Ethische Konsequenzen für den Umgang mit Internet

Werbung
Ethische Konsequenzen für den
Umgang mit Internet
Prof. Karl Golser
Fakultät für Informatik
2006
Ethische Konsequenzen



Der Philosoph Emanuel Lévinas (1906-1995) hatte alle Ethik
auf der Begegnung von Mensch zu Mensch, genauer noch von
Angesicht zu Angesicht (face to face“) gegründet[1].
Im Angesicht des Anderen, speziell des Schwachen und
Fremden, leuchtet der Appell auf „Du sollst nicht töten“.
Ethische Verantwortlichkeit ist die Fähigkeit, darauf zu
antworten, auch das Gewicht der anstehenden Problematik zu
erkennen (respondeo abgeleitet von rei pondus).

[1] Vgl. sein Hauptwerk: Totalität und Unendlichkeit,
Freiburg/München: Alber 1987 (franz. Totalité et infini. The
Hague : Nijhoff 1961).
Ethische Konsequenzen für den
Umgang mit Internet


Scampato per miracolo dall’efferato disprezzo della dignità
umana operato dal razzismo del regime nazionalsocialista che
ha portato alla shoah milioni di ebrei, ai quali si è negato ogni
dignità e diritto di vita, il filosofo di origine ebrea Emanuel
Lévinas, morto nel 1995, concepisce e fonda l’etica
nell’esperienza dell’altro il cui volto si impone.
“È proprio sul volto del debole e dello straniero che risplende
l’imperativo concreto, quel ‘Tu non uccidere’ che trasfigura
immediatamente nella positività del ‘Fammi vivere’.”
L’esperienza del volto dell’altro si impone, è anteriore ad ogni
discorso filosofico, e quell’altro è colui del quale io sono
responsabile. L’altro, ogni essere umano, ha quindi una dignità
che mi interpella e non permette che io possa disporre di lui
come di oggetto.
Ethische Konsequenzen


Schon beim Übergang vom oralen Medium – von
Angesicht zu Angesicht – zur schriftlichen
Darstellung ergibt sich eine Verschiebung, die schon
bei den griechischen Philosophen Platon und
Aristoteles diskutiert wird.
Aber in der ganzen griechisch-römischen
Philosophie und auch der christlichen Philosophie
des Mittelalters steht die Schrift immer Dienst der
mündlichen Begegnung.
Ethische Konsequenzen



Ein weiterer Einschnitt ergibt sich bei Immanuel Kant, der
zwischen dem öffentlichen und dem privaten Gebrauch der
eigenen Vernunft unterscheidet (in der Schrift: „Beantwortung
der Frage: was ist Aufklärung?“).
Der private Gebrauch wäre jener Gebrauch, den jemand als
die bestimmte Person, die einen bürgerlichen Posten oder ein
Amt hat, wahrnimmt. Hier kann es durchaus Einschränkungen
der eigenen Meinungsfreiheit geben.
Der öffentliche Gebrauch wäre jener, den jemand als
Gelehrter vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht.
Dieser Gebrauch der Vernunft muss frei sein, er garantiert die
Aufklärung und letztlich Demokratie.
Ethische Konsequenzen



„Gelehrte“ können dabei Vertreter eines jeglichen Standes sein,
aber sie sind „gelehrt“, insofern sie im freien Gebrauch ihrer
Vernunft sich „als Glied eines ganzen Gemeinwesens, ja sogar
der Weltbürgergesellschaft“ äußern. Denken ist so ein sozialer
und medialer Prozess.
Kant hat sich ausdrücklich Gedanken gemacht über das, was
ein Buch ist. Der Autor spricht, indem er im eigenen Namen
schreibt und er tut dies durch die Vermittlung eines Verlegers,
der ihm „nachspricht“, indem er ein „körperliches Kunstprodukt“,
eben das Buch herstellt. Das Buch hat ein Sachrecht, ein
Nachdruck ist ohne eine Vollmacht des Autors verboten.
Von hier aus sind die Autorenrechte bzw. Urheberrechte
entstanden, die in den einzelnen nationalen Gesetzgebungen
enthalten sind.
Ethische Konsequenzen



