Psychologische Grundlagen des Lernens

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Psychologische Grundlagen des Lernens
1. Einleitung und Grundbegriffe
1.1. Einleitung
Menschenbild:
Kind = Wesen, das die Welt konstruiert, rekonstruiert, kokonstruiert
Lernendes Kind = tätiges Kind
Bedeutende zentrale Aufgabe:

Zukunftsperspektiven für junge Leute

Diskurs zwischen den Generationen

Diskurs zwischen den Kulturen

Freude am Lernen erwecken und Neugierde erhalten

Nicht gegen, sondern mit dem Gehirn lernen
1.2. Grundbegriffe
Hauptaufgaben von Schule: Erziehung und Unterricht
Basis für den Unterricht / für Erziehung: Ordnungsrahmen in der Klasse
Erziehung und Bewältigung des Lebens = Lernprozess
Gedächtnis:
=
geistige Fähigkeit, Erfahrungen zu speichern und später zu reproduzieren oder
wieder zu erkennen
=
Medium aller psychischen Zustände und Prozesse
=
aktiv wahrnehmendes und verarbeitendes, vernetztes System, das
Informationen aufnimmt, enkodiert, modifiziert und wieder abruft
(kognitionspsychologische Definition)
Gedächtnisleistungen sind Voraussetzungen für das Lernen und für schulisches
Verhalten. Das Gedächtnis sichert die Konsistenz der Steuerung (Wahrnehmen,
Denken, lernen, Handeln, Emotionen und Motivationen)
Es braucht Wissen, um Fakten zu bewerten und einzuordnen ( Filtern des
Wesentlichen, da Informationsflut). Auch Kreativität braucht Wissen (Routine,
Schemata)
Psychische Prozesse sind Informationsverarbeitungsprozesse (über
Sinneswahrnehmung aufgenommen und gleich gefiltert). Emotionale Aspekte
hängen mit früher gemachten Erfahrungen zusammen.
Quellen des Gedächtnisses:

Beobachten und Selbsterfahrung  meist automatisiert, nicht beabsichtigt

Belehren / systemat. Unterweisung / angeleitetes Lernen  Schule

Einsichten, die durch Denkprozesse erzeugt werden (Denken schwer
überprüfbar)
Informationsbegriff – zB Eiernockerl mit Salat

Strukturell (3 Wörter, Buchstaben)

Semantisch (Bedeutung, Zusammensetzung: Mehl, Eier, Salz,...)

