Allgemeine Psychologie I WS 11/12 EINLEITUNG

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Allgemeine Psychologie I WS 11/12
EINLEITUNG
Drei Phasen des Lernens: Enkodierung, Konsolidierung und Abruf müssen funktionieren, damit
Lernen möglich ist.
Methoden der kognitiven Neurowissenschaften:
-
Computersimulationen (Neural networks)
Experimentelle Tierforschung
Kognitive Neuropsychologie: Untersuchung von Menschen, die fokale neurologische
Läsionen erlitten haben
Funktionelle Bildgebungsmethoden (functional brain imaging)
EEG MEG -> Messung der
Gehirnaktivität durch
elektrische/elektromagnetische
Felder
-> Messen zeitlich gut aber
räumlich schlecht
PET/SPECT & MRT (fMRT)
-> Messen räumlich gut aber
zeitlich schlecht
TMS -> Inteferenztechnik (über
Magnetfelder) -> Entladung von
Neuronen im Kortex -> direkter
Eingriff in Hirnfunktionen
-> Gefährlich ?!
Neurophysiologie des Gedächtnisses:
1. Theorien über Gedächtnis in den 40er Jahren -> 1. Überprüfungen in den 60er Jahren mittels
Elektroden
Nach Hebb:
-
Sensorische Infos werden auf zellulärer Ebene repräsentiert (mHv Sensoren)
Reize werden kopiert -> Reiz zirkuliert in einem Kreislauf, obwohl äußerlich schon nicht mehr
vorhanden -> Mechanismus erhält Informationen kurzzeitig aufrecht -> Gedächtnis!
HEBBSCHE SYNAPSE/HEBBSCHE REGEL:
(Beispiel: klassische Konditionierung)
Zunächst stärkere, direkte Reizweiterleitung
des linken präsynaptischen Neurons (obere
kann nur weiterleiten bei simultaner
Aktivierung)
Dann: bei mehrmaliger Aktivierung beider
stärkt sich die einst schwächere Synapse ->
Reize werden assoziiert (zB Glock/Futter ->
Sabber)
1
Evidenz durch Eric Kandel (Nobelpreis 2000) anhand Aplysia (hat simplen Aufbau und riesige Zellen)
– zB auch Habituation
Metagedächtnis= Selbsteinschätzung des Gedächtnisses <-> tatsächliches Gedächtnis
Rahmenbedingungen für Gedächtnissysteme:
-
Mehrere sensorische Kanäle (auditiv, visuell, taktil etc) -> Info muss aufeinander bezogen
werden -> Benötigung einer elementaren Gedächtnisform
Wissen über Welt & Regelmäßigkeiten: Semantisches Gedächtnis
Verhalten/soziale Interaktionen erfordern Langzeitgedächtnis (episodisches Gedächtnis)
-> Gedächtnissystem muss in der Lage sein Informationen zu erfassen, zu speichern und
abzurufen
Gedächtnis -> Verschiedene gedächtnissysteme -> „modales Modell des Gedächtnisses“ nach
ATKINSON & SHIFFRIN (1986) – SYSTEMORIENTIERTES MODELL:
GEDÄCHTNISTHEORIEN:
Strukturtheoretische Theorien
(Tulving/baddeley/schacter)
Unterschiedliche Gedächtnissysteme für
unterschiedliche Arten des Gedächtnisses:
episodisch/semantisch/prozedural (implizit priming etc)/deklarativ (explizit)
Prozessorientierte Theorien
Unterschiedliche Prozesse für Erinnern – 3
Phasen: Enkodierung -> Konsolidierung -> Abruf
SENSORISCHER SPEICHER: („Ultrakurzzeitgedächtnis“)
Visuell („iconic trace“)
->Visuelle Persistenz
(Nachbild)
Kortikal (zB Muster) ->
im Kortec
Akustisch („echoic“)
taktil
Retinal (zB hell-dunkel)
-> auf Netzhaut
2
EXPERIMENTELLE EVIDENZ:
Messversuche des visuellen sensorischen Speichers durch ANDREAS VON SEGNER ( UM 1740):
Rotierendes Kohlenstück beschreibt leuchtenden Kreis ab bestimmter Rotationsgeschwindigkeit ->
geschätzte Zeitdauer der ikonischen Gedächtnisspur ca 0.1 s
Exp: GEORGE SPERLING -> Probanden werden für 1/20 sek Buchstaben gezeigt -> 4-5 können
wiedergegeben werden.
Wenn mit auditivem Hinweisreiz (hoher – mittlerer – tiefer Ton) eine bestimmte Reihe
wiedergegeben werden soll, können die 3-4 Buchstaben in dieser Reihe korrekt wiedergegeben
werden. Dabei ist die Zeitdauer zw Matrix und Ton entscheidend: Länger -> schlechteres Ergebnis ->
Erhöhung der Merkfähigkeit von Buchstaben durch „echoisches“ Gedächtnis
Vorher und nachher heller Bildschirm gezeigt (Maskierung) -> bei dunkleren Bildschirmen ist Zerfall
des retinalen Nachbildes langsamer/ bei hellen Bildschirmen gibt es kein retinales Nachbild.
-
1. Komponente: Trägheit der photochemischen retinalen Prozesse bei starken Kontrasten mit
hellem Stimulus = starke Nachbilder (Alltag: in die Sonne schauen)
2. Komponente: Sensibilität für Muster des visuellen Kortex: Formerkennung
3. Visuelle Maskierung (Breitmeier)
Experiment: Getrennte Präsentation entweder visueller oder akustischer Items, danach Wiedergabe:
-> Wie ein Nachhallen (=Echo), umfasst maximal 2-3 Items, kann durch nachträgliche Instruktionen
bereits verschwinden -> Visuelle information wird schlechter gespeichert als auditive Information ->
Unterschied vermutlich auf sensorisches Gedächtnis zurückzuführen („echoic memory“)
3
I KURZZEITGEDÄCHTNIS
Def: System für die temporäre Speicherung und Manipulation einer begrenzten Anzahl von
Informationen. -> „Subjektives Jetzt“ (ca 30 s) bildet Bewusstseinsspanne.
