Grundinformation Altes Testament Gertz.d[...] - EKHN

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Exzerpt zu Jan Chr. Gertz (Hg.), Grundinformation Altes Testament
Erster Hauptteil: Quellen und Methoden
§ 1. Quellen
§ 1.1. Prolegomena
-Im Alten Testament, das durchgängig als literarisches und theologisches Kunstwerk
bezeichnet werden kann, geht es darum, die eigene Vergangenheit auf dem Hintergrund von
Gottes Gegenwart zu deuten und die eigene Gegenwart zu verstehen, um die Zukunft zu
gestalten.
-Nur unter Vorbehalt ist das AT eine zuverlässige Quelle für historische oder
religionsgeschichtliche Fragen
-Das AT entwirft die Geschichte des Gottesvolkes, eingebettet zwischen dem
Anbeginn der Schöpfung der Welt zu Anfang aller Zeit (Gen 1) und ihre
Neuschöpfung am Ende der Zeiten (Jes 60,19), vom Exodus aus Ägypten über den
Einzug ins Gelobte Land bis zur Wiederherstellung des Jerusalemer Tempels nach dem
Exil (Esra 1-6,18) und dem Aufstand der Makkabäer (1Makk 4,52-59; 2Makk 10,1-8)
-Der geographische Raum, in dem sich diese Geschichte abspielt, hat seinen Fokus in der
Levante (damals eher Peripherie als Zentrum der Welt)
-Palästina und Syrien waren innerhalb der Mittelmeerwelt seit dem 3. Jt.v.Chr. mehr
und mehr zum Randgebiet geworden, während sich Ägypten im Süden, Anatolien im
Norden, Mesopotamien im Osten und mit den phönizischen Küstenstädten im Westen
zunehmend Metropolen und Reiche bildeten, die die Weltpolitik und -wirtschaft
bestimmten.
-Für viele Autoren des AT spielen die religiösen wie politisch-sozialen Vorgänge
innerhalb der Levante keine Rolle, da sie für sie keine Relevanz bezüglich der
Glaubensgeschichte mit JHWH besaßen.
-Deshalb ist es nötig, andere Quellen hinzuzuziehen, um erkennen zu können,
was den atl. Autoren am Herzen lag und was sie späteren Generationen
übermitteln wollten
-Erkenntnisgewinn liefern u.a. die Geschichtswissenschaft, die Biblische
Archäologie, die Palästinaarchäologie und die ikonographischen Quellen
-Generell gilt: Je mehr man bereit ist, verschiedene Quellenbereiche (archäologische
Befunde, biblische und außerbiblische Texte, Bilder), Methoden und die daraus
erarbeiteten Interpretationen miteinander ins Gespräch zu bringen, desto differenzierter,
plastischer und dichter wird die vergangene Kultur und Gesellschaft Palästinas zu
beschreiben sein.
§ 1.2. Die Quellen und ihr Verhältnis zueinander
-Die Hierarchie der Quellen gliedert sich in:
 Primärquellen: Diese sind mit archäologischen Methoden datierbare Quellen, die dem
Ereignis zeitlich nahe stehen, auf welches sie sich beziehen
-Briefe, Verträge, Urkunden etc.
 Sekundärquellen: Diese stehen den Ereignissen ferner, sei es, dass es sich um Kopie,
sei es, um Exzerpte von Primärquellen oder Kommentarwerke handelt. Beziehen sich
auf Quellen, deren Echtheit sie nicht mehr überprüfen können
 Tertiärquellen: Zeitlicher Abstand noch größer als bei Sekundärquellen
 Quartärquellen: Diese verarbeiten Sekundär- oder Tertiärquellen, ohne ihren
Quellenwert noch kritisch nachprüfen zu können
-Diese Einteilung der Quellen sagt jedoch nichts über deren qualitative Relevanz aus
1
-Oft initiieren die Autoren des AT theologisch-programmatische und eben keine historischdeskriptiven Aussagen
-Biblische Texten scheiden als Primärquellen für historische Fragestellungen weitgehend aus,
da sie (hier ist jedoch von Fall zu Fall zu unterscheiden) in beträchtlichem zeitlichem Abstand
zu den Ereignissen geschrieben wurden, von denen sie erzählen. Die Erzählzeit (Zeit des
Erzählers/Schreibers) ist von der erzählten Zeit (Zeit der Handlung) zu unterscheiden.
-Hinzu kommt, dass viele Texte redaktionell überarbeitet wurden und selten eindeutig
datierbar sind
-Dennoch kann nicht generell auf das AT als Quelle im Blick auf historische Fragen
verzichtet werden, da auch Sekundär-, Tertiär- oder Quartärquellen ihre Berechtigung
und ihren Wert haben. Insbesondere in den jungen Schriften, in denen Erzählzeit und
erzählte Zeit recht nahe rücken, sind wertvolle Informationen über die sozialen und
politischen Verhältnisse der nachexilischen Zeit bewahrt.
§ 1.2.1. Die biblischen Quellen
-Hier sind nur Texte enthalten, die den Glauben an JHWH und im Bezug auf die
Verkündigung von Belang waren
-Vorteil ggü. archäologischen Quellen ist die Überlieferung von Gedanken,
Argumentationsstrategien, Theologien, sozialkritischen, königskritischen oder
königsfreundliche Positionen sowie andere Vorstellungen der Menschen des 1. Jt.v.Chr.
-Biblische Quellen stammen größtenteils aus der männlichen Oberschicht Jerusalems bzw.
wurden dort redigiert
-Perspektive des Nordreichs Israels, der Dörfer oder Landstädte kommt nur selten (z.B.
in Micha), die von Frauen, Kindern oder Abhängigen fast nie zur Geltung
1. Der Text des AT, Umfang und literarische Gestalt der Schriften:
-Der Text des AT wird von vielen antiken und mittelalterlichen Handschriften in vielerlei
Sprachen bezeugt (=Textzeugen)
-Textdifferenzen bestehen auch zwischen den modernen Ausgaben des Masoretischen Texts,
des traditionellen Texts der Hebräischen Bibel, da sie auf verschiedenen Handschriften
beruhen.
-Grundfrage ist, ob anfänglich Einheit oder Vielheit stand.
-Die Konzeption eines Urtexts, von dem alle anderen Textzeugen genetisch
abhängen und abschrieben, ist ein theoretischen Konstrukt und wird von
manchen Exegeten verworfen, die von mehreren gleich-ursprünglichen Urtexten
nebeneinander ausgehen.
-Eine neuere These ist, dass die verschiedenen atl. Bücher im Laufe ihrer
Entwicklung in revidierten Fassungen je neu editiert wurden, auch dann, wenn
ihr literarischen Wachstum bereits abgeschlossen schien und sie als endgültig
akzeptierte Fassungen (für Godi, Schule etc.) in Umlauf gesetzt worden waren
2. Die Überlieferungen und Übersetzungen:
-„Der“ Text des AT ist ein abstraktes Gebilde, das man aus versch. Textzeugen
zusammengesetzt hat, die voneinander abweichen können. Die wichtigsten sind:
 Der Masoretische Text bzw. textus receptus
-gilt in kritischen Editionen als Haupttext; Text wurde schon früh (1. Jh.n.Chr.) von
einem Hauptstrom des Judentums (der die Ereignisse um 70 n.Chr. überlebt hatte) als
alleiniger Text anerkannt; ein Einzeltext mit dem Namen „Masoretischer Text“
existierte aber nie; Endform mit Vokal- und Akzentzeichen geht auf das Mittelalter
zurück; besser ist der Begriff Masoretische Textgruppe
 Der Samaritanische Pentateuch
2
-Samaritaner überliefern diesen Text in einer besonderen Form der althebräischen
Schrift; entstand wohl um 100 v.Chr. als Ausgabe der samaritanischen
Religionsgemeinschaft
 Texte aus der Wüste Juda (Qumran, Masada, Nahal Hever, Wadi Murabb’at)
-in aramäischer, hebräischer und griechischer Sprache verfasste Texte; biblische und
außerbiblische Inhalte; Texte aus Qumran stammen aus der Zeit 3. Jh.v.Chr. und dem 1.
Jh.n.Chr.
-Unter diversen Übersetzungen, nehmen allen voran die Septuaginta (LXX, Zielsprache
griechisch), die Vulgata (Zielsprache lateinisch) und die Targumim (Zielsprache aramäisch)
eine herausragende Stellung ein.
-Textkritik versucht, aus den Übersetzungen die hebräischen Vorlagen zu (re-)
konstruieren, die der jeweilige Übersetzer benutzte
-hier gilt grundsätzlich: Lässt sich die Abweichung einer Übersetzung vom Text der
Masoretischen Textgruppe nicht als Resultat theologischer oder didaktischer Auslegung
oder übersetzungsimmanenter Verderbnis (z.B. Buchstabenverwechslung; Auslassung
im Übersetzungstext) erklären, ist anzunehmen, dass die Übersetzung auf einer anderen
hebräischen Vorlage beruht.
-Die Übersetzung von biblischen Büchern begann in der Tat mit der Tora wohl in der
ersten Hälfte des 3. Jh.v.Chr. in der jüd. Diaspora in Alexandria
-LXX enthält neben der griechischen Übersetzung der 24 Bücher des hebräischen
Kanons weitere Schriften (Apokryphen (ev.) bzw. deuterokanonische Bücher (röm.kath.))
-Vulgata wurde zwischen 390 und 405 n.Chr. von Hieronymus erarbeitet
3. Die Kanonisierung:
-Schriften des AT bilden mit denen des NT nach klassisch-protestantischem Verständnis den
Kanon, d.h. die maßgebliche Regel und Richtschnur für die christliche Theologie,
Verkündigung und das christliche Handeln.
-Idee der Kanonisierung, d.h. dem verbindlichen Ordnen von ausgewählten Schriften,
ist seit dem Alten Orient bekannt.
-Kanonisierung des hebr. Kanons vollzog sich in mehreren Etappen über mehrere
Jahrhunderte
-Eine genaue Datierung ist jedoch weitgehend unmöglich; zwei
Orientierungspunkte: Jesus Sirach 44-50 (ca. 180 v.Chr.) enthält den Gedanken
an eine festgelegte Sammlung der biblischen Bücher; Flavius Josephus ca. 93
n.Chr. formuliert den Gedanken an einen abgeschlossenen und unveränderlichen
Bücherkorpus
-Die 24 Bücher der Hebräischen Bibel sind in drei Teilen Tora (Gesetz), Nebiim
(Propheten = Josua bis Maleachi) und Ketubim (Schriften) zusammengestellt, in denen sich
die verschiedenen Stadien ihrer Aufnahme in den Kanon und ihr Verhältnis zueinander
niederschlagen.
-aus den drei Teilen ergibt sich das Wort TaNaK oder Tenakh, das den hebräischen
Kanon bezeichnet
-Die Gliederung der verschiedenen Bibeln unterscheidet sich (siehe Tabelle)
-Deutsche Bibeln gliedern (nach der Lutherbibel) in: 1. Die Geschichtsbücher, 2. Die
Lehrbücher, 3. Die Prophetischen Bücher, wodurch der Dreischritt Vergangenheit Gegenwart - Zukunft entsteht. Dieser lehnt sich an den Aufbau der LXX und der
Vulgata an, die jedoch mehr Schriften (Apokryphen) enthalten.
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Reihenfolge biblischer Bücher in verschiedenen Ausgaben:
Hebräische Bibel
LXX
Vulgata
Lutherbibel
Tora/Gesetz
Genesis
Exodus
Levitikus
Numeri
Deuteronomium
Nebiim/Propehten
Vordere Propheten
Geschichtsbücher
Genesis
Exodus
Levitikus
Numeri
Deuteronomium
s.o.
Pentateuchus
Genesis
Exodus
Levitikus
Numeri
Deuteronomium
Libri Historici
Geschichtsbücher
1. Buch Mose
2. Buch Mose
3. Buch Mose
4. Buch Mose
5. Buch Mose
s.o.
Josua
Richter
Josua
Richter
Rut
1 + 2 Könige
3 + 4 Könige
1 + 2 Chronik
Josua
Richter
Rut
1 + 2 Könige
3 + 4 Könige
1 + 2 Chronik (+ Gebet des
Manasse)
1 Esra (= Esra)
Josua
Richter
Rut
1 + 2 Samuel
1 + 2 Könige
1 + 2 Chronik
2 Esra (= Nehemia)
[3 Esra]
[4 Esra]
Tobit
Judit
Ester + Zusätze
Nehemia
-
1 + 2 Samuel
1 + 2 Könige
Hintere Propheten
Jesaja
Jeremia
Ezechiel
Hosea
Joel
Amos
Obadja
Jona
Micha
Nahum
Habakuk
Zefanja
Haggai
Sacharja
Maleachi
Ketubim/Schriften
Psalmen
Ijob/Hiob
Sprüche
Rut
Hoheslied
Kohelet
Klagelieder
Ester
Daniel
Esra + Nehemia
1 + 2 Chronik
-
[1 Esra = 3 Esr der Vulgata)]
2 Esra (=Esr+Neh)
Ester + Zusätze
Judit
Tobit
1 +2 Makkabäer
[3+4 Makkabäer]
Lehrbücher
Psalmen
[Oden Sal + Geb Ma]
Sprüche
Kohelet
Hoheslied
Ijob/Hiob
Weiheit
Jesus Sirach
[Psalmen Salomos]
Libri Didactici
Ijob/Hiob
Psalmen
Sprüche
Kohelet
Hoheslied
Weisheit
Jesus Sirach
Propheten
Hosea
Amos
Micha
Joel
Obadja
Jona
Nahum
Habakuk
Zefanja
Haggai
Sacharja
Maleachi
Jesaja
Jeremia
Baruch 1-5
Klagelieder
Brief Jeremias (Bar 6)
Libri Prophetici
Jesaja
Jeremia
Klagelieder
Baruch
Ezechiel
Daniel (+ Zusätze)
Hosea
Joel
Amos
Obadja
Jona
Micha
Nahum
Habakuk
Zefanja
Haggai
Sacharja
Maleachi
1 + 2 Makkabäer
-
Ezechiel
-
Susanna
Daniel + Zusatz
Bel und der Drache
Esra
Ester
Lehrbücher
Ijob/Hiob
Psalmen
Sprüche
Prediger/Kohelet
Hoheslied
-
Propheten
Jesaja
Jeremia
Klagelieder
Ezechiel
Daniel
Hosea
Joel
Amos
Obadja
Jona
Micha
Nahum
Habakuk
Zefanja
Haggai
Sacharja
Maleachi
-
4
Terminologie:
-Altes Testament: Vom NT hergeleitet; Bezeichnung durch Jer 31,31-34 vorbereitet, wo
ein „neuer Bund“ verheißen wird. Dem hebräischen Wort berit „Bund, Vertrag“ entspricht
das Griechische diatheke und das Lateinische testamentum
-Hinwendung der Reformation zum hebräischen Urtext der Bibel (veritas hebraica) war
ein zentrales Anliegen, da allein die Schrift (sola scriptura) Kriterium in Glaubensfragen
sein sollte, so dass es von großer Bedeutung war, dem ursprünglichen Sinn des Texts in
der Originalsprache möglichst nahe zu kommen.
-Griechische Bibel/Septuaginta (LXX): Die frühe christliche Kirche hatte die Heilige
Schrift der Juden in Gestalt dieser griechischen Übersetzung des AT übernommen; bis
heute in der Ostkirche wichtig
§ 1.2.2. Die archäologischen Quellen aus Palästina
-Als Überrest der Vergangenheit finden sich an Orten mit nachweisbarer menschlicher
Aktivität (Siedlungs-, Kult-, Begräbnis- sowie temporäre Lagerplätze) in Palästina wie in den
Nachbarregionen:
 Artefakte als von Menschen bearbeitete oder hergestellte Objekte verschiedenster
Materialien und Techniken
 Ökofakte, also organisches Material und Bestandteile der natürlichen Umwelt
-Generell wird der einzelne Fund von dem Ausgrabungs- und Fundzusammenhang, dem
Befund, unterschieden.
§ 1.2.3. Die außerbiblischen Textquellen aus Palästina und den Nachbarkulturen
-Texte in syllabischer Keilschrift (z.B. das Gilgamesch-Epos aus Begiddo, Briefe aus
Taanach etc.)
-Ägyptische Hieroglyphen (z.B. aus Bet-Schemesch, Bet-Schean)
-Schriften von mesopotamischen, ugaritischen bzw. ägyptischen Nachbarn (in diversen
Sprachen, u.a. Akkadisch, Sumerisch, Hethitisch, Ägyptisch, Elamisch, Phönizisch etc.)
-Überliefert sind hier u.a. Feldzugberichte, Briefe an die Assyrerkönige, Berichte von
israelitischen/judäischen/jüdischen Diasporagruppen
-Alle hebräischen außerbiblischen Texte erlauben wichtige Einblicke in die chronologische
Entwicklung der hebräischen Schrift und Sprache sowie in ihre geographischen Besonderheiten
§ 1.2.4. Die ikonographischen Quellen aus Palästina und den Nachbarkulturen
-Umfassen gemalte, gezeichnete, skizzierte, gegossene, geschnitzte, gravierte, geritzte,
eingehauene, skulptierte oder modelliert, aufwändig oder simpel hergestellte Darstellungen.
-Im Laufe der Zeit hat sich die Biblische Ikonographie etabliert, die sich vornehmlich der
Untersuchung von Bildmaterial aus oder über Palästina widmet.
-Die wichtigsten Bildträger des Vorderen Orients einschließlich Palästina und Ägypten sind
Fels- und Wandreliefs, Orthostatenreliefs (aufrecht stehende Basaltplatte), Stelen,
Wandmalereien, Graffitis, Stempel- oder Rollsiegel bzw. Stempel- oder Rollsiegelabdrücke,
Skarabäen, Konoide, rund- oder halbplastische Statuen oder Figurinen aus unterschiedlichen
Materialien, Möbel, Gerät-, Inventar- oder Waffendekorationen, Schmuckelemente und ab der
Perserzeit Münzen.
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§ 2. Methoden
§ 2.1. Exegetische Methoden
-Ziel der exegetischen Untersuchung: atl. Texte mithilfe begründeter und kontrollierbarer
Klärungen in seinem eigenen Wort und Gegenüber selbst zur Sprache zu bringen
-dem ursprünglichen, historischen Sinn so nahe wie möglich kommen
-Ausgangspunkt: Mehrzahl der biblischen Bücher wurden weder von einem einzigen
Autor noch in einem kurzen Zeitraum (vielfach auch nicht am selben Ort) verfasst. Im
Laufe der Zeit wurden Kompositionen und Redaktionen erarbeitet und
zusammengestellt
§ 2.1.1. Diachron orientierte Methoden: Die Arbeitsschritte der historisch-kritischen
Methode
-Besonderer Wert liegt darauf, Textschichten abzuheben, Datierungsfragen zu klären und
den Text bzw. die (re-)konstruierten Textstufen und ihre Zusammenführung in den
jeweiligen geistes-, zeit-, kultur-, sozial- und ereignisgeschichtlichen Kontext einzuordnen.
-Die historisch-kritische Methode gliedert sich in folgende Schritte:
 Textkritik: stellt Überlegungen bezüglich des vermuteten Urtexts an, ausgehend
von verschiedenen Textzeugen; Wichtig sind hierbei die verschiedenen Lesarten, die
von einem als Haupttext angenommenen Text abweichen (Varianten) und andere
Texttraditionen repräsentieren → diese werden im kritischen Apparat verzeichnet; es
geht nicht um die literarische Entstehung („das Schreiben“), sondern um das, was
danach („beim Abschreiben“) mit den Texten geschah. Ziel ist es, den „Urtext“
herauszufiltern bzw. diesem möglichst nah zu kommen; in der Kritik stehen
Grundregeln wie solche, die die kürzere oder schwierigere Lesart (lectio brevior
potior/lectio difficilior praeferende) vorziehen
 Literarkritik: geht ebenfalls vom Studium der Textzeugen aus, befasst sich aber mit
dem Werdegang eines Textes; Abgrenzung eines Abschnittes wird ermittelt und
dann auf literarische, konzeptionelle und inhaltliche Einheitlichkeit hin überprüft →
dies können sein: Dopplungen, Widersprüche, Textinkonsistenzen. Ergebnis der
Analyse ist die kleine Einheit, d.h. das literarisch als einheitlich (re-)konstruierte
ursprüngliche Textstück, dessen Einheitlichkeit und Charakteristika erst in den
anschließenden Methodenschritten geklärt werden. Spätere Hinzufügungen sind
sekundäre, tertiäre usw. Zusätze
 Redaktionsgeschichte: Hier stellt man zusammen, welche der abgetrennten Textteile
einer Hand zuzuweisen sind und bietet eine relative Chronologie der Textgenese, die
alle Textstufen und Prozesse der Zusammenfügung der einzelnen schriftlichen
Textbestandteile bis zur heute vorliegenden Endgestalt nachzeichnet; verschiedene
Entwicklungsstufen des literarischen Wachstums der Texte wird erarbeitet;
Redaktorenintentionen - soweit möglich - überprüfen auf soziopolitische oder
geschichtliche Entwicklungen
 Formgeschichte: Regeln der mündlichen Überlieferung und schriftlichen
Vorgeschichte bestimmter literarischer Formen oder Gattungen, deren feststehende
gattungstypische Sprachstruktur („Gattungsstil“) und die hinter ihnen stehende typische
Kommunikationssituation („Sitz im Leben“) zu bestimmen; Gattung ist eine geprägte
sprachliche Gestalt, z.B. Totenklage, die unabhängig vom Einzeltext eine ähnliche
Struktur und einen ähnlichen Sitz im Leben hat; Kritik an diesem Methodenansatz
verstärkt, viele Änderungen in den letzten Jahren
 Gattungsgeschichte: untersucht - im Anschluss an die Gattungskritik - die diachrone
Entwicklung einer Gattung; Bezeichnungen einer Gattung sind meist keine atl.
Begriffe (sondern lit.wiss.), Ausnahme masal („Spruch“)
 Überlieferungsgeschichte: schwierig herauszuarbeiten, deshalb marginale Stellung
6

Traditionsgeschichte: Selbstständig tradierte Einzelstoffe, -vorstellungen und
Motive, die in einen Text eingearbeitet wurden, werden in diesem Methodenschritt
isoliert und untersucht (z.B. durch Wortfeldanalysen); Intertextuelle Bezüge oder
innerbiblische Exegesen können hier analysiert werden
§ 2.1.2. Synchron orientierte Methoden: Canonical Approach, Strukturanalyse und “new
literary criticism”
-Sehnsucht nach objektiv nachprüfbaren Inhalten stieg; feste Fundamente in der Exegese
sollten herausgearbeitet werden; B.S. Childs formulierte eine Exegese im Kontext des
Kanons, bei welcher es darum geht, die Kanongestalt der einzelnen Bücher und Texte
auszulegen, weil sie in dieser Gestalt bei den Gemeinden in Gebrauch waren und sind
(„canonical approach“).
-Diachrone Fragestellungen (insb. Redaktions- und Traditionsgeschichte) werden nicht
völlig abgelehnt, jedoch spielt die Kanongestalt (Endgestalt) die ungleich bedeutendere Rolle,
da sie seines Ermessens als jüngere Deutung ggü. den älteren Vorformen größeren Reichtum
und größere Vielfalt besitzt.
-Vor allem aus dieser (bezweifelbaren) Annahme leiten sich ein wachsendes
Desinteresse an der historischen Tiefendimension der Texte und eine Tendenz ab, diese
mehr oder minder nachzuerzählen und so auf einen eindeutigen Einzelsinn zu
reduzieren.
-Noch ausgeprägter synchron angelegte Ansätze der Exegese sind mit der linguistischen
Strukturanalyse und der Erzählanalyse entstanden.
-vorliegender Text wird als formalisiertes Sprachphänomen beschrieben
(Formalsaspekte); daran anschließend Kontur des Aussagegehalts zur abschließenden
Inhaltsbestimmung (Inhaltsaspekte)
-Erzählanalyse steht in engem Zusammenhang mit dem „new literary criticism“. Es gilt,
in die Welt des Texts einzutauchen, seine Signale aufzunehmen und ihnen zu folgen. Text wird
auf seine sprachliche Gestalt, die rhetorische Formation von Sätzen, Episoden und Szenen und
den in ihm vorliegenden, als untrennbar angesehenen Zusammenhang von Form, Inhalt und
Aussageintention hin untersucht
§ 2.1.3. Anwendungsorientierte Methoden: Feministische, sozialgeschichtliche und
befreiungstheologische Fragestellungen
-stehen nicht in Konkurrenz zu diachronen und synchronen Exegesen
-Fragerichtungen können feministisch, sozialgeschichtlich, befreiungstheologisch oder auch
kulturanthropologisch gestellt werden
-Prüfkriterium, inwieweit die Ergebnisse jeweils intersubjektiv kritisch nachprüfbar sind
§ 2.2. Methoden der Biblischen Archäologie/Archäologie Palästinas
-beschäftigt sich mit den materiellen Hinterlassenschaften aus Palästina
-Methoden: Archäologie, Luft- und Satellitenbildanalysen, Kartographie,
Vermessungstechnik, Oberflächenuntersuchungen, Tiefgrabungen usw.
§ 2.3. Methoden der Arbeit der Hebräischen Epigraphik
-beschäftigt sich mit den außerbiblischen hebräischen Schriftzeugnissen
-Methoden der hist.-kritischen Methoden kommen hierbei teilweise zum Tragen
§ 2.4. Methoden der Biblischen Ikonographie/Ikonographie Palästinas
-widmet sich der Sammlung, Dokumentation, Beschreibung, Analyse, Kontextualisierung und
Auswertung des vorhandenen Bildmaterials aus Palästina, das entweder durch den
archäologischen Fundkontext, Beischriften oder datierbare Vergleichsstücke (C14 Methode)
zeitlich eingeordnet werden kann
7
Zweiter Hauptteil:
Geschichte und Religionsgeschichte des antiken Israels
§ 3. Geschichte und Religionsgeschichte „Israels“: Grundlegungen
§ 3.1. Voraussetzungen: Israels versus Kanaan, JHWH versus Baal und der Alte Orient
als Verstehenshorizont biblischer Schriften
-Die frühere Forschung ging davon aus, dass Palästina ursprünglich von einer
einheimischen Urbevölkerung besiedelt gewesen sei und sich erst später (zuerst durch
Kanaanäer, dann ab 1200 v.Chr. Israeliten, die als neue ethnische Gruppen einwanderten)
durch neue Völker einschneidende Veränderungen bezüglich Palästinas Kultur, Geschichte
und Religion durchsetzen.
-Aufgrund neuerer Erkenntnisse kann hiervon kaum noch ausgegangen werden. Die
scharfe Trennung zwischen Ethnien („Völkern“) hat in der neueren Diskussion
einem komplexeren Verständnis Platz machen müssen.
-Veränderungen müssen nicht zwangsläufig an die Einwanderung neuer
Völkergruppen gebunden sein, sondern können auch durch soziale
Verschiebungen in einzelnen Bevölkerungsschichten entstehen
-Das AT geht davon aus, dass „Israel“ in „Kanaan“ eingewandert sei. Die beiden Völker
waren sich - so das AT - fremd, gar feindlich
-Heute geht man davon aus, dass (wenn überhaupt) nur eine kleine Gruppe Asiaten
um einen Mann mit dem ägyptischen Namen Mose aus Ägypten nach Palästina
(rück-?/ein-?)wanderte
-innerhalb des dort lebenden Volker ergaben sich schon Veränderungen, die in der
Folgezeit zur Entstehung „Israels“ führen.
-Die These der Existenz eines beduinen-nomadischen wüstenbewohnenden
und ins kanaanäische Kulturland eingewanderten vorstaatlichen „Israels“
lässt sich nicht mehr halten. An seine Stelle tritt vielmehr eine bäuerliche
und kleinviehzüchtende Stammesgesellschaft unterschiedlichster Ausprägung.
Eine Synthese zwischen eher städtischen und eher ländlichen Bevölkerungsteilen
ist anzunehmen.
-Die neueren Landnahmetheorien betrachten die Entstehung Israels als Ergebnis eines
komplexen gesamtgesellschaftlichen Prozesses innerhalb eines kulturellen Systems, so dass
„Israel“ zum größten Teil in und aus „Kanaan“ entstanden ist. Israeliten sind folglich
Kanaanäer.
-Bei Israel und Kanaan handelt es sich wahrscheinlich nicht um zwei verschiedene
Ethnien
-Der Gegensatz „beider“, den das AT aufbaut, wird als Distanz zum eigenen
Lebensraum, der eigenen Sprache und ethnischen Zugehörigkeit verstanden. Das AT ist
davon geleitet, den Kultgemeinden der (frühesten Exilszeit) Kriterien der
Abgrenzung nach außen und Identitätsstiftung nach innen vorzugeben.
-Dieses sog. „Israel-versus-Kanaan-pattern“ führte in der Religionsgeschichte
zu einer Trennung beider Völker und deren religiösen Praktiken. Hierbei stand:
 Israel (monotheistisch, jahwistisch, Wüstenbewohner)
 Kanaan (polytheistisch, magisch, baalistisch, Kulturlandbewohner)
gegenüber.
-Die neuere Forschung hat auch gezeigt, dass der ursprünglich südlich von
Palästina beheimatete Wettergott JHWH, als Gott des vorderorientalisch
nachgewiesenen Baal-Hadad-Typus teilweise Baal genannt wurde. Deshalb
waren JHWH und Baal partiell ein und derselbe Gott! (in bestimmten
Kreisen und Regionen)
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-Palästina ist Durchgangs- und Schwellenland
-Benachbarte Reiche (Nordreich Israel, Südreich Juda, Moab, Ammon, Edom) griffen
auf die wirtschaftlich, politisch und militärisch wichtige Region zu
-Südliche Levante war während eines Großteils der Geschichte keine unabhängige
politische Einheit, sondern entweder in kleine Einheiten eingeteilt, oder aber
Kolonie, Vasallenstaat oder Provinz einer fremden Großmacht
-Die Geschichte und Religionsgeschichte Palästinas ist eng mit den Vorgängen und
Entwicklungen im Land, jedoch auch mit denen in der näheren (syrisch-phönizischarabischen) oder ferneren (ägyptisch-mesopotamisch-griechischen) Umgebung
vernetzt!
Gebiet der Levante:
§ 3.2. Terminologische Grundlagen
§ 3.2.1. Die Begriffe Kanaan, Israel/Israelit, Juda/Judäer, Jehud, Judäa, Jude,
Samaritaner und Palästina
 Kanaan: als Volksname Kanaanäer seit dem 18. Jh.v.Chr. bezeugt; Bezeichnet ein
Gebiet, dessen genaue Ausdehnung nicht bekannt ist.
-kann die ägypt. Provinz des 14.-12. Jh. v.Chr bzeichnen, als Selbstbezeichnung
Phöniziens stehen und wird im AT für die Vorbewohner des verheißenen Landes
verwandt, von dem sich das Gottesvolk Israel abgrenzt (Dtn 1,7; Jos 5,1; Ri 1,27ff.).
Hierbei haben nachexilische Texte als Prototyp eines „Kanaanäers“ häufig den
Phönizier vor Augen.
 Israel: erstmals taucht der Begriff in einem Bericht des Pharao Merenptah (1213-1203
v. Chr) auf, wo er eine Volksgruppe/einen Stamm/eine Stammesgruppe bezeichnet
-Israel wurde im 1. Jt. für das Nordreich gebraucht, das sich nördlich von Jerusalem bis
Dan erstreckt hat (Grenze variabel)
-Im AT wird Israel für das Gesamtgebildes Nordreich „Israel“ und Südreich
„Juda“ bezeichnet
-Nach assyrischer Eroberung bestand nur noch Juda, doch der Name „Israel“ lebte
weiter und konnte später auch für das Südreich gebraucht werden (Jer 17,13)
 Juda: südliches Nachbarkönigsreich Israels mit der Hauptstadt Jerusalem und
Königsdynastie, die sich auf David beruft; nach Ende des Königsreichs wurde Juda
9
vllt. Name der babylonischen Provinz, die als persische Provinz den Namen Jehud trug
und in hell.-röm. Zeit als Judäa bestand.
 Jehud: persische Provinz, die seit Mitte des 5. Jh. bezeugt ist, wo sie Teile des
ehemaligen Staatsgebiets Judas umfasste
 Judäa: römische Provinz, die 135 n.Chr. in „provincia syria palaestina“ umbenannt
wurde.
 Jude: leitet sich von Juda/Jehud/Judäa ab und bringt bis heute die Zugehörigkeit zu
einem Volk, das sich als Glaubensgemeinschaft versteht, zum Ausdruck
 Samaritaner: geht auf Ortsnamen Samaria zurück; wird für Einwohner der Stadt
und Provinz Samaria (2 Kön 17,29) gebraucht.
-mittlerweile Terminus Samarier gebräuchlich, um sie von einer religiösen
Gemeinschaft, die bis heute in der Gegend um den Berg Garizim lebt, unterscheiden zu
können
-lebten wohl in der Zeit nach dem Exil; persische (Esra 4,1-5), frühe hellenistische (A.
der Große; Flav.Jos) und hasmonäischen (128 v.Chr.; Zerstörung des Tempels in
Sichem durch Johannes Hyrkan) Zeit kann als Rahmen angesehen werden
-Im AT (2Kön 17,24-28) finden sich ebenso wie in der rabbinischen Literatur
antisamaritanische Bemerkungen, die den Samaritanern die gemeinsame Wurzel im
„Volk Israel“ und die Legitimität des JHWH-Kults streitig machen.
Glauben aber an JHWH als einzigen Gott, Mose als (allerdings einzigen)
Propheten sowie die Tora als das einzige Gesetz Gottes;
Unterschied: Nicht Jerusalem, sondern Berg Garizim ist der erwählte Ort Gottes.
 Palästina: ursprünglich Siedlungsgebiet der Philister (Teil der „Seevölker“) in der
südl. Küstenebene; seit Herodot ist „palästinisches Syrien“ belegt; ab dem 4. Jh. n.Chr.
als abgekürzter Provinzname „palaestina“ üblich.
 Achtung: Verschiedene Begriffsdefinitionen von „Israel“ und „Kanaan“ beachten! 
§ 3.2.2. Geschichte, Geschichten, Geschichtsschreibung und Geschichtenerzählen
-In biblischen Texten wird die Abgrenzung zwischen Geschichte (history) und
Geschichten (story), Geschichtsschreibung und Geschichtenerzählen, nicht scharf
vollzogen, während es in der heutigen Forschung kaum möglich ist, dies außer Acht zu lassen.
-Im Alten Orient und auch im AT fand Geschichtsschreibung im Geschichtenerzählen,
Geschichte in Geschichten, statt.
-Geschichtsschreibung gab es im Alten Orient, im staatlichen Israel und in Juda in Form von
Annalen
§ 3.2.3. Die Begriff Monotheismus, Polytheismus, Monolatrie, Henotheismus,
Polyjahwismus
 Monotheismus: neuzeitliches Kunstwort (erstmals 1660)
-Bezeichnet die Überzeugung, dass es nur einen einzigen Gott gibt, der auch nur
als einziger verehrt werden kann.
-exklusiver Monotheismus: Polemik gegen die Götter (=Götzen) und ihre Diener
-inklusiver Monotheismus: bleibt ggü. polytheistischen Vorstellungen tolerant
 Polytheismus; seit Philo von Alexandrien [ca. 25 v. bis 25 n. Chr.]
-Bezeichnet eine (nach oben offene) Vielzahl von Gottheiten existiert, die man auch
verehren kann; die Götter in sich bilden eine Einheit
o Monolatrie: andauernde (praktische) Verehrung nur eines Gottes trotz der
(theoretischen) Überzeugung, dass noch andere Gottheiten existieren
o Henotheismus (1860 erstmals erwähnt) oder auch monarchischer
Polytheismus: Glaube an einen einzelnen Gott, dem im Kontext vieler
10

Götter zeitweise Suprematie (Vorrang) zugesprochen wird. Ihm als
höchstem Gott ist das restliche Pantheon unterstellt, wobei an der Spitze
Wechsel stattfinden können
Polyjahwismus (H. Donner 1973) ruht auf der These, dass es im Nordreich und Juda
der Königszeit eine Vielzahl von lokalen Manifestationen von JHWH-Göttern
gegeben habe.
o Beispiele: JHWH von Samaria als Staatsgott des Nordreiches; JHWH von
Jerusalem als Staatsgott Judas
 evtl. richtet sich das Schma Jisrael in Dtn 6,4 gegen diesen
religionsinternen Pluralismus innerhalb des JHWH-Glaubens
§ 3.3. Die Menschen und ihre Götter: Offizieller Kult, Lokaler Kult, Persönliche
Frömmigkeit/Hauskult, Alltagskult und Festkult
-Kult ist als praktische Seite der Religion Dienst an den Göttern unter Einsatz der
möglichen Kodierungsformen religiöser Symbolsysteme (=Sprache, Bilder, Handlungen)
-Unterschieden wird zwischen dem zentralen, überregionalen, stadt- und staatsgebundenen
offiziellen Kult und der dezentralen persönlichen und familiären Frömmigkeit, die um die
Ebene des lokalen Kults erweitert wurde.
 offizieller Kult
-wurde vom König bezahlt
-fand an zentralen Kultstätten mit Altar, Tempelgebäude(n) und festangestellter
Priesterschaft statt
-Stadt- oder Staatsgott wurde hier ge- bzw. verehrt
 lokaler Kult
-von Familien-, Sippen-, Stammesverbünden organisiert
-fand an regional bedeutenden Freilichtheiligtümern, Kultplätzen mit Altären etc. statt
-keine festangestellte Priesterschaft
-Lokalität: Höhenheiligtum: (hebr. bamot)

