Neues Bornavirus bei Bunthörnchen

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Neues Bornavirus bei Bunthörnchen
Dr. Franziska Kersten
Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Sachsen-Anhalt
Leipzig, 04.11.2015
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Dr. Franziska Kersten, MLU, 26.10.2015
Klassische Bornavirusinfektion
•
Borna-Krankheit oder Ansteckende Gehirn- und Rückenmarksentzündung der Einhufer
•
virale Infektionskrankheit, Gehirn und das Rückenmark von vor allem Pferden und
Schafen
•
Bornavirus (BDV) Das Virus ist verwandt mit den Erregern von Staupe, Tollwut und
Masern.
•
früher Meldepflichtig, Aufhebung der Meldepflicht in Deutschland mit Wirkung vom 26.
02.2011
•
Diskussion, ob auch Menschen mit dem tierpathogenen Bornavirus infiziert sind
•
Auftreten von neuropsychiatrischen Krankheitsbildern wie Depression und
Schizophrenie. signifikant höhere Häufigkeit von Bornavirus-spezifischen Nukleinsäuren
bzw. Antikörpern bei Psychiatrie-Patienten
•
gelegentlichen Nachweis von Antikörpern gegen Bestandteile des Borna-Virus in
entsprechenden Patientengruppen
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
RKI Projekt zur Erforschung von Bornavirusinfektionen
(Habilitationsschrift von Frau Dr. Liv Bode) .
Ziel: Entwicklung validierter diagnostischer Verfahren
•
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Sandwich-ELISA-Methode. Sie basiert auf der Verwendung zweier monoklonaler
Antikörper (mAb), nach Immunisierung mit viralen Proteinen
Fehlende Validierung dieses Testverfahrens und fehlender Nachweis sowohl von
freiem Bornavirus-Antigen als auch von Immunkomplexen in (reaktiven)
Spenderproben
Virusnachweis auf Grund von Laborkontaminationen
Antikörperbildung durch kreuzreagierende Antigene von anderen Erregern
Kein schlüssiger Hinweis auf eine Gefährdung des Menschen durch das Virus der
Bornaschen Krankheit!
Ende der Forschung am RKI 2007
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
.
Die natürliche Infektion erfolgt vermutlich über die Schleimhaut der oberen Luftwege,
den Rachen oder die Riechschleimhaut. Hinsichtlich eines Virusreservoirs kann eine
Infektion von Kleinnagern nicht ausgeschlossen werden. Seit kurzem wird vor allem
die Spitzmaus als natürlicher Virusträger diskutiert.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Pathogenese
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Virusvermehrung beim Tier im Althirn (limbische System)
Virus konkurriert mit Botenstoff Glutamat um die Andockstellen an den
Nervenzellen
- kompetitive Hemmung
Störung des chemischen Gleichgewicht der Hirnbotenstoffe.
vielfältige Störungen in Verhalten, Bewegung, Nahrungsaufnahme und
Leistungsniveau
Klinische Symptome
Verhaltensänderungen, Bewegungsstörungen, Beeinträchtigung der Sensibilität und
des Sensoriums wie:
Absondern von der Herde, Depression, Leerkauen, gesenkte Kopfhaltung, z. T.
gesteigerter Bewegungsdrang, z. T. Aggressivität gegen andere, z. T. große
Schreckhaftigkeit, herabgesetzte Teilnahme an der Umgebung.
Im Endstadium Festliegen mit Ruderbewegungen, Fieberschübe.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Chronologie
• 2012 und 2013 Versterben von zwei Bunthörnchen-Züchtern (Sciurus
variegatoides).
• schwere Meningoencephalitis und Phlebothrombosen beidseits.
• Fieber und / oder Schüttelfrost, progressive psychomotorische Verlangsamung,
Verwirrung, unsicherer Gang, Myoklonus und / oder Auge-Parese und schließlich
Koma
• 2013, ca. zweites Halbjahr: Ein dritter Züchter (Herr S., Könnern (SLK)) wird von
einem seiner Hörnchen gebissen. Danach Erkrankung an einer
Mengingoencephalitis, Aufenthalt in Neurologie des Klinikum Bergmannstrosts.
• 20.12.2013 Verlegung Herr S. von Neurologie in die Intensivmedizin wegen
respiratorischer Insuffizienz.