Magische Zahl 7 (+/- 2) nach George A. Miller:
ca 7 simultan präsentierte Items bilden die Kapazität der unmittelbaren Merkspanne (dh Anzahl der
simultan präsentierten Items ist begrenzt.) -> Messverfahren für mentale Kapazität: klassisch: digit
span (Jacobs, 1887)/ oder: schnelles Beurteilen von Anzahlen, 1-200 Punkte
Subitizing > 7 >
gezeigt, VPN können sich nur 5/6 Punkte fehlerfrei merken
Schätzung
Kapazität kann durch MEMOTECHNIKEN erweitert werden:
o
o
Chunking: Gruppierung (zB 6789453 -> 678 94 53) -> Anzahl der Chunks wichtig (im Alltag:
Rhythmus/Reime)
Rehearsal: innere Wiederholung
Mehr Vergessen durch kognitive Zusatzaufgabe (verhindert Rehearsal): BROWN-PETERSON -AUFGABE:
Drei Konsonanten (=Triplet) merken, von einer Zahl vier mal 3 subtrahieren, Wiedergabe des Triplets:
Rehearsal wurde verhindert (Gedächtnisspur verblasst schnell) -> proaktive Interferenz
(außerdem nach mehreren präsentierten Triplets dramatischer Fehler = Wellengedächtnisfehler)
Proaktive Interferenz:
Beeinflussung bzw Überlagerung von neu erworbenen
Gedächtnisinhalten durch früher Gelerntes -> spätere Inhalte behindern frühere.
EXPERIMENT: DREI TIERITEMS LERNEN, RECHENAUFGABE, TIERE WIEDERGEBEN -> Nach KATEGORIEWECHSEL
(drei Obstitems) wird proaktive Interferenz aufgehoben: Kategoriewechsel entlastet Interferenz.
(Alltag: Nachrichtenmeldungen: Nach drei ähnlichen Gedächtnisleistung gesteigert für vierte
Meldung).
Serielle Positionseffekte:
(Evidenz bei freiem (nicht seriellen) Abruf der Items) -> Leistung ist
abhängig von serieller Position der Items.
Primacy-Effekt
Abruf für erste Items besser -> Beruht vor Allem
auf LZG
Recency-Effekt
Abruf für letzte Items besser -> Beruht vor Allem
auf KZG (verschwindet bei LZG, je länger die
Pause bis zur Wdh)
4
EXPERIMENTELLE EVIDENZ : POSTMAN UND PHILIPS (1965): Lernen von Listen mit 10,20 oder 30
Wörtern: bei sofortiger Wiedergabe Primacy- und Recency-Effekt, nach 15-30 Sek nur Primacy-Effekt.
Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis beruhen auf unterschiedlichen Systemen:
Amnestische Patienten:
LZG
Läisionen im Temporallappen
und in tiefer liegenden
Strukturen.
Amnesie
Andere Patienten:
Intaktes LZG
Kodierung:
Semantische Merkmale
(Bedeutung)
Bei semantischer Ähnlichkeit
schlecht (vA bei verhindertem
Rehearsal)
Neurologische Befunde:
Abruf:
KZG
Läisionen in der linken
Hemisphäre
Intakte Zahlenmerkspanne,
intakter Recency-Effekt,
normale Effekte n BrownPeterson-Aufgabe
Verbal gestörtes KZG
(zB reduzierte
Zahlenmerkspanne)
Phonologische Merkmale
(Schrift/Klang)
Bei phonologischer Ähnlichkeit
schlecht
-> VERSUCH VON BADDELEY (1966): phonologisch ähnlich/distinkt vs. semantisch ähnlich/distinkt
o
o
Wiedergabe gleich -> Phonologisch ähnliche am Schlechtesten
Wiedergabe nach 20 Minuten bzw. Wiedergabe ohne Rehearsal -> Semantisch ähnliche
am Schlechtesten
Verarbeitungstiefe / Levels of Processing:
Zunächst Annahme: Lernen hängt von Verweildauer im KZG ab -> aber eigentlich ist normales Lernen
trotz gestörtem KZG möglich!
Craick & Lockheart (1972): Übertragung eines Items von KZG ins LZG hängt von dessen
Verarbeitungstiefe ab, die durch gleichzeitige Aufgabe modifizierbar ist:
Semantische Aufgabe
Deep Encoding
zB belebtes vs. unbelebtes Objekt
Orthographische Aufgabe
Shallow Encoding
zB beinhaltet Wort Buchstabe X?
5
II ARBEITSGEDÄCHTNIS
Def: System zur temporären Speicherung und Manipulation einer begrenzten Anzahl an
Informationen. Nützlich um zB komplex gesprochene Sätze zu verstehen oder für Kopfrechnen.
Patienten mit einer Störung des KZG können trotzdem gut im Alltag klarkommen dank des
Arbeitsgedächtnisses.
BADDELEY & HITCH (1974): Aufgabe des schlussfolgernden Denkens: Beantwortung von Sätzen +
gleichzeitiges Merken von Items -> erhöhte Gedächtnisleistung wird gefordert, Merkspanne
ausgelastet.
-> Wenige Fehler in beiden Aufgaben: KZG ist Teil des schlussfolgernden Denkens, spielt aber keine
Rolle bei Kapazität.
Zwei Möglichkeiten:
Arbeitsgedächtnismodell hat KZG
abgelöst: Arbeitsgedächtnis und KZG
sind im Prinzip ähnlich/gleich – nur
unterschiedliche Modelle.
KZG ist Teil des Systems für
schlussfolgerndes Denken – beide
Systeme überlappen.
Das Arbeitsgedächtnismodell nach Baddeley:
Visuo-spatial
sketchpad
Zentrale
Exekutive
Phonologische
Schleife
Zentrale
Exekutive
Visuo-spatial
sketchpad
Episodischer
Puffer
Visuell/ Semantisches | episodisches LZG |
Phonologische
Schleife
Sprache
6
Episodischer Puffer: System, dass Infos aus mehreren Quellen integriert, verbindet Infos im
Bewusstsein, erhält Episioden über Raum, Zeit und Distanzen. (Wurde im späteren Modell
hinzugefügt)
Zentrale Exekutive: Aufmerksamkeitssystem mit begrenzter Kapazität, Koordinationssystem ->
kontrolliert phonologische Schleife und visuo-spatial Notizblock, steht in Verbindung zum LZG, bisher
am wenigsten verstandene Komponente.
