Q&As_Contra_Pro-Reli_V0_4[1mfz]

Werbung
Questions & Answers zu Pro-Reli
Dieses Papier soll Pro-Reli-Gegnern Argumentationshilfen für Diskussionen bereitstellen. Viele Argumente
stammen nicht nur von den Mitgliedern der Autorengruppe, sondern sind auch in Dokumenten anderer
Autoren enthalten. Aus Gründen der Übersicht wird aber auf Quellenangaben weitgehend verzichtet.
FG-Gruppe „Contra Pro-Reli“; Edit: M’fitz
Inhalt:
"Was habt ihr denn gegen die freie Wahl zwischen Ethik und Religion?" ......................................................... 1
„Warum spricht Pro Ethik von Wahlzwang?“ ..................................................................................................... 1
"Kann der Religionsunterricht nicht die gleichen Werte wie der Ethikunterricht vermitteln?" ........................... 2
"Warum reicht eine christliche Ethik nicht aus?" ............................................................................................... 2
"Die Schüler sollten doch erstmal in ihrer Haltung gefestigt werden und dann diskutieren." ............................ 2
"In anderen Bundesländern mit gleichem Migrantenanteil gibt es das Wahlpflichtfach Ethik/Religion." .......... 3
"Der Staat kann keine Antwort auf die Lebensfragen der Schüler geben, er soll neutral sein." ....................... 3
"Die Schüler haben so viele Stunden, dass sie keine Zeit für Religionsunterricht zusätzlich haben.".............. 3
„Was passiert, wenn nur sehr wenige Schüler an einer Schule einen bestimmten Religions- oder
Weltanschauungsunterricht wünschen?“........................................................................................................... 3
"In der DDR hatten wir schon mal die Indoktrination durch den Staat. Das wollen wir nicht mehr."................. 3
"Im Religionsunterricht werden auch andere Religionen besprochen, weshalb dann Ethik?" .......................... 4
"Der Ethikunterricht bei meinen Kindern ist total schlecht. Das soll Pflichtfach sein?" ..................................... 4
"Wir sind ein christlicher Staat, daher ist Religionsunterricht wichtig." .............................................................. 4
"Warum sollen Schüler nicht zu christlichen Werten wie der Nächstenliebe erzogen werden?" ...................... 5
"Was wollen Sie denn, wir haben in Deutschland doch die Trennung von Staat und Kirche." ......................... 5
„Warum ist der Wahltermin 26.4. fairer als die Zusammenlegung mit der Europawahl?“ ................................. 5
"Was habt ihr denn gegen die freie Wahl zwischen Ethik und Religion?"
Wir haben etwas gegen die Abwahlmöglichkeit des Ethikunterrichts (um die es Pro-Reli letztlich geht), weil
wir ihn für einen wichtigen Unterricht zur Erziehung zum selbstständigen Denken und der kritischen
Reflexion von Weltanschauungen (zu denen auch Religionen zählen) und der Antwort auf Lebensfragen
halten. Dies gilt insbesondere in einer multikulturellen Stadt wie Berlin. Daneben ist der gemeinsame
Unterricht aller wichtig, Schüler mit unterschiedlichem kulturellem und weltanschaulichem Hintergrund sollen
miteinander und nicht getrennt übereinander reden. Das geht nur in einem Unterricht, der für alle verbindlich
ist. Der tolerante Umgang mit anderen Wertsystemen gehört heutzutage zu den Kulturtechniken wie Lesen,
Schreiben und Rechnen.
„Warum spricht Pro Ethik von Wahlzwang?“
Derr Begriff „Wahlzwang“ ist erstmal eine Antwort auf den Begriff „Wahlfreiheit“ von Pro Reli. Es musste mit
einem einfachen Begriff verständlich gemacht werden, dass es hier gerade nicht um Wahlfreiheit geht.