• Herr S fällt ins Koma und verstirbt.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Januar 2014
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Kontaktaufnahme Oberärztin – Gesundheitsamt SLK; Kontaktaufnahme GA SLK –
Fachdienst Veterinärangelegenheiten
Ermittlung der Zusammenhänge: Alle drei Personen waren Züchter und Halter von
Bunthörnchen.
Klinische Untersuchung Hörnchenbestand,
Blutprobennahme in TA Praxis
Tier verendet in Narkose
LAV Sektion, Probennahme für FLI, IFT Tollwut negativ
LAV Histo Stufenschnitte Hirnprobe: Gliose, Satellitose, minimale perivaskuläre,
lymphoplasmazelluläre Enzephalitis
Probenversand an das FLI
LAV: Immunhistologie Toxoplasmose (T. gondii) negativ
Negative Untersuchungen auf Herpesviren, Flaviviren, Alphaviren, T. gondii,
Hantavirus
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
• 8.12.2014 Nachweis von mehreren kurzen Sequenzfragmente mit starken
Ähnlichkeiten zu Bornaviren
• Identifikation des Virus über Metagenom-Workflow
• 15.12. Auskunft Dr. Lutter: FLI plant eine VÖ, Entwurf und Angelegenheit
sind topsecret
• 17.12. Fall wurde im Rahmen der TS-DB anonymisiert und ohne Nennung
des Erregers vorgestellt. Ziel: Sensibilisierung der anderen
Veterinärbehörden
• 18.12. Info an Fr. Dr. Willer, MS. Sie will Fr. Dr. U-(Amtsärztin SLK)
informieren. FLI reicht VÖ am Freitag (19.12.14?) in Großbritannien ein.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Tiergesundheitsgesetz
§ 5 Maßnahmen zur Ermittlung einer Tierseuche
……den Verdacht oder den Ausbruch einer anzeigepflichtigen Tierseuche
unter Haustieren fest, so ordnet sie an, dass die kranken und verdächtigen
Haustiere unverzüglich von anderen Tieren abgesondert und, soweit
erforderlich, eingesperrt und bewacht werden. ……..
……eine epidemiologische Untersuchung durch, um insbesondere den
Zeitpunkt der Einschleppung der Tierseuche, deren Art, Ausbreitung und
Ursachen zu ermitteln. Satz 3 gilt für das Auftreten einer anzeigepflichtigen
Tierseuche bei wildlebenden Tieren entsprechend.
Die zuständige Behörde kann für andere als anzeigepflichtige Tierseuchen
Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis 4 anordnen oder durchführen.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Tiergesundheitsgesetz
§5
(3) Soweit über den Ausbruch einer Tierseuche nur mittels
bestimmter an einem verdächtigen Tier durchzuführender
Maßnahmen diagnostischer Art Gewissheit zu erlangen ist,
können diese Maßnahmen von der zuständigen Behörde
angeordnet werden. Dies gilt auch, wenn die Gewissheit nur
durch die Tötung und Zerlegung des verdächtigen Tieres zu
erlangen ist. Angeordnete Laboruntersuchungen sind in einer
von der zuständigen Behörde beauftragten Untersuchungseinrichtung durchzuführen.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
„Medizinische Sensation“
•
fast vollständige Identität der kodierenden Sequenzen aus den
Bunthörnchen-Proben und dem menschlichen Probenmaterial
•
hohen RNA-Last im Gehirn von allen drei Patienten
• starke und spezifische Immunfärbung des Bornavirus-Antigen
• vergleichbares klinisches Bild und die epidemiologische Verbindung
zwischen allen erzeugten Fälle VSBV-1 unterstützen nachdrücklich BornaViren als Erreger.
Die phylogenetische Analyse zeigte, dass dieser Virus, als
Hörnchen 1 Borna (VSBV-1) eine eigene Linie im Verhältnis zu den bekannten
Borna Arten bildet.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Epi Bunthörnchen ST,
1 Paar
?
Zukauf 1 Jahr vor Tod
ein Tier verstorben,
anderes abgegeben
Verbleib?
Gebhardt ST
10 Paare
?
wann Beginn Zucht?
M.
weitere
Zukäufe?