Visuo-spatial sketchpad: Arbeitsspeicher für das Erinnern visueller Informationen (experimentelle
Evidenz: Würfelfalten, Abgleich geometrischer Würfelfiguren, visuelle Vorstellung von Buchstaben)
Phonologische Schleife: Arbeitsspeicher für gesprochenes Material
Evidenz für die phonologische Schleife (einem Arbeitsspeicher für
gesprochenes Material):
-
PHONOLOGISCHER ÄHNLICHKEITSEFFEKT : phonologisch ähnliche Items eher mit Fehlern
behaftet (wg verwechselt) bzw. schwieriger zu erinnern als phonologisch unterschiedliche
Items (F -> S, B -> G etc) (BADDELEY 1966) / CONRUD & HULL (1964): Zahleneinprägung
akustisch von gelesener Zahlenreihe: systematische Fehler: Ersetzen der Buchstaben durch
akustisch ähnliche -> Buchstaben eher akustisch statt visuell kodiert (keine fehler bei visuell
ähnlichen zB Q->O)
-
IRRELEVANTER SPRACHEFFEKT : Präsentation von irrelevanter, zu ignorierender gesprochener
Sprache beeinträchtigt das KZG für visuell präsentierte Ziffern. Effekt ist unabhängig davon,
ob die irrelevante Sprache bekannt oder unbekannt ist; irrelevante nichtsprachliche Stimuli
erzeugen ihn aber nicht. (SALAMÉ UND BADDELEY (1982, 1989); JONES (1994, 1995))
Annahme daher -> nur sprachliches Material kann in den phonologischen Speicher
gelangen.
-
DER EFFEKT DER W ORTLÄNGE AUF DIE GEDÄCHTNISSPANNE : Lange Worte -> kürzere
Gedächtnisspanne; kurze Worte -> längere Gedächtnisspanne (BADDELEY ET AL. 1975) weil
rehearsal länger dauert
-
ARTIKULATORISCHE SUPPRESSION : eliminiert den phonologischen Ähnlichkeitseffekt bei
visueller Präsentation -> visuelles Material kann nicht in den phonologischen Speicher
transferiert werden + eliminiert den irrelevanten Spracheffekt -> zu merkende Sprache wird
nicht nur phonologisch verarbeitet, da inneres Wiederholen unterdrückt + eliminiert den
Effekt der Wortlänger auf die Gedächtnisspanne (wenn rehearsal verhindert wird (zB durch
artikulatorische Suppression („das, das,das,…“) kein Effekt -> dann werden auch kurze Worte
rasch vergessen.)
7
Wenn Material nicht in phonologischen Speicher gelangt, wird es auch nicht von irrelevantem
Sprachmaterial gestört. (Kritik: phonologischer Ähnlichkeitseffekt und irrelevanter Spracheffekt
scheinen auf unterschiedlichen Mechanismen zu beruhen (Martin-Loeches, Schweinberger &
Sommer(1997))
Rolle der phonologischen Schleife:
o
o
Kapazität der phonologischen Schleife kann die Effizienz des Fremdsprachenerwerbs
vorhersagen: Patientin P.V. bzw Kinder mit verzögertem Spracherwerb haben oft eine stark
reduzierte verbale Gedächtnisspanne und sind besonders beeinträchtigt bei der Wdh. von
Pseudowörtern („nonwordrepetitiondeficit“)
Baddeley hält die phonologische Schleife für eine entscheidende Komponente beim
Neusprachenerwerb.
ARBEITSGEDÄCHTNISSPANNE : Aufgabe: Lesen von einfachen Sätzen, am Ende soll letztes Wort des
Satzes reproduziert werden -> Leistung korreliert mit Leseverständnis/ Arbeitsgedächtnisspanne
korreliert hoch mit schlussfolgerndem Denken (evt. Intelligenz).
HIRNSCHÄDIGUNG: TIEFENDYSLEXIE (DEEPDYSLEXIA; COLTHEARTET ET AL . (1980)):
o
o
o
Aussprechbare Pseudowörter können nicht mehr gelesen werden
Große Probleme beim Lesen von abstrakten Wörtern („Hoffnung, Recht“…), aber geringere
Probleme bei konkreten, vorstellbaren Wörtern („Haus, Katze“…)
Häufig werden „semantische Fehler“ gemacht durch unbewusste, implizite Assoziation
(„Währung -> Geld“) -> Wortverständnis ohne Phonologie möglich!
8
III LANGZEITGEDÄCHTNIS
(nach Tulving)
Methoden zur Erforschung des Gedächtnisses:
o
o
o
Untersuchung neuropsychologischer Patienten (Welche Bereiche unabhängig voneinander
gestört?)
Experimentelle und psychophysiologische Untersuchungen (impliziter vs. expliziter Abruf;
Einfluss von Priming; Manipulation von Variablen -> Einfluss auf bestimmte Leistungen)
Tierexperimentelle Studien (Welche neuroanatomische Läsion bewirkt welchen Ausfall?)
9
IV AMNESIE
Def: Selektives Defizit des expliziten LZG bei gleichzeitig erhaltenen kognitiven Fähigkeiten (zB
Intelligenz und Sprache). Kardinalstörung des LZG, Begriff heute Oberbegriff für Abgrenzung ggü
kognitiven Störungen.
Ursachen – Ätiologie:
-
Gehirnverletzungen (traumatische Hirnläsion, Anoxie (temporäre Sauerstoffunterversorgung
(zB bei Herzinfarkt))
Ischämische Hirnschädigung (Schlaganfall -> Absterben der Zellverbände durch temporäre
Sauerstoff-Unterversorgung)
o
-
o
-
-
Setzt auf einen Schlag ein: Zunächst akute Phase:Kognitives und Emotionales kurz gestört,
dann chronische Phase: vA anterograde, aber auch retrograde Amnesie + kognitive
Einschränkungen
Infektiöse Erkrankungen(Encephalitis) des Gehirns (die Blut-Hirn-Schranke überwunden
haben)
o
-
Varriiert je nach betroffenem Areal, intaktes KZG und Intelligenz
Chronische Alkoholintoxikation – Wernicke-Korsakoff-Syndrom
Einschränkungen in visueller Wahrnehmung, antero- und retrograde Amnesien
Transiente amnesitische Störungen – Ursachen ungenau
o Amnestische Attacken, Anhalten einer Amnesie für meherer Stunden
Psychogenese Amnesien: Gedächtnisdefizite ohne feststellbare organische Ursache (zB
neurologische Erkrankungen)
Formen:
Retrograd („nach hinten gerichtete“)
Amnesie -> Störung beim Erinnern
bereits abgespeicherter Information
Anterograde („nach vorne
gerichtete“) Amnesie -> Störung
beim Erlernen neuer Informationen
Untersuchungsmethoden:
Retrograde Amnesie
Generell schwierig -> Wie war ursprünglicher
Gedächtnisinhalt?
