzlich
beim Klimapaket – vorgelegt werden. Aus diesem
Grunde teile ich natürlich nicht die Auffassung, dass der
Gemeinsame Standpunkt des Rates abgelehnt werden
sollte. Nachdem wir nun so viel Arbeit investiert haben,
sollten wir jetzt auch versuchen, sie umzusetzen und
einander dabei nach bestem Vermögen unterstützen.
Der Umweltausschuss hat uns im Prinzip seine
ungeteilte
Befürwortung
der
allgemeinen
Verfahrensweise zur Entwicklung der zukünftigen
Umweltpolitik
ausgesprochen,
die
Teil
des
Gemeinsamen Standpunktes des Rates ist. Hierher
Natürlich kann ich auch den zusätzlichen Zielen
zustimmen, die von der Kommission in ihrer Mitteilung
über nachhaltige Entwicklung im Zusammenhang mit
dem Gipfel von Göteborg vorgeschlagen wurden, d. h.
den Änderungsanträgen 11, 15, 16 und 27, allerdings
unter der Voraussetzung, dass diese sich eng an unsere
Mitteilung halten. Nicht billigen kann ich hingegen, dass
andere Ziele in das Programm aufgenommen werden,
wie das bei den Änderungsanträgen 17, 24, 25, 26, 34
und 42 der Fall ist.
Ich freue mich ferner darüber, dass der Ausschuss die
Idee und den Vorschlag zu thematischen Strategien
sowie deren entworfenen Inhalt unterstützt. Er hat auch
einen Vorschlag zur Umweltqualität in den Städten
eingefügt, der in den Änderungsanträgen 32 und 33
enthalten und im Großen und Ganzen zu akzeptieren ist.
Damit besitzen wir eine stabile Plattform für ein
zukünftiges Agieren und eine Zusammenarbeit.
Das Problem besteht nur darin, dass der Vorschlag, die
Strategien sollten spätestens nach drei Jahren
umsetzungsbereit sein, mit der Forderung nach den
neuesten wissenschaftlichen Daten, einer Konsultation
und Beteiligung auf breiter Grundlage kollidiert. Wir
dürfen ebenfalls nicht vergessen, dass wir es hier mit
sieben thematischen Strategien zu tun haben. Zusammen
mit
Änderungsantrag
12,
der
ein
Mitentscheidungsverfahren für sämtliche thematischen
Strategien fordert, würde das bedeuten, dass die
Kommission alle diese Strategien spätestens zum
Jahresende vorlegen müsste, um den Zeitrahmen für ein
solches Verfahren einhalten zu können. Diese Frist
können wir vielleicht für die eine oder andere
thematische Strategie erfüllen, aber wohl kaum für alle.
Aus diesem Grunde möchte ich das Europäische
Parlament bitten, in dieser Frage nicht zu drakonisch
vorzugehen. Geben Sie uns die Möglichkeit, die
Strategien zu erarbeiten und ein optimal an die aktuellen
Probleme angepasstes Maßnahmenpaket vorzulegen.
Somit können wir die Änderungsanträge 12, 13 und 41
86
16/01/2002
nicht befürworten, aber wir werden das Europäische
Parlament über unsere Arbeit an den thematischen
Strategien auf dem Laufenden halten und zur Erfüllung
der Forderungen aus Änderungsantrag 14 jährlich dazu
mündlich Bericht erstatten.
Parlaments an den Tag legen wird, damit wir alle
gemeinsam – Kommission, Rat, Parlament und andere
Beteiligte – unsere Arbeit für die Erhaltung und
Verbesserung unserer Umwelt weiterführen können.
Vielen Dank für eine interessante Aussprache!
Ich muss dem Parlament mitteilen, dass ich die
Mehrzahl der Änderungsanträge bezüglich der
Chemikalien ablehne. Der springende Punkt dabei ist,
dass es keine vereinbarte Definition für das
Substitutionsprinzip gibt. Darum sollten wir es
genauestens prüfen, ehe wir es zu einem verbindlichen
Rechtsinstrument machen. Selbstverständlich bin ich der
Ansicht, dass dieses Prinzip eine wichtige Funktion
erfüllt, aber ehe es rechtsverbindlich wird, muss eine
solide Definition erarbeitet werden. Was den Antrag zur
Aufnahme von Daten über die Eigenschaften sämtlicher
Chemikalien auf dem Markt in das REACH-Register
sowie zur Kennzeichnung aller Produkte im Gegensatz
zu Stoffen und Zubereitungen betrifft, so kann ich nur
sagen, dass dies praktisch unmöglich ist. Prinzipiell
können wir jedoch Änderungsantrag 31 zur
Koordinierung der EG-Rechtsetzungstätigkeit im
Bereich Chemikalien und Pestizide befürworten, auch
wenn eine solche Koordinierung bereits erfolgt.
3-202
Die Frage der freiwilligen Verpflichtungen oder
Vereinbarungen betrachten wir als Teil einer
vorteilhaften Mischung verschiedener politischer Mittel,
so u. a. juristischer und finanzieller Instrumente. Laut
OECD existieren in den Mitgliedstaaten der
Gemeinschaft mehr als 300 Vereinbarungen, die sich
stark voneinander unterscheiden, da sie flexibel an
unterschiedliche Situationen und Ziele angepasst sind.
Die Kommission plant eine Mitteilung, in der die
Möglichkeiten dieses Instruments untersucht werden. Es
ist jedoch noch zu früh, die Gestaltung dieser
Vereinbarungen im Programm festzulegen, weshalb wir
die Änderungsanträge 9 und 40 ablehnen müssen.
Zahlreiche andere Fragen, wie z. B. die nachhaltige
Entwicklung und die Einbeziehung in andere
Politikbereiche, Maßnahmen, die die Steuerniveaus auf
europäischer Ebene berühren, Umweltkriminalität usw.
finden
seitens
der
Kommission
allgemeine
Unterstützung. Neben den bereits genannten kann die
Kommission auch die Änderungsanträge 2, 3, 4, 5, 6, 8,
18, 19, 21, 39 und 45 sowie Teile der Änderungsanträge
43, 46 und 47 unterstützen. Nicht akzeptieren kann ich
hingegen die übrigen eingebrachten Änderungsanträge.
Herr Präsident, wir nähern uns einer Einigung zum
Umweltaktionsprogramm für die kommenden zehn
Jahre, wobei die Arbeit von Frau Myller als
Berichterstatterin bei dieser zweiten Lesung sehr zu
würdigen ist. Eine Wiederholung der Aussprache ist
nicht notwendig, da ihre Änderungsanträge sorgfältig
ausgewählt sind, was gute Voraussetzungen für die
nächsten Verfahrensschritte schafft.
Ich hoffe, dass der Rat, auf der Grundlage der von der
Kommission befürworteten Änderungsanträge, eine
positive Einstellung gegenüber der Stellungnahme des
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.2
3-203
(Die Sitzung wird um 19.10 Uhr unterbrochen und um
21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
3-205
VORSITZ: INGO FRIEDRICH
Vizepräsident
3-206
Integrierte Produktpolitik
3-207
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0419/2001) von Frau García-Orcoyen
Tormo im Namen des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik über das
Grünbuch
der
Kommission
zur
integrierten
Produktpolitik
(KOM(2001)68
C50259/2001/2117(COS)).
3-208
García-Orcoyen Tormo (PPE-DE), Berichterstatterin.
– (ES) Herr Präsident, ich gestehe, dass es eine Freude
war, Sie eintreten zu sehen, denn beinahe hätte ich
geglaubt, ich würde allein sein in diesem Saal. Ich
möchte auch der Frau Kommissarin sehr dafür danken,
dass sie heute Abend, nach einem harten Arbeitstag,
anwesend ist.
Das Grünbuch zur integrierten Produktpolitik muss
meines Erachtens den Rahmen für die Ausarbeitung
eines Pakets von Richtlinien und Vorschlägen bilden,
mit dem sowohl den Herstellern als auch den
Verbrauchern die umfassende Nutzung der Instrumente
und Möglichkeiten erleichtert wird, die der Markt bietet,
um ein stärker an die Praxis der nachhaltigen
Entwicklung angepasstes Funktionieren des Marktes zu
erreichen.
Dieser neue Ansatz muss den herkömmlichen Ansatz
ablösen, der bislang von der Europäischen Union
verfolgt wurde. Dieser herkömmliche Ansatz basierte im
Wesentlichen
auf
Umweltverbesserungen
im
Produktionssektor
mittels
Normen,
die
Verschmutzungsgrenzwerte festlegen, und auch mittels
freiwilliger Instrumente, die einer Differenzierung
zwischen umweltverbessernden Unternehmen und
Produkten förderlich sind.
Was die freiwilligen Maßnahmen angeht, die seit
Anfang der neunziger Jahre auf den Weg gebracht
2
Zusammensetzung der Ausschüsse: siehe Protokoll.
16/01/2002
wurden, wie zum Beispiel die Verordnung über die
freiwillige Beteiligung, die europäischen Öko-Audits
und das Ökolabel, so müssen wir zur Kenntnis nehmen,
dass diese nicht den erhofften Erfolg haben und vor
allem nicht einen ähnlichen Erfolg in allen
Mitgliedstaaten. So haben in ganz Europa lediglich
3 200 Unternehmen die EMAS-Zertifizierung erhalten
und 350 Produkten aus 70 Unternehmen wurde das so
genannte europäische Ökolabel verliehen.
Meines Erachtens liegt die Hauptursache für diese
Situation in dem starren System und in der noch
geringen
Nachfrage
der
Verbraucher
nach
umweltgerechten Produkten. In Kenntnis dieses
Problems hat die Kommission dieses mehr oder weniger
treffende und ausgewogene Grünbuch zur integrierten
Produktpolitik vorgelegt. Über die Ausgewogenheit
wurde im Umweltausschuss heftig debattiert, ich bin
aber weiterhin der Meinung, dass seitens der
Kommission ein uneingeschränktes Interesse an diesem
Thema bestand.
Es werden verschiedene Mechanismen vorgeschlagen,
um Anreize für notwendige umweltfreundlichere
Produkte und deren Verbrauch zu schaffen. Der
Vorschlag enthält eine Reihe von Hinweisen, mit denen
unterschiedliche Marktpolitiken und -instrumente ins
Spiel gebracht werden, die über rein umweltbezogene
Aspekte hinausgehen und die, so denke ich, konkreter
und ausführlicher in einem nächsten Weißbuch
behandelt werden sollten.
Wir stehen vor der entscheidenden Aufgabe, über den
Markt in der Europäischen Union eine Verbesserung der
Umwelt zu stimulieren, was es ermöglichen wird, aus
umweltpolitischer Sicht gerechtere Preise für Produkte
festzulegen, die Nachfrage besser anzureizen und die
Nutzung von Instrumenten für eine saubere Produktion
zu verallgemeinern. Ferner glaube ich, dass die
Umweltpolitik durch diesen Ansatz stärker in andere
Bereiche, zum Beispiel in die Wirtschaft und den
sozialen Bereich, hineinwirken wird, und somit werden
wir das Mandat von Cardiff und Göteborg besser
erfüllen.
Ich denke, dass das Parlament durch seine
Änderungsanträge dazu beigetragen hat, den Vorschlag
der Kommission hinsichtlich der Ausrichtung der IPP
und auch der Rolle der einzelnen Akteure
(Unternehmen, Verwaltung und Verbraucher) präziser
und aussagekräftiger zu machen und die Frage der
gemeinsamen Verantwortung zu verdeutlichen, ohne
dass damit eine geringere Verantwortung des
Produzenten unterstellt wird, sondern indem man auch
der Verantwortung der Verwaltung und des
Verbrauchers Rechnung trägt und diese unterstreicht.
Die Verwaltung kann zum Beispiel durch das öffentliche
Beschaffungswesen eine sehr wichtige treibende Kraft
bei der Schaffung eines umweltgerechteren Marktes
sein. Ferner zeigt sie nützliche Marktinstrumente zur
Umsetzung der IPP auf: ökonomische Instrumente, wie
zum Beispiel Steueranreize etc.
87
Gleichzeitig betont man in der Fassung des Parlaments
die Bedeutung eines besseren und erweiterten Ökolabels,
die Notwendigkeit der Verbesserung europäischer
Normungsprozesse,
die
Notwendigkeit,
einfach
anwendbare und in allen Mitgliedstaaten ähnlich
geartete Parameter und Indikatoren für den
Lebenszyklus der Produkte aufzustellen, ohne dabei den
freien Wettbewerb auf dem Markt und den Wettbewerb
der europäischen Unternehmen untereinander zu
gefährden. Und schließlich wird auch auf die
entscheidende Bedeutung der Information hingewiesen,
die klarer, wahrhaftiger und flüssiger sein muss.
Ich denke, dass ich den überwiegenden Teil der
Änderungsanträge, die dem Plenum vorgelegt wurden,
berücksichtigt habe. Ich habe sie übernommen und nur
jene zurückgewiesen, die sich meiner Meinung nach
nicht in den Rahmen und den Kontext eines Grünbuchs
einfügen. Meines Erachtens handelt es sich um einen
guten Vorschlag, der die Unterstützung des gesamten
Parlaments verdient.
3-209
Lucas (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie. – (EN) Herr Präsident, obwohl
das Grünbuch offensichtlich lobenswerte Elemente
enthält, entsteht insgesamt der Eindruck einer nicht
genutzten politischen Chance. Die Kommission ist mit
umfassenden institutionellen Kompetenzen ausgestattet,
die sie nutzen könnte, um den Prozess der integrierten
Produktpolitik aktiv voranzutreiben. Zu oft entsteht
jedoch der Eindruck, die Kommission sei eher
Beobachter als ein kraftvoller Akteur.
Wir müssen auch stärker im Zusammenhang denken,
deutlicher Verbindungen zwischen dem Projekt der
integrierten
Produktpolitik,
dem
Sechsten
Umweltaktionsprogramm und der Strategie für
nachhaltige Entwicklung herstellen. Wir möchten, dass
diese Zusammenhänge besser erkennbar werden.
Eine Reihe weiterer, vom Ausschuss für Industrie,
Außenhandel, Forschung und Energie angesprochener
Bedenken bezieht sich darauf, dass die Strategie unserer
Auffassung
nach
zu
stark
auf
freiwilligen
Vereinbarungen beruht. Diese müssen natürlich eine
Rolle spielen, doch sind sie kein Ersatz für Regelungen;
sie sollten als ergänzend verstanden werden. Für
freiwillige Vereinbarungen brauchen wir zumindest ganz
klare Eckpunkte, Zielvorgaben und Zeitpläne, um ihre
Wirksamkeit zu gewährleisten.
Das Grünbuch stellt zudem fast ausnahmslos Produkte,
kaum aber Dienstleistungen in den Mittelpunkt und
verschenkt damit unendlich viel Potential für eine
umweltgerechtere Gestaltung eines ständig wachsenden
Bereichs unserer Volkswirtschaften.
Zu den wichtigsten Unzulänglichkeiten des Grünbuchs
gehört sicherlich, dass es den gesamten Kontext des
internationalen Handels ungenügend berücksichtigt, in
88
dem – bedauerlicherweise – die Rechtmäßigkeit einiger
der genannten Vorschläge fragwürdig ist. Die
Effektivität
der
IPP-Strategie
wird
erheblich
eingeschränkt, solange die Kommission nicht
ausdrücklich die Reformen anerkennt, die vor allem in
der Welthandelsorganisation erforderlich wären, damit
die entsprechenden Maßnahmen umgesetzt werden
können.
Ähnliches gilt für den Bereich der öffentlichen
Beschaffung. Eine stärker ökologisch ausgerichtete
öffentliche Beschaffung ist von äußerster Wichtigkeit,
jedoch stehen dem gegenwärtig Hindernisse im Weg, die
in dem Papier ausdrücklich benannt werden sollten,
zusammen mit Strategien zur Lösung solcher Probleme.
Sehr wichtig ist, dass der Ausschuss der Regionen in
seiner Stellungnahme ausdrücklich auf den begrenzten
Einfluss lokaler und regionaler Behörden bei
Maßnahmen im Zusammenhang mit einer stärker
ökologisch ausgerichteten Beschaffung verweist und
feststellt, dass gegen eine Reihe von Städten, die
versucht haben, eine solche Beschaffungspolitik
einzuführen, bereits rechtliche Schritte eingeleitet
worden sind. Das sind die Bereiche, in denen sich etwas
ändern muss. Wir erwarten ein neues ehrgeiziges
Weißbuch in naher Zukunft.
3-210
Santini (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, der
vorliegende Bericht zeichnet die schwierigen Wege
nach, auf denen die notwendige Steigerung der
Verbrauchsgüter- und Dienstleistungsproduktion mit den
Erfordernissen des Umweltschutzes in Einklang
gebracht werden soll. Ich bekunde meine Wertschätzung
für den Vorschlag der Kommission sowie für die
Berichterstatterin, die das Thema sachbezogen,
konsequent und unvoreingenommen behandelt hat.
Jedes Produkt hat seinen Lebenszyklus, der in dem
Augenblick beginnt, da es dem Verbraucher zur
Verfügung gestellt wird, der es dann, indem er es
verwendet,
sofort
mit
seiner
ökologischen
Nachhaltigkeit konfrontiert – ein etwas schwieriger
Begriff, den aber heute jeder versteht. Das ist ein
kompliziertes Verhältnis, das keineswegs mit dem
Gebrauch oder der „Beendigung“ des Lebenszyklus des
Erzeugnisses hinfällig wird. Vielmehr beginnen die
ernsteren Probleme oftmals in dem Augenblick, da das
Produkt, nachdem es nicht mehr funktionstüchtig ist,
entsorgt, gewissermaßen in Rente geschickt, also aus der
Welt, in der es seine Funktion erfüllt hat, eliminiert
werden muss.
Hier kommt es zu den ökologisch bedenklicheren
Auswirkungen, denn nicht alle Produkte können mit
derselben Technologie beseitigt werden, noch weisen sie
denselben
Gefährlichkeitsgrad
auf
oder
sind
gleichermaßen biologisch abbaubar. Deshalb schlägt die
Kommission nun eine Initiative vor, bei der die
Probleme sozusagen beim Schopf gepackt werden:
Damit ein Produkt am Ende seines Lebenszyklus leicht
entsorgt werden kann, muss es von seiner Konzeption an
16/01/2002
darauf ausgerichtet werden, und dies ist der wertvollste
Aspekt des vorliegenden Berichts. Von daher auch der
Vorschlag zur Schaffung von Anreizen für die
Förderung von Vorabstudien, um die Hersteller besser
über auf dieses Ziel zugeschnittene Technologien und
Rohstoffe zu informieren.
In dem Vorschlag wird ein Aspekt nicht ausgespart, der
zu einem Hindernis des Herangehens mit den Herstellern
werden könnte: die Kosten. Der Text enthält ziemlich
konkrete Formulierungen, wonach nicht nur die
Produzenten, die durch die Bereitstellung dieser
umweltfreundlichen Erzeugnisse höhere Kosten
bestreiten müssen, stärker unterstützt werden sollen,
sondern auch für eine Preispolitik Sorge getragen
werden soll, mit deren Hilfe sie dem Markt die
unterschiedlichen Umweltauswirkungen der Erzeugnisse
über die Preise vermitteln können, und auch hier –
warum nicht – eine differenzierte Besteuerung
eingeführt werden soll.
Insgesamt also wird denjenigen Aufmerksamkeit
gewidmet, die etwas für den Umweltschutz und damit
für uns tun.
3-211
Müller, Rosemarie (PSE). – Herr Präsident, Frau
Kommissarin! Wir produzieren Produkte, und was
machen wir mit einem Produkt am Ende des
Lebenszyklus? Diese Frage unter ökologischen
Aspekten zu beantworten, ist Inhalt des Grünbuchs.
Bislang beantworten wir meiner Meinung nach die Frage
unzureichend. Die Folgen sind bekannt: erhebliche
Belastungen der Umwelt bei der Produktion und bei der
Verwendung
der
Produkte,
die
auch
mit
gesundheitlichen Belastungen für Arbeitnehmer und
Verbraucher verbunden sind.
Wir sollten diese Politik nicht länger fortsetzen, sondern
Ernst machen mit einer integrierten Politik. Wir können
damit finanzielle Einsparungen erreichen und brauchen
keine ökologischen Schäden zu beseitigen. Auch aus
diesen Gründen brauchen wir eine Strategie, um mehr
umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen zu
entwickeln. Der vorliegende Bericht, ergänzt durch die
im Ausschuss angenommenen Anträge, gibt einen guten
Rahmen für eine ökologisch orientierte Produktpolitik
vor. Allerdings war der Kommissionsvorschlag für den
Diskussionsprozess im Ausschuss keine große Hilfe. Die
in diesem Papier getroffenen Aussagen waren vage
formuliert, es waren keine Strukturen für das weitere
Vorgehen zu erkennen, und auch einen koordinierten
Diskussionsprozess konnte ich nicht erkennen. Ich
meine, dass kein Unternehmer und kein Verbraucher mit
einem Sammelsurium von Vorschlägen für ein
umweltfreundliches Produkt zu gewinnen ist.
Die Kommission muss bei ihren weiteren Arbeiten für
mehr Klarheit in den Aussagen sorgen. Wichtig für
meine Fraktion ist, dass die gesamten Umweltkosten in
den Produktpreis einfließen. Es sollen aber auch
Steueranreize gewährleistet werden, damit weniger
16/01/2002
89
begünstigte Verbraucher umweltfreundliche Produkte
erwerben können.
dem, was in dieser kurzen Aussprache gesagt wurde,
deckt sich mit meiner Position.