Zwang, weil nach dem Gesetzentwurf der Staat sogar schon ab der 1. Klasse und bis zur 12. Klasse dazu
gezwungen werden soll, den „Wahlpflichtkomplex Ethik/Religion“ einzuführen, obwohl in der Pädagogik ein
Ethikunterricht ab Klasse 1 äußerst umstritten ist und kein Konzept dafür existiert! Da hätten die Kirchen
leichtes Spiel, die Schulanfänger in den Religionsunterricht zu zwingen, pardon, zu locken.
1
Zwang auch, da die Kooperation zwischen dem Ethikunterricht und Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ihre Neutralität verliert. Einzelne Unterrichtseinheiten können nach dem Gesetzentwurf an
den Schulen gemeinsam durchgeführt werden. Aus rein organisatorischen Gründen wird man zu einem
einseitigen gemeinsamen Unterricht mit dem an der betreffenden Schule vorherrschenden
Religionsunterricht gezwungen werden.
"Kann der Religionsunterricht nicht die gleichen Werte wie der Ethikunterricht vermitteln?"
a) Ziel des Ethikunterrichts ist u.a. die Erziehung zu einem selbständig denkenden kritischen jungen
Menschen, der bewusst entscheiden können soll, was sein Leben zu einem guten und sinnvollen macht.
Dazu gehört die "kritische Prüfung vorgefundener Entwürfe für gelingendes Leben, der Leitbilder und
Handlungsnormen" .. Dazu soll der Schüler lernen, "beurteilende Vergleiche zwischen Wertmaßstäben
anzustellen " und "...scheinbar Selbstverständliches in Frage zu stellen und möglichst keines der Vorurteile
... der kritischen Prüfung zu entziehen" (Rahmenlehrplan Ethik, Kap. 2.1)
Anders ausgedrückt geht es um einen Menschen, für den die Vernunft und kritische Reflexion aller (auch der
eigenen) Positionen die Grundlage sein soll.
Genau dies aber kann, soll und darf (!) und will ein religiöser Bekenntnisunterricht nicht leisten. Er muss die
religiösen Dogmen vermitteln und diese sind nun einmal (jedenfalls beim Judentum, Christentum und Islam)
die bedingungslose Unterordnung unter die Autorität eines Gottes, der ja bekanntlich ein eifersüchtiger Gott
ist. Jeder Zweifel soll letztendlich gerade zerstreut werden (Das Schlimmste war eben, vom Baum der
Erkenntnis zu naschen!).
b) Die Schüler sollen im Ethikunterricht lernen, andere Werthaltungen und ihre Begründungen zu verstehen
und zu bewerten, sie sollen lernen zu akzeptieren, dass man auch zu anderen Schlussfolgerungen kommen
kann und diese tolerieren (jedenfalls so lange, wie diese Werte nicht Intoleranz beinhalten). Diese
Verhaltensweisen kann man eben sinnvollerweise nur erlernen und üben, wenn man auch mit Schülern
anderer Werthaltungen gemeinsam diskutiert.
Dies kann nun eben ein getrennter Religionsunterricht nicht leisten.
"Warum reicht eine christliche Ethik nicht aus?"
„Moralische Normen müssen sich im Prinzip jedem Verständigen einsichtig machen lassen, wenn sie
begründet beanspruchen wollen, diesem vorzuschreiben, wie er sich zu verhalten und wie er sich nicht zu
verhalten hat. Sie dürfen daher auf keine Voraussetzungen zurückgreifen, von denen von vornherein klar ist,
dass sie nur von einem Bruchteil der Verständigen - etwa den Angehörigen einer bestimmten Religion oder
Konfession - akzeptiert, nachvollzogen und verstanden werden.“
„Religiöse Argumentationen berufen sich in der Regel auf Autoritäten, sei es die des Wortes Gottes, die der
„Stimme“ des Gewissens (sofern sie als Manifestation Gottes gedeutet wird), die quasigöttlicher Personen
wie (im Christentum) der Person Jesu oder die religiöser Institutionen und Traditionen. Moralische Richtigkeit
lässt sich aber - unabhängig davon, ob es sich dabei um religiöse oder weltliche Autoritäten handelt grundsätzlich nicht aus Autoritäten begründen.“
„Der theologische Ethiker kann sich, indem er vorgibt, das Gotteswort „nur auszulegen“, leichter als der
philosophische Ethiker davon dispensieren, die eigene Wertung zu verantworten.“
[aus Dieter Birnbacher: „Das Dilemma der christlichen Ethik“]
"Die Schüler sollten doch erstmal in ihrer Haltung gefestigt werden und dann diskutieren."