o Abfrage von Ereignissen des öffentlichen Lebens,
berühmter Gesichter, Familienereignisse
-> Retrospektiv durchgeführte Tests
o
o
o
Anterograde Amnesie
Freie Reproduktion (zB Wortlisten)
Paarassoziationslernen
Wiedererkennen (Ja/Nein-Test; Forced-ChoiceTest: Proband muss aus zwei vorgegebenen
Antwortmöglichkeiten diejenige auswählen, die
für ihn am ehesten zutrifft)
10
o
Diagnostikbeispiele: Wechsler-Memory-Test
(WMS) oder Rivermead Behavioral Memory Test
(RBMT)
Der Patient H.M.:
o
o
o
o
o
Unterzog sich wegen schwerer lebensgefährlicher Amnesie 1953 einer Gehirnoperation
Bilaterale Teile des medialen Temporallappens (Amygdala, 2/3 des Hippocampus, Gyrus
parahippocampalis) entfernt
-> schwere anterograde Amnesie – teilweise retrograde Amnesie (erinnerte sich nicht an
den Tod eines geliebten Onkels, kennt aber berühmte Gesichter)
Keine messbaren Störungen der Intelligenz, des KZG oder der Sprache
HM leistete enormen Beitrag zur Gedächtnisforschung
Erkenntnisse durch H.M.:
o
o
Befunde, dass KZG und LZG unterschiedliche Systeme
Erhaltene Gedächtnisbereiche bei Amnesie:
Fertigkeiten:
Perzeptuell-motorische Fertigkeiten oft gut
gelernt (Pursuit-Rotor-Aufgaben, TrackingAufgaben)
Denken und Problemlösen (Turm von
Hanoi): HM war normal gut, andere nicht
(aber evt auch allgemeines Defizit für diese
Aufgabe, Test vor Amnesie nicht
retrrospektiv durchführbar).
Priming:
Amnesiepatienten zeigen ähnliche
Primineffekte wie Kontrollprobanden. ->
Werden indirekt getestet, kein expliziter
Abruf vonnöten.
Amnestische Patienten haben bei
implizitem keine, bei explizitem Abruf
jedoch große Probleme!
STUDIE: THE INFORMATION THAT AMNESIC PATIENTS DO NOT FORGET – GRAF, SQUIRE, MANDLER (1984)
Verschiedene Aufgaben: Wortlisten merken und wiedergeben (explizit), Wortstamm “nach
Hinweiswort von vorher” ergänzen (explizit), Wortstamm „frei“ kompletieren (implizit, da vorher
passendes Wort gegeben)
Verschiedene Gruppen (+ jeweilige Kontrollgruppe): Wernicke-Korsakoff-Syndrom,
Gedächtnisprobleme aufgrund Schocktherapie wegen Depressionen, Anoxie
Zwei Verarbeitungen: Vokal - orthografisch -> oberflächlich vs. Bewertung – semantisch ->
tiefergehend
Ergebnisse: Sowohl bei orthografischer Verarbeitung (da KZG betreffend) als auch bei implizitem
Abruf (Freies Kompletieren eines Wortstammes – Priming) = Kontrollgruppe.
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-> Gedächtnisleistungen hängen von Art des Abrufes ab: Impliziter vs. expliziter Abruf! -> Implizites
Gedächtnis deutlich weniger beeinträchtigt, bei konventionellen Gedächtnistests (explizit) jedoch
starke Beeinträchtigung. Priming-Effekt ist von Amnesie nahezu unberührt.
EXPERIMENTELLE TRENNUNG VON PRIMING (IMPLIZITES GEDÄCHTNIS ) UND EXPLIZITEM GEDÄCHTNIS
MÖGLICH ?
o
o
Semantische Verarbeitung beeinflusst explizites Gedächtnis, aber nicht Priming (da Priming
von Verarbeitungsphase unabhängig ist) – EVIDENZ VON JACOBY & DALLAS (1981)
Annahme (Bruce, Burton, Johnston) „Priming erfordert bewusstes Erkennen des Primes“
Aber: Widerlegt durch Schweinberger (2001):
STUDIE: AUDITORISCHES PRIMING DURCH NICHT ERKANNTE STIMMEN – SCHWEINBERGER (2001):
o
o
Präsentation von Stimmen – einige davon wurden in 2. Phase rückwärts vorgespielt -> kein
bewusstes Erkennen der Stimme ist mehr möglich. (VPn erkannten sie nur zufällig, nicht
bewusst)
Stimmen wieder vorgespielt -> auch Stimmen aus der Rückwärtsbedingung wurden
wiedererkannt -> Priming ist unabhängig von explizitem Gedächtnis! (Bewusstsein ist nicht
an Priming beteiligt, da Priming-Effekt sich auch zeigt, wenn rückwärts abgespielte Stimmen
nicht das Bewusstsein erreichten)
STUDIE: NORMALES PRIMING BEI GLEICHZEITIG VERRINGERTEM EXPLIZITEM GEDÄCHTNIS FÜR NICHT BZW
WENIGER BETRACHTETE GESICHTER – JENKINS, BURTON, ELLIS (2002)
o
o
Gesichter (= Prime) hinter Buchstaben: Nebenbei sollen Aufgaben zu Buchstaben gelöst
werden (high vs. low perceptual load -> mehr oder weniger Kapazität frei, um Prime zu
verarbeiten)
Zwei verschiedene Tests:
Surprise Recognition Test
Face Familarity Test
„Wessen berühmtes Bild wurde gesehen?“ -> „Wurde ein unbekanntes oder berühmtes
bewusster Bezug auf Bild-> Explizites
Gesicht gesehen?“ -> schnellere
Gedächtnis
Reaktionszeit, wenn Gesicht als Prime
gesehen wurde
High ungleich low load -> perceptual load
High gleich low load -> Priming unbewusst,
Effekt beeinträchtigt explizites Gedächtnis!
da kein perceptual load Effekt im impliziten
Gedächtnis
STUDIE: IMPLIZITE GEDÄCHTNISLEISTUNGEN BERUHEN AUF UNTERSCHIEDLICHEN SYSTEMEN – BUTTERS, HENDEL,
SALOMON (1990) -> ES GIBT MEHR ALS EIN IMPLIZITES GEDÄCHTNIS!