Kant konnte die medialen Veränderungen am Ende des 20.
Jahrhunderts nicht erahnen. Sein Publikum war noch eine
vergleichsweise kleine Schicht gebildeter Bürger.
Nun aber sind wir in einer Weltöffentlichkeit, die auch schon die
transparente Kommunikationsgemeinschaft, wie sie sich
Habermas vorstellt, übersteigt. Wir haben, wie schon
angedeutet, im Internet die Verbindung zwischen den
diskursiven Medien, die der Verbreitung dienen (Buch etc.) und
den dialogischen Medien, die eigentlich im Dienste der
Erzeugung neuer Informationen stehen sollten.
Die Frage nach der Freiheit der Verbreitung – vor allem in Form
von Pressefreiheit (freedom of the press) als moderne Form der
antiken Redefreiheit (freedom of speech) – wird jetzt in Form
der Frage nach der Freiheit der Zugänglichkeit zur
Weltvernetzung (freedom of access) gestellt. Sie ist die
Kernfrage einer postmodernen Informationsethik.
Ethische Konsequenzen



Dadurch werden auch zumindest teilweise die modernen
Machtverhältnisse umgekehrt: Aufgrund der dezentralen und
globalen Struktur des Netzes werden die Sphären der
bürgerlichen Gesellschaft (Politik, Wirtschaft, Militär, Kirche)
von einem Medium umspannt, das sie nur unzureichend
regulieren können.
Die globale Vernetzung in Gestalt des Internet hat weder nur
kritisch-aufklärerische Ziele im Sinne Kants, noch entspricht sie
der Vorstellung einer rationalen Kommunikationsgemeinschaft
mit dem Ziel eines universalen Konsensus (Habermas).
Innerhalb des Internet, wo die starre pyramidale One-to-manyStruktur nicht mehr maßgeblich ist, sind nun unterschiedliche
Diskussions- und Mitteilungsformen (und –foren) mit
verschiedenen kulturell geprägten Rationalitätskriterien und mit
veränderbaren Relevanzmaßstäben möglich, ja sogar
wünschenswert.
Ethische Konsequenzen


Auch ist das Internet eine Mischform zwischen der
Oralität (mündliche Mitteilungsform) und der
Schriftlichkeit, nicht nur weil Schrift, Bild und Audio
verbunden sind, sondern auch was die Form oder
den Stil der Schrift selber betrifft:
man schreibt wie man spricht – im Gegensatz zum
Buch, wo man sich „druckreif“ äußern soll – und die
Zuhörer sind gleichzeitig weltweit verteilt.
Ethische Konsequenzen



Ein weiteres Problem ist die
Informationsgerechtigkeit.
Die Spannung zwischen den Informationsarmen
und –reichen wird sich womöglich noch verschärfen,
z.B. in Bezug auf die Verteilung von Netzen und
Servern.
Wenn die UNO die Funktion hat, ein Forum der
Regelung von Konflikten in der Völkergemeinschaft
zu sein, dann müsste es bei der UNO auch eine
Informationsagentur geben, bei der die nationalen
Partikularinteressen (sowie die unterschiedlichen
Informationsmoralen) artikuliert und auch zu einem
Ausgleich gebracht werden können.
Ethische Konsequenzen


Die globalisierte Informations- und
Kommunikationsstruktur stellt zugleich eine
theoretische und praktische Einschränkung der
staatlichen Informationsmoralen dar. Es gelingt
den Staaten nur mehr beschränkt, den
Informationsfluss über Internet zu kontrollieren.
So findet eine Umkehrung der Verhältnisse statt:
Nicht die staatliche Informationsmoral gewährt den
freien Raum des Ethischen, sondern der globale
Raum des Ethischen bedingt oder zumindest
beeinflusst die staatlichen Informationsmoralen.
Ethische Konsequenzen



Gedanken- und Handlungsfreiheit lassen sich aber in der
globalen Vernetzung nicht mehr voneinander trennen.
Handeln heißt immer auch Informationshandeln und dieses
findet heute in einem globalen Raum statt, während das
Medium Buch eine deutliche Trennung zwischen Theorie und
Praxis erlaubte.
Wenn aber die Freiheit der Maßstab des Universalen ist, ist
dann im Internet „alles erlaubt“? Wie steht es bei einem
Medium, bei dem es zugleich um Handlungen geht?
Die theoretische und praktische Hybridnatur (Mischform) des
Mediums Internet und die vielfältigen Spannungen zwischen
dieser Konkretisierung des Ethischen und den (staatlichen)
Einzelmoralen verlangen nach einer neuen Informationsethik,
die sich diesen Fragen stellt.
Ethische Konsequenzen


