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ZPO Bistro
VERKEHRSUNFALL
Stand: 01.04.2014
1 ÜBERBLICK
2 Das Skriptum will und kann keinen vollständigen Überblick über den Verkehrsunfallprozess
geben.
Dargestellt
wird
der
"normale"
Verkehrsunfallprozess:
Die
wichtigsten
Anspruchsgrundlagen (Rz. 3 - 83), die am häufigsten geltend gemachten Schadenspositionen
(Rz. 84 - 112) und die regelmäßig auftauchenden prozessualen Probleme (Rz. 113 - 127). Wer
vom Normalfall abweichende Fragen zu lösen hat, sei auf die angegebene Literatur (Rz. 131 132) verwiesen.
3 ANSPRUCHSGRUND
4 ÜBERBLICK
5 In Betracht kommen regelmäßig Ansprüche aus dem StVG (Gefährdungshaftung und
Haftung aus vermutetem Verschulden) und aus dem BGB (Verschuldenshaftung und Haftung
aus vermutetem Verschulden).
Beachte: Auch bei einem Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens aus § 823 Abs. 1
BGB gilt hinsichtlich des Haftungsausgleichs § 17 Abs. 1, 2 StVG, nicht § 254 BGB.
6 "Günstiger für den Geschädigten" - dazu ein Beispiel: A und B sind Fahrer und Halter
zweier Fahrzeuge, die auf einer Ampelkreuzung zusammenstoßen. Es lässt sich nicht klären,
ob die Ampelanlage "grün" für A oder für B gezeigt hat. Der Sachschaden des A betrage
20.000,00 EUR. Was bekommt er aus § 7 Abs. 1 StVG, was aus § 823 Abs. 1 BGB? Was ist
mit einem Anspruch auf Schmerzensgeld (§ 11 Satz 2 StVG, § 253 Abs. 2 BGB)?
7 HALTER gleich FAHRER
8 GEGEN DEN HALTER
9 § 7 Abs. 1 StVG
10 HAT DER KLÄGER DIE VORAUSSETZUNGEN DES § 7 ABS. 1 StVG DARGELEGT
UND BEWIESEN?
11 "bei dem Betrieb" - Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist entsprechend dem
umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG
umfasst daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass
sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in
dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist. Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am
Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. An
einem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang
fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren
ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Für eine Zurechnung der
Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen
örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder
einer bestimmten Betriebseinrichtung des KFZ steht (vgl. BGH Urteil vom 21.01.2014, VI
ZR 253/13).
12 "eines Kraftfahrzeuges (§ 1 Abs. 2 StVG) oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist,
von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden"
13 "ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine
Sache beschädigt"
13a Anspruchsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG ist der Verletzte, dem beim Unfall
ein Personen- oder Sachschaden entstanden ist. Im Fall der Beschädigung oder Zerstörung
eines Fahrzeugs ist regelmäßig der Eigentümer der Geschädigte. Beim Bestreiten des
Eigentums hilft § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB.
Aber auch der Besitzer kann Anspruchsberechtigter sein. Dem Besitzer sind sogenannte
Haftungsschäden zu ersetzen, d.h. Ansprüche, denen der Besitzer ausgesetzt ist, weil er für
den Untergang der Sache verantwortlich ist. Ein Leasingnehmer bzw. Mieter, der gegenüber
dem Leasinggeber (= Eigentümer) bzw. Vermieter zur Beseitigung von Unfallschäden auf
eigene Rechnung wirksam verpflichtet ist, kann Ersatz des Schadens verlangen (vgl. BGH
NJW 1992, 553; VersR 1981, 161, 162).
Aber: Ein Leasinggeber, der nicht Halter des Leasingfahrzeugs ist, muss
sich bei Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach § 823 Abs. 1 BGB wegen
der Verletzung des Eigentums an einem Leasingfahrzeug ein Mitverschulden des
Fahrers des Leasingfahrzeugs nicht entgegenhalten lassen (BGH, Urt. v. 10.07.2007 - VI ZR
199/06). Gleiches gilt für einen verletzten Fahrer, der nicht Halter des Fahrzeugs ist,
zumindest bei einem Anspruch nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 823 ff. BGB (BGH,
Urteil vom 17.11.2009, VI ZR 64/08).
Beachte: Die Versicherung kann grundsätzlich mit befreiender Wirkung an denjenigen
leisten, in dessen Besitz sich die Sache zur Zeit der Beschädigung befindet (§ 851 BGB).
Maßstab für grobe Fahrlässigkeit ist § 932 BGB.
14 "den daraus entstehenden Schaden" - Da die Adäquanztheorie zu einer uferlosen
Ausdehnung der Haftung aus § 7 StVG (und aus § 823 Abs. 1 BGB) führen würde, wird sie
durch den Schutzzweckgedanken ergänzt.
Eine Schadensersatzpflicht besteht auch bei adäquater Kausalität nur dann, wenn der geltend
gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten
Norm fällt. Der entstandene Nachteil muss in einem inneren Zusammenhang zu der von dem
Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt
nicht.
15 Beispiel: Aufgrund von Unfallgeräuschen beißen sich wegen der Aufzuchtbedingungen zu
Panikreaktionen neigende Tiere in einem nahe gelegenen Stall tot. Hier verwirklich sich das
von dem Tierhalter durch die Aufzuchtbedingungen gesetzte Risiko. Der Schaden liegt
außerhalb des Schutzzweckes des § 7 StVG (vgl. BGHZ 115, 84).
15a: Ein LKW verliert bei einem Unfall 25 Tonnen Orangen auf der Autobahn. Die Klägerin
ließ die Fahrbahn räumen und verlangt Ersatz. Die Haftung gemäß § 7 StVG ist nicht deshalb
nach § 8 Nr. 3 StVG ausgeschlossen, weil die Orangen Transportgut des verunfallten LKW
waren. Zwar schließt § 8 Nr. 3 StVG die Haftung des Halters aus, "wenn eine Sache
beschädigt worden ist, die durch das Kraftfahrzeug ... befördert wurde. Doch sind damit nur
Schäden an der transportierten Sache selbst gemeint (vgl. BGH VI ZR 220/06).
16 "der Halter des Fahrzeuges" - Halter eines Kraftfahrzeugs ist, wer es für eigene
Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch
voraussetzt (vgl. BGH, Urt. v. 10.07.2007 - VI ZR 199/06). Entscheidend ist dabei nicht das
Rechtsverhältnis am Kraftfahrzeug, insbesondere nicht die Frage, wer dessen Eigentümer ist;
vielmehr ist maßgebend eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, bei der es vor allem auf die
Intensität der tatsächlichen, in erster Linie wirtschaftlichen Beziehung zum Betrieb des
Kraftfahrzeuges im Einzelfall ankommt. Wer danach tatsächlich und wirtschaftlich der
eigentlich Verantwortliche für den Einsatz des Kraftfahrzeuges im Verkehr ist, schafft die
vom Fahrzeug ausgehenden Gefahren, für die der Halter nach den strengen Vorschriften des
Straßenverkehrsgesetzes einstehen soll.
Beachte: Eine Berufung auf die Verpflichtung des Halters zur Eintragung in der
Zulassungsbescheinigung
II
und
Zulassungsbescheinigung
I
gemäß
§
6
FZV
(Fahrzeugzulassungsverordnung) genügt nicht zum Nachweis der Haltereigenschaft.
17 Beispiele: Juristische Person, Sicherungsgeber, Vermieter und Mieter, Leasingnehmer,
jedes Mitglied der nichtrechtsfähigen Personenmehrheit (Erbengemeinschaft).
18 HAT DER BEKLAGTE DIE VORAUSSETZUNGEN DES § 7 Abs. 2 StVG: "höhere
Gewalt“; DARGELEGT UND BEWIESEN? Höheres Gewalt ist ein außergewöhnliches,
betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen Dritter
herbeigeführtes Ereignis, das auch bei äußerster Sorgfalt nicht abwendbar ist.
18a Beachte: Auch nach der neuen Fassung des § 7 Abs. 2 StVG bleibt es dabei, dass
- eine Enthaftung für die nach § 7 StVG begründete Betriebsgefahr über § 9 StVG möglich
ist.
19 HAFTUNGSAUSSCHLÜSSE NACH § 8 Nr. 1 – 3 StVG?
Beachte, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist (Art. 229 § 8
Abs. 1 Nr. 4 EGBGB): Ist eine durch ein Kfz beförderte Person getötet oder verletzt worden,
so haftet der Halter dieses Kfz nach § 7 StVG soweit nicht eine der Ausnahmen des § 8 Nr. 1
– 3 StVG eingreift. Das hat zur Folge, dass beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs verletzte
Insassen sowohl Schadensersatz als auch Schmerzensgeld vom Halter verlangen können.
20 HAFTUNGSAUSSCHLUSS durch Vertrag
21 Aber: Kein Ausschluss der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG durch vertragliche
Vereinbarung im Falle des § 8a StVG (entgeltliche geschäftsmäßige Personenbeförderung).
22 HAFTUNGSAUSGLEICH NACH § 17 Abs. 1, 2 StVG?
23 Beachte vorab: § 17 Abs. 2 StVG ist lex specialis zu § 254 BGB (auch wenn es um
Ansprüche auf Ersatz des materiellen Schadens aus § 823 Abs. 1 BGB geht) und zu § 9 StVG.