Pragmatisch (mag ich / mag ich nicht, Lieblingsspeise)
H. Roth: „Wenn das Kind lernt, lernt das ganze Kind“
Lernen:
=
aktiver, konstruktiver Prozess, der zu relativ stabilen Veränderungen im
Verhalten oder Verhaltenspotenzial führt und auf Erfahrungen aufbaut, jedoch
nicht auf Reifung zurückzuführen ist
=
nicht beobachtbar – es wird aus dem Verhalten und den Lernleistungen
erschlossen
Schulisches Lernen ist kein isolierter Vorgang
Kognitionen:
=
Strukturen und Prozesse des Wahrnehmens, Erinnerns, Schlussfolgerns,
Denkens und Entscheidens
=
Strukturen und Begriffe des Gedächtnisses
a. Wahrnehmung und Selektion des „Inputs“ – Wahrnehmung ist immer
selektiv und von vorausgehenden Lernprozessen abhängig  Voraussetzung:
Aufmerksamkeit wird auf die ausgewählten Reize gelenkt
-
„Bottom up“ – Prozesse (vom Reiz aus)
Datengeleitete Prozesse – Aufnahme und Organisation von Informationen
aus der Erfahrung
-
„Topdown“ – Prozesse (vom Gehirn aus)
Hypothesengeleitete Prozesse – vorhandene Strukturen bestimmen die
Auswahl, Organisation, Interpretation der eingehenden Information
b. Enkodierung = Übersetzen von eintreffenden Reizen in einen neuronalen
Code, den das Hirn verarbeiten kann (wie speichern wir etwas ein?)
Inhalte werden mit weiteren Prozessen verbunden (Zielen, Zwecken) 
„Eingliederung in die bisherige Erfahrungswelt“ (Karl Bühler“  Netzwerte
c. Speicherung: die enkodierte Information wird über die Zeit relativ stabil
aufbewahrt. Nicht alles wird dauerhaft gespeichert. Wiederholen, Übern und
Anwenden haben eine besondere Bedeutung
d. Abruf, Erinnern (retrieval)
=
Aktivierung der abgespeicherten Erfahrungen, beobachtbarer Ertrag
aller vorangegangenen Prozesse
1
1http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Ged%C3%A4chtnis_modell.png&fileti
mestamp=20070410094220 (16.1.10, 20:05)
Höhere Gedächtnisleistung bei freier Formulierung, Wiedererkennen (Multiple
Choice) ist einfacher
10 Lernregeln für gehirngerechtes Lernen
1. Transparenz der Lehr- und Lernziele  sinnvolles Curriculum erstellen
Frage: „ WOZU?“ vermittelt dem Lernenden den Sinn des ganzen Lernens
2. Überblick vor Einzelinformationen – „Skelett“ vor Detail
„WORUM“ geht es eigentlich?  Überblick geben: Gehirn sucht nach
geeigneten Speicherplätzen, legt neue an und ist vorbereitet auf
Wahrnehmung und Verarbeitung des neuen Lerninhalts
3. Interesse wecken – Neugierde ist die beste Motivation
4. Wiederholen
Wiederholen in verschiedenen Variationen – Auswendiglernen ist nicht gefragt
– Abwechslung schafft Freude
5. Mehrere Sinne ansprechen – viele Eingangskanäle nutzen
Informationen sollen „begriffen“ werden (nicht nur mit Ohren und Augen,
sondern mit allen Sinnen)  dauerhaftere Vernetzung in Schaltkreisen
6. Auf die Gefühle achten – Lernspass ermöglichen
Die Rolle von Gefühlen beim Lernen und Denken ist anatomisch und
physiologisch eindeutig nachweisbar (Angst und Stress behindert
Lernprozess)
7. Rückmelden
Richtig: ja oder nein? – Umlernen ist schwieriger als Neulernen.
Rückmeldungen können durch Fremd- oder Selbstkontrolle erfolgen (wichtig:
LOBEN, VERSTÄRKEN, BEKRÄFTIGEN)
8. Pausen einlegen – Interferenz vermeiden
Hirnchemie benötigt Zeit, um in Ruhe am Stoff arbeiten zu können 
„Konsolidierung“ = Festigung (Pausen: schlafen, Musik hören,...)
9. In der richtigen Reihenfolge lehren und lernen – Altes neu verpacken
„roter Faden“ muss erkennbar, logischer Aufbau gegeben sein – Einbau des
Neuen in vorhandenes Wissen
10. Vernetzen und Verknüpfen mit der Realität
 Lernen in Zusammenhängen, mehrere Sinne ansprechen,
fächerübergreifendes und projektorientiertes Lernen
Variablen des Lernprozesses
Grundlagen für
Lernbereitschaft
Lernbereitschaft: nicht
müde, Kopf frei, lüften
Motivation
 muss ich selbst einbringen
Gelerntes beeinflusst
Wahrnehmung
Wahrnehmung
Einprägen
Behalten (Gedächtnis)
Reproduktion
Wiedererkennen
Freies Reproduzieren
2.1. Wahrnehmung
=
„Analyse durch Synthese“ – Prozess
Aus dem Reizangebot werden die wesentlichsten Merkmale analysiert – durch
Vergleich mit bereits gespeichertem Wissen – und mit diesem zu einem Bild
synthetisiert
Zur Wahrnehmung verarbeiten wir Daten (physikalische Reize, Merkmale) und
Erwartungen (Vorinformationen, Kontext, Erfahrung, Emotionen)  eigene
Emotion wird selber erzeugt
Merkmalsanalyse:
-
Corticale Dedektoren „feuern“ (ansprechen, reaktiv werden) nur selektiv
auf bestimmte Reize
-
Experiment mit neugeborenen Katzen:
 äußere Einflüsse der ersten Lebenswochen bestimmen, wie das Gehirn
später arbeiten wird (Katzen 6 Wochen mit senkrechten bzw. waagrechten
Linien umgeben  waren danach „blind“ gegenüber anderen Linien 
Orientierungslosigkeit
-
Sinnesorgane müssen trainiert werden, um nicht zu verkümmern  das,
was nicht geübt wird, geht zugrunde
-
Ebenso muss das genetische Material trainiert werden, damit es nicht
zugrunde geht
2.2. Lernen, Normen und Wissen in der „Wissensgesellschaft“
o Wissen (= mehr als Information) ist kein Abbild objektiver Wirklichkeit, aber
auch nicht der Subjektivität überantwortet. Es kann pragmatisch durch
Bewährung und Praxis überprüft und modifiziert werden
o Normen sind hingegen gesetzte Bedingungen. Sie gelten, selbst, wenn sie
übertreten werden (zB. Schulgesetz, Klassenordnung,...)
o Die Quantität des Wissens sagt noch nichts über die Qualität aus, dennoch
bedarf es in der „Wissensgesellschaft“ eines lebendigen Lernprozesses –
Neuerlernens, Bewertens und Umlernens.  je mehr ich über einen
Bereich weiß, desto mehr Fragen tun sich auf
o Risiken werden nicht mehr auf die Technik allein beschränkt. Nachteile
werden in Kauf genommen (zB. Kernkraftnutzung – CO2 – Emmisionen)
o Ethisches Lernen sollte daher nicht vernachlässigt werden
Irrtümer der „Wissensgesellschaft“ (Informationsgesellschaft, Erlebnisgesellschaft,
Spassgesellschaft, Willkürgesellschaft)
Wissen ist mehr als bloße Kenntnis von Fakten, mehr als eine Informationshalde!
2.3. Klassische Gedächtnispsychologie – Einprägen und
Reproduzieren verbaler Inhalte
2.3.1. Experimente zur Unterstützung des Gedächtnisses:
1. Experiment (Methode der behaltenen Elemente)
9 sinnvolle Elemente:
Vogel
Vater Auto
Kamm
Buch Blume
Sessel
Haus Baum
2.Experiment
9 sinnlose Elemente:
nuv
rof
wep
gub
zav
rov
mib
wef
zap
Praktische Relevanz der experimentellen Erkenntnisse:
o Die Behaltensleistung hängt stark vom Lernmaterial ab. Je größer der
Informationsgrad (Neuigkeitswert), desto geringer das Behalten
o Bedeutung des Kurzzeitgedächtnisses zB. Merken von Telefonnummern,
„Zusammenschleifen“ der Buchstaben zu Wörtern (Lesen lernen), Verbinden
der Wörter zu einem Satz, Kopfrechnen,...
o Wiederholungen sind erforderlich, um den Inhalt fehlerfrei zu reproduzieren
(zB. 1 mal 1)
Die Gedächtnisspanne:
Die Gedächtnisspanne für das unmittelbare Behalten bei einmaligem Hören oder
Sehen (Kurzzeitgedächtnis) beträgt:
7 (Dinge) +/- 2 = magische Zahl nach Miller
Miller nannte diese Einheiten „chunks“:
o Die Speicherdauer im Kurzzeitgedächtnis (KZG) ist bei nur einmaliger
Speicherung sehr kurz (einige Sekunden)
o Im Geiste wiederholen
o Das erste Objekt, das die Kapazität des KZG übersteigt, wird also dasjenige
aus dem KZG verdrängen, welches schon am längsten dort ist (Interferenz 
Überlagerung)
2.3.2. Günstigste Verteilung des Lernstoffes

Nach der Zeit (Adolf Jost)
Tage für die Wiederholung
der Silbereihen
Wiederholungen
(jeweils 24) – „workload“ immer gleich
Trefferzahlen

3
6
12
8x
4x
2x
18
39
53
Fast 3facher Lerngewinn bei verteiltem Lernen! Auch Minutenabstände mit
Pausen bringen Gewinn

Eine Vergrößerung des Lernmaterials führt zu einer unverhältnismäßigen
Steigerung der Lernzeit (vor allem beim Auswendiglernen)
Neuropsychologische Erklärung:

Das Gehirn lernt länger als unser Bewusstsein (G. Guttmann)

H. Rohrbacher: Das Erregungsgeschehen, das den bewussten Vorgängen
zugrunde liegt = mentale Erregungen (bewusst)

Es gibt Erregungen in unserem Gehirn, die zu schwach sind, um bewusste
Erregungen hervorzurufen = submentale Erregungen (nicht bewusst)