Es geht konkret um die Frage, ob ethisch
begründete Vorschriften einen normativen Charakter
für das Medium Internet haben können, da ein
heilloser Krieg der Informationsmoralen kaum eine
Alternative sein kann.
Anders gesagt: Wo sind die Möglichkeiten und
Grenzen der ethischen Reflexion im Hinblick auf die
Aufstellung und Begründung einer Internetmoral?
Ethische Konsequenzen





Die Frage nach einer Internetmoral umfasst folgende Aspekte:
Gedankenfreiheit im Netz muss nicht gleich Anarchie oder Anomie
bedeuten.
Es wäre möglich, dass auf der Basis der „Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte“ aufgrund der ethischen Reflexion es zum Vorschlag
eines Minimalkonsenses der UN-Mitgliedsstaaten kommen könnte
als Basis eines zu praktizierenden Weltinformationsethos.
Zugleich kann aber auch die Netgemeinde sich selbst ethische
Verhaltensvorschriften geben, und es kann zu einem
Zusammenspiel zwischen beiden Formen kommen.
Öffentliche Foren im Internet könnten eine ähnliche Rolle spielen wie
die freie Presse in einem Nationalstaat. Also auch die Ansprüche einer
universalistischen Ethik beschränken, da das Internet ja nur
Austragungsort, nicht aber Richtschnur für die Konflikte zwischen den
Moralen darstellt.
Ethische Konsequenzen



Dabei ist zu bedenken, dass das Internet, so wenig
wie auch die Schrift oder sogar die Sprache, kein
Medium ist, bei dem es allein auf rationale
Argumentation mit dem ethischen Ziel eines idealen
Konsenses ankommt.
Die Menschen sind eben nicht reine
Vernunftwesen.
Deshalb ist die Idee, über das Internet eine
vernünftige Intersubjektivität zu realisieren, immer
nur bedingt möglich.
Ethische Konsequenzen



Was schon Aristoteles in Bezug auf Platon ausführte, dass wir
nämlich bei diesen menschlichen Verhaltensweisen die
Wahrheit nur in gröberen Umrissen beschreiben, das müsse –
so Capurro, der sich auf Vattimo bezieht – auch hier für das
Medium Internet gelten.
Die irrende, täuschende, gegensätzliche und unbeständige
Natur des Menschen ist dem Medium Internet keineswegs
fremd, insofern das Netz ein Wohnort des Menschen ist.
„In der Transparenz und ‚akribischen’ Genauigkeit des Digitalen
kommt stets das Halbdunkel und die beunruhigende Unschärfe
der menschlichen Freiheit zum Vorschein. In diesem deshalb
‚un-heimlichen’ Medium bieten die Homepages nur eine
prekäre Behausung.
Konkrete Pisten einer Internetmoral




Der Kern einer normativen Informationsethik lässt
sich auf der Grundlage einiger Artikel der
„Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte“
näher bestimmen. Insbesondere sind es:
Die Achtung der Menschenwürde:
Artikel 1 (Menschenwürde)
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und
Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und
Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der
Brüderlichkeit begegnen.“
Wie kann dies im Internet eine Anwendung
finden?
Konkrete Pisten einer Internetmoral



Das Recht auf Chancengleichheit und insofern auf
Vertraulichkeit ist inbegriffen im:
Art. 1, 2 (Diskriminierungsverbot):
“Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten
Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa
nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion,
politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder
sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.
Des weiteren darf kein Unterschied gemacht werden auf Grund
der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des
Landes oder Gebiets, dem eine Person angehört, gleichgültig
ob dieses unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine
Selbstregierung besitzt oder sonst in seiner Souveränität
eingeschränkt ist.
Konkrete Pisten einer Internetmoral


Das Recht auf Chancengleichheit und insofern auf Vertraulichkeit in der
Kommunikation ist ebenso enthalten in:
Artikel 3
Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.
Artikel 4
Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden;
Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen ihren Formen verboten.
Artikel 5
Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder
erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
Artikel 6
Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden.
Konkrete Pisten einer Internetmoral