Die europäische Produktnormung muss verstärkt
einbezogen werden, aber auch Dienstleistungen sollten
unter Umweltaspekten erbracht werden. Eine weitere
Option
zur
Schaffung
eines
Marktes
für
umweltfreundliche Produkte ist z. B. der Einsatz
ökonomischer Lenkungsinstrumente. Wir sollten deren
Einsatz und Wirkung prüfen und, was ganz wichtig ist,
wir
sollten
sicherstellen,
dass
die
EUUmweltgesetzgebung nicht entschärft wird.
Um die Umweltauswirkungen von Produkten über ihren
gesamten Lebenszyklus zu verringern, ist das Ziel einer
integrierten Produktpolitik für die Lösung von
Umweltproblemen von grundlegender Bedeutung.
Deshalb stellt die IPP eine wichtige Maßnahme des
Sechsten Umweltaktionsprogramms dar, und die
Strategie der nachhaltigen Entwicklung unterstreicht ihre
Bedeutung ebenfalls. Die Schwierigkeit besteht darin,
dass heute so viele Produkte auf dem Markt sind, die
oftmals lange Lieferketten mit vielen verschiedenen
Akteuren aufweisen. Deshalb ist es nicht möglich, ein
universales Instrument zu entwickeln. Stattdessen
benötigen wir eine Vielzahl von Instrumenten und eine
genaue Vorstellung davon, welches an jedem Punkt der
Lieferkette am effektivsten ist. Das können sowohl
freiwillige als auch verbindliche Vereinbarungen sein.
Ich stimme zu, dass freiwillige Vereinbarungen
ergänzenden Charakter haben sollten und wir darauf
achten müssen, dass diese nicht ausschließlich eingesetzt
werden.
Die
Berichterstatterin
hat
angesichts
der
unbefriedigenden Kommissionsvorlage gute Arbeit
geleistet. Allerdings darf sich das weitere Vorgehen
nicht in Diskussionsbeiträgen erschöpfen. Wir brauchen
dringend konkrete Vorschläge für die Förderung
umweltfreundlicher Produkte. Die Produzenten und
Verbraucher müssen für Umweltqualitäten sensibilisiert
werden. Der vorliegende Bericht ist ein Anfang, die
konkrete inhaltliche Arbeit muss noch geleistet werden.
3-212
Paulsen (ELDR).  (SV) Herr Präsident! Ich werde hier
nicht besonders kritisch sein, sondern möchte vielmehr
versuchen, einem zukünftigen Weißbuch mit Freude
entgegenzusehen als den etwas merkwürdigen Vorschlag
für ein Grünbuch zu diskutieren.
Im Bereich der Lebensmittelsicherheit, mit dem ich
mich vorrangig befasse, ist man nach einer Reihe von
Skandalen und Katastrophen fast zu dem Prinzip „von
Feld und Stall bis auf den Tisch“ übergegangen, was
sehr effektiv ist bei dem Versuch, Vorschriften zu
erlassen und Zusammenhänge zu sehen. Ich wünschte
mir, das Weißbuch würde in etwa nach demselben
Grundsatz handeln, so dass man für jedes Erzeugnis eine
Linie verfolgen und es in seinem Zusammenhang
betrachten könnte: Rohstoffe, begrenzte oder
erneuerbare,
Energieverbrauch,
Energiequellen,
Chemikalien, welche, wie, Herstellungsprozess des
Produkts, Logistik – das ist vor allem wichtig für
Erzeugnisse, die in großen Mengen produziert werden,
wie
das
bei
Lebensmitteln,
Wasser
und
Haushaltschemikalien der Fall ist. Diese machen mehr
als die Hälfte unseres Straßenverkehrs aus und
verbrauchen riesige Ressourcen, obwohl wir nicht
einmal daran denken, dass es sich dabei um Erzeugnisse
handelt. Ich fordere also eine Strategie, bei der das
Produkt zurückverfolgt werden kann, sowie Prinzipien,
die für alle Produkte gelten, ob es sich nun um ein Auto
oder ein Paket Würstchen für das Mittagessen handelt.
3-213
Wallström, Kommission. – (EN) Herr Präsident, ich
danke dem Parlament für seine Entschließung zum
Grünbuch der Kommission und möchte daran erinnern,
dass dies ein Grünbuch, d. h. der Beginn der Aussprache
zur integrierten Produktpolitik, ist. Insbesondere danke
ich Frau García-Orcoyen Tormo für die engagierte
Berichterstattung zu diesem anspruchsvollen und
schwierigen Thema. Ich möchte auch allen anderen
danken, die hierzu das Wort ergriffen haben. Vieles von
Wenn wir über IPP im europäischen Rahmen
nachdenken, dürfen wir die Erfahrungen der
verschiedenen
Mitgliedstaaten
–
Dänemark,
Deutschland, Schweden und Italien, um hier nur einige
zu nennen – in den vergangenen Jahren nicht außer Acht
lassen. Es gibt deshalb eine breite Akzeptanz des
Konzepts sowie ein Interesse daran. 1999 forderte der
informelle Umweltrat die Kommission auf, ein
Grünbuch zu dieser Frage zu erarbeiten. Daraufhin habe
ich dieses Grünbuch vorgelegt, um auf seiner Grundlage
die Aussprache darüber zu führen, welche Form die
europäische IPP annehmen sollte. Die Reaktionen der
130 Betroffenen, die Stellungnahmen dazu abgaben,
waren im Allgemeinen positiv, doch was darin zum
Ausdruck gebracht wurde, kam auch hier zur Sprache,
nämlich dass das Konzept mitunter als zu
verschwommen und zu wenig greifbar wahrgenommen
wird. Aber insgesamt klingt es gut, wie zu hören war,
und die Stellungnahmen des Rates, des Wirtschafts- und
Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen
fielen im Allgemeinen ebenfalls günstig aus.
Das Grünbuch schlägt eine Strategie und Instrumente
vor, um die europäische IPP in die Tat umzusetzen.
Viele dieser Instrumente gibt es bereits – Vorschriften
für das öffentliche Auftragswesen, europäische
Umweltzeichen oder das Gemeinschaftssystem für das
Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung,
um hier nur einige zu nennen. In anderen Bereichen
werden wir innovativ sein und neue Instrumente
schaffen müssen. Das Grünbuch hat versucht, die
Ansichten der Beteiligten hierzu festzuhalten.
Die Kommission tat dies nicht nur, weil sie die
bestmögliche Politik entwickeln wollte, sondern auch,
weil die IPP das aktive Engagement aller Beteiligten
erfordert, um erfolgreich zu sein. Die Entschließung des
Parlaments rundet diesen Prozess der Konsultation der
Beteiligten ab und gestattet uns, das Weißbuch
90
16/01/2002
weiterzuentwickeln. Ihre Entschließung und die
Stellungnahmen der Betroffenen machen deutlich, dass
das Weißbuch bei konkreten Umweltproblemen ansetzen
muss. Das hat die heutige Diskussion gezeigt. Themen
wie Klimaänderung, gefährliche Chemikalien und
Artenschutz gehen uns alle an. Wenn wir anstelle der
Instrumente die Umweltprobleme in den Mittelpunkt
stellen, können wir den Gedanken, dass IPP mehr als nur
eine Sammlung von Instrumenten ist, besser vermitteln –
was uns im Grünbuch vielleicht nicht ausreichend
gelungen ist. Wir müssen die Verbindung zu konkreten
Umweltproblemen herstellen, um den Einsatz dieser
Instrumente zu beschreiben. Darauf hat auch Frau
Paulsen verwiesen.
Die Instrumente werden nach wie vor wichtig sein. Sie
müssen von uns weiterentwickelt werden, weil wir nicht
Millionen Produkte einzeln betrachten können. Aber
auch ich gelange zu der Überzeugung, dass wir unsere
Aktionen auf bestimmte Produkte und Bereiche
konzentrieren müssen. Sie schlagen dies sehr richtig in
den Randnummern 24 und 25 Ihrer Entschließung vor.
Wir werden auch die Strategie zur Umsetzung der IPP
und ihrer Vorteile entwickeln müssen, und die
Kommission muss die Maßnahmen im Zusammenhang
mit der IPP sowie die Anknüpfungspunkte zu anderen
Politiken sorgfältig prüfen. Ich werde der Kommission
vorschlagen, dieses Dokument im zweiten Quartal dieses
Jahres anzunehmen.
3-214
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin
Wallström.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-215
Europäische Raumfahrt
3-216
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der
Bericht (A5-0451/2001) von Herrn Alyssandrakis im
Namen des Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie über die Mitteilung der
Kommission an den Rat (KOM(2000)597 - C50146/2001/2072(COS)) und das Europäische Parlament:
Ein neues Kapitel der europäischen Raumfahrt.
Der Bericht des Ausschusses für Industrie,
Außenhandel, Forschung und Energie begrüßt die
Aktionslinien und erkennt den Gesamtnutzen an, den die
Entwicklung der Raumfahrtaktivitäten bringen wird. In
der Tat ist die Entwicklung der Bodeninfrastruktur die
notwendige
Voraussetzung
für
alle
andere
Weltraumaktivitäten. Auf diesem Gebiet können wir auf
der Tradition der europäischen Länder und dem Knowhow aufbauen, das schon seit einigen Jahrzehnten,
insbesondere
im
Zusammenhang
mit
dem
Abschusssystem Ariane, gewachsen ist.
Die
zweite
Aktionslinie
ergibt
sich
ganz
selbstverständlich, da der Weltraum der ideale Ort für
Forschungen ist, die auf der Erde nicht erfolgen können,
wie z. B. die radioastronomische Forschung mit
Strahlungen, die die Erdatmosphäre nicht durchdringen,
die Forschung unter Bedingungen der Schwerelosigkeit,
usw.
Die dritte Aktionslinie ist besonders bereit angelegt und
umfasst alles, was man Weltraumanwendungen nennt.
Sie erstrecken sich von der satellitengestützten
Telekommunikation bis hin zur Navigation und
Erdbeobachtung und sind untrennbarer Bestandteil
unseres Alltagslebens geworden. Ich möchte an dieser
Stelle betonen, dass die notwendige Voraussetzung
dafür, dass die Menschheit Nutzen aus den
Weltraumaktivitäten ziehen kann, darin besteht, dass der
Weltraum nicht zu einem Feld militärischen
Wettbewerbs wird. Es ist meiner Meinung nach
besonders wichtig, dass der Bericht der Kommission in
seinem allerersten Absatz hervorhebt, dass die
Weltraumaktivitäten ausschließlich friedlichen Zwecken
dienen sollen.
Herr Präsident, mit besonderer Beunruhigung habe ich
festgestellt, dass ein Änderungsantrag eingebracht
wurde, mit dem die Einfügung des Satzes „Zwecke, die
militärische Anwendungen im Rahmen friedlicher
Unternehmen umfassen können“ vorgeschlagen wird.
Eine etwaige Annahme dieses Änderungsantrags würde
den Weg für weitere militärische Aktivitäten im
Weltraum ebnen, die sich nur unter dem Mantel „des
friedlichen Unternehmens“ zu verbergen hätten. Wir
haben einige solcher Erscheinungen in den letzten
Jahren erlebt. Kurzum, es handelt sich um ein
Trojanisches Pferd, das den Charakter des Berichts
ändern und stürmische Entwicklungen auslösen würde.
3-217
Alyssandrakis (GUE/NGL), Berichterstatter. – (EL)
Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Der zur Debatte stehende Vorschlag der
Europäischen Kommission betrifft die Entwicklung
einer Weltraumpolitik nicht mehr auf der Ebene der
einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auf der Ebene der
Europäischen Union. Er wurde zusammen mit der
Europäischen Weltraumorganisation verfasst und schlägt
drei Aktionslinien vor: Stärkung der Basis für
Raumfahrtaktivitäten, Ausbau der wissenschaftlichen
Kenntnisse sowie Nutzung der wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Vorteile.
Ich appelliere an alle Kollegen, den Text der
Kommission beizubehalten. Darüber hinaus schlage ich
Ihnen vor, die Änderungsanträge 2, 3 und 4
anzunehmen, die aus der Stellungnahme von Herrn
Souladakis hervorgegangen sind. Ich betone, Herr
Präsident, dass eine Stellungnahme gegen die
Militarisierung des Weltraums eine gewaltige Bedeutung
hat, insbesondere seit der jüngsten Entscheidung der
Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur
Kündigung des ABM-Vertrags und ihrem Beharren auf
der Entwicklung des so genannten Raketenschutzschilds.
Um die Konsequenzen dieses Schritts aufzuzeigen, habe
ich den Änderungsantrag 5 eingebracht. Erlauben sie mir
16/01/2002
ferner, darauf hinzuweisen, dass meiner Meinung nach
bestimmte Aspekte des vorgeschlagenen GMESProgramms militärische Aktivitäten umfassen.
Die Umsetzung der Weltraumpolitik ist ebenfalls
Gegenstand unserer Aussprache. Auf unserem Kontinent
ist seit vielen Jahren die zwischenstaatliche Europäische
Weltraumorganisation tätig, die eine entscheidende
Rolle bei der Entwicklung der Weltraumaktivitäten der
europäischen Länder gespielt hat. Es ist folglich absolut
normal, dass es eine enge Zusammenarbeit zwischen der
Europäischen
Union
und
der
Europäischen
Weltraumorganisation gibt, eine Zusammenarbeit, die
bereits Früchte getragen hat. Der Bericht der
Kommission würdigt die Rolle der Europäischen
Weltraumorganisation und schlägt vor, sie langfristig in
die Europäische Union einzugliedern, zugleich aber ihre
Eigenständigkeit beizubehalten. Erlauben Sie mir zu
betonen, dass ich damit nicht einverstanden bin. Ich
fürchte, dass die Europäische Weltraumorganisation in
diesem Falle jene Eigenständigkeit einbüßen wird, die
zu ihrer globalen Vorreiterrolle beigetragen hat. Die
internationale Zusammenarbeit ist die conditio sine qua
non auf dem Gebiet des Weltraums, und sie wird im
Bericht der Kommission zu Recht mit Zustimmung
erwähnt. Betont wird die Notwendigkeit ihrer
Entwicklung nicht nur mit der Russischen Föderation,
den Vereinigten Staaten, China und Japan, sondern auch
mit weniger entwickelten Staaten, denen die
Europäische Union Zugang zum Weltraum bieten
könnte.
Schließlich, Herr Präsident, möchte ich das Thema der
Finanzierung anschneiden. Es ist allgemein bekannt,
dass der Zugang zum Weltraum Gewinn abwirft, aber
auch einiges kostet. Das sechste Rahmenprogramm für
Forschung und technologische Entwicklung hebt den
Weltraum und die Luftfahrt als einen vorrangigen
Themenbereich hervor. Das zeigt zwar gute Absichten,
reicht aber nicht aus. Eine generellere Selbstbindung
wäre ebenso wünschenswert wie erforderlich.
Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen
und Kollegen, die heutige Aussprache ist für die Zukunft
der Raumfahrtpolitik der Europäischen Union von
großer
Bedeutung.
Ich
hoffe,
dass
die
Richtungsvorgaben unseres jetzigen Votums den
Völkern und der gesamten Menschheit zum Nutzen
gereichen werden.
3-218
Souladakis (PSE), Verfasser der Stellungnahme des
mitberatenden
Ausschusses
für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit und Verteidigungspolitik. – (EL) Herr
Präsident, Herr Kommissar, der Ausschuss für
auswärtige Angelegenheiten hat den vorliegenden
Vorschlag der Kommission geprüft und ist mit der
eingeschlagenen Richtung grundsätzlich einverstanden.
Wir stellen aber fest, dass die GASP eher als
Wirtschafts- und Wachstumsproblem angesehen wird,
denn als Angelegenheit der Sicherheit und Verteidigung,
mit allem, was dies für Europa bedeutet. Vermutlich ist
91
das darauf zurückzuführen, dass sich die GASP noch im
Entwicklungsstadium befindet. In diesem Sinne denke
ich, dass der Vorschlag in der nächsten Phase im
Hinblick auf die Probleme der Außenpolitik und der
Verteidigung Fortschritte bringen wird.
Zum Inhalt sind mehrere Bemerkungen angebracht:
Erstens müssen die unkoordinierten Politiken der
europäischen Länder unbedingt vereinheitlicht werden,
zweitens ist die militärische Nutzung des Weltraums von
der Sache her unvermeidlich, allerdings zu friedlichen
Zwecken wie z. B. bei den Unternehmungen von der Art
der Petersberg-Aufgaben. Auf keinen Fall wird unser
Ausschuss einer militärischen Nutzung des Weltraums
zustimmen, wie sie die berühmte Politik des „Kriegs der
Sterne“
anstrebt,
d. h.
einer
Nutzung
für
weltraumgestützte Raketenabwehrsysteme oder den
Vernichtungskrieg der Satelliten.
Unter diesen Umständen sind wir der Meinung, dass sich
die Weltraumpolitik unter Berücksichtigung des
Kriteriums der friedlichen Nutzung aller Möglichkeiten
mit der Bündelung aller Anstrengungen zu einer
einheitlichen europäischen Politik weiter entwickeln
muss. Denn schließlich dürfen die europäischen Länder
die Sicherheit ihrer Kommunikation und ihre eigene
Sicherheit nicht von Satellitensystemen der Vereinigten
Staaten von Amerika oder Russlands abhängig machen.
In diesem Sinne hat die Initiative – abgesehen davon,
dass sie auch Wachstumseffekte haben wird – einen
politischen Nutzen und ist folglich von entscheidender
Bedeutung für
die
Gemeinsame
Europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
3-219
Radwan (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau
Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst
einmal möchte ich mich bei dem Kollegen
Alyssandrakis für die gute Zusammenarbeit bedanken.
Wir haben in Europa seit Lissabon das ehrgeizige Ziel,
die Nummer eins in der Welt zu werden, und dazu
gehören natürlich auch die Technik und die
Wissenschaft, wobei ich hier allerdings nicht primär an
die elektronische Abstimmungsanlage, die wir gestern
hier geprüft haben, denke, sondern an weiter gehende
Techniken
wie
z. B.
Telekommunikation,
Erdbeobachtung und Umweltschutz. Europa muss - und
das beweist die Vergangenheit - seine Kräfte in diesen
Bereichen bündeln. Airbus und Ariane mit Sitz in
Toulouse sind Vorzeigeprojekte, die beweisen, dass
Europa, wenn es die Kräfte bündelt, weltweit
konkurrenzfähig ist. Die Industrie konzentriert sich
immer mehr, und hier gilt es, auch europäische
Strukturen zwischen der Europäischen Union, der ESA
und den Mitgliedstaaten zu schaffen, die eine
einheitliche
und
effektivere
Zusammenarbeit
ermöglichen.
Es sollte aber auch an eine internationale
Zusammenarbeit über Europa hinaus gedacht werden.
Hier denke ich nicht nur an die USA, ich denke auch an
Russland
und
China.
Eine
europäische
Forschungspolitik sollte natürlich dergestalt sein, dass
92
sie auch für den Nachwuchs in diesem Bereich attraktiv
ist. Ich selber komme aus der Luft- und
Raumfahrtindustrie und habe mitbekommen, dass immer
weniger junge Menschen diese Fächer in den letzten
Jahren studiert haben. Wir sollten das selbst in die Hand
nehmen und nicht auf Zuwanderung setzen wie in
anderen Bereichen.
Wir brauchen hier aber auch klare Ziele. Darum die
eindringliche Aufforderung an die Mitgliedstaaten, ein
klares Votum für Galileo abzugeben. Auch die Industrie
sollte hier eine Vorreiterrolle spielen. Es ist in Zukunft
wichtig, dass nicht nur staatliche Einheiten
Verantwortung übernehmen, sondern auch die Industrie
dazu beiträgt, Dienstleistungen zu entwickeln, die der
Bürger nutzen kann und die auch vermarktbar sind.
Abschließend möchte ich auf einen wichtigen Punkt
eingehen, der angesprochen wurde, das ist die so
genannte Militarisierung des Weltraums. Ich denke
nicht, dass Europa eine SDI, einen Krieg der Sterne,
entwickeln sollte. Aber ich halte es schon für sehr
fragwürdig, ob eine militärische Nutzung dem
gleichzusetzen ist. Wir sprechen ja auch nicht von einer
Militarisierung der Telekommunikation, nur weil die
Bundeswehr das Telefon benutzt. Wir wollen eine
europäische Außen- und Sicherheitspolitik, wir wollen
eine schnelle Eingreiftruppe haben, wir schicken
Soldaten in andere Länder, und diese Truppen müssen
entsprechende Informationen bekommen. Darum sollten
wir auf europäischer Ebene sehr wohl darüber
nachdenken, hier unabhängig zu werden, unsere eigene
Infrastruktur zukünftig nutzen zu können, damit wir der
Verantwortung für unsere eigenen Soldaten und der
politischen Verantwortung in diesem Bereich gerecht
werden können. Darum bitte ich, dem von Giles
Chichester und mir eingebrachten Änderungsantrag
zuzustimmen. Wir können hier wirklich nicht von SDI
sprechen, sondern es handelt sich um eine sinnvolle
Nutzung der Infrastruktur für europäische Interessen.
3-220
Ford (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich schließe mich
den Glückwünschen meiner Kollegen an Herrn
Alyssandrakis zu seinem Bericht über die Mitteilung der
Kommission an den Rat und das Europäische Parlament
– Ein neues Kapitel der europäischen Raumfahrt - an. Es
ist dies nicht der erste Bericht von Herrn Alyssandrakis
zum Thema Raumfahrt, und ich denke, es wird auch
nicht der letzte sein.