Wieso muss jemand erst mal in seiner Haltung gefestigt sein, um mit anderen diskutieren zu können?
Diskussionen können sich auch (und gerade) dann entwickeln, wenn man vorurteilsfrei an ein Thema
herangeht.
Im Ethikunterricht sollen Techniken geübt werden, Wertsysteme kritisch zu hinterfragen. Dies setzt nicht
voraus, dass man "gefestigt" ist. Es kann sogar eher hinderlich sein.
Wie kann man denn Schüler in „ihrer Haltung“ festigen, wenn man ihnen mit dem RU eine bestimmte
Haltung auferlegt? Das ist doch dann nicht unbedingt ihre Haltung, sondern eher eine fremde. Will man nicht
vielmehr den Schülern eine bestimmte Haltung erstmal so fest einhämmern, bis es für sie schwer wird, von
dieser Haltung wieder weg zu kommen?
Die Religion der Eltern wird hier automatisch als Religion des Kindes angenommen. Zwar beginnt die
Religionsmündigkeit erst im Alter von 14 Jahren, das selbständige Denken schon früher.
2
"In den meisten anderen Bundesländern mit gleichem Migrantenanteil gibt es das Wahlpflichtfach
Ethik/Religion."
Das sollte kein Grund für uns sein, uns diese Bundesländer zum Vorbild zu nehmen. Das sollte eher für
diese ein Grund sein, auf Berlin zu schauen!
"Der Staat kann keine Antwort auf die Lebensfragen der Schüler geben, er soll neutral sein."
Der Ethikunterricht soll weltanschaulich und religiös neutral, aber nicht wertneutral sein. Die Werte, die
vermittelt werden sollen, sind u.a. die unserer Verfassung und die Menschenrechte, weiterhin die kritische
Reflexion von Dogmen, die Toleranz und Meinungsfreiheit.
Idealerweise soll auch weder der Staat noch eine Religion die "Lebensfragen" der Schüler beantworten. Sie
sollten vielmehr in die Lage versetzt werden, selbst für sich eine Antwort zu finden (wie sie z.B. die Frage
nach dem Sinn des Lebens beantworten).
Falls man annimmt, Religionen sollten/können solche Antworten geben:
Wenn man sich die religiösen Quellen, insb. Bibel und Koran, kritisch ansieht, wird man feststellen, dass
viele der dort beschriebenen und positiv bewerteten Werthaltungen und Handlungen nicht den
Menschenrechten entsprechen.
Dort wo Kirchen und Religionsgemeinschaften oder einzelne religiös orientierte Personen brauchbare
Antworten geben, wird man oft feststellen, dass diese eher im Humanismus als in den Religionen ihren
Ursprung haben.
"Die Schüler haben so viele Stunden, dass sie keine Zeit für Religionsunterricht zusätzlich haben."
Die Schüler haben auch Zeit für zusätzlichen Unterricht zum Erlernen verschiedener Musikinstrumente, für
die Beschäftigung mit verschiedenen Sportarten, für politisches Engagement oder für andere Interessen.
Wer Religion für sein Leben für so außerordentlich wichtig hält, wird also immer Zeit finden, sich noch
zusätzlich zum Unterricht mit Religion zu beschäftigen. Erheblich erleichtert wird ihnen die Sache durch das
direkte Angebot des Religionsunterrichtes an der Schule. Ein deutlicher Vorteil gegenüber dem
Klassenkameraden, der zum Klavierunterricht erst eine Stunde durch die Stadt fahren muss.