Bestand: 2 Paare
andere Tierarten
Wildkontakt möglich
Mäusekontakt möglich
Jäger
Zuchtgründung
2006
mittlerweile
offenbar
Abgabe
der Tiere
weitere
Zukäufe?
?
20 Paare
weitere
Zukäufe?
W.
wann Beginn Zucht?
Abgabe nach Tod
S.
Bestand: 28 Tiere
keine anderen
Tierarten
Wildtierkontakt?
Mäusekontakt?
Lindemann, NW
?
weitere
Abgaben?
Kontakte
untereinander?
Meyer, NW
?
Abgabe nach Tod
weitere
Abgaben?
Butzek, NW
keine Tiere mehr
andere Tierarten,
Wildkontakt möglich
Mäusekontakt möglich
Mücke, BB
Klein, BY
Dr. M. Linder, LAV Stendal
weitere
Abgaben?
Tierverkehr
Lenz NI
Klein BY
Lindemann NW
Schmid †
Könnern ST
Hörnchen pos.
Weise †
Lindau ST
Hörnchen neg.
Mücke* BB
Butzek NW
Schmidt ST
Goldstein ST
Meyer † NW
Richter/Schmid ST
Schuiewer BY
Matejczek †
S-Brehna ST
Hörnchen neg.
Gebhardt
Brehna ST
Hörnchen pos.
Hackmann
Recke NW
Hörnchen pos
Haupt ST
Hufnagel* BY
Jürgensen* SH
Staach ST
Tierpark Staßfurt ST
Tierverkehr VSBV pos
Bestand 1
Schmid †
Könnern ST
3 Hörnchen pos.
Weise †
Lindau ST
Hörnchen neg.
Meyer † NW
Matejczek †
S-Brehna ST
Hörnchen neg.
Gebhardt
Brehna ST
2 Hörnchen pos.
Hackmann
Recke NW
1 Hörnchen pos
Bestand 2
Bestand 3
•
2015
•
29.1. Geschehen hat sich in unter Züchtern bundesweit rumgesprochen, z.T.
werden Tiere deshalb verkauft
2.2. BMEL gibt die vertrauliche Informationen des FLI an die oberen
Landesbehörden
2.2. Tierhalter wird nahelegt, Tierhaltung ohne Entschädigung aufzugeben,
Hörnchen euthanasieren zu lassen und zur Untersuchung einzuschicken.
•
•
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Verteilung der Haltungen
gelb: VSBV-Nachweise bei Haltern
und/oder Hörnchen
rot: mutmaßliche Kontaktbetriebe
Folgende Maßnahmen waren erforderlich
• Sicherstellung der Information der betroffenen Kreise
• Koordination der epidemiologischen Ermittlungen
• Untersuchungen zur Verbreitung des Virus im Tier
• Suche nach Infektionsfällen unter Personen, die Kontakt zu
infizierten Bunthörnchen hatten
• Klärung des Umgangs mit einem positiven Humanbefund
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin BNI
Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet tropentypischer Erkrankungen und neu
auftretender Infektionskrankheiten.
Forschungsschwerpunkte: Malaria, hämorrhagische Fieberviren, Tuberkulose und
Gewebewürmer.
Für den Umgang mit hochpathogenen Viren und infizierten Insekten verfügt das Institut
über Laboratorien der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4) und ein SicherheitsInsektarium (BSL3).
Robert-Koch-Institut
RKI
Aufgaben: Erkennung, Verhütung sowie Bekämpfung von Krankheiten und das nationale
Public-Health-Institut.
Bewertung, Analyse und Forschung von Krankheiten von hoher Gefährlichkeit, weitem
Verbreitungsgrad oder großer öffentlicher oder gesundheitspolitischer Bedeutung.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Bernhard-Nocht-Institut
Unter Personen, die Bunthörnchen halten, wird nach möglichen Infektionsfällen gesucht.
Untersuchungsmethoden:
•
analoge Analysen in Nervenwasser- und Gewebeproben von Patienten mit
Gehirnentzündungen ungeklärter Ursache
•
Molekularbiologische Nachweismethoden (Real Time PCR-Nachweise auf das neue
Borna-Virus) aus Liquor und Hirngewebe zur Abklärung akuter unklarer Enzephalitiden
•
serologischer Test mittels IFT und ELISA für nicht-akut Erkrankte, um einen etwaigen
vorausgegangenen Kontakt zu dem neuartigen Virus abzuklären
Bisher 2000 Liquorproben aus Heidelberg mit negativem Ergebnis in der PCR untersucht.