Die Sozialdemokratische Fraktion wird diesen Bericht
unterstützen. Wir sind davon überzeugt, dass es wichtige
zivile und industrielle Möglichkeiten der Nutzung des
Weltraums gibt. Europa kann es sich nicht leisten, ins
Abseits zu geraten. Europa darf sich nicht von den USA
und den anderen Weltraummächten – Russland, China
und Japan – abhängen lassen. Wir müssen die
technologische
Basis
für
Raumfahrtaktivitäten,
insbesondere Trägerraketen, weiter entwickeln, um
schließlich europäische Unabhängigkeit zu erreichen.
16/01/2002
Auf dem Weg zur europäischen Unabhängigkeit werden
wir vielleicht mit jenen zusammenarbeiten müssen, die
versuchen, den enormen Vorsprung der USA
aufzuholen. Wir begrüßen deshalb die in dem Bericht
getroffene Feststellung, wonach die Weltraumforschung
eines der vorrangigen Themen des sechsten
Rahmenprogramms für Forschung und technologische
Entwicklung ist. Wenn Europa mit den Vereinigten
Staaten keine eindeutige Vereinbarung schließen kann,
so dass es jederzeit Zugang zum GPS-System hat, wird
es mit anderen innerhalb und außerhalb der
Europäischen Union, in Industrie und Verwaltung,
zusammenarbeiten
müssen,
um
ein
eigenes,
unabhängiges System zu entwickeln.
Wir unterstützen den Änderungsantrag von Herrn
Chichester, der die Einbeziehung militärischer
Anwendungen zu friedenserhaltenden Zwecken vorsieht.
Ebenso unterstützen wir den Änderungsantrag des
Berichterstatters selbst, Änderungsantrag 5, der den
Rückzug der USA aus dem ABM-Vertrag und die
Entwicklung einer nationalen Raketenabwehr verurteilt,
weil dies unserer Meinung nach ein neues Wettrüsten in
Ostasien auslösen wird.
Um unsere Position ganz deutlich zu machen, möchte
ich feststellen: wenn Änderungsantrag 1 angenommen
wird, sind wir auch bereit, Änderungsantrag 2 des
Berichterstatters zu unterstützen, denn wir sind der
Überzeugung, dass der Weltraum nicht für Konflikte
genutzt werden darf, sondern um Frieden zu schaffen.
Wir sehen dies nicht als widersprüchlich, sondern ziehen
damit eine Grenze, die wir nicht überschreiten möchten.
Ich hoffe, dass bei der morgigen Abstimmung all das
erreicht wird, was wir uns vorgenommen haben, und
was ich heute Abend hier erläutert habe.
3-221
Lucas (Verts/ALE). – (EN) Ich schließe mich den
Glückwünschen an den Berichterstatter an und möchte
mich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit lediglich
einer wichtigen Frage zuwenden, nämlich den Gefahren
der Militarisierung des Weltraums.
Viele Bürger Europas stehen dem von den USA
geplanten nationalen Raketenabwehrsystem zutiefst
kritisch gegenüber, das sie zu Recht als offensives
System verstehen, welches mit Sicherheit ein neues und
teures internationales Wettrüsten auslösen wird. Doch
wie viel besorgter wären sie, wenn sie die Ziele einiger
ihrer eigenen Politiker und Gesetzgeber kennen würden?
Ich rede nicht von diesem Parlament, aber es gibt Kreise,
die gern ihr eigenes, hausgemachtes EU-Programm zur
Militarisierung des Weltraums auf den Weg bringen
würden. Jedenfalls würden sie das europäische
Raumfahrtprogramm gern dahingehend abändern. Wir
müssen mit diesem Bericht eine sehr deutliche Botschaft
verbinden; es muss absolut klar sein, dass die Nutzung
des Weltraums einzig und allein zu friedlichen Zwecken
und in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht erfolgen
darf. Ich begrüße es deshalb ganz besonders, dass Herr
16/01/2002
Alyssandrakis genau diesen Aspekt in seinem Bericht
hervorgehoben hat, und schätze die von ihm vorgelegten
Änderungsanträge, die dies noch stärker herausarbeiten.
Daraus folgt, dass ich die Änderungsanträge der PPEFraktion sehr bedauere, die den Gedanken der
militärischen Nutzung des Weltraums wieder
aufnehmen. Obwohl ich akzeptiere, dass dies in den
Kontext so genannter friedenserhaltender Maßnahmen
gestellt wurde, bin ich dennoch besorgt, dass hier ein
verhängnisvoller Weg seinen Anfang nehmen könnte.
Ich bin sehr froh, dass Herr Radwan keinen Krieg der
Sterne vonseiten der EU erleben möchte, aber ich bin
sehr besorgt, dass seine Absichten falsch ausgelegt
werden könnten, dass Friedenserhaltung in einem
anderen als dem von ihm beabsichtigten Zusammenhang
gesehen werden könnte.
Wir müssen uns auch an den Kontext des im Dezember
2000 von der Europäischen Weltraumorganisation
veröffentlichten Berichts erinnern, in dem sich die so
genannten drei Weisen zur Zukunft der ESA äußerten
und zu dem Schluss gelangten, dass der Beginn der
Entwicklung eines europäischen Verteidigungssystems,
das auch eine Weltraumkomponente enthält, einen
wesentlichen Teil der europäischen öffentlichen
Investitionen darstellen würde. Wie weiter in dem
Bericht ausgeführt, betrachten es die drei Weisen als
logisch, die Fähigkeiten der ESA auch zur Entwicklung
stärker sicherheitsorientierter Aspekte der europäischen
Weltraumpolitik
zu
nutzen.
All
dies
zusammengenommen ergibt die sehr reale Möglichkeit,
dass die europäische Weltraumpolitik eine sehr
spezifische militärische Komponente annimmt, weshalb
es an der Zeit und dringend geboten ist, mit diesem
Bericht die Botschaft zu verbinden, dass wir den
Weltraum nur zu friedlichen Zwecken nutzen wollen.
3-222
Chichester (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, auch
meinerseits Glückwünsche an Herrn Alyssandrakis zu
seinem Bericht und zu der Arbeit, die er speziell in
diesem Bereich im Rahmen unseres Ausschusses leistet.
Zunächst stelle ich fest, dass die Nutzung des Weltraums
zur Forschung und zu kommerziellen Zwecken von der
Öffentlichkeit gern übersehen wird, weil sie weniger
aufregend ist als Projekte wie die ApolloMondlandungen, und doch ist sie außerordentlich
wichtig, wie dieser Bericht unterstreicht. Ich begrüße die
in dieser Mitteilung beschriebenen Zielsetzungen für die
europäische Politik.
Ich muss zugeben, dass mir persönlich Absatz 10 am
besten gefällt, in dem die Industrie aufgefordert wird,
sich stärker bei der kommerziellen Nutzung des
Weltraums zu engagieren. Das ist ein wichtiger Weg,
um voranzukommen. Wir wollen die Industrie intensiv
in die Nutzung des Weltraums einbeziehen.
Mir scheint, dieser Bericht soll uns – gewissermaßen als
Vorspeise – Appetit machen auf den nächsten Monat auf
unserer Tagung in Straßburg anstehenden Galileo-
93
Bericht. Insbesondere Absatz 12 nimmt Bezug auf
Galileo als Teil der europäischen Strategie und auf seine
Bedeutung für den Verkehr. Das sollten wir genau
beachten.
Wir müssen anerkennen, wie schwierig es ist, Mittel zur
Erkundung des Weltalls, zur Raumforschung und zur
Nutzung des Weltraums zu erhalten. Ich begrüße ganz
besonders den im Bericht enthaltenen Hinweis auf die
Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit, durch
die weitere Mächte und Partner eingebunden werden.
Ich komme auf die Nutzung militärischer Anwendungen
für friedenserhaltende Maßnahmen zurück. Realistisch
betrachtet
brauchen
wir
Mittel
aus
den
Verteidigungshaushalten für Weltraumprojekte auf
verschiedenen Gebieten. Wir sollten uns nicht scheuen,
diese
Finanzquelle
für
Anwendungen
zur
Friedenserhaltung heranzuziehen. Das muss unbedingt
betont werden. Ich bedauere, dass mein Hinweis auf
militärische Anwendungen Herrn Alyssandrakis
erschreckt
hat.
Er
sollte
die
Wendung
„friedenserhaltende Maßnahmen“ stärker beachten.
3-223
Langenhagen (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau
Kommissarin! Und sie bewegt sich doch. Dieses Wort
von Galileo Galilei lässt sich auch auf die derzeitige
Situation in der europäischen Raumfahrtpolitik
übertragen. Wenn ich das schier endlose Tauziehen um
die
Errichtung
des
europäischen
Satellitennavigationssystems Galileo betrachte, da hatte
ich schon meine Zweifel. Umso mehr bin ich erfreut,
dass es einige positive Ansätze gibt, der europäischen
Raumfahrt neuen Schwung zu geben. Der ist dringend
nötig, sonst verliert Europa den Anschluss an dieses
wichtige und zukunftsgerichtete Segment der
Hochtechnologie. Egal, ob wir mit Kommunikations-,
Navigations- oder Beobachtungssystemen arbeiten, die
Satelliten spielen dabei die entscheidende Rolle.
Wir sollten nicht den Fehler begehen, bequem auf die
vorhandenen Systeme anderer, auch befreundeter
Nationen zurückzugreifen. Nein, wir müssen vielmehr
selbst unsere Fähigkeiten auf diesem Gebiet beweisen,
denn nur so haben wir eine zuverlässige operative
Freiheit und die europäische Industrie eine Chance auf
eine gesunde Zukunft.
Ich spreche aus eigener Erfahrung als mehrfache
Berichterstatterin des Parlaments zum europäischen
Satellitennavigationssystem. Wir haben in Europa so
wertvolles Potenzial auf diesem Gebiet, das wir nicht
einfach brach liegen lassen sollten. Anpacken muss die
Devise heißen. Dazu ist ein politisches Signal
unabdingbar.
Erste Etappe auf diesem Weg ist die Erarbeitung einer
kohärenten raumfahrtpolitischen Strategie. Hier hat die
Kommission sehr gute Arbeit geleistet. Ich unterstütze
nachdrücklich die vorgeschlagenen Aktionslinien.
Europa muss seiner Raumfahrt künftig mehr Bedeutung
beimessen.
94
Lassen Sie mich meine Priorität für die europäische
Raumfahrt mit einem vielleicht paradox wirkenden
Begriffspaar zusammenfassen: Unabhängigkeit und
Zusammenarbeit. Unabhängigkeit bedeutet eigene
Stärke, autonome Strukturen, zukunftsorientierte
Arbeitsplätze. Zusammenarbeit dagegen steht für
Kompatibilität und Austausch, um die Beziehungen der
EU zu stärken. Die Raumfahrt sollte einen neuen Schub
bekommen.
3-224
Savary (PSE). – (FR) Herr Präsident, ich möchte
unserem
Kollegen
Alyssandrakis
zu
diesem
ausgezeichneten Grundsatzbericht gratulieren, der dazu
aufruft, eine gemeinschaftliche Weltraumpolitik
einzuführen. Doch wenn man sich ansieht, wie das
Galileoprojekt abläuft, dann komme ich zu der
Auffassung, dass wir davon noch weit entfernt sind und
dass wir keinen Schimären nachjagen dürfen. Anders
gesagt,
gegenwärtig
erweist
sich
die
Regierungszusammenarbeit als effizienter als die
Gemeinschaftsmethode. Denn wie überall in der Welt
müssen für die Nutzung des Weltraums bestimmte
Bedingungen geschaffen werden. Erstens darf man keine
Angst vor staatlichen Anreizen haben, die über
öffentliche Kredite finanziert werden. Nicht alles wird
vom Markt in Bewegung gesetzt – weder die
amerikanischen, noch die russischen oder die
französischen Raketen. Zweitens finanziert der
Militärsektor einen Großteil der zivilen Anwendungen,
davor sollten wir nicht die Augen verschließen. Wenn
man diese Zweigleisigkeit ablehnt, dann gibt es eine
Menge Schwierigkeiten bei der Schaffung des Europas
der Raumfahrt, denn – wie das bei Galileo deutlich
wurde – der Pazifismus unseres Hohen Hauses erweist
sich letztlich als Geschenk für den US-amerikanischen
Militarismus. Ich glaube, auch das muss man sich ganz
klar vor Augen halten. Die Amerikaner haben gesagt,
wir wollen Galileo nicht, weil dies unsere strategische
und militärische Kohärenz beim GPS stört. Des
Weiteren wird auch eine wirkliche Industriepolitik
gebraucht. Doch all diese Bedingungen erfüllen wir
meiner Meinung nach gegenwärtig noch nicht. Es ist
leider so, doch diesen Weg müssen wir gehen, wenn die
Union eines Tages die Raumfahrtmacht sein soll, die sie
sein müsste und sein muss, wenn sie ein hohes
technisches Niveau halten will.
Abschließend möchte ich betonen: Wenn man im
Raumfahrtbereich vorankommen will, dann muss man
auf verstärkte Zusammenarbeit mit denen setzen, die den
Willen dazu haben, und die anderen, die das nicht
wollen, außen vor lassen. Das trifft nicht nur auf Galileo,
sondern auch auf die Zukunft der europäischen
Weltraumpolitik zu.
3-225
De Veyrac (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Frau
Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte zunächst dem Berichterstatter zu diesem Bericht
gratulieren, der den Weg aufzeigt, der beschritten
werden muss, um eine neue Etappe in der europäischen
Weltraumpolitik zu eröffnen. Wenn ich mich heute zum
Thema Raumfahrt zu Wort gemeldet habe, dann weil
16/01/2002
mir dieses Thema am Herzen liegt und weil ich das
Glück habe, in Toulouse zu wohnen, wo die Luft- und
Raumfahrtindustrie allgegenwärtig ist, wie Herr Radwan
sagte. Denn hier sind zwei der weltgrößten
Auftragnehmer im Raumfahrtbereich angesiedelt, und
zahlreiche
Tätigkeiten
der
Europäischen
Raumfahrtagentur in Frankreich werden vom Nationalen
Raumforschungszentrum wahrgenommen
Bekanntlich sind für den Schutz und die Beobachtung
unserer Umwelt, die Risikovorbeugung, und die
Landesverteidigung Satelliten unabdingbar, die eine
immer größere Rolle in unserem Alltagsleben spielen.
Die Vorteile einer koordinierten Raumfahrtpolitik liegen
somit auf der Hand und begünstigen die Ausweitung der
Zusammenarbeit. Wie Sie bereits übereinstimmend
festgestellt haben, müssen wir jetzt einen höheren Gang
einlegen und eine europäische Raumfahrtpolitik
einführen. In diesem Bereich, in dem die Europäische
Union – wie Frau Langenhagen festgestellt hat – ein
immenses Potenzial besitzt, muss sie die unerlässlichen
Voraussetzungen für den Erfolg schaffen.
Daher ist die Tatsache, dass noch kein Beschluss zur
Weiterführung der Arbeiten am europäischen
Satellitennavigationssystem Galileo gefasst wurde, ein
bedauerliches Beispiel für das, was unbedingt zu
vermeiden ist. Es sind bereits umfangreiche
Investitionen getätigt worden, und wir können uns
solche Verzögerungen bei der Herbeiführung einer
Einigung nicht leisten, denn dadurch verlieren wir
immer wieder ein Stück unserer Glaubwürdigkeit. Doch
ich bin überzeugt wie wir alle hier, Frau Kommissarin,
dass Sie mit all Ihrer Energie für den Erfolg dieses
Projekts arbeiten werden.
Auf der Tagung des Rates „Verkehr“ im März muss eine
Entscheidung über die Weiterführung von Galileo
gefasst werden, und unser Haus muss seinen ganzen
Einfluss geltend machen, damit es dazu kommt.
Auf der Europäischen Ratstagung in Laeken haben sich
die Vertreter unserer Staaten verpflichtet, die
Einsatzfähigkeit im Bereich der gemeinsamen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik herzustellen. Wie
im Bericht unterstrichen, sollen Raumfahrtaktivitäten
nur friedlichen Zwecken dienen, was aber auch – wie in
dem von Herrn Chichester und Herrn Radwan im
Namen
der
EVP-DE-Fraktion
eingebrachten
Änderungsantrag gefordert – eine militärische Nutzung
für friedenserhaltende Maßnahmen beinhalten kann.
Wie soll die Europäische Union eine gemeinsame
Verteidigungspolitik aufbauen, wenn sie nicht über
entsprechende technische Möglichkeiten in der
Raumfahrt verfügt?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen einen
realistischen und stimmigen Rahmen für unsere
Raumfahrtpolitik festlegen. Es geht um den Schutz
unserer Umwelt, die Sicherheit unserer Mitbürger und
die Erhaltung des Friedens.
16/01/2002
3-226
Martin, Hans-Peter (PSE). – Herr Präsident! Ich
möchte zunächst einmal meinen Glückwunsch
ausbringen zu Ihrem weiteren Verbleib im Amt. Ihnen
ist zu danken, dass Sie im Grundrechte-Konvent immer
auf religiöse Werte hingewiesen und sie reklamiert
haben. Sehr oft sind diese europäischen Werte eine
hohle Phrase. Wenn wir diesen Bericht in der Hand
haben, könnte es aber ganz anders sein, weil mit diesem
Bericht die Chance besteht, dass Europa in einem ganz
wichtigen Bereich zeigt, dass wir es anders machen als
die anderen. Wir können aus dem Weltraum einen
Friedensraum machen. Das hat dann wieder sehr viel mit
Grundsätzen zu tun.
Dann haben wir den Änderungsantrag 1, der da heißt:
„Was
auch
eine
militärische
Nutzung
für
friedenserhaltende Maßnahmen beinhalten kann“. Der
Weltraum für friedenserhaltende Maßnahmen, da könnte
man polemisch sagen, ja gegen wen? Gegen die
Marsmännchen, die reinkommen, oder zur Nutzung wie Herr Chichester angedeutet hat - für einen noch zu
schaffenden militärisch-industriellen Komplex in
Europa? Letzteres wäre verheerend. Genau die
Abhängigkeit von diesem militärisch-industriellen
Komplex, die die einzig verbliebene Supermacht jetzt so
prägt, würden wir uns durch die Hintertür langsam
hereinholen und dabei weiterhin von europäischen
Werten reden. Das wäre pharisäerhaft! Ich würde sehr
empfehlen, den Änderungsantrag 1 abzulehnen, aber die
folgenden anzunehmen. Gerade auch, wenn es um
christliche und religiöse Werte geht, die Sie, Herr
Präsident, immer zu Recht angemahnt haben.
3-227
Paasilinna (PSE). – (FI) Herr Präsident, die Vereinigten
Staaten von Amerika haben den ABM-Vertrag einseitig
gekündigt. Das erfolgte, nachdem der USNachrichtendienst
der
Meinung
war,
eine
Raketenbedrohung durch die „Schurkenstaaten“ sei
zumindest nicht in den nächsten zehn Jahren gegeben.
Amerikanischen Zeitungen zufolge haben die
Republikaner im Kongress die Medien unter Druck
gesetzt, ihren Standpunkt zu ändern und ein
unbegründetes Feindbild zu entwerfen. Auf dieses
Feindbild wird nun mit der Schaffung eines gewaltigen
Raketenschildes reagiert.
Niemand ist schließlich vor Ungerechtigkeit und vor
Terrorismus gefeit, der daraus seine Stärke bezieht. An
den feigen Terroranschlägen vom September sehen wir,
wo die wirklichen Sicherheitsgefahren liegen. Durch das
Raketenschild wird der Weltraum militärisch
aufgerüstet, werden im Weltraum Abwehrraketen
operieren. Die Folge wird ein erneut einsetzendes
Wettrüsten sein, aber dem Beispiel der Vereinigten
Staaten folgend, treffen auch wir hier eine kleine
Grundsatzentscheidung: Galileo kann unseres Erachtens
zu militärischen Zwecken bei der Sicherung des
Friedens genutzt werden.
Die Menschen dieser Welt brauchen eine gemeinsame
Sicherheit und Gerechtigkeit, die für alle gilt. Das muss
das zentrale Ziel der Union sein. Die Jagd nach den
95
Terroristen wird niemals aufhören, wenn wir nicht die
Ursachen für Revolten und Rechtskämpfe beseitigen.
Der Frieden, die Demilitarisierung des Weltraums, die
unter großen Mühen während des Kalten Krieges
erreicht worden sind, werden ohne vernünftigen Grund
beendet. Es finden sich immer Menschen, die bereit
sind, Torheiten zu begehen. Wird eine Torheit
akzeptabler, wenn sie nicht einzelne Gebäude betrifft,
sondern die ganze Welt? Wenn man nur auf die eigene
Sicherheit bedacht ist, sät man den Samen des Krieges.
3-228
Caudron (PSE). – (FR) Herr Präsident, Frau
Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf
Aufforderung des Rates hat die Europäische
Kommission in Zusammenarbeit mit der Europäischen
Raumfahrtagentur
eine
Mitteilung
über
die
Notwendigkeit der raschen Erarbeitung einer kohärenten
europäischen Raumfahrtstrategie vorgelegt. Dies
begrüße ich wie auch der Berichterstatter, Herr
Alyssandrakis, dem ich zu seiner hervorragenden Arbeit
gratulieren möchte.