familiäre Frömmigkeit
-fand im Wohnhaus einzelner Familien statt
-dem persönlichen Gott oder den Ahnen (die als Götter verehrt wurden) gewidmet)
-Feste wurden auch hier gefeiert, wie bspw. Hochzeiten, Bestattungen,
Beschneidungen
-Weiter ist zwischen dem Alltagskult und dem Festkult zu unterscheiden:
 Alltagskult
-von Routine geprägt
-„Alltags“liturgie, kein „besonderer“ Festcharakter
 Festkult
-an Festtagen und Festzeiten
-besondere Festliturgien
-Tempel entstehen im Verlauf der Zeit: im Chalkolithikum (5800-3300 v.Chr):
Doppeltempel (Megiddo, Arad), Breitraumtempel (Hirbet ez-Zeraqon,) Tempel des
Langraumtyps (Mesopotamien, in Palästina erst seit der Mittelbronzezeit II), dreigliedriger
Landhaustyp (Syrien und Palästina häufig)
-Verschiedene Götter- und Göttinnendarstellungen belegen eine gewisse Vielfalt
-es gab lokale JHWH-Manifestationen und „JHWH und seine Aschera“, die
epigraphisch belegt sind
-offizieller Kult kam mit der Zerstörung der Hauptstädte Samaria und Jerusalem
weitgehend zum Erliegen; lokaler und persönlicher Kult stabilisierte sich jedoch; nach 587/6
11
v.Chr. entstanden auch in Juda wieder lokale Kultgemeinden, insbesondere in Gebieten
und an Tempeln, die von den babylonischen Eroberern nicht zerstört worden waren.
-Mizpa und Bet-El scheinen Zentren gewesen zu sein, die in der Exilszeit überregionale
Bedeutung hatten und den kultischen Traditionszusammenhang aufrecht erhielten
-nach Exil konnte um den Zweiten Tempel in Jerusalem u.a. mit persischer Hilfe ein
neuer offizieller Kult formiert werden, der sich, da kein König im Amt war um das eine
zentrale Heiligtum in Israel (Dtn 12), um den dort allein zu verehrenden Gott JHWH rankte.
(Kultzentralisation: wird aufgrund von 2 Kön 22f. häufig in die Zeit des judäischen
Königs Joschija datiert (Ende des 7. Jh.)
-nach Wiederaufnahme des Kults traten diverse soziale, politische und theologische
Konflikte auf:
 um 450 v.Chr: Gründung eines eigenen kultischen Zentrums der Samaritaner auf
dem Berg Garizim
 evtl. Bau eines JHWH-Tempels im transjordanischen ‘Araq el-Emir
 „Kultreform“ des Seleukiden Antiochus IV. Epiphanes (175-164 v.Chr), der den
Brandopferalter im Jerusalemer Tempel durch einen Aufsatz für Zeus Olympius
entweihte
o Aufstand des Priestergeschlechts der Makkabäer
 hasmonäisches Königtum, in dem nun wieder der König Hohepriester
war
 Gründung der Gemeinschaft von Qumran, die einen Gegenkult zum Jerusalemer
Tempel entwickelten (1QS „Sektenregel“)
Exkurs A. Feste, B. Neumonde und Sabbat
A:
-aus dem AT sind verschiedene Festkalender bekannt
-aus dem Festkalender in Ex 23,14-17; 34,18.22f. und Dtn 16,1-17 ergeben sich folgende
Jahresfeste in Israel/Juda:
1. Mazzot-Fest
-Erntefest des Frühlings
2. Wochen-Fest
-ursprünglich eintägiges Erntedankfest
-Ritus der Darbringung der Erstlinge (Dtn 26) wird später ersetzt (Dtn 16,9-12)
3. Lese-, Herbst-, Laubhüttenfest
-anlässlich der Weinlese und Olivenernte im Herbst gefeiert
-Laubhüttenfest war das größte Jahresfest, sodass später wichtige Ereignisse daran
gebunden wurden (z.B. Tempelweihe 1Kön 8,2; Bundeserneuerung Dtn 31,10; Neh
8,14f.; Altarweihe durch die Heimkehrer Esra 3,4)
4. Pascha-Fest
-ist ursprünglich Familienfest, das mit Viehzucht, dem nichtsesshaften Hirtenleben und
der Abwehr von Dämonenangriffen zu tun hat
-Anlass: Opfer der Erstgeburt des Viehs (nach J. Wellhausen)
-Anlass: jährlicher Weidewechsel (nach L. Rost)
-Anlass: Feier der Vollmondnach nach dem Frühjahrsäquinoktium (E. Otto)
-Ritus: Schlachten eines Lamms (Ex 12,21-23); nächtliches gemeinsames Verzehren
des Lammbratens; Blutritus (Blut des Lammes wird an die Türpfosten gestrichen)
B:
-Neben Jahresfesten (A.) werden Neumond und Sabbat als Festtage genannt (Am 8,4f.;
2Kön 4,23; 1Sam 20,5ff.; Ps 81,4 u.a.)
-Sabbat gliedert den Alltag in wiederkehrende Kurzzeitzyklen von sieben Tagen
-in dtn Theologie: Sabbat als Gedenktag der Sklaverei in Ägypten (Dtn 5,12-15)
-in priesterschr. Theologie: Sabbat als Schöpferhandeln JHWHs (Gen 2,2f.; Ex 20,11)
12
§ 3.4. Die Menschen und ihre Toten/Ahnen: Grab, Begräbnis/Bestattung,
Totenversorgung/Totenpflege, Nekromantie, Totenkult/Ahnenverehrung und
Auferstehungshoffnungen
-Üblich war die Körperbestattung, die Verbrennung der Leiche ist deutlich seltener belegt
-Grabformen in beachtlicher Vielfalt
-Wahl der Bestattungsart lag anscheinend an lokalen Gegebenheiten (Höhlen in Berglagen,
Gruben in Ebenen)
-Gruben-, Fels-/Höhlen- und Kammgräber
-Sarkophage in ägyptischer und assyrischer Tradition
-Bestattung war Teil eines Rituals, das folgendermaßen ablief:
 (ideal) Vorbereitung auf den Tod des Angehörigen
 Behandlung nach Tod: Waschen, Salben, Bekleiden, Schmücken ggf. Aufbahren
 Überführung zum Grab
 Grablegung
 Platzierung der Grabbeigaben (Amulette, persönliche Gegenstände, Nahrung,
Getränke, Kleidung)
 Verschließen des Grabes
 Trauerritus (1Sam 31,13); weitere Riten: Zerreißen der Kleider, Anziehen eines
härenen Trauergewands, Fasten, Bestreuen des Kopfs mit Asche oder Staub,
Raufen/Scheren der Haare, Klage, Einritzen der Haut
-man interagierte nach der Bestattung mit dem Toten durch: Fragen (1Sam 28), Gedenkrituale,
Versorgungsopfer
-Das AT steht solchen Praktiken, die aus Syrien oder Mesopotamien gut belegt sind,
durchweg ablehnend ggü. Doch zeigt die biblische Polemik gegen Nekromantie
(Heraufrufen eines Toten aus der Unterwelt) und Totenopfer (Dtn 26,14), dass es
in „Israel“ und Juda wohl seit/in der vorexilischen Zeit durchaus üblich war, die
Toten in nekromantischen Ritualen herbeizurufen und um Rat bzw. Hilfe zu
bitten.
-Inwieweit es göttliche Ahnen auch in „Israel“ gab, ist umstritten
-Glaube an Auferstehung des Einzelnen ist erst in hell. Zeit im äthiopischen Henochbuch
und im Rahmen der apokalyptischen Texte Dan 12,2,f.; Jes 26,19 belegt.
-2Makk7 spricht von der leiblichen Auferstehung zum ewigen Leben und der
Unsterblichkeit der Seele (2Makk 7,9.14). Sadduzäer und Pharisäer stritten um die
Auferstehung: Sadduzäer verneinten sie (wie auch Koh 3), Pharisäer bejahten diese.
§ 3.5. Der Raum: Geographische Charakteristika Palästinas
-im Westen durch das Mittelmeer abgegrenzt
-Norden: Abhänge des Libanon und Berg Hermon (natürliches Hindernis)
-Osten: Steppe (wegen des West-Ost-Gefälles), später Wüste
-Süden: Steppe (wegen Nord-Süd Gefälle der Niederschlagsmenge); Landwirtschaft (ohne
künstliche Bewässerung) nur bis in das Gebiet um Beerscheba möglich
-Palästina zerfällt in diverse Regionen, die sich in Beschaffenheit, infrastrukturellen
Möglichkeiten u.a. sehr voneinander unterscheiden
-Flusstäler und Gebirgszüge gliedern die Landschaften und Lebensräume in kleine
regionale Einheiten
-Möglichkeit für Siedlungen nimmt von Nord nach Süd, von West nach Ost
tendenziell ab
-Als Durchgangsland zwischen Syrien/Anatolien/Mesopotamien und Ägypten kam in
Palästina der Nord-Süd Verbindung eine herausragende Bedeutung zu
-in Friedenszeiten von Händlern, in Kriegszeiten von Armeen genutzt
13
-wichtigste Verbindungen: via maris, Königsweg, Gebirgsstraße im Westjordanland
-von Ost nach West lief die sog. Weihrauchstraße
§ 3.6. Die Zeit: Kalender, Zeitrechnung und (nochmals) Chronologie
-einige Kulturen legten primär die Mondmonate (z.B. Mesopotamien), andere das Sonnenjahr
(z.B. Ägypten) zugrunde
-Rekonstruktion des altisraelitischen bzw. judäischen Kalenders schwierig, da das AT
keine solchen enthält und auch mehrere Systeme der Monatsbezeichnungen wie
Jahresanfänge (im Herbst oder Frühjahr) kennt; ausgeschlossen werden kann auch nicht,
dass Nord- und Südreich unterschiedliche Systeme zugrunde legten
-Regierungsjahren von Königen werden - auch im AT - oft für die Zeitangabe herangezogen
-ebenfalls mit Unsicherheiten behaftet, da Koregentschaften (Zeitpunkt Tod des alten
König, Antritt des neuen Königs) etc. nicht eingeschlossen sind
-AT kennt Datierung der israelitischen oder judäischen Königen (Jer 25,1.3; 26,1),
die der babylonischen Könige (Nebukadnezzar II, 2Kön 24,12; 25,8; Jer 25,1; Ewil
Merodach; 2Kön 25,27; Jer 52,31) oder die der persischen Herrscher (Hag 1,1; Sach
1,1) wodurch sich innberbiblisch bereits eine synchronistische Chronologie ergibt
Generell: Unsicherheit bei den Daten für Palästina (1. Jt.v.Chr. einige Jahre, im 2. Jt.
v.Chr. bis zu wenigen Jahrzehnten; im 3. Jt. v.Chr. bis zu 100 Jahren mit für die älteren
Epochen stark ansteigender Tendenz)
§ 4. Geschichte und Religionsgeschichte „Israels“: Historischer Abriss
§ 4.1. Die (ausgehende) Spätbronzezeit
§ 4.1.1. Wirtschaft und Gesellschaft: Das Ende der ägyptischen Herrschaft über die
Provinz Kanaan und der Stadtstaatenkönigreiche
-Spätbronzezeit (SBZ) (1550-1200/1150 v.Chr.)
-anfängliche Blüte (Verstädterung Palästinas); nachher Niedergang der ägyptisch
dominierten palästinischen Stadtstaatenkönigreiche; Niedergang der Imperien
(Hethiter, Ägypter, Mitani), die den Vorderen Orient in der 2. Hälfte des 2. Jt.
dominierten
-im Bergland lebten Banden mit sozial deklassierten Bevölkerungsgruppen
-diese übernahmen Dörfer; lebten in Subsistenzwirtschaft von
Viehzucht/Ackerbau
-nach Schlachten verblieben gem. der ägyptischen Deportationspraxis einige
Bauern und Viehzüchter zurück, die in der folgenden Eisenzeit die Väter
und Mütter der Flächenstaaten Israel und Juda wurden.
-während des 13. Jh. traten neue Bevölkerungsgruppen auf, die die Ägypter und
Hethiter in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelten
-weitere Destabilisierung der Region
§ 4.1.2. Religion und Kult: Die Internationalität der Götterwelt und Dominanz
männlicher Gottheiten in den Stadtpanthea und Stadttempeln
-In der SBZ finden sich Tempelanlagen in Städten und Dörfern, offene Kulturplätze und
Privatkult in Wohnhäusern
-architektonisch von Fortführung alter Tradition und Aufnahme neuer Gebräuche
geprägt
-Langhaustempel mit Untergliederung des Innenraums
-Ägyptische Herrschaft prägte die Provinz Kanaan und ihren Kult, aber auch Prägung
der Ägypter durch palästinische Götter
-Ägyptisierung u.a. durch starke Präsenz ägyptischer Gottheiten
-Tempel der Hathor (Göttin der Schänheit, Liebe und Fremdländer) in Timna
14
-interkulturelle Kontakte führten zum Austausch von Göttern, der Ägyptisierung
ursprünglich syro-palästinischer Gottheiten, Kanaanisierung/Syrisierung
ursprünglich ägyptischer Gottheiten, Gleichsetzung verschiedener Gottheiten
miteinander (z.B. Baal mit Seth)
-kriegerischer Aspekt der Gottheiten wird ikonographisch betont
-Während der offizielle Kult der Städte und Stadtstaaten stärker von ihrer Allianz mit
männlichen Gottheiten geprägt wurde, behaupteten die Göttinnen dieser Epoche nur noch im
lokalen und privaten Kult ihre ehedem herausragende Position
Das nordwestsemitische Pantheon des 2. Jt.
-In der Panthea der Stadtstaaten in Syrien wurden im 3. und 2. Jt. verschiedene Gottheiten
unterschiedlichsten Ursprungs verehrt.
-Götterelternpaar El (Gott der Schöpfung und bewahrenden Kraft); Baal/Hadad (Gott
des Wetters, Sturms, Regens)
§ 4.2. Von der Eisenzeit I bis zur Eisenzeit IIC (ca. 1200/1150-587/6 v.Chr.)
§ 4.2.1. Wirtschaft und Gesellschaft: Die Zeit der Deurbanisierung, des
Siedlungswachstums, der Entwicklung von Stämmen, Städten, Territorialstaaten und
Provinzen
1. Eisenzeit I (1200/150-1000 v.Chr.)
-geschwächtes hethitisches Reich erfuhr durch Hungersnöte, interne Unruhen und
rebellierende „Seevölker“ ein schnelles Ende
-nord- und mittelsyrische Gebiete gingen verloren; Hauptstadt Hattusa wurde zerstört
-Ägyptisches Reich konnte die Gefahr der Zerstörung unter den Pharaonen der 19. und 20.
Dynastie bannen. Ramses III. (1187-1156 v.Chr.) siedelte die Philister (eine
„Seevölkergruppe“) gegen nachrückende Seevölker an, womit er den eigenen Einfluss auf
eine wirtschaftlich potente Region aufgab, so aber sein Reich schützte.
-Philister übernahmen die Städte Gaza, Aschkelon, Aschdod, Ekron, Gat, Tell-Qasile
-Die Städte der Philister dominierten in der Eisenzeit das Gebiet der südl. Küste
und die Schefala, wo sie auch in der EZ I der fortschreitenden Deurbanisierung
(=Stadtflucht) trotzen.
-Zerstörung der ägyptischen Provinz Kanaan ca. 1150 v.Chr., Ramses VI. (1145-1137
v.Chr.) war noch in Megiddo, wie ein Statuensockel belegt; genaue Datierung folglich
umstritten.
-12. Jh. v.Chr (= EZ I A) war in Palästina eine Zeit des Rückzugs der Ägypter, eine Zeit
der sich unterschiedlich vollziehenden Deurbanisierung, der Rezession und der allgemeinen
Verarmung
-Depression, die in der SBZ begonnen hatte, setzt sich hier fort
-Menschen wechseln zunehmend in die halb- bzw. nichtsesshafte Lebensweise
-Siedlungsspuren in den Bergen, Dörfern nehmen zu
-In der Epoche der EZ verstärken sich alte sbzeitlich-städtische und neue ezeitlichdörfliche Traditionen, aber auch eine Differenzierung zwischen Mittel- und Nordpalästina
einerseits und Südpalästina andererseits
-Abzug der Ägypter, Ankunft der Philister im Süden, Ankunft der Aramäer im Norden
Palästinas: Kennzeichen für die EZ
15
Exkurs: Exodus und Landnahme
Exodus:
-Israeliten, Philister und Aramäer tauchten etwa zur selben Zeit in der Geschichte auf (Am 9,7)
entgegen Dtn 26,5: „Mein Vater war ein wandernder Aramäer.“
-ezeitliche Stämme Palästinas haben mit den Aramäern nichts, mit den Bewohnern der
ehemaligen ägyptischen Provinz Kanaan sehr viel zu tun
-Über das Auftauchen der Stämme gibt es versch. Hypothesen
-Begriff: „Landnahme“; Landnahme des Volkes „Israel“ ist mit dem Exodus
verbunden
-ursprünglich wurde angenommen, dass - parallel zur Darstellung im AT - das Volk
„Israel“ aus Ägypten durch die Wüste eingewandert sei. Inzwischen gilt, dass nur
ein kleiner Teil des Volkes in Ägypten war und von dort floh.
-Der Exodus ist eng mit der Person des Mose verbunden
-Fluchtgruppe geht in späteren Stämmen auf; die Geflüchteten erzählen von ihrer
Rettungserfahrung durch JHWH
-evtl. auch nur Auszug aus ägyptisch beherrschtem Gebiet
Landnahme:
-verschiedene Modelle für die Landnahme sind im Laufe der Zeit herausgearbeitet worden
1. Eroberungs- und Einwanderungsmodell
-kriegerische Ablösung der Stadtkultur durch die Dorfkultur in der Provinz Kanaan
-Volk „Israel“ hat nichts mit den „Kanaanäern“ gemein; diverse Schlachten wurden - in
göttlichem Auftrag - geführt
-Widerspruch durch archäologische Funde in der SBZ und EZ I, aber auch
innerbiblische Überlieferungen wie Ri 1,16-36 („negatives Besitzverzeichnis“)
2. Infiltrationsmodell (territorialgeschichtliches Landnahmemodell)
-friedliche Ablösung der Stadtkultur durch die Dorfkultur in der Provinz Kanaan
-Viehzüchtende Lokalnomaden wandern im Zuge des jährlichen Weidewechsels friedlich
ein und werden an den Randzonen des Kulturlandes sesshaft (= „Israeliten“)
-kriegerische Auseinandersetzungen erst später, als die Stämme stark genug waren
-Widerspruch durch die These, dass im gesamten Bergland ein Siedlungsprozess
nachweisbar ist, der rein numerisch nicht durch Nomadengruppen möglich ist
3. Revolutionäres Landnahmemodell
-Unterschichten der sbzeitlichen Stadtbevölkerung weichen in das Bergland aus, um
dort eine Dorfgesellschaft zu begründen; innerkanaanäische revolutionäre anti-urbane
Bewegung wird durch Exodusgruppe verstärkt bzw. angeführt; Retter und
Befreiungsgott JHWH wird anderen nahegebracht
-Nachweise umstritten: archäologisch durchaus zutreffen, aber auch Problem, dass die
eisenzeitlichen Siedlungen kaum nur auf der Grundlage der Fortsetzung der urbanen Kultur
der SBZ gedeutet werden können.
4. Ausgangspunkt: innerpalästinische Verhältnisse der SBZ um Vorgänge in der EZ I zu
klären; archäologischer Befund wichtig
-Identität der Begründer der neuen Dorfkultur umstritten:
-vllt. ehemalige Stadtbewohner (s. Nr. 3 ohne Revolutionshypothese)
-vllt. nichtsesshaftes Bevölkerungselement (nicht zwingend aus Wüste), das die
Kultur der Stadtstaaten in landen Perioden der vorhergehenden wirtschaftlichen
Symbiose übernommen hat und nach dem Zusammenbruch der Stadtstaaten zur
Sesshaftigkeit übergegangen ist
-vllt. spielten die sozialpolitischen Entwicklungen der SBZ/EZ I A eine Rolle;
Stadtflucht der einheimischen Bewohner aus den Ebenen in das Bergland,
Siedlung mit anderen Bewohnern; in der EZ I bildeten sich landwirtschaftlich
orientierte Sippen und Stämme, aus denen sich später Stammesstaaten
entwickelten
-bestanden größtenteils aus Bewohnern der Stadtstaaten, also „Kanaanäern“
-Prozess bis ins 10. Jh.
-„Die Landnahme ist eine (Binnen-) Wanderung von den Ebenen in das
Bergland und die Besiedlung desselben, eine Umschichtung von
Menschen aus Städten in eine Vielzahl von Dörfern.“
16
-Mit Siedlungswachstum in der EZ I B wuchsen die Niederlassungen zu Dörfern, die
Dörfer zu regionalen Zentren
-Sippen, Stämme, Stammesverbünde entstanden, die von Häuptlingen geführt wurden
-Neue Bevölkerung führt das kulturelle Erbe weiter, das im Land Palästina entwickelt worden
war
-Richterbuch muss/kann auf diesem Hintergrund kritisch gelesen werden
-bspw. könnten einzelne Häuptlinge (hebr. sofetim, meist als „Richter“ falsch üs.) zu
ansehnlicher Macht kommen (Gideon; Ri 6-8) und sich kleinräumige
Stammesstaaten entwickeln (Abimelech; Ri 9), die sich mit ihren Nachbarn
arrangierten oder sich mit diesen auseinandersetzten
-jeder Stamm war - entgegen des Ri-Buches - politisch wie militärisch auf die
Initiative seines Führers angewiesen
Die Organisation agrarischer Gesellschaften:
-Familie als Abstammungsgemeinschaft
-mehrere Familien bilden eine Sippe
-regionale politische Zusammenschlüsse von Sippen bilden einen Stamm
-politische Organisationsform nichtstädtischer Gesellschaften
-Rechtsprechung findet auf der Grundlage von Gewohnheitsrecht statt, dessen Regeln
allen Mitgliedern der Gemeinschaft von Kindheit an vermittelt werden (Inkulturation)
-oberster Richter: Familien-, Sippen- oder Stammesvorstand; zentral organisierte
Rechtsprechung gibt es nicht
2. Eisenzeit II A (1000-926/900 v.Chr. oder 950/900-800/785/748 v.Chr.)
-Mesopotamien formierte sich - nach Zusammenbruch des mittelassyrischen Reiches im 11.
Jh. v.Chr. - neu und begann mit Assur-dan II. (934-912 v.Chr.) mit dem Aufbau des
neuassyrischen Reiches
-stellte in dieser Phase noch keine Gefahr für den Westen dar
-syrisches Binnenland war vom wachsenden Einfluss der Aramäer gekennzeichnet, die dort seit
ihrem ersten Auftauchen schrittweise an Macht gewannen
-Gründung verschiedener Stammeskönigreiche (= Aramäerstaaten)
-in Palästina entstand um den See Gennesaret ein aramäisches Stammeskönigreich
-am Nordende des Sees findet sich eine 6 ha große Stadt, deren Palastanlage,
Kulteinrichtungen und Stadtbefestigung den Einfluss syrischer Kultur zeigen
-geht wahrscheinlich auf den aram. Stammeskönig Geschur zurück
-AT-Text ordnet das Gebiet dem Stamm Naftali zu, was jedoch nicht richtig ist
(Jos 19,35); das Gebiet stand seit dem 10./9. Jh. v.Chr. unter aramäischer Kontrolle
-Syrische und nordpalästinische Küste war weiterhin in phönizischer Hand
-seit 1050 v.Chr. hatten die Phönizier durch Landerwerb in Palästina und Zypern, später
durch Kolonisierung der Mittelmeerküste mittels Handelsniederlassungen und durch
Städtegründungen begonnen, ein internationales, um das Mittelmeer zentriertes
Wirtschaftssystem aufzubauen
-Im 10. Jh. v.Chr. verbindet man insb. die Könige von Tyrus und Byblos hiermit
-Südliche Küste Palästinas wurde weiter von philistäischen Städten dominiert
-In der Archäologie Palästinas wird EZ II A insgesamt als Periode der Reurbanisierung
(=Wiederaufnahme der Stadkultur) charakterisiert
-Reurbanisierung begann in den Zentren = Küstenregion und Norden; Nord-SüdGefälle ist hierbei jedoch festzustellen
-Aufgabe der Kleinsiedlungen im Bergland, einsetzende Städtegründungen, Ausbau der
nordpalästinischen dörflichen Siedlungen zu Städten und Wiederaufnahme der
sbzeitlichen Stadtkultur in Megiddo im 10. Jh., Staatsgründung des Nordreichs Israel
(erste Hälfte 9. Jh.; gefolgt von Ammon und Moab im Ostjordanland) können als
17
Folgen des ökonomischen Impulses vom Westen her gesehen werden, der Südpalästina
zeitversetzt erreichte und dort zur Staatsgründung Judas ab Mitte/Ende des 9. Jh. v.Chr.
führte
-Entwicklung der Dorfkultur/Häuptlingstümern über Siedlungsballungen und die
wiedererstehenden Städte zu Stammes- und Stammesverbundskönigtümern (Eisenzeit II A)
und Staaten (Eisenzeit II B) in Palästina, resultiert aus mehreren Faktoren
1. Palästina war in dieser Zeit nicht unter der Herrschaft einer benachbarten Großmacht
2. Palästina profitierte vom phönizischen Wirtschaftsaufschwung
3. Reurbanisierung, Administration und Königtum könnten in verschiedenen Ortslagen an
Traditionen der SBZ anknüpfen, die dort nie verloren gegangen waren
-allerdings entstanden hier - im Ggs. zur SBZ - Flächenstaaten
Die Staatenbildung des Nordreichs Israel und des Südreichs Juda:
-in der EZ II A ging die Entwicklung von der Dorfkultur/Häuptlingstümern zu
Siedlungsballungen und wiedererstehenden Städten vonstatten
-Staaten entstanden erst im 9. Jh. v.Chr.
-Jerusalem war in der EZ II A nur 4 ha groß (etwa 1000 Einwohner)
-keine - wie biblisch angegeben - zentrale Hauptstadt, Großstadt etc.;
archäologischer Befund steht biblischer Sicht eines frühen Königreichs Saul, der
vereinigten Monarchien des Nord- und Südreichs unter David und Salomo im 10.
Jh. mit Sitz in Jerusalem oder eines von hier aus beherrschten Großreiches
entgegen
-Pharao Schischak I zog nach eigenen Angaben (926) v.Chr. von Gaza über Geser
nach Megiddo, ohne (anders 1Kön 14,25-28) Jerusalem, Rehabeam, David, Juda,
Jerobeam I., „Israel“ oder ein rivalisierendes Königtum zu erwähnen!
-Megiddo wurde in Besitz genommen (Nachweis durch Siegesstele)
-Träger der Siedlungsballungen und Reubanisierung waren die Stämme der jeweiligen
Regionen unter Leitung des Häuptlings des führenden Stammes
-Häuptling eines Stammes erweiterte seinen Häuptlingshof zu einem fürstlichen Haushalt
in einem Palast in der Stadt
-städtisches Zentrum war als Stadtstaat organisiert
-Ausgangspunkt, von welchem aus andere Stammesgebiete bzw. deren Siedlungen
angegriffen wurden, sofern diese nicht friedlich adaptiert wurden
-Stammesführer nannte sich entweder Häuptling oder König
-von einem Territorialstaat ist erst zu sprechen, wenn durch den Zusammenschluss
verschiedener Städte und ihres Umlands ihre zentrale Organisation und Administration
in der Hauptstadt (= Sitz des Herrschers) ein städteübergreifendes Gebilde entstanden ist,
was erst in der EZ II B gelang
-in den Stadtstaaten wurden teilweise Hapiru-Söldner aufgenommen
-evtl. Verweis in 2Sam 2,9 (Darstellung des Saul in Gibea/Häuptling über Benjamin,
Efraim und Gilead)
-David praktizierte ebenfalls diese Variante und wurde Sauls Rivale
-AT ist für diese Periode keine zuverlässige Quelle
-„Haus Davids“ spricht jedoch dafür, dass das Südreich (wenigstens in der 2. Hälfte
des 9. Jh. v.Chr.) ein Stammes(verbunds)königtum war, das sich - lokal begrenzt um die starke Häuptlingspersönlichkeit eines David bildete
-Stammesverbund Juda berief sich in der Folgezeit auf David als
Dynastiegründer
18
Die Entstehung des Königtums in „Israel“:
-1Sam 8,4f.20 suggeriert, dass Königtum eine fremde Institution sei, die aus anderer
„Umwelt“ übernommen wurde
-Bedrohung der Stämme durch Philister
-Einführung des Königtums in Palästina, ob in „Israel“, Juda oder Moab, war eine
Rückkehr zur sbzeitlichen landesüblichen Institution, wenn nun auch die Könige der EZ
bestrebt waren, ihr Herrschaftsgebiet von einem Stadtstaat mit Hinterland in einen
Flächenstaat umzuwandeln
-keineswegs äußerlicher Druck; These muss als überholt betrachtet werden
-über die Person des Salomo liegen keine historisch gesicherten Informationen vor
-Mangel an außerbiblischen Quellen kann durch (Re-) Konstruktionen nicht
ausgeglichen werden
 Salomo könnte als Jerusalemer Stadtstaatenkönig sbzeitlicher Tradition
beschrieben werden, der judäisches Stammeskönigtum integrierte
-seine Versuche, nach Norden auszugreifen (1Kön 4,7-19) wären u.a. an Tyrus
(da größere Stadt/Großstadt) gescheitert
 Salomo könnte eine Art Vasall des Königs Hiram I. von Tyrus gewesen sein
 Salomo könnte gänzlich eine legendarische Gründerfigur gewesen sein
-vom davidischen und vom salomonischen Reich fehlt archäologisch und epigraphisch
jegliche Spur; auch für das AT sind die Regierungsdaten von Salomo, Saul und David
unbekannt - es existierte keine Annalenschreibung
-die jeweils 40 Jahre währenden Herrschaften von David und Salomo (1Kön 2,11;
11,42) ersetzen die Unkenntnis durch eine runde, ideale und programmatische
Zahl: 40 Jahre umgreifen eine Generation und sind ein Symbol der Fülle
3. Eisenzeit II B (926/900 - 722/700 v.Chr. oder 800/785/748 - 722/700 v.Chr.):
-Gekennzeichnet ist die Epoche durch:
 Feldzug des Pharao Schischak I. (926 v.Chr. oder 920/917)
-kostete den letzten Stadtstaat der SBZ - Megiddo - die Existenz
-Küstenlinie wurde weiterhin von südphönizischen Stadtstaaten (Tyrus und Sidon Norden und Mitte) kontrolliert
 Eroberung Samarias (722/1)
 Eingliederung des Nordreichs Israel in das assyrische Provinzialsystem
-in Syrien erstarkte Aram-Damaskus im 9. Jh. v.Chr. weiter und dehnte sich u.a. nach
Nordpalästina aus
-Stammeskönigreich von Geschur um den See Gennesaret fiel ihm zum Opfer
-größte Gefahr für syrisch-palästinischen Staaten entwickelte sich in Mesopotamien
-Erstarken des neuassyrischen Reiches
-König Adad-nerari II. (912-891 v.Chr.; Feldzüge gegen Babylonier und die Aramäer)
und weitere entwickelten imperiale Tendenzen
-mit Assurnasirpal II. (884-858 v.Chr.) strebten sie nach Westen
-Da die Assyrer bis bei ihren Westfeldzügen mit ihren unmittelbaren Nachbarn, den
Aramäern, beschäftigt waren, konnte sich im 9. Jh. v.Chr. in der Abgeschiedenheit des
West- und Ostjordanlandes die Kleinstaatenwelt entwickeln:
 Israel (Staatsgott JHWH)
 Juda (Staatsgott JHWH)
 Moab (Staatsgott Kemosch)
 Ammon (Staatsgott Milkom)
-alle arch. Funde aus diesen Kleinstaaten kennzeichnet die Verwaltungssprache
als Zeichen der Staatlichkeit
19
-Im Westjordanland prägte die EZ II B weiter das Nord-Süd-Gefälle in Palästina
-Norden hatte Teil am kulturellen, ökonomischen und politischen Einfluss der
Nachbarn (Phönizier und Aramäer) und überflügelte den Süden
-Zugang zu Handelswegen zwischen Nord- und Südpalästina waren ungleich verteilt
-Dauerhaft etablieren sich statt Stadtstaaten mehr und mehr Flächenstaaten
-Zur Effizient der administrativen Ansätze der jungen Staaten ist kaum eine Aussage
möglich
-Tendenziell: Königtum des Nordens verfügt über größeres militärisches,
wirtschaftliches und politisches Potential; südl. Juda hat vllt. nie den Charakter
eines königlichen Stammesstaates Juda-Jerusalem der Davididen mit
administrativen Ansätzen und zentralistischen Planungen aufgegeben
Der Norden:
-Jerobeam I. hat nach AT die nördl. Stämme vereint und als König den Staat „Israel“
gegründet, der sich um verschiedene Residenzen im Bergland (Sichem, Penuel, Tirza)
konzentrierte (1Kön 12,25)
-Stammesoberhäupter, die sich in Sichem versammelten, haben bei der Gründung des
Stammesverbundskönigtums eine entscheidende Rolle gespielt
-Aus Juda wurde ein Kleinstaat (1Kön 12,20) bestehend aus Jerusalem und dem Stamm
Juda
-übrige Stämme folgten Jerobeam I.
-geographisches Herrschaftsgebiet (nach AT):
 zentrales Bergland (Efraim, Benjamin, Manasse)
 Jesreel-Ebene (Issachar)
 Galiläa (Sebulon, Naftali, Ascher)
 Dan
 Transjordanien (Manasse, Ruben, Gad)
-an Historizität von Jerobeam I. als König der Nordreichstämme kann kaum Zweifel zu
bestehen (Einsetzen der Annalenschreibung)
-hingegen ist umstritten, wie das Königreich aussah und was es umfasste
-ab 9. Jh. v.Chr. wurde Aram-Damskus ständiger Gegenspieler von „israelitischen“
Ansprüchen
-Galiläa und Jesreelebene wurden immer wieder abwechselnd beherrscht oder
beansprucht
-Israel Jerobeams I. stellt sich als zentralpalästinischer Stammesverbundsstaat bestehend
aus Bergbauern- und Viehzüchtern dar.
-Änderungen durch Heerführer Omi (882/878-871/0 v.Chr.)
-gründete in Samaria (1Kön 16,24) eine königliche Residenz
-in seine Zeit erst fallen Anzeichen von territorialer Staatlichkeit
-der Bergstaat „Israel“ wuchs zum Territorialstaat „Israel“
-Omris Sohn Ahab (871/0-852/1 v.Chr.) setzte die expansive Politik zu Beginn mit
Erfolg fort (Mescha-Inschrift)
-erkannte die Gefahren von außen von Norden her
-stellte sich 853 v.Chr. mit Hadad-Eser von Damaskus und u.a. den
phönizischen Städten dem Assyrer Salmanassar III. (858-824 v.Chr.) bei
Qarqar entgegen
-Bündnis bröckelte in den Folgejahren zunehmend auseinander
(Regierungswechsel in Aram-Damaskus von Hadad-Eser zu Hasael,
kriegerische Vorstöße, Ermodrung der Könige Joram von Israel und
Ahasja von Juda)
20
-assyrischer Druck ließ ab 838 v.Chr. auf Aram-Damaskus spürbar nach
-Hasael drang 837 v.Chr. in den Norden Palästinas vor; Zerstörung Megiddo; Jesreel
und Galiläa ging an die Aramäer verloren
-Dan, Hazor, Betsaida wurden nach Eroberung zu aramäischen Zentren
-Eroberungen laut 2Kön 10,32f.; 12,18f. Gilead, drang bis Gat vor; verlangte
von Joasch von Juda (840-801 v.Chr.) Tribut
-erst als die Aramäer vom Osten her durch den Assyrer Adad-neradi III. (809-781 v.Chr.)
unter verstärkten Druck gerieten, konnte sich das samarische Königtum über das
Kernland in den Bergen hinaus formieren und konsolidieren
-Entwicklung zum zentralen Staat gelang
-Entwicklung zu einer internationalen Ökonomie wurde vorangetrieben (unter Joasch
und seinem Sohn Jerobeam II.
-Kriegerische Erfolge des Joasch und Jerobeam II. (2Kön 14,25; Am 6,13f.) änderten nichts
daran, dass das Nord- und Ostufer des See Gennesarets bis zum Ende von Aram-Damaskus 732
v.Chr. durch die Assyrer unter aramäischer Kontrolle standen
-Dennoch Regierungszeit der beiden Könige für das Nordreich Zeit der wirtschaftlichen
Blüte:
 Ausbau von Megiddo zu staatlichem Funktionalort
Sozialer Unfriede und prophetische Sozialkritik:
-trotz der Entwicklung blieben die sippenbäuerlichen Strukturen (entstanden in der EZ
I) auch in der EZ II erhalten
-führte zu Koexistenz der städtisch-staatlichen und ländlich-sippenbäuerlichen
Ordnungen
-Streitpunkt Landbesitz (Besitz der Familie vs. Kapitalanlage)
-Streitpunkt Handel (Lokalhandel vs. Fernhandel)
-Streitpunkt Finanzierung des Verwaltungsapparat
-sozial- und gesellschaftskritische Prophetie des Amos (2,6-8; 3,9-15; 4,1-3; 5,7.10-12)
-sippenbäuerliche Subsistenzwirtschaft geriet in den Sog der Marktwirtschaft
-Kritik an Hofhaltung, Luxus, Prachtbauten wird ebenfalls in Amos 1,1
spürbar, der selbst der ländlichen Oberschicht entstammte
-Zeit der Schwäche des neuassyrischen Reichs währte bis Tiglat-Pileser III. (745-726
v.Chr.) der nach Babylonien und Syrien vorstieß
-Tiglat-Pileser III. war in der Folgezeit mit Kämpfen im Norden und Osten
beschäftigt
-Herrscher im Westen nutzten dies für die Reorganisation des Widerstands
-Syrisch-efraimitischer Krieg wurde ausgelöst, von dem im Wesentlichen die Assyrer
profitierten
 732 v.Chr. Fall von Damaskus; wird zur assyrischen Provinz
 Galiläa, Jesreelebene, Megiddo, Dor und Transjordanien gehen an die
Assyrer; verwandeln das Gebiet in die assyrischen Provinzen Megiddo (Dor,
Jesreel und Galiläa) und die Provinz Karnajim
-König Pekach von Israel wird von Assyrern durch Hoschea ersetzt
-Hoschea war nun Vasall der Assyrer
-zahlte anfänglich Tribut; ließ sich später nach Tod des Tiglat-Pileser III. (727
v.Chr.) zu einem Aufstand verleiten (2Kön 15,29f.; 17,1-6), den dessen Nachfolger
Salmanassar V. (726-722) routiniert niederschlug
-er nahm Hoschea gefangen (2Kön 17,4)
-Eroberung Samarias 722/1 v.Chr.
-Deportationen der Bewohner Samarias und des umgehenden Berglands
21
-Salmanassar V. starb 722/1 v.Chr; Organisation der Provinz nahm sein Nachfolger
Sargon II. (722-705 v.Chr.) in Angriff
-wandelt Samaria in eine assyrische Provinz um (2Kön 17,5f.); Hauptstadt
wurde Samaria
-baute Megiddo weiter aus, da es für die assyrische Expansion in Richtung
Mittelmeerküste und Ägypten in der Folgezeit ein wichtiger Stützpunkt werden
sollte
-Nordpalästina war nun in das assyrische Provinzialsystem integriert
-kein Nachteil; intensive Bautätigkeiten
-assyrische Deportationspolitik änderte das ehem. Nordreich nicht so sehr,
wie es 2Kön 17 darstellt
-Mehrheit der Israeliten blieb - entgegen 2Kön 17,6.24-41 - im Land
Der Süden:
-Nach 1Kön 12,20 wurde aus Juda ein Kleinstaat bestehend aus Jerusalem und Stamm
Juda
-übrige Stämme folgten Jerobeam I.
-Rehabeam gebot über Benjamin (1Kön 12,21)
-Konflikte um das Gebiet des Stammes Benjamin (1Kön 14,30; 15,6.16-22)
-Historizität von Rehabeam als König von Jerusalem und Juda ist kaum bezweifelt
-umstritten ist, wie dieses Königtum aussah und welches Gebiet es umfasste
-Juda entwickelte sich, basierend auf arch. Funden, erst sehr spät zu einem Staat, da aus
dem 10./9. Jh. v.Chr. keine Hinterlassenschaften zu finden sind
-Monumentalarchitektur oder Festungsbauten (2Chr 11) fehlen
-Küsten-Hinterland Juda war ein kleinkammeriges Bergland
-Bauern und Viehzüchter
-Subsistenzwirtschaft
-Stammeskönige Judas hatten wohl seit David ihren Sitz in Jerusalem und waren
zeitgleich Stadtkönige über ein städtisches Zentrum (sbzeitliche Tradition)
-Das Juda Rehabeams stellt sich folglich als Stammesstaat einer Bergbaueren und
Viehzüchtergesellschaft um Jerusalem, also als ein Kleinstaat des Berglands dar
-Geographisch ist das Gebiet Judas schwer zu umreißen, fest steht jedoch, das Juda nach
Westen durch die philistäischen Städte, nach Norden durch das Nordreich Israel begrenzt war
-Juda wie seine Nachbarn hatten Interesse am Gebiet der Schefala, da dies sehr
fruchtbares Land war
-ein Erfolg diesbezüglich gelang immer nur dann, wenn die übrigen Nachbarn
schwächer waren als Juda selbst (z.Z. des Ausgreifens der Philister nach Osten oder der
Dominanz der Assyrer war dies nicht möglich)
-AT schildert, dass die Beziehungen zwischen „Israel“ und Juda anfänglich konfliktreich
waren (1Kön 14,30; 15,6.16)
-erst mit Omriden (ca. 880-843 v.Chr.) änderte sich die Lage:
 friedliche Koexistenz (1Kön 22,45)
 gemeinsames außenpolitisches Handeln (1Kön 22,4ff.; 2Kön 3,7ff.; 8,28f.)
 Verschwägerung der Königshäuser (2Kön 8,18.26)
 gemeinsame Ermordung der Könige von Israel (Joram) und Juda (Ahasja)
durch Jehu (2Kön 9,16-29)
-mit Atalja (843-838 v.Chr.) kam sogar eine Omridin für kurze Zeit zur Herrschaft
(2Kön 11)
-innen- und außenpolitische Lage Judas ist in dieser Zeit schwierig einzuschätzen
-Ab Mitte des 9. Jh. v.Chr. könnte sich Juda allmählich zum Staat entwickelt haben
(bedingt nicht zuletzt durch Omriden und den phönizisch-philistäischen Küstenhandel)
-Gefahr der Aramäer „vor der Haustür“ d.h. in unmittelbarer Umgebung
22
-AT berichtet, dass Ataljas Nachfolger Joasch (838/7-799 v.Chr.) Opfer eines Attentats
(2Kön 12) wurde
-Amasja (799-771 v.Chr.) wurde sein Nachfolger, in Kriegsgeschehnisse
verwickelt (2Kön 14,8-14) und zur Zeit des israelitischen Königs Jerobeam II. in
Lachisch ermordet
-Die über 50-jährige Regentschaft Usijas (785 [Mitregent]/ 771-734 v.Chr.) und seines
Sohnes und Koregenten Jotam (757-742 v.Chr.) war eine Zeit der Konsolidierung für Juda
-obwohl beide Herrscher im AT nur kurz erwähnt (2Kön 15,1-7.32-38) werden, fällt
doch ihre Regierungszeit mit der Blüte des Nordreichs unter Jerobeam II., dem
Aufkommen eines wirtschaftlichen Aufschwungs in Juda und ersten Hinweisen auf die
Ausbildung zentral geplanter staatlicher Funktionsstädte in der materiellen Kultur Judas
zusammen
-evtl. war Juda wieder vom Nordreich unter Jerobeam II. abhängig
-Die sozio-ökonomische Entwicklung zur territorialen Staatlichkeit hatte Juda in der 1.
Hälfte des 8. Jh. endgültig erreicht (wenn auch deutlich später als der Norden)
-Lachisch wurde urbanes Zentrum der Schefala und Ende des 9./8. Jh. v.Chr. zur
Garnisons- und Residenzstadt
-In Bet-Schemesch ist im 9. Jh. v.Chr. eine Eisenwerkstatt nachgewiesen, die die
wachsende Wichtigkeit der Eisentechnologie belegt.
-Städte des Südreichs waren trotz des Aufschwungs deutlich kleiner als die im Norden
und erreichten deren urbanen Standard nicht
-Juda blieb im Wesentlichen ein Stadtstaat Jerusalem mit je mehr oder weniger
Hinterland
-entging weitgehend aramäischer Bedrohung und auch dem ersten Vordringen der
Assyrer
-ändert sich unter Ahas von Juda (742 [Mitregent]/ 734-723 v.Chr.), der laut 2Kön 16
Tiglat-Pileser III. um Militärhilfe gegen die antiassyrische Koalition von Israel und
Aram Damaskus bat (s.o.)
-mit Ahas ist erstmals der Begriff „Juda“ als Bezeichnung für das etablierte
Staatswesen des Südreichs außerbiblisch belegt
-Jerusalem expandierte von 12 ha im 8. Jh. v.Chr. auf über 50 ha gegen Ende desselben und
im 7.Jh. v.Chr.
-nach 2Kön 18,8 soll Hiskija bis Gaza ausgegriffen haben, was bisher nicht belegt
werden konnte
-Zeit Hiskijas war eine Zeit der Blüte und territorialen Ausdehnung Judas
-Tod Sargons II. (705 .Chr.) mag denn auch den judäischen König dazu
verleitet haben, den Assyrer die Stirn zu bieten (2Kön 18,7) und die
Tributzahlungen einzustellen
-Sanherib (705-681 v.Chr.) führte Strafexpeditionen durch
-Konflikt führte zum Krieg; Lachisch III (2Kön 18,13f.) und viele andere
Ortslagen wurden 701 v.Chr. vernichtet
-Deportationen judäischer Bevölkerungsteile waren die Folge
-vor Jerusalem musste das Heer der Assyrer die Belagerung abbrechen
(2Kön 18,17; Jes 36,2; 2Chr 32,9) und aus unbekannten Gründen
(Mäuseplage, Seuche im Lager, Unruhen in Assyrien) nach Assyrien
zurückkehren
-Biblisch handelte es sich hierbei um ein Wunder, das auf das direkte
Eingreifen JHWHs (vermittelt durch den Propheten Jesaja)
zurückzuführen war (2Kön 19; Jes 37)
-Hiskija hat dem assyrischen König den Tribut hinterher gesandt
(2Kön 18,14-16) und so seinen Rumpfstaat um die Stadt Jerusalem
erst einmal vor neuen Angriffen bewahrt
23
-Schefala blieb dennoch verloren; wurde unter den assyrientreuen
philistäischen Vasallenkönigen von Aschdod, Ekron und Gaza
aufgeteilt
-Ekron blieb bis zum Ende des assyrischen Reiches loyaler Vasall, was insbesondere der
Generation der Regierungszeit des Manasse (694-640 v.Chr.) eine stabile und
prosperierende Zeit schenkte, die biblisch in der dtr. Geschichtsdeutung nicht als solche
gewürdigt wird
4. Eisenzeit II C (722/700-587/6 v.Chr.):
-Eisenzeit II C gekennzeichnet durch das politische Ende des Nord- und Südreichs
-außenpolitisch ist diese Zeit äußerst wechselhaft:
-Höhepunkt und Untergang des neuassyrischen Reichs
-Entstehen des neubabylonischen Reichs
-Revitalisierungsbestrebungen der ägyptischen Vorherrschaft in der Levante
-Erst mit dem Sohn von Sanherib (705-681), Asarhaddon (681-669 v.Chr.) erreichte das
assyrische Reich Ägypten (671 v.Chr) und damit seine größte Ausdehnung
-Assubanipal (669-628/7 v.Chr.) stellte sich zunächst erfolgreich den Aufständen
Ägyptens entgegen
-verlor nachher unter Psammetich I. Ägypten kampflos
-Nach 640 v.Chr. zeigten sich erste Anzeichen des Verfalls des assyrischen Reichs, der
nach dem Tod des Großkönigs voranschritt
-Begründer der chaldäischen Dynastie (General Nabopolassau (626-605 v.Chr.) erkämpfte sich
den babylonischen Thron und griff zusammen mit dem Mederkönig Kyaxares Assyrien an
-Eroberung der Hauptstadt Assur 614 v.Chr
-Eroberung der politischen Residenz Ninive (Nah 2,2-3,19)
-Der verbleibende assyrische Rumpfstaat fand 609/8 v.Chr. sein Ende
-Erbe der Herrschaft über den Westen wurde kurze Zeit Ägypten, dann aber das
neubabylonische Reich, das sich erst mit Nebukadnezzar II. (695-562 v.Chr.) endgültig
formierte
-Entscheidungsschlacht bei Karkemisch (605 v.Chr.)
-Ägypter wurde geschlagen; Syro-Palästina fällt an die Babylonier
-Neubabylonisches Reich war von kurzer Dauer
-bereits in der Zeit des letzten neubabylonischen Königs Nabonid (556-539 v.Chr.)
Ende erkennbar, um ca. 539 v.Chr. durch Kyros II. vom persischen Reich gelöst
-Das ehemalige Nordreich wurde in der Zeit des Abstiegs des neuassyrischen Reiches
teilweise schon als Station für ägyptische Truppenoperationen (so Megiddo) genutzt (vgl.
2Kön 23,29f.)
-die babylonischen Eroberungen haben die ehamligen assyrischen Provinzzentren in
Nordpalästina nur wenig getroffen
-Samaria, Galiläa und Siedlungen unmittelbar nördlich von Jerusalem blieben von
Zerstörung durch die Babylonier weitgehend verschont
-Juda war assyrischer Vasall
-trotz des Verlusts der landwirtschafs-ökonomisch potenten Gebiete (s.o.) prosperierte
in der EZ II C Juda
-Grund war auch Manasses (694-640 v.Chr.) assyrienfreundliche Politik
-Jerusalem erlebte Blüte
-Manasses Sohn Amon (640-638 v.Chr.) fiel nach 2Kön 21,23f. einer Palastrevolte zum
Opfer
-Einsetzung des minderjährigen Joschija (638-609/8/7 v.Chr.) als König
-nach dem Untergang des assyrischen Reiches kam es zu einer ägyptischen Renaissance
in Palästina
-Schefala kam später wieder in judäische Hand
24
-Lachisch wurde neu aufgebaut und befestigt
-auch der Negev blieb zur Zeit Joschijas in judäischer Hand
-Joschija fand in Megiddo durch Pharao Necho II. seinen Tod (2Kön 23,29f.)
-mangelnde Rücksicht auf ägyptische Interessen ließen seine
Expansionsbestrebungen scheitern
-genaue Umstände des Todes sind unklar
-Zwischen 609 und 605 v.Chr realisierten die Ägypter Ansprüche in Palästina und
dominierten Juda
-Necho II war es, der Joschijas dynastischen Nachfolger Joahas (609/8 v.Chr.) nach drei
Monaten Regentschaft absetzte, nach Ägypten deportierte und an seiner Stelle
Eljakim/Jojakim (609/8-598/7 v.Chr.) einsetzte (2Kön 23,31-35) --- Tributverpflichtet
-nach der ägyptischen Vasallität folgte die babylonische
-Jojakims Beendigung der Tributzahlungen führte zum Feldzug Nebukadnezzar II. nach
Jerusalem, wo in zwischen Jojachin König war, der die Stadt übergab
-598/7 v.Chr. fand die erste Eroberung Jerusalems statt (2Kön 24,1-16)
-Babylonier plünderten die Stadt, deportieren einen Teil der Oberschichte nach
Babylonien
-Zu den Deoportierten gehörte auch der Davidide Jojachin (2Kön 24,14)
und der Prophet Ezechiel (Ez 1,1-3)
-Für die Deuteronomisten war Zidkija (598/7-587/6) der letzte legitime König von
Juda
-hatte seine Regierung den Babyloniern zu verdanken, kam aber seiner Vasallität
nicht mehr nach; (Jer 37,5-11)
-Jerusalem wurde belagert, erobert, Zidkija als flüchtiger und abtrünniger Vasall schwer
bestraft und geblendet nach Babylonien deportiert (2Kön 25,7). Jerusalem und sein
Tempel wurden geplündert, zerstört und verbrannt, eine weitere Deportation (2Kön
25,8ff.) folgte. Jeremia, dessen Unheilsprophetie dem antibabylonisch agierenden Zidkija als
probabylonische Propaganda und demoralisierend (Jer 38,4.24f.) erschienen war, wurde von
den Babyloniern anscheinend als Kollaborateur gewürdigt und freigelassen (Jer 40,4-6)
-2Kön 25,22-26; Jer 40,7-41,18 berichtet von einem judäischen Reststaat rund um Mizpa
-eingesetzer König/Statthalter wurde später ermordet (582 v.Chr.)
-Babylonische Eroberung Ammons und Moabs, dritte Deportation von Judäern (Jer 52,30) und
Flüchtlingswelle nach Ägypten (2Kön 25,26; Jer 41-43)
§ 4.2.2 Religion und Kult: Lokalpanthea, Freilichtheiligtümer, Nationalgötter und kaum
Stadttempel
1. Eisenzeit I (1200/1150-1000 v.Chr.)
-Kultgebäude der Eisenzeit (EZ I) weisen diese Periode als Mischkultur aus Elementen
unterschiedlicher Herkunft und als Übergangszeit aus, in der einerseits sbzeitliche
Traditionen weiterlebten und andererseits auch Innovationen entstanden
-nur wenige Kultgebäude bekannt
-Tradition des Stadttempels wurde weitergetragen
-Traditionen der SBZ lebten nur in den Küstengebieten (z.B. Geser) weiter
-In dörflichen Siedlungen der frühen EZ sind keine Tempel gefunden worden
-auf gemeinschaftlichen („offiziellen“) Tempelkult wurde anscheinend verzichtet
-stattdessen wohl lokaler Kult sowie Open-Air-Heiligtümer
-Abzug der Ägypter machte sich bemerkbar: Ägyptische Gottheiten (Ptah, Hathor) traten
stark zurück
-Metallstatuen der EZ I zeigen nahezu ausnahmslos männliche Gottheiten des thronenden Eloder des schlagenden Baal/Hadad-Typs
-Charakter der Gesellschaft der EZ prägt auch die Götterhimmel
25