24 Beachte weiter: Der Haftungsausgleich nach § 17 Abs. 1, 2 StVG ist regelmäßig
Schwerpunkt der Verkehrsunfallklausur und des Verkehrsunfallprozesses, vgl.
Bursch/Jordan, Typische Verkehrsunfälle und Schadensverteilung, VersR 1985, 512 ff.
(lesen,
jedenfalls
512
-
517),
vgl.
ausführlich
Grüneberg,
Haftungsquoten
bei
Verkehrsunfällen).
25 Beachte zum Verständnis: § 17 Abs. 1 StVG regelt den Haftungsausgleich unter mehreren
Fahrzeughaltern,
die
einen
Dritten
geschädigt
haben,
ist,
wenngleich
keine
Anspruchsgrundlage, § 426 Abs. 1 BGB vergleichbar. § 17 Abs. 2 StVG regelt den Fall, dass
zwei Fahrzeughalter sich wechselseitig geschädigt haben, ist also § 254 Abs. 1 BGB
vergleichbar.
26 Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 StVG
27 "einem der beteiligten Fahrzeughalter" - Kläger und Beklagter müssen also
Fahrzeughalter sein.
28 Der Kläger hat, wie oben ausgeführt, einen Anspruch gegen Beklagten aus § 7 Abs. 1
StVG. Zu einem Haftungsausgleich nach § 17 Abs. 2 StVG kommt es indes nur, wenn auch
der Beklagte einen Anspruch gegen den Kläger aus § 7 Abs. 1 StVG, weil nicht § 7 Abs. 2
StVG (höhere Gewalt), oder aus unerlaubter Handlung hat. Denn es heißt in § 17 Abs. 2
StVG: "gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander ". Auch § 17
Abs. 2 StVG setzt also voraus, dass der Schaden "vorwiegend von dem einen oder dem
anderen Teil", kurzum von beiden Fahrzeughaltern verursacht worden ist.
War der Unfall für den Kläger ein unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 Satz 1 StVG), und
scheiden damit Ansprüche des Beklagten gegen den Kläger aus, haftet der Beklagte voll.
29 Rechtsfolge des § 17 Abs. 2 StVG
30 wie bei § 17 Abs. 1 StVG Schadensersatz, dessen Umfang "von den Umständen,
insbesondere davon abhängt, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem
anderen Teil verursacht worden ist". Da die Gesamtheit aller Ursachen, die geeignet sind, bei
dem Betrieb von Kfz Gefahren für Gesundheit und Eigentum der Mitmenschen in den
Verkehr zu tragen, als Betriebsgefahr bezeichnet wird, können wir auch sagen:
Schadensersatz,
dessen
Umfang
von
dem
Verhältnis
der
jeweiligen
konkreten
Betriebsgefahren abhängt.
31 1. Frage also: Welche Betriebsgefahren tragen die Unfallbeteiligten?
32 Insoweit handelt es sich um die "einfache" Betriebsgefahr, wenn lediglich feststeht, dass
ein Betriebsvorgang, und sei es die bloße Anwesenheit des Kfz im allgemeinen Verkehrsraum
zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, ohne dass ein Fehlverhalten des Fahrers, ein
Mangel am Fahrzeug oder sonstige Besonderheiten als Unfallursachen (Ohnmacht des
Fahrers) in Betracht kommen. Kommen diese zuletzt genannten Umstande hinzu, begründen
sie eine "erhöhte" Betriebsgefahr.
33 In den meisten Fällen wird die Gefahrerhöhung durch ein schuldhaftes Verhalten des
Fahrers herbeigeführt. Schuldhaft handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig handelt (§ 276 Abs.
1 Satz 1 BGB). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt
(§ 276 Abs. 2 BGB). Welche Sorgfalt im Straßenverkehr erforderlich ist, ergibt sich aus der
StVO. Die Feststellung der Verschuldensbeiträge zwingt Sie also zu einem Spaziergang durch
die StVO. Dabei erleben Sie oft Überraschungen. Was halten Sie beispielsweise von der
Auffassung des Beklagten, er habe den Auffahrunfall nicht fahrlässig verursacht, weil der
Kläger plötzlich gebremst habe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVO)?
Häufig hilft Ihnen der Anscheinsbeweis. Auch hier gilt der Vertrauensgrundsatz.
34 2. Frage: Wie sind die Betriebsgefahren in ihrem Verhältnis zueinander zu
gewichten?
35 Gewichtet wird zwar in Zehnersprüngen von 20 - 80 %. Bei geringeren oder höheren
Prozentsätzen tragen der Kläger oder der Beklagte den Unfallschaden alleine.
Beispiel: Trifft beide Parteien kein Verschulden, und ist die einfache Betriebsgefahr gleich,
kann der Geschädigte vom Halter/Fahrer 50 % seines Schadens ersetzt verlangen.
Weiteres Beispiel: Hat der Halter/Fahrer den Unfall grob fahrlässig verschuldet, d.h.: ist seine
konkrete Betriebsgefahr durch sein grobes Verschulden erhöht, kann dahinter die konkrete
Betriebsgefahr des Geschädigten zurücktreten.
36 Wichtig: In die Abwägung eingestellt werden nur zugestandene, sonst unstreitige oder
nachgewiesene (kausale) Umstände (BGH NZV 1995, 145).
Beispiel: A und B sind Fahrer und Halter zweier Fahrzeuge, die auf einer Ampelkreuzung
zusammenstoßen. Es lässt sich nicht klären, ob die Ampelanlage "grün" für A oder für B
gezeigt hat. Mithin kann nur die einfache Betriebsgefahr der beiden Personenkraftwagen in
die Abwägung eingestellt werden. A hat gegen B einen Anspruch auf Ersatz von 50 % seines
Schadens. Was, wenn ein Omnibus und ein Moped zusammenstoßen?
37 ZUM AUFBAU DER KLAUSUR BEACHTEN SIE BITTE BEREITS HIER:
38 Sie können, ausgehend von dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 StVG ("von den Umständen,
insbesondere davon, inwieweit der Schaden ... verursacht worden ist" - Verschulden als
sonstiger Umstand) die wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile abwägen,
etwa: "Unter Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile und Gefährdungsanteile hält
das Gericht eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zugunsten der Klagepartei für
angemessen" (OLG München, NZV 1990, 394).
39 Da das Verschulden des Halters die konkrete Betriebsgefahr seines Fahrzeuges erhöht,
scheint es richtiger, lediglich die Verursachungsanteile abzuwägen z.B.: "Gemäß § 17
Abs.
1
StVG
sind
die
Haftungsquoten
der
Parteien
nach
dem
Ausmaß
der
Verursachungsanteile beider Fahrzeugführer zu bestimmen. Bei der hiernach gebotenen
Abwägung ist ein so überwiegendes Verschulden des Beklagten festzustellen, dass
demgegenüber das Verhalten des Klägers als Unfallursache völlig zurücktritt und nicht zu
einer Mithaftung führt" (KG, NZV 1990, 155).
39a Haftungsausschluss gemäß § 17 Abs. 3 StVG "durch ein unabwendbares Ereignis" =
"insbesondere dann, wenn es auf das Verhalten des Verletzten oder eines bei dem Betrieb
nicht beschäftigten Dritten oder eines Tieres zurückzuführen ist und sowohl der Halter als
auch der Führer des Fahrzeuges jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt
beobachtet hat."
Unabwendbar ist ein Ereignis, dass durch äußerst mögliche Sorgfalt des Halters nicht
abgewendet werden kann. Hierzu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über
den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, unabwendbar ist also ein Ereignis, das
auch ein "Idealfahrer" nicht hätte abwenden können.
39b Beachte: Hier gilt der Vertrauensgrundsatz: Der Fahrer darf auf das Unterbleiben solcher
Verkehrswidrigkeiten vertrauen, mit denen er bei verständiger Würdigung aller Umstände
nicht zu rechnen brauchte. So muss ein Fahrer, der vorschriftsmäßig seine Fahrbahn benutzt,
sich darauf verlassen können, dass entgegenkommende Kraftfahrzeuge bei der Begegnung die
rechte Fahrspur einhalten.
40 FORMULIERUNGSVORSCHLÄGE:
41 Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von .... EUR
Schadensersatz.
42 Die grundsätzliche Haftung des Erstbeklagten als Halter seines unfallbeteiligten
Kraftfahrzeugs und der Zweitbeklagten als Versicherer dieses Fahrzeugs ergibt sich aus
§ 7 Abs. 1 StVG und § 115 VVG.
43 Denn diese Schäden sind bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs des Erstbeklagten entstanden
und die Beklagten haben nicht den Unabwendbarkeitsnachweis gemäß § 17 Abs. 3 StVG
geführt. Bei dem Unabwendbarkeitsnachweis kommt es darauf an, ob der Unfall auch für
einen besonders sorgfältigen Kraftfahrer bei der gegebenen Sachlage unvermeidbar gewesen
wäre. Vorliegend ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein besonders vorsichtiger Fahrer den
Unfall vermieden hätte, denn ... .
44 In dem Verhältnis der Parteien zueinander hängt die Verpflichtung zum Schadenersatz
sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG von den Umständen,
insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil
verursacht worden ist.
45 Denn auch der Kläger als Halter und Fahrer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges haftet
grundsätzlich nach § 7 Abs. 1 StVG für die Unfallfolgen. Denn auch er hat nicht nachweisen
können, dass der Unfall für ihn unabwendbar war. Auch hier ist nicht auszuschließen, dass
ein besonders vorsichtiger Fahrer den Unfall vermieden hätte, denn ... .