Das Recht auf Privatheit
Art 3 (Grundlegende Rechte),
Art. 12 (Schutz der Intimsphäre): „Niemand darf
willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine
Familie, sein Heim oder seinen Briefwechsel noch
Angriffen auf seine Ehre und seinen Ruf ausgesetzt
werden. Jeder Mensch hat Anspruch auf rechtlichen
Schutz gegen derartige Eingriffe oder Anschläge.“
Konkrete Pisten einer Internetmoral

Das Recht auf freie Meinungsäußerung
Art.19: „Jeder Mensch hat das Recht auf
freie Meinungsäußerung; dieses Recht
umfasst die Freiheit, Meinungen
unangefochten anzuhangen und
Informationen und Ideen mit allen
Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf
Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu
verbreiten.“
Konkrete Pisten einer Internetmoral


Das Recht auf Beteiligung am kulturellen
Leben
Art. 27: „(1) Jeder Mensch hat das Recht, am
kulturellen Leben der Gemeinschaft frei
teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen
und am wissenschaftlichen Fortschritt und
dessen Wohltaten teilzuhaben.
Konkrete Pisten einer Internetmoral


Das Recht auf Schutz der materiellen und
geistigen Arbeit
Artikel 27 (2)
Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen
und materiellen Interessen, die ihm als
Urheber von Werken der Wissenschaft,
Literatur oder Kunst erwachsen.
Informationsgerechtigkeit im Internet





In Bezug auf die Informationsgerechtigkeit können nun die 3 Ebenen
unterschieden werden:
Die Mikroebene (d.i. die Ebene der Einzelpersonen). Z.B. kann man
hier fragen, wie das Recht auf Privatheit eines Informationsnutzers
gegenüber Maßnahmen einer Organisation oder gegen rechtliche
Eingriffe am gerechtesten geschützt; ebenso welche Verantwortung
Informationsspezialisten gegenüber den Nutzern haben.
Die Mesoebene (d.i. die mittlere Ebene der Unternehmen). Z.B.
welche Verantwortung Informationsspezialisten gegenüber den
Institutionen haben, in denen sie arbeiten, bzw. welche sozial-ethische
Verantwortung Institutionen wie Bibliotheken oder Informationszentren
gegenüber ihren Nutzern haben.
Die Makroebene (d.i. die Ebene der (Welt-)Gesellschaft). Z.B. welche
Verantwortung der Einzelne gegenüber der Gesellschaft und die
Gesellschaft insgesamt gegenüber ihren Mitgliedern bei der
Gestaltung des Informationsmarktes übernehmen soll.
Auf allen diesen Ebenen können vielfältige Konflikte zwischen Ethik,
Moral und Recht auftreten.
Informationsgerechtigkeit im Internet





Ein besonders heiß diskutierter Konflikt bei Fragen
der Informationsgerechtigkeit auf Makroebene ist die
Kontrolle über die inhaltliche und technische
Gestaltung des Cyberspace: Soll es rechtliche
Zensuren gewisser Inhalte geben oder soll die
„Internet-Gemeinde“ sich selber regeln?
Und zwar gibt es folgende drei Funktionsbereiche:
Der Funktionsbereich Wissen
Der Funktionsbereich Freiheit
Der Funktionsbereich Identität
Informationsgerechtigkeit im Internet




Der Funktionsbereich Wissen:
Im Internet, in dem gigantisches Wissen gespeichert ist, wird
das Finden von Wissen über Such- und Selektionsprozesse
geleistet, die aber immer schon eine Auswahl bedeuten (nach
welchen Kriterien?) Die Frage stellt sich schon bei
Bibliothekskatalogen und Schlagwörtern, erst recht bei
Suchmaschinen.
Zudem kann im Internet das Geschriebene dauernd modifiziert
werden – es ist eben mehr ein Dialog.
So braucht es Vermittlungspersonen wie z.B. „Information
Brokers“ bzw. Informationsmanager (welche eine
vergleichbare Rolle wie die Journalisten haben).
Informationsgerechtigkeit im Internet




07.07.2004
Gründung eines Vereins zur Förderung von
Suchmaschinen-Technologie und des freien
Wissenszugangs
Am 5. Juli 2004 wurde in Hannover der "Gemeinnützige Verein
zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien
Wissenszugangs" (SuMa-eV) gegründet. Die primäre
Zielsetzung besteht darin, den freien Wissenszugang sichern
zu helfen. Um dies zu erreichen will der Verein u.a. den
"Aufbau einer dezentralen und kooperativen SuchmaschinenStruktur in Deutschland" fördern.
SuMa-eV: http://suma-ev.de/
Ethik der Cyberkultur