Erregungen, die bewussten Vorgängen folgen = postmentale Erregungen
Mentale und postmentale Erregungen
__________________________________ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
aktiver Lernprozess
Gehirn lernt weiter
mentales Geschehen
postmentales Geschehen
(störbar)
________________________________________________________________
Einprägungsvorgang
2.3.3. Ebbinghaus’sche Vergessenskurve – Der Sinngehalt des Lernmaterials
und die Bedeutung für das Behalten
Begründer der Gedächtnispsychologie: H. Ebbinghaus (1880 – 1910)
o Gemäß einem durch Professor Hermann Ebbinghaus bekannt gewordenen
Gedächtnisexperiment und der daraus aufgestellten Vergessenskurve
verlieren wir nach ca. 20 Minuten schon 40 Prozent der aufgenommenen
Informationen, nach einer Stunde ca. 50% und nach einem Tag ca. 70
o Die Zahlen verschiedener, ähnlicher Experimente variieren leicht - für die
Praxis bleibt die Erkenntnis, Kernbotschaften mehrfach und spätestens nach
20 Minuten zu wiederholen.2
2
http://www.softskills.com/mentalkompetenz/leseundlernkompetenz/vergessenskurve/ebbinghaus.ph
p (Stand: 14.1.10, 14:00)
3
%.
4

Sinnvolles Lernmaterial wird besser behalten und langsamer vergessen

Vorangegangene Lernprozesse bilden die Grundlage für das Sinnverstehen

Eine unmittelbare Redundanz (Bekanntheit, Wiederholungseffekt) ist für das
Lernen am günstigsten

Zum Lesen gehört unter anderem ein Wiedererkennen gespeicherter Inhalte

„Eingliederung in die bisherige Erfahrungswelt“ (Karl Bühler) – Kognitive
Netzwerke entstehen

3
Material, das über mehrere Sinnkanäle rezipiert wird, wird besser behalten
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Vergessen.shtml (Stand:
14.1.10, 14:05)
4 http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Vergessen.shtml (Stand
14.1.10, 14:05)
Experiment von Ableitinger & Duckkowitsch
A Gegenstände
B Bezeichnungen der
Gegenstände (zB. Haus)
C abstrakte Wörter (Luft,
Freundschaft,...)
3. Schulstufe
4. Schulstufe
67%
75%
49%
52%
39%
46%
226 Schüler sollten sich in 3 Durchgängen je 10 Elemente von unterschiedlichem
Material merken
 Das KZG nimmt mit dem Alter zu
 Je konkreter das Material, desto besser die Merkleistung
CHUNKS
 Die Information wird in sogenannten Bündeln (chunks) gespeichert, deren
Beschaffenheit sich danach richtet, was für Inhalte das Langzeitgedächtnis zur
Verfügung stellt. Ein Bündel ist eine semantische Einheit, ein Konzept
Beispiel:
5 Buchstaben (k c r l b)  5 Einheiten
5 Wörter  wenn Sinn, dann ein Satz  1 Einheit
Lesen ist kein rezeptiver, sondern ein konstruktiver Prozess mit de Ziel des
Verstehens!!!
Voraussetzung: man kennt die Sprache, hat Lesekompetenz
2.4. Assoziationen (Verbindungen)
o Die Inhalte unserer Erlebnisse werden nicht nur eingeprägt, sondern
miteinander verbunden
o Beim Einspeichern stellen wir selbst Verknüpfungen her
o In der modernen Lernpsychologie wird dieses Phänomen als
„Aktivierungsausbreitung“ bezeichnet und ist sehr wichtig für das Verständnis
des Abrufens aus dem LZG
z.B „Ein Spatz kann fliegen“ aktiviert alle damit verbundenen Knoten  „ist ein
Vogel“, „legt Eier“, „nistet in Bäumen“,...
Von den betroffenen neuen Knoten aus setzt sich dieser Prozess fort
2.4.1. Gleichzeitigkeitsassoziationen
-
zeitliche oder räumliche Kontinuität
-
physiologische Erklärung: Diesen Erlebnissen liegt ein Komplex von
Erregungen zugrunde. Tritt eine Teilerregung des Komplexes auf, wird der
ganze Erregungskomplex aktiviert  Bewusstwerden
2.4.2. Ähnlichkeitsassoziationen
o Ähnliche Inhalte verbinden sich sehr rasch. Die neurophysiologische Ursache
ist nicht völlig geklärt, doch ist sicher, dass der Mensch auch aktiv diese
Verknüpfung herstellt
o Wir versuchen Analogien, Ähnlichkeiten oder Plausibilitäten zu konstruieren
2.4.3. Begriffsassoziationen

Sehr viele Begriffe verbinden sich assoziativ (sind untereinander gekoppelt)

Assoziation zwischen Begriff und Lautkomplex (Wort)

Teilleistung für Sprechen und Lesen ermöglicht Verstehen anderer Menschen

Gegensatzpaare werden häufig gekoppelt
2.4.4. Komplexe Assoziationen

Merken dem Sinn, der Bedeutung nach  zB Vortrag

Lernen passiert nicht mechanisch, sondern wird durch Motive, Einsichten und
aktive Konstruktion gesteuert  Konstruktivismus

Je mehr Begriffe miteinander vernetzt sind, desto mehr können auch aktiviert
werden, wenn ein bestimmter Begriff abgerufen wird

Suchprozesse laufen besser ab, wenn effiziente Vernetzung gewährleistet ist
Pädagogische Konsequenz:
Interessant und „semantisch“ unterrichten, dh. Sinngehalt soll gegeben sein - Nicht
isolierte Fakten präsentieren, sondern wenn möglich auch fächerübergreifend und
projektorientiert
2.5. Gedächtnishemmungen – Interferenzen
2.5.1. Assoziative Hemmungen

Neue Merkmale, die mit alten Merkmalen eines Inhalts verbunden sind,
werden viel schwerer eingeprägt und reproduziert, da die alten Assoziationen
aufgelöst und neue gebildet werden müssen (zB. Neue Telefonnummer  es
fällt schwer, sich die neue zu merken und die alte zu vergessen)