Alzheimer
Priming in freien
Beeinträchtigt
Assoziationen
Tracking Task (Schweibe normal
verfolgen, perzeptuell
Huntington
normal
Kontrollgruppe
Normal
Beeinträchtigt
Normal
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motorisches
Gedächtnis)
Erklärungsansätze für Amnesie:
I) PHASENORIENTIERTE ERKLÄRUNGSANSÄTZE (VON PHASEN ABGELEITET : KONSOLIDIERUNG –
ENKODIERUNG – ABRUF)
1) Konsolidierungstheorie:
- Historisch älteste Theorie
- Amnesie als Defizit beim Übertragen
von Infos aus dem KZG ins LZG ->
würde dauerhaftes Abspeichern von
Information unmöglich machen
Kritik:
Retrograde Amnesie +
Intaktes Lernen von Fähigkeiten
kann nicht erklärt werden
Squire et al. nahmen an, dass der Verlauf der
Konsolidierung langsam verläuft und
Prozesse wie Reaktivierung und Elaboration
umfasst -> Würde zwar H.M. erklären, ist
aber nur eingeschränkt gültig: Erklärung
zeitlich begrenzter retrograden Amnesie und
nur für bestimmte Regionen: bilaterale
Läsionen des Temporallappens.
2) Enkodierungstheorie:
Problem bei der Enkodierung
(Darstellung der Info mHv neuronalen
Codes) von Informationen -> erklärt
Defizit im willentlichen, bewussten
Erinnern
Kritik:
Retrograde Amnesie nicht erklärt
- Keine semantische Enkodierung (-> wichtig
für exlizites Erinnern) möglich – Craick und
Lockheart
- Jacoby (1983): Amnesie als Defizit beim
„willentlichen Erinnern“ bei gleichzeitig
intakter perzeptueller Verfügbarkeit
(perceptual fluency) der gelernten Items.
Kritik:
Die anterograde Amnesie müsste
demnach genauso groß wie die
retrograde sein -> keine generelle
Erklärung
Störungen des Abrufs können eher zu
retrograden Amnesien beitragen
3) Abruftheorie:
Probleme beim Abruf der
Informationen
II)
Patienten haben
oft erhaltenes
semantisches
BEREICHSORIENTIERTE /STRUKTURELLE ERKLÄRUNGSANSÄTZE (W AS IST GESTÖRT , WAS IST
GESUND?)
1) Amnesie als Störung des episodischen (Ereigniswissen, persönliche Erfahrungen)
bei erhaltenem semantischen (Faktenwissen) Gedächtnis
Kritik:
- semantisches Wissen wurde meist vor der
Amnesie erworben
Problem: Semantisches und episodisches
Gedächtnis sind ähnlich stark beeinträchtigt,
auch der Neuerwerb von semantischem und
13
(Fakten-) Wissen
- retrograde Amnesien öffentlicher Ereignisse
episodischen Informationen ist gleichermaßen
können nicht erklärt werden
beeinträchtigt!
- oft Probleme bei Neuerwerb neuer
semantischer Informationen
- Isolierte Störungen des semantische
(Paarassoziationslernen)
Gedächtnisses (Patientin L.B. -> Unterscheidung
- Annahme, dass semantische Aufgaben generell evt sinnvoll?)
leichter sind
2) Gedächtnis für Kontext (=Quellengedächtnis) vs. Gedächtnis für Fakten
Squire (1982): Patienten mit WernickeKorsakoff-Syndrom scheinen eine zusätzliche
Beeinträchtigung des Gedächtnisses für
zeitliche Abfolgen zu haben -> ReihenfolgeProblem
Janowsky et al. (1989): Quellenamnesie: Patienten mit
Läisionen im Frontallappen erinnern genauso viele
Fakten wie Kontrollprobanden, haben aber häufig die
Quelle dieser Fakten vergessen. -> Quellen-Problem
3) Amnesie als Störung des expliziten/deklarativen bei erhaltenem
implizitem/prozeduralem Gedächtnis
Cohen und Squire (1980): Deklaratives
Gedächtnis beinhaltet Wissen über Fakten und
Ereignisse und ist dem Bewusstsein zugänglich
(knowing that). Prozedurales Gedächtnis ist
implizit (knowing how).
Graf & Schacter (1985): Verwenden die Begriffe
explizites vs. implizites Gedächtnis als streng
atheoretische Begriffe, die sich lediglich auf den
Zustand des Gedächtnisses beim Abruf beziehen
(Gedächtnis des epliziten, bewussten Abrufs vs.
Gedächtnis ohne bewussten Abruf)
Semantisches Gedächtnis bei Amnesie:
o
o
o
Semantisches Wissen (Faktenwissen) ist eigentlich intakt, es gibt aber auch Patienten mit
großen semantischen Wissensdefiziten (YOT)
Warrington & Shallice (1984) zeigten, dass semantische Gedächtnisstörungen selektiv sein
können (belebte vs unbelebte Objekte -> unbelebtes wurde öfter erkannt, da öfter im Alltag
benutzt)
Unterschied: funktionales Wissen vs. visuelles Wissen: Unbelebtes wird eher funktional,
belebtes eher visuell abgespeichert (Kiefer & Spitzer (2000): Hammer vs. Katze)
-> Semantisches Wissen hat Untereinheiten -> Störungen sind domänenspezifisch
14
V VERGESSEN
SELBSTVERSUCH VON EBBINGHAUS: lernte 169 Listen mit je 13 sinnlosen Silben auswendig und
versuchte diese Listen nach variablen Zeitintervallen abzurufen -> Teilweise vergessen.