Städte sind den Traditionen der BZ verpflichtet
palästinische Dorfkultur: andere Gegebenheiten
o Pantheon weniger ausdifferenziert
o Vielfalt kleiner lokaler Götterfamilien
-Die in einzelnen Stämmen organisierte Gesellschaft des Landesinneren Palästinas war keine
„gesamtisraelitische“ Kultgemeinschaft, sondern jeder Stamm, jede Sippe und jede Familie war
in Sachen Kult auf die eigenen Traditionen und deren Pflege angewiesen
-Vollzug kultischer Verrichtungen oblag Familien-, Sippen- oder Stammesvorstand
-evtl. sind auch wandernde Priester zu denken
2. Eisenzeit II A (1000-926/900 v.Chr. oder 950/900-800/785/748 v.Chr.)
-städtische Tempelanlagen fehlen - trotz Zeit der Siedlungsballungen und Wiederaufschwung
-evtl. vernachlässigte man die Sakralbauten der Städte zugunsten des offiziellen
Staatskult
-evtl. waren solche Stätten überhaupt nicht nötig, da die meist aus dem Bergland
stammende Bevölkerung, die sich in den Städten ansiedelte, ohnehin lokalen Kult und
Familienkult vorzog
-Festzuhalten bleibt also:
1. die religiösen Traditionen der Stadtstaaten der SBZ wird in der EZ II nicht mehr
fortgesetzt
2. die religiösen Traditionen der sbzeitlichen/eisen-I-zeitlichen zogen mit den Menschen
in die Städte ein (kein Staatskult nötig etc.)
-archäologisch deckt sich diese Intention: Funde von häuslichem Kultinventar (Räuchertassen,
Statuenschreine, Miniaturschreine aus Terrakotta etc.)
-Verhältnis der verschiedenen Lokalgottheiten spielte dann eine Rolle, wenn sich die Sippen zu
Stämmen oder die Stämme zu Stammesverbünden zusammenschlossen
-Frage nach dem gemeinsamen göttlichen Schutzpatron
-Die Gottheit der führenden Familie/Sippe/Stamm kam wohl zum Tragen
-In Stammesverbundskönigtümern wurde meist derjenige zum Schutzgott erklärt, der dem
stärksten Stamm (dessen Häuptling den Zusammenschluss betrieben hatte) zugehörig war
-es existierten jedoch auch weiterhin die Lokalgottheiten
-hierarchische Ordnung der Götter
Der Name JHWH
-epigraphisch hwhy mit unbekannter Vokalisierung
-belegt seit Inschriften des Moabiters Mescha (9. Jh.)
-verschiedene Kurzformen:
 JHW = Jaho/Jahu
 JW = Jaw/Jau/Jo
 JH = Ja
 JHH = Jaho
-mögliche Bedeutungen des Namens:
 Ex 3,14 - masoretische Vokalisation: hebr. Wurzel HYY „sein, werden“
 hebr. Wurzel HWY „wehen“
-LXX schreibt meist kurioj
-die heute meist gebrauchte Namensform „Jahwe“ beruht auf der Erschließung der Aussprache
aufgrund vereinzelter spätantiker Zeugnisse (z.B. Clemens von Alexandria 3. Jh. n.Chr.)
-vermutet wird, dass der Kult des JHWH den in Palästina ansässigen Stämmen durch eine
bestimmte Gruppe vermittelt wurde, die im Laufe der Geschichte in „Israel“ aufging
 Flüchtlingsgruppe um Mose könnte den Namen mitgebracht haben
-JHWH war ursprünglich ein Wettergott
26
-Geschichte des JHWH im 10. Jh. v.Chr. in einem „Israel“ und Juda, das sich aus vereinzelt
zentralisierten Stammesgesellschaften zusammensetzte ist klar divergent zum biblisch
überlieferten Bild, das von dem bildlosen JHWH als dem einzigen Mittelpunkt des offiziellen
Tempelkults eines organisierten davidisch-salomonischen Staatswesens mit Sitz in Jerusalem
erzählt
-erst Salomo - und nicht etwa die ersten Könige Saul und David - baut einen Tempel zu
Ehren der Gottheit (1Kön 5f.)
-für das Nordreich ist kein Tempel des offiziellen Kults belegt, da der Jerusalemer
Tempel von den biblischen Autoren und Redaktoren als einzig legitimer Kultort des
Nord- und Südreichs gezeichnet ist
-folglich findet sich nur die „Sünde Jerobeams“ in 1Kön 12 (Stiergott in Bet-El)
Der 1. Jerusalemer Tempel bis zum Exil:
-im AT gilt der Jerusalemer Tempel als DER Sakralbau des judäischen Staates, der von
Salomo (1Kön 6f.; 2Chr 2-4) für JHWH als Staatsgott der vereinten Monarchie errichtet wurde
-genaue Lage nicht mehr feststellbar (wohl nördlich des heutigen Felsendoms)
-Tempelentwurf der Ezechiel (Ez 40-42) wohl eine Fiktion, die theologisch geprägt ist (z.B.
Osttor)
-atl. Darstellung ist historisch/archäologisch nicht verifizierbar, besitzt jedoch, da sie den syropalästinischen Bautraditionen für Stadttempel (Langhausbauten seit der MBZ II) entspricht,
eine gewisse Plausibilität
-Tempelbetrieb wurde vom König gestiftet (1Kön 7,51; 8,62-65)
-Tempel wurde zusammen mit dem Palast 587/6 v.Chr. von den Babyloniern geplündert und
zerstört (2Kön 25,9), was jedoch nach Jer 41,4f. und Ez 33,24ff. nicht das Ende des JHWHKults im Land bedeutete
-biblische Verbindung der Königsdynastie „Haus Davids“ mit der Residenz Jerusalem und dem
Dynastiegott JHWH scheint darauf hinzuweisen, dass JHWH erst mit dem Dynastiegründer
David in die Davidsstadt einzog
-Stammesgott wurde folglich zu einem Stadtgott
-nicht zu klären ist, welche Gottheit(en) vor JHWH in Jerusalem verehrt wurde
-Anwesenheit der Aramäer ist nicht zu unterschätzen: das religiöse Zentrum war seit 1050
v.Chr. Haran in Norwestmesopotamien, wo sich mindestens seit dem 18. Jh. v.Chr. eine
Kultstätte des Mondgottes Sin befand
-seine Symbolik fanden früh in Palästina Eingang und setzten sich in der Folgezeit
durch
3. Eisenzeit II B (926/900 - 722/700 v.Chr. oder 800/785/748 - 722/700 v.Chr.):
-Entwicklung zur Staatlichkeit bedingte die Entwicklung der ehemaligen lokalen Götter
einzelner Sippen/Stämmen zu Dynastie-, Residenz- oder Flächenstaatsgöttern
-Folgende Götter sind nachweisbar und für die einzelnen Staaten bekannt:
 Milkom von Ammon
 Kemosch von Moab
 Qos/Qaus von Edom
 JHWH von Israel/Samaria
 JHWH von Juda/Jerusalem
-Religionsgeschichtliche Entwicklung des JHWH und sein Aufstieg zum höchsten Gott und
König im 10.-9. Jh. v.Chr. ist recht einheitlich verlaufen
27
Der Aufstieg des Gottes JHWH:
-im Zuge der Staatenbildung muss der Aufstieg JHWHs zum höchsten Gott im Nordreich
vorangegangen sein
-In der Königszeit ist JHWH im Nord- und Südreich zweifellos der mächtigste und höchste
Gott
-kultische Realität bestand aus Polytheismus (Baal, Aschera, Bes, Horus) und Polyjahwismus
-verschiedene Ausprägungen:
 JHWH als Gott Jerusalems mit Anspruch auf die Berge Judas und das ganze Land
(Hirbet Bet Layy)
 JHWH vom Zion (Ps 99,2)
 JHWH von Hebron (2Sam 15,7)
-frühestens nach dem Ende der Staatlichkeit des Nordreichs kam es zu dem theologischen
Konstrukt der Identität der JHWH-Verehrung im Süd- und im Nordreich
 führte zur ausschließlichen Verehrung JHWHs in seiner am Zweiten Tempel in
Jerusalem geprägten Form und letztlich zum Monotheismus
-neben dem offiziellen Kult gab es in der EZ II B weiterhin auch lokale bzw. familiäre
Kulttraditionen
Das Nordreich Israel:
-lokale Verbreitung des Kults des JHWH von Israel/Samaria ist mit dem Herrschaftsbereich der
Könige des Nordreichs in Zusammenhang zu setzen
-JHWH war zunächst nur der höchste Gott des Stammesverbundsstaats einer
zentralpalästinischen Bergbauern- und Viehzüchtergesellschaft, also der Nationalgott eines
Kleinstaats des Berglands (siehe 1Kön 20,23.28)
-zur Zeit Omris wuchs der Gott des Bergstaats „Israel“ aus seinem Kernland heraus
-unter den territorialen Eroberungen und Kriegen wurde auch der Kult beeinflusst,
wobei nicht anzunehmen ist, dass mit jedem Herrschaftswechsel auch die Götter
„ausgetauscht“ wurden
-ob die Verehrung JHWHs in Abgrenzung zu Hadad/Baal Wurzeln schlagen konnte, ist
schwer zu sagen
-im Raum steht bspw. die Frage, inwieweit der Kult des JHWH in Dan, einem
traditionellen Quellheiligtum, in der kurzen Zeit israelitischer Hegemonie wirklich Fuß
fassen konnten
-Das AT nennt dennoch zwei Heiligtümer mit überregionaler Bedeutung:
1. Samaria
-Sitz des Dynastiegottes für den offiziellen Kult
-Vermischungen zwischen Baal („Herr“) und JHWH möglich
2. Bet-El
-Belege in 1Kön 12,26ff.; Hos 4,15; 6,10; 10,5; Am 4,4; 5,5; 7,10f.
-evtl. Grenzheiligtum (Am 7,10-17)
-Jerobeam I. könnte mit der Aufstellung eines Stierbildet in Bet-El (1Kön
12,26ff.) an alte Kulttraditionen angeknüpft haben und so Bet-El vom
lokalen Heiligtum in den Status eines königlichen Staatstempels (Am
7,13) erhoben haben
-Wallfahrten und Prophetenschulen werden im AT mit dem Ort
verbunden (2Kön 2,2f.; 2,23; Amos; Hosea)
-archäologisch ist dies alles kaum überprüfbar; Bet-El der EZ II ist ein
relativ bescheidener Ort
28
JHWH, Baal und der Sonnengott im Nordreich:
-AT ist in weiten Teilen von scharfer Polemik gegen Baal gekennzeichnet (Elija-ElischaErzählungen, 1Kön 18; 2Kön 10; Hosea, Num 25,1-5; Dtn 4)
 ruft wiederholt auf sich für JHWH und gegen Baal zu entscheiden
 hierdurch entsteht unversöhnlicher Gegensatz beider Gottheiten
-JHWH sind, so der Stand der Forschung, eng miteinander verwandt gewesen und hatten als
Wettergötter ähnliche Kompetenzen
-JHWH wurde teilweise mit dem Symbol der Sonne verknüpft
-offizieller JHWH-Kult des Nordreiches scheint - ebenso wie der der anderen Götter,
mehrheitlich an außerstädtischen Heiligtümern stattgefunden zu haben
-Archäologie der Eisenzeit II B weist nur selten Stadttempel auf
-Die Plünderung des kultischen Equipments des JHWH im ostjordanischen Nebo durch Mescha
von Moab spricht dafür, dass es im israelitischen Territorium den offiziellen Kult des
Staatsgottes JHWH auch außerhalb der Hauptstadt/Residenz gab.
-Steinschneidekunst (Glyptik) und Kunsthandwerk weist Nordreich als ein Land aus, das
verschiedene religiöse Symbolsysteme rezipierte und auch lokalen Traditionen verhaftet blieb
-ägyptisches religiöses Symbolsystem ist im Norden wie im Süden weiter präsent
(Amulette)
-insbesondere der Sonnengott fand großen Anklang in Palästina
Der Süden:
-JHWH wurde als Nationalgott des Kleinstaates des Berglandes verehrt
-Grenzen des JHWH-Kults nach Norden wären interessant, da hier eine Verschmelzung von
Nord- und Südreich festzumachen wären
-JHWH war im Süden (im Ggs. zum Norden) nur an eine königliche Dynastie gebunden
-JHWH des Nordens war vllt. stärker als Baal/Baal-samem (Himmelsherr) konzipiert
-JHWH des Südens hatte Züge des Jerusalemer Stadtgottes (evtl. Sonnengottheit)
-in den Grenzregionen (Schefala) etc. blieb wahrscheinlich der Lokalkult erhalten,
unabhängig davon, wer gerade die politische Hegemonie beanspruchte/ausübte.
Außerdem wurden neue Götter einfach in das bestehende Pantheon integriert
-über religionspolitische Maßnahmen der Könige Judas erzählt das DtrG (und die Chr.) nur
wenig (Historizität hierbei zweifelhaft)
-Königinmutter Maacha habe eine Aschera (Frau JHWHs) im Jerusalemer Tempel
errichten lassen, was sie ihr Amt gekostet hätte (1Kön 15,13)
-Joasch führte Kollekte ein, um den Jerusalemer Tempel zu renovieren (2Kön 12)
-Ahas habe einen Altar her- und aufstellen lassen (2Kön 16,10-16)
-Hiskija führte Kultreform durch, die gegen die lokalen Höhenkulte, Mazzeben,
Ascheren u.w. gerichtet gewesen sei (2Kön 18,4)
-dies weist evtl. auf die Kultreform des dtr Idealkönigs Joschija in hin (2Kön
22f.)
-weitere formelhafte Verweise auf den Kult an den Höhen (2Kön 15,4.35; 16,4 etc.)
-2. Hälfte des 8. Jh. war die Zeit der judäischen Propheten Jesaja und Micha, die in Bezug auf
Jerusalem und den Zion unterschiedliche Positionen vertraten
-dennoch waren beide im Bezug auf die Verkündigung auf die Hauptstadt (Jerusalem)
fixiert
-Micha war Landjudäer, der das wirtschaftlich prosperierende Jerusalem dem Untergang
geweiht sah
-Jesaja war vllt. Prophet am Hof der Könige Usija bis Hiskija, der die außenpolitische
Lage Arams, Israels (Jes 8,1-4), Philstäas (Jes 20) und Judas realistisch einschätzte, vor
Kriegsvorbereitungen und falschen Bündnissen mit Ägypten warnte und trotz
29
drastischer Gebietsverluste Judas und wiederholter Gefährdungen die Bewahrung
Jerusalems ankündigte (Jes 1,7f.)
-materielle Kultur Judas weist (außer Jerusalem) keine Stadttempel aus
-dennoch archäologische Zeugen von Kultbetrieb in Beerscheba, Hazor und Tell BetMirsim
-in judäischer Ikonographie findet sich seit dem 9. Jh. v.Chr. starke Rezeption ägyptischer
Herrschaftssymbolik auf
-König von Jerusalem orientierte sich offenbar am ägyptischen Pharao
-auch im AT spiegeln sich theokratisch überhöhte Königsideologien wieder, wenn der
König als Sohn des JHWH erscheint (Ps 2; 110)
-Juda stand im Bann des religiösen Symbolsystems Ägyptens, so dass geflügelte Uräen (mit
vier Flügeln) und Sonnensymbolik breit belegt sind
-JHWH von Jerusalem erhielt klar solche Züge (Dtn 33,2; Hab 3,3ff.; Zef 3,5)
4. Eisenzeit II C (722/700-587/6 v.Chr.):
-Zeit der wechselnden Oberherrschaften (Assyrer, Ägypter, Babylonier)
-hinterließen ihre religiösen Spuren
-Traditionen blieben parallel erhalten
-wachsende wirtschaftliche und kulturelle Internationalisierung führte im palästinischen
Götterhimmel zu Zuwachs aus ehedem fremden Ländern
-Stadttempel blieben dennoch auch in dieser Epoche die Ausnahme
-Nordreich und seit 701 v.Chr. als Rumpfstaat existierende Juda gingen weiterhin
religionsgeschichtlich getrennte Wege
-Nordreich:
 Kult des Nordreiches und des Königshauses war mit dem politischen Ende des Reichs
um Samaria beendet
 Israeliten blieben - entgegen 2Kön 17 - dennoch im Land
o Kult des JHWH wurde folglich fortgeführt
 Wenn 2Kön 13,15 (Joschijas Bet-El-Überfall) historisch greifbar wäre, ist es denkbar,
dass Bet-El trotz assyrischer Präsenz weiterhin lokales Zentrum des JHWH-Kults war
-Juda:
 Kult des JHWH bestand am Tempel in Jerusalem weiter
 Bindungen an den Sitz JHWHs in Jerusalem und die davidische Dynastie blieben trotz
Verkleinerung des Landes auf das Bergland und den Negev hin erhalten
 verschiedene Einflüsse durch andere Gottheiten (bedingt durch Vermischung der
Völker)
-in Jerusalem traten verschiedene Religionen zu den diversen Sprachen und Schriften
-nach 2Kön gab es proassyrische und antiassyrische (z.B. Joschija und seine Ratgeber)
Formierungen
-dtr Interpretation ist aus Retrospektive des Untergangs Judas gestaltet (antiassyrisch)
-Assyrienfreundliche Politik des davidischen Königs Manasse (694-640 v.Chr.) brachte ihm im
DtrG eine denkbar schlechte Bewertung ein
-kultische Vergehen des Manasse (Wiedereinführung des Höhenkults, Bau von Altären
für Baal etc.)
-2Kön 21
-Amon, der Sohn Manasses wird nach bibl. Bericht ermordet (2Kön 21,23)
30
Die assyrische Krise der judäischen Religion?
-mit Ausnahme von Deportation von Tempelinventar und Kultbildern sind keine direkten
Eingriffe in den Kult der Besiegten Völker belegt
-Glaube an assyrische Götter wurde nicht verlangt, wohl aber Unterwerfung unter die
assyrische Königsideologie
-nur wenige assyrische Götter sind in Palästina nachgewiesen
-festzuhalten bleibt abschließend dennoch, dass die Anwesenheit der Assyrer in Palästina in
der Religionsgeschichte der Region tiefe Spuren hinterlassen hat.
-in 2Kön 22f. tritt der dtr idealisierte und antiassyrisch-national eingestellte König Joschija auf
-er realisiert die dtr Ziele der Kultuseinheit und Kultusreinheit
-Reform begann mit der Renovierung des Jerusalemer Tempels
-Buchfund, dann Bundesschluss (2Kön 23,1-3) zwischen JHWH, König und Volk
-Kultreform (2Kön 23,4ff.) beginnt, die mit feierlichem Paschafest (2Kön 23,21-23)
begangen wurde
Joschijas Kultreform (622/1 v.Chr.):
-in vorexilischer Zeit war die Religion Israels und Jas polytheistisch und polyjahwistisch
-Propagierung der alleinigen JHWH-Verehrung begann evtl. mit Elija im 9. Jh. v.Chr. oder mit
Hosea im 8. Jh. v.Chr.
-mit Kultreform Joschijas meint man den Fixpunkt erreicht zu haben, an dem
1. alleinige JHWH-Verehrung
2. Kultzentralisation
3. Bildlosigkeit des Gotteskults
festgemacht werden kann
-Frage ist redaktionsgeschichtlich, ob Kultreform überhaupt stattgefunden hat, und falls ja, in
welcher Form
 Buchfund evtl. Urform des Dtn?
-archäologischen Beweis der Reform gibt es nicht
-zuerst („JHWH-allein-Bewegung“) war die Alleinverehrung JHWHs noch auf Monolatrie
ausgerichtet, wurde erst in exilischer Zeit zum theoretischen Monotheismus und in
nachexilischer Zeit durchsetzungsfähig
-mit dem Zusammenbruch Assyriens schien für Joschija die Zeit gekommen, sein Programm
durchzusetzen
-fiel in assyrisches Herrschaftsgebiet ein
-eignete sich vllt. in Bet-El religiöse Traditionen (Hosea, Amos) an
-markierte den Anspruch das Erbe des Nordreichs anzutreten
-in der materiellen Kultur Palästinas des ausgehenden 7./6. Jh. ist kein grundsätzlicher
Paradigmenwechsel zur Monolatrie, zum Anikonismus (Verzicht auf bildlich-figürliche
Darstellung im kultischen Kontext) oder zur Kultzentralisation Jerusalems zu finden
-Joschijas Aktivitäten wurden von den Pharaonen der 26. Dynastie mitbestimmt
-nach Ende der ägyptischen Vasallität und dem Wechsel zur babylonischen um 605 v.Chr. kam
es zur Zeit des Jojakim (und seiner Nachfolger) in Jerusalem zur Neuauflage des Konflikt
zwischen proägyptischen (=antibabylonischen) und antiägyptischen (=probabylonischen)
Parteien (Jer 28)
-Prophetengruppen spielen hier eine zentrale Rolle
-Streitpunkt wahre und falsche Prophetie (Jer 37, 17-21; 23,9ff.)
-erst im Nahhinein feststellbar (Dtn 18,21f.)
-antybabylonische Partei konnte ihre Politik zwar durchsetzen, doch gab die Katastrophe von
598/7 und 587/6, die auf den sinnlosen Aufstand gegen Babylonien folgte, den Protagonisten
der probabylonischen Gegenpartei Recht
31
-Unheilsprophetie Jeremias und Ezechiels machte beide zu wahren Propheten
-Offizieller Kult des JHWH fand nach Untergang des davidischen Königtums sein Ende
-Kult konnte durch die im Land Verbliebenen in Tempelruinen in Jerusalem, an lokalen
Heiligtümern (Mizpa, Bet-El) und in Häusern weitergeführt werden
-Mit Ende der politischen Eigenständigkeit Judas hatte sich Verehrerschaft JHWHs gespalten
-archäologisch und ikonographisch sind verschiedene Götterbilder aus anderen Kulturen
überliefert (Mondgott von Haran [höchster Gott des Westens für die Assyrer])
-Zunahme astraler und lunarer Kulte
§ 4.3 Die babylonisch-persische Zeit (587/586-333/2 v.Chr.)
§ 4.3.1. Wirtschaft und Gesellschaft: Die Zeit des Exils, der partiellen Rückkehr, des
Neubeginns und der Konflikte mit den Landesbewohnern
1. Überblick:
-mit Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezzar II. 598/7 bzw. 587/6 v.Chr. begann in Juda
babylonische Zeit, die etwa 50 Jahre später mit dem letzten neubabylonischen König Nabonid
(556-539 v.Chr.) ihr Ende fand
-Neuerungen (auch religiöser Art) waren umstritten und bei den Traditionalisten heftig
umstritten; Aufstände und Diffamierung Nabonids war die Folge
-Kyros gelang es, Babylonien weitgehend kamplos 539 v.Chr. zu erobern
-Babylonierreich wurde vom Perserreich abgelöst
-Perserreich hatte danach etwa 200 Jahre Bestand
-erst durch Alexander den Großen ging es 333/2 v.Chr. unter
-persisches Reich war Weltreich aufgeteilt in Groß- und Untersatrapien mit Provinzen und
Vasallenkönigtümern
-Kyros II. (558-530) übernahm nach seinen Eroberungen die vorgefundenen
Verwaltungsstrukturen
-Umschwung fand insofern statt, als dass Kyros Maßnahmen des Nabonid rückgängig machte
und Tempel und Städte rekultivierte
-bestehende lokale Herrschaften, Rechtstraditionen sowie traditionell autochthone Kulte
wurden unterstützt (Konförderation wurde unterstützt)
-d aus der Unterstützung des Regionalismus in kultisch-kultureller Hinsicht bei gleichzeitiger
Unterordnung unter das gesamtpersische Reichsinteresse ergab sich die für die Epoche typische
Prägung durch regionalen Partikularismus bei gleichzeitigem gesamtreichsorientiertem
Universalismus
-Der Sohn von Kyros, Kambyses (530-522 v.Chr.) setzte Kriegserfolge des Vaters fort,
eroberte 525 v.Chr. Ägypten; ließ sich als Pharao der 27. Dynastie inthronisieren
-plötzlicher Tod Kambyses in Syrien führte zur Königskrönung von Gaumata, der sich
als Bruder des Kambyses ausgab
-Aufstände führte zu dessen raschem Tod
-Darius I Hystaspes (522-486 v.Chr.) folgte ihm nach, brauchte drei Jahre um seine
Herrschaft zu etablieren und das Reich zu befrieden (522-519 v.Chr.)
-hiernach Verwaltungs- und Steuerreform
-Darius I. Hystaspes wurde in schwere Konflikte verwickelt mit den Griechen (490 v.Chr);
Schlacht bei Marathon
-weitere persische Herrscher folgten bis letztlich Darius II (424-404 v.Chr.) den Thron
bestieg
-auch hier wieder ständige Auseinandersetzungen (v.a. mit Athen)
-Nachfolger von Darius II. wurde Artaxerxes II. Mnemon (404-359/8 v.Chr.)
-Auseinandersetzungen zwischen Persern und Phöniziern einerseits und Persern und
Griechen andererseits prägten die folgenden Jahre
-Rückeroberung Ägyptens (343/2 v.Chr.) durch Artaxerxes III. Ochos
32
-Münzherstellung erlebte in dieser Zeit enormen Aufschwung
-Todesumstände Artaxerxes III. Ochos durch Bagoas unklar
-Darius III. Kodomannos (336-331 v.Chr.) wurde Nachfolger
-er unterlag dem Makedonen Alexander III. in der Schlacht bei Issos (333 v.Chr.)
-nachdem 332 v.Chr. der letzte persische Satrap Ägypten kampflos an Alexander übergeben
wurde und 331 v.Chr. die Schlacht bei Gaugamela verloren ging, begann für den Vorderen
Orient die hellenistische Zeit
-Wirtschaft, Kultur, Religion, Kunst und Gesellschaft sind in der babylonisch-persischen Zeit
von ausgeprägter Internationalisierung gekennzeichnet
-unter Herrschaft der Babylonier beschleunigte sich der politische und ökonomische
Aufstieg der phönizischen Küstenstädte
-ihnen kam aufgrund der guten westlichen Küstenlage militärisch enorme
Bedeutung zu
-Perser profitierten vom Reichtum der Küstenstädte, die sie gegen die Babylonier erobert hatten
-Aramäisch war inzwischen lingua franca
-dem Handel waren - in sprachlicher Hinsicht - folglich keine Grenzen gesetzt
-städtebauliche Entwicklung ging an dem samarischen und judäischen Bergland vorbei, das als
Hinterland nicht direkt am internationalen Handel beteiligt war
-Kulturelle, wirtschaftliche und religionsgeschichtliche Verhältnisse an der Küste und in
Galiläa sind v.a. auf dem Hintergrund der phönizischen Präsenz zu verstehen und kaum
mit der Situation in Samaria oder Jerusalem gleichzusetzen
2. Palästina in babylonischer Zeit:
-Palästina war nach dem ersten Auftauchen der Babylonier im Westen zum Schauplatz der
Streitigkeiten zwischen diesen und den Ägyptern um das assyrische Erbe geworfen
-Babylonier bauten auf den Strukturen von den Assyrern auf
-übernahmen folglich die assyrische Provinzialorganisation
-zeigt das Desinteresse der Babylonier an homogener Verwaltungsstruktur im Großreich
-den babylonischen Gebieten im Westen war es aufgrund der Kriegszüge zwischen 604 und
587/6 nicht möglich, sich wirtschaftlich zu stabilisieren (Gegner: Ägypten)
-Juda wurde wahrscheinlich auch nicht zur Provinz umgestaltet (AT und archäol. Funde weisen
nichts aus)
-Eroberungen Nebukadnezzar II. waren nicht so einschneidend, wie es das AT aussagt
-Bibl. Schreiber verfolgte die Intention, dass nach den Katastrophen von 598/7 und 587/6 Gott
sein Volk verstoßen hatte, dass die Gabe des Landes verspielt war und es nun als entvölkerte
Wüste existierte
-archäologische Funde widersprechen diesem (theologisch-geprägtem) Bericht
-kultureller Abbruch hielt sich in Grenzen
-Städte wie Bet-El und Gibeon waren in babylonisch-persischer Zeit sogar bewohnt
-die beiden babylonischen Eroberungen Jerusalems 598/7 und 587/6 trafen nicht alle Regionen
Palästinas gleichermaßen hart
-Selbst in Jerusalem ging das Leben schnell wieder ohne einen materiellen Umbruch
normal weiter
-Jerusalem war in der Exilszeit also keine Geisterstadt, sondern bewohnt und zwar u.a.
von einer Oberschicht, die den finanziellen Hintergrund hatte, sich Luxuswaren zu
leisten
-Folgende Ereignisse um 600 v.Chr. hatten für Juda einschneidende Gebietsverluste zur Folge:
 Negev, südliche Schefela und südliche Teile des judäischen Gebirges kamen unter
Herrschaft der Edomiter und der arabischen Stämme
33
Exilierung und Auswanderungen der Bewohner des Südreichs Juda:
1.) Assyrische Deportation
-judäische Bevölkerung aus Schefala wurde mit Sanheribs Feldzug von 701 v.Chr. deportiert
-exilierte Judäer leisteten den Assyrern Frondienste, als Packarbeiter oder in der königlichen
Garde
2.) Babylonische Deportationen
-drei Deportationen von Judäern durch Babylonier (598/7; 587/6; 582 v.Chr.)
-Jer 52,30; Jer 40,5-43,7
-Gebiete der babylonischen Deportationen blieben den Zurückgelassenen allein übrig
-ca. 20 % der Bevölkerung wurde deportiert
-Exilsgemeinde war offenbar um Älteste organisiert (so Jer 29,1; Ez 8,1; 14,1; 20,1)
-Exilsgemeinde sah sich dennoch ihrem letzten legitimen König Jojachin von Juda verbunden,
dessen Schicksal in Babylonien (Begnadigung im Jahr 562 v.Chr.) genau beobachtet wurde
 Jojachin von Juda war nicht mehr König von Juda, hört aber niemals auf, König der
Judäer zu sein
-außerbiblische Texte zeigen, dass die Judäer in Babylonien ein komfortables Leben führten
-Unbehinderte Religionsausübung war gewährleistet
3.) Freiwillige Auswanderung nach Ägypten
-Jer 43,7-44,30 berichtet, dass Judäer 582 v.Chr. nach Ägypten flohen
-offenbar waren Judäer also vor Nebukadnezzars Verwüstungen in Palästina nach Ägypten
geflohen, ausgewandert oder als Söldner oder Händler dort „hängen geblieben“
-AT gibt keine fortlaufende Darstellung der Exilszeit: Lediglich die das zwangsweise
babylonische Exil und die freiwillige ägyptische Diaspora finden Erwähnung. Auch das Ende
des Exils wird noch geschildert
-sonst nur Begnadigung Jojachins und vermutete Eroberung Ägyptens durch
Nebukadnezzar II., die jedoch nicht stattfand
-nach atl. Darstellung setzt die in der babylonischen Zeit stillstehende „Geschichte“ erst wieder
539 v.Chr. mit den Büchern Esra und Nehemia ein
-582 v.Chr. war für Juda offenbar nochmals schicksalhaft, da die Ermordung des Gedalja bei
Babyloniern und Judäern endgültig die Hoffnung zerstörte, das Gebiet könnte befriedet werden
3. Palästina in persischer Zeit:
-Fall Babylons 539 v.Chr.
-Palästina war für Kyros Randgebiet der Großsatrapie „Babylonien und Transeuphratene“
-eigentlicher Einschnitt in der Kultur Palästinas setzte um 520 v.Chr. mit der Herrschaft Darius
I. ein [vielleicht aber auch erst 450/400 v.Chr.], der neue Verwaltungs- und
Wirtschaftsstrukturen schuf
-Perserzeit muss in eine Perserzeit I (539/8-450/400 v.Chr.) und eine Perserzeit II (450/400
v.Chr.-333/2 v.Chr.) eingeteilt werden
-internationale Verflechtungen kennzeichneten das persische Großreich
-wirklicher Aufschwung in der Besiedlungsdichte und -struktur ist erst mit Beginn der
Perserzeit II festzustellen
-in der Perserzeit I lässt sich nachweisen, dass Jehud recht ärmlich und spärlich besiedelt war;
Jerusalem war ein Landstädtchen mit ca. 500 Einwohnern
-460/50 wächst Jerusalem auf ca. 1500 Einwohner
-Administrativer Status Judas in der Perserzeit I wird kontrovers diskutiert (ob mit
Gouverneuren oder Vasallenkönigen regiert)
-Wirtschaft Jehuds basierte auf der Landwirtschaft (Öl, Wein, Getreite)
-Perserzeit I: Subsistenzwirtschaft
-nicht genug Material um zu exportieren
-Perserzeit II: als eigene Provinz fassbar
34
-Amt des Hohepriesters nahm Einfluss
-zurückgekehrte Exulanten beanspruchten schnell politische, wirtschaftliche und religiöse
Führung
-Perserzeit war als Zeit nach dem Exil nach atl. Darstellung geprägt von (siehe auch S. 163166)
1. Erlaubnis des Perserkönigs zur Rückkehr nach Palästina (Esra 1,7-11; 5,14-16 / Esra
2,2; 3,2f.8f.)
2. Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels mit Wiedereinweihung (520-515 v.Chr.)
3. Bau der Stadtmauer
4. Sozialreformen
5. religiösen Reformen.
§ 4.3.2. Religion und Kult: Tradition und Innovation
-Gebiet war in viele Einzelregionen gesplittet, an der durch die Internationalisierung viele
Götter Anteil hatten, dabei jedoch durchaus auch jeweils lokalspezifisch eigene religiöse
Traditionen aufrecht erhalten wurden
-Galiläa und die Küste hatten Anteil an der phönizischen Kultur und Religion
-In Samaria und Jerusalem wurde JHWH weiterhin verehrt
-Kult fand durch die Exilierten den Weg nach Babylonien
-Nach Rückkehr fand der Kult auch Einzug ins perserzeitliche Jehud
-In Babylonien entstand eine JHWH-Diaspora-Gemeinde (manche Exilierte blieben dort)
-zentrale Bedeutung für die Kultgeschichte der Perserzeit hat JHWH-Tempel auf Nilinsel
Elephantine in Ägypten
-Aufgrund der Zerstreuung des Volkes muss spätestens hier die JHWH-Verehrung
religionsgeschichtlich palästinischen Boden verlassen haben
1. Küstengebiete, Galiläa und Samarien:
-unterschiedlichste religiöse Traditionen
-Generell: Gegenwart der Babylonier lässt sich in der materiellen Kultur kaum fassen
-Ikonographie nicht nachteilig beeinflusst
-einige Götter auf Konoiden (kegelähnlicher Körper) festgehalten
-Tempelanlagen nur äußerst gering nachzuweisen
-babylonische Epoche: dürftige Nachweise
-persische Epoche: kein einziger Gebäudegrundriss, der eindeutig Sakralgebäude zeigt
Der Tempel auf dem Garizim
-im Norden des Berges: eigenes Kultzentrum für JHWH
-Tempelreste, die aus dem 5. Jh. v.Chr. stammen
-perserzeitlicher Grundriss des Tempels an Ez 40-48 orientiert
-ausgedehnter Opferkult
-hellenistische Zeit:
 Ausbau der Tempelanlage
 Diasporazentrum der „samaritanischen“ Gemeinde
-Götterhimmel der persischen Zeit zeigt Weiterexistenz autochone (alteingesessene
Bevölkerung) Traditionen und wachsende Begeisterung für ägyptische, phönizische und
griechische Gottheiten.
-Glyptik: Internationalisierung der Gesellschaft
-Babylonische, persische, ägyptische, griechische Siegel und Siegelringe
-griechischer Gott Herakles (=Schutzgott der Soldaten und Kaufleute) stark präsent
-persönliche Frömmigkeit: Veränderungen (6-4. Jh. v.Chr. finden sich Weihinschriften und
Votivgaben)
35
-kommerzieller Handel mit Votivgaben
-Schenken und weihen wurden Kommunikationsakte, die die Gebenden mit den
Beschenkten verbanden
-Schenkung erhielt Bekenntnischarakter und damit Einordnung in Glaubens- bzw.
Kultgemeinschaft
-Räucheraltäre aus Kalkstein belegt (neue Kultpraxis)
2. Ägypten/Elephantine:
-polytheistisch geprägt; JHWH (dort Jaho genannt) wurde mit versch. ägyptischen Gottheiten
wie auch mit weiteren palästinischen Göttern verbunden
-weitere Gottheiten: Asim-Bet-El; Anat-Bet-El
-neben einigen Übereinstimmungen mit Elementen des JHWH-Kults wie das AT ihn bezeugt
gibt es auch signifikante Unterschiede:
 Inhalte, die den JHWH-Glauben prägen oder für Kultgemeinschaft von zentraler
Bedeutung sind, spielen keine Rolle (z.B. Beschneidung)
 Keine Erwähnung der Patriarchen David, Mose, „Israel“, Exodus
 Jaho/JHWH wird als höchster Gott verehrt, hat aber offenbar keine Dynamik
entwickelt, zum einzigen Gott zu werden
3. Babylonien:
-Babylonier griffen in Religion der Exulanten in Babylonien oder in die Bevölkerung der
eroberten Gebiete nicht ein
-persönliche Frömmigkeit konnte weitergepflegt werden
-ob judäische Exulanten dies nutzten ist noch nicht nachgewiesen (dagegen Ez 20,3032)
-mögliche Integration neuer Gottheiten in die persönliche Frömmigkeit bei einem Teil der
Judäer
-Fragestellungen der Oberschichtseliten, warum Gott seinen König, sein Volk, seinen Tempel
und seine Stadt Jerusalem verstoßen hatte
-Antwort: Strafe Gottes für Fehlverhalten der Menschen
-Es gab pro-davidische national-religiöse Gruppen aus der Oberschicht, die sich evtl. um die
Davididen in Babylon geschart hatten und die als die „Deuteronomisten“ angesehen werden
-Ebenfalls gab es die priester(schrift)lichen Kreise (anfänglich evtl. um Ezechiel), die in Bezug
auf Königtum einschränkende Vorbehalte hatten oder vllt. sogar antiköniglich gesinnt waren
-Deuterojesaja und seine Schüler lösten die Königserwartungen von einem Menschen und
erwarteten die Königsherrschaft JHWHs (Jes 40,9-11; 52,7-10)
-Übertragung in die gesamte Welt (Jes 45,20-25)
-Überzeugung, dass JHWH die Geschichte des Gottesvolks Israel und aller Völker bestimmte
(Jes 41,22f.) führte zum Konzept der Einzigkeit des JHWH
-Monotheismusforschung wurde nun explizit und konsequent formuliert (Jes 45,5f.)
-sehnlich erwartete neue Etappe (Etablierung JHWHs gegen die vielen babylonischen
Gottheiten) war für die Deuterojesajagruppe verbunden mit dem Großkönig Kyros (Jes
44,28; 45,1-4)
-Propersische Politik lässt sich hieraus erkennen
-Im Exil wohl Auseinandersetzung verschiedener Gruppierungen mit dem babylonischen
Bilderkult (Ezechiel und der exilische Deuteronomismus)
-persönliche Frömmigkeit übernahm im Exil die Aufgabe, Identität der Gruppe zu sichern
-Gebetsrichtung nach Jerusalem setzte sich vllt. hier durch (Dan 6,11f.; 1Kön 8,48)
-Mit Ende der babylonischen Herrschaft:
-ein Teil wanderte nach Juda zurück
-ein Teil blieb gerne in Babylonien  Diasporagemeinde
36
4. Juda/Jehud:
-Zerstörungen durch Babylonier haben keinesfalls ganz Palästina umfasst
-Norden von Jerusalem und Ortslagen dort blieben weitgehen verschont
-lokale religiöse Traditionen wurden dort fortgeführt
-Mizpa und Kult in Bet-El gewannen in Exilszeit an überregionaler Bedeutung
-Ez 33,24ff. und Jer 41,4f. belegen Wiederaufnahme und Fortführung der vorexilischen
kultischen Traditionen im Land
-gilt ebenso für Klagelieder, deren Sitz im Leben eher im rituellen Kontext der
Wiedereinführung des Kults zu suchen ist
-Tempelkult in Jerusalem konnte - bis zu einem gewissen Grad - schnell wieder aufgenommen
werden
-Zerstörung des Heiligtums blieb theologisch dennoch ein Problem
-jedoch Ersatz durch Einrichtung eines Altars in Tempelüberresten oder Kult in Bet-El
-Kultischer Realität stand theologische Interpretation der kultischen Situation (v.a. AT)
gegenüber
-Perserzeit I stellte keinen wirklichen Umbruch in der materiellen Kultur Jehuds dar
-größere Bevölkerungsgruppen aus dem babylonischen Exil haben Jehud nicht erreicht (kein
signifikanter Bevölkerungsanstieg verzeichnet)
-Exil hatte nur kleinen Teil des Volks getroffen, so dass (entgegen AT) „Exil und
Rückkehr“ nur als zentrale Themen einer Minorität anzusehen sind
-Solare Elemente spielten in der Perserzeit I weiterhin und im Ggs. zur babylonischen Zeit eine
Rolle
-Auseinandersetzungen um den Wiederaufbau des Zweiten Tempels deuten darauf hin, dass
weite Teile der ansässigen Landesbevölkerung bzw. ländlichen Oberschichten (am haarez=
„Volk des Landes“) von dem Kult, der im Wesentlichen von Mitgliedern der Exilsgruppe und
Persern bezahlt und gestaltet wurde, ausgeschlossen waren und kein Mitspracherecht bei den
anstehenden Entscheidungen besaßen
 zurückgekehrte Exulanten proklamierten Bildlosigkeit zur einzig legitimen Form der
JHWH-Verehrung
 Deuteronomistische Kreise hatten die Namens-Theologie (JHWH thront im Himmel
und lässt seinen Namen auf Erden an erwähltem Platz wohnen)
 Ezechiel und die priesterlichen Kreise hatten die kabod-Theologie (Herrlichkeit der
JHWH füllt den Tempel, in den er einzieht)
-Zweiter Tempel galt als Wohnort JHWhs; Solarisierung des JHWH blieb noch produktiv (Jes
59,9; 60,1-3; Mal 3,20; Sap 5,6)
-weiteres Element: Himmelstheologie (JHWH als „Gott des Himmels“)
-Im Bezug auf Tempeltheologie, wie sie in den „tritojesajanischen Texten“ oder im Haggaiund Sacharjabuch greifbar wird, ist deutlich, dass vorexilische Zionstheologie mit der
Vorstellung vom Tempel als Wohnsitz des königlichen JHWH in seiner Stadt wieder
aufgenommen wurde
-nun universalistisch verstanden als Königtum über alle Nationen (z.B. Sach 4,14; 6,5)
-Grundlegende priesterliche Unterscheidung zwischen Heiligem und Profanem gewann in
nachexilischer Zeit an Bedeutung
-Tempel sollte zukünftig vor jeder Profanisierung geschützt werden, so dass JHWH
nicht mehr gezwungen sein würde, ihn zu verlassen (Ez 8-11)
-kultisch-religiöser Neubeginn nach Exil durch (Serubbabel und) Joschua wurde von den
zurückgekehrten Exulanten als Weiterführung vorexilischer Traditionen legitimiert, jedoch
zeigt schon das neue Amt des Hohepriesters, dass tief greifende Veränderungen stattfanden
-babylonischer Kalender wurde importiert
37
-in Babylonien gefestigte Formen des dortigen JHWH-Kults wurden nach Jehud
gebracht: Beschneidung, Sabbatobservanz, Speisegebote, evtl. Mischeheverbote,
Monotheismus, Bildlosigkeit des JHWH-Kults
-verschiedene religiöse Ansichten und „Schulen“ führten zu Konflikten
-wird im AT deutlich (priesterliche, dtn-dtr, prophetische, weisheitliche Kreise)
Kompromiss war wohl eine erste Kanonisierung div. Schriften im Pentateuch
-Grob sind zwei Richtungen zu unterscheiden:
1. Deuteronomisten
-wirken auf königslose Herrschaft der Priester hin (Theokratie/Hierokratie)
-Heilspropheten wie Deuterojesaja, Tritojesaja, Hag und Sach drohten an der Realität zu
scheitern (Korrekturen im Hinblick auf die Prophetie wurden vorgenommen)
-Tendenz zur Eschatologisierung
2. „theologisierte Weisheit“
-v.a. in Oberschichtskreisen
-Hiob und Spr 1-9
-persönliches Gottvertrauen, vollkommener Lebenswandel garantierten ein gelingendes
Leben
-hierzu gehörte auch Armenfürsorge
-Da der traditionellen Verbindung von Tun und Ergehen die Empirie entgegensteht, und
Gut (bzw. Gottvertrauen) und Böse (bzw. Unglauben) nicht unbedingt im Leben
entsprechend vergolten werden, kam es zur Krise der Weisheit, wie sie am deutlichsten
in den Büchern Hiob und Kohelet erkennbar wird (s.u.)
§ 4.4. Die hellenistische Zeit (333/2 v.Chr. - 63 v.Chr.)
§ 4.4.1 Wirtschaft und Gesellschaft: Zwischen Assimilation und Revolution
-hell. Zeit durch zwei Eroberer begrenzt:
1. Alexander der Große
-nahm 332 v.Chr. Palästina und Ägypten ein; Vorherrschaft der Griechen vor Ort
2. Pompeius (Römer)
-eroberte 63 v.Chr. den Jerusalemer Tempelbezirk
-römische Epoche beginnt (63 v.Chr. - 324 n.Chr.)
-Zwischenzeit durch Nachfolger der Pharaonen (Ptolemäer) überbrückt, die
immer wieder in Konflikte mit Seleukiden verwickelt waren
-mit Beginn der hell. Zeit bezeichnet man ehemalige persische Provinz Jehud nun als Juda
-A. der Große ließ den Juden Religionsfreiheit
-Jerusalem blieb geschlossene Gesellschaft
-in der Zeit der Ptolemäer erblühte zwar auch Jerusalem, doch wurden dort (noch) keine
hell. Gebäude errichtet
-in ptolemäischer Zeit gehört Judäa zur Provinz „Syria und Phoinike“ bzw. „Zölesyrien“ und
wurde wohl zentral aus Alexandria verwaltet (Großprovinz)
-Hyparchien oder Eparchien gliederten diese Großprovinz
-kleine Distrikte, Toparchien bildeten wiederum diese Hyparchien
Wichtige Hyparchien in Palästina
 Judäa (Stadt Jerusalem; Bevölkerung der Umgebung; kultisches Zentrum am
Jerusalemer Tempel)
 Samaria (gr. Stadtkolonie; Bevölkerung der Umgebung; kutlisches Zentrum am
Tempel des Berg Garizim)
 Galiläa (autonome gr. Stadtkolonie Skythopolis (Bet-Schean)
 Idumäa (Ost-Idumäa; Adorajim; West-Idumäa; Marescha)
 Aschdod (Hyparchie des Philistergebietes; Zentrum Jamnia/Jabne)
 Ammonitis (Hyparchie im Ostjordanland)
38
-im Laufe des 3. Jh. v.Chr.: fünf syrische Kriege; Ptolemäer verteidigten ihren Machtanspruch
-mit Schlacht bei Paneas (später Caesarea Philippi) im Jahr 200 bzw. 198 v.Chr. wechselte die
ptolemäische in seleukidische Herrschaft
Der Hohepriester:
 Oberhaupt der Jerusalemer Priesterschaft und des Tempelbetriebs war in vorexilischer
Zeit der „Oberpriester“
 Begriff des „Hohepriester“ taucht erst in nachexilischer Zeit auf
 politischer Einfluss zunächst begrenzt (Joschua neben Serubbabel)
 Ornat, Schmuck, Diadem und Salbung (Ex 28f.) lassen erkennen, dass er in
königlichen Rang einrückte
 in römischer Zeit wurde das Prinzip der Erb- und Lebenslänglichkeit des Amts
aufgegeben; Hohepriester wurde von den römischen Oberherren eingesetzt
-Aufstand der Makkabäer (nach dem Beinamen des Judas Makkabäus) verband religiöse mit
sozialen Motiven, denn er kann als Aufstand der traditionalistischen Landbevölkerung gegen
die hellenistisch akkulturierte Oberschicht der Stadt interpretiert werden
-hierbei ging es nicht um gesellschaftlichen Umsturz, sondern darum, zum alten
Standard der sozialen Ordnung zurückzukehren
-Makkabäer fanden schnell viele Mitstreiter
-Ziele: traditionell jüdisches Leben im Sinne der Tora; Reinigung des Tempels
-Krieg/jüdischer Bürgerkrieg 167-143/2 v.Chr. gilt nach 1Makk als Befreiungskrieg
gegen Fremdherrscher, verkennt aber die Tatsache, dass auch viele Juden der
städtischen Oberschicht Gefallen an hell. Gedankengut und der neuen Lebensart
gefunden hatten (Makkabäischer Aufstand 165 v.Chr.)
-Makkabäern war daran gelegen einen eigenen jüdischen Staat zu errichten; Abhebung
von der hellenisierten Welt
Hasmonäerkönigtum entstand
-erstes Königshaus auf judäischem Boden, das keine davidischen Wurzeln für
sich beanspruchen kann
-durch die Pompeiische Eroberung war Juda nun nicht mehr unabhängig, sondern stand nun
unter römischer Herrschaft (ab 63 v.Chr.)
§ 4.4.2. Religion und Kult: Griechische Götter und die interpretatio graeca autochtoner
Gottheiten
-Religionsgeschichte Palästinas in hell. Zeit ist durch die starke Präsenz gr. Götter und Heroen
bzw. durch die interpretatio graeca lokal autochthoner Gottheiten und den gr. Herrscherkult
bestimmt
Herrscherkult:
-zwei Ursprünge:
1. ägyptische Vorstellung vom Pharao als Sohn Gottes
2. Heroenkult der Griechen
-hist. Persönlichkeiten, denen nach ihrem Tod Verehrung zuteil wurde
-mit Alexander dem Großen wurde der Alexanderkult begründet
-in der Religionspolitik waren die hell. Herrscher ebenso wie die Perser tolerant, solange die
Steuerklasse stimmte
-in Judäa war die hell. Zeit nicht nur politisch eine äußerst bewegt Epoche, sondern auch
religionsgeschichtlich, da es hier einerseits ebenfalls zur Hellenisierung von Teilen der
39
Oberschicht, andererseits zum wachsenden Widerstand gegen die allmähliche „Überfremdung“
kam, der anlässlich einer versuchten Zwangshellenisierung (durch Antiochus IV. Epiphanes)
zum offenen Aufruhr führte
-Makkabäer und später Hasmonäer setzten mit Gewalt die Zwangsjudaisierung der von ihnen
eroberten Gebiete durch:
 setzten fest, was Judentum bedeutet
 Exklusiver Monotheismus
 striktes Bilderverbot
 Beschneidung, Sabbatobservanz
 Einhalten der Speisegebote, Begehen der Feste
-hier ist evtl. auch die intensivere Beschäftigung mit der Tora zu verorten, die zudem
erotisiert (Ps 119,131) und zur idealen Lebenspartnerin wurde
40
Dritter Hauptteil: Die Literatur des Alten Testaments
I. Tora und Vordere Propheten
§ 5. Der Gesamtzusammenhang der Bücher Genesis bis 2. Könige
A. Bibelkundliche Erschließung
1. Aufbau:
Tora
Gen 1-11
Urgeschichte
Gen 12-36.38
Erzelternerzählungen (Vätergeschichte)
Gen 37.39-50
Josef und seine Brüder
Ex 1- Jos 24
Exodus und Landnahmeerzählung
Ex 1 - Dtn 34: Mose
Vordere
Jos 1-24: Josua
Propheten Ri 1-21
Richtererzählungen
1Sam - 1Kön 11
Erzählungen von (Samuel,) Saul, David, Salomo
1Kön 12 - 2Kön 25 Erzählungen von den Königen Judas und Israels
- erste fünf Bücher Mose = Pentateuch; jüdische Tradition spricht von Tora, zu deutsch
„Weisung“
-in jüd. Tradition geben die Namen der einzelnen Bücher die jeweiligen Anfangsworte an:
 bere’sit „Am Anfang = Genesis „Schöpfung/Ursprung
 semot „Namen (der Israeliten in Ägypten) = Exodus „Auszug aus Ägypten“
 wayyigqra‘ „Und es rief (JHWH den Mose)“ = Levitikus „Das levitische Gesetz“
 bemidbar „In der Wüste“ = Numeri „Zahlen (der Israeliten)“
 debarim „Worte (des Moses zu den Israeliten)“ = Deuteronomium „Zweites Gesetz“
-Pentateuch ist teilweise sehr komlex, was mit seiner vielstufigen Entstehungsgeschichte
zusammenhängt
-„close reading“, also eine am Endtext orientierte Lektüre ist möglich
-Der Pentateuch hat zwei Dinge, erstens die Konzentrierung auf Rechtssätze und -sammlungen
in den Büchern Ex-Dtn und die Erzählfolge der Weltschöpfung bis zum Tod Mose am
Vorabend des Einzugs in das verheißene Land, im Blick
-In die Geschichte der Anfänge des Volkes Israel sind auch religiös-rechtliche und kultische
Weisungen enthalten
-Dekalog (Ex 20)
 Ausgangspunkt: Bekenntnis von der Befreiungstat JHWHs (Ex 1-15)
-Pentateuch kann auch als Biographie des Mose gelesen werden
-er ist in vier von den fünf Büchern Hauptakteur, beginnend bei seiner Geburt Ex 2 und
endend bei seinem Tod und einem Resümee über ihn (Dtn 34)
-Genesis wäre in diesem Zusammenhang gewissermaßen die Vorgeschichte des
Mose
-Pentateuch kann auch als Entstehung und Geschichte des Volkes Israel begriffen werden
-seit dem Aufbruchsbefehl an Abram in Gen 12 eines der bestimmenden Grundmotive
-nach Schöpfung (Gen 1-11), Wanderungen der Erzeltern Abraham+Sara,
Isaak+Rebekka, Jakob, Rahel und Lea im zugleich fremden und verheißenen Land (Gen
12-36); hiernach Josefsgeschichte - Übersiedlung der nachmaligen Israeliten nach
Ägypten (Gen 37-50)
-Darstellung des Mose, der auf JHWHs Geheiß das Volk aus Ägypten befreit, sie am
Gottesberg mit dem Willen JHWHs vertraut macht und bis ins Ostjordanland führt (ExNum)
41
-Mose hält daraufhin seine Abschiedsrede, bestehend aus Gesetzen für das Leben im
verheißenen Land, das der sterbende Mose zwar noch schauen, aber nicht mehr betreten
darf (Dtn)
-Josua als Nachfolger des Mose wird schon zu Lebzeiten designiert (Num 27,18; Dtn 34,9)
-er nimmt das verheißene Land in Besitz
-Buch Josua ist wiederum eng verknüpft mit Richter, die die Existenz des Volkes im Lande
militärisch sichern
-Konflikte führen hier zur Errichtung der Monarchie in Israel
-letzter Richter: Samuel  Salbung Saul  David, der König über Nord- und
Südstämme wird (1Sam 1-2Sam5)  Doppelmonarchie unter Salomo (1Kön 2-11) 
getrennte Reiche Israel (1Kön 12-2Kön 17) und Juda (1Kön 12-2Kön 25)
-mit der Begnadigung Jojachins in Babylonien endet die Darstellung der Geschichte des Volkes
Israel, seines Landbesitzes und seines Königtums (2Kön 25)
-Erzählung des Pentateuch weist über sich hinaus, genau genommen geht der Erzählfaden von
der Weltschöpfung bis zum Untergang Judas und dem Beginn des babylonischen Exils
-Thema der Bücher Gen-Jos ist die Heilsgeschichte
-Verhältnis von Gott und Volk wird hierin beschrieben
-Thema der Bücher Ri-2Kön ist die Unheilsgeschichte
-Führt zum Verlust von Land und Eigenstaatlichkeit
-für Gesamtzusammenhang der neun Bücher Gen-Dtn, Jos, Ri, (1-2) Sam und (1-2) hat sich der
wissenschaftliche Terminus Enneateuch durchgesetzt. Daneben sind folgende Bezeichnungen
üblich:
Gen-Num = Tetrateuch
Gen-Dtn = Pentateuch
Gen-Jos = Hexateuch
Gen-2Kön = Enneateuch
2. Die buchübergreifenden Redaktionsstrukturen:
-Die Zusammengehörigkeit der Bücher Gen-2Kön ergibt sich neben den o.g. Tatsachen auch
noch aus einer Reihe von redaktionellen Verstrebungen, die jedoch einzelne Teilkompositionen
zusammenhalten und strukturieren, nicht die ganzen Bücher
-In der Genesis sind die Verheißungstexte zu nennen, in denen der Exodus des Volkes aus
Ägypten thematisiert wird
-JHWHs Bundesschluss mit Abraham in Gen 15
-enthält kleinen heilsgeschichtlichen Abriss der zukünftigen Geschicke des
Volkes Israel
-stellt Abraham in Bezug auf Sinaitheophanie und Landnahme dar
-Gestalt u. Geschichte Abrahams decken die Heilsgeschichte Israels daraufhin ab
(Vorwegnahme des Buches Ex)
-Gefährdung der Ahnfrau in Gen 12,10-20
-Hungersnot steht am Anfang
-Motive der Plagen; Entlassung aus Ägypten durch Pharao
Abraham und Sara vollziehen die spätere Geschichte vor
-Verheißung an Jakob, der nach Ägypten aufbricht (Gen 46,1-5a) und dem Volkwerdung in
Ägypten und Rückkehr in das verheißene Land zugesagt werden
-Bizarr erscheinen hingegen:
42