Die Kommission schlägt eine Stärkung der Grundlagen
für die Raumfahrtaktivitäten sowie den Ausbau der
wissenschaftlichen Kenntnisse vor. Der Berichterstatter
misst der Weiterentwicklung der technologischen Basis
große Bedeutung bei. All das setzt meiner Meinung nach
eine umfassende öffentliche Unterstützung, eine
finanzielle Unterstützung voraus, die allerdings nicht nur
finanzieller Art sein sollte.
Und das Sechste Forschungsrahmenprogramm, für das
ich Generalberichterstatter bin, kommt dieser Forderung
zum Teil nach, indem es die Luft- und Raumfahrt zu
einem der sieben Schwerpunktbereiche mit einem
Budget von über einer Milliarde Euro gemacht hat. In
meinem Bericht habe ich auch Maßnahmen zur
Weiterbildung der Wissenschaftler und Ingenieure im
Raumfahrtbereich
und
anderen
Bereichen
vorgeschlagen, um deren mobilitätsbedingte Probleme,
die durch die weite geografische Streuung der Standorte
noch verschärft werden, zu lösen.
Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich noch die
Gefahr der Militarisierung des Weltraums ansprechen.
Solche Risiken bestehen sicherlich, und meiner Meinung
nach dürfen Aktivitäten mit militärischem Charakter nur
dann
durchgeführt
werden,
wenn
es
um
Konfliktverhütung und Konfliktmanagement im
Interesse der Erhaltung bzw. der Wiederherstellung des
Friedens geht. Dies schließt nicht aus, dass unsere
Priorität darin bestehen muss, die Nutzung des
Weltraums zu Zwecken des allgemeinen Interesses und
des Gemeinwohls zu entwickeln.
3-229
De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident, als
Erstes möchte ich Ihnen zur Wiederwahl in Ihr Amt
gratulieren.
Meine Damen und Herren, ich möchte vor allem Herrn
Alyssandrakis beglückwünschen und ihm für seinen
klaren und konstruktiven Bericht danken. Dank sagen
96
möchte ich auch allen Mitgliedern des Ausschusses für
Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie sowie
den Mitgliedern der verschiedenen Ausschüsse, die in
der Aussprache aufgetreten sind und die an dem Bericht
beteiligt waren.
Für mich ist es eine Genugtuung, heute in dieser Debatte
im Namen der Kommission in Vertretung meines
Kollegen Busquin sprechen zu können, mit dem ich in
der gesamten Frage des Weltraums, vor allem aufgrund
meiner Verantwortung in diesem Bereich durch das
GALILEO-Projekt, eng zusammenarbeite.
Der heute von Ihnen diskutierte Bericht stellt einen
wichtigen Markstein auf dem Wege der europäischen
Weltraumpolitik dar, deren Aufbau in der letzten Zeit
durch die Institutionen der Gemeinschaft in Angriff
genommen wurde. Er stützt politisch die Arbeit, die von
der
Kommission
und
der
Europäischen
Raumfahrtagentur im Rahmen ihrer gemeinsamen
Arbeitsgruppe geleistet wird, eine Arbeit, die voll und
ganz den Empfehlungen des Entschließungsentwurfs
folgt. Dieser Arbeit widmet mein Kollege Busquin sehr
große Anstrengungen, die meiner Ansicht nach in die
Richtung dessen gehen, was Europa braucht, um 2010
die wettbewerbsfähigste wissensbasierte Gesellschaft in
der Welt zu sein.
In meiner Rede werde ich drei Punkte behandeln. Im
ersten geht es um den Geist der europäischen
Weltraumpolitik, der sich in die Vision von einem
Europa einpasst, das das Potenzial der wissensbasierten
Wirtschaft, speziell durch die Schaffung eines echten
europäischen Raums der Forschung gemäß dem Geist
der Schlussfolgerungen von Lissabon, der auch der Geist
von Barcelona sein muss, voll ausnutzt. Es ist auch die
Vision von einem Europa, das entschlossen ist, die
nachhaltige Entwicklung zu fördern, die seit Göteborg
eine der Prioritäten der Union bildet, die Vision von
einem Europa, das darauf bedacht ist, die Bürger stärker
in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und damit
ein praktisches Beispiel für gutes Regieren zu geben.
Gerade in dieser Frage ist die Rolle des Parlaments ganz
entscheidend, vor allem zur Erläuterung technischer
Fragen, wie dieser Frage des Weltraums.
Neben diesen allgemeinen Grundsätzen verdienen zwei
Aspekte besondere Erwähnung: erstens der Wille, die
internationale Dimension der Raumfahrt und unsere
Verantwortung im Weltmaßstab zu übernehmen und
Europa mit den erforderlichen Mitteln für eine
wohlverstandene Unabhängigkeit auszustatten; zweitens
das Interesse, für die Erhaltung des Friedens und die
Gewährleistung der Sicherheit der europäischen Bürger
zu arbeiten.
Ich möchte hier – in Beantwortung einiger vom
Berichterstatter geäußerter Bedenken – den Charakter
eines entschiedenen Friedensinstruments der GMESInitiative auf dem Gebiet der Überwachung der Umwelt
und der Sicherheit unterstreichen.
16/01/2002
Der zweite Aspekt ist der in letzter Zeit auf diesem
Gebiet zurückgelegte Weg, da im vergangenen Jahr
durch die Mitteilung, die Sie heute prüfen, wie auch
durch die beigefügte Entschließung des Rates
bedeutende Fortschritte im Bereich der Weltraumpolitik
erzielt wurden. Die Politik der Europäischen Union hat
das
Maß
der
strategischen
Dimension
der
Weltraumaktivitäten für Europa angenommen.
Was die konkreten Fortschritte anbelangt, so möchte ich
zwei Hauptetappen nennen: die erste war die Schaffung
der gemeinsamen Arbeitsgruppe der Kommission und
der Europäischen Raumfahrtagentur, die Anlass zu einer
zweiten Mitteilung gegeben hat. Diese wurde Ende 2001
dem Rat der Union und dem der Raumfahrtagentur
sowie dem Parlament vorgelegt. Die zweite war die
gemeinsame Ausarbeitung einer Strategie zur
Umsetzung der GMES-Initiative. In diesem Rahmen
erfolgte die Ausarbeitung eines Aktionsplans zunächst
auf der Ebene der Union und dann der Europäischen
Raumfahrtagentur, mit Billigung eines Ergänzungsteils
während des Ministerrates der Agentur.
Aber das Jahr 2001 hat uns auch gewisse Grenzen
aufgezeigt, zum Beispiel die Ergebnislosigkeit des
letzten Rats „Verkehr“ in Bezug auf das GALILEOProjekt.
Ich bedauere zutiefst diese Verzögerungen und möchte
nochmals in aller Klarheit sagen, dass es meines
Erachtens keine wirtschaftlichen Begründungen gibt, um
die Durchführbarkeit des Projekts in Frage zu stellen,
sondern dass es sich letztlich um Zweifel in Bezug auf
den
politischen
Willen
handelt,
ein
derart
anspruchsvolles Projekt wie GALILEO durchzusetzen.
Ich hoffe, diese Zweifel lassen sich in den kommenden
Wochen ausräumen, so dass uns im März eine
endgültige positive Entscheidung seitens der Union
vorliegt.
Der dritte Aspekt betrifft die Zukunft: Was bleibt uns
noch zu tun? Viel. Damit Europa die ihm zustehende
Rolle spielen kann, muss eine enge Absprache zwischen
allen interessierten Seiten, speziell eine stärker operative
Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der
Europäischen Raumfahrtagentur entwickelt werden.
Kurzfristig geht es darum, ein Rahmenabkommen
zwischen diesen beiden Institutionen auszuhandeln, das
die Zusammenarbeit zwischen ihnen auf eine formelle
Ebene hebt und der Agentur die Rolle des ausführenden
Organs für die Weltraumprogramme der Union
überträgt. Später wird man einen informellen Rat zum
Weltraum organisieren müssen, der den Forschungsrat
und den Rat der Europäischen Raumfahrtagentur
umfasst.
Mittelfristig ist vorgesehen, dass der Rat der Union und
der Rat der Europäischen Raumfahrtagentur sowie das
Europäische Parlament auf der Grundlage der von den
Staats- und Regierungschefs gegebenen Orientierungen
über die Weltraumpolitik entscheiden. Aber längerfristig
und gerade im Rahmen der Aussprache, die in Kürze
über die Zukunft der Union beginnen wird, sollte die
16/01/2002
Europäische
Raumfahrtagentur,
konkret
die
Weltraumpolitik, auch im EG-Vertrag selbst enthalten
sein.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich einige
Bemerkungen zu gewissen Empfehlungen des Berichts
von Herrn Alyssandrakis machen. Konkret zur Frage der
Frequenzen. Zu diesem Thema wird ein europäischer
Koordinierungsmechanismus
in
Form
einer
Arbeitsgruppe
geschaffen,
in
der
nationale
Verantwortliche aus dem Bereich der Regulierung
mitwirken werden. Eine weitere Frage ist die volle
Konvergenz zwischen dem Bericht der Task Force der
Gruppe hochrangiger Vertreter und dem Standpunkt des
Parlaments im Hinblick auf die Notwendigkeit einer
aufmerksamen
Untersuchung
der
weltweiten
Wettbewerbssituation und das Ergreifen geeigneter
Maßnahmen, speziell für die Trägerraketen. Großes
Interesse zeigen wir auch an dem Gedanken der
Einberufung einer internationale Konferenz zur
Sondierung der Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit
organisieren. Wie Herrn Alyssandrakis bekannt ist, gibt
es bereits eine enge Zusammenarbeit mit Russland.
Schließlich muss das sechste Rahmenprogramm
Fortschritte in der in mehreren Empfehlungen genannten
Richtung ermöglichen, da der Weltraum zum ersten Mal
einen der vorrangigen Themenbereiche dieses
Rahmenprogramms bildet, aber auch weil die
Europäische Raumfahrtagentur erstmals die Möglichkeit
haben wird, als vollberechtigter Partner daran
teilzunehmen.
Meine Damen und Herren! Der Bericht, den Sie
annehmen werden, stellt einen substanziellen und
starken Anreiz für die Bemühungen um eine wahrhaft
europäische Weltraumpolitik dar. Der Erfolg eines
solchen Unternehmens erfordert eine Mobilisierung aller
Beteiligten und die entschlossene Unterstützung durch
alle Abgeordneten.
Ich möchte sagen – und darin stimme ich mit den
Aussagen einiger Redner, wie Herrn Savary und Herrn
Caudron, überein –, dass wir die erforderliche Kapazität
und die Präsenz der Europäischen Union in Bezug auf
die Weltraumtechnologien nicht unter dem Vorwand
lahm legen dürfen, dass es sich bei bestimmten Arten
von Projekten um Vorhaben mit doppelter Nutzung
handeln kann. Es ist eindeutig zum Ausdruck gebracht
worden, dass das GMES ein Friedensziel verfolgt, dass
es nicht eine Initiative ist, die auf Militärbudgets, d. h.
weder auf Finanzmittel noch auf Anlagen militärischer
Art zurückgreift, sondern ganz im Gegenteil. Das
Gleiche können wir vom GALILEO-Projekt sagen.
Wenn der Weltraum teilweise militarisiert ist, dann
werden wir durch unsere Nichtbeteiligung am
friedlichen Wettstreit um den Weltraum einfach nicht
verhindern, dass dies so bleibt. Wir müssen den
entschiedenen Willen haben, in diesem Weltraum,
ausgehend von den Kriterien der Europäischen Union,
dass dies ein Raum für den Weltfrieden sein muss,
präsent zu sein.
97
3-230
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin de
Palacio.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-231
Straßenverkehr
3-232
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame Aussprache über folgenden Berichte:
- (A5-0437/2001) von Herrn Hatzidakis im Namen des
Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und
Fremdenverkehr
betreffend
den
Gemeinsamen
Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
(9068/1/2001 - C5-0433/2001 - 2000/0060(COD)) zur
Festlegung der höchstzulässigen Straßenfahrzeuge im
innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr in
der Gemeinschaft sowie der Festlegung der
höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden
Verkehr;
- (A5-0469/2001) von Herrn van Dam im Namen des
Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und
Fremdenverkehr
betreffend
den
Gemeinsamen
Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der
Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates
(10353/1/2001 - C5-0473/2001 - 2000/0297(COD)) zur
Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 881/92 und
(EWG) Nr. 3118/93 des Rates hinsichtlich der
Einführung einer Fahrerbescheinigung und
- (A5-0430/2001) von Herrn Grosch im Namen des
Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und
Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine Richtlinie
des Europäischen Parlaments und des Rates
(KOM(2001)56 - C5-0037/2001 - 2001/0033(COD))
über die Ausbildung von Berufskraftfahrern im Güteroder Personenverkehr.
3-233
Hatzidakis (PPE-DE), Berichterstatter. – (EL) Herr
Präsident, Frau Vizepräsidentin der Kommission, als ich
anfing, mich mit diesem Bericht zu befassen, dachte ich
nicht, dass er mich so lange beschäftigen würde.
Letztlich gab es einige Komplikationen, die größer
waren, als ich mir vorstellen konnte. Heute aber
kommen wir zum guten Ende, und allein das zählt.
Ziel des Vorschlags für eine Richtlinie ist es, die
zulässige Höchstlänge sowohl für starre Busse als auch
für Gelenkbusse im innergemeinschaftlichen Verkehr zu
harmonisieren. Bisher war diese Frage nicht
ausdrücklich geregelt; es bestand nur die Garantie, dass
starre Busse mit bis zu 12 m Länge und Gelenkbusse
von bis zu 18 m Länge innerhalb der EU
uneingeschränkt eingesetzt werden dürfen. Auf
nationaler Ebene gibt es z. B. für starre Busse vier
unterschiedliche Höchstlängen, was dazu führt, dass
einige Busse für eine EU-weite Nutzung ungeeignet sind
98
und
Wettbewerbsverzerrungen
entstehen.
Die
Mitgliedstaaten wollten diese Höchstlängen zumindest
für Busse, die EU-weit eingesetzt werden, harmonisieren
und haben die Kommission ersucht, einen Vorschlag
auszuarbeiten.
In der ersten Lesung hat das Parlament, wie ich den
Kolleginnen und Kollegen in Erinnerung rufen möchte,
drei Abänderungen angenommen. Unsere erste
Abänderung schlug vor, das Datum, bis zu dem die
Mitgliedstaaten den Verkehr von Bussen, deren
Abmessungen nicht den Erfordernissen der neuen
Richtlinie entsprechen, in ihrem Hoheitsgebiet zulassen
dürfen, von Dezember 2009 entsprechend dem
Vorschlag der Kommission auf Dezember 2015 zu
verlängern,
um
eine
normale
wirtschaftliche
Nutzungsdauer für diese Busse zu ermöglichen. Der Rat
dehnte dieses Datum noch weiter bis Dezember 2020
aus, eine Änderung, der der Ausschuss für
Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr voll und
ganz zustimmt. Mit der zweiten Abänderung schlug das
Europäische Parlament die gleiche Länge für
Gelenkbusse (18,75 m) wie für Busse mit Anhängern
vor. Auch diese Abänderung ist im Gemeinsamen
Standpunkt übernommen worden, hier bestand natürlich
kein Problem. Die letzte Abänderung ermöglichte es,
dass starre Busse bis zu 13,5 m zwei Achsen haben.
Busse mit einer Länge zwischen 13,5 und 15 m müssen
über drei Achsen verfügen, damit das Höchstgewicht pro
Achse nicht überschritten wird. Auch diese Abänderung
wurde angenommen. Nur der Teil dieser Abänderung
mit der Ergänzung „starrer Bus“ wurde nicht
angenommen, dies ist aber eine rein terminologische
Frage. Es ist darauf hinzuweisen, dass in dem
Gemeinsamen Standpunkt der Vorschlag der
Kommission übernommen wurde, die neuen Kriterien
zur Manövrierfähigkeit zu verwenden, die derzeit der
UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) in
Genf vorliegen.
Ich möchte daran erinnern, dass Portugal und das
Vereinigte Königreich bis zu drei Jahre nach dem
Inkrafttreten Busse in ihrem Hoheitsgebiet verbieten
können, die nicht den alten und strengeren Kriterien für
die Manövrierfähigkeit entsprechen. Aber auch andere
Mitgliedstaaten dürfen örtlich aus sicherheitstechnischen
oder anderen Gründen die Verwendung von langen
Bussen einschränken. Hierbei handelt es sich um den im
unserem Ausschuss ausführlich diskutierten Artikel 7
des Gemeinsamen Standpunkts. Er soll der Besorgnis
weitgehend
entgegenwirken,
die
in
einigen
Änderungsanträgen, welche in zweiter Lesung im
Ausschuss
für
Regionalpolitik,
Verkehr
und
Fremdenverkehr abgelehnt wurden, zum Ausdruck kam.
Demzufolge kann ich nach alledem nichts anderes tun
als das vorzuschlagen, was ich auch dem Ausschuss
vorgeschlagen habe, dass nämlich das Plenum den
vorliegenden Gemeinsamen Standpunkt unverändert
annehmen möge, da er einen vernünftigen Ausgleich
zwischen den Themen Binnenmarkt, Regulierung und
Sicherheit sowie technischen und kommerziellen Fragen
darstellt.
16/01/2002
3-234
Van Dam (EDD), Berichterstatter. – (NL) Herr
Präsident! Die vorgeschlagene Verordnung hinsichtlich
der Einführung einer Fahrerbescheinigung impliziert,
dass sämtliche bei Verkehrsunternehmen beschäftigten
Fahrer innerhalb der Europäischen Union ein
einheitliches Dokument mit sich führen. Mit diesem
Dokument
erhalten
die
einzelstaatlichen
Kontrollinstanzen die Möglichkeit nachzuprüfen, ob der
betreffende Fahrer rechtmäßig, d. h. unter Einhaltung
der in den Mitgliedstaaten geltenden sozialen
Rechtsvorschriften, beschäftigt ist. Infolge der
unterschiedlichen Regelungen und Dokumente ist die
Durchführung einer solchen Kontrolle außerhalb der
eigenen Landesgrenzen gegenwärtig schwierig.
Das Parlament hat diese Initiative in erster Lesung
unterstützt. Allerdings wurde darauf hingewiesen, es
dürfe nicht erwartet werden, dass mit diesem Vorschlag
alle bestehenden Probleme gelöst würden. Es gibt
nämlich auch bilaterale, internationale sowie CEMTBescheinigungen, mit denen Fahrer aus Drittstaaten
gewissermaßen in einem legalen Arbeitsverhältnis
beschäftigt sein können. Für eine Reihe von
Unternehmen gibt es offensichtlich keine hinreichend
eindeutige Trennlinie zwischen legaler und illegaler
Beschäftigung solcher Fahrer. Der vorliegende
Vorschlag hat deshalb nur auf bei EU-Unternehmen
beschäftigte und für das Führen von Fahrzeugen dieser
Unternehmen eingesetzte Fahrer Auswirkungen.
Das Parlament vertrat in erster Lesung die Auffassung,
bei der Anwendung der Verordnung auf Fahrer aus
Drittstaaten
einerseits
und
auf
Fahrer,
die
Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft
sind, andererseits sei ein stufenweises Vorgehen
notwendig, damit die Mitgliedstaaten die zu ihrer
Durchführung erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen
treffen können. Damit hat das Parlament bewiesen, dass
ihm die Situation auf dem Sektor bewusst ist, auf dem
die Fahrer aus Drittstaaten den größten Teil des
Problems ausmachen, zumindest der Zahl der Klagen
über illegale Praktiken nach zu urteilen. Das Parlament
hat sich deshalb dafür entschieden, die Anwendung der
Verordnung auf EU-Fahrer um zwei Jahre zu
verschieben. Ferner war das Parlament der Ansicht, dass
auch
die
Führerscheinund
die
Sozialversicherungsnummer den in die Bescheinigung
aufzunehmenden Daten hinzugefügt werden sollten. In
seinem Gemeinsamen Standpunkt hat der Rat eine weit
gehende Übereinstimmung mit dem Parlament gezeigt.
Er anerkennt die dargelegte Problematik und sieht in der
Bescheinigung zumindest ein probates Mittel, gegen die
bestehenden
Wettbewerbsverzerrungen
im
grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr vorzugehen.
Von den vom Parlament vorgeschlagenen Änderungen
hat der Rat lediglich den Änderungsantrag betreffend die
Aufnahme
der
Führerscheinund
Sozialversicherungsnummer vollständig übernommen.
Die Änderungsanträge, die bei der Anwendung der
Verordnung ein stufenweises Vorgehen zwischen EUFahrern und Fahrern aus Drittstaaten vorsehen, wurden
vom Rat nicht uneingeschränkt akzeptiert. Der Rat
16/01/2002
stimmt zwar einem stufenweisen Vorgehen zu, möchte
jedoch – auf der Grundlage der heute verfügbaren Daten
– noch nicht festlegen, wann die Verordnung
letztendlich auf die EU-Fahrer angewandt werden soll.
Die Anwendung auf Fahrer, die Staatsangehörige eines
Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind, soll erst erfolgen,
wenn eine Bewertung der dann in Kraft befindlichen
Verordnung ergeben hat, dass sie tatsächlich einen
Mehrwert bedeutet. Außerdem hat der Rat die Intensität
der jährlichen Kontrolle erläutert und auf mindestens
20 % der in einem Mitgliedstaat ausgestellten
Bescheinigungen festgelegt.