Wenn die Kirchen ganz ausgeruhte Kinder im Religionsunterricht haben wollen: Warum erteilen sie ihn dann
nicht in einer Sonntagsschule?! (Zum Zweck der „christlichen Unterweisung“ sind Kirchengrundstücke samt
Gemeindehäusern übrigens von der Grundsteuerzahlung befreit (§3 GrundstG))
s. auch http://www.tu-berlin.de/vereine/AthHG/NEIN zu Pro Reli!/Religionsunterricht - Schulfach mit
einzigartigen Privilegien!.pdf
„Was passiert, wenn nur sehr wenige Schüler an einer Schule einen bestimmten Religions- oder
Weltanschauungsunterricht wünschen?“
Das wird nach wie vor nicht bezahlbar sein. Bisher ist das so geregelt, dass ein solcher Unterricht nur dann
zustande kommt, wenn sich wenigstens 12 - 15 Schüler dafür anmelden (unterschiedliche Zahlenangaben).
Daran wird sich vermutlich auch zukünftig nichts ändern. Das heißt, nur solche Religions- oder
Weltanschauungsgemeinschaften, die an der betreffenden Schule viele Anhänger haben, werden ihren
Unterricht durchführen können. Für alle übrigen Schüler bliebe dann nur noch der Ethikunterricht. Im
Extremfall wird ein Schüler, der den an der Schule vorherrschenden Religionsunterricht als einziger an der
Schule nicht wünscht, Ethikunterricht erteilt bekommen, obwohl er einen nicht an der Schule gelehrten
Religions- oder Weltanschauungsunterricht gewünscht hätte. Ethikunterricht hätte das Privileg, auch als
Einzelunterricht durchgeführt zu werden. Dieser Fall ist nicht nur theoretisch, sondern wäre bei der von Pro
Reli angestrebten Gesetzeslage an der Spandauer Mary-Poppins-Grundschule tatsächlich so
vorgekommen.
"In der DDR hatten wir schon mal die Indoktrination durch den Staat. Das wollen wir nicht mehr."
Es kommt doch wohl darauf an, welcher Staat welche Werte vermittelt. Wollt ihr unseren Staat mit der DDR
vergleichen?
3
Die Werte, die laut Berliner Schulgesetz §12 und Rahmenlehrplan Ethik vermittelt werden sollen, sind u.a.
die kritische Reflexion von Wertsystemen und ihrer Begründung sowie die Erziehung zur Toleranz. Was ist
dagegen zu sagen?
Außerdem: Wenn man unterstellt, dass ein staatlicher Lehrer, der der weltanschaulichen und religiösen
Neutralität verpflichtet ist, indoktriniert, wieso sollte es dann ausgerechnet ein Religionslehrer nicht tun, der
der Erziehung zum religiösen Bekenntnis verpflichtet ist?
Solche Aussagen können wirklich nur von Wessis kommen, die den Unterricht in der DDR nie kennen
gelernt haben. Der Ethikunterricht ist erstens keine Indoktrination und zweitens überhaupt nicht mit dem
Staatsbürgerkunde- und sonstigen Indoktrinationsunterricht in der DDR zu vergleichen. Denn dort ging es
gerade nicht darum, das bestehende Wertesystem kritisch zu reflektieren, es ging darum, dieses
nachzubeten. Daher gibt es eher Parallelen zum Religionsunterricht.
"Im Religionsunterricht werden auch andere Religionen besprochen, weshalb dann Ethik?"
Wenn ein Religionslehrer auch andere Religionen bespricht, ist das natürlich positiv, aber
a) der Ethikunterricht behandelt die Grundlagen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung –
und deren Menschenrechte sind mit keiner Religion „kompatibel“!
b) werden die anderen Religionen auch neutral dargestellt?
c) werden auch religionskritische oder atheistische Haltungen (neutral) dargestellt?
d) entscheidend: Der Unterricht ist nicht gemeinsam.
Man redet, wenn man denn über andere Religionen redet, wieder nur übereinander und nicht miteinander.
Redet man auch über Weltanschauungen? In welcher Weise?
"Der Ethikunterricht bei meinen Kindern ist total schlecht. Das soll Pflichtfach sein?"