o
Zeit, die zum erneuten Lernen benötigt wurde = Maß für Vergessen -> deutliche Beziehung
zwischen Intervalldauer (erstes + nächstes Lernen) und Vergessen
Vergessenskurve nach Ebbinghaus:
o
o
logarithmische Beziehung
Items, die „rasches Vergessen“ überstanden haben,
haben große Chancen „weiter, zu überleben“
JOST’SCHES GESETZ: Zwei Gedächtnisspuren, die nicht gleich stark sind: Ältere (früher erworbenere) =
dauerhafter, weniger vergessen
STUDIEN ZUM VERGESSEN:
-
WARRINGTON & SANDERS (1971): MARKANTE ÖFFENTLICHE EREIGNISSE DER LETZTEN 30 JAHRE ->
Jüngere konnten meist besser erinnert werden als Ältere
BAHRICK ET AL. (1975): GEDÄCHTNIS FÜR NAMEN UND GESICHTER EHEMALIGER HIGHSCHOOLKAMERADEN nach mehr als 30 Jahren -> Wiedererkennen zwar gut, Recall aber schlechter
LINTON (1975): FRAU SCHRIEB TAGEBUCH und las diese nach fünf Jahren zufällig -> Öfter
gelesene blieben länger im Gedächtnis
BAHRICK ET AL.: SPANISCHLERNER: gute vs. schlechte Sprecher -> Abstand bleibt gleich, obwohl
Kurve bei beiden flacher wird. Nach 2-3 Jahren rapidem Vergessen Rest in sg Permastore:
Größe des Permastores hängt von anfänglichem Lernen ab.
ERKENNTNISSE:
-
-
Vergessen ist abhängig von der Anzahl an Wiederholungen (rehearsal/ calling to mind) dh
häufiger Aufruf reduziert Vergessen (im schlechtesten Fall jedoch erinnert man sich an die
Reproduktion)
Vergessen findet bis zu einem bestimmten Punkt statt, dann scheint das Gedächtnis wie
eingefroren („permanent store“)
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Vergessen von Fertigkeiten:
(Fleischman & Parker (1962) Flugsimulatorstudie, McKenna & Glendon (1955): Erste-HilfeFähigkeiten)
Kontinuierliche Fähigkeiten (closed-loop)
Geschlossener Kreislauf, immer gleich
Fliegen, Fahrrad fahren –> werden nicht
vergessen
Diskrete Fähigkeiten (open-loop)
Bedürfen ständiger Nachkontrolle
zB Schreibmaschinen schreiben, Erste Hilfe -> Jede
Handlung ist seperate Antwort auf einen Stimulus
Theorien des Vergessens:
Zerfall der Gedächtnisspur (mit der Zeit)
-
Passiver Prozess
Kritischer Faktor: Zeit
Experimenteller Nachweis:
schwierig, da VPN in Vakuum
gehalten werden müsste
„Trace decay“ – Infoverlust im
Arbeitsgedächtnis, Zerfall von
Priming-Effekten über Zeit
-
-
-
Zerstörung der Gedächtnisspur durch nachfolgende Lerninhalte
(Interferenz)
Kritischer Faktor: Anzahl der neuen Lerninhalte
Experimentelle Nachweise:
Rugbyspieler sollten Teams nennen, gegen die sie als Letztes gespielt
haben. Erinnerung war abhängig von Anzahl intervenierender Spiele
(manche setzten einige Spiele lang aus) -> Hier getrennte
Beibachtung von Zeit und Anzahl intervenierender Ereignisse möglich
-> Anzahl der Ereignisse ist wichtig
Hitch & Baddeley (1977): Vergessen: Interferenz oder Zerfall?
Probanden, die Material abends unmittelbar vor dem Zubettgehen
lernten, zeigten besseres Gedächtnis als Probanden, die morgens
lernen (Jenkins & Dallenbach (1924) -> Annahme: Weniger Vergessen
durch weniger intervenierende Ereignisse -> Vergessen durch
Interferenz
Doch: spätere Vermutung: Schlaf (zirkadiane Rhythmen) ist
verantwortlich (Crick & Mitchison (1983) -> nicht klar belegt
Retroaktive Interferenz: Älteres Material überwiegt Neueres vs. Proaktive Interferenz: Neueres
Material überwiegt Älteres
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VI DENKEN
Propositional – bedeutungsbezogenes Denken
-> Sprachlicher Gedankenstrom, „Sprache des
Geistes“
Bildhaftes Denken
-> „im Geiste
sehen“
Motorisch
-> Vorstellung mentaler
Bewegungsabläufe
Konzepte (zB „Baum“):
-
= propositionales Denken
Gedankliche Abstraktionen
kognitive Repräsentationen von Klassen von Dingen. Konzepte umfassen die Merkmale
oder Relationen, die einer Klasse von Dingen gemeinsam sind.
Haben Vorhersagekraft
Resultieren aus der Fähigkeit, individuelle Erfahrungen zu kategorisieren, ihnen ein gleiches
Etikett zu geben und sie funktionell gleichartig zu behandeln -> kognitive Ökonomie: Fassen
zusammen und sparen Ressourcen
17
-
Konzeptbildung wird als grundlegende Fähigkeit höherer Organismen betrachtet
Kognitive Flexibilität bei Objektkategorisierung: schnellste Kategorisierung auf Basislvl
(Motorrad) (übergeordnet (Fahrzeug), untergeordnet (BMW XY), „mein Lieblings-„)
Erwerb von Konzepten:
-
In der Regel durch Erfahrungen:
Exemplarstrategie:
Von einzelnen Exemplaren ausgehend, die im
Gedächtnis gespeichert wurden. Durch
Erfahrung mit weiteren Exemplaren kann ein
Konzept zunehmend verfeinert werden. (vA
bei kleinen Kindern).
Strategie des Hypothesentestens:
Geht von bereits bekannten Exemplaren aus
und abstrahiert daraus allgemeine
Merkmale. Neue Exemplare werden
daraufhin geprüft, ob sie der Hypothese
entsprechen.
Kategorisierung:
Kritische Merkmalstheorie:
Ein Konzept wird charakterisiert durch
das Vorhandensein einer genügenden
Anzahl notwendiger Merkmale.
Prototypentheorie:
Ein Konzept wird charakterisiert
durch einen Prototyp, welcher der
zentralen Tendenz der Merkmale
aller Exemplare des Konzepts
entspricht
Exemplarbasierte Theorien:
Ein Konzept wird charakterisiert durch
eine Sammlung von Exemplaren.
EXPERIMENTE:
IMAGE TRACING TASK – SHEPARD & COOPER (1982):
Entscheidung, welches R gespiegelt und welches R normal:
Bei 180° gedreht Entscheidung am Längsten -> Bild wird erst
richtig hingedreht.