„Umlernen ist schwieriger als Neulernen“
zB. Falsch eingeprägte Schreibweise eines Wortes, Vorurteile abbauen
(nichts ist prägender als der erste Eindruck  Vorurteile sind schnell gebildet)
Wie korrigiert man richtig?
Muter  falsch  Fehlschreibung prägt sich ein, weil fehlender Buchstabe „t“ noch
immer fehlt und doppelt unterstrichen ist!
Mutter (richtig geschrieben)  viel besser!  Wort steht richtig da und wird daher
besser gemerkt. Bei guten Schülern: korrigiere selber!
2.5.2. Retroaktive (rückwirkende) Hemmungen
KG (Kontrollgruppe): Inhalt A
Pause
Reproduktion von A
_____________________________
_____________
mentale Erregung
postmentale Erregung
VG (Versuchsgruppe): Inhalt A
Inhalt B
____________________________
_____________
mentale Erregung
postmentale und
Reproduktion von A
mentale Erregung
Wenn gleich darauf wieder etwas Neues gelernt wird, ist die Aufnahme /
Reproduktion nicht so erfolgreich
VG: Reproduktion von A ist schlechter, da die postmentalen Erregungen zum
Einprägen von A gestört werden.
 Bewegung in der Pause, Spiel, Musik,... damit sich das Gelernte vertiefen kann
2.5.3. Affektive Hemmungen
Schocks verschiedener Art beeinträchtigen das Einprägen und Behalten (zB.
Retrograde Amnesie nach Unfällen oder Zeugnisaussagen nach einer Gewalttat)
Experiment von BROSCH:
400 SchülerInnen im Alter von 6-10 Jahren
Märchen, in dem ein Waldgeist einem gefangenen Kind die Freiheit verspricht, wenn
es sich 6 Wörter merken könne
VG (Feueralarm dazwischen): durchschnittlich 1,3 Wörter
KG (normale Pause dazwischen): durchschnittlich 3,5 Wörter
Unter Angst (Prüfungssituationen) ist die kognitive Produktion eingschränkt: große
interindividuelle Unterschiede – „Trainingsweltmeister“ – manche Menschen
brauchen Spannung, andere nicht
Was kann man gegen Prüfungsangst tun? – entspannte Situation herbeiführen,
Gedächtnisübungen machen, ...
Negativ: zB. Taschenaufstellen (verursacht ev. Angst) – besser: Kinder darauf
aufmerksam machen, wenn zu oft abgeschrieben wird
2.5.4. Ähnlichkeitshemmungen (Ranschburgsche Hemmungen)
Psychologe Ranschburg verglich das Einprägen ähnlicher und unähnlicher Lernstoffe
(sinnlose Silben wie nol – nul)  unähnliche Reihen wurden besser gemerkt
zB.
Koalition – Kohäsion
Deduktion – Induktion
Wichtig: Beim Erlernen zuerst eine zeitliche und eine räumliche Trennung herstellen,
nicht gleich mit Gegenüberstellungen beginnen (zB. Erlernen des p und b  einige
Wochen dazwischen vergehen lassen). Zuerst das eine trainingen, dann das andere
INDUKTION
Induktives Schließen (Ableiten von Schlussfolgerungen aus vorgegebenen Fakten)
ist zentrale Komponente des Denkens, wenn es darum geht, Hypothesen
aufzustellen und zu überprüfen, Bedingungszusammenhänge aufzuspüren oder für
das Auftreten bestimmter Ereignisse Wahrscheinlichkeiten festzulegen
DEDUKTION:
Unter Deduktion versteht man in der Logik ein Verfahren, dass es erlaubt, aus
allgemeinen, vorausgesetzten und elementaren Sätzen speziellere und
kompliziertere Sätze korrekt abzuleiten, dh. Die Deduktion ist der Weg von der
Theorie (Einzelfall) zur Praxis  Kinder experimentieren lassen (Experimente sind
gut für das Erlernen von Neuem)
2.6. Der Prozess des Lernens und Vergessens
Was geschieht im Gehirn, wenn wir vergessen?
2 Theorien:
1. Die eine besagt, dass die Gedächtnisspur einfach mit der Zeit verblasst und
verschwindet
2. Die zweite Theorie geht davon aus, dass wir vergessen, indem neue
Eindrücke die alten Gedächtnisspuren überlagern und so den Zugriff auf alte
Erinnerungen erschweren ( Interferenztheorie)
Metagedächtnis von jungen Kindern (wie sich Kinder vorstellen, dass das Hirn
funktioniert)

John Flavell: die gängige Vorstellung von jüngeren Kindern ist die eines
Sackes, in die man etwas hineinfüllt. Wenn der Sack voll ist, passe nichts
mehr hinein (naive Interferenztheorie)
Konzentration und Achtsamkeit:
Konzentriert sind wir, wenn wir zB 16 x 4 rechnen (etwas willentlich machen)
Achtsamkeit hilft uns, wenn wir etwas Neues, Ungewöhnliches erklären sollen, zB.
1+1=1 (mathematisch falsch, aber 1 Heuhaufen + ein Heuhaufen = ein großer
Heuhaufen)
2.7. Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis
KZG
LZG
kurzfristiges Vergessen
allmähliches Vergessen
(Nicht-Behalten) von Datenmaterial
bzw. Verblassen von langfristig
Gelerntem
Interferenztheorie:
Verblassen der
Verdrängen,
Gedächtnisspuren,
Überlagerungen
Abbauprozesse
Die 3 Speicher
Sensorischer Speicher
KZG
LZG
bis 1 sec.
10 – 30 sec.
Tage bis Jahre



Sensorischer Speicher (UKZG): neurophysiologische Befunde, die darauf
hinweisen, dass die elektrochemischen Erregungen ausklingen.
KZG (10 bis 30 Sek.) beide Prozesse (Interferenz = Überlagerung + spontaner
Zerfall)
LZG = langfristiges Behalten wird durch Neues nicht überlagert oder
verdrängt, es kann im Laufe der Zeit etwas verblassen.
Sensorisches Register:
Es speichert sehr kurz (für ca. 0,1 – 1 Sec.), unkodiert weitgehend alle Sinnesdaten
und übergibt diese einem Filter, der nach bestimmten Merkmalen selektiert, eine
erste Musterkennung vornimmt und eine Informationsbündelung durchführt – im
Sinne des „chunking“. In dieser Weise vorgearbeitet, gelagen die Informationen in
einen Kurzzeitspeicher.
Vom KZG ins LZG
Informationen sind aufgrund der ersten Vorkodierung akustisch, visuell, taktil,
olfaktorisch (geruchsempfinden) oder semantisch (sinnempfinden) repräsentiert.
Eine Löschung kann aufgrund von Interferenzen oder allein durch Verstreichen von
Zeit geschehen.
Stabilisierung im KZG:
Einfaches „erhaltendes Wiederholen“ oder „Elaborieren“, z. B. durch Neuordnung,
Kategorisierung, Anbinden an vorhandene Informationen (z. B. bei Vokabeln –
Verbindungen herstellen, das eine Wort klingt so ähnlich wie in der anderen
Sprache)
2.8. Praktische Hinweise für das Lernen
1. Überblick verschaffen / 2x durchlesen
2. Strukturieren, aufteilen, unterstreichen
3. Auszüge von schwierigen Stellen machen
4. Zusammenhängende größere Teile lernen
5. Verteilung der Wiederholungen
6. Sich „belohnen“
7. Kritisch reflektieren
Verteiltes Lernen:
zB. Bei Sprachen (Lernkartei, Rechtschreibmerkwörter)  Einzelmaterialien werden
besser verteilt gelernt
Massiertes Lernen:
Problemaufgaben lernt man besser, wenn man sich ihnen länger und intensiv
widmet.
Abhängig ist die Art des Lernens immer von der Komplexität der Materie.
Lernstrategien / Lerntypen:

Sprachliche Informationen werden im phonologischen KZG gespeichert und
zwar relativ unabhängig davon, ob sie visuell oder akustisch angeliefert
worden sind.