Funktionsbereich Freiheit hat verschiedene Problemfelder
Die Spannung zwischen der Freiheit der Kommunikation und dem
Schutz der Privatsphäre. Stichwort: Datenschutz, informationelle
Selbstbestimmung.
Die Spannung zwischen der digitalen Manipulation von Waren und
Dienstleistungen und dem Recht auf den Schutz der materiellen und
geistigen Arbeit. Stichwort: Autoren- und Urheberrechte, Copyright.
Die Spannung zwischen den Informationsreichen und –armen.
Stichwort: Informationsgerechtigkeit (Überwindung der „digitalen
Kluft“, des „digital divide“).
Die Spannung zwischen den Wirtschaftsinteressen des
Informationsmarktes und dem demokratischen Recht auf einen
ungehinderten Informationszugang. Stichwort: Informationelle
Grundversorgung.
Die Spannung zwischen globalen und lokalen Informationsmärkten:
Stichwort: „Glokalisierung“ (=global denken und lokal handeln).
Die Spannung zwischen der einen Cyberkultur und dem Recht auf
Bewahrung medialer Traditionen: Stichwort: multikulturelle
Mediengesellschaft.
Ethik der Cyberkultur –
Funktionsbereich „Freiheit“




Weitere Problembereiche:
UNBEFUGTES EINDRINGEN IN COMPUTERSYSTEME
UEBER DAS INTERNET
„HACKING": vom Eigentümer/Verwalter eines
Computersystems nicht gestattetes Eindringen; Lesen/
Diebstahl/ Manipulation/ Zerstörung von Informationen aus
verschiedenen Motiven heraus; seit den Anfängen des Internet
eine Art von Subkultur.
SPAMMING" und „VIRTUELLE VERGEWALTIGUNG": Durch
anonyme Gesprächspartner sinken Hemmschwellen
gegenüber unethischen Kommunikationsformen
(Beschimpfungen oder sexuelle Belästigungen).
Ethik der Cyberkultur



Diese Problemfelder gehören zu einem sich entwickelnden
Weltinformationsethos.
Die Lösungen schwanken zwischen gesetzlichen Regelungen
und dem Ruf nach Selbstkontrolle.
Die komplexen Probleme verlangen selbstverständlich auch
komplexe Lösungen, d.h. Selbstkontrolle durch die Nutzer,
interne Selbstregulierungsmechanismen im Netz sind ebenso
notwendig wie öffentliche Foren, nationale und internationale
Gesetzgebung, Einwirkung von NGOs (Non-Governmental
Organisations) und UN-Organisationen, wie UNESCO und den
Entwicklungsprogrammen UNDP, und ebenso der Weltbank
bzw. der WTO.
Ethik der Cyberkultur

Regulierungsformen im Internet
Ethik der Cyberkultur



a) Selbstegulierung durch moralische Normen:
Vorteile: selbstbestimmt, nutzerorientiert, motiv-, wert- und
normgebunden, wirkt verhaltensregulierend, Kommunikation als
Medium und Quelle der moral. Normen
Nachteile: eher schwache Form der Regulierung, auf intrinsische
Motivationen angewiesen, Sanktionen funktionieren nur in kleinen
Gemeinschaften
b) Regulierung durch Gesetze:
Vorteile: ordnungspolitische Eingriffe in Strukturen und Prozesse des
Netzes möglich, starke Form der (externen) Regulierung, Begrenzung
von Nebenfolgen
Nachteile: stößt oft an nationale Grenzen, Verrechtlichungsproblem
(z.B. Zensur, Datenmissbrauch), fremdbestimmt, schwerfällig
c) Regulierung durch Marktmechanismus:
Vorteile: interne Steuerung, ökonom. Anreize und Gratifikationen
wirken motivbildend, Geldmechanismus reagiert schnell und direkt
Nachteile: ethisch problematische Nebenfolgen der Profit/Nutzenmaximierung, Oligopole, Kommerzialisierung durch
liberalisierten und deregulierten Markt.
Ethische Handlungsbereiche im
Internet