Jakobs Landkauf bei Sichem (Gen 33,19)
Josefs Bitte um Mitnahme seiner Gebeine (Gen 50,25)
Präparieren von Josefs Leichnam + Einsargung (Gen 50,26b)
IN VERBINDUNG MIT
Notiz über Mitnahme des Sarges beim Auszug (Ex 13,19)
Beisetzung Josefs auf dem vom Vater bei Sichem erworbenen Land (Jos 24,32)
-weitere Besonderheit stellen die strukturierenden Texte der Priesterschrift (P) dar
-in das Gesamtwerk aufgenommene Quellenschrift
-Offenbarungstheol. Zusammenhang Schöpfung (Gen1); Noach- und Abrahambund
(Gen 9;17), Berufung des Mose (Ex 6), Sinaioffenbarung und Einzug der Herrlichkeit
JWHWs ins Zentralheiligtum (Luther: Stiftshütte) (Ex 25-40)
-Faden der Genesis wird in Büchern Ex-2Kön dort aufgenommen, wo Trias der Erzväter
Abraham, Isaak und Jakob genannt werden
-Grundlegend hierfür: Berufung des Mose nach Ex 3; Ex 6
-Gott der Väter erinnert sich seines Bundes mit den Vätern (Ex 2,24; 6,2ff.)
-Vorgriff auf Exodus und Landbesitz entspricht heilsgeschichtliches Resümee, das Josua, der
Israel in engem Anschluss an Mose bei der Landnahme anführt, in seiner Abschiedsrede zieht
(Jos 23f.)
-Exodus legt Spur in die Darstellung der Königebücher
-Erzählung vom Goldenen Kalb (Ex 32-34) formuliert Urbild des „Abfalls von JHWH“
-parallel zur Sünde Jerobeams (1Kön12)
-Ebenso wie Aaron (Goldenes Kalb) lässt Jerobeam für die Heiligtümer in BetEl und Dan Kultbilder anfertigen
-Rückverweis aus Kön zu Ex durch JHWH-Propheten, der Engel JHWHs, Samuel
-Salomozeit mit der damit verbundenen auferlegten Fron, Bautätigkeit Salomos,
Aufstand Jerobeams (1Kön 5-12) erinnert an Israels Unterdrückung in Ägypten und
seine Befreiung durch Mose (Ex 1-12)
-Gottesoffenbarung Elijas (1Kön 19) erschließt sich nur durch Moses Sinaioffb. (Ex 19)
-Maßgeblich für den Zusammenhang ist auch das Buch Deuteronomium:
-schließt mosaische Zeit ab, stellt nachmosaische Kriterien für Geschichtsdarstellung
bereit
-Bewertungskriterium: Wie gesetzestreu (Dtn 12-26) sind Israel und seine Könige
-Alleinverehrung JHWHs (Dtn 5,7; 6,4f.)
-Beschränkung des JHWH-Kultes auf den einen Kultort (Dtn 12)
3. Die Büchertrennung:
-Bücher des Pentateuch und die Bücher Jos-2Kön werden unterschiedlichen Kanonteilen
zugerechnet:
-Tora und vordere Propheten in jüd. Tradition
-Tora gesondert auszugliedern erscheint durchaus logisch (Biogr. Mose)
-Nach Tod des Mose (Dtn) ergehen an Israel keine neuen Gesetze mehr
-Mose-Epitaph (Grabinschrift) in Dtn 34,10-12 als Lebenswürdigung:
 kein Prophet in Israel wie Mose
 JHWH hat Mose von Angesicht zu Angesicht erkannt
 Mose erhielt Zeichen und Wunder durch JHWH und tat sie in Ägypten am
Pharao und seinem ganzen Lande
-Nachfolger Moses, Josua, nimmt jene Sonderstellung nicht mehr ein, weshalb gleich zu
Beginn des Buches Jos auf das abgeschlossene Ganze zurückgeblickt wird (Jos 1,8):
43

„Dieses Buch der Tora soll aus deinem Mund nicht weichen, du sollst es bedenken Tag
und Nacht, damit du darauf achtest zu handeln, wie in ihm geschrieben steht, denn dann
wirst du deine Werke gelingen lassen und Erfolg haben.“
-Ausgliederung der Tora wird in der Forschung mit dem Rechtsinstitut der „persischen
Reichsautorisation“ in Verbindung gebracht und ist im ausgehenden 4. Jh. v.Chr. anzusiedeln
Die „persische Reichsautorisation“
-persische Großkönige wussten sich zur Herrschaft über viele Völkerschaften berufen
-gewährten zahlreichen Städten, Stämmen und Völkern weitgehende juristische, religiöse und
kulturelle Autonomie innerhalb des Reiches
-Gewohnheitsrecht wurde als lokales Reichsrecht gültig
-dies wird „Reichsautorisation“ genannt
-in den vorderen Propheten markiert zweifache Erwähnung des Todes Jusuas in Jos 24,30f. und
Ri 1,1 Übergang vom Josua- zum Richterbuch
-Übergangsnotiz in Ri 21,25 markiert Übergang zu den folgenden Samuel- und Königbüchern
-Bücher 1Sam-2Kön werden weitgehend als Einheit wahrgenommen
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
1. Einführung
-babyl. Talmud schreibt Mose die Tora zu
-Samuel gilt dort als Verfasser auch des Richterbuches und des Buches Rut
-Jeremia gilt dort als Verfasser des Königebuches, der Klagelieder und des Jeremiabuches
-Für den Tod Moses und Samuels gelten freilich andere Grundlagen
-Authentizität der traditionellen Verfasserangaben und -zuschreibungen und die Einheitlichkeit
der atl. Bücher sind insgesamt fraglich:
 auf Gen 1,1-2,3 (Schöpfungsbericht)
o Ur- und Vorzustand der Welt
o Erdscheibe taucht auf
o Vegetation
o Tier- dann Menschenbevölkerung
 folgt Gen 2,4-3,24 (Paradieserzählung)
o Ur- und Vorzustand besteht aus Steppe
o Boden wird benetzt
o JHWH-Elohim formt aus Staub den Menschen
o Garten Eden
-beide Texte thematisieren Gottes Schöpfungshandeln, widersprechen sich in
Gesamtszenereie und Abfolge
-In Sintfluterzählung Gen 6-9 werden Texte zusammengearbeitet; keine „NacheinanderErzählung“
-Gefährdung der Ahnfrau (durch sexuelle Übergriffe seitens fremder Herrscher, vgl. Sara: Gen
12,10-20; 20,1-18; Rebekka: 26,1-11) begegnet ebenso wie die Berufung des Mose (Ex 3;6),
die Ereignisse am Schilfmeer (Ex 14), in der Wüste und am Sinai (Ex 19ff.) in verschiedenen
und deutlich konturierten Versionen
-Nebeneinander von drei großen Gesetzeskorpora:
1. Bundesbuch (Ex 20,22-23,33)
2. dtn Gesetz (Dtn 12-26)
3. Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26)
-atl. Rechtstexte stehen in ganz unterschiedlichen rechtshistorischen Kontexten
-können nicht auf nur einen Gesetzgeber zurückgehen (vgl. auch § 6)
44
Für Gen - 2Kön besteht folgender Grundkonsens:
 sie sind Resultat eines mehrstufigen und lange währenden Entstehungsprozesses
 Das Bild, das Israel von seiner Geschichte entwirft, ist mit dem historischen Verlauf
selbst nicht identisch, aber auch nicht völlig fiktiv
Grundlinien der Pentateuchforschung im 18. und 19. Jahrhundert:
1. Ältere Urkundenhypothese:
-Verschiedenheit der Gottesbezeichnungen führte zur Annahme von zwei Quellen, dem
Elohisten und dem Jehowisten
-Eichhorn: E + J + Fragmentenquellen
-Ilgen: E1/E2 + J
2. Fragmentenhypothese:
-Fragmente verschiedener Traditionskreise wegen der nur lose in
Erzählzusammenhang eingebundenen Rechtspassagen
-Vater: Textbasis (Gen-Dtn) besteht aus 39 Fragmenten, die von zwei Verfasserkreisen
(E und J) stammen; Dtn als Kern
3. Ergänzungshypothese:
-Kombination von Urkunden- und Fragmentenhypothese
-elohistische Grundschrift bildet Grundlage für Pentateuch, zu der zahlreiche Jehowa
Fragmente hinzukamen
4. Neuere Urkundenhypothese:
-Gen: drei Quellen: Elohistische Grundschrift (=Priesterschrift [P]), Elohist, Jehowist
-Eigenständigkeit des Dtn
- P + E + J + Dtn
4.1: Literatur- und Kultgeschichtliche Stellung von P:
-Spätdatierung von P; Frühdatierung von J; Lev-Num jünger als Dtn; P setzt
Kultzentralisation voraus (so Wellhausen); außer Dtn 34 ist das Buch Dtn
eigenständige Größe
- J + E + Dtn + P
2. Das literarische Problem des Pentateuch:
-wissenschaftlich ist als Verfasser des Pentateuch Mose gänzlich aufgegeben
-stattdessen: Reihe von Hypothesen
Grundmodelle zur Erklärung der Entstehung des Pentateuch:
1. Grundschrifthypothese (Ergänzungshypothese):
-Pentateucherzählung ist auf ein einziges Werk zurückzuführen
-mehrfache Erweiterungen
-Grundschrift wird häufig mit P der Urkundenhypothese identifiziert
2. Urkundenhypothese (Quellenhypothese):
-Pentateucherzählung kennt mehrere selbständige Urkungen („Quellen“)
-Urkunden werden durch Redaktoren zusammengestellt; Umfang ist hierbei umstritten
3. Fragmentenhypothese:
-Pentateucherzählung als Reihe ursprünglich selbständiger Themen (Schöpfung und
Flut; Abraham; Jakob; Exodus; Sinai; Wüstenwanderung; Landnahme)
-Einzelne Erzählungen wurden zu Blöcken vereint
-neuere Urkundenhypothese kennt vier ehedem selbständige Literaturwerke:
1. Jahwisten (J)
2. Elohisten (E)
3. Priesterschrift (P)
4. Deuteronomium (Dtn)
45
-Kriterien waren hier der alternierende Gebrauch von Gottesbezeichnungen „Elohim“ (Gott)
und JWHW
-neuere Urkundenhypothese wird mittlerweile in Frage gestellt
-geblieben sind Abgrenzung und literarhist. Einordnung von P und grundsätzliche
Einordnung der Anfänge des Dtn in die späte Königszeit sowie Sonderstellung des Dtn
allgemein
-Jahwist und Elohist gelten nicht mehr als eigenständige Quellen, stattdessen besser:
nichtP
-deuteronomistische Kompositionsschrift aus frühpersischer Zeit (KD) gilt als Vorbau zum
deuteronomistischen Geschichtswerk in den Büchern (Dtn bzw.) Jos-2Kön.
Konsens und offene Fragen gegenwärtiger Forschung zum Pentateuch und zu den Vorderen
Propheten:
 Konsens: Unterscheidung von P und nichtP; Umstritten ist der ursprüngliche
literarische Charakter der priesterschriftlischen Texte (Quellenschrift?
Bearbeitungsschicht? Beides?)
 Konsens: Innerhalb nichtP wird nicht zwischen J und E unterschieden; Umstritten ist,
wie umfangreich der Bestand an nichtP Texten ist, die bereits P voraussetzen
 Einordnung beinahe aller nichtP Texte als zugleich vorpriesterschriftlich wurde
weitgehend aufgegeben
 Umstritten ist, ob die entscheidende Verknüpfung von Erzelternezählung und
Exoduserzählung oder Exodus-Landnahmeerzählung bereits vorpriesterschriftlich
erfolgt ist oder sich der Priesterschrift verdankt.
 Konsens: Entstehungsgeschichte von Tetra- und Pentateuch lässt sich nicht unabhängig
von derjenigen der Bücher Jos-2Kön rekonstruieren
3. Das literarische Problem der Bücher Josua - 2. Könige:
-M. Noth hielt für die Formierung des Pentateuch am Modell der ehemals selbständigen
Quellenschriften fest
-Für die Bücher Dtn-2Kön nahm er eine Art Fragmentenhypothese an, und zwar die Hypothese
eines deuteronomistischen Geschichtswerks (DtrG)
-Querverweise innerhalb der Bücher führten zu diesem Schluss
Der innere Zusammenhang der deuteronomistisch redigierten Geschichtsbücher/
des deuteronomistischen Geschichtswerks (DtrG)
-Querverbindungen: z.B. Josuas Fluch für den Fall eines Wiederaufbaus von Jericho (Jos 6,26)
-Qualifikationen der menschlichen Akteure: „Das Böse in den Augen JHWHs tun“ (Ri 2,11;
3,7.12; 4,1; 6,1; 10,6; 13,1)
-Programmatische Texte an markanten (Wende-)Punkten der Geschichte: Dtn 1-3 (Moses
Rückblick auf Wüstenwanderung); Dtn 31 (Abschiedsrede Moses); Jos 1 (Beauftragung
Josuas); Jos 23 (Abschiedsrede Josuas); Ri 2,6-3,6 (Ausblick auf Zeit der Richter); 1Sam 8
(Samuels Ausblick auf das Königtum); 1Sam 12 (Abschiedsrede Samuels); 2Sam 7
(Natansverheißung); 1Kön 8 (Tempelweihegebet Salomos); 2Kön 17 (Refexion zum
Untergang des Nordreichs)
-Verwendung dtr Schulsprache
-Darstellung einzelner Epochen wird nach Sachgesichtspunkten strukturiert
46
-Verfasser ist ein einzelner dtr Verfasser aus exilischer Zeit, der ältere Einzeltexte zu einem
Geschichtswerk zusammenfügte
-Annahme eines im Wesentlichen einheitlichen DtrG hat sich nicht halten können und
ist umstritten
-(Göttinger) Schichtenmodell: DtrG wurde noch vor Mitte des 6. Jh. v.Chr.
durch einen dtr Historiker (DtrH) verfasst, durch prophetentheologische
Bearbeiter (DtrP)
-weitere Modelle (Block-; Stufenmodell u.a.)
C. Entstehung der Bücher Genesis - 2. Könige
-Entstehungsgeschichte des Großen Geschichtswerks in Gen - 2Kön verdankt sich eines
rückblickenden Gestaltungswillens, dem Vielheit und Gegensätzlichkeit der einzelnen
Überlieferungen zum Problem geworden sind
-Historisch beginnt dieser Prozess mit dem Untergang der Staaten Israel (722/1 v.Chr.) und
Juda (587/6 v.Chr.)
-Während Genesis - außer Sonderfall der Josefsgeschichte - sich durch einzelne Sagen, die zu
Erzählkränzen zusammengestellt sind, auszeichnet handelt es sich bei Ex 1-15 um eine
durchkomponierte Erzählung
-P Version der Moseberufung Ex 6 greift ausdrücklich auf den von P in Gen 17 berichteten
Bundesschluss JHWHs mit Abraham zurück (Bund)
-nichtP Version zeigt keinen inneren Zusammenhang der Exoduserzählung mit dem der
Erzeltern
-P stellt also die erste und einzige durchgehende Textschicht im Pentateuch (genauer: Gen-Ex
[-Lev]) dar.
-nichtP Texte der Erzelterngeschichte und der Exoduserzählung sind zwei konkurrierende
Modelle der Gründungsgeschichte Israels
-eigenständige Literaturwerke, die niemals einen geschlossenen nichtP
Erzählzusammenhang im Sinne eines Jahwisten o.ä. gebildet haben, wurden erst in
nachexilischer Zeit in P eingearbeitet.
-Bei der Priesterschrift handelt es sich um eine ursprünglich selbstständige Quellenschrift,
deren Entwurf von der Gründungsgeschichte Israels erstmals die Abfolge von Schöpfung,
Erzeltern und Exodus enthielt. Nach der Vereinigung der nichtP Literaturwerke mit P erfuhr
das Große Geschichtswerk noch weitere Ergänzungen; einen der letzten redaktionellen
Eingriffe stellt Trennung von Tora und Vorderen Propheten dar
47
D. Theologie des Gesamtzusammenhangs
-AT handelt im ganz überwiegenden Teil von der Geschichte des Volkes Israels
-Der Glaube Israels „bezog sich immer auf Geschehen, einen göttlichen Selbsterweis in der
Geschichte“
-Durch Krisenerfahrungen (Untergang der beiden Nationalstaaten) reflektieren die
geschichtliche Überlieferung des AT die Gottesbeziehung zwischen JHWH als dem Gott
Israels und Israel als dem Volk JHWHs.
-Thema der Bücher Gen - Dtn/Jos ist die heilsgeschichtliche Begründung der Ursprünge
Israels.
-Aufs Ganze gesehen bietet der Komplex die Vorgeschichte zur Geschichte des Volkes
Israel im Lande und der unheilsgeschichtlichen Ätiologie des Exils in den Büchern
Jos/Ri - 2Kön
-durch zwei Dinge manifestiert sich dieser Gedanke:
1. Theologie der prophetischen Überlieferung legt dar, dass die Geschichte JHWHs
mit Israel als verschuldete Unheilsgeschichte zu verstehen ist
2. „Bundes“-Gedanke und die Forderung nach der Alleinverehrung JHWHs, wie es
sich im 1. Gebot des Dekalogs ausdrückt, wird hiermit in Verbindung gebracht
-Unheil durch Brechen des Bundes in Gestalt der Missachtung des 1. Gebotes
-Spätestens mit dem Richterbuch setzt die „Verfallsgeschichte“ ein.
-Der Beginn kündigt sich aber schon früher an (Ex 14) oder Murrgeschichten der
Wüstenwanderung (Ex 15ff.; Num 11ff.)
-Gesamtzusammenhang von Genesis - Maleachi, also Tora und Prophetenbüccher, bilden einen
Dreischritt:
 alte Heilsgeschichte (Gen - Jos)
 Unheilsgeschichte (Ri - 2Kön)
 neue Heilsgeschichte (Jes - Sach/Mal)
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-für Wirkungsgeschichte des AT ist zu bedenken, dass es gleichermaßen heilige Schrift des
Judentums und des Christentums ist
-Im Blick auf die Bücher Genesis bis 2. Könige lassen sich verschiedene Wirkungsgeschichten
in unterschiedlichen Formen unterscheiden: literarische, musikalische, filmische etc.
-Darstellung der biblischen Geschichte hat das Bild der Geschichte „Israels“ und des gesamten
Alten Orients bis in die Neuzeit maßgeblich beeinflusst
48
§ 6. Die Rechtstexte im Pentateuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Religiös-rechtliche und kultische Weisungen sind für den Erzählverlauf des Pentateuch typisch
Noach
Abraham
Mose/Israel in
Ägypten
Mose/Israel am
Sinai
Gen 9,4ff.
Gen 17,10ff.
Ex 12,1-28
Ex 13,1-16
Ex 20,2-17
Ex 20,22-23,33
Ex 25-31
Ex 34,10-28
Lev 1-7
Lev 11-15
Lev 16
Lev 17-26
Lev 27
Num 5
Num 6
Num 8,5-19
Num 18
Num 19
Num 27,6-11
Num 28-29
Num 30
Num 35
Num 36
Dtn 5,6-21
Dtn 12-26
Verbot des Blutgenusses
Beschneidungsgebot für alles Männliche
Pascha-Mazzot-Ordnung
Heiligung der Erstgeburt und Mazzot-Ordnung
Dekalog
Bundesbuch
Bestimmungen zum Bau des Zeltheiligtums
Wiederhergestellte Tafeln (Privilegrecht JHWHs)
Opfer-Tora
Reinheits-Tora
Versöhnungstag
Heiligkeitsgesetz
Gelübdegesetz I und Zehntengesetz
Reinigungsopfer und Reinigungswasser
Nasiräergesetz
Weihung der Leviten
Mose/Israel in der
Pflichten und Rechte der Priester und Leviten
Wüste
Reinigungswasser aus der Asche einer roten Kuh
Erbtöchtergesetz I
Gesetze über das tägliche Opfer und die Festopfer
Gelübdegesetz II
Gesetz über die Leviten- und Asylstädte
Erbtöchtergesetz II
Mose/Israel im
Dekalog (Erinnerung an die Gesetze vom Horeb)
Lande Moab
Deuteronomisches Gesetz (Erinnerung an die
Gesetz vom Horeb)
Dtn 27,1-8
Gebot zur Errichtung der Gesetzesstele und eines
Altars auf dem Berg Ebal
Dtn 27,15-26
Deutereonomischer Fluch(do)dekalog
-Datierung (außer Gen 9 und Gen 17) in die mosaische Zeit
-Der größte Teil der Rechtstexte entfällt auf das Bundesbuch, das Heiligkeitsgesetz in Lev und
das dtn Gesetz in Dtn 12-26
-Reihe der Rechtstexte am Sinai (Ex 20-Num 8) bzw. Horeb (Dtn 5; 12-27) wird jeweils mit
dem Dekalog eröffnet (Ex 20,2-17 par. Dtn 5,6-21)
-Dem Dekalog kommt grundsätzliche Bedeutung zu
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Grundlegende Beobachtung: In den Rechtstexten des Pentateuch wird mehrfach ein und
derselbe rechtliche Sachverhalt auf verschiedene Weise geregelt
-Rechtsgeschichtlicher Vergleich zeigt, dass die Unterschiede auf eine Herkunft aus
verschiedenen Epochen des antiken Israel zurückgehen.
-Rechtstexte des Pentateuch stammen von verschiedenen Verfassern und aus
verschiedenen Zeiten
-Die kultrechtlichen Bestimmungen des Dtn erheben die Forderung, JHWH ausschließlich an
dem einen erwählten Jerusalemer Heiligtum zu verehren (vgl. Dtn 12; Kultzentralisation)
-Im Bundesbuch noch unbekannt; in P vorausgesetzt
49
-Im Bundesbuch lassen sich dtr Nachträge aufweisen; P hat das Dtn nicht einfach
abgelöst
-Die Entstehung des dtn Gesetzes wird mit der in 2Kön 22-23 berichteten Joschijanischen
Reform im Jahre 622 v.Chr. in Verbindung gebracht
-Historizität ist bestritten
-Rechtsgattungen haben zu einer differenzierten Wahrnehmung der Texte beigetragen. Man
unterscheidet zwischen:
 kasuistischem Recht
-legt fest, welche rechtlichen Konsequenzen ein bestimmter Sachverhalt hat
-mit „wenn“, hebr. ki eingeleiteter Vordersatz beschreibt den Tatbestand
-weitere „falls“, hebr. ‘im, können folgen
-Nachsatz legt die Rechtsfolgebestimmung für den geschilderten Tatbestand fest
-in der 3. Ps. formuliert
-kanaanäisches Erbe
 apodiktischem Recht
-apodiktische Rechtssätze formulieren schlechthin
-Kennzeichen: Reihenbildung
-Dekalog als Beispiel
Exkurs: Rechtswesen im antiken Israel und Juda
 Rechtsprechung ist bis weit in die Königszeit nichtstaatlich organisiert
 pater familias (Vorsteher der Großfamilie) obliegt die Rechtsprechung inklusive
Verhängung der Todesstrafe
 wichtigste Rechtsangelegenheit ist die Blutrache bei Tötung durch einen
Sippenfremden. Diese wird begrenzt durch das auf Körperverletzung mit Todesfolge
beschränkte ius talionis („Leben um Leben“; Ex 21,22-25) und das Asyl am Heiligtum
 Intergentale (zwischen Sippen bestehende) Streitigkeiten fallen in die Zuständigkeit der
Torgerichtsbarkeit, in der die freien Männer der Ortschaft die Rechtsangelegenheiten
verhandelt
 Torgericht konstituiert sich erst auf die Anklage durch den Geschädigten oder durch
Zeugen und kennt keine Offizialdelikte
 Prozess im Torgericht endet mit Feststellung der Schuld oder Unschuld des Beklagten
 Torgerichtsbarkeit bildet den institutionellen Hintergrund des Bundesbuches
 Richter etablieren sich landesweit erst in der späten Königszeit
 Mit Zusammenbruch der Staatlichkeit sind (wieder) die Ältesten der Ortschaften als
Leiter der allein intakt gebliebenen Gentilverbindungen für die Rechtsprechung
zuständig (Dtn 21,18-21; 22,13-21; 25,5-10)
 Neben den Ältesten wird bei Kapitalverbrechen die Vollversammlung der
Familienverbände gefordert (Num 35,24), woraus sich die Synagogalgerichtsbarkeit in
der Diaspora entwickelt
C. Entstehung der Rechtstexte des Pentateuch
1. Grundlinien der rechtsgeschichtlichen Entwicklung des antiken Israel:
-rechtliche Überlieferungen des AT sind mosaisch vermitteltes Gottesrecht
-Überlieferungsprozess durch juristisch geschulte Verfasser des Dtn und deren Schülern
-Privilegrecht JHWHs, religiöse Sippenrecht und Recht der Torgerichtsbarkeit wurden
gesammelt und in der Folgezeit miteinander verbunden
-heilgeschichtliche Perspektive, die der Autorität und Sanktion JHWHs untersteht
-apodiktische Rechtssätze werden unterschieden in
 Gebote
 Verbote
50
-man unterscheidet zwischen Sippen- bzw. Gesellschaftsrecht und Sakralrecht
-Prohibitive sichern ethische Normen der Familien und Sippen
-Verbote des Tötens, Stehlens und Ehebrechens im Dekalog
-Parallele im Bundesbuch (Todesrechtssätze)
-„der muss des Todes sterben“ - sog. Mot-jumat-Sätze
-Flüche stehen dem Recht gegenüber und intendieren, dass ein Vergehen des Einzelnen Folgen
für die gesamte Gemeinschaft haben kann
-ius talonis regelt integrale, d.h. zwischen Sippen entstandene Fälle von Körperverletzung
-Auge um Auge (Ex 21,23-25; Lev 24,19f.; Dtn 19,21) diente der Begrenzung der
Rache und dem angemessenen Schadensausgleich zwischen einzelnen Sippen
-Im Bundesbuch lässt sich erstmals die Theologisierung des Rechts feststellen
-Theologisierung des profanen Rechts in Zusicherung des göttlichen Eintretens für das
um sein Recht gebrachte Opfer (Schutz des Fremden, der Witwen und Waisen in
Ex 22,20-26)
-Geschichtshandeln JHWHs und Formulierung des Rechts als Ausdruck seines Willens werden
verbunden (Heilsgeschichte Israels)
-Abschluss der Historisierung des Rechts bildet die öffentliche Bekanntgabe des Rechts
am bestimmten heilgeschichtlichen Ort (Sinai/Horeb)
2. Das Bundesbuch (Ex 20,22-23,33)
-trägt seinen Namen nach Ex 24,7; Mose spricht vom „Buch des Bundes“
-Kern in Ex 20,24-23,19
-Altargesetz in Ex 20,24-26
-Systematische Sammlung von Rechtssätzen setzt einen gewissen institutionellen Rahmen
voraus/ evtl. staatliche Verhältnisse
-Rahmen des Bundesbuches (Ex 20,22-23; 23,20-33) geht wohl auf dtr Redaktion zurück
-insb. Altargesetz wurde der ausschließlichen JHWH-Verehrung an nur einem Ort
angeglichen
3. Der Dekalog (Ex 20,2-17; Dtn 5,6-21)
-berühmteste Rechtssatzreihe des AT
-erste Tafel enthält privilegrechtliche Bestimmungen; zwei Tafel sozialethische Bestimmungen
 Privilegrecht: Fremdgötter- und Bilderverbot, Verbot des Missbrauchs des
Gottesnamens, Sabbatgebot
 verbindendes Element: Elterngebot „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“
verbunden mit Heilszusage „damit du lange lebst in dem Land, das dir JWHW, dein
Gott, geben wird“
 Sozialethisches Recht: Schutz von Leben, Ehe, Eigentum des Nächsten;
Falschzeugnisreden vor Gericht; Verbot Hab und Gut des Nächsten zu begehren
-formale Uneinheitlichkeit beider Dekalogfassungen
-erstes Gebot deutlich von dtn Theologie geprägt (Dtn 6,4)
-Dekalog entstand nicht vor dem 7. Jh.
4. Das Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26):
-Leitmotiv „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, JHWH, euer Gott“ (Lev 19,2)
-Weil JHWH heilig ist und dem Volk Israel Anteil an seiner Heiligkeit gibt, kann Israel, als
Volk JHWH, heilig sein
-Heiligkeitskonzeption ist im priesterlichen Denken verwurzelt
-Heilsgesetz verkörpert in rechts- und literargeschichtlicher Hinsicht eine bewusste
Weiterführung und Korrektur des Dtn
51
D. Theologie der Rechtstexte im Pentateuch
-rechtliche Überlieferungen des AT weisen große formale und inhaltliche Übereinstimmung
mit denen ihrer altorientalischen Umwelt auf
-grundsätzliche Überzeugung, dass gelingendes Gemeinschaftsleben nur im Einklang mit der
gottgewollten Weltordnung möglich ist
-alto. Umwelt: vornehmste Aufgabe des Königs: Recht und Gerechtigkeit herzstellen und
aufrecht erhalten
-hier Unterschied zum AT, das dies von Gott abhängig sieht (aber Ps 72)
Tora
-bedeutet zunächst „Weisung“
-Spezifizierung durch den jeweiligen Kontext
 in theol. Zusammenhang: Weisung durch Propheten vermittelte göttl. Weisung
-erweiterte Sprachgebrauch durch 1Chr 22,12; Ps 1,2, wonach unter Tora JHWHs der
Pentateuch mit seinen gesammelten Rechtsüberlieferungen zu verstehen ist
-Israel ist dadurch besonders, dass JHWH durch die Gabe der Tora seinem Volk nahe ist
-Sachliche Mitte findet die Tora im Dekalog und hier v.a. in der Alleinverehrung JHWHs
-Grund: Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten
-Ps 1: Tora-Psalm
-Rahmen des corpus propheticum durch (Dtn 6,4f.; Mal 3,22 i.V.m. Dtn 34,10-12)
-Theologie der rechtlichen Überlieferungen ist nicht die eine, sondern eine unter mehreren
theologischen Konzeptionen im AT
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Mose der Gesetzgeber
-Rechtstexte des Pentateuch haben innerhalb des Judentums und des Christentums eine
unterschiedliche Wirkungsgeschichte
-Judentum: 613 Mizwot (248 Gebote und 365 Verbote) gehören zum gelingenden
Leben
-Christentum: Gesetz als Gegensatz zum Evangelium
-Prägung der europäischen Rechtsgeschichte durch das (christlich rezipierte) atl. Recht
52
§ 7. Die Teilkompositionen
§ 7.1. Die Priesterschrift
Grunddaten zur Priesterschrift:
 P ist eine ehedem selbstständige Quellenschrift, die erst redaktionell mit den älteren
nichP Einzelkompositionen (Urgeschichte, Erzelterngeschichte, Mose-ExodusLandnahmeerzählung) vereinigt wurde
 Falls nichtP vor der Vereinigung mit P nie eine zusammenhängende
Pentateucherzählung gebildet hat, ist P die erste und einzige durchgehende
Quellenschrift des Pentateuch
 P setzt mit Schöpfungsbericht Gen 1,1-2,3 ein; führt mit Sicherheit bis zum Einzug der
Herrlichkeit JHWHs in das Zeltheiligtum in Ex 40,16-17.33b.34
 P ist sukzessive erweitert worden
 P setzt Zentralisationforderung (Dtn 12) und ist in die spätexilische oder
(wahrscheinlicher) früh-nachexilische Zeit zu datieren
A. Bibelkundliche Erschließung
-Schöpfung/Elohim
-Gen 1,1-2,3 (Toledot des Himmels und der Erde)
-Gen 5 (Toledot Adams)
-Sintflut und Noachbund
-Gen 6-9 (Toledot Noachs)
-Gen 10 (Toledot der Söhne Noachs)
-Gen 11,10-16 (Toledot Sems)
-Gen 11,27-25,11 (Toledot Terachs)
-Abrahambund/El Schaddai (Gen 17)
-Gen 25,12-17 (Toledot Ismaels)
-Gen 25,19-35,29 (Toledot Isaaks)
-Gen 36 (Toledot Esaus)
-Gen 37,2-Ex 40,34 (Toledot Jakobs)
-Ex 1,7.13-14 (Israel in Ägypten
-Moseberufung/JHWH (Ex 2,23-25; 6,2-8)
Ex 7-13 (Plagen und Auszug)
-Ex 14 (Meerwunder)
-Stiftung des Kultes am Sinai (Ex 19; 25-29)
-Bau der Stiftshütte; Einwohnung der Herrlichkeit JHWHs am Heiligtum (Ex 40)
-Toledotformel „Dies ist die Genealogie/Geschichte...“ (hebr. toledot) ist das auffälligste
Gliederungsmerkmal von P
-Zu dieser Gliederung treten Querverweise
-Ausgangspunkt: priesterschriftliche Urgeschichte
-Mensch als Herrscher über die Erde und ihre Lebewesen (Gen 1)
-nach Sintflut erneut Segen für Menschen (Gen 9)
-Motiv des Segens auch bei Abram/Abraham und seinen Nachkommen
-Bundesschlüsse und Auswahl von Gerechten verbinden sich (Mose etc.)
-sechs Tage redender, am siebten Tag schweigender Gott der Schöpfung (Gen 1,1-2,3)