Nicht sprachliche Informationen werden im visuellen KZG gespeichert

Gleichzeitige Nutzung der beiden KZG  Erhöhung der Speichermöglichkeit,
wenn für die Darstellung der Information kombinierte sprachliche und
graphische Darstellungsweisen gewählt werden  Vorraussetzung: die
graphischen Teile werden nicht sprachlich übersetzt, sondern bildlich

4 Eingangskanäle für den gleichen Lerninhalt (siehe Handout)
für längere Festigung sollten immer mehrere Kanäle genutzt werden
 anschauliches Erläutern: Druck = Kraft / Fläche
 praktische Anwendung z.B. Bohren mit Bohrer in eine Wand
 haptisches Erfassen
 abstrakt verbal: P=F/A
LZG:
o Während die Inhalte des KZG als Aktivierungen von Neuronen gespeichert
werden (Hirnaktivität), sind die Inhalte des LZG weitgehend in Form von
Verbindungen zwischen Neuronen gespeichert (Hirnstruktur)
o Das LZG hat eine unbegrenzte Speicherdauer und eine fast unbegrenzte
Kapazität
Elaboration und Verknüpfung
Wenn eine gegeignete Vorbildung vorhanden ist, wird nicht nur das Lernen
erleichtert, sondern auch das Behalten komplexer Konzepte. Die Vermittlung von
Basiskonzepten ist wichtig, um den Zusammenhang eines Faktums mit diesen
Basiskonzepten zu verdeutlichen.
3. Neurologische Grundlagen
3.1. Zur Neuropsychologie des KZG
3.1.1. Nervenzellen
Eine Nervenzelle oder Neuron ist eine auf Erregungsleitung spezialisierte Zelle, die
Bestandteil des Nervensystems höherer Lebewesen ist
Optische Klassifizierung durch die Anzahl und Art der Fortsätze:
1. Unipolare Nervenzellen: ein kurzer Fortsatz (entspricht in der Regel einem
Axon) – zB Sinneszellen in der Netzthaut der Augen
2. Bipolare Nervenzellen: zwei, an gegenüberliegenden Stellen des Zellkörpers
befindliche Fortsätze, ein Axon und ein Dentrit (Hör- und
Gleichgewichtsorgan)
3. Pseudounipolare Nervenzellen: z.B Spinalnerv
Axon und Dentrid einer bipolaren Nervenzellen sind im Embrionalstadium
miteinander verschmolzen
4. Multipolare Nervenzellen – zahlreiche Dentriten und ein Axon (motor.
Nervenzelle im Rückenmark und als verschiedene Zellarten im Gehirn
Klassifizierung nach den Funktionen der Nervenzelle:
1. Sensorische Neuronen = Nerven oder Nervenfasern, die Informationen von
den Rezeptoren der Sinnesorgane oder Organe an das Gehirn /Rückenmark
oder Nervenzentren des Darms weiterleiten (Wahrnehmung und motorische
Koordination
2. Motorische Neuronen  übermitteln Impulse von Gehrin / Rückenmark zu den
Muskeln oder Drüsen  Ausschüttung von Hormonen oder Kontraktionen der
Muskelzellen
3. Interneuronen  nicht spezifisch sensorisch oder motorisch  verarbeiten
Informationen in lokalen Schaltkreisen/ vermitteln Signale über weite
Entfernungen zwischen verschiedenen Körperregionen
5
5
Kandel, E., Schwarz, j & Jessell, T. (1996), Neurowissenschaften
o Entstehung eines Aktionspotentials in einer Rezeptorzelle
6
o Je stärker der Reiz, desto schneller feuert die Nervenzelle
o Input – Zone mit graduierten lokalen Signalen
6
Lernunterlagen HPPV Prof. Kowarsch 2008/2009
Triggerzone: digitales Signal
Synapsen: analoge Transmitterausschüttung
o Bei der Geburt ist im Wesentlichen die Anzahl der Neuronen festgelegt, später
gibt es fast nur noch Verknüpfungen
Axon
= langer, faserartiger Fortsatz einer Nervenzelle, der elektrische Nervenimpulse vom
Zellkörper wegleitet – die Weitergabe erfolgt dann chemisch
3.3. Synapsen – Neurotransmitter

Synapsen arbeiten entweder elektrochemisch oder chemisch durch
entsprechende Transmittersubstanzen

Exogene Verabreichung ahmt die endogene Ausschüttung in der Wirkung
nach (zB. Beruhigungsmittel, Rauschmittel)
Die wichtigsten Neurotransmitter sind:

Acetylcholin (Übertragung von Nervenimpulsen auf die Muskulatur und im
vegetativen Nervensystem; Nikotin bindet kurzfristig Acetylcholin –
Rezeptoren)

Adrenalin und Noradrenalin (Aktivierung: vegetatives NS, Muskulatur, Herz,
Gehirn  Stressgeschehen!)