Als Berichterstatter gelange ich zu der Schlussfolgerung,
dass die Ansichten des Rates und des Parlaments nicht
so sehr divergieren. Beide anerkennen den Kern und die
Dringlichkeit des Problems, nämlich die Fahrer aus
Drittstaaten. Auf diese Gruppe muss die Verordnung
deshalb so schnell wie möglich angewandt werden.
Zwischen dem Rat und dem Parlament bestehen
diesbezüglich keine Meinungsunterschiede. Hinsichtlich
der EU-Fahrer möchte ich bemerken, dass – den
verfügbaren Angaben zufolge – eine weitaus geringere
Dringlichkeit besteht. Die vom Rat festgelegte
Bewertung halte ich im Hinblick auf die Sammlung
weiterer Daten für sinnvoll. Allerdings wäre es sehr
wünschenswert, eine Frist für diese Beurteilung
festzusetzen. Deshalb begrüße ich die schriftliche
Zusage von Kommissarin de Palacio an den Ausschuss
für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr, sie
werde die betreffende Evaluierung innerhalb von drei
Jahren durchführen lassen. Ich erwarte, dass sie diese
Mitteilung bei der heutigen Aussprache mündlich
bestätigen wird.
Meiner Meinung nach, Herr Präsident, kann das
Parlament mit dem jetzt vorliegenden Text insgesamt
zufrieden sein. Deshalb möchte ich empfehlen, diesen
auf der Grundlage der Zusage der Frau Kommissarin
ohne Änderungen zu akzeptieren.
Abschließend noch eine Bemerkung zu dem Bericht des
Kollegen Grosch, dem ich zustimmen kann. Von
entscheidender Wichtigkeit ist allerdings, dass die
Bewerber nach jeder Ausbildung in geeigneter Weise
geprüft werden und die tägliche Praxis in die
Weiterbildung einbezogen wird. Wenn wir festlegen,
dass jeder Fahrer ausgebildet werden muss, die
Ausbildung jedoch nach nationalen Rechtsvorschriften
zu erfolgen hat, wird damit der so genannte
„Ausbildungstourismus“ gefördert, und genau das
wollen wir nicht.
3-235
Grosch (PPE-DE), Berichterstatter. – Sehr geehrter
Herr Präsident, Frau Kommissarin, werte Kolleginnen
und Kollegen! Die Liberalisierung im Straßentransport
hat zweifelsfrei dazu geführt, dass wir in Europa ein
besseres Angebot und auch bessere Preise haben.
Dementsprechend hat sich auch die Konkurrenz
verschärft, was notgedrungen auch dazu geführt hat,
dass dies in vielen Unternehmen tendenziell teilweise
99
auf Kosten der Sicherheit
Arbeitsbedingungen geht.
und
auch
der
Die Richtlinie zur Ausbildung der Berufskraftfahrer im
Güter- und im Personenverkehr, die uns jetzt vorliegt,
soll hier an und für sich eine flankierende Maßnahme
darstellen und das Statut dieser Fahrer verbessern. Die
technologischen Entwicklungen, aber auch die
strengeren Umwelt- und auch Sicherheitsanforderungen
sind in unseren Augen Argumente genug, um zu fordern,
dass zum einen diese Ausbildung verbessert werden
muss und zum anderen, dass sie auch durch regelmäßige
Weiterbildung weiterzuführen ist.
In den vielen Gesprächen mit dem Sektor selbst haben
wir aber auch festgestellt, dass der Mangel an
Arbeitskräften nicht dazu führen darf, dass diese
Richtlinie jetzt hier noch hemmend wirkt.
Dementsprechend haben wir im Ausschuss - deshalb
möchte ich auch allen Fraktionen danken, die sehr
konstruktiv an diesem Gespräch teilgenommen haben versucht, Abänderungsvorschläge einzubringen, die die
gesamte Richtlinie nicht umkrempeln, sondern etwas
flexibler gestalten sollen. Zum einen haben wir eine
Form von Brücke zum Führerschein geschaffen, denn
wir wissen, dass in vielen Mitgliedstaaten die
Ausbildung zum Führerschein bereits gewisse
Voraussetzungen verlangt, die gleichgestellt sind mit
dem, was diese Ausbildung hier vorschlägt.
Dementsprechend scheint es uns wichtig zu sein, dass
die Ausbildung mitgemacht wird, aber nicht doppelt
geführt wird, einmal für den Führerschein und zweitens
in der Ausbildung.
Für die Lernziele war die Philosophie die gleiche. Es
ging uns nicht darum, alle Details festzulegen, sondern
die Lernziele im Allgemeinen und sie folglich auch im
Anhang zu belassen, weil dies eine flexible Handhabung
dieser Lernziele ermöglicht und die Möglichkeit offen
lässt, diese Lernziele der Entwicklung anzupassen.
Die bestehende Ausbildung ist in den einzelnen Ländern
unterschiedlich, und dementsprechend haben wir
festgelegt, dass die Länder dies zusammen mit der
Kommission im Einzelnen überprüfen können. Das Ziel
ist, dass die Ausbildung gleich ist. Wenn ein Land
bereits eine Ausbildung anbietet, soll sie jetzt nicht
durch diese Richtlinie geändert werden.
Die Weiterbildung scheint uns ein wichtiger Punkt für
die Weiterentwicklung zu sein, und wir hoffen, dass hier
auch die Brücke zum Führerschein gemacht wird, weil
in unseren Augen die Weiterbildung für den
Führerschein später auch ein wesentliches Element
darstellen wird.
Wir haben uns aber auch für Flexibilität, d. h. für eine
Weiterbildung von sieben Stunden, also einen Tag,
entschieden, und nicht für größere Blöcke, um die
Betriebe nicht zu sehr zu belasten. Mit einem Tag, sprich
0,05 % des Arbeitsaufwands für einen Arbeitnehmer,
haben wir, glaube ich, nicht übertrieben.
100
Persönlich halte ich auch sehr streng daran fest, dass es
einen flexiblen Ausbildungsort gibt. Wenn wir heute
über Mobilität in Europa sprechen, soll der
Ausbildungsort nicht notwendigerweise an das
Unternehmen oder den Wohnsitz des Fahrers gebunden
sein. Wenn diese Bescheinigung europaweit Gültigkeit
haben sollte, soll man die Ausbildung auch europaweit
machen können. Wir sind uns dabei aber auch der
Tatsache bewusst, dass dies zwar eine interessante und
wichtige Richtlinie ist, aber mit ihr leider noch nicht alle
Probleme gelöst sind. Kollege van Dam hat eben die
bilateralen Genehmigungen angesprochen, die in Europa
noch weiterhin Geltung haben, was dazu führt, dass
Missbrauch auf diesem Feld getrieben werden kann. Wir
wissen auch, dass gewisse Unternehmen die Möglichkeit
weiter nutzen - und das bedauere ich irgendwie im
Bericht von Herrn van Dam -, dass wir diese einheitliche
Fahrerbescheinigung auf die Länder beschränken, die
nicht Mitglied der EU sind. Denn auch innerhalb der 15
Mitgliedstaaten wird in diesen Bereichen übertrieben.
Ich will hier keine Namen von Firmen nennen, aber
einige Namen in diesem Bereich sind uns bekannt.
Abschließend möchte ich sagen, dass das Ganze eine
Einheit bilden könnte, wenn wir morgen eine
einheitliche Fahrerbescheinigung bekämen, eine
Richtlinie
für
die
Fahrund
Ruhezeiten,
dementsprechend eine Karte, die dies nachweist und
dann noch diese Führerscheinrichtlinie und die
Ausbildung von heute. Das könnte leicht kontrollierbar
sein, und daher auch der Appell unsererseits nicht nur an
die Kommission, sondern besonders auch an die
Mitgliedstaaten, dass die Kontrollen verbessert werden
müssen. Jede Richtlinie, so gut sie auch sein mag, hat
nur Wert, wenn sie regelmäßig kontrolliert wird und dies
auch gleichmäßig in allen Mitgliedstaaten erfolgt.
3-236
Simpson (PSE). – (EN) Herr Präsident, gestatten Sie
mir zunächst, unseren drei Berichterstattern – Herrn
Hatzidakis, Herrn van Dam und Herrn Grosch – für die
geleistete Arbeit zu danken. Das umfangreiche Wissen
der Mitglieder des Ausschusses für Regionalpolitik,
Verkehr und Fremdenverkehr zu technischen
Einzelheiten wie Anzahl der Achsen von Bussen,
Wendekreise von Bussen und vieles mehr beeindruckt
mich immer wieder. Ich danke ihnen für ihren Beitrag.
Was die Position der PSE-Fraktion zu Herrn Hatzidakis
Bericht angeht, so kann ich sagen, dass wir mit der
gemeinsamen Stellungnahme einverstanden sind, ebenso
wie mit dem Bericht von Herrn van Dam.
Dementsprechend werden wir abstimmen.
Zum Bericht von Herrn Grosch möchte ich sagen, ich
begrüße die Richtlinie, weil sie erkennt, dass wir jetzt
die Möglichkeit haben, die Sicherheit auf den Straßen zu
erhöhen. Die Arbeitsbedingungen für die Fahrer haben
nicht nur unmittelbare wirtschaftliche Folgen, sondern
auch Konsequenzen für die Sicherheit. Durch die
vorgeschlagene
Ausbildungsordnung
für
Berufskraftfahrer verbessern wir den Status dieser
Berufsgruppe. Man muss auch erkennen, dass bei der
EU-Erweiterung diese Bestimmungen von den
16/01/2002
beitrittswilligen Staaten in nationale Gesetzgebung zu
überführen sind. Ich weiß, dass in vielen Mitgliedstaaten
die Ausbildung der Fahrer Teil des grundlegenden
Ausbildungssystems ist, aber wo dies bisher nicht der
Fall ist, wird diese Richtlinie allen Fahrern die
Möglichkeit geben, eine solide Ausbildung zu erhalten.
Im Ausschuss wurde die Frage der Subsidiarität
angesprochen, und aufgrund einer Reihe von
Änderungsanträgen kam sie im Parlament noch einmal
zur Sprache. Meine Fraktion ist der Auffassung, dass
durch den im Ausschuss mit Hilfe unseres
Berichterstatters,
Herrn
Grosch,
gefundenen
Kompromiss die Richtlinie nur einen Rahmen abgibt,
und hält daher Subsidiarität für nicht erforderlich. Meine
Fraktion
wird
deshalb
gegen
die
meisten
Änderungsanträge stimmen, die dieses Prinzip
unterstützen, und für die Position des Berichterstatters.
Weiterhin werden wir für Änderungsantrag 43 stimmen,
der eine Bewertung der Effektivität dieser Richtlinie
vorsieht, sowie gegen einige Änderungsanträge, die zu
viel vorschreiben wollen. Kurz gesagt, wir unterstützen
die Meinung des Berichterstatters.
Ich danke nochmals allen Berichterstattern für ihre
Arbeit und gratuliere ihnen zur Vorlage dieser drei
ausgewogenen Berichte.
3-237
Sanders-ten Holte (ELDR). – (NL) Zunächst möchte
ich den drei Berichterstattern für ihre umfassende Arbeit
danken. Insbesondere Herrn van Dam möchte ich zu
seiner fundierten Arbeit gratulieren. Das Unglück im
Gotthardtunnel hat deutlich gezeigt, wie dringend
notwendig gemeinsame europäische Rechtsvorschriften
sind, damit gegen regelwidrig beschäftigte Fahrer, die
nicht über die erforderlichen Papiere verfügen, rigoroser
vorgegangen werden kann. Ob die Bescheinigungen
jedoch ausreichend sind, wird die Bewertung zeigen
müssen. Auch Herrn Grosch möchte ich zu seinem
Bericht beglückwünschen. Hier geht es ebenfalls um
einheitliche Anforderungen an Fahrer, da es sich um
einen grenzüberschreitenden Beruf schlechthin handelt.
Es geht schließlich um Sicherheit und fairen Wettbewerb
im Straßengüterverkehr, und deshalb kommt es sehr
darauf an, dass jeder Fahrer über eine adäquate
Ausbildung verfügt, bevor er im Güterverkehr
beschäftigt wird, dass er sich spezialisieren und
fortbilden kann und dass in sämtlichen Mitgliedstaaten
sowie in den beitrittswilligen Ländern vergleichbare
Anforderungen gelten. Das ist auch dem Ansehen dieses
Berufes förderlich, was extrem wichtig ist, und wird ihn
zudem attraktiver machen. Die Liberalen legen sehr
großen Wert darauf, dass die effektive Überprüfung
dessen, was gelernt worden ist, durch eine unabhängige
Instanz erfolgt. Ein gewisses Maß an Flexibilität und
Pragmatismus ist jedoch geboten. Die von der
Kommission vorgeschlagene Ausbildungsdauer ist
unnötig lang und wirkt sich hemmend aus. Eine strikte
Prüfung wird zudem weitaus mehr Sicherheit bieten,
dass der Fahrer auch wirklich gelernt hat, was er gelernt
zu haben glaubt. Die Flexibilität, wie sie Herr Bradbourn
und andere einbauen möchten, geht uns allerdings zu
16/01/2002
101
weit. Die meisten Änderungsanträge werden wir
insofern nicht unterstützen, als die Verordnung durch sie
praktisch überflüssig wird und die Prüfung an Wert
verliert, womit wir unser Ziel verfehlen.
einer Fristverlängerung für die wirtschaftliche
Nutzungsdauer alter Busse zugestimmt hat. Eine andere
Entscheidung wäre auch eine sinnlose Vergeudung von
Ressourcen.
3-238
Hinsichtlich der Maße möchte ich auf den Zustand von
Lastkraftwagen eingehen. In Finnland und Schweden
sind überdurchschnittlich größere Lastkraftwagen
zulässig. Bei uns können sie sechseinhalb Meter länger
sein als in anderen EU-Staaten. Diese Maße sollten
unbedingt in der gesamten EU eingeführt werden. Wenn
man so verfahren würde, nähme die Frachtmenge der
Lastkraftwagen von vierzig auf sechzig Tonnen zu. Die
Vorteile sind auch für Laien nachvollziehbar. Auf
unseren stark befahrenen Straßen würde man Platz
sparen, weil zwei finnische Lastkraftwagen dreien eines
anderen EU-Landes entsprächen. Mitteleuropa könnte ab
und an vom Pragmatismus der nordischen Länder
lernen. Flüssigerer Verkehr, aber auch die Ökonomie der
Größe würden zu einer saubereren Umwelt führen.
Gerade das wird ja im Weißbuch über den Verkehr
verkündet; merci, madame Vallelersundi. Deshalb bitte
auch ich die Kommission, auf die Frage einzugehen und
diesen Vorschlag in Erwägung zu ziehen.
Bouwman (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident, Frau
Kommissarin,
meine
Damen
und
Herren
Berichterstatter, werte Kolleginnen und Kollegen! Bei
dieser Gelegenheit möchte ich noch darauf hinweisen,
dass wir in relativ kurzer Zeit mit einer Reihe von
Berichten – nicht nur dem vorliegenden, sondern auch
denen über die Organisation der Arbeitszeiten, die für
die Arbeitnehmer, aber auch für die selbständigen Fahrer
von durchschnittlich 60 auf 48 Stunden reduziert wurden
– langsam aber sicher ein Paket zusammengeschnürt
haben, mit dem wir aus Sorge um die Sicherheit, aus
Sorge um die Umwelt und um die Effizienz einige
Vorschläge zur Verbesserung des gesamten Umfelds des
Straßengüterverkehrs und der dabei von den Fahrern
gespielten Rolle durchzubringen versuchen. Es wurde
bereits auf die immer wieder stattfindenden Unfälle
hingewiesen, auch auf solche, bei denen Bürger aus
Drittländern betroffen sind und bei denen keine
Dokumente vorliegen.
Bezüglich des Berichts von Herrn van Dam möchte ich
feststellen, dass wir diesen im Grunde doch in einem
ziemlich kurzen Zeitraum zustande zu bringen
vermochten, und deshalb möchte ich sein Bemühen
unterstützen, nicht noch eine Vielzahl weiterer
Änderungsanträge einzureichen, sondern so schnell wie
möglich zur Sache zu kommen, in dem Bewusstsein,
dass die Bewertung, die in drei Jahren erfolgen soll –
zumindest gehe ich von einer alsbaldigen Bestätigung
der diesbezüglichen Zusage aus –, einige Resultate
zeitigen wird, die zweifellos auf Defizite hindeuten.
Ferner stimme ich den Bemerkungen von Herrn Brian
Simpson zu, dass der Kollege Bradbourn in seinen
Änderungsanträgen das Subsidiaritätsprinzip in einer Art
und Weise angewandt hat, die gegenwärtig eigentlich
nicht unsere Arbeitsgrundlage bilden dürfte. Die
Fraktion der Grünen wird entschieden gegen dieses
Konzept stimmen. Abschließend ein Wort des Dankes
an den Berichterstatter Hatzidakis und selbstverständlich
an Herrn Grosch. Herr Hatzidakis, hier ging es um einen
technischen Änderungsantrag. Berichte dieser Art haben
wir seinerzeit mit größtem Vergnügen dem Vorsitzenden
überlassen, und ich wünsche Ihnen bei Ihrer nächsten
Funktion im Rahmen dieses Verkehrsthemas viel Erfolg.
3-239
Vatanen (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident, verehrte
Frau Vallelersundi! Wir erörtern nunmehr drei
Vorschläge über den Straßenverkehr, die als solche für
die große Öffentlichkeit nicht zu den spannendsten
Fragen zählen; viele politische Punkte sind damit also
nicht zu sammeln. Aber auch kleine Schritte sind für die
Sicherstellung flexibler Transporte notwendig. Ich danke
den Berichterstattern für ihre ausgezeichnete Arbeit und
zum Beispiel Herrn Gosch für seine Aufgeschlossenheit
gegenüber den Änderungsanträgen seiner Kollegen. Was
den Bericht von Herrn Hatzidakis anbelangt, so müssen
wir besonders damit zufrieden sein, dass der Rat nun
Wir dürfen nicht vergessen, dass der Straßenverkehr für
Europa mit Abstand die wichtigste Beförderungsart ist,
die zudem Tür-zu-Tür-Transporte anbietet. Die leider
mäßig entwickelten Eisenbahnwege müssen allerdings
ausgebaut werden. Dass Eisbrecher schneller fahren als
Frachtzüge, ist absurd. Allerdings sind die finnischen
Eisbrecher nicht gerade langsam. Dem Straßenverkehr
dürfen jedoch keine Knüppel zwischen die Beine
geworfen werden, im Gegenteil. Die Dynamik Europas
hängt von einer blühenden Wirtschaft ab, deren
Lebensbedingung
funktionierende
Straßenverkehrstransporte sind. Mit einheitlichen
Regelungen
sichern
wir
ausgewogene
Wettbewerbsbedingungen sowohl zwischen den
Beförderungsarten
als
auch
zwischen
den
Mitgliedstaaten. Ich bin der Überzeugung, dass diese
Vorschläge ein Schritt in die richtige Richtung sind.
3-240
Pohjamo (ELDR). – (FI) Herr Präsident, auch ich
möchte den Kollegen für die gute Vorbereitung der
Berichte bezüglich des Straßenverkehrs danken. Mit
diesen Maßnahmen wird die Verkehrssicherheit
verbessert, und das ist wichtig.
Über die zulässigen Höchstmaße von Fahrzeugen ist ein
recht ausgewogener Gemeinsamer Standpunkt erzielt
worden, wie der Berichterstatter Herr Hatzidakis
festgestellt hat. Die Verlängerung der Übergangsfrist
gestattet eine vernünftige Ausnutzung des derzeitigen
Bestandes an Bussen bis zum Ablauf ihrer
Nutzungsdauer. Die Frist ist jetzt wirklich ausreichend.
Die technische Entwicklung erlaubt es, noch längere
Fahrzeuge als bisher einzusetzen, indem zugleich auch
die Sicherheitsfaktoren berücksichtigt werden. Durch die
Harmonisierung der Höchstmaße wird es auch weniger
Wettbewerbsverzerrungen geben.
102
Durch
die
Einführung
einer
einheitlichen
Fahrerbescheinigung
wird
ein
ausgewogener
Wettbewerb der Branche gefördert und zudem die
Verkehrssicherheit verbessert. Die Anwendung der
Verordnung zunächst nur auf die Fahrer aus Drittländern
ist zumindest in der ersten Phase begründet.
Der dritte Bericht über die Harmonisierung der
Ausbildung von Berufskraftfahrern im Güter- und
Personenverkehr kann sowohl der Verkehrssicherheit
dienen als auch die Stellung der Fahrer verbessern.
Gleichzeitig kann damit das Ansehen der Branche und
seine Attraktivität bei Jugendlichen erhöht werden. Auch
das ist wichtig. Wir dürfen ebenfalls nicht vergessen,
dass eine rationellere Fahrweise auch die Umwelt
schont. Die Forderung nach einer beruflichen
Grundausbildung
darf
jedoch
nicht
die
Wiedereingliederung von Fahrern behindern, die bereits
auf dem Gebiet tätig waren. Das ist in diesem Bericht
berücksichtigt worden. Die Teilnahme an der
Weiterbildung muss möglichst flexibel gestaltet werden.
Das Programm sollte so beschaffen sein, dass die Länge
eines Abschnitts mindestens sieben Stunden beträgt. Es
muss unbedingt sichergestellt werden, dass das
berufliche Können der Fahrer durch die Weiterbildung
tatsächlich verbessert wird, so wie es Kollege Sandersten Holte soeben gefordert hat.