-sechs Tage schweigend, am siebten Tag redender Gott der Sinaioffb. (Ex 24,15b-25,1)
53
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Abgrenzung der zu P gehörenden Texte ist im Wesentlichen unumstritten, Gründe:
 Vergleich mit den nichtP Texten führt zum Schluss, dass P Handlungen weniger
ausführt, auf Details verzichtet, die Texte ausschmücken, Charakterisierung vermeidet
 P setzt auf Stereotype
 theologische Rede überwiegt deutlich die erzählte Handlung
 kultische, chronologische, genealogische Details werden aufgezählt
-literarische Differenzierung von P ist im Ggs. zur grundsätzlichen Abgrenzung sehr wohl
umstritten; Faustregeln:
 Wird P als ehedem selbstständige Quellenschrift verstanden, dann unterscheidet man
i.d.R. deren Grundbestand (Pg) von späteren Ergänzungen (Ps) und
nachpriesterschriftlichen Erweiterungen (RP)
 Wird P als unselbstständige Bearbeitungsschicht angesehen, fällt RP weg
 prinzipiell steht fest, dass P nicht aus einer Hand stammt
C. Entstehung der priesterschriftlichen Texte des Pentateuch
1. Ehedem selbstständige Quellenschrift oder Bearbeitungsschicht:
-Einzelne Passagen enthalten breit ausgeführte Erzählungen und Reden (Schöpfungsbericht in
Gen 1,1-2,3; Bundesschluss mit Abraham Gen 17; Berufung des Mose Ex 2,23-25; 6,2ff.;
Plagen in Ex 7-9)
-andere enthalten (bspw. Erzelternerzählung) nur fragmentarisch einige Notizen
-in P fehlt gänzlich die Einführung des Mose, der alles bestimmenden Hauptperson
(schwerwiegendes Fehlen der Einführung der Hauptperson, so Gertz)
-theologisch bedeutende Themen der nichP finden kein Pendant in P (Sündenfall,
Bundesschluss am Sinai)
-P erzählt anders und Anderes als nichtP (insb. Erzeltern)
-Gründe für die Beobachtungen:
 Fehlen der Einführung von Mose wohl redaktionsgeschichtlich bedingt: Breit
geschilderten Anfänge des Mose nach der nichtP Exoduserzählung bot für die
vermutlich knappe genealogische Notiz zu Mose nach P keinen Platz mehr im
Gesamtwerk
 Fehlen vom Sündenfall und Bundesschluss ist nicht zu bemängeln: Übergang von guter
Schöpfung zur Flut ist mit fortschreitender Abnahme von Lebensdauer und
Generationen zwischen Adam und Noach als Folge zunehmender Gottesferne zu
beschreiben (siehe Genealogien); Sinaibund war aufgrund des Abrahambundes nicht
notwendig
-Gründe für eine Bearbeitungsschicht:
 Ineinander von P und nichtP (bspw. Flut- und Meerwundererzählung Gen 6-9; Ex 14)
 Nebeneinander von Texten, die vom gleichen Thema handeln und sich massiv
widersprechen (Schöpfungsgeschichte und Paradieserzählung in Gen 1,1-2,4a bzw.
2,4b-3)
-Egal ob P Quellenschrift oder Bearbeitungsschicht war, es gilt:
„Dass P die älteren Traditionen gekannt hat, wie sie uns zum Teil im nichtP Material des
Pentateuchs vorliegen, und dass P auf diese Texte (kritisch) reagiert hat, ist unbestritten.
54
2. Umfang und Ende von P:
-Beginn in Gen 1,1-2,3 ist unstrittig
-Ende wird kontrovers diskutiert: i.d.R. Dtn 34,1aa.7-9; ältere Position: P reicht bis in Josua;
vermutlich hat die ehedem selbstständige P ursprünglich mit Ex 40,16-17.33b.34 (Pg) geendet
und wurde dann bis Lev 9 und 26 fortgeführt (Ps)
-Priesterschriftliche Passagen in folgenden Büchern setzen allesamt die Verbindung mit
den nichtP Texten voraus (Rp)
3. Datierung von P:
-an spätexilisch-frühnachexilischer Datierung kann es keinen Zweifel geben:
 P kennt vor- und nichtP Versionen der Urgeschichte, der Erzelterngeschichte und der
Exoduserzählung
 P setzt Forderung des spätvorexilischen Dtn voraus, JHWH nur an dem einen erwählten
Ort zu verehren
 P vertritt konsequenten Monotheismus
 P weißt eine Reihe sprachlicher und sachlicher Berührungen mit Deuteronomismus und
mit Deuterojesaja und Ezechiel auf
 P weist auf priesterschriftliche Bestimmungen zum Bau des Zeltheiligtums am Sinai
und des Zweiten Tempels hin, dem 515 v.Chr. geweihten Nachfolgebau des 587/6
v.Chr. durch Nebukadnezzar II. zerstörten „salomonischen“ Tempels
o genaue Einordnung hingegen schwierig
-Autoren von P werden in priesterlichen Kreisen zu suchen sein
D. Theologie der Priesterschrift
-erste und einzige durchgehende Quellenschrift des Pentateuch
-Heilsgeschichtliche Darstellung von Schöpfung bis Installation des Kultes und Einzug von
JHWH in das Zeltheiligutm (Urbild des 2. Jerusalemer Tempels)
-Durch Ur-, Erzelterngeschichte und Exoduserzählung ordnet P die Heilsgeschichte in drei
Epochen
1. Schöpfung bis Flut
2. Noachbund (Gen9) bis Linie Terach-Abraham
3. Abrahambund (Gen 17) bis Einzug der Herrlichkeit (hebr. kabod) JHWHs ins
Zeltheiligtum (Ex 40,16-17.33v.34)
-Dreiteilung des Gottesnamens:
1. Elohim „Gott“ - Schöpfung bis Noach
2. ‘el schadday - Erzeltern
3. JHWH - Offenbarung des Namens
-Schöpfung findet ihre Bestimmung im sühneschaffenden Kult und der Gegenwart JHWHs in
seinem Heiligtum
-JHWH als Herr der Schöpfung und der Geschichte
-Gottebenbildlichkeit des Menschen (imago dei) in Gen 1,26f.); Herrschaftsauftrag (dominium
terrae) in Gen 1,28)
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-auf Textgenese und Quellen- oder Schichtendifferenzierung nimmt Wirkungsgeschichte meist
keine Rücksicht
-Bedeutung für Anthropologie
-creatio ex nihilo beruft sich auf den Schöpfungsbericht in Gen 1
-Regenbogen als Zeichen der Friedens- und Umweltbewegungen
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§ 7.2. Das Deuteronomium
A. Bibelkundliche Erschließung
-Dtn schildert die Ereignisse am letzten Lebenstag Moses im Lande Moab (am Eingang zum
verheißenen Land)
-Moseerzählung und Geschichte Israels außerhalb des Landes kommen zu ihrem Abschluss, es
folgt die „nachmoasaische Zeit“ und „die Zeit im Lande“
-Dtn will als letztgültige Verkündigung und Interpretation des von Mose übermittelten
Gotteswillens gelesen werden
-die im Dtn niedergelegte Tora ist Maßstab für jede künftige Bekanntgabe des
Gotteswillens
-Hauptgebot des Dtn: Gebot der Alleinverehrung JHWHs und Gottesliebe (Dtn 5,7; 6,4f.)
-Grundgebot des Dtn: Beschränkung des JHWH-Kult auf einen legitimen Kultort (Dtn 12)
Gliederung des Buches Deuteronomium:
 Moserede in Dtn 1-30
o 1,6-4,43 Erste Rede: Rückblick 40jährige Wanderung Horeb bis Moab
o 5,1-11,32: Zweite Rede: Dekalog in Kapitel 5; Sema yisrael und Paränese zum
Hauptgebot in Kap. 6-11
o 12,1-26,15 Gesetzeskorpus
 12,1-16,17 Kultzentralisation und Privilegrecht JHWHs; soziale
Bestimmungen
 16,18-18,22 sog Ämtergesetze (Richter, König, Priester, Propheten)
 19,1-26,15 Rechts-, Sozial und Tabubestimmungen sowie kultischer
Anhang
o 26,16-19 Übergang zur Schlussparänese
o 27-30 Schlussparänese mit Fluch- und Segen in Kap 28
 Schlussrahmen des Pentateuch/der Tora in Dtn 31-34
o 31-34: Einsetzung Josuas in Kap. 31; Moselied Kap. 32; Mosesegen in Kap. 33;
Moses Tod in Kap. 34
-Auffällig: Nebeneinander der vorwiegend gesetzlichen Partien Dtn 12-26 und der
paränetischen (mahnende oder predigende) Kapitel in Dtn 1-11 und 27-30
-Rückblick auf Ereignisse seit Aufbruch vom Horeb (=Berg Sinai in dtn-dtr Tradition)
Das Schema Jisrael
-neben Dekalog der wohl bekannteste und wirkungsgeschichtlich bedeutendste Text (Dtn 6,4)
-„Höre Israel, JHWH ist unser Gott, JHWH ist einzig!“
 sekundäre Einfügung des Dekalogs und von Dtn 6,5 „Und du sollst JHWH, deinen
Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft“)
-Intention: Es soll nur noch den einen JHWH geben, und zwar den des erwählten Ortes Kultzentralisation; deshalb Übersetzung: „...JHWH ist einer.“; Monojahwismus
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Dtn weist eine Reihe von Eigenheiten auf:
 Dtn ist durch seine Rahmenhandlung nur lose mit Pentateucherzählung verknüpft
 Dtn ist beinahe durchgängig als Abschiedsrede Moses stilisiert
 Dtn hat eigentümliche sprachliche und theologische Diktion
 Dtn weist formale und inhaltliche Parallelität zu altorientalischen (Staats-)Verträgen auf
-Dtn wurde ursprünglich als Buch identifiziert, das im Tempel gefunden wurde
-Joschijanische Reform („Ur-Dtn)
56
-wahrscheinlich: vielstufige Entstehungsgeschichte durch Wechsel in der Anrede der Israeliten
durch Mose (Numeruswechsel innerhalb eines Satzes)
-sachliche Übereinstimmungen und Differenzen zur Sinaiperikope und ihren Rechtstexten
weisen auf komplexes literarhistorisches Beziehungsgeflecht des Dtn zu diesen Texten hin
-Gegenwärtiger Stand der Forschung: Annahme einer Zusammenfügung großer Textblöcke vs.
kontinuierliche Weiterbearbeitung eines Grundtextes
Exkurs: Deuteronomismus und deuteronomistisch (dtr)
-Grundsätzlich werden solche Vorstellungsgehalte und Ausdrucksformen als dtr bezeichnet,
die sich entstehungsgeschichtlich vom Dtn und seiner sprachlichen und gedanklichen Welt
herleiten
-hierzu gehören das Dtn an sich, die dtr editierten Geschichtsbücher Jos-2Kön sowie
entsprechende Überarbeitungen im Buch Jeremia; auch im Tetrateuch (ab Buch Exodus), in
beinahe allen übrigen Prophetenbüchern und einigen Psalmen
-dtr Literatur weist eigentümliche sprachliche und inhaltliche Entsprechungen auf, die im Dtn
selbst nicht vorkommen
-in diesen Fällen wird vom Deuteronomisten, dtr Redaktioren, einer dtr Schule oder dtr
Bewegung gesprochen
-historische Einordnung der erkannten Schichten ist fraglich
-dies gilt sogar für den genuin dtn Textbestand
-vielleicht Abfassung in Anfängen der ausgehenden Königszeit
-vielleicht exilischer Entwurf für die Zeit nach dem Exil
-Frage nach Historizität der in 2Kön 22-23 berichteten Joschijanischen Reform ist ein
quellenkritisches und zugleich archäologisches Problem
-Befund ist relativ ernüchternd
-Führt zum Schluss, dass sich die literarhistorische Einordnung des Dtn nicht primär auf
seine Bezüge zu 2Kön 22-23 gründen sollte
-Bericht in 2Kön 22-23 liegt eindeutig in dtr editierter Gestalt vor
-Vllt. handelt es sich um eine vom Dtn selbst inspirierte Legende, die zur
Legitimation des Dtn an sich diente
-keine archäologischen Funde, die auf eine Reform hinweisen
C. Entstehung des Deuteronomiums
-grundsätzlich: Unterscheidung zwischen paränetischen Rahmenkapiteln und legislativem Kern
in Dtn 12-26
-paränetischer Rahmen wird vom Buch selbst als Pro- und Epilog des Gesetzes
charakterisiert
-Wiederholung der Gesetze vom Horeb
-Mose wird im Gesetz nicht mehr ausdrücklich als Sprecher genannt
-in Dtn 12-26 ist mit großer Sicherheit der Kern des Dtn zu vermuten; Redaktionen ließen
Rahmenkapitel entstehen
1. Das dtn Gesetz in Dtn 12-26 und seine ursprüngliche Eröffnung in Dtn 4,45; 5,1aa; 6,4:
-dtn Gesetz ist literarisch uneinheitlich
-mehrstufige dtr Bearbeitung und jüngere Nachträge
Vor- und Nachgeschichte des Grundgebots zur Kultzentralisation in Dtn 12:
-Forderung, den JHWH-Kult auf den einen legitimen Kultort zu beschränken wird dreimal
erhoben (V. 5f.11.14)
-negative Bestimmungen gehen dem voran (V. 2-3; V. 8-10; V. 13)
-Konsequenz der Kultzentralisation ist Freigabe der profanen Schlachtung in den einzelnen
57
Ortschaften: inhaltliche Konzentration des kutlischen Geschehens auf bestimmt Opfer
-Freigabe zweimal erwähnt (V. 15.21)
-Aus Dtn 12 lassen sich drei aneinander gereihte Bestimmungen herausarbeiten: Dtn 12,2-7;
12,8-12 und 12,13-28 (Doppelungen in V. 15-19 und V. 20-27)
1. -überwiegend pluralisch formuliert
-setzen dtr Stilisierung des Dtn als Abschiedsrede Moses voraus
-sind selbst dtr Herkunft
2. -ältere dtr Bearbeitung
-Bemühung um Einbindung des Gesetzes in Rahmenerzählung
3. -hier ist der dtn Grundbestand des Kapitels zu suchen, wenn auch spätere Nachträge
mitgedacht werden müssen (V. 14b.20-28)
-wichtigstes Kriterium für Identifizierung dtr Bearbeitungen:
-Bezugnahme auf Rahmenkapitel
-Stilisierung des Dtn als Abschiedsrede Moses
-!Numeruswechsel!
-Forderung der Kultzentralisation als leitende Vorstellung der Gesetzgebung
-im Ggs. zum Bundesbuch und der altorientalischen Rechtstradition erweist sie sich als
Spezifikum des dtn Gesetzes
-Kultzentralisation evtl. Grund für Neubearbeitung des älteren Bundesbuches
-Verfasser des dtn Gesetzes lag Bundesbuch (Ex 20,22-23,33) als Vorlage vor
-Unterschied: einzelne Bestimmungen des Bundesbuches wurden oft unter dem
Gesichtspunkt der Kultzentralisation reformuliert
Grundbestand des dtn Gesetzes:
 Gebot der Kultzentralisation (Dtn 12,13-28)
 Bestimmung zum Zehnten (Dtn 14,22-29)
 Erlassjahr und Sklavenfreilassung (Dtn 15,1-18)
 Erstgeburt (Dtn 15,19-23)
 Festkalender (Dtn 16,1-17)
 Vereinheitlichung und Neuregelung der Rechtspflege (Dtn 16,18; 17,8-13; 19,1-13.1521; 21,1-9; 25,1-3)
 ursprüngliche Einleitung Dtn 6,4 „Höre Israel, JHWH ist unser Gott, JHWH ist einer“
samt Redeeinleitung und Buchüberschrift in Dtn 4,45 und 5,1aa
-Neuorganisation des Rechtswesens, die Bestimmungen des Bundesbuches und in diesem
vorausgesetzte Institutionen umgestaltet
-Verlegung der kultischen Gerichtsbarkeit an das Zentralheiligtum (Dtn 17,8-13)
- Einführung der professionellen Gerichtsbarkeit (Dtn 16,18) lässt sich hiervon nicht
leiten 
-hier war Bemühen um einheitliche und funktionierende Rechtsordnung und
Verwaltung des Landes maßgebend
2. Der Rahmen in Dtn 1,4.31-34 und 5-11.27.30:
-Mose kündigt redundant die Mitteilung des Gesetzes an und fordert zugleich zu dessen
Gehorsam auf
-Hinweis, dass Rahmenkapitel nicht in einem Zuge entstanden sind
-äußerer Rahmen: älter sind geschilderte Ereignisse seit Aufbruch vom Horeb, in dem
i.d.R. Auftakt des DtrG gesehen wird; jünger sind Moselied und Mosesegen in Dtn 32f.
-innerer Rahmen: Verbindung des Dtn mit Sinaiperikope; Dekalog; Goldenes Kalb
58
-zentrale Texte der bundestheologischen Interpretation und Redaktion des Dtn
sind die Ergänzung des Schema Jisrael Dtn6,4 um das Liebesgebot in V. 5 und
das bundestheologische Kapitel in Dtn 7
3. Datierung der Anfänge des Dtn in die ausgehende Königszeit:
-Datierung des Dtn in die Zeit der Joschijanischen Reform im Jahre 622 v.Chr. ist
problematisch
-dennoch gute Gründe für Datierung in das spätvorexilische Juda unter König Joschija
(638-609 v.Chr.):
 Schilderung der Joschijanischen Reform in 2Kön 22f. liegt in einer dtr Edition
vor
 gewisses Interesse an kulturpolitischen Maßnahmen
 dtr Edition der ersten Ausgabe des DtrG hatten in der Exilszeit unter ihren
Adressaten auch Zeitzeugen
 Epigraphik: Befund für die Zeit zwischen König Hiskija (723-695 v.Chr.) und
Exil sieht Kompetenzerweiterung JHWHs vor: JHWH, Hauptgott Jerusalems,
rückte in Bereiche göttlichen Handelns ein, die zuvor anderen Gottheiten
vorbehalten war
o Oberherrschaft Ägyptens ging zu dieser Zeit schnell zurück (Fall Ninives
612 v.Chr.)
 Joschija hatte Freiheit, nach dem Ende der neuassyrischen Herrschaft
notwendige Reorganisation des Gemeinwesens in Angriff zu nehmen
-dtn Gesetz tendiert zum Monojahwismus und markiert mit der Kultzentralisationsvorschrift
einen religionsgeschichtlichen Wendepunkt
-Bestimmungen zum Gerichtswesen zeigen Willen zur Reorganisation des Gemeinwesens
-neuassyrischer Einfluss ist unverkennbar
-Die verschiedenen dtr Redaktionen setzen mit dem Exil ein und reichen bis weit in die
nachexilische Zeit
D. Theologie des Deuteronomiums
-Dtn markiert Wendepunkt innerhalb der atl. Religionsgeschichte bzw. dem Übergang von der
altisraelitischen Religion der selbstständigen Staaten Juda und Israel zum Judentum durch:
1. Kultzentralisation bereitet dem frühestens exilisch nachweisbaren Monotheismus den
Weg, wie er auch im Christentum und Islam rezipiert wurde (wenn auch
unterschiedlich)
2. dtr Deutung des Dtn als für Israel an allen Orten und zu allen Zeiten gültigen Auslegung
des Gottesverhältnisses (Beundesurkunde); Eigentumsvolk JHWHs
3. Übergang von Kult zu Buchreligion durch Moses Gesetz/Tora
4. Fortentwicklung juristischer und ethischer Begriffsentwicklung
5. in dtr Sicht sind Propheten Künder kommender Ereignisse und zugleich Prediger der
Umkehr hin zum Halten des göttlichen Gesetzes
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-atl. direkte Wirkung: Deuteronomismus (s.o.)
-liturgisch wichtigster Text: Dtn 6,4
-i.V.m. Mk 12,28-34; Lk 10,25-37; Mt 22,34-40 als wichtigstes Gebot (Jesus)
-Moses Tod wird in Gemälden etc. dargestellt, alles andere meist nicht (Gesetz an sich etc.)
-Mosegrab nach islamischen Glaubensverständnis: Wüste Juda
59
§ 7.3. Die nichtpriesterschriftliche Urgeschichte
A. Bibelkundliche Erschließung
-Schöpfung:
-Paradieserzählung (Gen 2,4-3,24)
-Kain und Abel (Gen 4,1-26)
-Flut:
-Fluterzählung (Gen 6,5-9,29)
-Zwischenzeit:
-Völkerliste (Gen 10)
-Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9)
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-in Gen 1-3 liegen zwei deutlich unterscheidbare Schöpfungsberichte vor
-in Gen 1-11 wurden zwei ehedem unabhängig voneinander überlieferte Versionen ineinander
gearbeitet
-nichtP Urgeschichte umfasst - wie ihre altorientalischen Parallelen - die zusammengehörenden
Themen Schöpfung und Flut
-beide Versionen, P und nichtP, wurden von einer Redaktion zusammengestellt die ein
komplementäres Verständnis der Textaussagen hatte
Das komplementäre Textverständnis der späten Redaktoren der Urgeschichte:
-Beispiel Schöpfungsberichte:
 gedankliche Voraussetzung der Redaktoren: beide Texte sind „wahr“
 liest man nur P, so wird nicht klar, warum P - im Vergleich zur nichtP
Paradieserzählung - unerklärt lässt, wie der urzeitliche Friede der guten Schöpfung so
gestört werden konnte, dass es zur großen Flut kommen musste
 Menschen waren es, die die Schöpfung verdorben haben (nichtP) - Erklärung für Flut
-literarische Charakter der nichtP Textanteile wird in der Forschung diskutiert
-nichtP Textanteile finden sich häufig als Bearbeitung von P
-bspw. wird Paradieserzählung nicht als zweite Schöpfungsgeschichte
verstanden, sondern als midraschartige (=rabbinische Auslegung der Bibel)
Reflexion, die aus weisheitlicher Perspektive und anhand der geschichtlichen
Erfahrungen Israels die optimistische Sicht der P Urgeschichte korrigiert.
-auch umstritten ist das Ende der nichtP Urgeschichte: nur Schöpfung und Flut oder von
vorneherein auch Erzelterngeschichte?
C. Entstehung der nichtpriesterschriftlichen Urgeschichte
1. Quellenschriften oder Bearbeitung in der biblischen Urgeschichte
-grundlegende Beobachtungen der Quellenscheidung in Gen 1-3:
1. P Schöpfungsbericht in Gen 1,1-2,3 und nichtP Paradieserzählung sind zwei in sich
geschlossene Erzählungen
2. beide thematisieren Schöpfungshandeln Gottes
3. Unterschiede in:
a. Mensch wird zweimal geschaffen (Gen 1,26f; Gen 2)
b. Ur- bzw. Vorzustand der Welt wird zweifach berichtet (Gen 1,1-2,3:
überschwemmte Ebene; Gen 2,4-3,24: ausgetrocknete Steppe
c. Gottesnahme: Gen 1,1-2,3 Gott (Elohim); Gen 2,4-3,24 JHWH-Gott (JWHWElohim)
4. beide Erzählungen werden durch Toledotformel Gen 2,4a redaktionell verbunden
60
-beide Schöpfungsberichte waren zwei ehedem unabhängig voneinander überlieferte und erst
redaktionell miteinander verbundene Texte
2. Umfang und Ende der ehedem selbstständig überlieferten, nichtpriesterschriftlichen
Urgeschichte:
-keine eindeutige Antwort nach Ende und Auslegungshorizont der nichtP Urgeschichte
-entweder Abrahamzyklus miteinschließend oder „nur“ Schöpfung und Flut“
-Für die Geschlossenheit von Schöpfung und Flut (ohne Erzvätergeschichte) spricht:
 nichtP Urgeschichte ist dann als eine in sich geschlossene Erzählung lesbar
 nichtP Urgeschichte weist literarisch nicht über sich hinaus
 Konzentration auf die Themen Schöpfung und Flut ist im altorientalischen Umfeld gut
bezeugt
 in Gen 12,1-3 kommt eine in die Vorgeschichte Israels projizierte Zukunftserwartung
zum Tragen
 für die nichtP Urgeschichte ist nicht Abraham der „neue Mensch“, sondern bereits
Noach
-nichtpriesterliche Form der Urgeschichte beginnt folglich mit der Paradieserzählung in Gen
2,4-3,24, führt über Brudermorderzählung in Gen 4,1-26 zur Fluterzählung in Gen 6,5-8,22
-Völkertafel in Gen 10/Stadt- und Turmbauerzählung in Gen 11 später hinzugefügt
3. Datierung der nichtpriesterschriftlichen Urgeschichte:
-sündentheologisch ausgerichtete Urgeschichte geht von kulturgeschichtlich orientierten
Anthropogonie (Entstehungsgeschichte des Menschen) aus und bietet eine theologische Lehre
vom Wesen des Menschen (Anthropologie) und eine narrative Sündenlehre (Hamartiologie)
-Nebeneinander von versch. Perspektiven (guter Schöpfergott, strafender Gott (Kain))
-sündentheologische Ausrichtung setzt bereits die unbedingte Gerichtsankünfigung der
Propheten des 8. und 7. Jh. v.Chr. voraus, dürfte jedoch älter als P sein
-in der jüngeren Stadt- und Turmbauerzählung spiegeln sich perserzeitliche Verhältnisse
D. Theologie der nichtpriesterschriftlichen Urgeschichte
-die urgeschichtliche Darstellung will als Wesensaussage über die für den Menschen und seine
Welt grundlegenden Ordnungen verstanden sein
-nichtP Urgeschichte lässt sich als Ätiologie, als eine Lehre von den Ursachen beschreiben, die
den Zustand der Gegenwart durch den Aufweis seiner Entstehung erklären will (Tun-Ergehen)
-Grundintention: Der Mensch ist Mensch, und nicht Gott
-Mensch erlangt das, was sein Wesen ausmacht, nämlich das Wissen bzw. die „Erkenntnis von
Gut und Böse“
-Erkenntnis von Gut und Böse verdankt sich der Übertretung des göttlichen Gebots und macht
die im Folgenden geschilderten kulturellen Errungenschaften zur Auswirkung des Sündenfalls
-In Gen 4 (Kains Brudermord) erschließt sich ein neuer Kulturraum durch die Verbannung
Kains
-Urgeschichte als Gattung
-Begründung für die Sintflut, die auf Bosheit und Gewalttat des Menschen abhebt
-Sintflut führt zur Rückkehr zum Chaos in die Welt bzw. zur Rücknahme der Schöpfung
-nichtP Urgeschichte setzt Unheilsprophetie voraus
-später hinzugefügte Stadt- und Turmbauerzählung (Gen 11) schildert den vergeblichen
Versuch des Menschen, durch Kulturleistung eines Bauwerks die Einheit zu bewahren, die er
durch Gewalt schon längst verloren hatte
E. Wirkungsgeschichte
-biblische Urgeschichte handelt von den großen Menschheitsthemen:
 Ursprung der Welt
61
 Woher kommt der Mensch
 Kulturfähigkeit des Menschen
 Angewiesensein auf Kultur
 Fehlbarkeit des Menschen
-in der Werbung oft verwendete Symbole wie der (in der Bibel nicht erwähnte!) Apfel,
Kainsmal, Arche etc.
-Sprichwörter: „nacht, wie Gott sie schuf“, die „falsche Schlange“, „sintflutartige Regenfälle“,
oder die „babylonische Sprachverwirrung“
-Malereidarstellungen Adams und Evas, Turmbau zu Babel etc.
62
§ 7.4. Die nichtpriesterschriftliche Erzelterngeschichte
A. Bibelkundliche Erschließung
Erzählungen von den Vätern und Müttern Israels in Genesis 12-36:
 12-25 Abram/Abraham und Sarai/Sara
 24-26 Isaak und Rebekka
 25; 27-36 Jakob, Lea und Rahel
-Geschichte einer patriarchal organisierten Familie; Abraham, Isaak und Jakob sind Großvater,
Vater und Sohn
-Einzelne prägende Ereignisse: Brautwerbung und Heirat; Geburt der Söhne, Eifersucht/Streit
innerhalb des Familienverbundes, Auseinandersetzung um das väterliche Erbe
-breite geographische Streuung innerhalb der Erzählungen
Die Geographie der Erzelterngeschichte:
 Abraham/Sara siedeln südlich von Hebron, dann in Küstenebene bei Gerar
 Isaak: südliches Beerscheba; Verwandtschaft wohnt im Bereich des Toten Meeres und
im nördlichen Syrien
 Jakob: Nordreich Israel (Bet-El/Lus, Gebirge Gilead; Ostjordanland, Betlehem)
-innere Einheit der Erzelterngeschichte wird theologisch durch Verheißungstexte hergestellt
-Beginn mit Befehl JHWHs an Abraham, in die Fremde aufzubrechen
-Verheißung von Nachkommen, Schutz und Segen
-Verheißung des Landbesitzes (sobald Abraham im Lande ankommt)
-Verheißungen auch an Isaak und Jakob
-wesentliche Aussage der Verheißungstexte: Israel verdankt seine Existenz, sein Land und sein
Leben im Land JHWH
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Einheit des Textes durch Genealogie, Geographie und Theologie in Gestalt der
Verheißungsreden
-Genealogie von Großvater, Vater und Sohn ist sekundär
-verknüpfende Verheißungstexte gehören nicht zum Ursprungsbestand
-h.M.: einzelne Vätergeschichten wurden später im Fortgang der Überlieferungsbildung
literarisch ineinander gearbeitet
-Gott der Väter ist unhinterfragt JHWH
-Erzelterngeschichten schildern die Ursprungsgeschichte Israels aus der Perspektive der
staatlichen und nachstaatlichen Zeit
-umstritten: Alter, ursprüngliche literarische Gestalt, Überlieferungsform
-Gunkel: „Genesis ist eine Sammlung von Sagen“
-häufig: Ätiologien (Ä. sind Sagen die für einen bestimmten Sachverhalt die
Ursache (gr. aitia) schildern und darlegen, warum eine Gewohnheit, eine
sprachliche Konvention oder auch etwas Außergewöhnliches genau so und nicht
anders ist.
-Alt: genuin nomadischer Religionstyp, der sog. „Gott der Väter“ ist zu erkennen
-These konnte sich nicht halten
-in den Texten wird deutlich, dass es sich beim „Gott der Väter“ um JHWH, den
Gott Israels und Judas handelt
C. Entstehung der nichtpriesterlichen Erzelterngeschichte
-Erzelterngeschichte gliedert sich nach ihren männlichen Protagonisten
63
-Grundstock: Geschichte um Jakob als Patriarch schlechthin; erhält den Namen Israel
-zwölf Stämme werden auf ihn zurückgeführt
-Jakob-Esau-Laban-Erzählung nach Untergang des Nordreichs 722/1 v.Chr. zuerst um
Isaak-Erzählung, später um Abraham-Lot-Erzählzyklus erweitert.
-Abraham wohl „die jüngste Figur“
1. Jakob:
-Erzählungen um Jakob und seinen Bruder Esau (Gen 25,19-34; 27,1-45 und Gen 32-4-22;
33,1-20) lassen sich von den Erzählungen um Jakob und Laban (Gen 29,1-32,2a) abheben
-Streit mit Esau als Rahmen um den Aufenthalt bei Laban
-Doppelmotiv der Flucht Jakobs vor Esau und der Flucht Jakobs vor Laban mit Ziel Esau ist
miteinander verknüpft
-Erzählung Linsengericht (Gen 25) und Erschleichung des Segens (Gen 27) relativ jung
-in Jakob-Esau-Laban-Erzählzyklus wurden weitere Überlieferungsblöcke eingearbeitet:
 Traumoffenbarung in Bet-El (Gen 28)
 Gotteskampf am Jabbok (Gen 32)
2. Isaak:
-tritt vom Umfang her hinter die beiden anderen Erzelterngeschichten zurück
-Gefährdung der Patriarchin (Gen 12; 20; 26) und Vertrag mit Abimelech um Brunnenrechte
(Gen 21; 26) haben Priorität in der Isaakerzählung und wurden vermutlich später auch bei
Abrahamerzählung eingearbeitet (Gen 12)
-Gen 26: geschlossene und ehedem selbstständige Überlieferung der Erzeltern Isaak und
Rebekka
3. Abraham:
-Erzählzyklen sind episodisch strukturiert
-literarischer Kern: Abraham-Lot-Zyklus (Gen 13,1-13.18; Gen 18-19; 21,1-7)
-innerhalb des Zyklus: Gastmal in mamre (Gen 18); Sodom und Gomorra (Gen 19)
-wahrscheinlich ehedem selbstständige Einheiten
-Hauptbestand der Erzählungen von Abraham und Sara verdankt sich einer
Redaktion/Auffüllung
-Verheißungstexte mit Blick auf Landnahme
-Antwort auf Erfahrung, dass die genannten Heilsgüter (Land, Volk, Segen,
Mitsein JHWHs) in Anbetracht des Untergangs 587/6 v.Chr. radikal in Frage zu
stellen sind
-zahlreiche Anspielungen auf den Exodus: Abraham als erster
Offenbarungsempfänger des JHWHglaubens und Gegenmodell zu Mose (Gen
12,10-20; 15-16)
-hohe Attraktivität Abrahams zeigt sich in nachexilischer Zeit: vielfältige
Ergänzungen der Abraham-Sara-Geschichte (Brautwerbung um Rebekka Gen
24; Fürbitten für Sodom Gen 18; Fürbitte für Abimelech Gen 20; Opferung
Isaaks Gen 22)
D. Theologie der nichtpriesterschriftlichen Erzelterngeschichte
-Erzelterngeschichte schildert Anfänge des Volkes Israel in Form der Familienerzählung
-innere Einheit ist theologisch konstruiert als Erzväterverheißung (verbindenden Element)
-Verheißungstexte spätere Kompositionselemente
-Gesamtaussage: Israel verdankt Existenz im Lande allein dem Handeln und Führen JHWHs.
Gegenstand der Verheißung sind diejenigen Güter, die ein Volk zum Volk machen und als
solches erhalten: Nachkommenschaft, Land und Segen.
64
Das Programm der Verheißungstexte der Erzelterngeschichte:
 JHWHs Befehl an Abraham, in die Fremde aufzubrechen; Verheißung von
Nachkommen, Schutz und Segen
 Landverheißung erfolgt erst, als Abraham im Land ist
 Landübergabe durch Ritus des Überblickens und Durchschreitens
 Verheißungen an Abraham über Isaak, über den erlisteten Segen auf Jakob
-Geschichte enthält auch Elemente der Verzögerung und Gefährdung der Verheißung
-theologische Einsicht: JHWH macht auch unglaubliche Dinge möglich:
 späte Fruchbarkeit Saras
 durch Isaaks Fürbitte gewährten Kinder Esau und Jakob (von Rebekka)
 anfängliche Unfruchtbarkeit Rahels, die später gelöst wird
-wer zu Israel zählt, entscheidet die Zugehörigkeit zu einem der zwölf Stämme, deren Anherren
die Söhne Jakobs sind, der den Namen Israel zugesprochen bekommt
-weitere Aussageintentionen in der Erzählung: Nachkommenschaft, Bewahrung der
Gruppe/Familie in Gefahr; Schutz der Familie vor überlegenen Gruppen; Segen; Handeln
Abrahams
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Abraham als Stammvater des Glaubens in Judentum, Christentum und Islam
-Opferung Isaaks nimmt in allen drei Religionen besonderen Rang ein
-Obwohl Volkwerdung durch Jakob gegeben ist, tritt er wirkungsgeschichtlich hinter Abraham
zurück
65
§ 7.5. Die nichtpriesterschriftliche Josefsgeschichte
A. Bibelkundliche Erschließung
Die Josefsgeschichte in Genesis 37.39-50
 37 - Exposition: Josefs Träume
o 38: Juda und Tamar
 39-41 - Josefs Aufstieg in Ägypten
 42-45 - Josef und seine Brüder
o 42 - erste Reise der Brüder
o 43-44 - zweite Reise der Brüder
o 45 - Josef gibt sich zu erkennen; 1. Versöhnung
 46-49 - Jakob in Ägypten
o 49 - Jakobs Segen und Tod
 50 - Schluss
Die Träume in der Josefsgeschichte:
 37,7f. - 1. Traum Josefs (Garben)
 37,9-11 - 2. Traum Josefs (Gestirne)
o 40,9-15 Traum des Mundschenks
o 40,16-19 Traum des Bäckers
o 40,20f. Traum des Mundschenks erfüllt sich
o 40,22 Traum des Bäckers erfüllt sich
o 41,1-4 erster Traum des Pharao (Kühe)
o 41,5-7 zweiter Traum des Pharao (Ähren)
o 41,47-49; 41,53-57 Träume des Pharao erfüllen sich
 42,6-8 - 1. Traum Josefs erfüllt sich
-Inhalt: Jakob bevorzugt Josef; übergroßes Selbstbewusstsein Josefs; Hass der Brüder; Verkauf
des Josef durch die Brüder nach Ägypten; In Ägypten: Aufstieg Josefs zum Stellvertreter des
Pharao; Versöhnung mit den Brüdern; Wiedersehen mit dem Vater; Textament, Tod Jakobs;
Jakobs Bestattung; Tod Josefs
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-durch und durch novellistisch (Prosaerzählung, die eine ,unerhörte Begebenheit‘ [Goethe]
erzählt)
-real vorstellbares Ereignis mit zentralem Konfikt
-galt lange Zeit als Musterbeispiel für Scheidung zwischen „J“ und „E“
-Gottesname als Unterscheidungsmerkmal fällt aus, da im ägyptischen Ausland
ausschließlich Elohim verwendet wird
-aktuell h.M.: im Großen und Ganzen geschlossene literarische Einheit
-Unterscheidung zwischen:
 Juda-Israel (=Jakob)-Ismael-Grunderzählung
 Ruben-Jakob-Midian-Bearbeitung
-Datierungsvorschläge reichen vom salomonischen 10. Jh. v.Chr. über den nordisraelitischen
Hof des 9. oder 8. Jh. bis hin zur persischen Diaspora des 4. Jh. v.Chr.
C. Entstehung der nichtpriesterschriftlichen Josefsgeschichte:
-Verbindungsstück zwischen Erzelterngeschichte und mosaischer Geschichte
-Josefsgeschichte sollte darstellen, wie und warum die Ahnherren der Stämme Israels nach
Ägypten kamen
66
-dies passt nur schwer zum Textbefund: nach Gen 50, 7-13 befindet sich Jakobsippe
wieder in Palästina; Wiederrum Übersiedlung nach Ägypten (Gen 50,14) spricht dafür,
dass hierbei das ursprüngliche Ziel der Erzählung verfehlt wurde
-inhaltliche Spannungen zu Ex (Josef, vormals zweiter Mann des Pharao, wird in Ex
nicht mehr erwähnt; dabei wurde aus Ägypten vom gut funktionierenden Beamtenstaat
ein brutaler Unterdrückungsapparat  in sich nicht kongruent)
-Die Josefsgeschichte als ehedem selbstständig musste zwischen Erzelterngeschichte
und Exodus eingebunden werden; redaktionelle Überarbeitungen nötig
-ursprünglicher Textbestand: bis Gen 50,21 (zweimaliges Erzählen der Abschnitte als
Charakteristikum; zwei Träume; zwei Traumauslegungen etc.; zweifache Versöhnung mit
Brüdern)
-Entstehung wohl in der Zeit nach 722/1 v.Chr.
D. Theologie der nichtpriesterschriftlichen Josefsgeschichte
-Grundgedanke: Gott vermag selbst menschliche Schuld in den Dienst seines heilvollen
Planens und Handelns stellen
-Weg Josefs nach Ägypten (Niederlage) eröffnet später Sieg (Stellvertreter des Pharao)
-„Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen,
aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu
erhalten ein großes Volk.“ (Gen 50,19f.)
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-antike jüdische Literatur: romantische Dichtung „Josef und Asenat“
-Esthernovelle bietet Parallelen in Hinblick auf Gefährdung und gesellschaftlicher Aufstieg in
der Diaspora
-literarische Nachdichtungen: „Joseph und seine Brüder“ von Thomas Mann
-G.F. Händel Oratorium „Joseph und seine Brüder“
67
§ 7.6. Die deuteronomistische Komposition der Geschichte des Volkes Israel vom Auszug
bis zum Exil
A. Bibelkundliche Erschließung
-nicht- und zugleich vorpriesterschriftlicher Erzählfaden in Ex, Num und Dtn berichtet von
Konstituierung des Volkes Israel außerhalb des Landes und unabhängig von staatlichen
Institutionen im Stiftungserlebnis Exodus
-Bücher Jos-2Kön schildern Geschichte des Volkes im Lande, bis es das Land wieder verliert
-Beginn: Entstehung staatlicher Institutionen
-Ende: Begnadigung des letzten davidischen Königs im Babylonischen Exil
-Josua als Nachfolger des Mose; Nachkommen der Vätergenerat. als Generationen im Land
-Dtn beschließt Phase der Konstituierung des Volkes außerhalb des Landes
-Mose und das Dtn stiften der folgenden Geschichtserzählung ihre innere Einheit
-Bücher Jos-2Kön haben dtn Gesetz zur Voraussetzung
-folgende Teilkompositionen lassen sich unterscheiden:
 Mose-Exodus-Landnahme-Erzählung (Ex 1 - Jos 12)
 Richtererzählungen (Ri 3-16)
 Samuel-Saul-Erzählung / Saul-David-Salomo-Erzählung (1Sam - 1Kön 11)
 Annalen und Erzählungen von den Königen Judas und Israels (1Kön 12 - 2Kön 25)
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-ältere Forschung: Gen - 2Kön (zumindest Gen-Jos) als durchgehende Quellenschriften mit dtr
Bearbeitungen
-seit Noth: zwei Literaturwerke
-„alte Quellen“ Tetrateuch und Dtn 34
-Geschichtswerk eines dtr Verfassers: Jos - 2Kön
-natürliches Ziel, das mit dem Auszug aus Ägypten Erzählbogen einsetzt ist unstrittig das
Erreichen und die Inbesitznahme des verheißenen Landes (erst in Jos 1-12)
-wird dies aber schon dem DtrG (wie Noth, s.o.) zugerechnet, so muss das Ende des
Tetrateuchs bei der Verbindung mit dem DtrG verloren gegangen sein
-diese Aussage nicht überzeugend/Verlegenheitsauskunft
-These eines Mose-Exodus-Landnahme-Erzählkomplexes in Ex 1- Jos 12 ist mit der
These eines in Dtn 1-3 beginnenden DtrG kaum noch zu vereinbaren
-neueste Forschung/h.M.: Deuteronomismus innerhalb der Geschichtsbücher ist ein
vielgestaltiges und vielschichtiges Phänomen
-Revision der These Noths: verschiedene dtr Editionen des DtrG
-Diskutiert werden hier:
 blockweises Wachstum des DtrG
 durchgehende literarische Schichten
 beides kombiniert
 Einheitlichkeit des DtrG steht damit in Frage! 
-Offenkundige Verschiedenheiten zwischen einzelnen Blöcken des DtrG:
-„Richterschema“ (Abfall, Feindesnot, Schreien zu JHWH und Errettung (Ri 2,10ff.) hat
im linear angelegten Aufbau der Königebücher keine Entsprechung
-für die älteste dtr steht auch im Ggs. die Zentralisationsforderung aus Dtn 12 im
Zentrum des Interesses
-erst später: Israels Abfall von JHWH hin zu fremden Göttern als Kriterium
-Alle aufgeführten Punkte haben zu folgendem Ergebnis geführt:
 Auf Ebene der ältesten dtr Edition der Bücher Dtn bis 2Kön kann noch nicht von einem
geschlossenen, mit Dtn 1-3 oder Jos 1 einsetzenden und bis 2Kön reichenden DtrG
gesprochen werden
68

Erkennt man im vordtr Kern der Landnahmeerzählungen in Jos 1-12 die ursprüngliche
Fortsetzung zur nicht- und zugleich vorpriesterschriftlichen Mose-Exodus-Erzählung,
dann wird die Existenz eines DtrG im Sinne Noths (s.o.) grundsätzlich problematisch
-Entstehung und Herkunft des in das Geschichtswerk gearbeiteten Materials wird ebenfalls
diskutiert. Grundkonsens ist aber:
 Für eine Reihe von Geschichten wird inzwischen eine nachdtr Herkunft vermutet (v.a.
Erzählungen über den Propheten Elija)
 Für eine Reihe von Erzählungen wird inzwischen vermutet, dass sie bereits vordtr zu
kleineren oder größeren Kompositionen zusammengestellt worden sind (vordtr SaulDavid-Salomo-Erzählung)
C. Entstehung der deuteronomistischen Komposition der Geschichte des Volkes Israel vom
Auszug bis zum Exil
1. Das Gesamtwerk und seine Datierung:
-die dtr Komposition der Geschichte des Volkes Israel vom Auszug bis zum Exil bildet sich um
zwei Pole:
1. nicht- und zugleich vorpriesterschriftliche Mose-Exodus-Landnahme-Erzählung in ExJos 12
2. dtr Darstellung der Geschichte des Königtums in Juda und Israels samt seiner
Entstehung unter Saul, David und Salomo in den Büchern 1Sam-2Kön
-Verbindung beider Pole (1+2) stellt die spätere dtr Redaktion her, die im gesamten
Text Ex-2Kön nachweisbar ist
-Achtung: Die These Noths bezüglich des DtrG bleibt weitherhin gültig, hier geht es nur um
literarhistorische Einordnungen
-terminus a quo (Zeitpunkt, vor dem ein nicht genau datierbarer Text aufgrund von Erfahrungen oder Kenntnisse anderer,
datierbarer Texte nicht datiert werden kann): Begnadigung Jojachins durch den babylonischen König
Amel-Marduk (562 v.Chr.)
-die späteren dtr Redaktionen erstrecken sich bis weit in die nachexilische Zeit
2. Mose-Exodus-Landnahmeerzählung (Ex - Jos):
-Grundbestand
-Beginn und Verlauf:Unterdrückung und Verfolgung der Israeliten in Ägypten ein,
berichtet von Geburt und Rettung des Mosekindes, vom Aufenthalt und der Heirat
Moses in Midian, seiner Berufung und Rückkehr nach Ägypten sowie der Flucht der
Israeliten aus Ägypten und der Vernichtung der ägyptischen Verfolger am Schilfmeer
(Ex 1-14)
-in Num und Dtn folgen Notizen über den Zug der Israeliten in die Oase Kadesch und
das Gebiet der Moabiter, wo Mose stirbt und begraben wird
-Ende: Schilderung der Überquerung des Jordan und der Eroberung einiger Städte und
Gebiete im Stamm Benjamin (Jos 1-12), u.a. Jericho (Jos 6) und Ai (Jos 8); mit
Landnahme unter Josua ist die Verheißung (brennender Dornbusch) erfüllt
-ältere Mose-Exodus-Landnahmeerzählung kennt noch keinen Abstecher Israels zum
Gottesberg und Beganntgabe des Gesetzes
-sie ist folglich älter als das Dtn und die dtr Sinaiperikope
-Inhalt: Ursprünge Israels, Stiftung seines Gottesverhältnisses, das ohne Vermittlung des
Königtums gedacht wird
-spricht für Entstehung in vor- oder in nachstaatlichen Verhältnissen
-Erzählung von Mose, Exodus und Landnahme ist wahrscheinlich im Gebiet des Nordreiches
nach dessen Untergang im Jahr 722/1 v.Chr. entstanden.
69
Ex 1-Dtn 34: Mose
 Ex 1-15: Israel in Ägypten und Exodus aus Ägypten
o Ex 3f: Moses Berufung
o Ex 7-11: Plagen
o Ex 12f.: Flucht aus Ägypten
o Ex 15,21: Mirjamlied
 Ex 15-Num 24: Israel in der Wüste und am Sinai
o Ex 19: Theophanie am Sinai
o Ex 20: Dekalog
o Ex 21-23: Bundesbuch
o Ex 32-34: Goldenes Kalb und Bundeserneuerung
o Num 10: Aufbruch vom Sinai
 Dtn 1-34: Abschiedsrede Moses in Moab
o Dtn 5: Dekalog
o Dtn 12-26: Gesetz
o Dtn 34: Moses Tod
Jos 1-24: Josua
 Jos 1: Beauftragung Josuas
 Jos 2-12: Landnahme
 Jos 13-21: Landverteilung
 Jos 23-24: Josuas letztes Wirken
-Verfasser konnta uf ältere Überlieferungen von Moses Aufenthalt in Midian oder das
Mirjamlied (Ex 15,21b) zurückgreifen
-Überlieferung Jos 2-12: im Kern Sammlung ätiologischer Sagen benjaminitischer Herkunft
-historisch gab es zur Zeit Josuas weder in Jericho noch in Ai eine Stadt, die unter
seiner Führung hätte erobert werden können
Exkurs: Mose
-Frage nach Gestalt des Mose ist Problem der Quellen und ihrer historischen Auswertung
-nur biblische Berichte berichten über Mose
-Mose als zentrale Figur
 Befreier aus der Knechtschaft in Ägypten
 Gesetzgeber, der Israel den Willen JHWHs verkündet und in der Tora niederlegt
-hist. Charakterisierung Mose besitzt keine Grundlage mehr
-aus der biblischen Überlieferung lassen sich historische Informationen über Mose nur sehr
eingeschränkt beziehen; hierzu gehören:
 Moses ägyptischer Name
 Moses Verbindung mit Midian
-„Es ist einfach nicht erklärlich, dass die Tradition dem mann, den sie als Begründer des
genuin Israelitischen ansah, ausgerechnet einen nichtisraelitischen Namen beilegte“
-ältere Mose-Exodus-Landnahmeerzählung ist kräftig ausgebaut worden:
 nichtP Plagenerzählung (Ex 7-11)
 Bileamperikope (Num 22-24)
 Bundesbuch (Ex 21-23)
 dtn Gesetz (Dtn 12-26)
 Dekalog (Ex 20; Dtn 5)
-in Jos konnten dtr Editoren für die Darstellung der Landaufteilung auf Listenmaterial der
späteren Königszeit (mit Ortsnamen und Grenzen) zurückgreifen
70
-Num: heterogener nichtP Textbestand wirkt wie eine vielschichtige Ergänzung zu P Passagen,
die ihrerseits kaum zum Grundbestand von P gehören
-ABER: nichtP Erzählung der Wüstenwanderung wird im Dtn vorausgesetzt
für Dtn 1-3 kann angenommen werden, dass dieser Text in relativ freier
Gestaltung auf eine Überlieferung zurückgreift, die auch Num 13f. zugrunde
liegt, dort aber in nachpriesterschriftlichen und auch von Dtn 1-3 beeinflussten
Gestalt
3. Richtererzählungen (Das Buch der Richter):
-Name des Buches durch Herrführer und Stammeshelden, die Geschick Israels nach
Darstellung von Ri 2,6-16,31 in der Zeit zwischen Landnahme und Staatenbildung bestimmten,
den sog. Richtern (gebr. sophetim)
-besser: Häuptlinge, Lokalherrscher
Das Richterbuch:
 Ri 1,1-2,5: Nachtrag zur Landnahme
 Ri 2,6-3,6: Prolog: Ausblick
 Ri 3,7-16,31: Richtererzählungen
o Ri 5: Deboralied
 Ri 17f.: Michas Gottesbild/Wanderung der Daniten
 Ri 19-21: Frevel der Benjaminiten
Das Richterschema (Ri 3,7-11; vgl. Ri 2,10-19):
 Sündenformel


Und die Israeliten taten, was JHWH missfiel, und vergaßen JHWH, ihren Gott, und dienten den Baalen und den
Ascheren (V.7)
Zorn JHWHs
Da entbrannte der Zorn JHWHs über Israel (V. 8)
Übereignung
und er verkaufte sie in die Hand Kuschan-Rischatajims, des Königs von Mesopotamien (V.8)


Dauer
und so dienste Israel dem Kuschan-R. acht Jahre (V. 8)
Schreien
Da schrien die Israeliten zu JHWH (V. 9)



Erweckung
Und JHWH erweckte ihnen einen Retter, der sie errettete, Otniel [...] Und der Geist JHWHs kam auf ihn, und er
wurde Richter in Israel und zog aus zum Kampf. Und JHWH gab den König von Mesopotamien Kuschan-R. in
seine Hand (V. 9-10a)
Beugeformel
so dass seine Hand über ihn stark wurde (V. 10b.) [eigentlich: So musste sich N.N. an jenem Tag unter die Hand
Israels beugen (vgl. Ri 3,30)
Ruheformel
Da hatte das Land Ruhe vierzig Jahre (V. 11a)

Sterbeformel
Und Otniel, der Sohn des Kenas, starb (V. 11b)
-nach dtr Auffassung fällt kleinen Richtern gleiche Aufgabe zu wie den großen
-Aufgaben der Richter nicht ganz klar: Einerseits als Charismatiker beschrieben, die mit Gottes
Geist begabt sind (Ri 3,10; 6,34; 11,29); andererseits erscheinen sie Träger eines
gesamtisraelitischen Leitungsamtes (hebr. sapat „richten/herrschen“ vgl. Ri 3,10; 4,4f.; 10,1-5)
zu sein
-Einzelerzählungen im 3. Teil des Buches (Ri 17-21) entwerfen negatives Szenario von
religiösen und sozialen Verhältnissen der Richterzeit
-Eigentümlichkeit des Richterbuches: stark unterschiedliche Bewertung des Königtums
71
-im 3. Teil des Buches wird die ordnende Funktion eines Königtums herausgestellt