Den Ethikunterricht gibt es erst seit wenigen Jahren. Da lässt sich gewiss noch einiges verbessern. Daher
machen wir den Vorschlag, eine zentrale Stelle einzurichten, die Kritik am Ethikunterricht sammelt, auswertet
und ggf. für Verbesserungen sorgt.
Wenn der Ethikunterricht aber total schlecht und nicht verbesserungsfähig sein sollte, warum sollen dann mit
dem Gesetzentwurf Kinder, die den RU nicht besuchen, zum Ethikunterricht verdonnert werden?
"Wir sind ein christlicher Staat, daher ist Religionsunterricht wichtig."
Deutschland ist kein christlicher Staat; Grundgesetz-§ 3 garantiert Bekenntnisfreiheit und also auch den
Religionsunterricht!. Es besteht keine Staatskirche, also eine gewisseTrennung von Kirche/Religion und
Staat, die aber als „hinkende Trennung“ bezeichnet wird1. Es gibt Kooperationen zwischen Staat und
Kirchen, auch viele Privilegien für die Kirchen, denn der Staat finanziert die Kirchen mit 14 Milliarden EUR
jährlich; der Staat darf sich aber mit keiner Religionsgemeinschaft identifizieren. Daher kann/darf unser Staat
nicht „christlich“ sein.
Rund ein Drittel unserer Bevölkerung bekennt sich nicht zum Christentum. Was wir haben, das ist eine
christlich geprägte Kultur. Dies zu reflektieren, ist ebenfalls Bestandteil des Ethikunterrichtes!
1. Der Gottesbezug in der Präambel des GG (auf den sich einige bei dieser Aussage beziehen) wird von
jüngeren Juristen als "Demutsformel" interpretiert, nicht als Bezugnahme auf einen persönlichen Gott (bei
den GG-Autoren war sicherlich der christliche Gott gemeint, aber man hat das Ganze so formuliert, dass es
einigermaßen weltanschaulich neutral bleibt)
2. In Berlin sind 60% konfessionslos, ein christlicher Staat hätte keine Rechtfertigung in der Bevölkerung.
Dass in den drei südlichen Bundesländern die „Ehrfurcht vor Gott“ zum obersten Erziehungsziel erklärt wird
und dass in den meisten Bundesländern Religion „Ordentliches Lehrfach“ ist (mit dem Wahlpflichtkomplex,
den ProReli hier auch haben will), ist mitteralterlich!! Hier zeigt sich die Wichtigkeit, das Berliner Modell zu
bewahren!
1
vgl. z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Trennung_von_Kirche_und_Staat
4
"Warum sollen Schüler nicht zu christlichen Werten wie der Nächstenliebe erzogen werden?"
Das christliche Gebot „Liebet einander!“ entpuppt sich bei näherer Betrachtung als „Liebet euch!“ Denn es
geht eigentlich immer nur um das eigene Seelenheil. Man soll lieben, um selbst Vorteile daraus zu erlangen,
z.B. in den Himmel zu kommen.
Gottesliebe soll ja auch einhergehen mit Gottesfurcht. Aber, wie kann man lieben, was man fürchtet?