46 Auch wenn die grundsätzliche Haftung der Parteien feststeht, kann der Schaden einer
Partei ganz auferlegt werden, nämlich dann, wenn das Maß der Verursachung auf der einen
Seite so groß ist, dass demgegenüber die von der anderen Partei zu verantwortende
Mitverursachung nicht ins Gewicht fällt. So liegt der Fall hier.
47 Denn den Erstbeklagten belastet neben der Betriebsgefahr auch sein unfallursächliches
schuldhaftes Fehlverhalten als Fahrzeugführer. Er hat fahrlässig gehandelt. Er hat die im
Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet, denn er hat gegen §§ 1 und 4 der StVO
verstoßen.
48 Dies steht fest aufgrund der Regeln über den Beweis des ersten Anscheins. Der Beweis des
ersten Anscheins setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, der nach der
Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist. Die Gesamtgestaltung des Falles
muss so sein, dass sich aus der Erfahrung des Lebens der gezogene Schluss ohne weiteres
aufdrängt.
49 Fährt wie hier im fließenden Verkehr der Hintermann auf den Vordermann auf, so spricht
der erste Anschein dafür, dass der Hintermann entweder den erforderlichen Abstand
unterschritten hatte oder unaufmerksam war oder zu langsam reagiert und dadurch den
Unfall schuldhaft verursacht hat ... .
50 NICHT § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, da Halter und Fahrer verschiedene Personen sein
müssen.
51 § 823 Abs. 1 BGB. Nach § 16 StVG neben § 7 StVG anwendbar.
Der Gläubiger muss Verschulden des Anspruchsgegners darlegen und beweisen. Für
Mitverschulden/Mitverursachung gilt nicht § 254 Abs. 1 BGB, sondern § 17 Abs. 1, 2 StVG;
daher immer identische Quote wie bei Ansprüchen aus § 7 Abs. 1 StVG.
52 § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. StVO. Kann über § 823 Abs. 1 BGB hinaus gehen, weil § 823
Abs. 2 BGB auch reine Vermögensschäden umfasst, sich das Verschulden nur auf die
Schutzgesetzverletzung, nicht auch auf die Verletzung des Rechtsguts zu beziehen braucht
und weil bei objektiv feststehender Schutzgesetzverletzung der Beklagte u.U. darlegen und
beweisen muss, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat. Zum Schutzgesetzcharakter der
einzelnen Normen der StVO vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rz. 56. Ansonsten wie Rz. 51.
53 § 7 Abs. 3 Satz 1 StVG bei Schwarzfahrt (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 StVO).
54 GEGEN DIE HAFTPFLICHTVERSICHERUNG
55 Direktanspruch aus § 115 VVG (bisher: § 3 PflVG) gegen die Haftpflichtversicherung des
Unfallgegners, die nach § 116 VVG als Gesamtschuldner neben dem Versicherungsnehmer
haftet.
Auf
Altfälle
findet
gemäß
Art.
12
des
Gesetzes
zur
Reform
des
Versicherungsvertragsrechts das Pflichtversicherungsgesetz in seiner bis zum 31. Dezember
2007 geltenden Fassung Anwendung.
Beachte: Die Haftung besteht aber nur im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers
aus dem Versicherungsverhältnis bzw. im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4 VVG.
Bei vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens ist der Kfz-Pflichtversicherer
nicht eintrittspflichtig und ist auch nicht vorleistungsverpflichtet (§ 103 VVG).
Der vorsätzlich Handelnde hat überhaupt keinen Versicherungsschutz; u.U.
hilft die Verkehrsopferhilfe.
Der subjektive Risikoausschluss einer vorsätzlichen Herbeiführung des
Versicherungsfalls und damit der Fortfall des Deckungsanspruchs wirkt
nicht zugleich gegen weitere mitversicherte Personen (insbesondere Halter),
denen kein eigenes vorsätzliches Verhalten zur Last fällt (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.1980 - VI
ZR 38/79 - VersR 1981, 40).
Dem Haftpflichtversicherer ist außerdem bei der Regulierung eines Haftpflichtschadens eine
angemessene Frist zur Prüfung von Grund und Umfang der Eintrittspflicht zuzubilligen.
Zumutbar ist ein Zeitraum von etwa sechs Wochen (OLG Rostock, Urt. v. 09.01.2001 - 1 W
338/98 - MDR 2001, 935; LG Saarbrücken, Urt. v. 12.08.2008 - 4 O 121/08), bei
„Auslandsbezug“ acht Wochen. Vor Ablauf dieser Frist tritt - trotz eventueller Mahnung Verzug gemäß BGB § 285 nicht ein. Ein Zuwarten bis zur Akteneinsicht die erfahrungsgemäß
vielfach erst nach Monaten zu erhalten ist, würde aber den berechtigten Interessen des
Geschädigten an einer raschen Regulierung zuwiderlaufen (OLG Saarbrücken NZV 1991,
312).
Beachte beim System „Grüne Karte“: Der ausländische Kraftfahrer wird mit Grenzübertritt so
angesehen, als sei er nach den Bedingungen des besuchten Landes in vorgeschriebenem
Umfang versichert. Sofern das Deutsche Büro Grüne Karte - wie hier - die Pflichten eines
Haftpflichtversicherers übernommen hat, kann es auch verklagt werden (§§ 6 Abs. 1
AuslPflVersG, 115 VVG). Es ist also passiv legitimiert. Nicht passiv legitimiert sind die mit
der Abwicklung beauftragten Mitgliedsunternehmen/Schadenregulierungsbüros. Daneben
besteht selbstverständlich der Direktanspruch gegen Fahrer, Halter und Versicherer des
ausländischen Fahrzeugs.
Beachte: Gemäß § 10 Nr. 5 AKB gilt der Haftpflichtversicherer als bevollmächtigt, alle (mit-)
versicherten Personen hinsichtlich der Schadensregulierung zu vertreten. Damit ist der
Haftpflichtversicherer analog § 164 Abs. 3 BGB Empfangsvertreter für Halter und Fahrer. Ab
dem ersten Tag nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist befinden sich daher Halter, Fahrer
und Haftpflichtversicherer in Verzug.
Bei einem unverschuldeten Unfall im Ausland hat der Geschädigte zwei Möglichkeiten:
Er meldet den Schaden direkt beim ausländischen Versicherer oder er lässt den Schaden in
Deutschland über den sog. Schadenrepräsentanten des ausländischen Versicherers regulieren.
Basis für die Einschaltung des Schadenrepräsentanten ist die 4. KraftfahrzeughaftpflichtRichtlinie. Nach dieser Richtlinie muss jeder Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer in Europa in
jedem Mitgliedsland der EU sowie in Norwegen, Liechtenstein, der Schweiz und Island einen
Beauftragten für die Schadenregulierung benennen. An ihn können sich Geschädigte wenden.
In der EU-Richtlinie ist festgelegt, dass die Bearbeitungszeit eines Unfallschadens durch den
Regulierungsbeauftragten drei Monate nach Meldung nicht überschreiten darf. Reagiert der
Regulierungsbeauftragte in dieser Zeit nicht oder nicht angemessen, kann sich der
Geschädigte an die nationale Entschädigungsstelle wenden. In Deutschland ist dies der Verein
Verkehrsopferhilfe e.V. in Hamburg, Telefon 040 301800 oder www.verkehrsopferhilfe.de.
Diese übernimmt nach Ablauf einer weiteren Nachfrist die Bearbeitung des Falles und ist
dann passiv legitimiert.
56 HALTER ungleich FAHRER;
NORMALFALL
57 GEGEN DEN FAHRER
58 § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG. Beweislastnorm, denn Verschulden des Fahrers wird vermutet.
Der Fahrer muss nicht den Nachweis der höheren Gewalt führen, da § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG
nur auf § 7 Abs. 1 StVG verweist. Es reicht (§ 18 Abs. 1 Satz 2 StVG), wenn er nachweist,
dass er nicht schuldhaft gehandelt hat.
Haftungsausgleich nach §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 1, 2 StVG. Wichtig auch hier: In die
Abwägung eingestellt werden nur zugestandene, sonst unstreitige oder nachgewiesene
(kausale) Umstände, nicht aber das nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG vermutete Verschulden des
Fahrers.
59 § 823 Abs. 1 BGB. Für Mitverschulden/Mitverursachung gilt nicht § 254 Abs. 1 BGB,
sondern §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 1 StVG; daher immer identische Quote wie bei Ansprüchen
aus § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG. Ansonsten wie oben Rz. 51.
60 § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. StVO. Wie oben Rz. 52.
61
62 GEGEN DEN HALTER. Wie oben Rz. 7 - 53. Beachte insbesondere: Verschulden des
Halters selbst und Verschulden des Fahrers erhöhen die konkrete Betriebsgefahr des Halters
(nicht § 278 analog oder § 831 BGB analog). Zwischen Fahrer und Halter besteht, sagt der
BGH (NJW 1983, 623, 624), eine sog. Haftungseinheit.
63 GEGEN DIE HAFTPFLICHTVERSICHERUNG. Wie oben Rz. 54 - 55.
64 HALTER ungleich FAHRER;
SONDERFALL HAFTUNG FÜR VERRICHTUNGSGEHILFEN
65 Alles wie oben Rz. 57 - 64. Der Halter haftet aber weiter (wichtig für § 253 Abs. 2 BGB)
aus § 831 ABS. 1 Satz 1 BGB.