-Königtum widerspricht eindeutig dem theokratischen Ideal einer Königsherrschaft
JHWHs über Israel (Ri 8,22f.)
-generell stehen (auch später bei Sauls Königtum) ablehnende Stimmen den promonarchischen
Stimmen ggü.
- Konzeption einer „Richterzeit“ ist Werk der dtr Editoren, da sie am Richterschema und der
theologischen Ausrichtung an der Frage der Alleinverehrung JHWHs in Israel hängt
4. Erzählungen von Saul, David, Salomo (1Sam - 1Kön 11):
-Samuel (1Sam 1-7)
 1Sam 3: Samuels Berufung
-Samuel und Saul: Entstehung des Königtums (1Sam 8-15):
 dreifache Ablehnung des Königtums; zweimalige Inthronisation Sauls
 1Sam 13-15 Sauls Königtum; seine Verwerfung
-Sauls Abstieg, Davids Aufstieg (1Sam 16-31)
 1Sam 16-20: David am Hofe Sauls
 1Sam 21-31 David als Söldnerführer
-Davids Königtum (2Sam 1-1Kön 2)
-Salomos Königtum (1Kön 3-11)
-nach Angaben der dtr Rahmennotizen beruht Darstellung der Königszeit ab Rehabeam von
Juda und Nadab von Israel (1 Kön 15,25ff.) auf den „Tagebüchern/Annalen der Könige von
Juda bzw. Israel“
-weiteres Erzählmaterial floss hierin ein
-über die Vorgänge Saul, Ischbaal, David, Salomo und Jerobeam sind dtr Rahmennotizen samt
weiterer dtr Passagen über bestehende Überlieferungszusammenhänge gelegt worden
-hier wurden keine Annalen herangezogen
-Regierungsdaten von Sauliden, David und Salomo unbekannt
-spätere Hinzufügung von Regierungsdaten und Altersangaben
Vorlagen für die Deuteronomisten in 1Sam-1Kön 11:
-Ladeerzählung (1Sam 4,1-7,1; 2Sam 6,2-23)
-Geschichte vom Königtum Sauls (1Sam 9-15)
-Aufstiegsgeschichte Davids (1Sam 16-2Sam 5.7-8)
-Thronfolgegeschichte (2Sam 9-20; 1Kön 1-2)
-Geschichte vom Königtum Salomos (1Kön 3-11)
-genaue Abgrenzung und Verhältnisbestimmung umstritten
-handelt es sich um ehedem selbstständige Literaturwerke oder ist von einem größeren
Erzählzusammenhang auszugehen?
-neuerdings ist vermutet worden, dass eine ältere Überlieferung von Samuel und Saul (1Sam 114) und eine Sammlung von Jerusalemer Hofgeschichten um David und seine Nachfolge
(2Sam 11-1Kön2) entstehungsgeschichtlich zu trennen sind
-Sauls Verwerfung und Davids Berufung wohl redaktionelles Verbindungsstück
-Entstehungszeit: falls die o.g. Analyse richtig ist, wohl Zeit nach dem Untergang des
Nordreichs, in der die Jerusalemer Dynastie der Davididen das Erbe Samarias angetreten hat
72
Exkurs: David
-unaufhaltsamer Aufstieg Davids ist eng mit Sauls Abstieg (1Sam 16-2Sam 5.7-8) verknüpft
-David wird von Samuel als der jüngste unter acht Söhnen anstelle des amtierenden, von
JHWH verworfenen Saul zum König gesalbt
-Militärischer (Goliath!) und menschlicher (Harfenspiel) Erfolg, der die Liebe des Königs
gewinnt (1Sam 16,21), die Freundschaft dessen Sohnes Jonathan erringt (1Sam 18,1-4,20) und
zum Schwiegersohn des Königs (1Sam 18,17-27) wird, ruft die Eifersucht des Königs hervor
-David flieht, wird Anführer einer „Räuberbande“
-Zweimalige Verschonung von Saul; Saul stirbt in der Schlacht von Gilboa
-David kehrt aus Exil zurück und wird in Hebron zum König über Juda (später auch über
Israel) eingesetzt
-David wird Stadtkönig der „Davidsstadt“ (2Sam 5)
-David regiert nun drei Gebiete: Jerusalem, Juda, Israel
-David holt Bundeslade nach Jerusalem; errichtet ein Großreich; Salomo als Nachfolger
-Affäre mit Batseba, der Mutter Salomos, deren mann Urija er in den Tod schickt, um den
Ehebruch zu vertuschen (2Sam 11)
-David zeigt sich reuig und gewinnt Statur als Büßer (2Sam 12)
-David gilt - trotz seiner Schattenseiten - als idealer König
-bildet Maßstab für spätere Könige
-Singendem und betendem David werden 73 Psalmen des Psalter zugeschrieben (nach der
traditionellen Überlieferung)
-Schriften von Qumran erwähnen 4050 Psalmen und Lieder
-historischer David nur schwer zu fassen
-Angaben über seine 40-jährige Regierungszeit sind völlig unsicher
-erst in 2. Hälfte des 9. Jh. wird „Haus David“ in einer altaramäischen Inschrift erwähnt
-Annahme eines Lokalherrschers David und dessen Clan
-salomonische Zeit (1Kön 1-11)
-„Buch der Geschichte Salomos“ (1Kön 11,41); Titel könnte dtr Bearbeitung sein
-Dokument höfischer Literatur
-zu datieren etwa zur Zeit Hiskijas von Juda (725-697 v.Chr.)
-Intention des Erzählwerks: Legitimation des davidischen Königtums für Gesamtisrael nach
dem Untergang des Nordreichs
-Autor: im Umfeld des Jerusalemer Königshofes zu suchen
-dtr Redaktion im Text 1Sam-1Kön 2 nicht einheitlich
5. Erzählungen von den Königen Judas und Israels (1Kön 12-2Kön 25)
1Kön 12-2Kön 17: Die getrennten Reiche
 1Kön 17-19.21; 2 Kön 1: Elija-Erzählungen
 2Kön 17: Zerstörung Samarias durch Assyrer; Untergang des Nordreichs; Deportation
nach Assyrien
2Kön 18-25: Juda von 722 bis 587 v.Chr.
 2Kön 18-20: Hiskija (+Jesaja)
 2Kön 22f.: Joschija und „Joschijanische Reform“
 2Kön 24f.: Eroberung Jerusalems durch die Babylonier; Deportationen nach Babylon
 2Kön 25: Begnadigung Jojachins 562 v.Chr.
-Königebücher schildern nach der Geschichte des vereinten Königtums unter Salomo (1Kön
11-11) zunächst die Geschichte der beiden Königreiche bis zum Untergang Samarias, der
Hauptstadt des Nordreichs Israel, anschließend die restliche Geschichte des Südreichs Juda
73
-dtr Editoren können als die eigentlichen Verfasser der Geschichte des Königtums in Israel und
Juda gelten
-dtr Notizen datieren Könige des Nordreichs nach den Südreichskönigen und umgekehrt durch:
 Nennung der Anzahl der Regierungsjahre
 Alter bei Regierungsantritt (Südreichkönige)
 Name der Mutter
 Urteil, ob Könige Rechtes oder Böses in den Augen JHWHs taten
 Verweis auf „Tagebuch“, Chronik oder Annalen des jeweiligen Reiches
 Sterbe- und Begräbnisnotiz
 Nennung des Nachfolgers
-Zuverlässigkeit der Tagebücher wird grundsätzlich durch außeratl. Quellen belegt (PalästinaFeldzug von Pharao Schischak I.)
-Könige des Nordreichs erhalten durchweg negative Kritiken
-„Sünde Jerobeams“ als Grund
-Von den Königen Judas acht, die „Recht in den Augen JHWHs getan haben“
-Bewertung richtet sich nach Kultzenralisation (Zerstörung der Höhenheiligtümer etc.)
-in das Grundgerüst der Rahmennotizen haben die dtr Verfasser und jüngere dtr Bearbeiter der
Königebücher weitere Materialien (Aufstand des Jehu in 2Kön 9f.; Prophetenlegende über Elija
in 1Kön 17-19; 2Kön 1) eingebunden
6. Erzählungen über den Propheten Elija (1Kön 17-19; 21; 2Kön 1)
-Elija tritt in der 2. Hälfte des 9. Jh. v.Chr. im Nordreich Israel auf
-Elija ist Streiter für die Alleinverehrung JHWHs und ein kritischer Widerpart zum Königshof
in Samaria
-inhaltliche Nähe zu den Schriftpropheten des 8. Jh. v.Chr.
-Biblische und historische Gestalt des Elija muss ebenso wie bei Mose, David und Salomo
deutlich voneinander unterschieden werden
-Erzählungen über Elija:
 Elija am Horeb (1Kön 19)
-antithetische Aufnahme an Sinaitheopanie in Ex 19 angeglichen
 Nabots Weinberg (1Kön 21)
-dtr gefärbte Erzählung gegen König Joram von Israel (851/0-845/4 v.Chr.)
 Elijas Auffahrt in den Himmel (2Kön 2,1-18)
-Elija wurde entrückt, schließlich konnte ein Gottesstreiter nicht sterben, sondern wurde von
Gott hinweg genommen
-während 1Kön 19 deutlich macht, dass Bewahrheitung der Gerichtsprophetie das Verderben
für Israel bedeutet, zeigt 1Kön 17-18 (Dürreerzählung), wie es sein könnte, wenn sich Israel auf
JHWHs und der Propheten Umkehrpädagogik einließe
-derartige Gerichtsprophetie blickt zumindest auf die Zerstörung Samarias 722/1 v.Chr.
zurück; wenn nicht sogar auf Untergang Jerusalems und Judas 587/6 v.Chr.
-Elija scheint historisch eine Art Wundertäter oder Regenmacher gewesen zu sein, der erst im
Zuge der dtr Rezeptionsgeschichte zum JHWH-Propheten wurde
D. Theologie der deuteronomistischen Komposition der Geschichte des Volkes Israel vom
Auszug bis zum Exil
-grundsätzliche heilsgeschichtliche Zweiteilung:
1. normative Idealzeit für Verhältnis von Gott und Volk in der Epoche außerhalb des
Landes
2. spätestens mit Richterbuch einsetzende Verfallsgeschichte
-siehe hierzu § 5D
74
-dtr Komposition der Geschichte des Volkes Israels von heilvollen Anfängen bis zum Ende der
Staaten Israel und Juda stellt eine Ätiologie für die Existenz des Volkes Israel im Exil dar
-Geschichte vor Eroberung des Landes ist ebenso wie die Geschichte im Exil (wieder außer
Landes)
-Was zeichnet Identität Israels aus?
1. Volk Israel kommt von außen ins Land (allochthon, d.h. eingewandert)
2. Israel der Erzelterngeschichte war im Gegensatz dazu autochthon, d.h. im Lande
ansässig
3. JHWH hat für Israel am Schilfmeer gekämpft und das Volk befreit
4. JHWH bindet sich freiwillig an das Volk; er ist kein Stammesgott oder ein Gott des
Königs
5. Gottesverhältnis beruht auf der Rettungstat JHWHs und dem Bund zwischen Gott und
Volk
Bund (hebr. berit):
-ursprünglich juristischer Ausdruck für wechselseitige Vereinbarungen gleichberechtigter
Vertragspartner (1Kön 5,26b)
-im theol. Gebrauch: Zusammengehörigkeit des Gottes JHWH mit Volk Israel,
-Bundesformel: „JHWH der Gott Israels, Israel das Volk JHWHs.“ (Dtn 26,17f.)
-hierbei geht JHWH kein wechselseitiges Bündnis ein, sondern gewährt seinen Bund
-Vorstellung eines Israel von JHWH gewährten Bundes (Ex 19; 24; 34; Dtn 7) hat unter den
theologischen Konzeptionen des AT eine herausragende Bedeutung
-jüngere Verheißung eines neuen Bundes (Jer 31)
-priesterschriftliche Rede vom Noach-Bund (Gen 9)
-alle drei haben bedeutende theologie- und geistesgeschichtliche Wirkung entfaltet
-Konzentration auf Dtn und dtr Literatur und das „Bundesschweigen“ der Propheten des 8. Jh.
v.Chr. sprechen dafür, dass theologischer Gebrauch von „Bund“ erst in der Krisenerfahrung
der ausgehenden Königszeit und des Exils aufkommt
-Exil resultiert aus der Nichtbeachtung und Befolgung der Gebote, besonders des ersten
-Konzeption des Bundes hat Folgen für Ethik:
-Weit mehr als andere Götter ist JHWH ein ganz spezifisch nach der Erfüllung
bestimmter Gebote und sozialethischer Alltagsnormen eifernder Gott
-sog. Ethisierung der JHWH-Religion
-JHWH ist nicht nur Garant der Verträge zwischen ihm und dem Volk, sondern er steht
auch für den Bewacher der Einhaltung der Gebote („Bundesbruch“ wird bestraft)
-Exil hat auch Vorteile: Durch Verlust von Königtum und Eigenstaatlichkeit ist
die Forderung nach Bundestreue ein Identitätsmerkmal
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Mose breit rezipiert (Filme, Darstellungen etc.)/Stifter der monotheistischen Religion
-Richterbuch rezipiert in bildender Kunst, Literatur, Musik (Händel: Deborah)
-David: David vs. Goliath; aus dem Stamm Davids kommt Jesus
-Elija erfährt Rezeption im NT (Mk 9,11-13; Mt 17,10-13; Lk 1,17)
-Oratorium „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy
75
II. Hintere Propheten (Nebiim)
§ 8. Die Schriftpropheten Jesaja bis Maleachi
A. Bibelkundliche Erschließung
1. Die Stellung der Prophetenbücher im Kanon
-Prophetenbücher (Jes, Jer, Ez, XII [Zwölfprophetenbuch]) stehen im Kanonteil Nebiim
(„Propheten“)
-die o.g. sind dem Teil der sog. „Hinteren Propheten“ zugeordnet“
-Propheten wurden im AT als Prediger und Ausleger des mosaischen Gesetzes verstanden
-historisch trifft dies nicht zu: hier sind Prophetenbücher unabhängig von der Tora
entstanden und nach und nach in Folge der Fixierung der Tora in diesen Kontext
eingereiht und entsprechend überarbeitet worden.
-folgenschwere Umstellung der Prophetenbücher durch die Septuaginta (s.o.)
Begriff und Erscheinungsformern von „Prophetie“
-gr. Begriff prophetes, hat ursprünglich nicht den Sinn des „Voraus-Sagens“ gehabt, sondern
meinte eher „öffentlich Hervor-Sagen“
-neben nabi verwendet das AT auch begriffe wie roaeh („Seher“), hozaeh („Visionär“) oder is
ha’elohim („Gottesmann“)
-langfristige Überlieferungsbildung machte aus Propheten Zukunftsweissager
-natürlich weissagten die Propheten die Zukunft, doch überblickten sie hierbei nicht die
gesamte Weltgeschichte wie etwa beim kanonischen Jesaja, der von seinen eigenen
historischen Positionen im 8. Jh. v.Chr. über die nachfolgenden Jahrhunderte bis hin zur
Neuschöpfung von Himmel und Erde schrieb
-historische Propheten haben Zeichenhandlungen ausgeführt, Sozial- und Kultkritik geübt und
Klagen angestimmt
-Botschaft der Propheten ist also nicht vorrangig der Blick in die Zukunft gewesen
-verschiedene atl. Erscheinungsformen von Prophetie:
1. Gruppenpropheten
-durch Musik und Tanz suchten sie Kontakt mit der Gottheit
2. Tempel- und Kultpropheten
-erließen Kultbescheide über Opferannahmen
-sprachen Fürbitten und Heilsorakel
-sie sind im Blick, wenn das AT von „Priestern und Propheten“ spricht (Jes 28,7; Mi
3,11; Jer 2,8)
3. Hofpropheten
-Propheten am Königshof
-Vertreter: Nathan (2Sam 7;12) und Gad (2Sam 24)
4. oppositionelle Einzelpropheten
-ihre Prophetie ist i.d.R. „intuitiv“ zu verstehen, sie geschieht spontan und offb. jenseits
gefestigter institutioneller Kontexte
-erst die Unheilsprophetie über Untergang von Nord- und Südreich (722 v.Chr. bzw.
587 v.Chr.) machte es möglich, dass diese Form von Prophetie in der offiziellen
Religion rezipiert wurde
-„Prophetie schlechthin“ - das, was man atl. unter Prophetie versteht
76
Wahre und falsche Prophetie
-Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Prophetie lässt sich für AT nicht von
vorneherein beantworten
-Dtn 18,21f. als Problemstellung: „Wie sollen wir erkennen, welches Wort JHWH nicht
gerdedet hat? Wenn der Prophet im Namen JHWHs redet, und es erfüllt sich nicht und trifft
nicht ein, so ist das ein Wort, das JHWH nicht geredet hat“
-zum Zeitpunkt des Ergehens der Prophezeiung gibt es keine Möglichkeit darüber zu urteilen,
ob sie „wahr“ oder „falsch“ ist
-Auseinandersetzung zwischen Hananja und Jeremia:
 akute babylonische Gefahr für Juda
 Frage, ob Tempelgeräte, die bereits 598/7 v.Chr. nach Babylon verbracht wurden, wie
zurückgeführt werden (so Hananja) oder ob dies nicht der Fall sein wird (so Jeremia)
 erst der Ausgang der Erzählung (Untergang des Südreichs 587 v.Chr.) machen klar,
dass Jeremia der wahrhaft von Gott gesandte Prophet ist
-atl. Prophetenbücher bieten eine Reihe von Ankündigungen, die historisch nicht eingetroffen
sind (und deshalb authentisch, also keine vaticina ex eventu [lat.: Weissagung aus dem
Ereignis heraus: prophetische oder apokalyptische Texte, die geschichtliche Ereignisse exakt
voraussagen; werden nach den ihnen vorausgesagten Ereignissen datiert] sind)
-Tradenten des AT haben nicht gebannt auf das wortwörtliche Eintreffen der prophetischen
Worte gewartet, sondern diese Worte selbst im Lichte neuer Erfahrungen je und je
fortgeschrieben und umgestaltet
 Ergebnis: Erfüllungskriterium hat auf die jeweiligen Ankündigungen zurückgewirkt
2. Die Rahmung von Jer/Ez durch Jes/XII:
-vier kleinen Propheten waren auf einer Buchrolle vereint und werden deshalb zusammen als
ein Buch gezählt
Gliederung:
Jes 1-39: Assur
Jes 36-39: Assur/Babel
Hos, Joel, Am, Jon, Mi, Nah: Assur
Jer: Babel
Ez: Babel
Jes 40-66: Babel/Persien
Hab, Zef, Obd: Babel
Hag, Sach, Mal: Persien
-Jer und Ez betreffen relativ beschränkten Ausschnitt aus der Geschichte Israels
-Zeit vor und nach der Katastrophe Jerusalems und Judas 587/6 v.Chr. (Einnahme
Jerusalems und Judas durch das babylonische Heer unter Nebukadnezar II.)
-Jes und XII überblicken sehr viel weiteren Bereich der Geschichte Israels:
-setzen bei Assyrern ein und reichen bis zur Perserzeit
-Jes endet sogar mit Ausblick auf die Neuschöpfung von Himmel und Erde (Jes 65f.)
3. Jesaja als „Stimmführer“
-Jesaja (auch an literarischer Position zu Beginn der Prophetenbücher erkennbar) ist
„Stimmführer“ der Propheten, der bereits den gesamten Gang der Geschichte JHWHs mit
seinem Volk überblickt)
-Jesaja ist nach dem Sirachbuch („Mit dem Geist der Kraft schaute er (sc. Jesaja) die Endzeit
und tröstete Zions Trauernde. Bis zur Ewigkeit tat er kund, was geschehen wird, und die
verborgenen Ereignisse, ehe sie eintraten [Sir 48,24]) eine Gestalt, die die gesamte
Weltgeschichte vorausgesehen hat
-Jes nimmt herausragende Stellung ein durch den geschichtlichen Anfang der Schriftprophetie
Israels und durch die frühe geschichtliche Bewahrheitung seiner Botschaft in der Bewahrung
77
Zions [Berg in Jerusalem; in der Bibel auch als Name für die Stadt und den Tempel gebraucht;
Ort der heiligen Präsenz JHWHs] 701 v.Chr. vor den Assyrern
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
1. Die Genese der klassischen Prophetensicht im Gefolge von Idealismus und Neuerer
Urkundenhypothese:
-seit dem 19. Jh. gilt in der historisch-kritischen Forschung: Propheten sind geistbegabte,
genialische Einzelpersonen, die den ihnen mitgeteilten, bisweilen auch aufgenötigten
Gotteswillen unbedingt und kompromisslos ggü. ihren Adressaten vertreten.
-Bild ergab sich aus Scheidung der prophetischen Orginallogien und sekundären
Ergänzungen
-Unterscheidung „echtes“ und „unechtes“ Textgut
-Grundannahme kam der Dialaktischen Theologie entgegen und wurde ins 20. Jh.
übernommen
-Betonung der „Andersartigkeit“ von Propheten
2. Das Aufkommen redaktionsgeschichtlicher Forschung:
-redaktionsgeschichtliche Forschung gehört heute zu den dominanten Arbeitsweisen in der
Prophetenforschung
-fragt nicht nur nach der Verkündigung des Propheten, sondern auch nach unterschiedlichen
Akzenten und Aussagelinien ihrer Bücher, die sich erst in der literarischen Nachgeschichte der
aufgezeichneten Prophetensprüche verdanken
-Aufteilung der Bücher erfolgte (bspw. Proto- und Deuterojesaja)
-Frage nach prophetischen Originallogien (s.o.) behält immer noch sein Recht
Gattungen prophetischer Rede und Überlieferung:
-Prophetie lässt sich in manchen Bereichen sogar als Verfremdung oder gar Parodie
vorliegender Gattungen beschreiben
-Am 5,1f. formuliert eine Gerichtsankündigung gegen das Nordreich Israel etwa in Form einer
Totenklage: „Hört dieses Wort, die Totenklage (qinah), die ich über euch anhebe...“
 Totenklage bezieht sich auf nicht auf Individuum, sondern auf Kollektiv (Israel)
 Totenklage über noch existierende Größe (Israel ist noch nicht untergegangen
Ergebnis: Gerichtswort gewinnt an prophetischer Schärfe
-Jes 5 zunächst als Liebeslied konzipiert, schlägt um in Gerichtsankündigung
-Prophetie hat aber auch eigene Gattungen ausgebildet:
 Wortereignisformel („Und es geschah das Wort von JHWH an N.N.“)
 Gottesspruchformel („Spruch JHWHs“)
 prophetisches Gerichtswort
-besteht aus Anklage („Scheltwort“) und Gerichtsankündigung („Drohwort“), die über
die Partikel „deshalb“ (laken) und die sog. Botenformel („so hat JHWH gesprochen“)
miteinander verbunden sind; Prophetenrede unterscheidet sich klar von der Gottesrede
-Beispiel in 1Kön 21,17-19: „Hast du gemordet und auch in Besitz genommen?
Darum, so hat JHWH gesprochen: An dem Ort, wo die Hunde das Blut Nabots geleckt
haben, werden die Hunde auch dein Blut lecken.“
 Zeichenhandlungen
-v.a. in erzählenden Passagen
-Aufbau: Befehl zur Ausführung, Bericht über die Ausführung, Deutung der
symbolischen Handlung
78
-die Redaktoren und „Ergänzer“ der Prophetenbücher können insofern ebenfalls als Propheten
gelten, als dass sie eine erstaunliche sachliche Innovationskraft zeigen mussten, die durchaus
„prophetisch“ genannt werden kann.
C. Entstehung der Prophetenbücher
-Prophetie als kollektives und langzeitiges Phänomen, nicht mehr exklusiv historisch-punktuell
-bewusste Wahrnehmung als schriftgelehrte Tradentenprophetie
-nicht alle Prophetie ist ursprünglich mündlich gewesen, sondern weite Teile der
Prophetenbücher haben nie anders als schriftlich existiert (Jes 56-66; Jer 30-33)
-für einzelne Bücher, etwa Joel, Obadja, Jona oder Maleachi ist zu erwägen, ob sie nicht
gänzlich auf schriftgelehrte Tätigkeit zurückzuführen sind.
-insgesamt wohl Ergebnis schriftgelehrter Tradentenprophetie
-in atl. Zeit waren Bücher nur in sehr geringer Zahl im Umlauf; Schreibermilieu war wohl auf
nur einen Ort im nachexilischen Juda begrenzt, nämlich Jerusalem
-Bücher des AT wurden immer wieder abgeschrieben, um deren Inhalt am Leben zu
halten
-Textpflege schloss immer auch Sinnpflege mit ein/Redigierung, Redaktion etc.
Die schriftgelehrte Auslegungsarbeit an Prophetenüberlieferungen:
-folgende Arbeitsweisen können unterschieden werden:
1. Erstverschriftlichung und Kompilation vorgegebener Texte:
-Auslegung beginnt schon mit der Erstverschriftlichung mündlicher Logien
-Kompilation der Einzeltexte setzt diesen Prozess auch ohne Redaktion fort
-Anordnung von Texten bestimmt schon Sinnlinien
-Zugespitzt kann man sagen: „Echte“ Prophetenworte als solche gibt es nirgends
(mehr) im AT, Grund sind die o.g. Punkte
2. Kleinräumige Fortschreibungen:
-beziehen sich auf den unmittelbaren Nahkontext, also auf bspw. eine Perikope mit nur
wenigen Versen
-literarisches Wachstum könnte mit einer immer größer werdenden Lawine verglichen
werden (Otto Kaiser - „Schneeballhypothese“)
-hiergegen lässt sich aber auch feststellen, dass bestimmte Buchteile oder auch
ganze Bücher gesamt redigiert wurden und so größere Textflächen einen neuen
redaktionellen Sinn geben
3. Buchredaktionelle Texte:
-Bsp. Jes 35: Vereinigung der ehedem selbstständigen Proto- und
Deuterojesajaüberlieferung zu einem Großjesajabuch
-Erzählung gibt dem Gesamtbuch eine neue Sinngestalt
4. Bücherübergreifende Redaktionsbeziehungen
-redaktionelle Vernetzungen über die Einzelbücher hinweg
-dienten der Gestaltung eines in sich stimmigen corpuspropheticum (Jes-Mal) oder
sogar der Schaffung des Kanonteils Nebiim
D. Theologie der Prophetenbücher
1. Produktive Auslegung vorgegebener Überlieferung:
-Tradenten der Prophetenüberlieferung haben nicht den reinen Wortlaut (und nur diesen) des
ihnen überkommenden Textguts bewahrt, sondern nach der Aktualität des Prophetenwortes
gefragt und diese immer wieder auch neu expliziert
-theologisch ist nicht die konkrete Einzelaussage entscheidend, sondern vielmehr die
Sachbewegung der Auslegung, die sich im innerbiblischen Fortschreibungsprozess zeigt
79
2. Das Proprium der Prophetie in Israel und Juda:
-israelitische und judäische Propheten stellen in der altorientalischen Umwelt kein Spezifikum
dar (so auch das AT selbst in 1Kön 18,19; Jer 27,9)
-Prophetie der alto. Umwelt ist aber stets an einen Königshof gebunden und i.d.R.
königsfreundlich
-hier liegt wesentlicher Unterschied zur atl. Prophetie
-nur aufgrund der beständigen Fortschreibung der atl. Prophetenworte ist die Prophetie bis
heute erhalten geblieben
3. Das Ende der „Profeten-Anschluss-Theorie“
-klassische Deutung der Propheten als religiöse Genies
-AT und NT wurden einander zugeordnet, polemisch sog. „Profeten-Anschluss-Theorie“
-Jesus schließe an die großen Propheten an, die mit Jeremia oder Deuterojesaja geendet hatten
-jüdische Gesetzlichkeit wurde durch Jesus von Nazareth „befreit“
-Verlust der vorherigen Prophetie durch das Judentum wurde mit den Nichtglauben an
Christus begründet
-Schwäche des Modells ist, dass die Fortschreibung der Prophetenbüchern im Laufe der
Jahrhunderte überhaupt nicht mit eingeschlossen wird; Leugnung einer Redaktion an den
Texten
-Theologisch ist dieser Entwurf keineswegs brauchbar!
80
§ 9. Das Jesajabuch
-von Rad: Theologie Jesajas als gewaltigstes theologisches Phänomen im ganzen AT
-Jesajabuch theologisch eines der relevantesten Bücher des AT
-nicht zuletzt ist es auch die lange Entstehungsgeschichte, die dem Buch seinen theologischen
Reichtum beschert hat
A. Bibelkundliche Erschließung
1. Die Struktur von Jes 1-66:
-Buch lässt sich in drei (ungleich lange) Hauptteile gliedern:
Jes 1-35
„Worte Jesajas“, vornehmlich Gerichtsankündigung
1-12
13-23
24-27
28-35
Komposition um die „Denkschrift“ mit Abschluss
Fremdvölkerworte
„Jesaja-Apokalypse
„Assyrischer Zylkus“ (28-32 und Brückentexte
„Erzählungen über Jesaja
Hiskija-Jesaja-Erzählungen
„Worte Jesajas“, vornehmlich Heilsankündigung
40-48
49-55
56-59
60-62
63-66
Jakob als erlöstes Volk/Kyros als „Messias“
Heimkehr nach Zion
Erneute Mahnungen
Verherrlichung Zions
Endzeitliches Heil für die Frommen
Jes 36-39
Jes 40-66
2. Die Zäsur durch die Erzählungen Jes 36-39
-Hiskija-Jesaja-Erzählungen (36-39) bilden einschneidenstes Gliederungsmerkmal des Buches
-Erzählungen von der wundersamen Bewahrung Jerusalems vor Sanherib im Jahr 701 v.Chr.
zeigen grundsätzlichen Heilswillen des Zionsgottes JHWH
-bilden sachliche Grundlage für weitergehende Heilsverkündigung in 40-66
-Babylonisches Exil wird ausgelassen, das ist programmatisch für Jesaja: der Prophet verkündet
den unverbrüchlichen Heilswillen JHWHs für Zion; die Zerstörung Jerusalems kommt nur in
vor- und rückblickenden Verweisen zur Sprache
3. Gesamtbuchinklusionen zwischen Jes 1 und 66:
-enge sachliche und vokabularische Berührungspunkte in der Wortverwendung
-Jes ist insgesamt als redaktionelle Einheit bedacht und nicht nur aus vorgegebenen Materialien
kompiliert worden
-Der inhaltliche Verlauf (Jes 1: Gerichtsprophetie gegen Israel; Jes 65f.: Heilsprophetie für die
Frommen) zeigt, dass das Buch insgesamt einen Leseablauf entwickelt.
-Jesajabuch überblickt Geschichte des sündigen Gottesvolks von der Vorherrschaft der
Assyrer über die Perser bis zur Vollendung der Herrschaft Gottes über seine frommen
Knecht
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige:
1. Die Dreibuch-Hypothese:
-66 Kapitel des Jesajabuches wurden nicht alle von dem namengebenden Jesaja aus dem 8. Jh.
v.Chr. geschrieben, sondern diese nur in den Kap 1-39 zu erwarten sind.
-nach Kap. 40 ändert sich zeitgeschichtlicher Hintergrund vollkommen
-zwei Jahrhunderte später
-nach Jes 55 offenbar weitere Zäsur, da hier Heilsprophetie mit Gerichtsworten durchsetzt ist
-Dreibuch-Hypothese entstand:
81
1. Kap. 1-39 enthält Worte Jesajas („Protojesaja“)
2. Kap. 40-55 auf einen im babylonischen Exil wirkenden Anonymus mit dem
Kunstnamen „Deuterojesaja“ zurückzuführen
3. Kap. 56-66 auf ebenfalls anonyme Gestalt, „Tritojesaja“ zurückzuführen
-Entstehung: Zunächst einzelne Fragmente, die zu einem Proto-, Deutero- und Tritojesajabuch
miteinander verbunden wurden; erst dann Vereinigung der Teilbücher zu einem GroßJesajabuch
2. Neuere Entwicklungen:
-Spielraum für die historische Einordnung von Jes-Texten wurde infolge neuerer Forschung
größer
-wesentliches Textmaterial kann in der Phase zwischen 8. Jh. und 2. Jh. v.Chr.
entstanden sein
-Diskussion um den Gesamterzählfaden in den Büchern, die das Gesamtwerk verbinden
-Zwei Hauptrichtungen entstanden; Voraussetzung Tritojesaja ausklammern
1. mehrheitlich vertretene Meinung: IJes und IIJes gehen auf zwei unterschiedliche
Prophetengestalten zurück („Jesaja“ aus dem 8. Jh. v.Chr. und „Deuterojesaja“
aus dem 6. Jh. v.Chr.)
-beide bestanden zunächst als literarisch getrennte Größen nebeneinander und
wurden erst sekundär verknüpft
IJes und IIJes wurden mittels eines sachlich profilierten Redaktionsvorganges
literarisch verbunden
-wichtigster Brückentext Jes 35
2. anderer Forschungsstrang: IJes und IIJes rücken näher aneinander
-IIJes wird als Fortschreibung von IJes gedeutet
individuellen Propheten „Deuterojesaja“ hat es demnach nie gegeben
-festgemacht an Abhängigkeit von Jes 40 zu Jes 6
-Rückbindungen aus IIJEs an IJes wären als redaktionelle Zufügungen zu
interpretieren
C. Entstehung des Großjesajabuches (Jes 1-66)
-vielleicht muss man damit rechnen, dass IIJes nicht als vollkommen selbstständige literarische
Größe zu verstehen ist, sondern in einem gewissen Anschluss an das Jeremiabuch stand
-zwei Beispiele stützen diese These: 2Chr 36,22f. führt die Prophezeiung aus Jes 44,38;
45,1 (Kyros als durch JHWH eingesetzter König sowie Erbauer des Jerusalemer
Tempels) als Jeremiawort an!
-„Im ersten Jahre des Königs Kyros von Persien erweckte JHWH, um das Wort
zu erfüllen, das er durch Jeremia geredet hatte...“
-für den Chronisten galt IIJes als Jeremiaprophetie
-zusätzlich lassen sich die ungeklärten Sprecherverhältnisse in Jes 40 gut von den letzten
Kapiteln des Jeremiabuches her (Jer 50f.) erschließen
-in der frühen Diadochenzeit scheint dann IIJes dem Jesajabuch angegliedert worden zu sein
-redaktionelle Verbindung in Jes 35
D. Theologie des Jesajabuches
-Frage der Theologie stellt sich nicht nur für einzelne Teile, sondern auch für das Gesamtbuch
-Durch Zusammenfügung von IJes und IIJes wird der Jerusalemer Prophet Jesaja aus dem 8. Jh.
v.Chr. zum großen Visionär der Weltgeschichte
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Qumran: mit 20 Rollen ist Jes am besten (neben Ps und Dtn) bezeugt
-innerhalb NT wird Jes neben den PS am häufigsten zitiert
82
-22 Zitate
-Jesaja als wichtigster Prophet, der auf Christus hin geweissagt hat
-viertes Gottesknechtslied Jes 53 als zentraler Ausgangspunkt für die Deutung des Leidens Jesu
83
§ 9.1 Erster Jesaja (IJes: Jes 1-39)
A. Bibelkundliche Erschließung
-generelle Untereilung in Fremdvölkerthematik; formal durch massa-Überschriften
(„Ausspruch“) und Erzählungen Jes 36-39
Gliederung:
1-12
1
2
3f.
5
6-8
9
10
11
12
13-23
13f.
14-23
24-27
24
25-27
28-35
28-32
33f.
35
36-39// 36f.
2Kön
38
18-20
38,9-20
39
Proömium
Völkerwallfahrt zum Zion
Gericht an Jerusalem und Juda
Weinberglied und Weherufe; Kehrversgedicht I
„Denkschrift Jesajas“
Kehrversgedicht II
Weherufe
Friedefürst
Danklied
Gegen Babel und Assur
Gegen Philister, Moab, Damaskus, Israel, Kusch, Ägypten usw.
JHWH als Richter über die Welt
Bewahrung des Gottesvolkes inmitten des Weltgerichts
„Assyrischer Zyklus“
Gericht über Verwüster, über Edom/Weltgericht
Heimkehr für das Gottesvolk
Belagerung Jerusalems durch die Assyrer (701 v.Chr.)
Krankheit Hiskijas
Psalm Hiskijas
Gesandtschaft aus Babel
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
Indizien gestufter Entstehung in Jes 1-39:
-Jes 1-39 ist unumstritten ein gewachsener Text
-nicht zur ältesten Substanz gehören Kap. 24-27 und 36-39
-Bezüge u.a. auf Sintfluterzählung, deshalb schriftgelehrter Text
-Jes 36-39 ist parallel überliefert (2. Kön 18-20), dort Ursprung
-verbleibendes Textgut Jes 1-12.13-23.28-35 ist ebenfalls gestuft
-doppelte Buchüberschrift in 1,1; 2,1
-Kehrversgedicht durch „Bei alledem hat sich sein Zorn nicht gewandt, und noch ist
seine Hand ausgestreckt“ weißt auf Zusammenhang von 6,1-9,6 hin
-in Jes 1-12.13-28.28-35 ist älteres Erzählgut vorhanden, das wahrscheinlich auf den
historischen Jesaja rückführbar ist, aber auch diese Texte sind erheblich überarbeitet und
erweitert worden
-endgültige Rekonstruktion der Literargeschichte von IJes ist nicht möglich!
C. Entstehung des Ersten Jesaja
1. Jes 1-12 und das Problem einer jesjanischen Denkschrift aus dem syrisch-efraimitischen
Krieg:
-Jesajaüberlieferung ist wohl aus zwei Kernen hervorgegangen (Kap. 6-8 und Kap. 28-31)
-innerhalb von Kap. 1-12 dürfte in Kap. 6-8, die sog. „Denkschrift“ Jesajas aus der Zeit
des syrisch-efraimitischen Kriegs eingearbeitet worden sein
-Kap. lenken Blick auf Beginn der Tätigkeit Jesajas
-Beauftragungsvision in Kap. 6
84
2. Die Fremdvölkersprüche Jes 13-23:
-Jes 13-23 bildete evtl. einmal eine Einheit an sich
-gegenwärtiger Bestand wurde stark überarbeitet
-ursprünglich Jesajanisch ist Kap. 17, evtl. auch Kap 14,4b-23 und Kap. 18-20
-Sachlich bedeutsam: universale Heilsprophetie, die auch Ägypten und Assur in den Status als
Völker Gottes einrückt
3. Die sog. „Jesaja-Apokalypse“ Jes 24-27
-Kap. 24-27 gehören in den literarhistorischen Berich von Weltgerichtsaussagen
-entstanden in Folge des Untergangs des Perserreiches
-ob Textanteile beinhaltet sind, die vor die Diadochenzeit zurückreichen, ist ungewiss
4. Der „assyrische Zyklus“ Jes 28-32 und die Folgekapitel 33-35:
-Kap. 34 und 35 als eigene Stücke:
-Kap. 35 dient der Verbindung von IJes und IIJes
-Kap. 34 ist mit Blick auf diese Verbindung schon überarbeitet worden
-Kap. 28-32 reichen wahrscheinlich bis in die Zeit Jesajas zurück
-schildern philistäische Aufstände 711 oder die Invasion Sanheribs 701 v.Chr.
5. Die Jesaja-Erzählungen Jes 36-39:
-früher als geschichtlicher Anhang gedeutet
-im wesentlichen textgleich mit 2Kön 18-20
-von dort aus in Jes übernommen worden
-Inhalt: Situation zwischen 597 und 587 v.Chr. in Jerusalem; erinnern an die wundersame
Bewahrung bei der assyrischen Belagerung Jerusalems gut hundert Jahre früher
6. Übergreifende Bearbeitungen
-IJes ist mehrfach überarbeitet worden
-„Assur“-Redaktion aus der Joschijazeit in Kap. 8, 14 und 30
-weitere Bearbeitungen beschäftigen sich mit Gerichtsvorgängen durch Assur und Babel
-Verbindung zwischen IJes und IIJes als Redaktion (Kap. 35)
-einer „deuteronomistischen“ Interpretation scheint IJes durch seine zionstheologische
Orientierung weitgehend entgangen zu sein
7. Das Problem des historischen Jesaja:
-historische Gestalt Jesaja ist umstritten und kaum zu klären
-Weder Berichte in Jes 36-39 par. 2Kön 18-20, noch poetische Texte können als zuverlässige
Quelle für den hist. Jesaja und seine Verkündigung gelten
-Wer war Jesaja? wird v.a. anhand der Denkschrift Jesajas (6-8) gedeutet
-kündigte zunächst nur Gericht gegen syrisch-efraimitische Koalition an
-Gerichtsankündigung gegen Juda in 8,5-8 ist daher wohl sekundär
-Kap. 36-39 zeigt, dass Jesaja unmittelbaren Kontakt mit dem König haben konnte, ebenso lässt
8,2 Jerusalemer Nobilitäten als Zeugen für Jesaja auftreten
-hohe soziale Position Jesajas muss wohl angenommen werden
D. Theologie des Ersten Jesaja
1. Der Zusammenhang von Gericht und Heil und die Verstockungsthematik
-Verhältnis von Gericht und Heil hat Ursprung wahrscheinlich in der Biographie Jesajas selbst
-Thema der Gerichtsprophetie in Jes 6,9-11 (Verstockungsauftrag)
-„Verstocke das Herz des Volkes, mache taub seine Ohren und blind seine Augen...“
-Prophetenbücher wollen kein besseres Verhalten initiieren, sondern die eigenen
Unheilsgeschichte bzw. die eines Volkes verständlich machen
85
2. Zion
-historischer Jesaja stammt, nach dem Buch, aus Jerusalemer Priesterkreisen
-Zion ist der uneinnehmbare Weltenberg (theologische, nicht topographische Aussage)
-Verbindung zwischen Himmel und Erde
-Gott JHWH thront als König darauf
-Präsenz JHWHs verleiht dem Berg Stabilität und Sicherheit
-Darstellung der Bewahrung Jerusalems in der Belagerung durch den Assyrerkönig Sanherib
701 v.Chr. (Jes 36-39) wird als Heilswillen Gottes ggü. Zion dargestellt und durchzieht das
gesamte Buch
3. Das Königtum Gottes
-Vorstellung vom Königtum Gottes ist im gesamten Jesajabuch durchweg geläufig und wird
immer wieder eingebracht (6,5; 24,23; 33,22; 37,16)
-Königtum bildet eine der zentralen Aussagen der Zionstheologie, in der IJes lebt
-in Bezug auf die messianischen Weissagungen in IJes (7,10-14; 8,23-9,6; 11,1-5) ist zu
beachten, dass die Herrschergestalten im übergeordneten Rahmen des Königtums Gottes
integriert bleiben
4. Messias
-„messianische Weissagungen“ in 7,14; 8,23-9,6; 11,1-5
-es handelt sich teilweise jedoch nicht um Weissagungen, noch geht es überall um den
„Messias“, d.h. eine endzeitliche, königliche Heilsgestalt.
-Immanuelverheißung in 7,14 ist vermutlich eine Verankerung der Gestalt Hiskijas
-allerdings könnte in der Aussage gerade auch ein Abbruch der Daviddynastie impliziert
sein
86
§ 9.2 Zweiter Jesaja (IIJes: Jes 40-66)
-Bis Kap. 39 herrschen Gerichtsworte vor, ab 40 dominieren Heilsankündigungen
-Szenerie in Jes 40-66 setzt den Untergang der Reiche Israel und Juda bereits voraus,
Perserkönig Kyros, der von 559-530 v.Chr. herrschte, wird genannt; „Jesaja“ an sich wird nicht
mehr erwähnt
-Kap. 40ff. gehen auf eine jüngere Prophetengestalt zurück als Kap 1-39
-denkbar ist auch eine Gruppe
-Kap 40-66 könnte aber auch ursprünglich ein eigenes Buch gewesen sein
-hiergegen spricht, dass 40ff. über keinen eigenen Buchanfang verfügt
-evtl. war 40ff. auch als Anhang zur Jeremiaüberlieferung konzipiert
A. Bibelkundliche Erschließung
Gliederung:
40-55
40,1-11
40-48
49-55
42,1-4; 49, 1-61; 50,4-9; 52,13-53,12
56-59
56
57,14ff.
58
59
60-62
60
61
62
63-66
63f.
65f.
Prolog
Schwerpunkt Kyros
Schwerpunkt Zion
Gottesknechtslieder
Zulassung von Ausländern; Anklagen
Trostworte
Fastenpredigt
Sünde des Volkes als Heilshindernis
Herrlichkeit Zions
Predigt Zions („Ich“)
Beschleunigung der Verherrlichung Zions
Gericht in Edom; Klagegebet
Antwort auf Gebet
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
1. „Deuterojesaja“ und „Tritojesaja“
-problematisch ist die Unterteilung von IIJes in Kap. 40-55 („Deuterojesaja“) und Kap 56-66
(„Tritojesaja“)
-Intention: unbedingte Heilprophetie (40-55) vs. mahnende Worte (56ff.)
-Gegenargument: Kap 56ff. geht nicht auf die vomals mündliche Verkündigung eines
eigenständigen Propheten („Tritojesaja“) zurück; Kapitel sind schriftgelehrter
Tradentenprophetie zuzuschreiben
-existierten nur als Buch
2. Großjesajanische Redaktionen
-neben literarischem Wachstum ist auch in 40-66 mit Texten zu rechnen, die für ein
Großjesajabuch, das bereits IJes und IIJes zusammen umfasst, geschrieben wurden
-evtl. Parallelen in 51,1-11 und 62,10-12 mit verbindendem Kapitel 35
C. Entstehung des Zweiten Jesaja
1. Die Deuterojesaja-Grundschrift
-Grundschrift mit Textanteilen v.a. in 40-48
-hebt sich von vorangegangener Schriftprophetie Israels ab, indem sie uneingeschränkt Heil
verkündigt
-durch JHWH ist das Heil fest beschlossen
-Differenz von himmlischem/göttlichem Beschluss und irdischer Realisierung finden
Niederschlag in „Heilsperfekta“: In 40ff. kann von noch ausstehenden Heilssetzungen
deswegen im Perfekt gesprochen werden, weil sie bei Gott bereits besiegelt sind; Bps.:
„Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott“ (Jes, 40,1-5)
87
-Gericht über das Volk ist vorbei; neue Heilsgeschichte bricht an
-kein König mehr für Israel vorgesehen
-Einordnung ins Perserreich als göttliche Heilssetzung
-Grundschrift wohl noch vor der kampflosen Einnahme Babylons durch Kyros 539 v.Chr.
verfasst; Hinweis durch Prophetie des Niedergangs Babylons (Kap. 46f.)
2. Redaktionelle Erweiterungen
-h.M.: Entstehung von Jes 40ff. komplex verlaufen
-innerhalb von 40-55 Zusätze durch Götzenpolemik, Zionstexte in 49-55 und
Gottesknechtslieder (s.o)
3. Die Gottesknechtslieder
-seit B. Duhm als durch Sprache und Thematik zusammenhängend entstandene Texte, die
aufgrund ihrer im Zentrum stehenden Person („mein Knecht“) als „Gottesknechtslieder“
bezeichnet werden
-innere Verwandtschaft bleibt, trotz mittlerweile strittiger Entstehungsgeschichte ein wichtiger
Befund
-viertes Lied blickt auf Tod des Knechts zurück (im Ggs. zu übrigen drei)
-Identität des Gottesknechts als Frage in der Exegese: Wer ist mit dieser Figur gemeint?
-kollektiv: Knecht als das Volk Israel
-individuell: einzelne Propheten, vllt. Deuterojesaja selbst oder Jojachin, Serubbabel,
Kyros oder Gestalten der Überlieferung wie Mose oder Jeremia
-autobiographische Deutung scheint die ursprünglichste zu sein
-später dann Kyros oder Volk Israel
D. Theologie des Zweiten Jesaja
1. Die Erwählung des Kyros
-Ausrufung des Perserkönigs Kyros zum „Gesalbten JHWHs“ (45,1)
-Ein „Ausländer“ wird in die Geschichte des Volkes eingebunden; legitimer Herrscher von
Gottes Gnaden
-Parallelen durch Fund des Kyros-Zylinder: Kyros als Auserwählter des babylonischen
Hauptgottes Marduk
2. Monotheismus
-strenger Monotheismus, der nur JHWH als Gott anerkennt
-„Ich bin JHWH und keiner sonst, außer mir gibt es keinen Gott“ (Jes 45,5)
-exklusiver Monotheismus
-exklusiver Glaube an einen Gott findet hier erstmals eine explizite Ausgestaltung (1. Gebot
schließt Existenz anderer Götter ja nicht aus, sondern setzt sie voraus)
3. Schöpfungstheologie
-Bei Deuterojesaja ist grundsätzlich alles Gotteshandeln als Schöpfungshandeln zu versehen
-göttliche Geschichtstaten sind Schöpfungsakte (40,12-16.21-26; 42,5; 43,18; 44,24; 45,711.18; 47,13; 49,8; 50,2f.; 51,13; 55,9f.)
4. Alter und neuer Exodus
-alte Heilstraditionen mussten überdacht werden
-Herausführung Israels aus Ägypten besitzt für Deuterojesaja keinerlei Heilsrelevanz
-alter Exodus führte schließlich zur Unheilsgeschichte, die im Verlust des eigenen
Landes gipfelte
-für Deuterojesaja wird es einen neuen Exodus, nun aus Babylon gegen, der den alten weit
überbieten wird
88
-JHWH wird selbst aus Babylon ausziehen, dem das Volk dann nachziehen wird
-neuer Exodus stiftet neues Verhältnis von Gott zu seinem Volk
5. Israel als Erzvätervolk
-Erzväterüberlieferung aufgrund der in ihr verankerten Landverheißung einzige Heilstradition,
die für Deuterojesaja noch theologische Relevanz hat
-Verstärkung des Gedankens u.a. in 41,8-10: „Du aber, Israel, mein Knecht, Jakob,
mein Auserwählter, du Spross Abrahams...fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir!
Blicke nicht ängstlich, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark, ja ich helfe dir; ich
halte dich mit meiner sieghaften Rechten.“
-Anders als Exodustradition mit der ihr eingestifteten „deuteronomistischen“ Gesetzestheologie
bieten die Erzväterüberlieferung gerade für den Exilstatus Israels eine wichtige
Orientierungsfunktion
-Das Volk rückt in die privilegierte Stellung eines Königs
89
§ 10. Das Jeremiabuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Jeremiabuch ist in zwei unterschiedlichen Anordnungen überliefert
-hebräische Fassung: Fremdvölkerorakel am Ende
-gr. Fassung: Fremdvölkerorakel in der Mittel
-Gliederungen:
Hebräische Fassung
Griechische Fassung (LXX)
(nach hebr. Zählung)
1-25
Worte gegen Juda und Jerusalem
1-25
Worte Gegen Juda und Jerusalem
26-45 Erzählungen, darin Heilsworte (30-33) 46-51 Fremdvölkerworte
46-51 Fremdvölkerworte
26-45 Erzählungen, darin Heilsworte (30-33)
52
Geschichtlicher Anhang
52
Geschichtlicher Anhang
-neben inhaltlicher Anordnung auch Unterschiede im Textumfang: hebräische Fassung ist um
ca. 3000 Wörter länger
-für Jer ist durch LXX belegt, dass sie in atl. Zeit in zwei Buchfassungen umlief
-Bestätigung auch durch Qumranfunde (6 Buchrollen, zwei stehen der LXX nahe)
-in der gr. Fassung sah man aufgrund des Umfangunterschieds die ursprünglichere Fassung,
während man die hebräische Version demgegenüber als eine Weiterentwicklung betrachtete
-Argument: „dreigliedriges eschatologisches Schema“ (O.Kaiser)
-findet sich in IJes, Ez und Zef und eben bei LXX-Fassung von Jer
1. Gerichtsworte gegen das eigene Volk
2. Gerichtsworte gegen Fremdvölker
3. Heilsworte für das eigene Volk
-Argument würde, so Gertz, eher darauf hinweisen, dass LXX Fassung die jüngere ist:
„Im Verlauf der Überlieferung ist eher damit zu rechnen, dass Angleichungen
vorgenommen werden (lectio difficilior lectio probabilior)
-h.M.: gr. Kurztext stellt ggü. dem hebräischen Langtext eine ältere Stufe der Textentwicklung
dar
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Duhm unterscheidet drei Stufen der Entstehung des Buches:
1. ältester Bestand: Gedichte Jeremias in Kap. 1-25
2. Buch Baruchs (benannt nach dem Schreiber Baruch [Jer 32.36.45]) in Kap. 26-45
3. letzter Teil (46-51) - Fremdvölkerworte
-Duhm brach mit der Meinung, dass Jeremia der wesentliche Verfasser seines Buches sei;
Verkündigung des Propheten wurde dadurch begrenzt
-Jeremiabuch setzt sich aus vier Entstehungsschichten zusammen (nach Mowinckel):
 A: Worte Jeremias
 B: Erzählungen über Jeremia
 C: Prosareden im dtr Stil
 D. Heilsworte in Jer 30f.
-neuere Forschung (nach Thiel) nimmt nur noch ein dreistufiges Modell an:
 1. Jeremianische Texte
 2. Deuteronomistische Redaktionstexte („D“)
 3. Postdeuteronomistische Redaktionstexte („PD“)
-zu beachten gilt: Thiels D ist keine einheitliche Redaktionsschicht, sondern in sich
differenziert
-Bei aller Komplexität des Jeremiabuches lässt sich dieses erkennen, dass es sukzessive auch
als Buch redaktionell gestaltet worden ist!
90
C. Entstehung des Jeremiabuches
1. Die Unheilsklagen als älteste Texte:
-tauchen in den prophetischen Teilen des Buches auf, d.h. in Jer 1-25 und in Jer 46-51
-Klagetexte in Jer 4-10
-sind wohl im Umfeld der Katastrophe Judas und Jerusalems 587/6 v.Chr. zu
verorten
-wenden sich gegen die Jerusalemer Zionstheologie, die dominante theologische
Konzeption am ersten Tempel, die von der Uneinnehmbarkeit des Zion wegen
der Präsenz JHWHs ausging
2. Von der Klage zur Anklage:
-Wechsel von der Klage zur Anklage
-geschieht durch Schuldvorwürfe an eine 2. Pers. Sg. fem. angeredete Größe: Jerusalem
-Jerusalem wird hier als Prostituierte gesehen, die sich herausputzt, die Liebhaber hatte,
die sich nun aber gegen sie selbst wenden und sie vergewaltigen
-tauchen in Jer 2 und v.a. in 4-10 auf
-Schuldanklagen richten sich gegen eine falsche Bündnispolitik Judas
-Jerusalem vertraute nicht auf JHWH, sondern paktierte mit fremden Mächten
3. Die Zeichenhandlungen:
-prophetische Zeichenhandlungen, die die Schuldtheologie (s.o unter 2.) voraussetzen
-Jer 16: Jeremia soll ehelos bleiben, da Söhne und Töchter im kommenden Gericht
umkommen werden
-Jer 19: Jeremia soll einen Krug zerschmettern - ebenso wird Juda zerschmettert
-Jer 32: Ackerkauf weist auf Entzogenheit des Landes auf lange Zeit hinaus
-Zeichenhandlungen sind alle in 1. Ps. Sg. formuliert
4. Die Königskritik:
-Königsaussagen in Kap. 21-23: Jeremia ist als Kritiker am judäischen Königshaus aufgetreten
-falsch ist die Aussage, dass Jojakim nach seinem Tod nicht begraben werde (widerlegt durch
2Kön 24,6)
5. Das erzählende Gut der Jeremiaüberlieferung:
-Jer 26-45 war nicht ursprünglich zusammenhängen formuliert, sondern wurde im Nachhinein
kompositorisch zusammengefügt
-Jer 37-45 erzählt die Ereignisse kurz vor dem Untergang Jerusalems bis zur Abwanderung
einer Flüchtlingsgruppe nach Ägypten mitsamt Verschleppung Jeremias
6. Das Problem einer deuteronomistischen Redaktion:
-Jeremiabuch weist Textpassagen aus Dtn und Jos-2Kön auf
-strittig ist, ob und wann es sich um deuteronomistische Redaktion handelt
-Maßstab: Erzählungen über Kultuseinheit und Kultusreinheit)
-klassische Passagen wären dann in Jer 7-25 zu finden (Vorwurf der Abgötterei in Jer 8)
7. Heilsworte im Jeremiabuch:
-Heilsweissagungen in Kap. 30-33
-früher: Frühzeitverkündigung Jeremias an das Nordreich; v.a. Anrede an Efraim wurde in
diesem Sinn ausgewertet
-situiert wurden die Texte in die Joschijazeit (639-609 v.Chr.)
-Jer soll ehemaligem Nordreich in einer Zeit Heil angesagt haben, in der König Joschija
das Südreich auch wieder partiell auf Territorien des Nordreichs ausweiten konnte und
so Hoffnung auf Wiedervereinigung von Israel und Juda aufkeimen konnte
91
-Probleme: Jer 30f. sagt nicht nur für Efraim Heil an, sondern für Jakob als eines der
Zwölfstämmevölker, also Israel insgesamt; eine von Gott abgefallene Stadt darf nach
Jeremia nicht wieder aufgebaut werden (nach Dtn 13,17)
-bei diesen Texten handelt es sich um schriftgelehrte Tradentenprophetie
-im Verlauf des Exils sind Heilshoffnungen entstanden, die sich in Jer 30f.
niedergeschlagen haben
-besondere Stellung der Texte: gehören zu den ersten und ältesten Heilsprophetien im
AT, die nach der Katastrophe formuliert werden
8. Die so genannten „Konfessionen Jeremias“:
-in Jer 11, 18-23; 12,1-6; 15,10-21; 17,14-18; 18,18-23 und 20,7-18 finden sich Klagen des
Propheten über seinen Beruf und die Anfeindungen, mit denen er kämpfen muss
-erinnern formgeschichtlich an Klagelieder des Einzelnen im Psalter
-wurden in Analogie zu den confessiones Augustins als „Konfessionen Jeremias“
bezeichnet
-sehr unwahrscheinlich, dass Konfessionen Jeremias etwas mit den Leiden des
historischen Propheten selbst zu tun haben; es handelt sich eher um redaktionelle
Vergewisserungstexte, die an die Person Jeremias angeschlossen worden sind
D. Theologie des Jeremiabuches
1. Klage und Anklage:
-auf hereinbrechende Katastrophe wurde zunächst mit Klagen und erst in einem zweiten Schritt
mit Anklagen gegen Jerusalem und später gegen das Volk reagiert
-Schuldtheologie der Prophetenbücher ist folglich nach und nach entwickelt worden
-Jeremiabuch zeigt, dass die Reaktion der Klage für das antike Israel im Vordergrund
gestanden hat
-Katastrophe lässt zwar die traditionelle Orthodoxie, die Zionstheologie, scheitern, nicht
aber die Möglichkeit des Sprechens mit Gott überhaupt
2. Umkehr:
-Jer dokumentiert verpasste Umkehr Judas und Jerusalems
-Jer formuliert zunächst Geschichtstheologie, die in prophetischer Perspektive eine Ätiologie
für die nationale Katastrophe von 587/6 v.Chr. darstellt
-Umkehrthematik scheint insgesamt literarhistorisch jünger zu sein als die
Gerichtsankündigung
-Umkehrthematik scheint in nachexilischer Zeit nach und nach verstärkt worden zu sein, um
das Ausbleiben der Heilsperspektiven von Jer 30-33 zu erklären
3. Das Leiden des Propheten:
-dass unterschiedliche Tradentengenerationen die Leidensthematik aufgegriffen und weiter
geschrieben haben, zeigt das übergreifende Identifikationspotenzial, das diesen Aussagen
innewohnt
4. Neuer Bund:
-einer der berühmtesten Texte ist hier Jer 31,31-34; wurde später besonders für das Christentum
wichtig
-JHWH wird in absehbarer Zukunft („Siehe, Tage kommen...“) Israel sein Gesetz ins
Herz geben und so keiner den anderen mehr zu belehren braucht
-wahrscheinlich nur eine Formulierung und Aufforderung, dass jeder im jüdischen Volk das
Gesetz lernen und halten soll, sodass alle Juden Schriftgelehrte sind
-wurde deuteronomistisch gedeutet (dennoch Gegensatz zum Lehren der nachfolgenden
Generation nach Dtn 6,4f.) ist daher wohl eher priesterlichen Ursprungs
92
-Text vertritt antideuteronomische Theologie in deuteronomistischer Sprachgestalt
-gehört in die ausgehende Perserzeit (4. Jh. v.Chr.)
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-innerbiblisch Verknüpfung mit Ezechielbuch
-Aufnahme auch in Chronikbuch (2Chr 35,25; 2Chr 36,13)
-Gedanke des neuen Bundes im Christentum breit rezipiert
-romanhafte Adaption durch „Höret die Stimme“ - 1937
93
§ 11. Das Ezechielbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
1. Buchstruktur:
-bis auf Überschrift in 1,3 und Notiz in 24,24 durchgängig als Ich-Bericht stilisiert; konstituiert
sich als Autobiographie Ezechiels
-Gliederung:
1-24
25-32
33-39
40-48
Gerichtsworte gegen Gerichtsworte gegen Verheißungen für das „Verfassungsentwurf
das eigene Volk und
Fremdvölker
eigene Volk
Ezechiels“
gegen Jerusalem
-wieder taucht hier das „dreigliedrige eschatologische Schema“ (s.o.) auf
-Abfolge des Schemas geht einher mit dem Motiv der Stummheit des Propheten:
-für Zeitraum der ersten Deportation von Jerusalemern durch die Babylonier im Jahr
598/7 v.Chr. bis 587/6 v.Chr., der Zerstörung Jerusalems und der zweiten Deportation
bleibt der Prophet stumm (bis auf die Gottesbotschaften, die er mitzuteilen hat), damit
er keine Strafreden hält (3,26; 24,27); erst nach dem endgültigen Fall Jerusalems wird
seine Stummheit aufgehoben (33,22)
2. Formelwerk:
-auffällig ist im Buch der formelhafte Sprachgebrauch:
 Wortereignisformel („und es geschah das Wort JHWHs an mich“)
 Botenformel („so spricht JHWH“)
 Gottesspruchformel („Spruch JHWHs“)
 Wortbekräftigungsformel („denn ich, JHWH, habe gesprochen“)
 Herausforderungsformel („siehe, ich bin gegen dich“)
 Erkenntnisformel („erkennen, dass ich JHWH bin)
3. Chronologie
-strikte Chronologie weist auf priesterlichen Hintergrund des Buches hin
-besonderes Interesse an Datierung
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige:
-innere Geschlossenheit verleitet dazu, Ez für literarisch einheitlich zu halten und es entweder
als Autobiographie oder als Pseudepigraph eines Späteren zu bestimmen
-These, dass Ez kein literarisches Wachstum durchlaufen hat, ist unhaltbar
-neueste Forschung beschäftigt sich mit der literargeschichtlichen Entwicklung des Buches als
solche und die Beschreibbarkeit der in ihm vorfindlichen theologischen Konzeptionen
-Begriff der „Fortschreibung“ wichtig!: bestehende Texte werden nach und nach um
explizierende oder korrigierende Kommentare erweitert
-evtl. Wirken einer Ezechielschule
C. Entstehung des Ezechielbuches:
1. Gola- und diasporaotientierte Texte:
-Ez ist besonders mit der babylonischen Gola 597 v.Chr. verbunden
-Prophet gehört der Gruppe der Deportierten an
-Wirken des Ezechiel, eines Priestersohnes, beginnt im Exil (Ez 1,3) im Alter von 30
Jahren
-in Gerichtstexten Ez 12ff. wird klargestellt, dass selbst diejenigen, die die Katastrophe
Jerusalems überlebt haben, verworfen sind
94
-im Hinblick auf die Gola gehören die Visionen, die sog. „Gottesgesichten“ in Ez 1-3
(Thronwagenvision), Ez 8-11 (Entrückung nach Jerusalem), Ez 37 (Auferweckung Israels) und
40-48 (Verfassungsentwurf) zum festen Bestand des Buches
-Ez verfügt mit der golaorientierten Redaktion über dasselbe redaktionelle Programm wie das
Jeremiabuch. Vermutlich ist Jeremia von Ezechiel her beeinflusst, da Ez von vorneherein
biographisch mit der babylonischen Gola verbunden ist und deshalb auch zur Leitfigur von
deren theologischem Programm wurde
2. Die Frage nach den ältesten Texten:
-älteste Einzeltexte in den Gedichten Ez 19/31, die noch ganz ohne Bezug auf JHWH über die
eingetretene Katastrophe klagen und die auf Jerusalemer Kreise zurückgeführt werden
-dennoch auch dies umstritten
3. Protoapokalyptische Bearbeitungen in den Visionen:
-in Visionstexten Ez 1-3; 8-11; 37; 40-48 finden sich bereits Eigenheiten der späteren
Apokalyptik:
 Himmel öffnet sich (1,1)
 Mittlergestalt tritt auf (40,3) und sichert das Verständnis des Geschauten
D. Theologie des Ezechielbuches
1. Die „Herrlichkeit (kabod) JHWHs“:
-Auseinandersetzung mit der traditionellen Zionstheologie
-Parallele zu Jeremia („Tochter Zion“)
-Zusammenbruch der Zionstheologie wird konstatiert
-Aufgrund der Freveltaten Judas und Jerusalems zieht sich die Präsenzgestalt JHWHs im
Tempel, seine „Herrlichkeit“, aus dem Tempel zurück und bewegt sich auf den dem
Tempelberg gegenüberliegenden Ölberg
-Jerusalem und sein Tempel sind Feinden schutz- und heillos ausgeliefert
2. Reinheit und Unreinheit:
-Kategorien Reinheit und Unreinheit spielen eine wichtige Rolle (bpw. soll Ezechiel in 4,12-15
Brot auf Menschenkot backen)
-Priesterlicher Hintergrund des Buches wird deutlich: Für Volk wie Prophet gilt das Gebot, sich
rein zu halten
-Besondere Schärfe liegt in Kap. 16 und 23 (Stadt Jerusalem als Frau)
3. Kollektive und individuelle Vergeltung:
-Kap. 18 wird als Wendepunkt von der älteren Sippenhaft zur konsequenten Individualhaftung
in der altisraelischen Rechtsgeschichte angesehen.
-Achtung: hier geht es nicht um menschliches Strafrecht, sondern um die Frage
göttlicher Gerechtigkeit!
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte:
-atl. Zeit: Sonderstellung
-in Qumran wurde eine pseudoezechielische Schrift bezeugt
-NT: Einarbeitung des Ezechielbuches in die Offb. (Gog und Magog-Prophezeihung aus Ez 38)
95
§ 12. Das Zwölfprophetenbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-die sog. zwölf „kleinen Propheten“ zählten antik als ein Buch
-Qumran: Hos-Mal standen auf einer Rolle
-masoretischer Text scheint bestrebt zu sein, XII entsprechend Jes, Jer, Ez chronologisch zu
ordnen, wären LXX zusätzlich versucht, das „dreigliedrige eschatologische Schema“
abzubilden:
Anordnung hebräische Bibel
Anordnung griechische Bibel
8. Jh
Jes
7. Jh./(6. Jh.)
Jer
6. Jh.
Ez
Hos
Joel
Am
Ob
Jon
Mi
Nah
Hab
Zef
Hag
Sach
Mal
Gericht gegen Israel
Hos
Am
Mi
Joel
Ob
Gericht gegen Völker
Jona
Nah
Heil für Israel
Hab
Zef
Hag
Sach
Mal
B. Literarhistorische Beobachtungen zum Buch der zwölf Propheten insgesamt
1. Das Zwölfprophetenbuch als redaktionelle Einheit:
-Stichwortberührungen zwischen den Rändern der Teilbücher schaffen lockere Vernetzung
-diese Berührungen wurden wahrscheinlich bewusst geschaffen
-Zusammenstellung der XII auf einer Rolle ist ein vorkanonischer und nicht erst
nachkanonischer Vorgang
-h.M.: Man hat bemerkt, dass Abstimmung der Prophetenbücher recht früh begann und
mitunter auch die Darstellung der ältesten Texte eines Buches mitprägt
-J. Jeremias: schriftliches Amosbuch hat es ohne Beeinflussung durch Hosea nie gegeben
-Hos-Worte haben die Buchwerdung des Amos von allem Anfang an gesteuert
2. Hinweise auf Vorstufen:
-XII ist nicht in einem Zug aus Einzelschriften kompiliert worden
-XII gingen ältere Teilsammlungen voraus
-deutliche Zusammengehörigkeit von Hos/Am und Hag/Sach 1-8, Nah/Hab
-entstehungsgeschichtlich Hos/Am als älterer Kern (8. Jh. v.Chr.) und Hag/Sach(Mal) als
jüngerer Kern aus dem 6. Jh. v.Chr.
3. Redaktionelle „Bücher“ im Zwölfprophetenbuch:
-einzelne Bücher der XII scheinen nicht auf prophetische Einzelgestalten zurückzugehen
-Bei Maleachi (Kunstname „mein Bote“) der Fall
-wurde redaktionell aus der Sachajaüberlieferung ausgegrenzt
-Zwölfzahl wurde evtl. bewusst generiert:
 drei Erzväter entsprechen die Propheten Jes, Jer, Ez
 zwölf Stämme Israels entsprechen den XII
4. Parallelisierungen mit dem Jesajabuch:
-neuere Prophetenforschung fand heraus, dass Jes und XII offenbar sachlich und literarisch
aufeinander abgestimmt wurden
96
-auffällig wird dies bei Jes 1,1 und Hos 1,1
-ebenso bei Jes 13 und Joel 2
-am Ende der Bücher Jes 66,18ff. und Sach 14,16ff.
97
§ 12.1 Das Hoseabuch
A. Bibelkundliche Erschließung
Gliederung:
Hose 1-3
1,2-2,3
2,4-2,25
3,1-5
Hos 4-11
4,1-3
4,4-19
5,1-7
5,8-7,16
8,1-14
9,1-10,15
11,1-11
Hos 12-14
12
13
14,2-9
Fremdbericht
Gottesrede
Selbstbericht
Prolog
Zwei parallele Spruchkompositionen zum
„syrisch efraimitischen Krieg“
Zwei parallele Spruchkompositionen zu
Ereignissen und Folgen des Kriegs
Mahnung
Geschichtsrückblick mit Heilsperspektive
Jakob oder Mose?
Schuld Efraims
Abschließende Heilsverkündigung
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Hos ist literarisch komplex gewachsene Größe
-Prophet Hosea hat offenbar im 8. Jh. im Nordreich Israel gewirkt, sein Buch ist aber zugleich
an judäische Leser adressiert
-Botschaft ist also nach dem Untergang des Nordreichs für Juda literarisch aktualisiert
worden
-Personenwechsel (2./3. Pers. Pl) könne auch Hinweis auf gestuftes Textwachstum sein
-Textgut des Hos im Korpus des Buches (Kap. 4-11) ist nicht einfach aus Einzelstücken
entstanden, sondern in einen durchlaufenden Leseablauf eingepasst worden
C. Entstehung des Hoseabuchs
1. Hos 4-9 (10f.) als Kern des Buchs:
-über historische Person Hoseas und seine prophetische Tätigkeit ist kaum etwas bekannt
-älteren Texte in Hos dürften in Hos 4-9 (10f.) zu finden sein, die kompositionell als
zusammenhängen gestaltet sind
-generell finden sich wenig Formeln in Hos, stattdessen strukturgebende Imperative:
 Schuldaufweis
 Gericht
 Folge
 Mahnung
2. Hos 12-14:
-Hos 12 unterscheidet die Jakob- und Mose-Tradition als Ursprungsüberlieferungen
-Hos 14 bietet einen heilsprophetischen Ausblick im Stil der perserzeitlichen Erwartungen
(weisheitliche Sentenz des Buches)
3. Hos 1-3:
-umstritten, ob Kapitel je für sich entstanden und auch getrennt voneinander überliefert wurden
-traditionelle Annahme stützt sich auf die Tatsache, dass jedes der drei Kapitel über einen
eigenen, sekundären Heilsabschluss verfügt (2,1-3; 2,16-25; 3,5)
4. „Amossprache“ im Hoseabuch:
-Hos bietet Ankänge an Amos:
 Doxologie in Hos 12,6
98