Zusätzlich sollen Liquor-und Gehirnproben aus Sammlungen in Heidelberg, Frankfurt,
Würzburg und Halle/Saale untersucht werden.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Die serologische Untersuchung der folgenden Personengruppen kann dabei
unter Angabe der Exposition erfolgen:
-
Halter von Bunthörnchen (aktuell oder früher)
-
Haushaltsangehörige von Haltern von Bunthörnchen (Zeitraum, in der die
Haltung bestand)
-
Tierpfleger mit direktem Bezug zu Bunthörnchen, beispielsweise Tierparks
Abstimmung erfolgt zwischen RKI und BNI.
Keine Kosten für den Einsender!
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Fragebogen RKI
Mit der Befragung werden folgende Daten erhoben:
• Wie viele Halter und Züchter von Bunthörnchen und anderen
exotischen Hörnchen gibt es in Deutschland?
• Zusammen mit welchen anderen Tierspezies werden die
Bunthörnchen gehalten?
• Gibt es unter den Haltern und Züchtern von Bunthörnchen weitere
Personen, die an einer Gehirnentzündung mit unklarer Ursache
erkrankt und/oder daran verstorben sind?
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Robert-Koch-Institut
Bisher wurden nur 10 auswertbare Fragebögen zurückgesandt. Weiterer
Rücklauf wird erwartet.
Bitte bei zukünftigen Kontakten zu Züchtern bzw. Haltern von Bunthörnchen
auf die laufende Online-Befragung des RKI aufmerksam machen.
Diese ist unter folgendem Link erreichbar:
http://www.befragung.rki.de/HoernchenHalter/
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Friedrich-Löffler-Institut FLI
Untersuchungen zur Verbreitung dieses Virus im Tier
• Empfehlung des FLI zur Beprobung und Testung
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–
–
Lebendtestung über Maultupfer und Blutprobe
Nachbeprobung aller negativ getesteten Hörnchen nach vier Wochen
Probenahme und-versand gehen zu Kosten des Halters
Untersuchungskosten trägt das FLI
Fünf weitere positive Bunthörnchen in zwei Betrieben (PCR-Nachweis und
Serologie).
Durch Untersuchung der Organproben konnten keine weiteren positiven
Hörnchen ermittelt werden:
Neue Erkenntnisse:
100% Übereinstimmung Lebendbeprobung/Totbeprobung !
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Friedrich-Löffler-Institut
• Epidemiologie/ Nachverfolgung schwierig. Tiere werden in Deutschland
und in Europa gehandelt oder getauscht.
• Ausführlicher Epi-Bogen mit Fragen zur Haltung, zum Management und
zur tierärztlichen Betreuung, Angaben zur Krankheit, vermutetem
Einschleppungsweg.
• Information der Niederlande und des Vereinigten Königreiches.
• Weitergabe der Information über die Erkrankung an die Weltorganisation
für Tiergesundheit (OIE) .
• Einleitung von Untersuchungen in Costa Rica, bisher ohne Ergebnis
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
VSMK, 8. Mai 2015 in Osnabrück
TOP 8 Neuartiges Borna-Virus bei Bunthörnchen,
Tod von drei Bunthörnchen-Züchtern in Sachsen-Anhalt
Die Verbraucherschutzministerinnen, -minister, -senatorin und senatoren der Länder bitten den Bund (BMG/BMEL) mit
fachlicher Unterstützung durch das Robert-Koch-Institut (RKI)
und das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), die Maßnahmen zur
Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Borna-Virus zu
koordinieren.
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Herzlichen Dank an alle Beteiligten!
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•
Dr. Elisabeth van der Grinten, LAV Stendal
Dr. Miriam Linder, LAV Stendal
Dr. Christian Lutter, LK SLK
Dr. Timo Homeier-Bachmann, FLI Riems
Und viele andere Kollegen!
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
Dr. Franziska Kersten, MLU, 04.11.2015
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