[Gedanken aus einem Artikel von Gerhard Streminger: „Die Jesuanische Ethik“ übernommen]
Hier noch ein passende Passagen aus einem Text von Schmidt-Salomon:
„dass die fundamentalen Werte, die für moderne Rechtstaaten konstitutiv sind - die Menschenrechte, die
Freiheit der Meinungsäußerung, der Wissenschaft, der Kunst, die demokratische Gewaltenteilung etc. –,
keineswegs dem Christentum entstammten, sondern, dass diese in einem erbitterten, Jahrhunderte
währenden Widerstandskampf gegen die Machtansprüche dieser Religion erkämpft werden mussten“
„Trivial sind die Zehn Gebote, insofern sie über weite Teile selbstverständliche Verhaltensrichtlinien
benennen, die für jede funktionierende soziale Gruppen gelten, auch für Steinzeitfamilien, SA-Truppen
und heutige Hooligans.“
„Unzulässig vereinfachend sind die Zehn Gebote, weil ethisches Handeln in einer komplexen Welt nicht
bedeuten kann, blind irgendwelchen Geboten zu folgen, sondern in der jeweiligen Situation abzuwägen,
mit welchen positiven und negativen Konsequenzen eine Entscheidung verbunden wäre.“
„Offen reaktionär wirken die Zehn Gebote insofern, als dass sie – obwohl sie eigentlich nur der
historische Ausdruck eines im Laufe der kulturellen Evolution glücklicherweise überwundenen,
patriarchal-autoritären Herrschaftssystems sind – auch heute noch von Gläubigen als verbindliche
Regelwerke betrachtet werden. Dies hat zur Folge, dass inhumane, kulturelle Normen der Vergangenheit
(Sklavenherrschaft, Religionszwang, Blutfehden, Sippenhaft, Frauenunterdrückung, Homophobie etc.) mit
dem Schein des Heiligen, Unantastbaren, in die Gegenwart transportiert werden.“
Bei der "Nächstenliebe" handelt es sich nicht um einen originär christlichen Wert. Praktisch alle Religionen
und Weltanschauungen kennen die "goldene Regel", die uns kein Gott, sondern der evolutionäre Prozess
auferlegt hat.
Es wäre schön, wenn das Prinzip der "goldenen Regel" vermittelt wird, wie auch die Tatsache, dass sie in
allen relevanten Weltanschauungen und Religionen vorhanden ist und auch von fast allen bei Bedarf mit
Füßen getreten wird - diese Weitsicht dürfte eher im Ethik- als Reli-Unterricht vorkommen.
Unsere Gesetzbücher formulieren wahrlich präziser, dass eine Gesellschaft nicht auf Nächstenliebe und
Barmherzigkeit bauen darf, sondern wann jemand wegen Unterlassener Hilfeleistung zu bestrafen ist!
"Was wollen Sie denn, wir haben in Deutschland doch die Trennung von Staat und Kirche."
Haben wir nicht! Wir haben die sogenannte „hinkende Trennung von Kirche und Staat“. Eine weitergehende
Trennung von Kirche und Staat (Laizismus) haben wir dagegen u.a. in Frankreich.
Wenn wir eine echte Trennung hätten, würden nicht jedes Jahr die beiden Großkirchen mit zusammen 20
Mrd. Euro vom Staat mit finanziellen Hilfen und Steuererleichterungen unterstützt werden. Die Kirche mischt
sich in die Belange des Staates ein, indem sie aktiv auf die Gesetzgebung einwirkt. (Aktuelles Beispiel: Pro
Reli). Bei wichtigen ethischen Fragestellungen des Staates werden grundsätzlich Theologen befragt. In
Ethikräten sind Theologen überrepräsentiert. Auch die Durchführung von Religionsunterricht an staatlichen
Schulen ist ein Ausdruck der Nichttrennung von Staat und Kirche.
„Warum ist der Wahltermin 26.4. fairer als die Zusammenlegung mit der Europawahl?“
Der Gesetzgeber hat hier offensichtlich die Gefahr einer Verfälschung des Wählerwillens durch die
Zusammenlegung zweier grundverschiedener Abstimmungen gesehen.
Was würde passieren?
Die Wahlbeteiligung würde bei Zusammenlegung zunehmen, da die Wählergruppen nicht deckungsgleich
sind. Es wäre zu erwarten, dass speziell für den Volksentscheid besonders viele konservativ-religiöse
Menschen zur Wahl gehen. Passiert dies, dann ist der prozentuale Anteil konservativer, CDU-naher und im
Geiste religiöser Vorstellungen sozialisierter Wähler erhöht gegenüber dem, der sich in einer getrennt
stattfindenden Europawahl ergeben hätte. Die Folge wäre: mehr Stimmen für die CDU bzw. für Parteien, die
konservativ-religiöse, traditionelle Werte hochhalten, und weniger Stimmen für linke und religiös nicht
verortete Parteien.
5
Herunterladen