1. Handlungsbereich privater Kommunikation:
“Web-Surfen”, Diskussionsforen u. -listen, Chat, Spielwelten...
Anerkennung, Reziprozität, Sprechchancen -> Netiquette, HelpManners
2. Handlungsbereich wissenschaftlicher Kommunikation:
Diskussionsforen, Wissens- und Informationsaustausch, Telelearning...
Nachprüfbarkeit, Achtung, Autorschaft => Wissenschaftliche
Ethikcodizes
3. Handlungsbereich wirtschaftlicher Kommunikation:
Intranet, Geldverkehr, Kundenkontakt, Werbung, Teleshopping...
Nutzenmaximierung, Wohlfahrt, Verteilung => Unternehmensethik
4. Handlungsbereich öffentlicher (Massen-)Kommunikation:
Online-Journalismus, Informationsdienste, Gerüchteküche...
Information, Kritik, Privatsphäre, Wahrheit > Journalistische Ethik
5. Handlungsbereich staatlich/politischer Kommunikation:
Selbstdarstellung, Intranet, Bürgerkontakt, Ordnungspolitik...
Demokratische Rechte, offene und dezentrale Netzstrukturen,
öffentliche Zugangsmöglichkeiten, Sozialverträglichkeit >
Zivilgesellschaftliche Ethik
Ethische Handlungsbereiche im
Internet
Informationsgerechtigkeit im Internet



Der Funktionsbereich Freiheit:
Die ‚elektronische Agora’ (=Marktplatz) bringt
aufgrund der Interaktivität des Mediums eigentlich
eine neue Dimension für die liberale Demokratie, da
sie eine neuartige Kombination von Individual- und
Massenkommunikation darstellt.
Die Frage ist nur, wie weit, wer und wo reguliert
(d.h. die unbeschränkte Freiheit beschränkt) werden
soll.
Informationsgerechtigkeit im Internet



Der Funktionsbereich Identität:
Hier geht es um die Identität des Menschen selbst,
welche Auswirkungen eben das Medium auf die
Menschen hat (Isolation, wechselnde auch fiktive
Identitäten) – man denke z.B. an die Möglichkeit von
Cybersex-Beziehungen.
Direkte Regelungen sind hier schwierig; die Aufgabe
stellt sich um grundsätzlichen Erziehungsbereich,
selbstverständlich auch im Schutz der Schwächsten.
Informationsgerechtigkeit im Internet





Der Funktionsbereich Identität:
Dieser Bereich umfasst Fragen einer philosophischen Anthropologie
bis hin zu elektronisch vermittelten (Cybersex-)Beziehungen und
Fällen von wechselnden Identitäten.
Eine prekäre Internetethik verweist hier auf die Möglichkeit normativer
Selbstregulationen. Diese Probleme lassen sich nicht durch das Recht
allein lösen.
Auch die Philosophie im Sinne einer ethischen Normierung kann die
konkrete Auseinandersetzung nicht ersetzen. Sie kann aber z.B. durch
Teilnahme an computervermittelter Kommunikation einen
(möglichen) Bezugsrahmen stellen.
So Debatin, B. (1998): Ethik und Internet. Überlegungen zur
normativen Problematik von hochvernetzter
Computerkommunikation.
In: http://www.uni-leipzig.de/~debatin/German/Netzethik.htm.
Funktionsbereich Identität im Internet



Es ist offensichtlich, daß auch hier sich spezifische normative
Probleme stellen. Diese betreffen (1) die Frage nach Verbindlichkeit
und Moralität von virtuellen Beziehungen und (2) die Frage nach der
Regelung von Konflikten in virtuellen Welten.
(1) Tatsächlich zeigen psychologische Studien in einigen Fällen eine
therapieähnliche und sozialisatorische Wirkung durch internetgestützte
Rollenspiele mit der kulturellen, sozialen und sexuellen Identität; auch
lässt sich belegen, dass Internet-chat nicht nur kommunikative Scheu
zu überwinden hilft, sondern mitunter sogar zu festen Partnerschaften
im real life führt.
Dem steht jedoch das Problem der Abhängigkeit vom chatting
entgegen, das häufig mit Kontaktverlusten im real life einhergeht. Auch
ist unklar, ob und inwieweit der experimentelle Umgang mit der
eigenen Identität im ‘Interaktionsschutzraum’ Internet wirklich Folgen
für das reale Leben hat oder ob es sich nur um einen
kommunikationstechnisch gestützten Eskapismus handelt.
Funktionsbereich Identität im Internet