66 HALTER ungleich FAHRER;
SONDERFALL STAATSHAFTUNG
67 GEGEN DEN FAHRER
Für Beamte im staatsrechtlichen Sinn ist die persönliche Haftung für unerlaubte Handlungen,
soweit sie Amtspflichtverletzungen sind, in § 839 BGB abschließend geregelt. Gemäß Art.
34 GG besteht die Staatshaftung anstelle des Beamten.
Andere Amtsträger haften persönlich nach §§ 823 ff. BGB, jedoch ist bei hoheitlichem
Handeln ihre persönliche Haftung wegen der Staatshaftung nach Art. 34 GG ausgeschlossen.
Außerhalb hoheitlichen Handelns haftet der Staat für alle Amtsträger nach allgemeinen
Vorschriften.
68 § 839 Abs. 1 BGB bei Handeln eines Beamten im privatrechtlichen Geschäftskreis des
öffentlich-rechtlichen Dienstherrn, persönliche Haftung des Beamten (vgl. Palandt/Sprau,
BGB, § 839 Rz. 23) neben der Anstellungskörperschaft.
69 GEGEN DIE ANSTELLUNGSKÖRPERSCHAFT BEI DIENSTFAHRTEN
70 IM PRIVATRECHTLICHEN BEREICH aus § 7 Abs. 1 StVG, § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB
oder §§ 89, 31 BGB i.V.m. unerlaubter Handlung.
71 IM ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN BEREICH aus § 839 BGB oder § 7 Abs. 1 StVG
i.V.m. Art. 34 GG.
72 SONDERFALL
KRAFTFAHRZEUG
GEGEN
NICHTMOTORISIERTEN
MENSCH,
TIER
und
EISENBAHN
73 NICHTMOTORISIERTER MENSCH haftet aus unerlaubter Handlung. Beachte aber die
Neuregelung des § 828 Abs. 2 BGB (Haftungsausschluss für Kinder vom 7. bis zum 9.
Lebensjahr – es sei denn Vorsatz oder ruhender Verkehr).
Beachte: Wegen der gesetzlichen Vermutung für die Deliktsunfähigkeit des Kindes obliegt es
dem geschädigten Autofahrer, das Fehlen einer Überforderungssituation des Kindes im
motorisierten Straßenverkehr darzulegen und ggf. zu beweisen (BGH, Urt. v. 30.06.2009 - VI
ZR 310/08).
Bei Klage des Halters gegen den nicht motorisierten Menschen wird ein Mitverschulden nach
§ 254 Abs. 1 BGB, bei Klage des nicht motorisierten Menschen gegen den Halter nach § 9
StVG, § 254 BGB berücksichtigt.
74 TIER. Tierhalter haftet bei Luxustier aus § 833 Satz 1 BGB (Gefährdungshaftung), bei
Haustier/Berufstier aus § 833 Satz 2 BGB (vermutetes Verschulden). Bei Klage des Halters
gegen den Tierhalter (Luxustier/Haustier/Berufstier) wird Mitverursachung des Halters nach §
17 Abs. 1, 2 StVG berücksichtigt (beachte § 28 StVO).
75 EISENBAHN. Haftpflichtgesetz. Mitverursachung wird nach § 13 Abs. 1, 2 HPflG
berücksichtigt. Schmerzensgeld nach § 6 Satz 2 HPflG.
76 SONDERFALL
SCHULDANERKENNTNIS AN DER UNFALLSTELLE
(Ich erkläre mich hiermit zum allein Schuldigen, BGH NJW 1984, 799)
77 § 781 BGB: Durch das abstrakte Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB (Schriftform) wird
unabhängig von einem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Forderung
geschaffen. Dass die Parteien dies - an der Unfallstelle - gewollt haben, kann regelmäßig nicht
angenommen werden.
78 Unter einem kausalen (oder deklaratorischen) Schuldanerkenntnis, einem im BGB nicht
geregelten Vertragstypus, versteht man einen Vertrag, der im Unterschied zu dem abstrakten
Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB den in Frage stehenden Anspruch nicht "auf eine neue
Anspruchsgrundlage
hebt",
sondern
diesen
Anspruch
durch
Beibehaltung
des
Anspruchsgrundes dadurch verstärkt, dass er ihn Einwänden des Anspruchsgegners entzieht.
Entzogen werden dem Anspruchsgegner alle Einwendungen und Einreden, die bei Abgabe
der Erklärung bestanden und ihm bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete.
Zweck eines solchen Vertrages ist es, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest zum
Teil dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen. Dass die Parteien dies - an der
Unfallstelle - gewollt haben, kann allenfalls dann festgestellt werden, wenn die Parteien einen
besonderen Anlass für den Abschluss eines bestätigenden Vertrages hatten, wenn also Streit
über das Bestehen der Schuld bestand (und der Beklagte sodann erklärt: "Ich werde für den
ganzen Unfallschaden aufkommen").
79 Das sog. Schuldbekenntnis: Ist dies nicht der Fall, müssen die Erklärungen der
Unfallbeteiligten nach den §§ 133, 157 BGB als Erklärungen ohne rechtsgeschäftlichen
Charakter verstanden werden, deren Sinn allein dahin geht, den Unfallgegner vor
Beweisschwierigkeiten zu bewahren. Es verbessert die Beweislage des Unfallgegners.
Regelmäßig muss der Bekennende nachweisen, dass er entgegen seinem Schuldbekenntnis
keine Schuld trägt, wobei der BGH offen lässt, ob diese Wirkung als Beweislastumkehr oder
als sog. "Zeugnis gegen sich selbst" mit entsprechender Indizwirkung (§ 286 ZPO) zu werten
ist.
80 SONDERFALL ANSPRUCHSÜBERGANG
81 § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Auf Sozialversicherungsträger gehen sog. kongruente
Schadensersatzansprüche, d.h. die Ansprüche, die dem Ausgleich des versicherten Risikos
entsprechen, bereits im Zeitpunkt des Schadensereignisses über.
82 § 86 VVG (bisher: § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG). Auch der Übergang nach § 86 Abs. 1 Satz 1
VVG auf private Versicherungen beschränkt sich auf die kongruenten Ersatzansprüche, bei
der Kaskoversicherung also auf die unmittelbare Schäden wie Abschleppkosten,
Reparaturkosten,
Sachverständigenkosten
Sachfolgeschäden
wie
Verdienstausfall,
und
Minderwert.
Mietwagenkosten,
Nicht
kongruent
sind
Nutzungsausfall
und
Unkostenpauschale.
83 § 6 Abs. 1 EntgeltfortzG, § 87a BBG, § 52 BRRG; Landesrechtliche Vorschriften des
Beamtenrechts.
84 ANSPRUCHSHÖHE
85 SACHSCHADEN: Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz seines Schadens
und ist nicht „verpflichtet“, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur
Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen (BGH VersR 1988, 1178). Dies kann
anders sein, wenn der Geschädigte einen solchen Kredit ohne weiteres erhalten und auch
zurückzahlen kann (BGH, Urt. v. 16.11.2005 - IV ZR 120/04). Unterlässt der Geschädigte
dies, verstößt er in diesem Ausnahmefall gegen seine Schadensminderungspflicht.
Im Übrigen trifft den Geschädigten eine sekundäre Darlegungslast zu der Frage, ob er
die Kosten der Schadensbeseitigung aus eigenen Mitteln vorfinanzieren kann.
Der Geschädigte ist im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gehalten, seine fehlende
Möglichkeit zur Finanzierung der Kosten der Schadensbeseitigung der Gegenseite anzuzeigen
(OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.12.2007 - I-1 U 110/07 - VRR 2008, 267; OLG Brandenburg,
Urt. v. 30.08.2007 - 12 U 60/07 - VRR 2008, 27).
Unterlässt er dies, hat er den dadurch bedingten (weiteren) Schaden selber zu tragen.
Ob
die
Rechtsanwaltskosten
für
die
Einholung
einer
Deckungszusage
des
Rechtsschutzversicherers für die Klage gegenüber dem Unfallgegner und dessen KfzHaftpflichtversicherer sind zu ersetzen sind, hängt von der Schwierigkeit der Sache ab (vgl.
BGH, Urteil vom 09.03.2011, VIII ZR 132/10).
86 BERGUNGS-, ABSCHLEPP- UND ÜBERFÜHRUNGSKOSTEN gibt es aus § 249 Satz
2 BGB.
87 KFZ- REPARATURKOSTEN
88 TATSÄCHLICH entstandene REPARATURKOSTEN gibt es aus § 249 Abs. 2 BGB, und
zwar auch dann, wenn - im Augenblick der Entscheidung über die Art der
Schadensbeseitigung - die voraussichtlichen Reparaturkosten und der merkantile Minderwert
(§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB) (BGH Urteil vom 15.10.1991 VI ZR 314/90 ) den
Wiederbeschaffungswert um bis zu 30 % übersteigen. Der Restwert bleibt dann
unberücksichtigt.
Beachte: Der Anspruch auf Zahlung bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts wird sofort
fällig. Der Schädiger bzw. die Versicherung kann einen Rückforderungsanspruch haben,
wenn der Geschädigte, das Fahrzeug anschließend nicht 6 Monate weiter nutzt (BGH
Beschluss vom 18. November 2008 VI ZB 22/08).