KOGNITIVE LANDKARTEN (IN GB) – MOAR (1987): Aufgabe: Verbindungen von Standort aus Zeichnen ->
Erstellung einer Landkarte -> Gruppe aus
Cambridge (Süden): Norden stark
unterrepräsentiert / Gruppe aus Glasgow (Norden):
Süden stark unterschätzt -> Kognitive Landkarten
sind ego-zentriert, geben Aufschluss über
räumliches Gedächtnis
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MENTALE KONZEPTE NACH WIEDERVEREINIGUNG DS – CARBON & LEDER:
Aufgabe: Schätzen von Entfernungen innerhalb eines Teiles (within)
oder über ehemalige Grenze (across): -> Entfernungen in D wurden
generell überschätzt, dies geschieht besonders, wenn die „mentale
Mauer“ bei einer Entfernungseinschätzung überschritten wird bei
negativer Einstellung zur Wiedervereinigung. -> Mentale Konzepte
spielen auch bei Einstellungen eine wichtige Rolle
NEGLECT-PATIENTEN:
-
Vernachlässigen die linke Raumhälfte stark (obwohl keine halbseitige Erblindung)
Neglect bezieht sich auf bildliche Vorstellung: -> Fehler scheint in mentaler Repräsentation,
nicht in Wahrnehmung zu liegen
Exp: Bisiach & Luzatti (1978): Milano, Piazza del Duomo: Vorstellung, von Dom aus auf den
Platz zu gucken: Nur Erinnerung an Gebäude rechts. Vorstellung, zu Dom hin auf Platz zu
gucken: Nur Erinnerung an Gebäude der vorherigen linken Seite -> Vernachlässigung der
Wahrnehmung = Vernachlässigung in Vorstellung
Schlussfolgerndes Denken:
Deduktives Denken:
Ableitungen von Erkenntnissen aus allgemeinen
Regeln (Regel vorgegeben) oder aus allgemeinen
Sätzen
-> Logik: Prämisse + Prämisse = Konklusio
Induktives Denken:
Der Schluss von Einzelfällen auf das Allgemeine
(regel selbst finden): Besonderes -> Allgemeines
Wahrscheinlichkeitsaussagen ohne jeglichen
Wahrheitsanspruch (Schwan 1-10 weiß -> alle
Schwäne sind weiß)
Bayes-Theorem:
-
-
A priori Wahrscheinlichkeit: Die Wahrscheinlichkeit, Mitglied einer Klasse(weißer Schwäne)
zu sein, ist umso größer, je größer der Anteil dieser (weißen) Mitglieder an der Gesamtheit
(der Schwäne) ist (base-rate-rule)
Bedingte Wahrscheinlichkeit: Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, wenn eine
bestimmte Hypothese zutrifft
A posteriori Wahrscheinlichkeit: Wahrscheinlichkeit, dass eine Hypothese nach
Berücksichtigung eines Ereignisses tatsächlich eintritt
Bsp: Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung eines Patienten bei positivem Screening (98%
Wahrscheinlichkeit eines falsch positiven Screenings) -> Mensch denkt nicht so, deshalb oft
großes Verschätzen!
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VII AUGENZEUGENAUSSAGEN
Beispiele: in England & Wales wurden bei einer Überprüfung von 200 Fällen jeweils nur 45% der
Täter identifiziert, 85% dieser verurteilt
Oft waren Augenzeugenberichte die einzige Evidenz und 74% der Verdächtigen werden in diesen
Fällen verurteilt.
Fehlbarkeit von Augenzeugenaussagen:
-
Seit der Einführung von DNA-Tests wurden in den USA bis 2008 ca 200 verurteilte Personen
rehabilitiert -> lange Lagerung von DNA-Beweismaterialien erforderlich
Richter und Polizisten wissen oft nichts von psychologischen Erkenntnissen über Fehlbarkeit
Lückenhafte/fehlerhafte Beobachtungsgabe:
SIMONS & LEVIN: Auch DRAMATISCHE VERÄNDERUNGEN EINER VISUELLEN SZENE werden oft nicht bemerkt
(sg change blindness) -> zB in Videos: Akteur/Tellfarbe/Schal ausgetauscht -> Beobachter sind häufig
davon überzeugt, dass sie beschriebene Veränderungen bemerken würden / Besonders einfach bei
nicht fixierten Objekten übersehen
zB Tür bei Wegerfragung -> nach UNTERBRECHUNG DER UNTERHALTUNG BLIEB ANDERER
GESPRÄCHSPARTNER VON 90% DER VPN UNBEMERKT
zB LINDHOLM & CHRISTIANSON: VIDEO EINES SIMULIERTEN RAUBÜBERFALLS wurde schwedischen und
immegrierten Studenten gezeigt -> 8 Fotos -> nur 30% korrekt (Häufiger wurde Immigrant
beschuldigt, leistung besser, wenn Täter der selben ethnischen Rasse angehört)
Grundlegende Unterscheidung: Andere Mechanismen für das Erkennen bekannter und das
Wiedererkennen unbekannter Personen (HANCOCK ET AL (2000)) bekannte Gesichter unterscheiden
sich leichter, im forensische Kontext geht es oft um das Wiedererkennen Unbekannter
Erwartungen beeinflussen Erinnerungen (EXP: BANKRÄUBERSCHEMATA MÄNNLICH: bei neutral
maskierter person wurde oft gesagt, dass männlich)
POST-HOC-VERZERRUNG: Annahme, dass Gedächtnisspur sehr schwach ist und damit leicht
veränderbar:
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LOFTUS & PALMER: AUTOKOLLISION -> Probanden sollten Geschwindigkeit schätzen nach sugerierten
Fragen („berühren“ vs. „krachen“ ua)
MISSATTRIBUTION : Info wird zwar erinnert, die tatsächlich erlebt wurde, stammt aber aus anderem
Ereignis/anderer Quelle:
DONALD THOMSON: QUELLEN-MONITORING-ANSATZ: Missattribution der Infos aus anderen ähnlichen
Situationen auf Ereignis (zB anwesende Personen, die nicht Täter waren… ) Studie: Video von
EINBRUCH IN MUSEUM: Mehr Abruffehler, wenn gestern Hörspiel zu ähnlichem Thema gehört (vs.