In jedem Fall stellen sich hier eine Reihe von Fragen zur Ethik
zwischenmenschlicher Beziehungen:
Wie verbindlich können und sollen netzvermittelte Freundschaften und
Beziehungen sein?
Wie sind elektronische Kommunikationen zu bewerten, bei denen sich
eine Cybersex-Beziehung entwickelt?
Welche moralischen Standards und welche Verbindlichkeiten sind hier
anzulegen und wie wirkt sich dies auf traditionelle moralische
Konzepte wie Treue aus?
Im Konflikt zwischen real life- und virtual life-Beziehungen sind
eindeutige Antworten nicht zu finden, vielmehr zeigt sich, dass die
normativen Probleme des neuen Mediums Internet bis in die Intimität
zwischenmenschlicher Beziehungen hinein reichen und dort dann
auch (mitunter schmerzhaft) ausgehalten und ausgehandelt werden
müssen.
Funktionsbereich Identität im Internet



(2) Die normativen Probleme stellen sich aber nicht nur im Konflikt zwischen
realem und virtuellen Beziehungen, sondern auch im Hinblick auf Konflikte
zwischen Mitgliedern von virtuellen Welten.
Einige solche Fälle haben eine große Publizität erreicht, so z.B. der Fall eines
Mannes, der in einem elektronischen bulletin board die Identität einer
gelähmten Frau namens Joan (bzw. in anderen Versionen: Julie) annahm und
zur Vertrauten vieler Frauen wurde, bis seine ‘wahre’ Identität bekannt wurde,
woraufhin die betroffenen Frauen sich betrogen und verletzt fühlten. Der Fall
provozierte ausführliche Diskussionen, bei denen es insbesondere um die
ethischen Qualitäten solchen Verhaltens ging.
Ähnlich bekannt wurde der Fall aus einem MOO, bei dem ein Hacker die
Kontrolle über die virtuellen Figuren anderer MOO-Mitglieder übernahm und
eine ‘virtuelle Vergewaltigung’ zwischen ihnen inszenierte. Aufgrund dieses
Zwischenfalles kam es intensiven Auseinandersetzungen, die nicht nur zum
Ausschluss des Täters aus der Gemeinschaft führten, sondern in deren Folge
auch die sozialen, moralischen und quasi-rechtlichen Regeln dieser
Gemeinschaft diskutiert und definiert wurden.
Funktionsbereich Identität im Internet



Seitdem haben sich in vielen MUDs (Online-Rollenspiele) und
MOOs (virtual educational communities known as MOOs
(Multiple-user, Object-Oriented environments). sogenannte
help manners herausgebildet, die eine Art Normenkatalog für
die Teilnehmer dieser virtuellen Gemeinschaften darstellen.
Auch in den meisten Newsgroups existieren inzwischen
Verhaltens- und Teilnahmenormen und genauso gibt es in den
diversen Foren und Chat-Räumen von kommerziellen und
nichtkommerziellen Anbietern spezifische Normen, denen
Benutzer erst zustimmen müssen, bevor sie zur Teilnahme
zugelassen werden.
Die Einhaltung dieser Normen wird oft durch Sysops (System
Operators) und ähnliche Funktionsträger kontrolliert und
mittels entsprechender Sanktionen (bis hin zum Ausschluss)
durchgesetzt.
Funktionsbereich Identität im Internet




Insgesamt betrachtet liegen die normativen Probleme im
Funktionsbereich Identität vor allem in der Regelung von
zwischenmenschlichen und sozialen Konflikten im Verhältnis
zwischen real life und virtual life, sowie innerhalb der diversen
virtuellen Welten.
In diesem kommunikationsintensiven Bereich zeigt sich
vielleicht am deutlichsten, wie wichtig Regeln des sozialen
Handelns sind und wie schnell sich selbst in virtuellen Räumen
solche Normierungen herausbilden.
Damit wird auch klar, dass zur Entstehung von sozialen
Räumen eine physische Kopräsenz durchaus nicht nötig ist.
Unabdingbar sind jedoch normative Selbstregulationen, die
die kommunikativen Handlungen der Mitglieder solcher
virtuellen Gemeinschaften sanktionieren und die Grenzen und
Eigenschaften dieser kleinen sozialen Systeme definieren.
Herunterladen