Übersteigen - im Augenblick der Entscheidung über die Art der Schadensbeseitigung - die
voraussichtlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 %, so ist
die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig (wirtschaftlicher Totalschaden,
vgl. unten Rz. 100). Lässt der Kläger gleichwohl reparieren, hat er nur Anspruch auf den
Wiederbeschaffungsaufwand
=
Wiederbeschaffungswert
minus
Restwert
(Palandt/
Grüneberg, aaO, § 249 BGB, Rz. 27; BGH NJW 2007, 1674).
89 FIKTIVE REPARATURKOSTEN aus § 249 Abs. 2 BGB: Der Geschädigte darf seiner
Schadensberechnung
grundsätzlich
die
üblichen
Stundenverrechnungssätze
einer
markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Will der Schädiger den Geschädigten
unter
dem
Gesichtspunkt
der
Schadensminderungspflicht
auf
eine
günstigere
Reparaturmöglichkeit in einer "freien Fachwerkstatt" verweisen, muss der Schädiger darlegen
und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der
Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.
Ist dies der Fall, kann es für den Geschädigten gleichwohl unzumutbar sein, sich auf eine
Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt verweisen zu lassen. Dies gilt insbesondere für
Fahrzeuge bis zum Alter von 3 Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen
muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf
andere Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme
von
Gewährleistungsrechten,
einer
Herstellergarantie
und/oder
Kulanzleistungen
Schwierigkeiten bereiten könnten.
Auch bei älteren Kraftfahrzeugen kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich im
Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer
markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der
Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen
Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder sein besonderes Interesse an einer
solchen Reparatur durch eine konkrete Reparaturrechnung belegt (BGH Urteil vom
20.10.2009 – VI ZR 53/09).
Die fiktiven Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, sind bis zu
Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts auch dann zu ersetzen, wenn
keine oder geringere Kosten entstanden sind. Voraussetzung ist jedoch, dass der Geschädigte
das Kfz nach dem Unfall repariert oder unrepariert mindestens 6 Monate weiter benutzt (vgl.
BGH NJW 2006, 2179; Palandt/Grüneberg, aaO, § 249 BGB, Rz. 14, 27). Dabei spielt die
Qualität einer Reparatur jedenfalls so lange keine Rolle, als die geschätzten Reparaturkosten
den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen (vgl. BGH NJW 2003, 2085). Veräußert der
Geschädigte das Kfz in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall wird der Anspruch
auf den Wiederbeschaffungsaufwand (= Wiederbeschaffungswert minus Restwert)
begrenzt.
Im Gutachten angesetzte Verbringungskosten (zum Lackierer) und Ersatzteilaufschläge der
Werkstätten sind nur zu ersetzen, wenn sie anfallen (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO,
§ 249 BGB, Rz. 14; aber str.).
Beachte: In der Fahrzeugversicherung (Voll- und Teilkasko) ist Leistungsgrenze in allen
Fällen der vom Hersteller unverbindlich empfohlene Preis am Tag des Schadens (§ 13 Abs. 2
AKB). Ersatzteilaufschläge werden nicht erstattet.
Nimmt der Geschädigte im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens tatsächlich keine
Ersatzbeschaffung vor, sondern nutzt er sein unfallbeschädigtes Fahrzeug - ggf. nach einer
Teilreparatur - weiter, ist im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens (Reparaturkosten
höher als 130 % des Wiederbeschaffungswerts) bei der Berechnung des fiktiven
Wiederbeschaffungsaufwandes in der Regel nur der in einem Sachverständigengutachten für
den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen. Er kann dabei aber nicht auf
ein höheres Restwertangebot verwiesen werden, das er wegen der tatsächlichen
Weiternutzung des Fahrzeuges nicht realisieren kann (vgl. BGH Urteil vom 10.07.2007, VI
ZR 217/06).
Der Sachverständige hat zur Höhe des Restwertes des Fahrzeugs (mindestens) drei
Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt
einzuholen und diese konkret unter Angabe der Höhe und der namentlich benannten
Interessenten im Gutachten zu dokumentieren. Soweit das Gutachten diesen vom
Sachverständigen geschuldeten Anforderungen nicht genügt, besteht für den Geschädigten
das Risiko, dass das Gutachten nicht zur Grundlage der Abrechnung des Fahrzeugschadens
geeignet ist (BGH, Urteil vom 13.10.2009 - VI ZR 318/08 -).
90 Die UMSATZSTEUER ist nur zu ersetzen, wenn sie anfällt (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB),
das heißt wenn in einer Werkstatt repariert wird. Beachte: Ist der Kläger als
umsatzsteuerverpflichteter Unternehmer zum sog. Vorsteuerabzug berechtigt, ist die
Umsatzsteuer ohnehin nicht geschuldet (Beweislast Schädiger: BGH Urteil vom 04.05.1982
VI ZR 166/80).
Will
der
Geschädigte
Sachverständigengutachtens
seinen
Schaden
abrechnen,
ist
fiktiv
von
auf
einem
der
dort
Grundlage
angegebenen
eines
Brutto-
Wiederbeschaffungswert eine darin enthaltene Umsatzsteuer abzuziehen. Hierfür hat der
Tatrichter zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach
§ 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit
umsatzsteuerfrei angeboten werden (vgl. BGH - VI ZR 225/05 - Urteil vom 9. Mai 2006).
Setzt man auf dem Gebrauchtwagenmarkt eine Händlerspanne von 15 % an, ergibt sich bei
einem Umsatzsteuersatz von 19 % ein Umsatzsteueranteil von (15 * 0,19 =) 2,85 %, der aus
dem Bruttowert herauszurechnen ist.
91 Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf Mehrkosten, die ohne Schuld des Klägers durch
unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstatt verursacht worden sind
(WERKSTATTRISIKO im Unterschied zum Prognoserisiko: Palandt/Heinrichs, aaO, § 249
BGB, Rz. 13). Der Schädiger trägt das sog. PROGNOSERISIKO, ganz genau so, wie er für
erfolglose Reparaturversuche und nicht notwendige Aufwendungen haftet, sofern der
Geschädigte die getroffene Maßnahme als aussichtsreich ansehen durfte.
92 Ein Abzug "NEU FÜR ALT" von den Reparaturkosten ist nur dann zu machen, wenn
durch die Reparatur eine Wertsteigerung eingetreten ist, die sich für den Kläger wirtschaftlich
auswirkt, also dann, wenn kurzlebige Teile eines Kfz, die während des Gebrauchs in gewissen
Abständen ersetzt werden müssen (Motor, Reifen, Batterie, Lackierung) infolge eines
Autounfalls beschädigt und deshalb erneuert worden sind, dagegen nicht, wenn Teile ersetzt
werden, die idR die Lebensdauer des Kfz erreichen (Palandt/Grüneberg, aaO, § 249 BGB, Rz.
26).
93 Kosten des PRIVATSACHVERSTÄNDIGEN aus § 249 Satz 2 BGB sofern kein
Bagatellschaden (500,00 - 750,00 EUR); bei Bagatellschaden genügt Kostenvoranschlag (vgl.
BGH NW 2005, 356).
Beachte: Zwar ist auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit ein Schaden. Der
Geschädigte kann aber gemäß § 249 Abs. 1 BGB
– soweit wie bei den
Sachverständigenkosten keine Substanzverletzung vorliegt - grundsätzlich nur Freistellung
von der Verbindlichkeit begehren, solange er nicht dargelegt hat, dass er die Rechnung
bezahlt hat (Palandt/Grüneberg, aaO, Vorb v § 249 Rn. 46 u. § 250 Rn. 2 mwN). Der
Freistellungsanspruch wandelt aber sich gemäß § 250 Satz 2 BGB in einen Zahlungsanspruch
um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert (BGH NJW
2004, 1868).
94 MINDERWERT
95 Der TECHNISCHE Minderwert ist nach "§§ 249, 251 BGB" (so der BGH!) ersatzfähig
(Palandt/Heinrichs, aaO, § 251 BGB, Rz. 12).
96 Der MERKANTILE Minderwert (= Odium des Unfallwagens) nach "§§ 249, 251 BGB"
(BGH NJW 2005, 277 bis zu 12 Jahre alte PKW, wenn tragende Teile beschädigt). Nicht zu
erstatten bei fiktiven Reparaturkosten, da maßgebend für die Bemessung der Zeitpunkt der
beendigten Instandsetzung ist (vgl. Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozess, Kap. 3 Rz. 54
ff).
Beachte: Ein Schadensersatzanspruch entfällt, wenn wegen im Unfallzeitpunkt nicht
reparierter Vorschäden ein zusätzlicher Schaden nicht festgestellt werden kann. Selbst
kompatible Schäden werden nicht ersetzt, weil eine Schadensschätzung nicht möglich ist,
wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie
bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind (KG Urteil vom 22.02.2010 Az.: 12 U
59/09).
97 WIEDERBESCHAFFUNGSWERT
98 abzüglich Restwert bei ZERSTÖRTEN Altfahrzeugen aus § 251 Abs. 1 BGB
(Palandt/Grüneberg, aaO, § 251 BGB, Rz. 13 und 16).
99 abzüglich Restwert bei zerstörten Neufahrzeugen aus § 251 Abs. 1 BGB (Palandt/
Grüneberg, aaO, § 251 BGB, Rz. 14).
100 Bei WIRTSCHAFTLICHEM TOTALSCHADEN (im Augenblick der Entscheidung über
die Art der Schadensbeseitigung übersteigen die voraussichtlichen Reparaturkosten den
Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 %) aus § 249 Satz 2 BGB.