Serotonin (wichtige Rolle bei vielen psychischen Prozessen; Mangel führt u.a.
zu Depressionen und Zwanghaftigkeit)

Dopamin (psychische und psychosomatische Prozesse, Antriebssteigerung),
Mangel: Pakinson’sche Krankheit, erhöhte Dopaminaktivität in bestimmten
Arealen  Psychosen
Beispiel:
1. Schock führt zu erhöhter Ausschüttung von Serotonin und Dopamin
2. Speed (Droge) kann zum Tod führen, man hat immer Energie, kann Tag und
Nacht wach bleiben
3. Viele Drogen greifen in den Dopaminhaushalt ein (Nikotin sofort, Alkohol
etwas später)
3.4. Das Zentralnervensystem
7 Hauptregionen
7
1. Terencephalon (=Großhirn, Endhirn): Gedächtnis, Erinnerung,
Denkvermögen
2. Diencephalon (= Zwischenhirn) besteht aus Thalamus und Hypothalamus:
zuständig für Regulationsfunktion der Wärmeregulation,
Schlaf/Wachrhythmus, Nahrungsaufnahme, Blutdruck- und Atemregulation
3. Mesencephalon (= Mittelhirn): zuständig für Bewegungskoordinierung
4. Pons – Brücke (Teil des Hinterhirns)
7
Lernunterlagen HPPV Prof. Kowarsch 2008/2009
5. Medulla Oblongata (= verlängertes Mark): entspringt von der Brücke, tritt
durch das große Hinterhauptsloch aus dem Schädel aus und geht in das
Rückenmark über; erhält das Atem- und Kreislaufzentrum
6. Rückenmark
7. Cerebellum (= Kleinhirn): erfüllt wichtige Aufgaben bei der Steuerung der
Motorik
Aufgaben des ZNS:

Interpretation aller sensiblen Reize, die von innerhalb oder außerhalb des
Organismus eintreffen

Koordination sämtlicher motorischer Eigenleistungen des Gesamtorganismus

Regulation aller dabei ablaufenden innerorganischen Abstimmungsvorgänge
3.5. Neuropsychologische Grundlagen des Langzeitgedächtnisses
8
Frontallappen = Vorderlappen
Parietallappen = Scheitellappen
Okzipitallappen = Hinterhauptlappen
Temperallappen = Schläfenlappen
Am Enkodieren sind besonders der Temporallappen (= Schläfenlappen), der
Hippocampus sowie der präfrontale Cortex beteiligt
3.5.1. Stark Gedächtnis – assoziierte Gerhirnregionen
8http://de.wikipedia.org/wiki/Gehirn#Zusammenfassung_des_Aufbaus_des_menschli
chen_Gehirns (16.01.10, 20:15)

Schläfen- und Scheitellappen, präfrontaler Cortex – assoziative Felder (LZG)

Hippocampus und Amygdala (Mandelkern): zuständig für die
Zwischenspeicherung und die Transformation in eine permanente
Gedächtnisform im Cortex (LZG)

Thalamus: Verbindung zu allen sensorischen Arealen, Informationsfilter
(Selektion und Konzentration!) und hochkomplexe Informationsverarbeitung,
Beteiligung an emotionalen Prozessen
3.6. Konnex verschiedener Sprachzentren
9
1.
2.
3.
4.
Analyse des Gehörten  primäres akustisches Areal
Bedeutungsgehalt  Wernicke – Zentrum
Aufbereitung für Nachsprechen  Broca – Areal
Impuls für Sprechmuskulatur  Motorisches Areal
3.7. Verknüpfung von Emotionen und Kognitionen
Limbisches System (Limbus = Saum)  rot eingefärbt
9
Lernunterlagen HPPV Kowarsch 2008/2009
10
Das limbische System ist eine Funktionseinheit des Gehirns, die der Verarbeitung
von Emotionen und der Entstehung des Triebverhaltens dient. Auch intellektuelle
Leistungen werden ihm zugesprochen. Andere corticale und nicht-corticale
Strukturen des Gehirns üben einen Einfluss auf das limbische System aus.
Entstehung von Emotion und Triebverhalten = Zusammenspiel vieler Gehirnanteile
(nicht nur limbisches System)
Störungen:
Unfähigkeit, emotionale Situationen einzuschätzen
Gedächtnisstörungen
Posttraumatische Belastungsstörungen
Authismus, Depressionen, Phobien
Das limbische System ist auch für die Ausschüttung von Endorphinen verantwortlich.
Regionen des limbischen Systems:










Hypocampus
Fornix
präfrontaler Cortex
Gyrus cinguli
Thalamus
Septum
Balken
Hypothalamus
Hypophyse
Amygdala
Jede dieser Regionen beitzt wichtige funktionelle Verbindungen zu
Steuerungszentren in andere Hirnregionen. Als Zentrale des limbischen Systems gilt
heute der Mandelkern (Amygdala)
10
http://de.wikipedia.org/wiki/Limbisches_System (16.1.10, 20:16)
11
4. Gedächtnismodelle
4.1. Die DUAL – CODE – Theorie von PAIVIO
Gedächtnismodell der Kognitionspsychologie, welches anschaulich illustriert, wie der
positive Lerneffekt bei einer gleichzeitigen Repräsentation von beispielsweise
Sprache und Bild zu erklären ist.
Die Idee der Dual-Code Theorie besteht darin, dass es in unserem Grosshirn zwei
unterschiedlich spezialisierte mentale Systeme gibt ; einerseits das verbale System,
welches für die Verarbeitung und Speicherung linguististischer Informationen
zuständig ist und andererseits ein non-verbales System, das für den Umgang mit
Bildern, einschliesslich bildhafter Vorstellungen verantwortlich ist.
11
Lernunterlagen HPPV Prof. Kowarsch 2008/2009
Die Kernaussage dieser Theorie ist ein resultierender Gedächtnisvorteil, wenn
Informationen gleichzeitig sowohl verbal als auch non-verbal repräsentiert und
gespeichert werden. Dies erklärt Paivio damit, dass beide Systeme zwar unabhängig
voneinander arbeiten, aber zwischen dem verbalen und dem non-verbalen System
Verbindungen existieren, die gegebenenfalls aktiviert werden und es zu einer
zweifachen kognitiven Repräsentation kommt – also zu einer dualen Codierung.
Durch diese doppelte Codierung kann daraus gemäss Paivio eine höhere
Behaltensleisung bzw. Lerneffekt resultieren. 12

Unterscheidung zwischen verbaler und nonverbaler (vorwiegend bildhafter)
Verarbeitung

Hirnbiologisch wird eine horizontale Integration unterstellt – d.h. beide
Hemisphären sind beteiligt