generelle Botschaft des Amos in Hos 4,15; 7,10; 8,14
D. Theologie des Hoseabuchs
1. Erkenntnis Gottes
-fehlende Gotteserkenntnis Israels bezieht sich zunächst auf politische Verhältnisse, verfehlte
Bündnispolitik und verfehlter Kult
-dies kann auch als „Vergessen“ JHWHs bezeichnet werden
-„Erkenntnis Gottes“ als heilszeitliche Qualität Israels wird in Aussicht gestellt (2,22 u.a.)
-„Erkenntnis“-Thematik kann als Leitfossil der theologiegeschichtlichen Entwicklung des
Hoseabuches gesehen werden
2. JHWH-Baal-Thematik:
-Konflikt zwischen JHWH und Baal prägt große Teile des Hoseabuches
-Hos verteidigt den israelitischen JHWH gegen den kanaanäischen Baal
-religionsgeschichtlich dürfte dieser schroffe Gegensatz nicht bestanden haben
3. Ehemetaphorik
-Ehemetaphorik wird für die Darstellung des Verhältnisses zwischen Gott und Israel benutzt
-altorientalischer Hintergrund ist hier zu bedenken: Ehebruch ist ein gängiges Bild für
zerrüttete Beziehungen zwischen einem Gemeinwesen (Stadt/Staat) und der
zugeordneten Gottheit aufgrund von Bündnispolitik mit fremden Mächten
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Einflüsse Hoseas auf das Dtn
-starke Beachtung in Qumran
-NT Einzelwort aus Hos 6,6: „Denn an Liebe habe ich Wohlgefallen und nicht an
Schlachtopfern, und an Gotteserkenntnis mehr als an Brandopfern“)
99
§ 12.2 Das Joelbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Gliederung:
1,2-2,17
Prophetischer Aufruf zu
Klage und Buße
Rückblick auf Heuschreckenplage und Dürre (1,14 Refrain)
Unmittelbar bevorstehende militärische Katastrophe (2,15
Refrain)
Ende der Not, neuer Segen (2,27 Refrain)
2,18-4,21
Gottesrede mit
Heilsverkündigung für
Rettung und Verschonung am „Tag JHWHs“ (4,17 Refrain)
Jerusalem und Juda
-Stellung im Kanon verdankt sich wahrscheinlich den markanten Bezügen des Buchschlusses
zu Amos
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Hauptproblem ist die entstehungsgeschichtliche Zuordnung der beiden Hauptteile
-Heuschrecken- und Dürremotiv
-neuerdings geht man von einer gestuften Textentstehung aus
C. Entstehung des Joelbuchs
-ältere Forschung: Datierung in die vorexilische Zeit
-Durch Anhaltspunkte im Buch (Diaspora etc.) ergibt sich als frühester Entstehungszeitpunkt
die Perserzeit
-durch Weltgerichtsthematik ist sogar der Zusammenbruch des Perserreiches schon
vorausgesetzt, folglich ist mit einer Entstehung erst im 3. Jh. v.Chr. zu rechnen
-Joel entstand wohl als schriftgelehrte Prophetie und hatte keine Vorstufe in einer mündlichen
Verkündigung
D. Theologie des Joelbuchs
-Motiv des „Tages JHWHs“ (Joel 1,15; 2,1.11; 3,4; 4,14)
-traditionell eher dem Kriegswesen zugeordnete Begrifflichkeit
-bezeichnete wohl das Kommen und Eingreifen JHWHs in das Kampfgeschehen
-Joelbuch meint mit „Tag JHWHs“ eher die Qualifizierung der eigenen, unheilvollen
Gegenwart, die vor dem Hintergrund der Zukunft, also des Tages JHWHs hervortritt
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Tag JHWHs in apokalyptischen Texten (Offb 6,12.17)
-Geistausgießung v.a. im Pfingsttext des NT (Act 2)
100
§ 12.3 Das Amosbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Amos ist evtl. erst relativ spät von seinem ursprünglichen Vorgänger Hosea getrennt worden
-Gliederung:
Am 1.f
Am 3-6
Am 7-9
Völkersprüche
Gerichtsworte
Visionen
-Völkersprüche laufen auf die Israel-Strophe zu, die die öfter auftretenden „vier Frevel“
spezifiziert, die zum Gericht am betreffenden Volk führen:
 „weil sie den Unschuldigen um Geld verkaufen“
 „sie treten in den Staub das Haupt der Geringen“
 „Sohn und Vater gehen zur Hure“
 „sie strecken sich aus auf gepfändeten Kleidern“
-Auch bei Visionen liegt auf der letzten Vision, die JHWH den Zugang zum Heiligtum
verwehren lässt und so Israel seiner letzten Heilsmöglichkeit beraubt, der Schwerpunkt
-Parallelführung von Völkersprüchen und Visionen:
Völkersprüche Am 1f.
Visionen Am 7-9
Strophe I & II
1,3-5: Damaskus
7,1-3: Heuschrecken
1,6-8: Gaza
7,4-6: Feuer
1,9-12: Tyros, Edom
Strophe III & IV
1,13-15: Ammon
7,7f.: Zinn
7,9: Abstimmung mit Hos
7,10-17: Wegweisung des Amos vom
Heiligtum in Bethel
Strophe V
2,1-3: Moab
8,1f.: Korb mit Obst
2,4f.: Juda
8,3.4-14: Gerichtsworte
2,6-8: Israel
9,1-4: Altar
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Amosbuch ist eine literarisch gewachsene Größe
-Datierung mit Königsnennungen (aus Israel und Juda!) in Am 1,1f.
-Korrespondenz von Völkersprüchen und Visionen deutet darauf hin, dass in den
Völkersprüchen drei Strophen nachgetragen wurden
-umgekehrt ist auch Visionszyklus durch intervenierende Stücke erweitert worden
-Buch hat eine judäische Redaktion erfahren
-Amos bot sich außerdem für eine Überarbeitung in „deuteronomistischem“ Sinn an, weil er
der Prophet war, der in der Zeit des Untergang des Nordreichs wirkte
-Heilsausblick am Ende (9,11-15) spielt auf Abbruch der Davidsdynastie an und setzt
Ereignisse von 587 v.Chr. voraus.
C. Entstehung des Amosbuchs
-Prophet Amos lebte in der ersten Hälfte des 8. Jh. v.Chr. im judäischen Tekoa
-wirkte aber im Nordreich Israel, in Bethel, nahe an der Grenze zu Juda
-laut Buchüberschrift wirkte Amos unter Jerobeam II. (785-745 v.Chr.) als Prophet, also vor
der assyrischen Bedrohung, die mit der Thronbesteigung Tiglat-Pilesers III. im Vorderen
Orient akut wurde
-Amosbuch ist maßgeblich von der Katastrophe 722/1 v.Chr. geprägt; wurde in Juda überliefert
-Komposition in Am 3-6 weist große Verwandtschaft zu Hos 4-11 auf
-älteste Stücke des Buches in 7-9 und in 3-6 (hier in einzelnen Texten)
-auf Untergang Judas und Jerusalems reflektieren deuteronomistisch geprägte Passagen
(1,10ff.; 2,4f.9-12 u.a.)
101
-allerdings keine fraglose historische Ansetzung der Texte in die ersten Jahrzehnte nach
dem Untergang Jerusalems 587 v.Chr.; Deuteronomisten lassen sich in der gesamten
Theologiegeschichte der Zeit des Zweiten Tempels nachweisen
D. Theologie des Amosbuchs
1. Gerichtsprophetie:
-Präsentation und Apologie der Gerichtsprophetie, die durch Gerichtsdoxologien (1,2; 4,13;
5,8f.; 9,5f.) präzisiert wurde
-Am lässt keinen Zweifel daran, dass das bevorstehende Gericht für Israel unausweichlich ist
-nicht Amos, sondern Gott hat das kommende Unheil beschlossen
-Mittelteil begründet das Gericht sachlich
-Sozial- und Kultkritik stehen als Vorwürfe im Vordergrund
-Aufgrund der sozialen Verfehlungen ist Israel nicht mehr in der Lage, mittels
kultischer Institutionen den Kontakt zu Gott herzustellen
-Unheilsprophetie hat keinen ethischen, sondern einen hermeneutischen Impetus: es geht
darum, die eigene Geschichte zu verstehen
-Selbstbild des Amos: „Ich bin kein Prophet und kein Prophetenjünger, sondern ein Viehhirt
bin ich und ziehe Maulbeerfeigen. Aber JHWH hat mich hinter der Herde weggenommen, und
JHWH hat zu mir gesprochen: Gehe hin und weissage wider mein Volk Israel“ (Am 7,14f.)
-Amos ist keinem König Untertan, sondern von Gott selbst beauftragt
2. Sozialkritik:
-die Zeit, in der Amos im Nordreich wirkte, war grundsätzlich von Prosperität gekennzeichnet,
die allerdings nur bestimmten Bevölkerungsschichten zugute kam
-andere waren in schwerer Not und Abhängigkeit
-Sozialkritik scheint recht universaler Natur zu sein und hat einen weisheitlichen Hintergrund
-Ziel der sozialkritischen Anklagen liegt auf der Aussage, dass jeder Gottesdienst angesichts
der sozialen Korruption der Gesellschaft wertlos ist. Ohne „Ethik“ erledigt sich der
Gottesdienst von selbst, ist Gott damit gar nicht zu erreichen
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-bildet mit Hos zusammen den Keim des späteren XII
-hartes Wort vom „Ende“ (Am 8,1f.) wurde offenbar in die priesterschriftliche Fluterzählung
aufgenommen
102
§ 12.4 Das Obadjabuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-21 Verse insgesamt
-V. 1-15: Gericht JHWHs an Edom
-V. 15-21: Heil für Israel und Zion
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Obd steckt voller literarischer Probleme was dessen Entstehung betrifft
-fiktive Prophetengestalt Obadja? (wörtlich: „Verehrer JHWHs“)
C. Entstehung des Obadjabuchs
-schon in den ältesten Texten ist die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier 587 v.Chr.
vorausgesetzt
D. Theologie des Obadjabuchs
-Verhältnis von Israel und Edom; Erweiterung der Ankündigung des Gerichts um das Volk
Edom
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Problematisches Verhältnis Israel-Edom wird versinnbildlicht an Jakob und Esau
103
§ 12.5 Das Jonabuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Jonabuch enthält eine Prophetenerzählung, stellt also nicht die Verkündigung des Propheten
Jona vor, sondern erzählt von ihm
-weitere Prophetenerzählungen in 1Kön 17ff., Jes 36-39, Jer 26-29.35-45
-Inhalt:
Prophet Jona flieht vor seinem göttlichen Auftrag auf ein Schiff. Dort wird er von einem großen Sturm
ereilt und, als an diesem Sturm Schuldtragender, von den Seeleuten über Bord geworfen. Ein großer
Fisch verschluckt ihn, nach drei Tagen wird er auf das Festland ausgespieen, und nun erfüllt Jona den
an ihn ergangenen Auftrag. Er geht nach Ninive, predigt dort dem Volk, das daraufhin umkehrt, Buße
tut und so Gott zur Rücknahme des Gerichtsbeschlusses bewegt. Der Prophet Jona ärgert sich darüber
sehr und äußert den Wunsch zu sterben. Gott lässt ihm daraufhin einen Rizinus wachsen, über den Jona
sich freut. Alsbald lässt Gott den Rizinus wieder verdorren, was den neuerlichen Ärger Jonas
hervorruft. Der Verlust des Rizinus dient im Abschluss der Erzählung als spiegelbildliche Illustration
des Erhalts Ninives.
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-weitgehend einheitliche Erzählung
-Frage, ob der sog. Jonapsalm (Jona 2) eine nachträgliche Zufügung darstellt?
C. Entstehung des Jonabuchs
-Jonabuch ist erst in der Ptoelmäerzeit (3. Jh. v.Chr.) entstanden
-durchgängig schriftgelehrte Prägung; Berührungen mit gr. Mythologie
-Übernahme des Motivs, dass der Protagonist durch einen Fisch verschlungen und wieder
ausgespieen wird ist einem Sonnenmythos entlehnt:
-Sonne wird nachts von einem Fisch verschluckt und morgen wieder ausgespieen
-Protagonist Jona wird in 2Kön 14,25 erwähnt, wahrscheinlich hat das Jonabuch den Namen
seines Helden daher entlehnt
D. Theologie des Jonabuchs
-Kombination von verschiedenen Theologien
 Verhältnis Israels zu den Völkern
 Gottesfurcht und Umkehr kann dazu dienen, dass Heil auch für die Völkerwelt möglich
ist
 Schuld-Strafe-Syndrom
-Gott ist nicht daran gebunden, Schuld abzustrafen, sondern es gibt einerseits die
Möglichkeit zur Umkehr, andererseits meldet das Jonabuch Bedenken gegenüber dem
Miteinschluss Unschuldiger bei einem Völkergericht (4,11 Kinder und Vieh) als
theologisches Problem an
 kritische Theologie des prophetischen Amtes
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-am breitesten rezipiertes Prophetenbuch der Bibel
-NT: Aufenthalt Jonas im Bauch des Fisches dient dem Bild von Tod und Auferstehung (Mt
12,39f. u.a.)
104
§ 12.6 Das Michabuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-alternierende Abfolge von Unheil und Heil; Gliederung:
1,2-2,11
2,12f.
3,1-12
4,1-5,14
6,1-7,7
7,8-20
Unheil
Heil
Unheil
Heil
Unheil
Heil
Gericht gegen Israel und Juda, Sozialkritik
Heil für den Rest Israels
Zion und Jerusalem als Trümmerfelder
Völkerwallfahrt zum Zion, Schwerter zu Pflugscharen, Messias aus Bethlehem
Lehrrede, Unheilsankündigung gegen Jerusalem
Heil für Jerusalem, Weltgericht
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-dreifacher Durchgang vom Unheil zum Heil entwickelt eine rhythmisierte Geschichtsschau
-authentisches (ältestes ursprüngliches) Gut nur in Mi 1-3
-Texte Mi 4-5 und 6-7 weisen auf gestaffelte Fortschreibungsschübe aus späterer Zeit hin
-psalmenartiges Stück Mi 7,8-20 kommt Abschlussfunktion zu
C. Entstehung des Michabuches
-traditionelle Auffassung: Kern des Buchs in Mi 1-3
-verschiedene Textbestandteile lassen sich mit der Formation des XII insgesamt in Verbindung
bringen (1,3f./Am 4,13; 1,7/Hos 1-3; 7,18/Jon 3,9; 4,2)
-„Wer ist ein Gott wie du?“ spielt offenbar auf den Namen „Micha“ an (Wer ist wie Jah[we]?)
D. Theologie des Michabuches
-Sozialkritik, die ausweislich der gestuften Entstehung des Buches unterschiedliche Missstände
aus unterschiedlichen Zeiten anprangert
-nicht moralisch, sondern geschichtstheologisch profiliert
-es geht nicht primär darum, zur Umkehr zu motivieren, vielmehr begründet es seine
Gerichtsverkündigung
-harsche Unheilsankündigung für Jerusalem (bes. 3,12): Zion wird zum Feld umgepflügt,
Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Tempelberg zur Waldeshöhe
-zentraler Ort der Präsenz Gottes in der Welt wird zunichte gemacht
-dies wäre für das stark in der Jerusalemer Theologie verwurzelte Jesajabuch
undenkbar
-Abfolge von Unheils- und Heilsankündigungen zeigt Wandlung des Willen Gottes im Lauf der
Geschichte, der zuletzt im Heil für sein Volk endet
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Referenz in Jer 26
-NT: künftiger Friedensherrscher in Mi 5,1 kommt aus Bethlehem, der Geburtsstadt Davids
-Friedensbewegung des ausgehenden 20. Jahrhunderts: „Schwerter zu Pflugscharen“
105
§ 12.7 Das Nahumbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Gliederung:
1,1
Überschrift
1,2-8
Akrostichischer (=Text, bei dem hintereinander zu lesende Versanfänge ein Wort, einen Satz
oder eine sonstige Buchstabenfolge (hier Alef-Bet bis Kaf) ergeben) Theophaniehymnus
1,9-2,3
Disputationsrede gegen Juda und Ninive
2,4-3,19 Gericht gegen Ninive
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Nah zeigt vielfach Spuren literarischen Wachstums
-Überschrift in 1,1 bereits doppelt
-auffallend ist „profane“ Gestaltung des Nahumbuches in Nah 2f.
-Untergang Ninives wird nur beschrieben, nicht theologisch gedeutet
-JHWH Passagen in 2,14; 3,4-7 bilden demgegenüber einen Fremdkörper
C. Entstehung des Nahumbuchs
-vormals selbstständige Stücke des dritten Teils bilden den Kern des Buches, der dann
gewachsen ist
-älteste Texte aus Nah 2,2.4-3,19 dürften im Gefolge des Falls Ninives entstanden sein
-möglicherweise bildete Nah zusammen mit Hab ein Zweiprophetenrolle, bevor diese dann in
das XII eingebunden wurde
D. Theologie des Nahumbuchs
-Dichtungen über den Fall Ninives als Belege für die universale Geschichtsmacht Gottes
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-in Qumran fand man einen Kommentar (Pescher) zu Nahum
106
§ 12.8 Das Habakukbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-gliedert sich in zwei Teile mit zwei Überschriften:
Hab 1-2
Hab 3
1,1 Überschrift
3,1: Überschrift
1,2-11: Klage, Antwort Gottes
3,2-19: Theophaniehymnus
1,12-2,5: Klage, Antwort Gottes,
2,6-19: Weheworte
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Hab macht literarisch heterogenen Eindruck, die geordnete Abfolge seiner Teile wurde jedoch
zum Anlass genommen, das Habakukbuch als prophetische Liturgie zu interpretieren, weshalb
mit einer gestuften Entstehung zu rechnen sei.
C. Entstehung des Habakukbuchs
-Hab 1,6 stellt den Propheten deutlich in einen babylonischen Kontext
-Gestalt des Buches gehört wohl in die hellenistische Zeit
-Habakukbuch ist in vielen Teilen verwandt mit Nahumbuch
D. Theologie des Habakukbuchs
-Geschichtsmächtigkeit Gottes, der sich auch die Feinde Israels zu beugen haben
-Klage-Antwort Schema in Hab 1f.
-Problem der Theodizee
-Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, die sonst eher in der Weisheitsliteratur beheimatet ist
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-in Qumran wurde ein Kommentar (Pescher) zum Buch gefunden
107
§ 12.9 Das Zefanjabuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-wird nach dem dreigliedrigen eschatologischen Schema unterteilt
-Aufbau ist allerdings von querstehenden Elementen durchzogen
1,1
Überschrift
1,2f. Weltgericht
1,4-16
Gericht gegen Juda und Jerusalem
1,17f. Weltgericht
2,1-3 Mahnwort
2,4-15
Gericht gegen fremde Völker
3,1-8 Gericht gegen Jerusalem
3,9-20
Heil für Juda und Jerusalem
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Annahme eines gestuften literarischen Wachstums (auch für die Einzeltexte)
C. Entstehung des Zefanjabuchs
-Kern des Buchs in Zef 1 (Anklagen gegen Jerusalem)
-nach 1,1 wäre der Prophet Zefanja in der Joschijazeit (639-609 v.Chr.) aufgetreten, die
schriftliche Fassung seiner Worte setzt aber mit hoher Wahrscheinlichkeit den Untergang Judas
und Jerusalem bereits voraus
-„Armen“-Theologie in 2,1-3 und 3,12f. hat ihren Ort in der nachexilischen Frömmigkeits- und
Sozialgeschichte, eine entsprechende Bearbeitung im XII kennt auch das Amosbuch
D. Theologie des Zefanjabuchs
-Motiv des „Tag JHWHs“
-fürchterliches Gericht am Ende der ganzen Welt
-gleichzeitiges eröffnen einer Heilsperspektive, mit der Einbindung der Völker, die sich
JHWH zuwenden
-„Armen“-Theologie
-sozialkritische Dimension der Option für die Armen
-Gottes Heilswille ist nicht mehr an der dauerhaften Prosperität (=Gedeihen) von König,
Volk und Staat abzulesen, sondern er wird neu qualifiziert als Rettung der Bedürftigen
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Fragmente zweier Kommentare in Qumran
-Zef 1,14f.: Gleichsetzung von „Tag JHWHs“ und „Tag des Zorn“ als biblisches Vorbild der
sog. Sequenz dies irae dies illa in der Totenmesse des Missale Romanum (in Verwendung ab
1570-1962)
108
§ 12.10 Das Haggaibuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-narrative Erzählung mit Sach 1-8 abgestimmt
-Hag+Sach 1-8 bildeten einmal eine zusammenhängende Schrift
-Inhalt:
Es geht zunächst um Widerstände im Volk gegen den Tempelbau: Die im Land verbliebenen
Judäer wehren sich gegen den Wiederaufbau des Tempels, weil sie dadurch eigenmächtig die
Zeit des Gerichts beenden würden (1,4), die heimgekehrten Exulanten dagegen kümmern sich
zunächst um den Bau ihrer eigenen Häuser (1,9-11). In dieser Situation übermittelt Haggai ein
Gotteswort, das eine umfassende Heilsperspektive für den neuen Tempel zusichert (1,15b-2,9);
daraufhin wird die erfolgte Grundsteinlegung des Tempels als neue Epochenschwelle gedeutet
(2,10-19), die von kosmischen Erschütterungen begleitet ist (2,6f.) Abschließend erfolgt eine
messianische Verheißung an Serubbabel.
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-zu unterscheiden ist zwischen Spruchgut und erzählerischem Rahmen
C. Entstehung des Haggaibuchs
-Thematik des Haggaibuchs weist auf eine Entstehung seines Grundbestandes noch vor der
Einweihung des Zweiten Tempels 515 v.Chr. hin
-Haggai wird in Esr 5,1; 6,14 erwähnt, was die Historizität der Person verbürgt
-Aufgrund der expliziten Titulierung Haggais als „Prophet“ hat man angenommen, er sei ein
Kultprophet gewesen, doch lässt sich dies weder beweisen noch widerlegen
D. Theologie des Haggaibuchs
-Neubau des Tempels nach dessen Zerstörung durch die Babylonier als Hauptanliegen
-Tempel nicht bloß Ort des Gottesdienstes, sondern vor allem Ort der Präsenz Gottes
-deshalb wichtig für zukünftiges Heil Judas
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Haggai zusammen mit Sacharja als Promotor des Tempelbauchs
109
§ 12.11 Das Sacharjabuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Sacharjabuch wird in die Zeit des Tempelbaus unter Darius datiert (1,1.7; 7,1)
-gliedert sich in drei Teile 1-8; 9-11; 12-14
-erster Teil schließt eng an das Haggaibuch an
-erster Teil enthält im Wesentlichen die „Nachtgesichte Sacharjas“, die eine
Programmvision eines kultisch erneuterten Jerusalems innerhalb einer befriedeten
Völkerwelt entwerfen. Die jetzige Textgliederung präsentiert acht Nachtgesichte, der
ursprüngliche Zyklus zählte nur sieben (ohne Sach 3)
-Nachtgesichte waren ursprünglich konzentrisch angelegt
-7 Nachtgesichte:
 Reiter und Pferde - Auskundschaftung der ganzen Welt
 Hörner und Schmiede - Entmachtung der Welt
 Mann mit Messschnur - Jerusalem als offene Stadt
 Leuter und Ölbäume - Präsenz JHWHs
 Fliegende Schriftrolle - Reinigung des Landes
 Frau im Efa - Entfernung des Götzendienstes
 Wagen und Pferde - Aussendung in die ganze Welt
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Sacharjabuch ist eine redaktionell gewachsene Einheit
-Sach 9-14 können nicht von demselben Verfasser wie Sach 1-8 stammen
-ab Sach 9: ganz andere Zeitverhältnisse (Tempel ist längst erbaut etc.)
-Nachtgesichte in Sach 1-6, sind im jetzigen Buch um eine zusätzliche Vision in 3,1-5 erweitert
C. Entstehung des Sacharjabuchs
-hinter den drei Buchteilen fand man drei Prophetengestalten, die kongruent zu Jesaja als
„Proto-, Deutero- und Tritosacharja“ aufgefasst wurden
-in der neueren Forschung ist deutlich geworden, dass die Kap. 9-14 auf schriftgelehrte
Tradentenprophetie zurückzuführen sind, weshalb die o.g. Einteilung überholt ist
-Grundbestand der Nachtgesichte in Sach 1-6 dürfte noch vor der Tempeleinweihung 515
v.Chr. entstanden sein
-Texte in Sach 9-14, die Sach 1-8 und Mal kennen und benutzen, lassen sich in die
hellenistische Zeit datieren
D. Theologie des Sacharjabuchs
-Wiederaufbau des Tempels als zentrales Anliegen (v.a. in den Nachtgesichten)
-Jerusalem als Ort der Präsenz JHWHs in einer befriedeten Welt
-in den Nachtgesichten wird der Traum wieder als legitimes Offenbarungsmittel betrachtet entgegen Dtn 13 und Jer 23,25ff; hierzu ist aber ein Deuteengel (angelus interpres) nötig
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-NT: Konzeption eines knechtgestaltigen Messias mit der Vorstellung des auf einem Esel
reitenden Heilskönigs (aus Sach 9,9) in Mt 21,4f. und Joh 12,14f. aufgenommen
110
§ 12.12 Das Maleachibuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-enthält nach Überschrift (1,1) sechs Diskussionsworte (1,2-5; 1,6-2,9; 2,10-16; 2,17-3,5; 3,612; 3,13-21), die ihre Anklagen jeweils unter Einbeziehung des Widerspruchs der Angeredeten
entfalten. Beschlossen wird das Buch durch einen Epilog (3,22-24), der eine weit
zurückreichende Inklusion bis hin zum Anfang des Kanonteils „Propheten“ schlägt (Jos 1,7.13)
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-traditionell wird das Buch auf einen im 5. oder 4. Jh. v.Chr. wirkenden Propheten
zurückgeführt
-neuere Forschung: enge Bezüge zum Sacharjabuch und anderen Texten im AT
-insgesamt handelt es sich daher um späte, schriftgelehrte Tradentenprophetie
-Name Maleachi ist wohl ein Kunstname („mein Bote“
C. Entstehung des Maleachibuchs
-Grundbestand des Buches in 1,12-2,9; 3,6-12
-in den letzten Phasen seiner Entstehung ist das Buch wohl aus der Sacharjaüberlieferung
ausgegrenzt worden
-Zwölfzahl wurde so erreicht
D. Theologie des Maleachibuchs
-mit Tritojesajatexten vergleichbar
-scharfe Anklagen werden erhoben
-soziale und kultische Missstände sind Ursache dafür, dass das Heil Gottes nicht zum
Durchbruch kommen kann
-innerhalb Israels wird zwischen Frevlern und Gerechten unterschieden
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Verheißung der Wiederkehr des Elias wurde im NT in Verbindung mit Johannes dem Täufer
gebracht (Mt 17,1-13; Lk 1,17; Mk 9,11-13)
111
III. Schriften (Ketubim)
-Schriften bilden den dritten Teil der Hebräischen Bibel
-begegnen spätestens seit der griechischen Übersetzung des Buchs Ben Sira (nach 132 v.Chr.)
-Anordnung der Megillot divergiert nach folgenden Prinzipien:
 liturgisch (nach Festtagen), Reihenfolge: Hld, Rut, Klgl, Koh, Est
 chronologisch (orientiert an fiktiver Handlung der Zeit= erzählte Zeit), Reihenfolge
hiernach Rut, Hld, Koh, Klgl, Est
 Reihenfolge der BHS: Ps, Hiob, Spr, Rut, Hld, Koh, Klgl, Est, Dan, Esr-Neh, 1-2Chr
-in christlichen Bibelausgaben sind die Bücher auf die drei Kanonteile (historische, poetische
und prophetische Bücher) verteilt
-literaturgeschichtlich bieten Ketubim Vielfalt von Formen:
 Geschichtsschreibung: Chr, Esr, Neh
 Novelle: Rut
 Roman: Ester
 Tragödie: Hiob
 philosophisches Traktat: Koh
 Anthologie (Zusammenstellung von Texten) von Liebesgedichten: Hld
 Sammlung von Elegien (Trauergesänge): Klagelieder
 religiöse Dichtungen und Gebete: Ps
-entstehungsgeschichtlich stammt Mehrzahl der Schriften aus der persisch-hellenistischen Zeit
(Ausnahme Psalter)
112
§ 13. Der Psalter
-Bezeichnung Psalmen von gr. psalmos („Saitenlied“)
-Judentum Bezeichnung: sepaer tehillim („Buch der Lobpresiungen“)
A. Bibelkundliche Erschließung
1. Aufbau
-Psalter wurde in fünf Bücher untergliedert (Anlehnung an fünf Bücher Mose?)
-Gliederungsmerkmal: Schlussdoxologie, die JHWH preist
-Abschluss des fünften Buches und des gesamten Psalters bildet der Hallelujapsalm 150
-weiteres Gliederungsmerkmal: sekundäre Zuweisungen einzelner Psalmen an fiktive Verfasser
bzw. Gruppen (Bsp. Ein Psalm Davids)
-Gliederung:
1. Buch: Ps 1-41
Tora Ps 1, Messias Ps 2, Psalmen Davids: Ps 3-41
2. Buch: Ps 42-72
Psalmen Korachs, Asafs, Psalmen Davids (51-65 und 67-71)
3. Buch: Ps 73-89
Psalm Salomos (Ps 72), Psalmen Asafs, Korachs, Psalm Davids (Ps 86),
Psalmen Korachs, Psalm Etans
Psalm Moses (Ps 90), Sabbat Psalm (Ps 92), Toda-Psalm (Ps 100),
Psalmen Davids (Ps 101; 103)
Psalmen Davids, Wallfahrtspsalmen (Ps 120-134), Psalmen Davids, Das
messianische Volk (Ps 149), Gotteslog (Ps 150)
4. Buch: Ps 90-106
5. Buch: Ps 107-150
-Themenkomplexe:
Klage- und Bittpsalmen
3-6; 9-14; 22; 25-28
Dank- und Lobspalmen:
135f.; 138; 144-150
JHWH-Königs-Psalmen
93-99
2. Die Zählung der 150:
-unterschiedlich in BHS und LXX
-LXX besitzt einen Psalm mehr als BHS
3. Psalterübergreifende Redaktionsstrukturen:
-Psalter verfügt über doppelten Rahmen:
 außen (Ps 1 / Ps 150)
-dient als Einübung in das Gotteslob (Doxologie)
 innen (Ps 2 / Ps 149)
-Erwartung des Messias und die Hoffnung der weltweiten Anerkennung des Messias
und des messianischen Volkes
-zwischen benachbarten Psalmen bestehen oft semantische, kompositionelle und
formgeschichtliche Zusammenhänge; zwei Techniken machen dies deutlich:
1. iuxtapositio
-planvolle Anordnung nach inhaltlich-thematischen Aspekten
-Bsp: Klage und Bitte (Ps 3-7), Gotteslob (Ps 8), Klage und Bitte (Ps 9-14)
2. concatenatio
-Stichwort- bzw. Motivverkettung
-Bsp.: Morgen (Ps 3,6); Abend (Ps 4,9); Morgen (Ps 5,4); Tag (Ps 6,7); Nacht (Ps 7,12)
-einzelne Psalmen erfüllen übergreifende Funktion im gesamten Psalter; Königslieder stehen
jeweils an Nahtstellen (Ps 2; 72; 89)
-verleihen dem Psalter ein eschatologisch-messianisches Gefälle
-Überschriften zeigen mitunter bestimmte Kompositionsbögen
113
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
1. Die Überschriften der Psalmen:
-Überschriften gehen größtenteils auf spätere Ergänzungen zurück
-Einteilung der Überschriften in vier Gruppen:
1. Fromme des Alten Testament
2. Gilden von Tempelsängern
3. Psalmarten
4. liturgische und musiktechnische Stichworte
-Begriff Sela bedeutet möglicherweise „Zwischenspiel“, nicht ganz geklärt
-David erscheint als Verfasser von 73 Psalmen, Mose als Autor von Ps 90 und Salomo als
Verfasser von Ps 72 und 127
-weitere Situationsangaben aus dem Leben Davids
-Vorstellung von David als Psalmdichter basiert auf seiner Rolle als Lautenspieler am
Hofe Sauls, auf seiner Charakterisierung als Dichter von Totenklagen und seiner
deuteronomistischen Stilisierung als frommer König
2. Etappen der Psalmenforschung:
-vier wesentliche Aspekte:
1. Luther ordnete nach inhaltlichen Aspekten in fünf Gruppen (Weissagung, Lehre,
Betpsalm, Tostpsalm, Lob-/Dankpsalm); heute wird nach sprachlichen und stilistischen
Merkmalen geordnet
2. historisch-kritische Exegese bemüht sich um Ermittlung der genauen Entstehungszeit
und der geschichtlichen Umstände
3. durch religionsgeschichtlichen Vergleich mit Gebeten aus Ägypten und Mesopotamien
wird versucht, die atl. Psalmen mit bestimmten kultischen und rituellen Situationen zu
verankern und mit bestimmen altisraelischen Festen zu verbinden; Ziel: Suche nach der
„gottesdienstlichen Gelegenheit“ bzw. dem Sitz im Leben (Kennzeichen der form- und
kultgeschichtlichen Auslegung
4. Spuren redaktioneller Nachbearbeitungen werden erforscht (Ergänzungen, Kürzungen,
Umdeutungen); Psalmen wurden bis zum Zeitpunkt der Kanonisierung einer
fortlaufenden literarischen Nachbearbeitung unterworfen
Grundgesetze der alttestamentlichen Poesie:
-Grundprinzip der hebräischen Psalmen bildet der sog. parallelismus membrorum
-weitere Stilmittel kommen zum Einsatz
-Kehrvers (Refrain) findet sich gelegentlich)
-metrische Struktur
C. Entstehung der Psalmen und des Psalters
1. Die Form des Psalters und der einzelnen Psalmen:
-Psalter ist ein in mehreren Phasen redaktionell zusammengestelltes Gebets- und
Meditationsbuch
-entstand auf der Basis von Teilsammlungen, Einzelpsalmen und eigens gedichteten
Texten (sog. „Redaktionelle Psalmen“ bspw. Ps 1)
-einige Ps wurden als reine literarische Größen geschaffen oder bearbeitet
2. Die Grundformen der atl. Psalmen:
-wichtigste Gattungen:
 individueller Klage- und Bittpsalm
 kollektiver Klage- und Bittpsalm
 indivduelles Danklied
 kollektives Gotteslob (Hymnus)
114
2.1. Der individuelle Klage- und Bittpsalm:
-Gattung enthält ungefähr 35-40 Psalmen
-Ps 3-7; 10-14; 16f.; 22f.; 25-28; 35f.; 38-43; 51-59; 61-64; 69; 71; 86; 88; 102; 109;
130; 140; 141-143
-Strukturelemente der Klage des Einzelnen:
1. Anrufung Gottes
2. Schilderung existentieller Not, die eigentliche Klage (kann erweitert werden mit
Unschuldsbekenntnis und Vertrauensbekenntnis)
a. Ichklage
b. Gottklage bzw. Gott-Anklage
c. Feindklage und Frage nach Dauer und Grund und Ziel
3. Bitte um Eingreifen Gottes (Not wenden!)
2.2. Der kollektive Klage- und Bittpsalm oder die Klage des Volkes:
-Gattung enthält folgende Psalmen:
-Volksklagen: Ps 44; 74; 79; 80; 83; 85 u.a.
-Klage des Volkes hat folgende Strukturelemente:
1. Anrede Gottes
2. Klage
3. Bitte
-in der sog. entfalteten Form ist der Aufbau wie folgt:
1. Anruf Gottes (Vokativ / Anrede „Du“)
2. Rede des Beter im „Wir“ oder kollektiven „Ich“
3. Verzweiflungs- und Hilfeschrei: Klage und Bitte
4. Elendsschilderung
5. Bitte mit dem Wunsch um die Wende des Unheils
6. (fiktive) Gottesrede bzw. ein Gottesspruch
-Ziel des kollektiven Klage- und Bittpsalms ist es, JHWH zum Eingreifen zugunsten seines
Volkes zu bewegen; Argumente hierfür können der Rückblick auf die nationale
Heilsgeschichte und ein Appell an Gottes Namen sein
2.3. Der individuelle Dankpsalm
-Gattung enthält ca. 20 Psalmen:
-Ps 9f.; 18; 30; 32; 34; 40,2-12; 41; 66; 92; 116; 118; 138
-Strukturelemente des individuellen Dankpsalm:
1. Dankrede, in der der Beter Gott direkt (2. Ps. Sg.) anredet; Formel meist „ich danke dir“
2. Zeugenrede, in der der Beter von der Rettungstat Gottes berichtet; Bericht kann noch
folgende zusätzliche Motive enthalten
a. Rückblick auf eigene Not
b. Bericht von Anrufung Gottes
c. Bericht von der Erhörung
-Untergruppe der Danklieder des Einzelnen bilden die Heilungspsalmen (Ps 30; 32; 41; 69;
103)
2.4. Der kollektive Lobpsalm (Hymnus)
-zwei Typen lassen sich hier unterscheiden:
 imperativischer Hymnus
-wird durch Aufruf der Gemeinde zum Gotteslob eingeleitet und mit einer
Durchführung des Lobs fortgesetzt
-Kurzfassung eines imperativischen Hymnus bildet das Mirjam-Lied in Ex 15,21
 partizipiale Hymnus
115
-preist in drei Hauptsätzen Gottes Schöpfermacht und Gerechtigkeit
-Gattung enthält folgende Psalmen: 8; 19; 29; 33; 100; 103-105; 111; 113; 114; 135; 145; 146;
148; 149; 150
2.5. „Weitere“ Gattungen:
-in der Forschung gibt es Versuche, weitere Gattungen zu bestimmen und diesen einzelne
Psalmen zuzuweisen
3. Die Komposition und Redaktion des Psalters:
-Psalter ist durch stufenweise Kombination von Teilsammlungen entstanden
-Prozess setzte in nachexilischer Zeit ein und fand im 2. Jh. v.Chr. seinen Abschluss; um 100
v.Chr. steht die qualitative „Kanonizität“ des Psalters fest!
-Entstehungsprozess:
 Grundstock bilden Ps 3-41 (David-Psalter I)
o Erweiterung um Ps 42-89 (David-Psalter II); Einleitung durch Ps 2
 Ergänzung um Ps 90-119; Ps 1 als Prolog
 letzter Block Ps 120-150 wird angehängt
4. Die Komposition und Redaktion der einzelnen Psalmen
-Datierung der Psalmen ist immer hypothetisch
-externe Kriterien sind Beobachtung von Doppelüberlieferungen, Nachweis der Rezeption
einzelner Psalmen in anderen Psalmen und Gattungstypologie
-interne Kriterien sind Sprach- und Motivschatz und die religions- und
theologiegeschichtlichen Vorstellungskomplexe
5. Die Situation und Funktion des Psalters:
1. Tempel-Liturgie-These (ältere Forschung):
-Psalter bildet das Gesangbuch des Zweiten Tempels
2. Synagogen-Liturgie-These:
-Psalter bildet das Gesang- und Gebetbuch der in der Synagoge gefeierten Liturgie
-hierzu finden sich keine literarischen Hinweise in der Synagogenliteratur
3. Meditations-These:
-Psalter als Lesebuch der persönlichen meditativen Frömmigkeit und der
eschatologischen Hoffnung von bestimmten Kreisen im nachexilischen Judentum
-hierfür sprechen der Gesamtduktus und die Strukturierung des Psalters durch
weisheitliche und eschatologische Texte
6. Die Situation und Funktion der einzelnen Psalmen:
-für jeden Psalm ist nach seiner ursprünglichen Verwendungssituation und Funktion zu fragen
(„Sitz im Leben“)
 individueller Klage- und Bittpsalm hat seinen Ort in der spezifischen Not des einzelnen
Menschen; einen einheitlichen Sitz im Leben haben diese Gebete NICHT!
 kollektive Klage- und Bittgebete haben ihren Ort in kriegerischen oder natürlichen
Katastrophen wie Hungersnöten, Dürrezeiten oder Epidemien; Sitz im Leben könnte ein
nationales Fasten gewesen sein
 individuelles Danklied hat seinen Sitz im ursprünglich in dem nach erfahrener Rettung
gemeinsam mit der Familie am Heiligtum dargebrachten Dank- bzw. Gelübdeopfer
 Gotteslob des Volkes (Hymnus) hat seinen Ort im Festkult der um den Tempel
versammelten Gemeinde
116
D. Theologie der Psalmen und des Psalters
-JHWH-Glauben in seiner Geschichte
-Psalter bildet einen Kanon im Kanon bzw. „eine kleine Bibel“ (M. Luther)
-Nachfolge Davids als messianische Leitfigur
-JHWH als personales und lebendiges Gegenüber des Menschen
-Schöpfungsgedanke (Ps 104)
-Versprachlichung menschlicher Grunderfahrungen und eine Deutung menschlicher Existenz
(Klagen und Bitten einzelner Beter)
-Vertrauen auf Gott
-Psalmen als Gebete des atl. Gottesvolkes (Ps 100)
-Zion:
1. Stätte, die die Endzeit überdauert
2. Ort, zu dem einst alle Völker ziehen
3. Punkt, von dem aus JHWH Frieden herstellen wird
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Gottesdienst
-Schriftauslegung
-Nach- und Neudichtungen
-Vertonung der Psalmen durch psalmistische Lieddichtung (EG 273; 299; 362)
117
§ 14. Das Hiobbuch (Ijob)
A. Bibelkundliche Erschließung
-Bucht trägt Namen nach seiner Hauptfigur Hiob („Wo ist der (göttliche) Vater?“)
-Gliederung:
 1-2 Prolog: Wie der gesegnete Hiob in übergroßes Leid gerät
 3 Monolog: Hiobs Klage über sein vom Leid gekennzeichnetes Leben
 4-28 Dialog: Hiob und seine Freunde auf der Suche nach Grund und Ziel des Leidens
Hiob (insgesamt drei Redegänge)
 29-31 Monolog: Hiobs Herausforderung Gottes zum Rechtsstreit
 32-37 Monolog: Elihus Reden an Hiob und seine Freunde (insg. vier Reden)
 38-42,6 Monolog: Gottes Entfaltung der kosmischen Weltordnung
 42,7-17 Epilog: Wie der leidende Hiob erneut gesegnet wird
-Prolog und Epilog erzählen, wie Hiob sich im Leiden bewährt
-Hiob gerät als frommer Mann infolge eines Disputs zwischen Gott und Satan ins Leid
-narratives Musterbeispiel der Seelsorge (2,10-13)
-umfassende Lebensklage Hiobs und Verfluchung des Tages seiner Geburt (Kap. 3)
-Bestreitung der Schöpfermacht Gottes (Hi 3,4)
-Dialog (Kap. 4-28) schildert die Beziehung zwischen Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glück und
Unglück
-vier Gedanken stehen hier im Mittelpunkt:
1. Handeln eines Menschen im Vergleich zu seinem Schicksal („Tun-ErgehenZusammenhang“)
2. Gott vergelte jederzeit gerecht
3. Leiden ist eine zeitlich befristete Strafe Gottes
4. im Leiden ist Buße nötig und Gottes gnädige Zuwendung möglich
-dreiteiliger Monolog (Kap. 29-31): Rückblick auf gesegnete Vergangenheit, gegenwärtiges
Unglück und Bekenntnis
-Elihus Reden in Kap. 32-37 sorgen für eine „neue“ Deutung des Leidens
-Gottesrede in Kap. 38-41 aus dem „Wettersturm“ (38,1) heraus - Theophanie
-Buch schließt mit Schilderung von Hiobs zukünftigem Glück
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
1. Das Verhältnis zwischen dem Prosarahmen und der Dichtung:
-prosaisch abgefasster Prolog und Epilog
-poetisch formulierte Reden
-Gottesbezeichnungen:
 JHWH (nur im Prolog, Epilog, in den Überschriften der Gottesreden)
 Elohim
 El
 Eloah
 Schadday
 Adonay
-vier Entstehungsmodelle des Hiobbuches:
1. um die literargeschichtlich ältere Dichtung wurde sekundär eine Rahmenerzählung
geschrieben
2. in die literargeschichtlich ältere Hioberzählung wurde sekundär die Dichtung
eingeschrieben
3. Verfasser der Dichtung hat für Gesaltung des Prologs und Epilogs Material aus einer
älteren Hiobüberlieferung übernommen
118
4. Hiobdichtung und -erzählung stellen ursprünglich. literarisch eigenständige
Verarbeitungen dar, die durch Redaktion miteinander kombiniert wurden
2. Das Problem des so genannten dritten Redegangs (Kap. 22-28):
-Besonderheiten in den Kap. 22-28 ggü. den Kap. 4-21
-Reden Hiobs in 24,13ff. und 27,13ff. widersprechen dessen Position in Kap. 21
-Hiob nimmt punktuell (28,1ff.) Gottesreden vorweg (spricht für redaktionelle Bearbeitung)
3. Das Problem der Elihureden (Kap. 32-37):
-vier Monologie Elihus heben sich sprachlich und inhaltlich vom sonstigen Buch ab
-Elihureden werden in der Forschung als sekundär betrachtet
4. Das Problem der Gottesreden (Kap. 38,1-42,6):
-mit der direkten Anrede Hiobs in der Eröffnung der ersten Gottesrede (38,2-3) wird an Hiobs
Wunsch zur unmittelbaren Begegnung mit Gott (31,35-37) angeknüpft
-in der Forschung begegnen immer wieder Versuche, die Ursprünglichkeit der Gottesreden zu
bestreiten und die Dichtung mit einem unerhörten Schrei des leidenden Gerechten enden zu
lassen
C. Entstehung des Hiobbuchs
1. Die Form und die Formen des Hiobbuchs:
-Kombination literarischer Gattungen und Redefomen aus unterschiedlichen Kontexten:
 Prolog und Epilog: Kunstprosa
 Rahmenerzählung: lehrhafte Novelle bzw. weisheitliche Lehrerzählung
 Elemente aus Märchen, Sagen, Mythen
-wesentliche Gattungen der Hiobdichtung:
 Weisheit
-Sentenz, Streitrede, Lehrrede, Meditationen über die Hinfälligkeit menschlicher
Existenz, enzyklpäidische Aufzählung der Schöpfungswerke in den Gottesreden
 Psalmen
-Klagen und Bitten Hiobs, hymnische Elemente in einzelnen Reden Hios
 Recht
-juridisches Vokabular (Streit, Recht/Rechtssatz), Aufforderung Gottes zum
Rechtsstreit, Elemente des in Eidesform gehaltenen Unschuldsbekenntnis
 Prophetie
-Kritik sozialer Vergehen („prophetische Sozialkritik“)
2. Die Komposition und Redaktion des Hiobbuchs:
-Buch weist keine Verfasserangabe auf
-jüdische Tradition: Verfasser ist Mose
-Luther führte das Buch aufgrund seines weisheitlichen Charakters wie in Spr und Koh auf
Salomo zurück
-Buch ist erst im 5.-3. Jh. v.Chr. entstanden
-Produkt einer langen Kompositions- und Redaktionsgeschichte
-Grundbestand des Buches war womöglich eine Hioblegende
-Geschichte hat parallelen in mesopotamischen, ägyptischen (Mahnworte des Ip-wer,
Harfnerlieder) und aramäischen Literaturstücken (Achiqar-Roman, Gebet des babylonischen
Königs Nabonid)
119
3. Die Situation und Funktion des Hiobbuchs:
-Talmud vermutet bereits, dass Hiob selbst nie gelebt hat, dass es sich bei dem Buch also um
eine lehrhafte, gleichnisähnliche Dihtung handele
-sprachlich und traditionsgeschichtlich stammt das Hiobbuch aus hochgebildeten
weisheitlichen Kreisen der persisch-hellenistischen Zeit
D. Theologie des Hiobbuchs
-Deutung von Lebenserfahrungen als Erfahrungen des Handeln Gottes
1. die Nähe Gottes kann als lebensfördernd und lebensbedrohlich erfahren werden
2. Macht Gottes kann als chaosbezwingend und lebenszerstörend erfahren werden
3. Umgang Gottes mit dem Recht kann als berechenbar und als willkürlich erfahren
werden
-Nur eine Theologie, die um die Ambivalenz der Gotteserfahrungen weiß, auch die dunklen
Seiten Gottes benennt und die Spannungen im Gottesbild nicht dualistisch auflöst sowie
Tradition, Situation und Person zusammen sieht, ist nach dem Buch Hiob aufrichtige Rede von
Gott!
-Interpretation des Leidens
-Sündhaftigkeit des Menschen
-Seelsorge:
 vor dem Reden der Seelsorgenden steht das Hören; das erste Wort steht dem Leidenden
zu
 eine verordnete Lösung der Frage nach dem Leid verfängt nicht, diese kann nur der
Leidende selbst in der Begegnung mit Gott für sich finden
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Hiob-Targum aus Qumran
-Theodizeegedanke
-bildende Kunst
120
§ 15. Das Sprüchebuch (Die Sprüche Salomos/Proverbien)
A. Bibelkundliche Erschließung
-Begriff Spruch kann für unterschiedlichste Formen von Sprüchen stehen und die Aspekte
Anspruch, Zuspruch, Einspruch und Widerspruch umfassen
-Gliederung:
1,1-9,18
„Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des König Israels“
1,2-7 Proömium / 1,8-9,18 Zehn Lehrreden und drei Weisheitsgedichte
„Sprüche Salomos“
„Worte der Weisen“
„Auch dies sind Worte von Weisen“
„Auch dies sind Sprüche Salomos, von den Männern Hiskijas des Königs
von Juda gesammelt
„Worte Agurs, des Sohnes des Jakem aus Massa“
30,1-33
„Worte Lemuels, des Königs von Massa, die ihn seine Mutter lehrte“
31,1-31
-Ziel der Sprüch: Vermittlung von Weisheit und Gottesfurcht
10,1-22,16
22,17-24,22
24,23-34
25,1-29,27
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
1. Das Buch der Sprüche und die alttestamentliche Weisheitsliteratur:
-Spr stellt das Buch im AT dar, das am stärksten von der sog. Weisheit (hakmah) geprägt ist
-Weisheit zielt in diesem Sinn auf ein gelingendes Leben und erweist sich als
Lebenskunde
-Gedanklicher Hintergrund: Gott hat in diese Welt eine gerechte Ordnung integriert
-diese Vorstellung tritt auch in der atl. Umwelt auf (Sumerern, Akkadern,
Ägyptern)
-Gattungen, denen die drei kanonischen (Spr, Hi und Koh) Weisheitsbücher des AT angehören,
haben Parallelen in Mesopotamien, Syrien, Ägypten und Griechenland
-einfachste Gattung der atl. Weisheitsliteratur ist die Sentenz (maschal)
-komplexere Gattungen: Lehrrede, Lehrgedicht, Reflexionen, Streitreden, weisheitliche
Lehrerzählung
Theologisierung der Weisheit hat vier Facetten:
1. ausdrückliche Begründung weisheitlicher Lebensregeln; Ziel der Weisheit: Leben in
der Gottesfurcht
2. Personifikation, d.h. Interpretation der Weisheit als Mittlerin der Offenbarung Gottes
3. Verbindung von Weisheit und Tora, d.h. eine Gleichsetzung der kosmischen Weisheit
mit der Tora
4. Identifikation des Weisen mit dem Gerechten und des Toren mit dem Frevler/Gottlosen
2. Einzelspruch, Spruchsammlungen und Gesamtkomposition:
-Kern der Proverbien bilden einzelne Sprüche
-Entwicklung vom Einzelspruch zum Sprüchebuch (hypothetisch):
 mündliche Entstehung von Sprichwörtern
o Verschriftlichung am Hof und in der Schule
 Zusammenstellung von Spruchreihen
 Neufassung vorhandener und Neuaufnahme weiterer Sprüche
o Komposition von Spruchsammlungen
 Komposition des Buchs der Sprüche
3. Die hebräische und die griechische Fassung des Buchs:
-Septuaginta hat Überschriften so modifiziert, dass das Buch vollständig als Sammlung der
Sprüche Salomos erscheint
-Texfolge differiert
121
-zum Teil inhaltliche Unterschiede zwischen den Sprüchen
C. Entstehung des Sprüchebuchs und der Einzelsprüche
1. Die Form des Buchs und der Einzelsprüche:
-Buch stellt ein weisheitliches Lehrbuch dar
-formales Grundmuster der poetisch gestalteten Einzelsprüche: parallelismus membrorum
-Sprüche treten in vielen Formen auf, u.a. als:
 Aussage- oder Wahrheitsspruch
 Vergleichsspruch oder komparative tob-Spruch („besser als“)
 Zahlenspruch
o einfacher Zahlenspruch
o gestaffelter Zahlenspruch
 Mahnwort (auffordernde Sentenz)
o Rat (positiv)/Warnung (negativ)
 Glückwunsch
 Aufmerksamkeitsruf bzw. Lehreröffnungsformel
 Lehr- oder Mahnrede (Instruktion)
 Gedichte auf die personifizierte Weisheit bzw. Torheit
 Gebet
2. Die Komposition und Redaktion des Buchs der Sprüche
2.1. Die Buchüberschrift
-„Sprüche Salomos“ ist als Autoritätszuweisung zu verstehen (nicht als Autorenschaft)
-Hintergrund: Salomo als weiser und gerechter König
-Literatur- und theologiegeschichtlich ist eine Datierung der Endgestalt des Buchs in das 4./3.
Jh. v.Chr. wahrscheinlich
2.2. Die Sammlungen
-insgesamt geht das Buch auf drei Hauptsammlungen und fünf kleinere Sammlungen zurück:
 Salomonische Sammlung (10,1-22,16)
 die ägyptisierende Lehre (22,17-24,22)
 die Hisijanische Sammlung (25,1-29,27
 die vier Anhänge zur Hiskijanischen Sammlung (30,1-31,31)
 die Lehrrede in Kap. 1-9
3. Die Situation und Funktion des Buchs der Sprüche:
-Buch erscheint (auch durch Lehrrede in Spr 1-9) als Sammlung von Verhaltensbeispielen
-Lehrbuch, das auf Weitergabe von weisheitlichen Traditionen und auf Erziehung zur
Gottesfurcht zielt
D. Theologie des Sprüchebuchs und der Einzelsprüche
-Grundlegend: Vorstellung von einer gerechten Ordnung, die Gott als Schöpfer in den Kosmos
eingesenkt hat
-durch „Sprüche Salomos“ wird das Buch geschichtlich verortet als Weisheit Israels
-Gerechtigkeit und Barmherzigkeit als zentrale Wesenzüge Gottes
-Erziehung und Bildung (musar, Spr 1,3)
-„Tun-Ergehen-Zusammenhang“ - Bedenken des eigenen Handelns
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-Trotz der ntl. Stilisierung Jesu als Weisheitslehrer haben die Sprüche im Vergleich zu anderen
atl. Büchern im Christentum nur eine bescheidene Wirkungsgeschichte
122
§ 16. Das Rutbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Kernmotiv ist die Bewältigung einer Hungersnot
-Inhalt:
„Das Buch bietet die Erzählung einer Krise, eines Auszugs und einer geheimen Führung durch
Gott. Diese Themen werden beispielhaft am Schicksal einer Familie entfaltet. Elimelech aus
dem judäischen Betlehem verlässt mit seiner Frau Noomi und seinen Söhnen die Heimat, um im
benachbarten Moab als Schutzbürger* zu leben. Dort sterben zunächst der Vater, sodann die
beiden Söhne. Noomi und ihre moabitische Schwiegertöchter Rut („Freundin“) und Orpa
bleiben als weitgehen rechtlose Frauen zurück (1,1-5)
Die gnädige Heimsuchung Gottes bewirkt das Ende der Hungersnot in Juda und die Rückkehr
in die Heimat. Aus Solidarität zu ihrer Schwiegermutter bekennt sich die Moabiterin Rut zu
JHWH und begleitet Noomi nach Betlehem. Dort trifft sie auf den einflussreichen und
besitzenden Boas, („in ihm ist Kraft“). Als nahem Verwandten des verstorbenen Mannes der
Noomi fällt ihm in der Erzählung die Aufgabe des Levirats* und der Löstertätigkeit* zu.
Auf den Rat Noomis begibt sich Rut wie eine auf die Hochzeitsnacht vorbereitete Braut zur
Tenne des Boas und spricht ihn als Löser der Familie an. Im Stadttor, dem zentralen
Handlungsort des vierten Aktes bekräftigt der Löser Boas vor Zeugen, dass das Erbland im
Besitz der Familie bleibt, der Name nicht ausstirbt und Noomi und Rut wirtschaftlich und
rechtlich abgesichert sind. Das Buch schließt mit einer Stammtafel.“
-Begriff Schutzbürger (ger): Begriff beschreibt den Status eines Menschen, der aufgrund eines
Krieges, einer Hungersnot o.ä. sein Dorf verlassen muss und sich nun, allein oder mit seiner
engsten Familie, als Asylant in die Fremde begibt.
-Begriff Levirat und Lösen: Levirat (Schwagerehe) bedeutet, dass der Bruder bzw. ein naher
männlicher Verwandter eines sohn- bzw. kinderlos verstorbenen Mannes dessen Witwe zur
Frau nehmen soll.
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Epilog des Buches (Stammtafel) ist ein jüngerer Nachtrag)
C. Entstehung
1. Die Form des Buchs Rut:
-Buch gehört zur atl. Kunstprosa
-fiktive Erzählung
-insgesamt handelt es sich um eine gleichnishafte Erzählung
-weisheitliche Novelle
-midraschartige Halacha, d.h. eine narrative „Rechtskommentierung“ bzw. eine aktualisierende
Rechtserzählung zu den beiden Rechtstexten Lev 25 und Dtn 25.
2. Die Komposition und Redaktion des Rutbuchs:
-Buch selbst besitzt keine Verfasserangabe
-aus literatur- und theologiegeschichtlichen Gründen ist eine Entstehung in der Perserzeit
wahrscheinlich
-Buch Rut ist literarisch nicht aus einem Guss, sondern aus zwei Schichten entstanden:
 Grundschicht
 Israelredaktion
3. Die Situation und Funktion des Buchs:
-Buch verbindet theologische Geschichtsschreibung mit einer aktualisierenden
Gesetzesauslegung
123
D. Theologie
-JHWH, der Gott individueller und kollektiver Lebensgeschichte, ist treu und gerecht
-Buch erzählt unter Verwendung theologischer Formeln von JHWH
-narrative Theologie!
-Solidarität Gottes mit den Machtlosen
-Relativierung menschlicher Macht
-Zuwendung zu den Machtlosen
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-jüdische Liturgie gab dem Buch Rut seinen Platz im Wochenfest
124
§ 17. Das Hohelied (Canticum)
A. Bibelkundliche Erschließung
-Gliederung:
1,1 Überschrift („Lied der Lieder“)
 1,2-2,7: Lieder der Frau und des Mannes im Wechsel (A)
2,8-3,11: Lieder der Frau und eines Chores im Wechsel (B)
4,1-5,1: Lieder des Mannes (C)
5,1 „Berauscht euch an der Liebe“
5,2-6,3: Lieder der Frau und eines Chores im Wechsel (B)
6,4-7,10: Lieder des Mannes und eines Chores im Wechsel (B‘)
7,11-8,7: Lieder der Frau (C‘)
8,8-10: Lieder der Frau und eines Chores im Wechsel (B)
 8,11-14: Lieder des Mannes und der Frau im Wechsel (A)
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-ältere Forschung: Buch allegorisch gedeutet, d.h. im Hld wurde das Verhältnis von Mann und
Frau im Anschluss an prophetische Bildreden auf das Verhältnis von JHWH und Israel bzw.
auf das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche bezogen
-danach: kultmythologische Interpretation: Hld als Vorstellung von Vereinigung zwischen Gott
und Göttin
-gegenwärtige Forschung: Sammlung profaner Liebeslieder
-das Hld vereinigt ursprünglich selbstständige Lieder
C. Entstehung
1. Die Form und die Formen des Hohen Lieds:
-Sammlung von Liebesliedern
-Literaturgeschichtliche Parallelen in altägyptischer Liebesdichtung und griechischer Bukolik
(Lieder eines idealisierten Bauern- und Hirtenlebens)
2. Die Komposition und Redaktion des Hohen Lieds:
-Autorschaft Salomos (Hld 1,1) verdankt sich redaktioneller Ergänzung
-Hintergrund: Salomo als Bild für Luxus und Erotik
-Buch dürfte nicht vor dem 3. Jh. v.Chr. in seiner Endgestalt vorliegen
-als Verfassen kommen aufgrund der Parallelen zur Weisheitsliteratur am ehresten
weisheitliche Kreise in Frage
-für die Entstehung in Jerusalem sprechen die Erwähnung der „Töchter Jerusalems“, der
Töchter Zions und die Salomofiktion
3. Die Situation und Funktion des Hohen Lieds:
-ältere Forschung sah den Sitz im Leben in einer (siebentätigen) Hochzeitsfeier
-neuere Forschung verortet zwar einzelne Lieder auch im Kontext von Gastmählern und
Hochzeitsfeiern, lässt aber insgesamt die Frage nach dem Sitz im Leben des Buchs offen
D. Theologie
-Hld bietet wie das Buch Ester keine ausdrückliche Gottesbezeichnung; ebenfalls keine
Anspielungen auf Gott oder auf die Geschichte Israels
-zu den wesentlichen Lebensgenüssen gehört die Liebe zwischen Mann und Frau (Gen 2,20-24)
-wie in Gen 2,24 finden sich Ansätze zum Phänomen der personalen Liebe
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-in der jüdischen Liturgie als Rolle für den 8. Tag des Pascha-Mazzot-Festes
-genereller Einfluss auf die Mystik und auf die abendländische Dichtung
125
§ 18. Das Koheletbuch (Der Prediger Salomo)
A. Bibelkundliche Erschließung
-Buchtitel im Hebräischen nach qahal („Versammlung“) benannt
-Gliederung:
1,1-3
Prolog mit Angabe des Themas der Erkenntnis Kohelets
1,4-11
Einleitung: Reflexion über die stete Wiederkehr derselben
1,12-2,26
„Königstravestie“: Der königliche Kohelet auf Weisheitssuche
3,1-15
Reflexionen über die Zeit
3,16-6,12
Reflexionen über soziale und ökonomische Kontexte des Menschen
3,16-22 Das korrumpierte Recht
4,1-16
Die korrumpierte Gesellschaft
7,1-8,15
Reflexionen über das für den Menschen wahrhaft Gute
8,16-10,20
Reflexionen über die Leistungsfähigkeit der Weisheit
11,1-12,7
Schluss
12,8-14
Epilog mit Informationen über den Weisheitslehrer Kohelet
-Zuschreibung an Salomo weist auf die mit dem König Salomo verbundene Tradition vom
weisen und gerechten König hin
-Koh 1,2 gibt einen Leitsatz der Schrift: „Es ist alles ganz vergänglich“ sprach Kohelet, „es ist
alles ganz vergänglich.“
-Koh 1,3 benennt die Ausgangsfrage: „Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe,
die er hat unter der Sonne?“
-Grundelemente der Argumentation basieren auf Reflexionen über soziale, ökonomische,
religiöse Kontexte, über das für den Menschen wahrhaft Gute und über die Leistungsfähigkeit
der Weisheit
-Aufbau der Reflexionen Kohelets:
1. Fragen zum Wesen des Menschen
2. Verknüpfung mit eigenen Beobachtungen in Natur und Kultur
3. Gegenüberstellung mit traditionellen Weisheitssätzen
4. Schlussfolgerung als Antwort auf die gestellte Frage
-Leitwörter und Leitformeln im Buch Kohelet:
 Wissen
 Vergängliches
 Weisheit
 Herz
 Schicksal
 Mühsal
 Freude
 „ich sagte/sprach in meinem Herzen“
 „ich erkannte“
 „ich sah“
 „Haschen nach Wind“
 „unter der Sonne“
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
1. Das Koheletbuch im Rahmen der Geschichte der atl. Weisheit:
-Buch setzt sich kritisch mit der traditionellen Weisheit auseinander
-Weisheit besitzt für Koh nur einen relativen Wert, der sich jeweils neu bewähren muss
-Vorstellung, mit Weisheit das Leben bewältigen zu können, findet Grenze an den von
Gott gesetzten Zeiten
-Koh betont die Bedeutung des Lebens und ruft zu dessen Genuss auf („carpe diem“)
-carpe-diem Motiv hat altorientalische Parallelen (Gilgamesch-Epos; Harfnerlieder)
126
2. Die Frage nach dem literarischen Charakter des Koheletbuchs:
-Werk gehört, was die zeitliche Einordnung betrifft, zu den rätselhaftesten im AT; Gründe sind
-die fehlende Analogielosigkeit
-kompositionelle Unterschiede zwischen dem Traktat und den Spruchgruppen in Kap. 3
-Kritik an Grundüberzeugungen der Weisheit
-Distanz zur geschichtlichen und prophetischen Überlieferung des AT
-Nähe zu vorderorientalischen und griechischen Weisheitstexten
-neuere Forschung vertritt die literarische Integrität des Buchs (wenn auch mit Ausnahmen)
-Charakterisierung des inhaltlichen Profils kann sich von der Beschreibung Kohelets als
Skeptiker, der im AT einen Fremdling darstelle, bis hin zu seiner Beurteilung als Toralehrer
erstrecken
C. Entstehung des Koheletbuchs
1. Die Form des Koheletbuchs:
-Buch kombiniert Gattungen aus der Weisheit zu ausgedehnten Reflexionen in der 1. Ps. Sg.
(Selbstberichte), die den Charakter von Traktaten annehmen
-Gattungsmäßig bildet das Buch eine Lehre bzw. Lebenslehre
2. Die Komposition und Redaktion des Koheletbuchs:
-Werk stammt erst aus der Mitte des 3. Jh. v.Chr.
3. Die Situation und Funktion des Koheletbuchs:
-Buch reflektiert Verhältnis zwischen eigener Erfahrung und traditioneller, optimistischer
Weisheit
-Buch unternimmt Versuch, mit Mitteln der atl. Spruchweisheit philosophisch zu
argumentieren
-Kohelet dürfte ein Schriftgelehrter (sopher) gewesen sein, der junge Männer der Jerusalemer
Oberschicht unterrichtete
-Ziel ist eine Anleitung zum gelingenden Leben angesichts der Ambivalenz der
Lebenserfahrung
D. Theologie des Koheletbuchs
-anthropologischer Ausgangspunkt
-Reflexionen über den Menschen führen zu Reflexionen über Gott
-Mensch und Welt erscheinen als letztlich nicht begründbares, aber sinnvoll geordnetes Werk
Gottes
-Frage nach Gottes Gerechtigkeit
-Kohelet rät zur Furcht Gottes und zum Genuss des Augenblicks
-Kohelet sieht den Tod als absolute Grenze
Alttestamentliche Vorstellungen vom Leben nach dem Tod:
-Grundsätzlich: starke Diesseitsorientierung im AT
-Nach dem Tod dämmert der Einzelne als Schatten noch solange in der Unterwelt, wie
Menschen an ihn denken
-in einzelnen atl. Texten: Vorstellung, dass der Mensch nach dem Tod ein Leben hat
-seit der Mitte des 3. Jh. v.Chr. existieren vier Vorstellungskreise:
1. Hoffnung auf eine den Tod überdauernde Gottesgemeinschaft (Ps 73,23f.)
2. Erwartung einer selektiven Auferstehung (ewige Glückseligkeit/ewige Verdammnis)
3. Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele der Frommen (Ps 49, 16)
4. universale Hoffnung, Gott werde einst den Tod vollständig entmachten
-Gott hat Macht über den Leben zerstörenden Tod
127
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-seit dem Mittelalter: Ort im jüdischen Gottesdienst als Festrolle für das Laubhüttenfest
-Theologie der Reformatoren: Luther sah Koh als Schrift gegen den freien Willen (1526)
128
§ 19. Die Klagelieder Jeremias (Threni)
A. Bibelkundliche Erschließung
-Titel („Klagelieder Jeremias“) hat drei Hintergründe:
1. Überschrift in der Septuaginta
2. Notiz über Jeremia als Klagesänger in 2Chr 35,25
3. Stellung der Klgl in der Septuaginta und der Vulgata im Anschluss an das Buch Jeremia
-Gliederung:
1
Erstes Lied: Die verlassene Stadt Jerusalem
2
Zweites Lied: Die von Gottes Zorn getroffene Stadt
3
Drittes Lied: Meditation über Gottes Zorn und Gnade
4
Viertes Lied: Sünde und Sühne der Stadt
5
Fünftes Lied: Das Gedenken Gottes
-Schlüsselmotive:
 Zorn Gottes als Grund des Leidens
 Sünden Jerusalems als Ursache des göttlichen Zorns
 Bekenntnis der Sünde und Aufruf zur Buße
 Aufruf zum Gottvertrauen
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Klagelieder setzen Eroberung und Zerstörung Jerusalems 587/6 v.Chr. voraus
C. Entstehung der Klagelieder
1. Die Form des Buchs und der einzelnen Lieder:
-Buch bildet eine Gattung eigener Art
-Gattungsbezeichnung: „anthologisches Meditationsbuch“
-fünf Bücher Mose --- fünf Bücher Davids --- fünf Klagelieder Jeremias
-fünf Lieder sind ursprünglich eigenständige Dichtungen
Die Leichen- oder Totenklage:
-kann aus sechs Bausteinen bestehen:
1. Klageruf
2. Leidbericht
3. Beschreibung des eigenen Weinens und der Qualen
4. Aufzählung der Leidtragenden bzw. der vom Leid Betroffenen
5. Ausdruck des Wartens auf Mitleid der Vorübergehenden
6. Rachewunsch
2. Die Komposition und Redaktion der Klagelieder Jeremias:
-Lieder stehen alle unter dem Einfluss der deuteronomistischen Deutung des Exilsgeschicks
-Autor ist nicht Jeremia
-Lieder sind im Laufe des 6.-4. Jh. v.Chr. entstanden
-literargeschichtliche Entstehung:
Klgl 2  Klgl 1  Klgl 4  Klgl 5  Klgl 3
-Verfasserschaft in der Forschung umstritten, aufgrund der Kritik an Priestern und Propheten
einerseits, der Verbindung zum Jerusalemer Tempel andererseits wird am ehesten levitische
Tempelsänger hinter der Abfassung vermutet
3. Die Situation und Funktion der Klagelieder Jeremias:
-Klgl sind Lesetexte der unter den Folgen der Zerstörung Jerusalems und seines Tempels
leidenden Frommen
-Schriftauslegung und eschatologische Geschichtsdeutung prägen das Werk
129
-liturgische Verwendung der Lieder ist nicht nachweisbar
D. Theologie der Klagelieder
-Bekenntnis zu Gottes Handeln in der Geschichte und zu seiner Gerechtigkeit
-Gottes Ferne ist kein Zeichen göttlicher Ohnmacht, sondern göttlicher Strafe
-Frage nach Gottes Gerechtigkeit findet Antwort im Bekenntnis zur Sünde des einzelnen
Menschen und der Anerkennung einer menschlichen Schuldgemeinschaft (Klgl 3,39)
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-im jüdischen Gottesdienst seit dem 6. Jh. n.Chr. als Festrolle für den Gedenktag der
Zerstörung Jerusalems im Jahr 587/6 v.Chr. und im Jahr 70 n.Chr. durch die Römer
130
§ 20. Das Esterbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Gliederung:
1,1-2,23 - Die Exposition
1,1-2,4 Konflikt des persischen Königspaares Xerxes und Waschti
2,5-23 Auftreten Esters und Auftreten Mordechais
3,1-8,17 - Der Hauptteil
Anlass und Organisation der Vernichtung der Judan, Mordechais Rettungsplan, Ester bei König
Xerxes, der Racheplan der Juden, Glück und Sieg der Juden
9,1-10,3 - Der Schluss
9,1-19 Die jüdische Gegengewalt
9,20-32 Die Stiftung des Purimfestes
10
Die Bedeutung Mordechais
-Grundgerüst der Gesamtkomposition durch:
 Zeitangaben
 paarweise angeordnete Festgelage und zwei Fastenriten
 Zitation schriftlicher Urkunden
 einzelne Leitwörter
o Gesetz
o Volk
 Konstellation der handelnden Personen
-Inhalt:
Forderung Hamans, dass alle den „huldigen Kniefall“ zu vollziehen haben; Weigerung
Mordechais dient als Anlass, sämtliche Juden im Reich des Xerxes zu vernichten; Glück und
Sieg der Juden; weisheitliche Intentionen: Hochmut kommt vor dem Fall (Spr 16,18)/Wer
anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein (Spr 26,27)
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-blockweise Konzentration auf einzelne Figuren
-teilweise fehlende Übergänge zwischen den Blöcken und nur lose verankerte Begründung des
Purimfestes deuten auf literarische Vorstufen hin
C. Entstehung des Esterbuchs
-Buch bildet eine Diasporanovelle mit lehrhaftem Charakter
-hierfür typisch sind:
 Konzentration auf ein Ereignis
 Situationsbezogenheit
 Anschein eines einmaligen geschichtlichen Ereignisses
 Beschränkung auf wenige Einzelpersonen
 Wende zum Guten
 Abschluss
-Ester ähnelt (aufgrund der Ausführlichkeit) einem Roman
-literaturgeschichtliche Berührungen mit Josefsgeschichte und Danielerzählungen
-Buch weist historische Inkongruenzen auf
-Esterbuch trägt keine Verfasserangaben
-Datierung in die ausgehende Perserzeit oder beginnende hellenistische Zeit
-kompositionsgeschichtlich wurden drei ursprünglich selbstständige Erzählungen
miteinander verknüpft
131
-Entstehungsort ist vermutlich die östliche Diaspora
-Thema des Buches: jüdisches Leben und Überleben in der Fremde
D. Theologie des Esterbuchs
-Esterbuch nennt weder den JHWH-Namen, noch eine andere Gottesbezeichnung
-dennoch indirekte Bezeugung, dass JHWH der Gott Israels und Herr der Geschichte ist
-Ester steht theologisch nicht in der Mitte des AT, wenn es auch literarisch zu dessen
Meisterwerken gehört
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
Festrolle und Lesetext für das Purimfest
132
§ 21. Das Danielbuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Buch trägt Titel nach dem Namen seines Helden Daniel („Es richtet Gott/Mächtig ist Gott“)
-Gliederung:
1,1-21 Exposition (hebräisch): Daniel und seine Freunde als Weise am babyl. Hof
1,1
Zur Zeit des babylonischen Königs Nebukadnezzar
2,1-7,28 Erster Hauptteil (aramäisch): Erzählungen vom Traumdeuter Daniel und
seinem Gott
2,1
Im 2. Jahr der Herrschaft des babylonischen Königs Nebukadnezzar
3,1
Zur Zeit der Herrschaft des babylonischen Königs Nebukadnezzar
3,31 Zur Zeit der Herrschaft des babylonischen Königs Nebukadnezzar
5,1.30 Letztes Jahr der Herrschaft des babylonischen Königs Belschazzar
6,1
Zur Zeit der Herrschaft des „medischen“ Königs Darius
7,1-28 Daniels Traum von den Tieren und Vision vom Menschensohn
7,1
Im 1. Jahr der Herrschaft des babylonischen Königs Belschazzar
8,1-12,13 Zweiter Hauptteil (hebräisch): Visionen Daniel vom endzeitlichen Gericht
Erwähnung des babylonischen Königs Belschazzar (8,1); des medischen König
Darius (9,1) und des persischen Königs Kyros (10,1)
-im Mittelpunkt des ersten Hauptteils steht die narrative Entfaltung der Königsherrschaft Gottes
in der Gegenwart
-im Mittelpunkt des zweiten Hauptteils steht die visionäre Beschreibung der Königsherrschaft
Gottes in der Zukunft
-der „Alte an Tagen“ lässt sich mit Gott in seiner Funktion als Herr von Zeit und
Ewigkeit identifizieren
-so klar dies ist, so unklar ist, wer mit dem „Menschensohn“ gemeint ist
Der Menschensohn:
-nach Dan 7,13 ist er eine einzelne himmlische Gestalt, ein Engel
-in Dan 7,18.21f. übernehmen dann die „Heiligen des Höchsten“ die Funktion des
Menschensohnes, der damit zu einer kollektiven Größe wird
-Bezeichnung „Heiligen des Höchsten“ ist nicht eindeutig; gemeint sein könnten Engel
oder eine Gruppe besonders JHWH-treuer Menschen
-Bezeichnung „Menschensohn“ ist im Buch Ezechiel 93mal ein Titel des Propheten, die
Bezeichnung für eine himmlische Gestalt ist womöglich erst eine Erfindung des Verfassers
von Dan 7
-trifft dies zu, dann sind die Typen eines Menschensohnes und deren Verknüpfungen
mit Vorstellungen eines Messias erst ein Produkt der Rezeptionsgeschichte von Dan 7
-Visionen im zweiten Hauptteil gruppieren sich um ein Bußgebet (9,4-19)
-Engel Gabriel fungiert als Deutefigur (angelus interpres)
-Buch endet mit einer Seligpreisung und der Verheißung der Auferstehung an Daniel (12,12f.)
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-Sprachenwechsel hebräisch/aramäisch
-Wechsel der Erzählperspektive vom Fremdbericht in der 3. Ps. Sg. (Kap. 1-6) zum
Selbstbericht in der 1. Ps. Sg. (Kap. 7-12)
-weitere formale und inhaltliche Besonderheiten:
 Widersprüche in der Chronologie (1,5 versus 2,25)
 Differenz in den Namen der Helden: Daniel versus Schadrach, Meschach und AbedNego
 unterschiedliche Danielbilder: idealer Diasporajude versus Empfänger der von ihm
selbst rätselhaften Offenbarungen
133