101 Bei UNECHTEM TOTALSCHADEN (= erhebliche Beschädigung eines praktisch neuen
<1.000 km> Kraftfahrzeuges) aus § 251 Abs. 2 BGB (Palandt/ Grüneberg, aaO, § 251 BGB,
Rz. 15).
102 objektiv erforderliche MIETWAGENKOSTEN aus § 249 Satz 2 BGB (vgl. Palandt/
Grüneberg, aaO, § 249 BGB, Rz. 30, 31).
102a
RECHTSANWALTSKOSTEN
aus
§
249
Satz
2
BGB.
Als
Teil
jedes
Schadensersatzanspruchs besteht ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch (Palandt/
Grüneberg, aaO, § 249 BGB, Rz. 38 ff.). Ein solcher kommt allgemein in Betracht bei
Verzug, Pflichtverletzung, unerlaubter Handlung und GoA (BGH NJW 2007, 1458; BGH
Urteil vom 16.01.2009 - V ZR 133/08 -).
103 NUTZUNGSAUSFALL, gewohnheitsrechtlich anerkannt (Palandt/Grüneberg s, aaO,
Vorb. vor § 249 BGB, Rz. 20 ff. ).
Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen bemisst sich der Schaden nach den Vorhaltekosten
eines (vorhandenen) Fahrzeugs (vgl. Palandt/ Grüneberg, a.a.O., Vorb. vor § 249 BGB, Rz.
24a, 43), den Mietwagenkosten oder dem entgangenen Gewinn.
104 VERSICHERUNGSNACHTEILE können ersatzfähig sein, wenn der Kläger wegen
fehlender Regulierungsbereitschaft des Haftpflichtversicherers des Beklagten die eigene
Kaskoversicherung in Anspruch nimmt und dadurch den Schadensfreiheitsrabatt verliert. Das
gilt auch bei einer bloßen Quotenhaftung (vgl. BGH Urteil vom 25. April 2006 – VI ZR 36/05
= SVR 2006, 381). Anders als beim Verlust des Schadensfreiheitsrabatts in der
Haftpflichtversicherung – wo die Rückstufung darauf beruht, dass auch dem Gegner ein
Schaden entstanden ist - handele es um eine Folge des unfallbedingten Fahrzeugschadens.
Hierbei genüge eine Mitursächlichkeit.
105 ZINSEN u.U. auch § 849 BGB, aber nur, wenn nicht gleichzeitig Nutzungsausfall
begehrt wird. Nach § 849 BGB ist nämlich der pauschalierte Mindestbetrag des
Nutzungsausfalls zu ersetzen (vgl. BGHZ 87, 38). Ansonsten aus Verzug.
106 KOSTENPAUSCHALE in Höhe von 25.- EUR aus § 249 Satz 2 BGB für im Einzelnen
nicht immer nachweisbare Kosten (Porti, Telefon usw), sofern kein Bagatellschaden vgl.
Palandt/ Grüneberg, aaO, § 249 BGB, Rz. 43).
Die Einbuße an Freizeit, die mit jedem Schadensfall verbunden ist, stellt keinen
Vermögensschaden dar (BGHZ 106, 32).
107 PERSONENSCHADEN
108 ERWERBSSCHADEN (§§ 823, 842, 843, 252 Satz 2 BGB; § 287 Abs. 1 ZPO)
109 VERDIENSTAUSFALL (§§ 823, 252 Satz 2 BGB; § 287 Abs. 1 ZPO)
110 HAUSHALTSFÜHRUNGSSCHADEN (§§ 823, 843 BGB; §§ 7, 11 STVG)
In dem Verlust der Fähigkeit, weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, liegt ein
ersatzfähiger Schaden. Er stellt sich je nach dem, ob die Hausarbeit als Beitrag zum
Familienunterhalt oder den eigenen Bedürfnissen des Verletzten diente, entweder als
Erwerbsschaden im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StVG oder als Vermehrung der
Bedürfnisse im Sinne des 11 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StVG dar (vgl. BGH NJW-RR 1990, 34,
35). In dem einen wie dem anderen Falle ist der Schaden messbar an der Entlohnung, die für
die verletzungsbedingt nicht mehr ausführbaren oder nicht mehr zumutbaren Hausarbeiten an
eine Hilfskraft gezahlt wird (dann Erstattung des Bruttolohns) oder, wenn etwa
Familienangehörige oder Freunde einspringen, gezahlt werden müsste (dann Orientierung am
Nettolohn).
Der Geschädigte muss im Einzelnen darlegen, welche Tätigkeiten, die vor dem Unfall im
Haushalt verrichtet wurden, unfallbedingt nicht mehr oder nicht mehr vollständig ausgeübt
werden können. Ein bloßer allgemeiner Verweis auf eine bestimmte prozentuale Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) oder der Fähigkeit zur Haushaltsführung genügt nicht (vgl. OLG
Celle 14 U 73/06). Dabei kann ggf. eine Schätzung nach Tabellen (z. B. SchulzBorck/Hofmann) erfolgen, dies muss aber nicht geschehen (vgl. OLG Celle 14 U 101/06).
111a Kosten von Besuchen naher Angehöriger bei stationärem Krankenhausaufenthalt des
Verletzten
(Fahrtkosten
einschließlich
evtl.
Übernachtungskosten
und
Verpflegungsmehraufwand, Verdienstausfall) sind nur dann seinen nach § 823 Abs. 1 BGB
zu ersetzenden Heilungskosten zuzuordnen, wenn die Besuche medizinisch notwendig und
die Aufwendungen unvermeidbar sind. Entsprechend § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG sind 0,25 EUR je
km anzusetzen.
Verdienstausfall oder der Ausfall im Haushalt der Angehörigen ist nur zu ersetzen, wenn der
Ausfall nicht durch Vor- oder Nacharbeit aufgefangen werden kann. Darüber hinausgehende
Fortkommensnachteile sind nicht erstattungsfähig (vgl. BGH NJW 1991, 2347).
Die im Wege der Vorteilsausgleichung auf den Verdienstausfallschaden anzurechnenden
ersparten
berufsbedingten
Aufwendungen
können
mangels
konkreter
gegenteiliger
Anhaltspunkte auf 5 % des Nettoverdienstes geschätzt werden (Schleswig-Holsteinisches
Oberlandesgericht, Urteil vom 07. Mai 2009 – 7 U 26/08 –, juris).
112a SCHMERZENSGELD (§ 253 Abs. 2 BGB; § 11 Satz 2 StVG). Beachte: Schon der
Versuch einer sorgfältigen Begründung der Höhe des Schmerzensgeldes wird in der Klausur
honoriert.
Grundlagen für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind u.a. das Ausmaß und die Schwere
der psychischen und physischen Störungen, das Alter des Verletzten und des Schädigers, das
Maß der Lebensbeeinträchtigung, Größe, Dauer, Heftigkeit der Schmerzen, Leiden und
Entstellungen,
Dauer
der
stationären
Behandlung,
der
Arbeitsunfähigkeit,
die
Unübersichtlichkeit des weiteren Krankheitsverlaufes, die Fraglichkeit der endgültigen
Heilung, der Grad des Verschuldens sowie das Bestehen einer Haftpflichtversicherung für den
Schädiger in vernünftigen Grenzen im Hinblick auf die Interessen der versicherten
Gemeinschaft.
112b
Beachte
weiter:
In
höchstrichterlichen
Entscheidungen
heißt
es
nahezu
gebetsmühlenartig immer wieder: "Welche Entschädigung als billig, i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB
zu bezeichnen ist, ist vom Gericht nach § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Die Schätzung ist
grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dabei hat er sich im Rahmen des freien richterlichen
Ermessens zu halten; ihm ist ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt." Konkret bedeutet
dies: Der Kläger muss den Haftungsgrund darlegen und zur vollen Überzeugung des Gerichts
(§ 286 ZPO) beweisen.
Ist zwischen den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden ist, d.h. die Kausalität zwischen
verursachtem Erfolg und Schaden, sog. haftungsausfüllende Kausalität, und wie hoch sich der
Schaden belaufe, sind die Beweisanforderungen (das Beweismaß) im Rahmen des dann
anwendbaren § 287 ZPO geringer. Ausreichend ist, dass der Richter das Vorliegen der
Tatsache für überwiegend wahrscheinlich (Prütting/Gielen, Prozessuale Probleme der
Schmerzensgeldklage, NZV 1989, 329, 330) bzw. erheblich wahrscheinlich (BGH NJW 1973,
1413, 1414) hält.
112c Beachte: Die Kriterien, die Sie normalerweise im Rahmen des § 254 BGB prüfen,
führen dazu, dass der Schmerzensgeldanspruch von vornherein nur in verminderter Höhe
entsteht. Es besteht eben kein Bedürfnis nach Genugtuung, soweit der Geschädigte den
Schaden selbst verursacht hat.
112d HAFTUNGSHÖCHSTBETRÄGE: Für Ansprüche nach dem StVG gelten die in § 12
StVG genannten Haftungshöchstbeträge.
112e Verjährung:
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB). Für die Ansprüche nach dem
StVG geltend die vorstehenden Regelungen entsprechend (§ 14 StVG). Allerdings ist ein
Unfall binnen 2 Monaten ab Kenntnis von Schaden und Ersatzpflichtigem dem
Ersatzpflichtigem anzuzeigen um einen Anspruchsverlust nach dem StVG zu vermeiden (§ 15
StVG).