Das bildhafte Verarbeiten ist dem sprachlichen Kodieren grundsätzlich
überlegen (stimmt aber nicht immer)
13
12
http://www.e-work.ethz.ch/praesentationen/ws_0001/gruppe_02/Homepage%20Gruppe%202/multimedia.html#Dual (15.1.10, 13:30)
13 http://hupsy03.psychologie.huberlin.de/arbpsy/studenten/beier_kaltwasser/audio.htm#Das%20Dual-CodeModell%20von%20Paivio (15.1.10, 20:00)
4.2. Dominante cerebrale Laterisation
Lateralisation = Entwicklung der Differenzierung der Funktionen der beiden
Gehirnhemisphären
Beide Hemisphären arbeiten stets zusammen, doch hat jede eine gewisse
Spezialisierung übernommen, die bei Männern stärker ausgeprägt ist als bei Frauen.
Linkshänder haben teils andere Lateralisationen
Linke Hemisphäre
Rechte Hemisphäre
sprachlich
Musikalisch
Verbales Gedächtnis
Nonverbales Gedächtnis
begrifflich
Bild- und Mustererkennung
arithmetisch
geometrisch / räumlich
alalytisch / abstrakt
einheitlich /konkret
4.3. Verarbeitungstiefe
Alternativmodell (Craik/Lockhart 1972)
Informationen werden umso besser gespeichert, je tiefer sie verarbeitet wurden.
Intensive Auseinandersetzung  tiefere Verarbeitung
Bezieht sich auf expliziten und impliziten Gedächtnisgebrauch
Eine semantische (sinnverarbeitende) Verarbeitung verbalen Materials ist für
ein langfristiges Behalten entscheidend!!!
4.4. Strukturell-funktionales Multi – Code – Modell von
ENGELKAMP (multiple Repräsentation)
14

beruht auf hirnpsychologischen Erkenntnissen, dass es modalitätsspezifische
Verarbeitungszentren gibt (bildhafte, verbal, motorisch,...) und den
funktionellen Zusammenhängen

Jedes Teilsystem besteht aus spezifischen Einheiten, die Verbindungen zu
anderen Einheiten haben

Übergeordnet ist die Ebene der Bedeutung – das „konzeptionelle Wissen“ 
durch Aktivierung dessen kann längerfristiges Behalten verbessert werden
4.5. Deklaratives und prozedurales Gedächtnis ( Wissen und
Fertigkeiten)
Deklaratives Gedächtnis:
Das deklarative Gedächtnis betrifft Erinnerungen bezüglich Fakten oder Ereignissen.
14
http://hupsy03.psychologie.huberlin.de/arbpsy/studenten/beier_kaltwasser/audio.htm#Das%20Dual-CodeModell%20von%20Paivio (15.1.10, 20:30)
1. Das episodische Gedächtnis:
Das episodische Gedächtnis enthält Erinnerungen bzw. persönliche Erfahrungen,
die durch die Ereignisse unserer eigenen Vergangenheit entstanden sind. Deshalb
wird es oft auch als autobiographisch bezeichnet.
2. Das semantische Gedächtnis:
Das semantische Gedächtnis ist unabhängig von Ort und Zeit, es enthält generelle
Konzepte und Regeln, also Sinnzusammenhänge und Bedeutungen.
Prozedurales Gedächtnis:
Als prozedurales Gedächtnis wird das bezeichnet was uns begegnet, wenn wir Dinge
tun. Es ist das prozedurale Gedächtnis was uns sagt, wie wir diese Dinge zu tun
haben.
Prozedurales Gedächtnis ist selten bewusst und benötigt weniger aktive
Willensanstrengung und Aufmerksamkeit.
Explizites und Implizites Gedächtnis:
Explizites Gedächtnis:
Betrifft das Gedächtnis wenn man versucht, sich bewußt, gezielt und mit
Anstrengung etwas ins Gedächtnis zu rufen.
Beispiel: Sie kommen in einen ihnen bekannten Raum und merken, dass sich etwas
darin verändert hat. Vielleicht stehen die Möbel anders oder die Farbe der Tapete hat
sich verändert. Sie versuchen bewusst und mit Anstrengung diese Veränderung
herauszufinden. Sie benutzen dabei das explizite Gedächtnis.
Implizites Gedächtnis:
Vom impliziten Gedächtnis ist dann die Rede, wenn Gedächtnisinhalte ohne
bewusste Steuerung einfließen.
Beispiel: Sie betrachten ein Foto einer Küche und auf dem Küchentisch sitzt ein
Fuchs. Würden sie gefragt werden, was auf dem Bild nicht stimmt, würde Ihnen
sofort klar werden, daß ein Fuchs nicht auf einen Küchentisch gehört. Ohne jede
Anstrengung und ohne jede bewußte Suche haben sie sich erinnert, daß ein Fuchs
nicht auf einen Küchentisch zu suchen hat. Sie benutzen dabei ihr implizites
Gedächtnis.
15
4.6. Das Gehirn lernt immer
Angewandte neurowissenschaftliche Erkenntnisse
 Manfred Spitzer (Uni Ulm)
Prof. Spitzer: "Das Gehirn lernt immer, aber nicht unbedingt das, was der Lehrer will
... Es liegt deshalb an uns, darauf zu achten, dass Kinder den richtigen Input
bekommen."16

Lernathmosphäre ist wichtig – Lernen unter Angst: zB Bild einer Schlange im
Blickwinkel;  Angstreaktion, ehe die Situation richtig bewusst wird –
Amygdala (Mandelkern): Pulsbeschleunigung, erhöhter Tonus,...

Vokabellernen unter Angst  Vokabel werden im Mandelkern gespeichert:
Ein Lerninhalt, der unter Angst gelernt wird, wird mit Angst verknüpft. Ruft
man den Inhalt ab, wird die Angst mit abgerufen
15
16

Neues und Überraschendes sind gut für uns

Lernen und Glücksempfinden sind systemimmanent ähnlich
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Mietzel2.gif (15.1.10, 20:35)
http://vorarlberg.orf.at/magazin/klickpunkt/focus/stories/164610/ (15.1.10, 20:37)
 Gehen und sprechen lernen
= Musterbeispiel für Frustrationstoleranz und Regellernen

Wenn Kleinstkinder Sprache hören, lernen sie Schicht für Schicht von
strukturell niedrigem auf ein immer höheres Niveau zum nächst höheren:
Laute, Silben, Wörter, einfache Sätze

Experimente mit 7 Monate alten Säuglingen:
Silbenfolgen: La, li, la; Ma mi ma, da, di da  erst interessiertes Zuhören,
dann abwenden
Wechsel: La la li, ma ma mi, da da di  wieder Zuwendung
Wechsel in der Grammatik: ABA – AAB
 Erlernen von Sprachmustern und grammatikalischen Regeln
Regeln lernen – explizite Sprachmuster
zB. Partizip perfekt: üblicherweise gebildet durch das Anhängen des Präfix GE-):
singen – gesungen, gehen – gegangen,...
ABER: rasieren – ge-rasiert, flanieren – ge-flaniert
Experiment von Spitzer mit Phantasierwörtern:
Quangen – gequangt, partieren – ge –partiert
4.7. Wissen ist der Schlüssel zum Können
Zu lange berief man sich (ua. Unter Berufung auf Piaget) darauf, dass das Gehirn
erst vor anspruchsvollen Leistungen oder schulischen Anforderungen heranreifen
müsse
Trotz oder gerade wegen der Gehirnentwicklung der Kinder müssen sie
entsprechend gefördert und gefordert werden.
Die wissensbasierte Gesellschaft braucht, da ihre Grundlagen nicht in den Genen
angelegt sind, die direkte Unterweisung und Anleitung durch Mentoren (ua.
LehrerInnen)
4.8. Windows of opportunity – kritische Phasen?