Hörspiel zu anderen Thema)
Individuelle Unterschiede:
ALTERSUNTERSCHIEDE :
-
Kleine Kinder weniger reliabel, ältere Menschen ebenso (identifizieren fälschlicherweise,
lassen sich „false memories“ entlocken)
Own Age Bias
ETHNIKUNTERSCHIEDE:
-
Bessere Wiedererkennung von Gesichtern der eigenen ethnischen Gruppe -> own race bias
bzw. other-race-effect
Erklärungsmöglichkeiten:
Expertise-Hypothese:
häufig gesehen Gesichter können perzeptuell
leichter kodiert werden (-> Prototypen der
eigenen Ethnizität
Soziokognitive Hypothese:
Gesichter einer „outgroup“ werden
unvollständig bearbeitet (Schubladensystem,
keine Infos über Attraktivität etc verarbeitet)
Gegenevidenz gegen soziokognitive Hypothese:
gemorphte Gesichter ergaben Mischungen 2er
ethnischer Gruppen -> in- und outgroup
wurden gleich gut erkannt -> Kategorisierung
durch Kontext
KONFIDENZ VON AUGENZEUGEN :
-
Richter und Geschworene lassen sich tendentiell von der Konfidenz von Augenzeugen
beeinflussen
PERFECT & HOLLINS (1996): Konfidenz in einer Identifikationssituation korreliert zwar mit
Allgemeinwissen, aber kaum mit der eigentlichen Identifikationsleistung
In Gerichtsverhandlungen dürfte die Beziehung zwischen Konfidenz und
Identifikationsleistung noch schwächer sein (coaching, confirmatory feedback) ->
Bekräftigung der eigenen Meinung durch andere
EINFLUSS VON ANGST UND/ODER G EWALT:
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-
METAANALYSE VON DEFFENBACHER ET AL. (2004): Konsistent reduzierte Identifikationsleistung
bei hohem Niveau von Angst bzw Stress sowohl für Gesichter als auch fü Details einer
Verbrechensszene
CCTV-ERKENNUNG: BEDINGUNGEN:
-
Ganzer Körper -> 90% richtig
Gang nicht erkennbar: -> 80% richtig
Körper bedeckt: -> 80%
Gesicht verdeckt: -> 40%
VERBAL OVERSHADOWING:
-
-
-
SCHOOLER & ENGSTLER-SCHOOLER (1990): Augenzeugenidentifikation nach Betrachten eines
Videos des Verbrechens leidet unter dem Versuch, den Täter vorher SPRACHLICH ZU
BESCHREIBEN -> Verbalisierung interferiert mit Gedächtnis für Gesichter: an sich aber
trotzdem gängige Praxis!
Effekt kommt möglicherweise dadurch zustande, dass eine verbale Täterbeschreibung die
Augenzeugen bei einer späteren Gegenüberstellung vorsichtiger werden lässt (dh es wird
kein falscher, aber insgesamt seltener überhaupt ein Täter genannt (CLARE & LEWANDOWSKY
(2004)
Auch spezifische Enkodierungsstrategien und insbesondere phsysische Beschreibungen
scheinen das Gedächtnis für Gesichter nicht zu verbessern, sondern im Vergleich zu einer
spontanen Enkodierungsstrategie eher zu verschlechtern (SPORER (1991) -> wollte
Wiedererkennung verbessern, verschiedene Einprägungsmethoden verschlechterten die
Leistung jedoch nur weiter oder lies sie gleich bleiben).
Polizeiliche Prozeduren mit Augenzeugen:
Zwei gängige Verfahren: Lineups und
Interviews:
GEGENÜBERSTELLUNGEN – LINE UPS:
VALENTINE ET AL. (2003): analysierten Daten von 640 echten Augenzeugen, die in 314 echten
Gegenüberstellungen der Londoner Polizei Verdächtige identifizieren sollten. Etwa 40%
identifizierten den Verdächtigen, etwa 20% identifizierten eine nicht verdächtige Person und 40%
nahmen keine Identifikation vor.
Wichtig: der Augenzeuge sollte informiert werden, dass der Täter unter Umständen nicht unter den
Personen ist. Diese Warnung reduzierte die Gefahr einer Falschidentifikation um 42%, während
gleichzeitig die Gefahr des „Verpassens“ des echten Täters nur um 2% verringert wurde (STEBLAY
(1997))
Simultane oder sequentielle Präsentation? -> Meist wird simultane Präsentation verwendet, bei
sequentieller Präsentation scheinen Augenzeugen insgesamt konservativer zu agieren, dh weniger
falsche Identifikationen, aber auch weniger korrekte Identifikationen zu produzieren (STEBLAY ET AL.
(2001)).
INTERVIEWTECHNIKEN :
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TYPISCHE FEHLER:
1) Zu enge Fragen (closed-end-questions): zB “Welche Farbe hatte das Auto?” -> „Was können
sie über das Auto sagen?“
2) Unterbrechungen während des Berichtes
3) Vorgefertigte Schema von Fragen in bestimmter Reihenfolge, ohne die Antworten des
Zeugen zu berücksichtigen.
EMPFEHLUNGEN – (KOGNITIVES INTERVIEW – GEISELMANTE ET AL. (1985))
1) Mentales „reinstatement“ der Umgebung und der persönlichen Kontakte, die während des
Verbrechens stattfanden
2) Ermunterung, jedes Detail zu berichten, unabhängig davon, wie nebensächlich es für das
Verbrechen erscheint
3) Versuch, das Ereignis aus mehreren unterschiedlichen Abfolgen zu beschreiben
4) Versuch, das Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln (inklusive denen anderer Teilnehmer
oder Zeugen) zu berichten (Gedächtnisspuren häufig komplex, Zugriff aus verschiedenen
Perspektiven stellt sie vereinfacht dar)
-> Studien zeigen die Überlegenheit des kognitiven Interviews im Vergleich zu Standart-Interviews
der Polizei oder Hypnosetechniken (GEISELMANET ET AL (1985), KÖHNKEN ET AL. (1999))
Problematisch: Relevanz von Laborerkenntnissen für den Alltag? -> Unterschiede von
Realität zu Labor:
Emotional starke Beteiligung
Aktives Handeln – Dynamik in Situation möglich
Wie lange wurde Gesicht gesehen? Minuten
Konsequenzen fehlerhafter Identifikationen stark
Emotional schwache Beteiligung
Passiv: Fixe Perspektive
Sekunden
Konsequenzen fehlerhafter Identifikationen schwach
-> Konsequenz: Augenzeugenberichte verbieten?!
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