Beachte: Nach § 115 Abs. 2 Satz 3 VVG ist die Verjährung, wenn der Anspruch des Dritten
bei dem Versicherer angemeldet worden ist, bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung
des Versicherers gehemmt.
Der Geschädigte kann nach Ablauf der zehnjährigen Frist des § 115 Abs. 2 Satz 2 VVG mit
seinem Direktanspruch gegen den Versicherer an der Einrede der Verjährung scheitern. Der
Geschädigte kann in einem solchen Fall aber einen bestehenden Deckungsanspruch des
schädigenden Versicherungsnehmers gegen den Haftpflichtversicherer pfänden, sich zur
Einziehung überweisen lassen und dann gegen den Versicherer durchsetzen (BGH, Urteil
vom 09. Januar 2007 – VI ZR 139/06 – juris).
112f Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen:
Wenn das Fahrzeug, durch dessen Gebrauch der Schaden verursacht worden ist, nicht
ermittelt werden kann (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 PflVG) oder wenn die aufgrund dieses Gesetzes
erforderliche Haftpflichtversicherung zugunsten des Halters, des Eigentümers und des Fahrers
nicht besteht (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 PflVG) kommen Ansprüche gegen den Entschädigungsfonds
für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen in Betracht.
Beachte: Wird die Haftpflichtversicherung für ein Kraftfahrzeug wegen Verzugs des VN vom
Versicherer gekündigt, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem
Versicherungsnehmer gegenüber frei. Gleichwohl bleibt seine Verpflichtung in Ansehung des
Dritten zunächst bestehen (§ 117 Abs. 1 VVG). Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die
Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, wirkt in Ansehung des Dritten erst
mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Versicherer diesen Umstand der hierfür
zuständigen Stelle angezeigt hat (§ 117 Abs. 2 Satz 1 VVG). Der Versicherer ist allerdings
leistungsfrei,
soweit
der
Dritte
Ersatz
seines
Schadens
von
einem
anderen
Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger erlangen kann. Das gilt
insbesondere, wenn der Dritte eine Vollkaskoversicherung hat.
113 PROZESSUALES
114 ZULÄSSIGKEIT
115 ÖRTLICHE ZUSTÄNDIGKEIT. Beachte § 32 ZPO und inhaltsgleich: § 20 StVG.
Wichtig: Der EuGH hat entschieden, dass das Opfer eines Verkehrsunfalls vor dem Gericht
des Ortes seines Wohnsitzes eine unmittelbare Klage gegen den Versicherer des
Unfallverursachers erheben kann. Dies gilt, sofern eine solche Klage zulässig ist und der
Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig ist (EuGH 13.12.2007,
Aktenzeichen: C-463/06).
116a BESTIMMTER KLAGEANTRAG.
Grundsatz: Ein geforderter Geldbetrag ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu beziffern.
Ausnahme: Der Schmerzensgeldanspruch ist kraft Gewohnheitsrechts grundsätzlich
unbeziffert zulässig. Allerdings muss der Kläger nicht nur die tatsächlichen Grundlagen,
sondern auch die Größenordnung des geltend gemachten Betrages so genau wie möglich
angeben.
116b Die Angabe eines Mindestbetrages zieht dem Ermessen des Gerichtes seit BGH NJW
1996, 2425, 2427 zwar keine Grenze mehr im Hinblick auf § 308 Abs. 1 ZPO, d.h.: trotz
Angabe des Mindestbetrages oder einer Größenordnung kann der doppelte Betrag
zugesprochen werden. Trotz BGH aaO bleibt die Angabe des Mindestbetrages aber
erforderlich. Sie kann eine Hilfe bei der Bemessung eines angemessenen Betrages sein. Wird
der Mindestbetrag zugesprochen, ist der Kläger nicht beschwert. Trotz BGH aaO dürfte
weiter der Kläger nicht mit den Kosten belastet werden, wenn der zugesprochene Betrag nur
20 % hinter dem angegebenen Mindestbetrag zurückbleibt (vgl. Zöller/Greger, aaO, § 253 Rn.
14).
Beachte: Mindestbetrag gilt auch für die Streitwertfestsetzung.
117 SUBJEKTIVE KLAGEHÄUFUNG ist ganz unproblematisch (§§ 59, 60 ZPO).
118 PROZESSVOLLMACHT, vgl. § 10 Nr. 5 AKB: „Der Versicherer gilt als
bevollmächtigt, im Namen der versicherten Personen Ansprüche nach Abs. 1 zu befriedigen
und/oder abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen der
versicherten Personen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben.“
119 RECHTSKRAFT, vgl. § 124 VVG
119a Streitgenossenschaft: Zwischen Haftpflichtversicherung und Versicherungsnehmer
besteht keine notwendige Streitgenossenschaft (vgl. BGHZ 63, 51). Allerdings darf ein
Streitgenosse (Bsp.: Haftpflichtversicherung) dem anderen (Bsp.: Versicherungsnehmer)
gemäß § 66 Abs. 1 ZPO als Nebenintervenient beitreten (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl.,
§ 66 Rz. 3). Das kann etwa dann notwendig sein, wenn der Versicherungsnehmer sich nicht
gegen die Klage verteidigt.
120 FESTSTELLUNGSKLAGE ist im Verkehrsunfallprozess häufig bezüglich des
materiellen und immateriellen Zukunftsschadens, der sich noch nicht absehen lässt und der
ohne Feststellungsurteil nach § 14 StVG, § 195 BGB verjähren könnte (vgl. BGH NJW-RR
2007, 601). Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist gegeben, wenn ein Zukunftsschaden
möglich ist; es ist zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger
Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH
Urteil vom 02.04.2014 - VIII ZR 19/13).
Die Feststellungsklage ist begründet, wenn ein Zukunftsschaden wahrscheinlich ist.
Hinsichtlich des materiellen Zukunftsschadens ist eine Feststellung nur insoweit möglich, wie
der Anspruch nicht bereits auf den Träger der Sozialversicherung übergegangen ist.
Beim Feststellungsbegehren mit einer Schadensersatzklage ist maßgebend für die
Streitwertfestsetzung das Schadensbild, das der Kläger als Grundlage der festzustellenden
Ersatzansprüche und damit der Ermessensausübung vorträgt (BGH Beschluss vom
27.08.2008 Aktenzeichen: VI ZR 78/07).
In der Haftpflichtversicherung kann auch der Geschädigte ein eigenes, aus der Sozialbindung
der Haftpflichtversicherung folgendes rechtliches Interesse i.S.d. § 256 ZPO
an der
Feststellung haben, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren habe.
Dies ist dann der Fall, wenn der Versicherer auf Anfrage des Geschädigten, ob
Versicherungsschutz bestehe, keine oder keine eindeutige Antwort gibt oder die Auskunft
verweigert (BGH Urteil vom 22.07.2009 IV ZR 265/06).
Ein – vor oder nach Klageerhebung erteiltes - schriftliches Anerkenntnis lässt das
Feststellungsinteresse dann entfallen, wenn der Betreffende seine Ersatzpflicht für bereits
eingetretene und künftige noch entstehende Schäden dem Grunde nach anerkennt und er
zugleich uneingeschränkt auf die Einrede der Verjährung verzichtet (BGH NJW 1985, 791,
792).
Beachte: Die gerichtliche Feststellung der Verpflichtung des Schädigers zum Ersatz künftiger
immaterieller Schäden erstreckt sich nur auf die im Zeitpunkt der Entscheidung objektiv
vorhersehbaren Spätfolgen der Schädigung, beurteilt anhand der Kenntnisse und Erfahrungen
eines insoweit Sachkundigen (vgl. BGH NJW-RR 2006, 712).
121 ANSCHEINSBEWEIS
122 Bei dem Anscheinsbeweis handelt es sich um eine BEWEISERLEICHTERUNG, die den
Richter berechtigt und verpflichtet, die durch Erfahrungssätze begründete Wahrscheinlichkeit
bei Misslingen des Gegenbeweises zur Überzeugungsbildung und damit zum Beweis
ausreichen zu lassen. Auf die Beweislast hat der Anscheinsbeweis keinen Einfluss. Einfacher
(?) gesagt: Behauptet der Kläger eine Tatsache, und gibt es einen Erfahrungssatz des Inhalts,
dass bei Vorliegen dieser Tatsache nach der Lebenserfahrung eine andere Tatsache vorliegt,
ist vom Vorliegen dieser anderen Tatsache auszugehen, sofern der Beklagte nicht darlegt und
beweist, dass die ernsthafte Möglichkeit eines nicht dem Erfahrungssatz entsprechenden
Kausalverlaufs besteht. Noch einfacher:
123 Beispiel: Der Kläger behauptet, der Beklagte sei von hinten auf sein, des Klägers,
Fahrzeug aufgefahren. Da es einen ERFAHRUNGSSATZ des folgenden Inhalts gibt: "Ist ein
Fahrer mit seinem Fahrzeug von hinten auf ein anderes Fahrzeug aufgefahren, dann war er in
aller Regel entweder unaufmerksam oder hatte keinen ausreichenden Sicherheitsabstand",
können Sie davon ausgehen, dass der Beklagte entweder unaufmerksam war oder keinen
ausreichenden Sicherheitsabstand hatte. Er hat mithin - was in die Abwägung nach § 17 Abs.