Neugeborene Katzen wurden in den ersten 3 Monaten daran gehindert, mit
einem Auge etwas zu sehen  Immer blind auf diesem Auge (Hubels &
Wiesel).

Für das Erlernen der Sprache gibt es eine sensible Phase.

Nutzung der sensiblen Phasen wird mitunter in der frühen Fremdsprachenförderung überbetont, wenn bei MigrantInnen die Muttersprache nicht wirklich
beherrscht wird.

Das Gehirn ist kein Schwamm, der alle Informationen aufsaugt. Im Gegenteil,
es filtert ständig Umweltreize heraus, die für gerade aktuelle Handlungsziele
relevant sind.

Der Arbeitsspeicher ist begrenzt. Das bewirkt die Konzentration auf das
Wesentliche

Kinder haben noch Defizite in der Handlungs- und Planungskompetenz
4.9. Sprachentwicklung – Ein-Zwei-Dreiwort-Sätze
Obwohl Kinder von Anfang an komplexe Sätze hören, bilden sie zunächst nur Einund später Zwei-Wort-Sätze, blenden Funktionswörter aus und unterlassen
Konjunktionen und Deklinationen auf Grund des beschränkten Aufnahmevermögens
und des beschränkten Arbeitsspeichers
Die Euphorie des sehr frühen Fremdsprachenerwerbs lässt sich neuropsychologisch
nur bedingt erklären
4.10. Training von Fertigkeiten und Wissenserwerb

Formale Bildung ohne Inhalt gibt es nicht

Latein schult nicht das logische Denken an sich. Man lernt Vokabel,
grammatikalische Strukturen,...

Es kommt sehr wohl auf den Inhalt an

Wissenserwerb ist entscheidend

Fertigkeiten trainieren macht Sinn: 1x1, Vokabel, Techniken, Sport,...

Pures Kompetenztraining ist zu wenig

Automatisiertes Wissen und Können sind Voraussetzungen für
Verstehensprozesse  es werden Kapazitäten im Arbeitsspeicher für
Verstehensprozesse frei

Kreativität muss ermöglicht werden

Automatisiertes Wissen muss immer wieder in sinnstiftendes Lernen
eingebettet werden
zB. Phonologisches Bewusstsein = Erkennen der lautlichen Merkmale einer
Sprache – Klatschen im Rhythmus, Reime erkennen,... ist Vorraussetzung für
eine Automatisierung des Lesens
4.11. Intelligenz – Vererbung und Umwelt
Untersuchungen mit ein- und zweieiigen Zwillingen haben gezeigt, dass es sowohl
einen genetischen als auch einen umweltbezogenen Einfluss auf die Intelligenz gibt
Die genetischen Grundlagen stecken den möglichen Rahmen der
Intelligenzentwicklung ab, doch bedarf es der entsprechenden Lernangebote der
Umwelt, damit sich das Potenzial eines Individuums auch entwickeln kann
Denkt man an stark vernachlässigte Kinder, so ist es ein gewisser Trost, dass nicht
nur die Umwelt über die Entwicklung eines Kindes entscheidet  Resilienz
5. Entwicklungspsychologische Grundlagen
5.1. Kognitive Entwicklung aus neuropsychologischer Sicht
Die Lebensspanne der Synapsen:

Das erste Stadium – die Bildung von Synapsen – wird durch genetische und
entwicklungsgemäße Prozesse gesteuert

Das zweite Stadium – die Feinregulierung der gebildeten Synapsen – betrifft
frühe kritische Entwicklungsphasen und benötigt als treibende Kraft ein
angemessenes Aktivitätsmuster der beteiligten Neuronen, das im Notfall durch
externe Reize erzeugt wird

Die dritte Phase – die Regulation einer vorübergehenden oder
langanhaltenden Effektivität der Synapsen – ist lebenslang und wird durch
Erfahrungen bestimmt
ALLE VERHALTENSOPTIONEN DES INDIVIDUUMS WERDEN DURCH
GENETISCHE UND ENTWICKLUNGSBEDINGTE MECHANISMEN BESTIMMT,
DIE DIREKT AUF DAS GEHIRN WIRKEN!
5.2. Das interaktionstheoretische Modell PIAGETs
2 Formen der Anpassung:
1. Assimilation: Tendenz des Kindes, Gegebenheiten der Umwelt gemäß den
Möglichkeiten seines psychischen Apparates an die bestehende Strukturstufe
anzupassen. Neue Reize werden so interpretiert, dass sie als vertraut
erscheinen. Die Umwelt wird assimiliert.
2. Akkomodation: Anpassung des Kindes an die objektiven Gegebenheiten der
Umwelt und das Lernen an ihnen, erkennbar an realitätsgerechten
Verhaltensänderungen. Neue Erfahrungen werden gemacht (zB. Deckel lässt
sich durch Abziehen nicht öffnen  wird aufgedreht)
PIAGETs 5 Entwicklungsstufen der Intelligenz:
1. Die sensumotorische Intelligenz (0 – ca. 2 Jahre)
2. Das vorbegrifflich symbolische Denken (2-4 Jahre)
3. Das anschauliche Denken (4-7 Jahre)
4. Die konkret logischen Operationen (8-11 Jahre)
5. Die formalen Operationen (ab ca. 12 Jahren)
5.3. Kognitive Entwicklungsstufen nach Jerome BRUNER

Enaktive Stufe (Form) – handlungsmäßige Darstellung: der Mensch erfasst
seine Umwelt durch aktionale Aktivitäten: zB. Radfahren Lernen

Ikonische Stufe (Form) – die bildhafte Darstellung: Problemlösung in
vorgestellten Bildern (zB. Bei geometrischen Aufgaben)

Symbolische Stufe (Form) – symbolische Darstellung: Sprache,
Schriftsymbole und andere Zeichensymbole (mathematische Logik)
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