3-241
Langenhagen (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau
Kommissarin! Jeden Tag lesen wir in der Zeitung
Meldungen von schweren Unfällen auf Europas Straßen,
die
von
Lastkraftwagen
mit
übermüdeten,
überanstrengten
und
unerfahrenen
Kraftfahrern
ausgelöst werden. Wer fragt sich da nicht
kopfschüttelnd, wie so etwas auf unseren Straßen am
Beginn des 21. Jahrhunderts möglich ist. Ohne Zweifel,
der Qualitätsstandard des Straßentransports in der EU
kann und muss erhöht werden. Der Beruf des
Kraftfahrers
mit
seinen
ständig
steigenden
Anforderungen muss gestärkt und attraktiver gemacht
werden. Die Sicherheit im Straßenverkehr muss
ebenfalls erhöht werden. Ob die hier von der
Kommission vorgeschlagene Option die Situation
wirklich verbessern kann, das wird sich zeigen müssen.
Aus meiner Sicht wird mit der vorliegenden Richtlinie
kein wirklich entscheidender Mehrwert erzielt.
Eine Ausbildung ist grundsätzlich zu begrüßen und nützt
dem Berufsstand. Aber durch die Führerscheinprüfung
hat jeder Kraftfahrer bereits heute mehr als nur
umfangreiche Kenntnisse der Straßenverkehrsordnung
nachzuweisen. Man sagt bei mir zu Hause: Doppelt
gemoppelt hält besser! Aber eine zwingende Logik ist
nicht erkennbar, wenn bei der Richtlinie viele Inhalte
nun unnötigerweise - so sehe ich das - doppelt
eingefordert werden. Ein entscheidendes Beispiel: In
Deutschland gibt es bereits eine echte Ausbildung zum
Berufskraftfahrer, die drei Jahre dauert. Im Vergleich
dazu kann man die im Titel der Richtlinie genannten
zeitlichen Anforderungen, vom Rat übrigens noch
verringert,
konsequent
nur
als
berufliche
16/01/2002
Grundausbildung bezeichnen. Mehr ist in einem
Zeitraum von 140 Stunden nicht zu leisten.
Ich sprach von Mehrwert. Wenn ich aber die
vorgesehenen Regelungen im Detail ansehe, stelle ich an
mancher Stelle eher eine Verschlechterung fest. Denn
ein 18-Jähriger dürfte nun einen Lastkraftwagen von 40
Tonnen mit Gefahrengut über die Alpenpässe bewegen
und das nach nur ein paar Stunden Grundausbildung!
Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Wir
brauchen eine Stärkung des Kraftfahrerberufs. Dafür ist
die Richtlinie geeignet. Aber in Punkto Sicherheit im
Straßenverkehr sollte nachgebessert werden. Vielleicht
wäre alles ja sehr viel besser, wenn wir endlich einen
neuen Tachografen hätten.
3-242
Rübig (PPE-DE). – Sehr geehrter Herr Präsident, werte
Frau Kommissarin Palacio, meine sehr geehrten Damen
und Herren! Uns liegt heute eine Richtlinie über
Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr vor.
Natürlich geht es dabei nicht nur um Gewichte, sondern
auch um Abmessungen. Das ist eine typische Taktik,
dass in der Überschrift eigentlich sehr prägnant zur
Kenntnis gebracht wird, worum es gehen soll, dann aber
in der
jeweiligen Richtlinie
natürlich eine
dementsprechende Ausweitung erfolgt.
Schon seit langem verfolge ich sehr kritisch die
Entwicklung bei den europäischen Bussen, weil diese
Detailliertheit auf europäischer Ebene eigentlich bei
weitem nicht notwendig wäre.
Wir - das Europäische Parlament ist sich hier völlig
einig - kämpfen am Ende für das Prinzip der
gegenseitigen Anerkennung. Wir sollten, wo immer nur
möglich, das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung
faktisch dann auch durchsetzen. Harmonisierung nur
dort, wo es wirklich unbedingt notwendig ist. An dieser
Stelle möchte ich der Richtlinie ein Lob aussprechen.
Sie ist ein Vorbild, wie kurz und exakt eine
Gesamtbestimmung für europäische Busse sein sollte.
Mein Wunsch wäre eigentlich, dass diese Richtlinie alle
anderen Richtlinien über europäische Busse aufhebt und
damit den Ländern und den Nationen die Möglichkeit
gibt, ihre Busse so zu gestalten, wie sie sie brauchen,
weil natürlich ein Bus in Sizilien bei heißer Temperatur
und in einem kleinen Dorf anders aussehen muss als ein
Bus in London in der rush hour oder ein Bus in
Nordfinnland, der große Distanzen überwinden muss.
Hier ist die Harmonisierung falsch. Sie kostet uns viel
Geld und sie verursacht einen Aufwand, der nicht
notwendig ist. Hier sollte die Kommission dringend
darüber nachdenken, in welchen Bereichen es eine
freiwillige Selbstverpflichtung geben sollte und wo
Normen festgesetzt werden sollten. Wir haben
hervorragende Normierungsausschüsse. Nur dort, wo es
unbedingt notwendig ist, wollen wir Rahmenrichtlinien.
3-243
Helmer (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, die
vorliegenden Vorschläge zur Ausbildung von
Berufskraftfahrern im Güterkraftverkehr sind, wie ein
16/01/2002
großer Teil der von diesem Haus erlassenen
Vorschriften, völlig unnötig. Die gegenseitige
Anerkennung nationaler Ausbildungsnachweise wäre
ausreichend, eventuell untermauert durch eine lockere
Rahmenrichtlinie
zur
Absicherung
von
Mindeststandards, insbesondere für Bürger aus
Drittstaaten. Stattdessen haben wir eine typische EUVorschrift vor uns: einmischend, überregulierend, sehr
teuer. Wie ein Weihnachtsbaum, an den wir unsere
Wunschliste für lauter teuren Flitterkram geheftet haben.
Umweltschutz ist wichtig, mit der Befähigung zum
Führen eines Lastkraftwagens hat er jedoch nichts zu
tun.
Die Vorschläge zur Erziehung zu einer gesunden
Ernährung sind von der britischen Presse mit Spott
überhäuft worden. Einem britischen Fernfahrer nahe zu
legen, auf Würstchen und Eier zu verzichten, ist etwa so,
als würde man den Papst zu einer Disko einladen – wir
machen uns lächerlich. Doch es geht um mehr als nur
den Spott. Allein im Vereinigten Königreich werden
diese Vorschläge Schätzungen zufolge zusätzliche
Kosten in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro
jährlich verursachen, und das in einer Branche, die
ohnehin in Schwierigkeiten ist. Der Zeitaufwand für die
geforderte Ausbildung eines selbständigen Fahrers ist
nicht durchzuhalten und wird Hunderte zur
Geschäftsaufgabe zwingen.
Das Parlament führt ständig die Bedürfnisse der KMU
im Munde, und trotzdem ignorieren wir ihre Sorgen
immer wieder. Wir reden über das Problem der
Arbeitslosigkeit, doch dann verabschieden wir
Richtlinien, die Arbeitsplätze vernichten. Diese
Vorschläge sind Teil eines konzertierten Angriffs der
Kommission auf den Güterkraftverkehr.
Ich will nicht verschweigen, dass ich eine besondere
Beziehung zu diesem Thema habe: Mein Stiefsohn ist
Kraftfahrer, und er und seine Kollegen sind über die
Vorschläge bestürzt. Obwohl ich lange danach gesucht
habe, konnte ich keine realistische Abschätzung der
Folgen für die Unternehmen darin finden. Wir stehen
vor gewaltigen Kosten, einem riesigen Schaden für die
Branche – insbesondere für Kleinunternehmen – sowie
einer massiven Beeinträchtigung der europäischen
Wettbewerbsfähigkeit. Ein weiteres Hindernis bei der
Erfüllung der Zielvorgaben von Lissabon, und wofür das
alles? Der Nutzen ist bestenfalls vage und spekulativ.
Ich fordere die Kollegen dringend auf, den GroschBericht zurückzuweisen. Lassen Sie uns einen
Augenblick innehalten und den großen Schaden
bedenken, den die Schaffung einer Flut belastender und
unnötiger Vorschriften nach sich zieht.
3-244
De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident, meine
Damen und Herren! Wir diskutieren über drei Berichte,
konkret über drei Gesetzesvorschläge, die einer
Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr dienen
und ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts
gewährleisten sollen.
103
Was
die
höchstzulässigen
Abmessungen
im
innerstaatlichen und im grenzüberschreitenden Verkehr
sowie
die
höchstzulässigen
Gewichte
im
grenzüberschreitenden Verkehr anbelangt, so möchte ich
Herrn Hatzidakis zu seiner ausgezeichneten Arbeit als
Berichterstatter und zu der letztendlich erreichten
Einigung in diesem ganzen Verfahren beglückwünschen.
Ich möchte meine Genugtuung darüber zum Ausdruck
bringen, dass es mit dem Abschluss des Berichts
gelungen ist, ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen
Binnenmarkt, Regulierung und Sicherheit zu erreichen,
ohne dabei technische und kommerzielle Erwägungen
außer Acht zu lassen. Dies war in der Tat die Absicht
der Kommission, als sie diese Initiative vorlegte, und
deshalb danke ich dem Parlament für die Annahme des
Gemeinsamen Standpunkts, den die Kommission ohne
Änderungsanträge voll unterstützt, da er praktisch alle
vom Parlament in erster Lesung angenommenen
Änderungsanträge aufgreift und weitere leichte
Veränderungen in den ursprünglichen Vorschlag der
Kommission einführt.
Nachdem ich Herrn Hatzidakis für seine Arbeit gedankt
habe, möchte ich der Arbeit von Herrn Van Dam meine
Anerkennung zollen und ihm direkt bestätigen, dass die
Kommission beabsichtigt, drei Jahre nach Inkrafttreten
der Verordnung einen Evaluierungsbericht zu erarbeiten.
Ich hoffe, dass das Parlament damit auf der Grundlage
des Gemeinsamen Standpunktes des Rates abstimmen
und die Angelegenheit abschließen kann, wodurch es
uns möglich sein wird, einen wirksamen Kampf für die
Beschäftigung zu führen und die Lage der Kraftfahrer
aus Drittländern durch Transportunternehmen der
Gemeinschaft zu regeln.
Abschließend möchte ich gern auf die Ausbildung der
Berufskraftfahrer im Güter- oder Personenkraftverkehr
eingehen. Ich möchte Herrn Grosch danken, der den
letzten Bericht zum Straßenverkehr erarbeitet hat, mit
dem wir uns heute beschäftigen, und feststellen, dass der
Bericht und seine Begründung beweisen, dass das
Europäische
Parlament
den
Standpunkt
der
Europäischen Kommission hinsichtlich der Bedeutung
dieses Vorschlags teilt, auch wenn es sich um einen
technischen Vorschlag handelt. Die vorgeschlagenen
Maßnahmen gestatten die Einführung eines kompletten
Pakets auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung der
Bus- und Lkw-Fahrer durch die Festlegung von
Mindestanforderungen.
Herr Langenhagen, es wird nicht gefordert, die in einem
Land praktizierte Berufsausbildung zu reduzieren,
sondern es werden Mindestanforderungen festgelegt, die
in allen Ländern einzuhalten sind.
Folglich ist nicht das derzeit in Deutschland geltende
Erfordernis der drei Jahre zu ändern, im Gegenteil, denn
es geht über das in dieser Richtlinie geforderte
Minimum hinaus. Notwendig ist allerdings, dass alle
deutschen Kraftfahrer, und das ist kein geringer
Prozentsatz – wie es gegenwärtig der Fall ist –, diese
Ausbildung weiterführen und abschließen. Die Ziele
bestehen in einer Anhebung der Qualität der
104
Berufskraftfahrer, der Straßenverkehrsstandards im
Allgemeinen, und in der Gewährleistung positiver
Ergebnisse im Bereich der Verkehrssicherheit.
Insgesamt können wir den größten Teil der
Änderungsanträge mit einigen Modifikationen in dem
einen oder anderen Fall annehmen, aber es gibt einige,
die wir ablehnen müssen. Zum Beispiel die Anträge 25
bis 41, da dies bedeuten würde, diese Initiative völlig in
den Händen der Staaten zu belassen. Es sei daran
erinnert, dass gegenwärtig nur 5 % der Bus- und LkwFahrer der Gemeinschaft über eine Berufsausbildung
verfügen. Nur 5 %.
Dieser Vorschlag ist also wesentlich für die
Verbesserung der Situation, die nicht nur die Sicherheit
verringert, sondern auch eine eindeutige Verzerrung des
Wettbewerbs
bewirkt,
und
nur
eine
Gemeinschaftsgesetzgebung, mit der die Ausbildung
obligatorisch vorgeschrieben wird, kann dieses Ziel
verwirklichen. Insbesondere in Bezug auf den
Änderungsantrag 37 werden wir jedoch in den
veränderten Vorschlag der Kommission einige der
Bedenken von Herrn Bradbourn aufnehmen, um dadurch
dem Grundsatz der Subsidiarität einen größeren
Spielraum zu geben, weil wir denken, dass er in einigen
der vorgetragenen Aspekte Recht hat.
Selbst wenn die Kommission das Prinzip einer
Parallelausbildung zum Erhalt des Führerscheins und
einer Berufsausbildung akzeptieren könnte, würde sie es
vorziehen, jegliche Doppelung zu vermeiden, und aus
diesem Grund können die Änderungsanträge 6, 16, 17
und 18 nicht angenommen werden. Ebenso wenig
Antrag 5, weil dieser Schwierigkeiten im Sektor
auslösen kann, der gegenwärtig unter einem ernsten
Mangel an Kraftfahrern leidet, indem er den Fahrern, die
bereits den Beruf ausüben, aber noch nicht über drei
Jahre Erfahrung verfügen, die Grundausbildung
auferlegt.
Allerdings
könnten
wir
Kompromissbereitschaft zeigen und Änderungsantrag 27
annehmen. Was Änderungsantrag 10 hinsichtlich der
Einbeziehung von Ausbildungsstunden in die Arbeitszeit
anbelangt, so ist dies nach Ansicht der Kommission eine
Frage, zu der sich die Sozialpartner äußern müssen, und
folglich kann dieser Antrag nicht akzeptiert werden.
Die
Kommission
hat
Probleme
mit
dem
Änderungsantrag 13, der den Ort für die Durchführung
der Ausbildung betrifft. Wir denken, dass man einen
gewissen Grad der Flexibilität bei der kontinuierlichen
Ausbildung einführen kann, deren Dauer kurz ist und die
sowohl im Land mit dem ordentlichen Wohnsitz als
auch in dem Land durchgeführt werden könnte, in dem
der Kraftfahrer beschäftigt ist, aber nicht in anderen
Gebieten, da es bereits ähnliche schon verabschiedete
Bestimmungen bezüglich der Führerscheine und der
Fahrerkarte gibt.
Was Änderungsantrag 19 anbelangt, so wird eine Option
„Internationaler Verkehr“ eingeführt, die sich vor allem
auf die Kenntnis von Sprachen konzentriert. Das ist
nicht das Ziel dieses Vorschlags, und folglich können
16/01/2002
wir ihn nicht annehmen. Die Kommission unterstützt
auch nicht die Änderungsanträge 2, 22 und 23, da sie
über den Anwendungsbereich dieser Richtlinie
hinausgehen. Schließlich sind wir der Ansicht, dass die
Änderungsanträge 42, 44 und 45, die die
Ausbildungsdauer in den Artikeln anstatt im Anhang
regeln, ebenfalls nicht akzeptiert werden können.
Ich schließe, Herr Präsident, indem ich den drei
Berichterstattern für ihre Arbeit meinen Dank
ausspreche. Ich danke auch dem Parlament dafür, dass
voraussichtlich zwei der Vorschläge, konkret der über
die höchstzulässigen Abmessungen im innerstaatlichen
und
grenzüberschreitenden
Verkehr
und
die
höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden
Verkehr
sowie
der
über
die
einheitliche
Fahrerbescheinigung, angenommen werden und ihre
Behandlung in Kürze abgeschlossen werden kann, damit
sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt umgesetzt werden
können. Ich hoffe, dass wir bei der weiteren
Durchführung des Verfahrens zu einer Einigung über die
Ausbildung der Berufskraftfahrer im Güter- und
Personenkraftverkehr gelangen, die wir ebenfalls für
einen äußerst wichtigen Aspekt zur Verbesserung der
Sicherheit im Straßenverkehr und zur Vermeidung von
Verzerrungen auf den Märkten, konkret auf dem
Verkehrsmarkt der Europäischen Union, halten, denn,
wie ich sagte, können viele der eingebrachten
Änderungsanträge angenommen werden, während einige
der Anträge, in denen es darum geht, der Subsidiarität
zweckmäßigerweise einen größeren Spielraum zu lassen,
in den geänderten Vorschlag aufgenommen werden, den
wir zum gegebenen Zeitpunkt vorlegen.
3-245
Der Präsident. - Vielen Dank, Frau Kommissarin de
Palacio!
Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
3-246
Partnerschaftsabkommen AKP/EG
3-247
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Empfehlung (A5-0412/2001) von Herrn Rod im Namen
des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit
zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates
(2117/2000 - KOM(2000)324 - C5-0417/2000 2000/0124(AVC)) über die Unterzeichnung des
Partnerschaftsabkommens zwischen den Staaten in
Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean
und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten.
3-248
Rod (Verts/ALE), Berichterstatter. – (FR) Herr
Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Obgleich
ich in der Begründung zu diesem Bericht einen recht
kritischen Ton angeschlagen habe, muss unsere Haltung
doch konstruktiv bleiben, und so schlage ich dem
Europäischen Parlament trotz der späten Stunde vor, der
16/01/2002
Ratifizierung dieses Partnerschaftsabkommens AKP-EU
seine Zustimmung zu erteilen.
Die Unterzeichnung des Abkommens von Cotonou stand
nicht von vornherein fest. Die AKP-Länder haben zwar
immer
ihren
Willen
zur
Fortsetzung
der
Zusammenarbeit mit der Europäischen Union
manifestiert, doch auf europäischer Seite wurden
mehrere Szenarien in Betracht gezogen. Die
europäischen Interessen auf der internationalen Bühne
haben sich gewandelt, und Afrika ist zu einem
zweitrangigen Kontinent geworden. Unter den zehn
größten Empfängern von Gemeinschaftshilfe befindet
sich kein AKP-Land. Es hat niemals eine wirkliche
politische Bewertung von Lomé stattgefunden, doch
wurden dieselben Grundlagen wieder für Cotonou
herangezogen. Daher bezweifeln wir, dass das
Abkommen von Cotonou in der Lage sein wird, eine
Dynamik der nachhaltigen Entwicklung hervorzurufen,
wenn es nicht zu einer Neudefinition einer
ausgewogeneren internationalen Wirtschaftsordnung
kommt, in der die Entwicklungsländer endlich Rechte
bekommen. Denn die strukturellen Ursachen, die den
Erfolg der Lomé-Abkommen beeinträchtigt haben,
wirken noch fort: die Last der Schuldenrückzahlungen,
die die Haushalte der AKP-Länder und deren
Möglichkeiten zu Investitionen für eine nachhaltige
Entwicklung im Übermaß beeinträchtigt, die ständige
Verschlechterung der Terms of Trade zuungunsten der
Entwicklungsländer aufgrund des Fehlens eines
internationalen Systems zur Regulierung des Handels
mit Grundstoffen, eine Strukturanpassungspolitik, die
den AKP-Ländern Haushaltsbeschränkungen auferlegt
und schließlich eine inkohärente EU-Politik, die parallel
zu ihrer Entwicklungspolitik nicht nur die eigene
Agrarproduktion subventioniert und die Überschüsse in
die Entwicklungsländer exportiert, was die örtlichen
Märkte
ruiniert,
sondern
auch
industrielle
Fischfangschiffe die Territorialgewässer der AKPStaaten
ausbeuten
lässt,
was
die
Versorgungsmöglichkeiten
der
Bevölkerung
beeinträchtigt und der Artenvielfalt abträglich ist. Des
Weiteren
dürfen
wir
auch
die
internen
Funktionsprobleme
der
AKP-Gruppe,
die
demokratischen Defizite in bestimmten Ländern sowie
die unproduktive Nutzung der Gelder durch korrupte
Regime nicht unterschätzen.
Das Abkommen von Cotonou weist keine Neuerungen
auf. Es verstetigt und verstärkt die Wende hin zur
Liberalisierung, die unter Lomé IV eingeleitet wurde
und von den internationalen Institutionen gefördert wird,
d. h. die Handelsliberalisierung unter Wegfall der nicht
auf Gegenseitigkeit beruhenden Handelsregelungen
sowie von STABEX und SYSMIN, an deren Stelle die
künftige
Handelsregelung
treten
wird,
die
wahrscheinlich die Form von mit den WTO-Regeln zu
vereinbarenden
Abkommen
über
regionale
Wirtschaftspartnerschaft (APER) annehmen wird. Doch
können die AKP-Länder dem weltweiten Wettbewerb
standhalten? Birgt die Sonderbehandlung der LDC, die
in den Genuss der Initiative „Alles außer Waffen“
kommen, nicht die Gefahr in sich, den Zusammenhalt
105
der AKP-Gruppe zu beeinträchtigen? Dazu kommt die
wirtschaftliche Liberalisierung im Rahmen des
Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit
Dienstleistungen.