unterschiedliche Vorstellung von Engeln: Retterfiguren versus Offenbarungsmittler
Ungenauigkeiten von historischen Angaben
andere Gestalt des Buches in der LXX
C. Entstehung des Danielbuchs
1. Die Form des Danielbuchs
-Buch als Mischung von Diasporalegenden und Visionsberichten
-Diasporalegenden entsprechen dem Typ der Hof- und Aufstiegsgeschichte
-Visionsberichte haben innerbiblische Parallelen in den Schilderungen prophetischer
Offenbarungen
-als Zukunftsschau stilisierte Weissagungen sind sog. vaticinia ex eventu, d.h. Weissagungen,
die auf das Ereignis, das als zukünftig angekündigt wird, bereits zurückschauen und dieses nun
für die Gegenwart deuten
-Mermale der Visionsschilderungen des Danielbuchs:
1. Mitteilung besonderer göttlicher Geheimnisse
2. Deutung dieser Geheimnisse durch einen Engel
3. Bezug auf zeitgeschichtliche Ereignisse
4. dualistische Tenzenden (Heil-Unheil; gottesfürchtig-gottlos etc.)
Die frühjüdische Apokalyptik:
-Kennzeichen der Apokalyptik sind:
 chronologisch-schematisierte Geschichtsschau
 Theorie einer negativen Entwicklung der Geschichte
 Reflexionen über die Zukunft der Toten
-jüdische Apokalyptik speist sich aus der atl. Weisheit und Prophetie und ist ein Phänomen
von umfassenden politischen, religiösen und wirtschaftlichen Krisen
-literarische Gattung der Apokalyptik ist die Apokalypse
-inhaltlich geht es hier um das Verhältnis zwischen der Weltgeschichte bzw. der
Geschichte der Menschheit und dem Reich Gottes
-sprachlich arbeitet die Apokalypse mit mythischen Anspielungen, Symbolen und
Rätseln
-Adressaten sind fromme Kreise
2. Die Komposition und Redaktion des Danielbuchs:
-Grundstock des Buchs bilden die aramäischen Danielerzählungen in Kap. 2-6
-erste Erweiterung ist die Vision in Kap. 7
-Hebraisierung hängt vermutlich mit der Stellung als „heilige Sprache“ im Ggs. zum
Aramäischen als Volkssprache zusammen
-hebräische Rahmung ermöglichte die Aufnahme unter die „heiligen Schriften“
-schematisch hat das Danielbuch vier oder fünf Gestaltungsphasen durchlaufen
-bei der Abfassung: Rückgriff auf weisheitliche Traditionen des AT
3. Die Situation und Funktion des Danielbuchs:
-historische Angabe in 1,1 und 10,1 geben als erzählte Zeit (=fiktive Zeit der Handlung) die
Epoche des Babylonischen Exils an, (598/7 v.Chr. bis 559-530 v.Chr. [Reg. Zeit persischer
König Kyros II.])
-Milieu ist die babylonisch-persische Diaspora
-in seiner Endgestalt geht das Buch auf die Zeit des Antiochus IV. zurück
-Zeit zwischen 167 bzw. 165 v.Chr.
-Daniel ist die jüngste Schrift des Alten Testaments
134
-für die Endredaktion kommen am wahrscheinlichsten schriftgelehrte, eschatologisch
ausgerichtete Kreise in Jerusalem in Frage
-Funktion des Buches: Bewältigung der Krisen
-Daniel ist ein Trostbuch
D. Theologie des Danielbuchs
-Zentrum der Theologie: Vorstellung von JHWH als Lenker der Zeit
-Universalität Gottes durch Eigenenamen wie „Gott des Himmels“; „Höchster“; „höchster
Gott“; „König/Herr des Himmels“
-Dan entfaltet eine Angelologie (Lehre von den Engeln)
-Engel erscheinen als:
 himmlische Wächter (4,10)
 Boten (6,23)
 Offenbarer (10,5)
 Deuter (9,16; 10,21)
 Heilige (7,18)
-Menschensohn ragt hervor. Er übernimmt am Ende der Zeit die Gottesherrschaft (7,14)
-Alleinverehrungsgebot und Bilderverbot bilden Richtpunkte eines von Weisheit und
Frömmigkeit geprägten Lebens
-Erwartung eines endzeitlichen Gerichts und Auferstehung der Toten
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-überragende Wirkungsgeschichte im antiken Judentum sowie im frühen und mittelalterlichen
Christentum
-NT: ca. 200 Anspielungen und wörtliche Zitate
-Kunst, literarische Umsetzungen; Vertonungen
135
§ 22. Das Esra-Nehemiabuch
A. Bibelkundliche Erschließung
-Bücher Esra und Nehemia werden in jüdischer Tradition als ein Buch überliefert
1. der masoretische Kolophon (Schlussabschnitt) zum Esrabuch steht erst in Neh 13,31
2. Buchmitte der Einheit wird bei Neh 3,31/32 angegeben
-Zweiteilung (aufgrund Überschrift in Neh 1,1) ist erstmals bei Origenes (gestorben um 254
n.Chr.) bezeugt
-Name der Bücher orientiert sich an den beiden Hauptfiguren Esra („Hilfe ist Gott“) und
Nehemia („Es tröstet JHWH“)
-Gliederung:
Esr 1-6
Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels unter Serubbabel und Jeschua
Esr 7-10
Einsetzung des Gesetzes für Juda unter Esra
Neh 1-7
Wiederaufbau der Jerusalemer Stadtmauer unter Nehemia
Neh 8-12
Die Verpflichtung auf das Gesetz unter Esra und Nehemia
Neh 13,1-31
Durchsetzung der Verpflichtung unter Nehemia
-Zentrales Thema des Buches ist die Konstituierung der reinen JHWH-Gemeinde, die sich in
der heiligen Stadt Jerusalem um den JHWH-Tempel als Mittelpunkt kosmischer Ordnung und
heilvollen Lebens versammelt
-Thema wird in drei Schritten entfaltet:
1. Wiedererrichtung des Jerusalemer Tempels
2. Mauerbau und sozialer Ausgleich für die Gemeinde
3. Verpflichtung auf die Tora des Mose
-Bogen der erzählten Zeit reich von Antritt der Perserherrschaft über den Vorderen Orient unter
Kyros II. (539 v.Chr.) bis zum Abschluss der Reformen Nehemias in Jerusalem unter
Artaxerxes I
-geographischer Raum erstreckt sich von Babylon und Susa bis zu den Provinzen Samaria und
Jehud; Zentrum ist stets Jerusalem, die „heilige Stadt“
-Personen, die auftreten:
 die unter der Herrschaft Kyros II. und Darius I. für den Wiederaufbau des Tempels
verantwortlichen Scheschbazzar, Serubbabel und Jeschua, begleitet von Haggai und
Sacharja
 der unter Artaxerxes verantwortliche „Schriftgelehrte und Priester“ Esra
 der unter Artaxerxes (I. oder II.) zuständige „Statthalter“ Nehemia
Die Esra-Nehemia-Datierung:
-Großkönig unter Nehemia ist aufgrund weiterer Personennennungen eindeutig Artaxerxes I.
(465/4-425 v.Chr.)
-bei Esra könnte es sich um Artaxerxes I. oder II. handeln
-im ersten Fall handelt es sich um das Jahr 458 v.Chr., in welches Esra entsandt wird
-im zweiten Fall geschieht die Entsendung im Jahr 397 v.Chr.
-theologische Tendenz von Esr-Neh: Hochschätzung des Gesetzes des Mose
-Dass Esra, der „Schreiber und Priester“, eine rein fiktive Gestalt ist, ist (trotz fehlender
außerbiblischer Beweise) unwahrscheinlich
-Strukturmerkmale der Gesamtkomposition:
 Beschreibung von Festen und die Mittelung von Gebeten
 Kontrastierung der Handlungsträger
 Verweis auf das Gesetz des Mose
 geschichtstheologische Hinweise auf die Hand oder das Auge Gottes
 Datierung einzelner Ereignisse
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
Gedenkformel, Gott möge gnädig an die vollzogenen Maßnahmen denken
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-komplexe Entstehungsgeschichte des Buches durch:
1. Sprachen- und Formenwechsel
-Teile in Hebräisch/Teile in Aramäisch überliefert
-Sprachwechsel deutet auf unterschiedliche Verfasser hin
2. Stilwechsel
-Wechsel der Erzählperspektive (3. Ps. Sg. versus 1. Ps. Sg.)
3. Wechsel der Handlungsträger
-Esr 1-6: Serubbabel und Jeschua
-Esr 7-10/Neh 8: Esra
-Neh 1,1-7,5: Nehemia
4. Das Gesetz Esras und die Historizität der zitierten Urkunden
-Esra ist nach Esr 7,6.10 ein Schreiber, d.h. ein Schriftgelehrter, der sich genau in der
Tora auskennt
-nach den ältesten Schichten von Esr 7 verbirgt sich hinter dem „Gesetz“ Esras
entweder ein nicht mehr erhaltenes oder ein später in den Pentateuch integriertes
kürzeres Gesetz zur Regelung kultischer und rechtlicher Angelegenheiten in der Provinz
Jehud („Juda“)
C. Entstehung des Esra-Nehemiabuchs
1. Die Form des Esra-Nehemiabuchs:
-Buch gehört zur theologisch orientierten Geschichtsschreibung
-Wiedergabe von königlichen Erlassen, Briefen und Dialogen
-exakte Datierungen und Namenslisten unterstreichen den historiographischen Charakter
2. Die Komposition und Redaktion des Esra-Nehemiabuchs:
-drei Erzählblöcke (Es 1-6; Es 7-10/Neh 8-10; Neh 1-7; 11-13)
-basieren auf redaktionell miteinander verknüpften Quellen
-umfangreichster, ursprünglich selbstständiger Block bietet Nehemia-Erzählung in Neh 1,1-7,5;
12,31-43; 13,4-31
-Serubbabel-Erzählung in Esr 1-6 bietet den geschlossensten Erzählblock innerhalb von EsrNeh
3. Die Situation und Funktion des Esra-Nehemiabuchs
-wichtigste Quelle für die Geschichte Jehuds („Judas“) vom Beginn der Perserherrschaft über
den Vorderen Orient 539 v.Chr. bis hin zu Mittel des 5. Jh. v.Chr. dar.
-seit Ausgang des 6. Jh. v.Chr. kam es
1. zu einer Rückkehr von nach Babylonien deportierten Judäern
2. zur Errichtung einer eigenständigen Provinz Jehud
3. zur Wiederaufnahme des offiziellen Großkultes am Jerusalemer Tempel
-literarisch steht im Mittelpunkt die Beschreibung Esras und Nehemias als religiöse Reformer
Jehuds
-Konzentration auf Jerusalem
-Entstehungszeit wahrscheinlich zwischen dem letzten Drittel des 5. Jh. v.Chr. und dem
beginnenden 3. Jh. v.Chr.
-Funktion des Buchs ist die Mahnung zur Wahrung der eigenen religiösen, kulturellen und
genealogischen Identität, die sich mit den Begriffen Reinheit und Einheit umschreiben lässt
D. Theologie des Esra-Nehemiabuchs
-hinter der Geschichte des „wahren Israel“ steht JHWH selbst
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-Wiederaufbau des Tempels, die Entsendung Serubbabels, Esras und Nehemias stehen im
Kontext einer göttlichen Führungsgeschichte
-Motive von Gottes Auge, Hand
-Motive von Zorn, Gnade oder Bund als Beschreibungen und Bestimmungen der
Gotteserfahrungen und Gottesbeziehungen „Israels“
-„Erweckung“ der persischen Könige durch JHWH, den einzigen Gott und den Gott des
Himmels und der Erde
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-im babylonischen Talmud wird Esra zum Verfasser der Chronikbücher
-hohe Stellung im Judentum, Abwertung im christlichen Bereich
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§ 23. Die Chronikbücher
A. Bibelkundliche Erschließung
-Bezeichnung Chronik geht auf die lateinische Titulierung nach Hieronymus mit chronicon
totius divinae historiae („Chronik der gesamten göttlichen Geschichte“) zurück
-Zweiteilung ist über die Septuaginta in hebräische Bibelhandschriften und moderne Ausgaben
eingedrungen
-Gliederung:
I 1-10
Die Genealogische Vorhalle oder von Adam bis zu den Einwohnern Jerusalems
I 11-29
Die Geschichte Davids oder von der Gründung des Jerusalemer Tempels
II 1-9
II 10-36
Die Geschichte Salomos oder vom Bau des Jerusalemer Tempels
Die Geschichte der Könige Judas oder vom Schicksal des Jerusalemer Tempels
Die Leviten:
-besonders eifrige JHWH-Verehrer (Gen 34)
-erscheinen in der vorexilischen Zeit als umherziehende Priester an lokalen Kultstätten
-nach dem dtn. Priestergesetz (Dtn 18) sollen alle legitimen JHWH-Priester levitischer
Abstammung sein
-allein den Aaroniden wird der Vollzug des Opferdienstes zugestanden
-am Aufstieg der Leviten zu den für alle Bereiche des Jerusalemer Tempelkultes zuständigen
religiösen Funktionsträgern haben, neben der Priesterschrift, maßgeblich die Chr und die
Bücher Esr-Neh Anteil.
-im Mittelpunkt steht die Geschichte des Jerusalemer Tempels und des in seinem Umkreis
gefeierten Gottesdienstes
-Stammbäume, Listen, historische Notizen, paradigmatische Erzählungen und predigtähnliche
Reden beinhalten die Chronikbücher
-Zentrale Figur der Königsgeschichte ist David als idealer Krieger, Gesetzestreuer,
Tempelgründer und Liturg, ein neuer Mose (1Chr 21,28f.) oder wie dieser ein „Mann Gottes“
-an der Frömmigkeit der einzelnen Könige entscheiden sich Glück oder Unglück der
Gemeinschaft
-JHWH ist der gerecht vergeltende und wunderbar handelnde Lenker der Geschichte
-Motiv der Ruhe Israels vor den Feinden
B. Literar- und forschungsgeschichtliche Problemanzeige
-ab 1Chr 10 folgt die Chronik weitgehend 1Sam 31 - 2Kön 25
-Chr verfügt im Bereich der Königsgeschichte über narratives und listenmäßiges Sondergut
-Chr literarisch nicht aus einem Guss
Das Verhältnis der Chronik zu den Büchern Esra und Nehemia:
-Abschluss der Chr (Aufruf des Kyros zum Tempelneubauch) wiederholt sich als Eröffnung
des Buchs Esr-Neh (Esr 1,1-3)
-gemeinsame kompositioneller Wechsel von Listen, Stammtafeln und Erzählungen, das in
beiden Büchern artikulierte Interesse am Kult sowie die gemeinsame späte Sprachstufe haben
die These von einem 1-2 Chr, Esr und Neh umfassenden Chronisitschen Geschichtswerk
aufkommen lassen
-hiergegen sprechen jedoch einige Punkte:
 Stellenwert der davidischen Dynastie und der Propheten
 Haltung ggü. den Bewohner des Nordreichs bzw. Samarias
 Mischehenproblematik
 Einsatz von Wundergeschichten
-gegenwärtig finden sich vier Modelle zur Bestimmung des Verhältnisses von Chr und Esr-Neh
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1. Esr-Neh werden in ihrem Grundbestand als eine Quelle des Verfassers eines die Bücher
Chr, Esr, Neh umfassenden Chronistischen Geschichtswerk betrachtet
2. Esr-Neh werden als ein der Chr vorausgehendes, älteres Werk desselben
Verfasserkreises („chronistische Schule“) bestimmt
3. Esr-Neh werden als jüngere Fortschreibung der Chr angesehen
4. Bücher der Chr einerseits und Esr-Neh andererseits werden als primär eigenständige
und in ihrem Grundbestand zunächst unabhängig voneinander überlieferte Werke mit
einer je eigenen Kompositions- und Redaktionsgeschichte angesehen
C. Entstehung der Chronikbücher
-Bücher gehören zur theologischen Geschichtsschreibung
-es handelt sich um pragmatisch und paradigmatische Geschichtsschreibung, d.h. um eine die
Geschichte im Blick auf Ursache und Wirkung hin reflektierende und deutende Darstellung
-Chronik lässt sich auch als rewritten bible bezeichnen
-Komposition und Redaktion der Chr gehören ausweislich ihrer Abhängigkeit vom Großwerk
Gen 1 - 2Kön 25 und ihrer Integration von Esr-Neh in die mittlere bis ausgehende Perserzeit
(5./4. Jh.v.Chr.)
-als wesentliche personale Größen erscheinen die Leviten
D. Theologie der Chronikbücher
-Theologie der Chr ist ebenso universal wie partikular ausgerichtet
-Israels Geschichte ist ein Teil der von JHWH gelenkten Weltgeschichte, die ihr Zentrum im
Tempelbau zu Jerusalem besitzt.
E. Hinweise zur Wirkungsgeschichte
-chronistische Erhebung Davids zum Begründer des Tempelgottesdienstes und der
Tempelmusik wirkten auf dessen Darstellungen als Musiker in der Kunst bis heute ein
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