1 StVG einzustellen ist - die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.
Zu weiteren Erfahrungssätzen vgl. Palandt/ Grüneberg, a.a.O., Vorb vor § 249 BGB, Rz. 163
ff.; § 823 BGB, Rz. 168 ff.; Zöller/Greger, ZPO, aaO, Vor § 284 Rz. 30 ff.).
124 Behauptet der Beklagte: "Ich bin nicht aufgefahren", entzieht er dem Satz der
Lebenserfahrung die Grundlage. Kann der Kläger nicht beweisen, dass der Beklagte
aufgefahren ist, ist dessen Verschulden nicht in die Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG
einzustellen. Der Beklagte kann (hier allerdings erfolglos) auch den Erfahrungssatz in Zweifel
ziehen. Er kann endlich den Satz der Lebenserfahrung dadurch erschüttern, dass er die
ERNSTHAFTE MÖGLICHKEIT EINES ANDEREN KAUSALVERLAUFS darlegt und
auch beweist.
Weiter im Beispiel:
Der Beklagte behauptet und beweist, dass der Kläger ohne jeden ersichtlichen Grund stark
gebremst hat oder: Der Auffahrunfall möge sich auf der Autobahn ereignet haben. Der
Beklagte behauptet und beweist, dass der auf der linken Spur fahrende Kläger stark bremste,
ins Schleudern geriet und auf die rechte Spur schleuderte, wo es dann zum Zusammenstoß
kam.
125 Auch der UNTERSCHIED ZUR BEWEISLASTUMKEHR soll an einem Beispiel
verdeutlicht werden: Bei einem Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB muss der Schädiger,
unterstellt, eine objektive Pflichtverletzung liege vor, gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
beweisen, dass er und seine Erfüllungsgehilfen nicht schuldhaft gehandelt haben.
Bei einem Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB muss der Schädiger, unterstellt, der
Beweis des ersten Anscheins spreche für ein Verschulden des Schädigers, der aufgefahren ist,
den Anscheinsbeweis wie oben erschüttern. Dann ist es Sache des Anspruchsstellers,
Verschulden des Schädigers – ohne die Erleichterung des Anscheinsbeweises - nachzuweisen.
125a: QUOTENVORRECHT des Versicherungsnehmers: Hat der Schädiger den Schaden
wegen Mitverschuldens des Geschädigten (§§ 9 StVG, 254 BGB) oder Haftungsbegrenzung
(§ 12 StVG) nur teilweise zu ersetzen, geht die Forderung des Versicherungsnehmers nach §
86 Abs. 1 Satz 1 VVG nur insoweit auf seine Versicherung über, als nach seiner vollen
Befriedigung noch eine Ersatzpflicht des Schädigers verbleibt (vgl. zur Berechnung im
Einzelnen: BGHZ 82, 338 f.). Vereinbart der Mieter eines Kraftfahrzeugs mit dem Vermieter
gegen Entgelt eine Haftungsbefreiung mit Selbstbeteiligung, gilt das entsprechend (BGH
Urteil vom 25.11.2009 - XII ZR 211/08-)
126 KOSTEN
127 Der Verkehrsunfallprozess ist "der" Anwendungsfall der sog. Baumbach'schen Formel;
Sie erinnern sich: Die Baumbach'sche Formel ist keine Formel, sondern besagt lediglich:
Obsiegen bzw. unterliegen Streitgenossen in unterschiedlichem Umfange, ist über
Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten getrennt zu entscheiden, und zwar unter
den an dem/den jeweiligen/en Prozessrechtsverhältnis/sen Beteiligten.
128 REGRESS des Haftpflichtversicherers:
Bsp.: Der VN hat den PKW in alkoholisiertem Zustand geführt (§ 2b Abs. 1 Satz 1 e) AKB)
und sich nach dem Unfallereignis unerlaubt vom Unfallort entfernt (§ 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB).
Der VR kann den VN nach § 116 VVG (bisher: § 3 Nr. 2, 9 PflVG) i.V.m. § 426 Abs. 1 BGB
in Regress nehmen, wenn er in den Versicherungsbedingungen festgelegte Obliegenheiten
verletzt hat.
Nach den Versicherungsbedingungen ist die Leistungsfreiheit des VR der Höhe nach
beschränkt, und zwar nach § 2b Abs. 2 Satz 1 AKB - in Entsprechung zu § 5 Abs. 3 Satz 1
KfzPflVV - auf 5.000,00 EUR und nach § 7 V Abs. 2 Satz 2 AKB - in Entsprechung zu § 6
Abs. 1, 3 KfzPflVV - auf ebenfalls 5.000,00 EUR, wenn die Verletzung der Obliegenheit
vorsätzlich erfolgt und besonders schwerwiegend ist.
Die Regressbeträge sind zu addieren, wenn - wie hier - die eine Obliegenheitsverletzung vor
Eintritt des Versicherungsfalles und die andere im Anschluss daran begangen worden ist (vgl.
BGH VersR 2005, 1720).
Ergebnis: Der VN bzw. die versicherte Person können vom VR bis zu einem Betrag von
10.000,00 EUR in Regress genommen werden.
129a: Unfallmanipulation:
Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer muss für den Ausschluss der
Rechtswidrigkeit beweisen, dass es sich um einen absichtlich herbeigeführten Schadenfall
gehandelt hat. Die Führung des Beweises für eine behauptete Manipulation des
Unfallgeschehens
Unfallmanipulation
durch
eine
sprechen,
Reihe
ist
von
Indizien,
grundsätzlich
die
zulässig.
typischerweise
Die
dahin
für
eine
gehende
Überzeugungsbildung des Gerichts setzt insoweit keine mathematisch lückenlose Gewissheit
voraus.
Indizien:
- Auffahrunfall oder Fahren gegen ein parkendes Fahrzeug, insbesondere bei Dunkelheit
(OLG München, Urt. v. 03.10.1989 - 5 U 1689/89) oder an einem abgelegenen Unfallort
(OLG Hamm, Urt. v. 25.04.1995 - 27 U 13/95; LG Trier, Urt. v. 21.09.1995 - 6 O 3/91), keine
Bremsspuren oder Ausweichbewegung,
- Ausweichen vor einem Tier oder einem unbekannten Dritten als Grund für die nachfolgende
Kollision (OLG Hamm, Urt. v. 25.04.1995 - 27 U
13/95),
- Schäden korrespondieren nicht mit der Schadenschilderung oder sind technisch nicht
kompatibel (OLG Köln, Urt. v. 21.03.1995 - 9 U 109/93),
- schädigendes Fahrzeug wirtschaftlich von geringem Wert, gemietet (KG Berlin, Urt. v.
14.05.2007 - 12 U 212/06; OLG Hamm, Urt. v. 25.04.1995 - 27 U 13/95; OLG Hamm, Urt. v.
01.07.1993 - 6 U 260/92 und OLG München, Urt. v. 03.10.1989 - 5 U 1689/89) oder
gestohlen,
- geschädigtes Fahrzeug gehört zur Luxusklasse (KG Berlin, Urt. v. 14.05.2007 - 12 U
212/06; OLG Hamm, Urt. v. 25.04.1995 - 27 U 13/95; OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.09.1994 12 U 159/94; OLG München, Urt. v. 03.10.1989 - 5 U 1689/89
und LG Trier, Urt. v. 21.09.1995 - 6 O 3/91),
es sind Vorschäden vorhanden, die Abrechnung des Schadens erfolgt auf Basis fiktiver
Reparaturkosten (OLG Hamm, Urt. v. 25.04.1995 - 27 U 13/95; LG Trier, Urt. v. 21.09.1995
- 6 O 3/91),
der Wert des Fahrzeugs und die Unterhaltskosten stehen in einem Missverhältnis zu den
wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten,
- die Beteiligten sind miteinander bekannt (OLG Köln, Urt. v. 21.03.1995 - 9 U 109/93; OLG
Karlsruhe, Urt. v. 01.09.1994 - 12 U 159/94 und OLG München, Urt. v. 03.10.1989 - 5 U
1689/89) und waren schon an mehreren Vorunfällen beteiligt.
129 BESTE DARSTELLUNG. Diese.
130 Zum Wiederholen für Referendare empfehle ich: Garbe/Hagedorn, Die zivilrechtliche
Haftung beim Verkehrsunfall JuS 2004, 287; Brögelmann, Der Verkehrsunfallprozess –
materielle Grundlagen, JA 2003, 872; ders. Der Verkehrsunfallprozess – Darstellung im
Urteil, JA 2003, 965.
131 In der Praxis müssen Sie zu Rate ziehen: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl. 2007
("Saarbrücker Kommentar", dogmatisch fundierter); Grüneberg, Haftungsquoten bei
Verkehrsunfällen, 9. Aufl. (zum Abschreiben); Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge,
(das
"Gesetz" über
die Höhe des
Schmerzensgeldes, ADAC);
Hentschel/König,
Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009 (Kommentar zu StVG usw.: unter der Fülle der
Informationen leidet die Übersichtlichkeit).
132 Und die Zeitschriften (alle in Landgerichtsbibliothek): Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht
(NZV),
Deutsches
Autorecht
(DAR,
ADAC),
Verkehrsrechtssammlung
(VRS),
Verkehrsrechtliche Mitteilungen (VerkMitt), Zeitschrift für Schadenrecht (ZfS), Recht und
Schaden (r + s).
<© Walter Müller, VorsRiLG Saarbrücken>
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