Die
Privatisierung
dieses
Wirtschaftssektors ist ein sehr gefährlicher Prozess für
die AKP-Länder, in denen die öffentlichen
Grundversorgungsdienste
wie
Bildung,
Gesundheitswesen und Justiz ohnehin schon schwach
oder gar inexistent sind. Ebenso ist die Bezugnahme auf
die TRIPs-Abkommen eine Gefahr für die Völker des
Südens, denen damit der Zugang zu ihren eigenen
Naturressourcen
versperrt
werden
kann.
Die
Artenvielfalt ist in Gefahr. So ist im Abkommen von
Cotonou die Umwelt auf einen der hinteren Plätze
gerutscht. Im Gegensatz zu einer nachhaltigen
Entwicklungsstrategie wird lediglich versucht, die
Umweltauswirkungen der Entwicklungspolitiken zu
begrenzen.
Allerdings weist das Abkommen von Cotonou auch
interessante Aspekte auf, die es bewusst zu nutzen gilt.
Die Anerkennung der Zivilgesellschaft als Akteur der
Partnerschaft ist eine bedeutende Neuerung. Ihre
Vertreter müssen im Vorfeld am Dialog über die
Entwicklungsmaßnahmen und -strategien beteiligt, in
die Umsetzung der Programme einbezogen werden und
auch direkt Gelder erhalten. Es ist erforderlich, diese
Zivilgesellschaft zu definieren und zu gewährleisten,
dass sie nicht von der einen oder anderen Seite
instrumentalisiert wird. Die Zivilgesellschaften der
einzelnen AKP-Länder müssen sich daher auf nationaler,
aber auch auf regionaler Ebene organisieren, um aktiv an
der Entwicklung ihrer Länder teilzunehmen zu können.
Dieser Prozess ist gegenwärtig mit der Bildung des
AKP-Forums der Zivilgesellschaft im Gang. Die
Europäische Union muss diesen Prozess unterstützen,
wie dies bereits die belgische Präsidentschaft getan hat.
Die Rolle der Paritätischen Parlamentarischen
Versammlung wird auf dieser Ebene insofern gestärkt,
als sie die Einbeziehung der Zivilgesellschaft sowie die
Umsetzung der demokratischen Prozesse überwachen
muss. Allerdings verfügt sie dazu über keine
verbindlichen Instrumente. Der politische Dialog ist ein
weiterer wichtiger Faktor. Er muss jedoch einen
gegenseitigen Charakter aufweisen und effektiv
durchgeführt werden. Die Initiative „Alles außer
Waffen“ ist ohne Konsultation der AKP-Länder
realisiert worden, und die Sanktionen weisen immer
noch eine variable Geometrie auf. Da die Europäische
Gemeinschaft vorhat, in einigen Schlüsselsektoren
beträchtliche Investitionen vorzunehmen, sollte in den
nationalen Richtprogrammen der Ausbau der
öffentlichen Dienstleistungen sowie die Stärkung der
administrativen und institutionellen Kapazitäten im
Vordergrund stehen. In der Praxis wird jedoch alles von
der konkreten Umsetzung des Cotonou-Abkommens
abhängen. So sieht dieses z. B. eine variable Planung der
Hilfen in Abhängigkeit von den Leistungen der
jeweiligen Länder vor. Doch wer wird die
Leistungskriterien festlegen? Wird man sich dafür
entscheiden, die Fähigkeit der Länder, die großen
gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichte
wiederherzustellen, oder die Auswirkungen der Hilfe auf
106
16/01/2002
die Verringerung der Armut zu bewerten? Die
Neuaufteilung der Kompetenzen unter den Dienststellen
der Kommission scheint wenig angetan, eine größere
Kohärenz in der Entwicklungspolitik herbeizuführen.
Inwieweit kann die Generaldirektion Handel ein für die
AKP-Länder günstigeres Handelsmodell fördern und
dabei gleichzeitig die Handelsinteressen der Union
vertreten? Und dass der Generaldirektion Entwicklung
immer mehr Befugnisse in diesem Bereich entzogen
werden, lässt kaum Gutes hoffen.
zusammenhängen, aber auch, dass es der EU trotz allem
gelungen ist, ein Abkommen zustande zu bringen, das
uns einen Einsatz in Simbabwe mit einem hoffentlich
guten Ergebnis erlaubt. Ich stimme mit dem Kommissar
überein, der in seiner Rede abschließend sagte – und
auch ich möchte damit abschließen -, dass das C in CFP
„...stands for common, not convenient and colonial“.
Unserer Arbeit – und ich stimme dem zu – ist also noch
nicht abgeschlossen, und das gilt auch für dieses
Parlament.
Was uns als europäische Abgeordnete betrifft – und
damit möchte ich schließen -, so ist theoretisch morgen
nach der Abstimmung unsere Aufgabe erledigt. Da der
EEF nicht aus dem Haushalt gespeist wird, sind wir
nicht weiter für die Kontrolle und die Realisierung der
Ziele im Bereich der Zusammenarbeit AKP-EU
zuständig. Dies ist nicht hinnehmbar. Wir müssen
vielmehr gemeinsam an der Umsetzung dieses
Abkommens arbeiten, damit die Hilfe wirklich zu einer
Verbesserung des Lebensniveaus der Bevölkerungen der
AKP-Länder entsprechend ihren Bedürfnissen in den
Bereichen Ernährung, Bildung und Gesundheitsfürsorge
beiträgt.
3-250
3-249
Dybkjær (ELDR), Verfasserin der Stellungnahme des
Ausschusses
für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame
Sicherheit
und
Verteidigungspolitik. – (DA) Herr Präsident, vor
nunmehr eineinhalb Jahren konnten wir die Kommission
zum Abkommen von Cotonou beglückwünschen und
eigentlich ist es etwas beschämend, dass bisher nur drei
EU-Staaten das Abkommen ratifiziert haben. Ich weiß,
dass im Frühjahr noch einige hinzukommen werden,
aber es ist trotzdem weiterhin recht unbefriedigend.
Wenigstens werden wir morgen unsere Zustimmung
erteilen, auch wenn ich dem Berichterstatter beipflichten
muss, dass das erst der Anfang ist; trotzdem möchte ich
dem Berichterstatter zu seinem Bericht gratulieren.
Seit der Unterzeichnung des Abkommens im Juni 2000
hat sich die Welt zweifellos verändert, aber deshalb
verliert es ja nicht an Bedeutung. Meiner Ansicht nach
kann man sagen, dass seither die Tatsache noch
wichtiger geworden ist, dass Außenpolitik und
Entwicklungspolitik zusammenhängen, und ich bin auch
froh, heute für den Ausschuss für Auswärtige
Angelegenheiten sprechen zu können, denn dadurch
wird der Zusammenhang zwischen Außen- und
Entwicklungspolitik herausgestellt. Herr Kommissar
Nielson hat sich in einer Rede im Dezember 2001 in
Berlin unter dem Titel „Von Afghanistan nach
Simbabwe“ diese Worte zu eigen gemacht. Die
Reihenfolge ist dabei nicht so wichtig. Aber der 11.
September zeigte überdeutlich diesen Zusammenhang
und nicht zuletzt die Bedeutung der Außenpolitik. Der
11. September zeigte, was geschehen kann, wenn wir
nicht in allen Teilen der Welt für eine Entwicklung
sorgen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, diese Entwicklung
fortzusetzen. Dasselbe trifft auf die Entwicklung im
Kosovo zu. Auch in Bezug auf Simbabwe ist eindeutig
zu erkennen, dass Außenpolitik und Entwicklungspolitik
Corrie (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, zunächst
möchte ich dem Berichterstatter für die enorme Arbeit
danken, die er in diesen Bericht gesteckt hat, und für die
darin enthaltenen Informationen. Mich enttäuscht
jedoch, dass er so pessimistisch ist, sowohl im
Rückblick auf die Vergangenheit als auch in Bezug auf
die Zukunft. Natürlich unterstütze ich einen Teil seiner
Kritik: zu viel Papierkram, wenig Entscheidungsfreiheit,
langsame
Umsetzung
und
ungenügende
Leistungsfähigkeit der Entwicklungsländer. Dadurch ist
es zu Enttäuschungen gekommen, aber Kommissar
Nielson geht diese Probleme entschlossen an.
Ich bin viel optimistischer als der Berichterstatter. Für
mich ist das Abkommen von Cotonou der richtige Weg.
Lomé hatte seine Schwächen. Aber es war ein
einzigartiges Konzept, und es ist viel gute Arbeit
geleistet worden. Das neue Partnerschaftsabkommen
stützt sich auf die richtigen Prinzipien und stellt eine
Verbesserung des alten Abkommens von Lomé dar. Das
Thema Verringerung der Armut muss richtig sein. Die
einzige Frage ist, wie das am besten erreicht werden
kann. Es wird viel über das Für und Wider von
projektgebundener
Finanzierung
und
Haushaltsunterstützung
diskutiert.
Sollten
wir
multilaterale oder bilaterale Hilfe einsetzen? Ich trete
nachdrücklich für multilaterale Hilfe ein, untermauert
durch bilaterale Hilfe, wo damit Projekte ergänzt werden
können.
Ich meine nicht, dass die projektgebundene Hilfe
fehlgeschlagen ist. Das Problem bestand darin, dass die
Länder nicht in der Lage waren, die Projekte nach
Vollendung durch die Europäische Union fortzuführen.
Ich bin auch noch nicht davon überzeugt, dass
Haushaltsunterstützung in vielen Entwicklungsländern
streng genug kontrolliert werden kann, und fürchte, dass
sie der Korruption Tür und Tor öffnen wird.
Meiner Ansicht nach werden die neuen Faktoren des
Abkommens von Cotonou die stärksten Auswirkungen
haben: die politische Dimension, das Betonen der
verantwortungsvollen Staatsführung, Konfliktprävention
und -beilegung, das Zusammenwirken mit der
Zivilgesellschaft, der regionale Ansatz zur Stärkung des
Handels und die parlamentarische Dimension der
Paritätischen
Versammlung.
All
das
sind
Voraussetzungen, die die Partnerschaft stärken dürften.
So hat sich auch meine Rolle als Kopräsident im
vergangenen Jahr verändert. Sie war im zurückliegenden
16/01/2002
Jahr deutlich stärker politisch ausgerichtet, zum Beispiel
bei den Diskussionen zur Konfliktlösung und zur
verantwortungsvollen Staatsführung mit Präsident
Taylor in Liberia, oder den Diskussionen mit den
Präsidenten von Botswana, Malawi und Mosambik über
die Situation in Simbabwe und die konkreten Folgen für
diese Länder.
Für all das brauchen wir eine effektive Kommission, mit
hinreichend finanziell ausgestatteten und besetzten
Delegationen. Die meisten, die ich bisher kennen lernte,
sind im Moment außerordentlich schlecht ausgestattet,
weil es an Mitteln fehlt und soviel Papierkrieg zu führen
ist. Dafür zeichnet das Parlament verantwortlich. Wir
müssen alle Länder dringend auffordern, das Abkommen
zu ratifizieren, wie Frau Dybkjær ausführte, damit der 9.
EEF in Kraft treten kann.
107
Konfliktprävention bzw. -beilegung zu bemühen, sowie
Armutsbekämpfung als erklärtes Ziel sind wichtige
Instrumente der AKP-Zusammenarbeit, wenn auch
leider keine Erfolgsgarantie. Als Stichwörter hierzu
mögen genügen: Sudan, Horn von Afrika, Kongo,
Simbabwe, Islamismus und HIV bzw. AIDS. Die
parlamentarische Begleitung der AKP-Zusammenarbeit
ist ein Weltmodell. Sie wurde durch das Abkommen von
Cotonou aufgewertet. Das stärkt neben dem
parlamentarischen Charakter ihre Rolle als ein offenes
Diskussionsforum und Kontrollorgan. Auch das ist Teil
der neuen Qualität des Abkommens von Cotonou, und
auch das macht es uns leicht, als Fraktion diesem
Abkommen zuzustimmen.
(Beifall)
3-252
Diese Partnerschaft muss funktionieren. Wenn wir
tatsächlich die Zuwanderung aus wirtschaftlichen
Gründen beenden und den Terrorismus aus der Welt
schaffen
wollen,
müssen
wir
in
den
Entwicklungsländern einen Lebensstandard bieten, der
die Menschen überzeugt, dort zu bleiben und dort zu
arbeiten.
3-251
Junker (PSE). - Herr Präsident, meine Damen und
Herren! Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die
Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas kann
dem Abkommen von Cotonou aus Überzeugung
zustimmen, auch wenn nichts so gut ist, dass es nicht
noch besser werden könnte. Die knapp bemessene
Redezeit erlaubt leider keine umfassende Würdigung des
Abkommens, und ich muss mich deshalb auf wenige
Aspekte beschränken.
Das Abkommen von Cotonou steht in der
kontinuierlichen
Fortführung
der
europäischen
Kooperation mit den Entwicklungsländern Afrikas, der
Karibik und des pazifischen Raumes. Sie begann mit
dem Abkommen von Yaoundé und wurde seit 1975 mit
insgesamt vier Abkommen von Lomé ausgebaut.
Vertragspartner von Lomé I waren erst 46 AKP-Länder
und 9 Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen
Gemeinschaft. Das Abkommen von Cotonou verbindet
inzwischen 77 AKP-Staaten und 15 EU-Länder
miteinander. Wichtiger als die geographische
Ausweitung ist allerdings die breitere inhaltliche Basis.
Mit dem Zerfall der Blöcke und den damit verbundenen
politischen Umwälzungen in aller Welt, also auch in den
AKP-Staaten, gewann die politische und auch
handelspolitische Dimension an Bedeutung. Die
Wahrung der Menschenrechte und die Anwendung
demokratischer,
rechtsstaatlicher
Prinzipien,
verantwortliche Staatsführung und Stärkung der
Zivilgesellschaft sind wichtige Vertragsinhalte, deren
Verletzung gegebenenfalls mit Sanktionen belegt
werden kann.
Der im Abkommen von Cotonou festgeschriebene
politische Dialog und die ebenfalls verankerte
Verpflichtung, sich um Friedenskonsolidierung und
Van den Bos (ELDR). – (NL) Wird das Abkommen von
Cotonou mehr Früchte abwerfen als seine LoméVorgänger? Das neue Kooperationsabkommen mit den
AKP-Staaten zieht Lehren aus den bisherigen
Erfahrungen und reflektiert die neuen Einsichten, die im
Bereich des Handels, der verantwortungsvollen
Staatsführung, der Hilfe sowie der Rolle der
Bürgerorganisationen
gewonnen
wurden.
Selbstverständlich ist Kritik erlaubt, der Kollege Rod ist
mit seinem umfassenden Bericht meines Erachtens
jedoch weit über das Ziel hinausgeschossen. Seiner
Analyse zufolge ist Europa der Teufel in Person und
werden die AKP-Staaten zu Heiligen erklärt. Ursache
der katastrophalen gewalttätigen Konflikte ist die Armut,
und Schuld an der Armut ist der reiche Westen. So
einfach ist es leider nicht. Es ist eine unfaire
Behauptung, das Abkommen von Cotonou führe
lediglich zu einem ungezügelten Liberalismus. In dem
Abkommen wird zwar zu Recht großer Nachdruck auf
die wichtige Teilnahme anderer Akteure als lediglich der
lokalen Behörden gelegt, etwa der NRO und des
Privatsektors. Nicht nur die Geber müssen Lehren
ziehen, sondern auch die Entwicklungsländer selbst.
Deshalb ist es richtig, dass die AKP-Staaten in dem
Cotonou-Abkommen auf ihre Eigenverantwortung
angesprochen werden. Die Hilfe wird zu Recht, unter
Berücksichtigung der von den Empfängerländern
erbrachten Leistungen, verstärkt. Längerfristiger Erfolg
hängt nicht nur von uns ab, sondern vor allem auch von
den unablässigen eigenen Bemühungen der Partner.
Geht Kommissar Nielsen darin mit mir konform?
Von entscheidender Wichtigkeit für das Erzielen von
Ergebnissen ist die Verwaltungskapazität. Mindestens
ebenso wichtig ist es, Machtmissbrauch und
Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Der
vorgesehene umfassende Dialog bildet daher in meinen
Augen den Kern des Cotonou-Abkommens. Die EU und
die AKP-Partner dürfen es auf keinen Fall bei guten
Vorsätzen bewenden belassen. Die Europäische Union
muss ihre Entwicklungs-, Handels- und Agrarpolitik
grundlegend reformieren, und die AKP-Staaten müssen
alles auf Demokratisierung, politische Stabilität und
Konfliktverhütung setzen, damit sich ihre Länder in
108
16/01/2002
sozialer Hinsicht entwickeln und zu vollwertigen
Handelspartnern werden können.
Kreislauf von schwacher Entwicklung und ungeheuerer
Armut zu durchbrechen, unter dem diese Länder leiden.
3-253
3-254
Miranda (GUE/NGL). – (PT) Herr Präsident! Ich
möchte dem Kollegen Didier Rod für seine
ausgezeichnete Arbeit zu diesem Thema danken und ihn
beglückwünschen. Im Wesentlichen teile ich die
Überlegungen in den Erwägungsgründen und den
Schlussfolgerungen, die er uns unterbreitet hat und die
wir im Ausschuss für Entwicklung und Zusammenarbeit
angenommen haben.
Belder (EDD). – (NL) Herr Präsident! Wir tun hier nicht
viel mehr, als eine nachträgliche Diskussion zu
veranstalten. Die Verhandlungen über das Abkommen
von Cotonou sind seit nunmehr fast zwei Jahren
abgeschlossen. Allerdings hoffe ich, der Rat wird sich
den Bericht von Herrn Rod zu Herzen nehmen. Ich
beglückwünsche den Berichterstatter zu der scharfen
Analyse seines Berichts. Das Fortbestehen einiger
Widersprüche in dem Cotonou-Abkommen sowie die
mangelnde
Bereitschaft,
die
Unterentwicklung
abzubauen,
wenn
dies
gleichzeitig
bedeutet,
Eigeninteressen
hintanzustellen,
lassen
den
Berichterstatter
an
dem
Gelingen
dieses
Entwicklungsprojekts zweifeln. Dem schließe ich mich
an. Der Integration in das Welthandelssystem anstelle
einer Änderung dieses Systems zu Gunsten der
allerärmsten Länder kann ich nur teilweise zustimmen.
Hilfe ohne Handel bewirkt zwar nicht sehr viel, doch ist
Handel kein Allheilmittel zur Förderung der
Entwicklung.
Ich werde mich deshalb auf einige kurze Bemerkungen
beschränken. Zunächst möchte ich sagen, dass der
größte Erfolg dieses neuen Abkommens wohl darin
besteht, dass es überhaupt zustande gekommen ist,
waren doch auf dem Weg dahin so viele langwierige und
schwierige Hindernisse zu überwinden. Schwierigkeiten
und Hindernisse, die sich abzuzeichnen begannen, als
sich das Ende der Partnerschaft mit den AKP-Staaten
anbahnte, und die – bereits in der Endphase der
Verhandlungen – in der späten und wenig doktrinären
Einwanderungsproblematik ihren Höhepunkt fanden.
Ihre endgültige Überwindung ist deshalb für mich mit
der Festlegung eines neuen Abkommens für einen
Zeitraum von 20 Jahren eines der positivsten,
beachtenswertesten Elemente.
Es gibt darüber hinaus aber noch substanziellere Gründe.
Das betrifft den Aufruf zu einer größeren Einbeziehung
der Zivilgesellschaft, insbesondere, wenn diese im
weitesten Sinne verstanden wird und nicht im
Widerspruch zu der Zusammenarbeit und der
Unterstützung steht, die den Zentralverwaltungen der
AKP-Staaten zuteil werden muss, die in der Regel große
strukturelle Schwächen aufweisen. Das betrifft auch die
vorgesehene Regionalisierung, sofern sie umsichtig
erfolgt, nicht aufgezwungen wird und keine
unerwünschte Fragmentierung der AKP-Staaten
darstellt.
Gleichwohl muss man sagen, dass es auch Elemente in
diesem neuen Abkommen gibt, die bei uns eine gewisse
Besorgnis aufkommen lassen. Erstens die systematische
Forderung nach Konditionalitäten und einseitigen
Zielstellungen, die nicht nur zur Zerstörung einer
gleichberechtigten Partnerschaft führen, sondern auch
die Wahl der entsprechenden Entwicklungspolitiken
durch die AKP-Staaten in Frage stellen können.
Zweitens das rasche Voranschreiten im Sinne der
Verankerung des Liberalisierungssystems der WTO, das
sich ja bekanntlich für die weniger entwickelten Länder
als besonders negativ erwiesen hat. Diese Aspekte
dürfen wir nicht außer Acht lassen; sie können
gleichzeitig mit der deutlichen Hinwendung zum Osten
der Europäischen Union – ich erinnere daran, dass sich
noch kein AKP-Staat auf der Liste der zehn Länder
befindet, die am stärksten von der europäischen
Zusammenarbeit profitieren – eine Partnerschaft
gefährden, von der wir uns wünschen, dass sie nützlich
und von beiderseitigem Vorteil ist und hilft, den
Abschließend noch ein Wort zu den künftigen
regionalen Handelsabkommen. Aus der Sicht der WTO
besteht kaum eine andere Alternative, als Lomé auf
diese Weise fortzusetzen. Ich möchte jedoch auf eine
weitere
Perspektive,
nämlich
die
Entwicklungsperspektive verweisen. Ich bin mir nicht so
sicher, dass die Abkommen über regionale
Wirtschaftspartnerschaft allen unseren Partnern zugute
kommen werden. Insbesondere die am wenigsten
entwickelten Länder profitieren kaum davon. Zudem ist
es durchaus möglich, dass zwischen den verschiedenen
Ländern in ihren mehr oder weniger künstlich
eingeteilten Regionen Interessenkonflikte entstehen.
Dies steht in direktem Widerspruch zu der auf der
Tagesordnung
obenan
stehenden
Konfliktverhütungspolitik der Europäischen Union.
3-255
Schwaiger (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr
Kommissar Nielson, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das neue Abkommen über Zusammenarbeit und
Entwicklung, das Cotonou-Abkommen, stellt einen
wesentlich verbesserten Rahmen der Zusammenarbeit
mit den AKP-Staaten dar. Wir unterstützen dieses
Abkommen nachdrücklich. Wesentliche inhaltliche und
politische Verbesserungen sind auf Vorschläge des
Europäischen Parlaments zurückzuführen. Wir teilen
daher nicht die sehr kritische Beurteilung und
Begründung des Berichterstatters. Wir meinen sogar,
dass diese ein ziemliches Zerrbild ist.
Lassen Sie mich drei sehr positive Punkte gegen die
Analyse des Berichterstatters stellen. Erstens ist die
Einsetzung einer parlamentarischen Versammlung ein
echter Fortschritt. Daher dürfen auf der AKP-Seite nach
einer angemessenen Anlaufzeit nur noch frei gewählte
Parlamentarier und nicht mehr wie bisher noch teilweise
Botschafter eine Rolle spielen. In der neuen
Geschäftsordnung unserer Paritätischen Versammlung
16/01/2002
muss dieser Grundsatz nicht nur festgelegt sein, sondern
muss auch praktiziert werden. Wir werden gegen die
Zulassung jeden AKP-Botschafters stimmen, wenn er
zum Beispiel frei gewählte afrikanische Abgeordnete
verdrängt.
Der zweite Punkt ist eine regionale Ausrichtung der
Zusammenarbeit. Sie macht Schluss mit der
wirtschaftlichen Kleinstaaterei in Afrika und geht
ebenfalls auf Vorschläge des Europäischen Parlaments
zurück.
Regionale
Freihandelsund
Zusammenarbeitsabkommen müssen den künftigen
Schwerpunkt unserer Zusammenarbeit bilden. Wir
drängen darauf, dass noch in diesem Jahr unsere
regionale parlamentarische Zusammenarbeit vor Ort
beginnen wird, beispielsweise im Anschluss an unser
Treffen in Kapstadt im März mit dem südlichen Afrika
oder im Laufe des Jahres mit der westafrikanischen
Wirtschaftsgemeinschaft.
Drittens unterstützen wir die Verstärkung der
Demokratie- und Menschenrechtsklausel. Wir meinen,
dass es darauf ankommt, die auch schnell umzusetzen.
Als Beispiel nenne ich Nigeria, Togo, Simbabwe. Wir
hoffen, dass wir damit schließlich auch zu einer echten
parlamentarischen
Partnerschaft
mit
unseren
afrikanischen und anderen AKP-Parlamentariern
kommen.
3-256
Martínez Martínez (PSE). – (ES) Herr Präsident, die
Empfehlung unseres Freundes Rod an unser Parlament,
das Abkommen von Cotonou zu ratifizieren, ist von
einer eingehenden Analyse des Abkommens, seiner
Bedeutung und seiner Neuerungen begleitet, die aus
einem kritischen Blickwinkel erfolgt, deren Gründe wir
mit dem Berichterstatter teilen: Es sind die Lücken im
Abkommen und die Mängel, die schon in dieser kurzen
Zeitspanne seines provisorischen Bestehens festgestellt
wurden. Das hindert uns jedoch nicht, ihm unsere
Unterstützung zu geben und seine Ratifizierung zu
fördern.
Dieses Abkommen entstand in einer wesentlich anderen
Situation als das erste Abkommen von Lomé; unter den
derzeitigen internationalen Bedingungen reichen jedoch
die wirtschaftlichen Instrumente nicht mehr aus, um die
Globalisierung auf Ziele der Gerechtigkeit zu lenken.
Dazu benötigt man auch Instrumente der politischen
Zusammenarbeit. Deshalb sollte dieses Abkommen trotz
seiner Unzulänglichkeiten willkommen sein, wir müssen
nun das Beste aus ihm machen.
Die Rolle des Europäischen Parlaments in Bezug auf das
Abkommen darf nicht auf die Kontrolle des
Europäischen Entwicklungsfonds begrenzt sein. Ich
glaube, wir können mit diesem Abkommen Wichtiges
erreichen. Zunächst müssen seine positiven Elemente
bekannt gemacht und seine Ratifizierung durch unsere
nationalen Parlamente vorangetrieben werden. Es ist
skandalös, dass es eineinhalb Jahre nach seiner
Unterzeichnung offensichtlich nur von drei der fünfzehn
Staaten ratifiziert wurde.
109
Eine weitere wichtige Aktion, die wir unterstützen
können, ist die Konsolidierung und effektive
Arbeitsweise der nationalen Parlamente der AKPLänder. Rod unterstreicht als Neuerung in dem
Abkommen die Beteiligung der Zivilgesellschaft und
erkennt die stets wichtige Rolle des Staates an, aber im
Staat sind die effektiv arbeitenden Parlamente die beste
Garantie, um Not und Elend zu vermeiden, die
Korruption zu bekämpfen und unsere Zusammenarbeit
effektiv zu gestalten, ein Ziel, das dem Abkommen von
Cotonou zugrunde liegt. Wir müssen die Parlamente
unserer Partner unterstützen, und so kann die
Paritätische Versammlung AKP-EU die ihr vom
Abkommen übertragene demokratische Kontrolle
wahrnehmen.
Rod stellt uns die Millionen-Frage: Trägt unsere
Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens von
Cotonou zur Entwicklung unserer AKP-Partner bei, oder
sucht sie einfach die Errichtung des liberalen Modells in
diesen Ländern? Und ist das liberale Modell tauglich,
um dort eine gerechte Entwicklung zu gewährleisten?
Ich glaube, das allein tut es nicht. Deshalb müssen wir
danach streben, dass dieses Abkommen von Cotonou
über den Rahmen kommerzieller Beziehungen
hinausgeht und ein würdiges und gerechtes Instrument
für politische und wirtschaftliche Beziehungen mit den
AKP-Staaten wird und dass unsere Zusammenarbeit mit
ihnen eine der Säulen der solidarischen und
demokratischen Weltordnung bildet, die wir brauchen
und der wir verpflichtet sind, zumindest meine Fraktion.
3-257
Howitt (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich begrüße den
Bericht von Herrn Rod und stimme mit ihm darin
überein, dass die Erneuerung des Rahmenabkommens
über die Zusammenarbeit zwischen der EU und den
AKP-Staaten am besten vor dem Hintergrund der
Herausforderungen
der
Globalisierung,
der
wirtschaftlichen Liberalisierung und der Reform der
Außenhilfe der Europäischen Kommission betrachtet
werden muss. Mehr als achtzehn Monate nach
Unterzeichnung des Abkommens in Cotonou können wir
nun darangehen, das Abkommen zu bewerten, indem wir
prüfen, welche Fortschritte bei seiner Umsetzung
tatsächlich erzielt worden sind.
Erstens enttäuschte das vorherige Abkommen von
Lomé, trotz aller Stärken, in mindestens einem Punkt,
und zwar der Bekämpfung der Armut. Ich begrüße sehr,
dass die Verringerung der Armut eines der Kernziele des
neuen Partnerschaftsabkommens ist, aber wir müssen
gewährleisten,
dass
sich
dies
über
die
Länderstrategiepapiere auch in der Programmplanung
der Kommission niederschlägt.
Ich stelle mit Bedauern fest, dass aus den bisher
überprüften Strategiepapieren hervorgeht, dass 35 % der
gesamten
programmierbaren
Mittel
in
den
Verkehrssektor und 25 % in makroökonomische Hilfe
fließen. Wir haben im Ausschuss für Entwicklung und
Zusammenarbeit
bei
zahllosen
Gelegenheiten
110
hervorgehoben, dass Mittel in die medizinische
Grundversorgung und eine allgemeine Grundbildung
gelenkt werden müssen, wenn uns die Verringerung der
Armut wirklich am Herzen liegt. Es ist richtig, diesen
Punkt heute Abend noch einmal hervorzuheben.
Die zweite wesentliche Veränderung gegenüber dem
Abkommen von Lomé betrifft die Einbeziehung der
Zivilgesellschaft. Welche Art von Ergebnissen können
wir erwarten, nachdem berichtet worden ist, dass die
Zivilgesellschaft noch nicht ernsthaft und in sinnvoller
Weise einbezogen wurde? Ich stelle mit Enttäuschung
fest,
dass
in
den
bislang
erstellten
Länderstrategiepapieren statt möglicher 15 % nur 2 %
der Mittel für den Ausbau der Kapazitäten vorgesehen
sind. Ist dies darauf zurückzuführen, dass die
Organisationen der Zivilgesellschaft nicht konsultiert
wurden,
oder
liegt
das
an
der
geringen
Mittelausschöpfung durch die Zivilgesellschaft?
Das Abkommen von Cotonou sieht vor, dass die
Beteiligung der Zivilgesellschaft von unten nach oben
erfolgen soll, doch wenn es an Kapazität mangelt, ist das
nicht möglich.
Abschließend sei bemerkt, wenn ich auf einige der vor
uns liegenden praktischen Herausforderungen verwiesen
habe, so schmälert dies keinesfalls die große Leistung,
die die Verhandlung und Unterzeichnung des
Abkommens an sich darstellt. Die Partnerschaft EUAKP bleibt ein Vorbild für die Nord-SüdZusammenarbeit in unserer Welt, das wir durch unser
Votum für die Ratifizierung im Europäischen Parlament
in dieser Woche gebührend würdigen werden.
3-258
Nielson, Kommission. – (EN) Herr Präsident, gestatten
Sie mir zunächst, die Abgeordneten zu diesem wichtigen
Schritt im Prozess der Annahme des Abkommens von
Cotonou zu beglückwünschen.
Sie alle wissen, wie wichtig es ist, den
Ratifizierungsprozess
abzuschließen,
um
das
Abkommen vollständig umsetzen zu können,
einschließlich seiner finanziellen Komponente. Und Sie
kennen die Bedeutung des Verhältnisses AKP-EG im
Rahmen der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft.
Ein sehr wichtiger Aspekt besteht darin, dass der Text
des Abkommens von Cotonou ausgehandelt worden ist.
Das klang auch indirekt in vielen Beiträgen während
dieser Aussprache an, in denen darauf verwiesen wurde,
dass der Abschluss dieses Abkommens an sich eine
Leistung ist. Es wurde tatsächlich ausgehandelt. Darauf
nahm Herr Howitt Bezug, als er sagte, dies sei ein
Vorbild für eine stärkere globale Zusammenarbeit
zwischen Nord und Süd. Das Abkommen hat viele
Mängel, und ein großer Teil der Kritik ist darauf
zurückzuführen, dass es noch immer sehr ehrgeizig und
schwierig umzusetzen ist. Das hat mit unseren
Erwartungen an das zu tun, was unsere Partnerländer
tatsächlich in den Prozess der Programmplanung
einbringen. Das können wir nicht allein entscheiden, und
16/01/2002
das ist auch teilweise meine Antwort auf Herrn Howitts
Bemerkungen.
Ich möchte nun kurz auf den Bericht selbst eingehen. Ich
finde den gewählten Ansatz bezüglich der
Handelsdimension
von
Coutonou
interessant,
wenngleich ich nicht in allen Punkten damit
einverstanden bin. Natürlich geht der Bericht bei der
Bewertung der Wirtschafts- und Handelsregelungen des
Abkommens von Cotonou von einer politischen Sicht
der Entwicklung und der Nord-Süd-Beziehungen aus.
Zum Beispiel stimmen wir nicht mit dem Bericht
überein, wenn dort gesagt wird, dass das Abkommen
von Cotonou „Wachstum allein über die Marktgesetze“
definiert. Unserer Auffassung nach bietet das
Abkommen von Cotonou einen umfassenden Rahmen,
der den Handel als ein Instrument unter anderen zur
Förderung
dauerhafter
Entwicklung
umfasst.
Kernelement künftiger Handelsbeziehungen werden die
Abkommen über Wirtschaftspartnerschaften sein, die
darauf abzielen, günstige Bedingungen zu schaffen, um
sowohl das Volumen als auch den Nutzen des Handels
zu erhöhen.
Natürlich werden die Verhandlungen zu Abkommen
über
regionale
Wirtschaftspartnerschaften
die
allmähliche
und
flexible
Liberalisierung
der
Handelsströme und die Integration der AKP-Staaten in
die Weltwirtschaft zum Ziel haben. Jedoch wird dies
unter Berücksichtigung des von ihnen erreichten
Entwicklungsstandes und der sozioökonomischen
Folgen von Handelsmaßnahmen geschehen. Regionale
Wirtschaftspartnerschaften werden auf regionaler
Integration, Stärkung und Vertiefung der bestehenden
regionalen Initiativen zur Integration aufbauen. Deshalb
teile ich auch nicht die von Herrn Belder geäußerte
Auffassung, diese Initiativen könnten ein gewisses
Risiko für die Konfliktprävention bergen. Wir gehen
eindeutig
davon
aus,
dass
diese
regionale
Zusammenarbeit Teil der Konfliktprävention sein und
diese stärken wird. Das sagt uns unsere Erfahrung.
Die
Abkommen
über
regionale
Wirtschaftspartnerschaften
werden
auch
von
umfassenden wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen
flankiert, die über den Europäischen Entwicklungsfonds
finanziert werden können. Das ist in dem Bericht nicht
ausreichend dargestellt.
Einige Aussagen im Bericht könnten unserer Ansicht
nach präziser sein. So wird zum Beispiel sehr kritisch
angemerkt, dass durch Rindfleischexporte der EU nach
Westafrika örtliches Rindfleisch durch subventioniertes
Rindfleisch aus der EU verdrängt wird. Diesem
Argument liegen jedoch die Ausfuhren aus der EU im
Zeitraum 1981 bis 1991 zugrunde. Wir schreiben jetzt
das Jahr 2002, und die Exportpolitik der Gemeinschaft
gegenüber Entwicklungsländern hat sich in den letzten
Jahren gewandelt. Insbesondere haben wir seit Anfang
der 90er Jahre die Ausfuhrerstattungen für
Rindfleischexporte nach Westafrika erheblich gesenkt,
um gerade zu verhindern, dass örtlich produziertes
Rindfleisch durch subventioniertes Rindfleisch aus der
16/01/2002
EU verdrängt wird. In der Folge sank die Ausfuhr von
Rindfleisch aus der EU in ECOWAS-Länder von 54 000
Tonnen im Jahr 1991 auf nur noch 1 600 Tonnen im Jahr
2000. Das ist ein klassischer Fall. Eine ganze Reihe
solcher Fälle sind in der Aussprache zur Kohärenz
erwähnt worden. Meist handelt es sich dabei um
historische Fälle, sie sind alle gelöst worden. Doch es
gibt in der Aussprache zu Kohärenz andere, sehr reale,
bedeutende und wichtige Probleme zu diskutieren, so
dass ich jedem dringend empfehlen würde, in dieser
Aussprache die tatsächlichen Probleme zu beleuchten,
anstatt überholtes Zahlenmaterial vorzulegen.
Der Bericht ist auch nicht ganz präzise, was die
Handelsbeziehungen zu den am wenigsten entwickelten
Staaten (LDC) anbetrifft. Es wird festgestellt, die LDC
kämen automatisch in den Genuss der Regelung „Alles
außer Waffen“, während Länder, die nicht dieser
Staatengruppe angehören, zwischen Abkommen über
Wirtschaftspartnerschaft und dem normalen System der
Allgemeinen Präferenzen wählen könnten. Das ist nicht
zutreffend.
Im Gegenteil,
es
ist
unbedingt
hervorzuheben, dass die LDC in den Prozess der
Abkommen über regionale Wirtschaftspartnerschaften
einbezogen werden sollen. Diese Abkommen werden
alle Handelshindernisse berücksichtigen, einschließlich
gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher
Maßnahmen oder technischer Handelshemmnisse, und
auf den vorhandenen regionalen Initiativen zur
Integration aufbauen. Beides ist für die LDC
außerordentlich relevant.
Schließlich möchte ich hervorheben, dass die
Abkommen über regionale Wirtschaftspartnerschaften in
die Entwicklungsstrategien der AKP und der EG
integriert werden müssen. Deshalb wird es wichtig sein,
dass sich die Verhandlungen über solche Abkommen
und
deren
Umsetzung
einerseits
und
die
Entwicklungspolitik
andererseits
gegenseitig
unterstützen und dass geeignete Fördermaßnahmen der
EU in die reguläre Finanzierung durch den Europäischen
Entwicklungsfonds einbezogen werden. Die Abkommen
über regionale Wirtschaftspartnerschaften werden einen
handelspolitischen Rahmen setzen, der in voller
Übereinstimmung mit der Entwicklungspolitik stehen
muss.
111
nicht gut in die Weltwirtschaft integriert sind. Dort
bestehen schwerwiegende Probleme.
Der Bericht ist so formuliert, als sei ernsthaft zu
erwarten gewesen, wir hätten im Rahmen der
Vorbereitung und Aushandlung des Abkommens von
Cotonou viele der dort hineinspielenden globalen Fragen
mühelos angehen und ihnen abhelfen können. Ich hoffe,
es verwundert niemanden zu hören, dass dies so einfach
nicht ist. Den AKP-Staaten einen Rahmen der
wirtschaftlichen Entwicklung anzubieten, der von einer
anderen Grundlage als dem Fortbestehen der
Marktwirtschaft ausgeht, war nie in Erwägung gezogen
worden. Das ist aber nicht dasselbe wie die Feststellung,
der Markt sei die einzige Methode. Dieser Aussage
widerspricht die Kommission. Tatsächlich zeigen unsere
gesamten
Bemühungen
in
der
Frage
der
Zusammenarbeit
AKP-EU
wie
auch
unsere
Anstrengungen
in
der
generellen
Entwicklungszusammenarbeit überhaupt, dass wir etwas
versuchen, was nie erreicht werden könnte, wenn die
Entwicklung allein den Kräften des Marktes überlassen
bliebe. Deshalb tun wir das. Lassen Sie mich zum
Abschluss meiner Ausführungen einen versöhnlicheren
Ton anschlagen und eine Schlussfolgerung des Berichts
zitieren, die ich voll und ganz unterstütze: „Schließlich
ist das Bestehen des neuen Abkommens über die
Zusammenarbeit von AKP und EU schon ein Sieg an
sich. Außerdem enthält es neuartige Elemente, die
konstruktiv ausgelegt und genutzt werden müssen. Da
das Europäische Parlament nicht die Macht hat, diesen
Text zu ändern, gilt es, das Beste daraus zu machen,
damit die Hilfe vor dem Hintergrund der Nahrungs-,
Gesundheits-, Bildungs- und anderen Bedürfnisse der
AKP-Staaten wirklich zur Besserstellung der
Bevölkerung beiträgt.“ Mit dieser Sprache kann ich
mich
identifizieren.
Wir
begrüßen
diese
Schlussfolgerung.
Gestatten Sie mir abschließend, namens der Kommission
unsere tiefe Befriedigung darüber zum Ausdruck zu
bringen, dass das Europäische Parlament jetzt seinen
Teil des Prozesses abgeschlossen hat, von dem wir
hoffen, dass er so bald wie möglich insgesamt
abgeschlossen sein wird.
3-259
Die Zielvorgaben der Handelsagenda von Cotonou sind
in der Tat ehrgeizig, doch nichts zu tun und unseren
bisherigen Ansatz fortzuschreiben würde erhebliche
Risiken bergen und an der wirtschaftlichen
Marginalisierung der AKP-Staaten sicherlich nichts
ändern. Das wird deutlich, wenn wir auf das mit Hilfe
dieser Instrumente bislang Erreichte zurückblicken. Das
Abkommen von Cotonou hält die Instrumente bereit, um
die AKP-Staaten bei ihrer Integration in die
Weltwirtschaft zu unterstützen und die Armut zu
verringern. Wir müssen diese Instrumente in
bestmöglicher Weise nutzen. Es wäre falsch zu glauben,
dass das Abkommen und unsere Instrumente an sich
etwas ausrichten werden. Es gibt sehr stichhaltige,
wesentliche Gründe dafür, weshalb diese armen Länder
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.3
(Die Sitzung wird um 23.30 Uhr geschlossen.)
3
Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll.
112
16/01/2002
INHALT
SITZUNG AM MITTWOCH, 16. JANUAR
2002..................................................................5
Wahl der Vizepräsidenten des Europäischen
Parlaments ......................................................5
Genehmigung des Protokolls der
vorangegangenen Sitzung..............................5
Arbeitsplan .....................................................6
Beschluss über die Dringlichkeit ..................7
Wahl der Quästoren des Europäischen
Parlaments ......................................................7
Programm des spanischen Vorsitzes ..........10
Abstimmungen .............................................44
Wahl der Quästoren des Europäischen
Parlaments ....................................................44
Begrüßung ....................................................45
Einführung des Euro ...................................45
Auftragsvergabe ...........................................54
Ozongehalt der Luft.....................................74
Sechstes Umweltaktionsprogramm ............77
Integrierte Produktpolitik ...........................86
Europäische Raumfahrt ..............................90
Straßenverkehr ............................................97
Partnerschaftsabkommen AKP/EG .........104
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