(21) Sumerische GÖTTER-GENEALOGIEN .rtf

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" SUMERISCHE " GÖTTER-GENEALOGIEN
Dies ist ein ergänzender Nachtrag zu diesem Thema, das ich im meinem
Buch*, Anmerkungs-Essay 20, S. 406 - 419 , ausgeführt habe.
G r o sse V o r si ch t u n d S k ep si s i st i m m er an g eb r ach t b ei d en
" GENEAL OGIS CH EN S T AMMBÄUMEN" , di e m ei st von
geschichtsfeindlichen, "strukturalistisch" arbeitenden Wissenschaftlern kritikund gedankenlos erstellt werden und in die dann auch Götter eingefügt
wurden, die erst in viel später Zeit zur Geltung gelangten oder erfundenen
wurden, womit der irreführende Eindruck erweckt wird, es habe diese schon
immer gegeben.
Ungereimtheiten geben uns indessen
Hinweise, aus welcher Zeit solche
Genealogien frühestens stammen können. Welche ideologiekritische Skepsis
solchen Götter-Genealogien ( wie sie auch in Wikipedia verbreitet werden)
entgegen gebracht werden muss, habe ich u.a. auf *Seite 414 ausgeführt.
Die Tatsache z.B. dass NINURTA in seiner Eigenschaft als STÄDTISCHER
KRIEGSGOTT
und als verehelicht mit der AKKAD-Göttin
GULA
mythographiert wurde, beweist ja, dass wir hier einen Mythos vor uns haben,
der frühesten aus der Sargoniden-Zeit stammen kann, also nicht originär
sumerisch ist. Damit verbietet es sich, den Inhalt des Mythos auf die
sumerische Frühzeit zu übertragen.
1. ) INANNA ist als die GÖTTIN DES HIMMELS UND DER ERDE, des
"GROSSEN OBEN", des AN.KI, des "ALLS". Sie ist archäologisch seit
3.200 v.Chr. nachgewiesen (Kultvase von URUK) ; sie empfing jährlich
Opfergaben. Sie war auch diejenige Göttin, die als EINZIGE !, in wohl allen
sumerischen Stadtstaaten einen Tempel hatte : das E.ANNA, das "Haus der
ANNA", des weiblichen " Himmels". ( In 13 Städten der ursprünglichen
Kultur der Sumerer sind ihre Tempel nachgewiesen.) Als Göttin der Heiligen
Hochzeit, durch
welche die Herrschaft aller sumerischen Stadt- Könige
theologisch legitimiert wurde, war INANNA auch die "HERRIN DER
KRONE UND DES ZEPTERS" (vgl. *S. 498 ff. ), insofern der ISIS
vergleichbar.
Es gibt stringente Indizien dafür, dass diese "Grosse Göttin" schon in vorsumerischer Zeit in den ubaidianischen Städten die gleiche führende Rolle
spielte. Ihr ungewöhnlicher Name könnte darauf zurückzuführen sein.
Schliesslich haben die Sumerer aus der ( nach Kramer zur hamito-semitischen
Sprachfamilie gehörenden) Sprache der Ubaidianer auch die meisten StädteNamen übernommen und beibehalten, ( Nippur, Eridu, Ur, Kish etc.), wie
auch die der grossen Flüsse Burunun und Idiglat. (Euphrat und Tigris).
- 2 Warum hiess INANNA nicht NIN.AN , oder NIN.ANNA, vergleichbar den
sumerischen Göttinnen NIN.HURSAG(A), NIN.GAL, NIN.LIL, NIN.MAH,
NIN.TU , NIN.SUM usw. ?
( Es ist mir ferner immer unverständlich
geblieben, warum männliche Götter wie NIN.URTA oder NIN.GIRSU nicht
EN.URTA und EN.GIRSU hiessen ? War der Titel NIN seit Anbeginn für
weibliche UND männliche Götter möglich ? ). Vielleicht lassen sich zu dieser
Frage Hinweise finden aus dem kritischen Studium der Hymnen, die Sargons
Tochter, die ja mit ISHTAR aufgewachsen war, zu Ehren der , bei den
Besiegten, vorgefundenen INANNA gedichtet hat.
Die , der (angenommen bereits ubaidianischen) INANNA vergleichbare ,
Grosse Göttin der Sumerer war mit grosser Wahrscheinlichkeit NIN.GAL
(wie schon ihr Name "Grosse Göttin" nahelegt) ; denn es ist NIN.GAL , die
in den späteren Mythen zur MUTTER der INANNA umgeschrieben wird:
DUMUZI muss -das ist ja bemerkenswert- bei der Mutter NINGAL um die
Hand ihrer Tochter INANNA anhalten; von einem VATER Inannas , bzw.
einem Ehegatten der Mutter , Ningal , ist in diesen frühen Mythen keine Rede.
Daraus folgt: . Ningal hat noch keinen Gatten und Inanna keinen Vater.
(Dies ist bereits ein Beleg dafür, dass ein Himmelsgott mit Namen AN erst
in späteren Mythen zum "Vater" der Inanna umgeschrieben wurde . - vgl.
unten Ziff. 3 ). Skepsis und gründliche Nachforschung ist also gefordert.
Erst in späteren Mythen setzen die Mythographen Ningal einen (oder
verschiedene) Ehegatten an die Seite, vergleichbar der Praxis
im
pharaonischen Ägypten, wo die späteren Mythographen der archaischen UrMutter NUT, Mutter auch von ISIS und OSIRIS, einen später erfundenen
Erdgott namens GEB als Gatten zuordnen; wobei die Erkenntnis wichtig ist,
dass GEB eine Nachbildung und Nachempfindung
des ursprünglichen
Erdgottes Osiris ist, der seinerseits damit unvermittelt zum Sohn des Geb,
d.h. seiner Nachbildung umgeschrieben wird.
Priesterliches Verwirrspiel.
(vgl. hierzu *S. 419 ff.)
2.) Ebenso ursprünglich wie die
"Göttin des Himmels und der Erde",
INANNA, war in UBAID der fluviale Feuchtbarkeits-Gott APSU/ EA. Sein
Tempel das " E.A." , das "Haus des Wassers" , ist nach meinen Quellen
bereit um 3.500 v.Chr. , also vor der Invasion der Sumerer, in den
ubaidianischen Städten nachgewiesen.
Die Sumerer haben also in den Städten Ubaids als wesentliche Tempel und
Kultstätten das E.ANNA und das E.A. vorgefunden. Der "FruchtwasserGott" EA war für die Ubaidianer von so grosser Bedeutung, dass sie ihn
offenbar in das Industal mitnahmen , wohin einige Eliten vor den Sumerern
flohen und dort die HARAPPA-Kulturen begründeten, in denen dieser
- 3 WASSER-KULT eine dominante Rolle spielte. Auch EA scheint ein vorsumerisches Wort zu sein. Wie die Sumerer später den Süsswassre-Gott EA/
APSU ersetzen durch EN.KI ( siehe Ziffer 4).
3.) EN.LIL ( "HERR DES WINDES") , der mächtige und offenbar von
den Sumerern aus ihrer Heimat (ARATTA ?) mitgebrachte Wetter/WindGott , war, neben der "Grossen Göttin" NIN.GAL/INANNA , der
männliche Chef-Gott der Eroberer. Er ist offenbar ein Gott, den die Sumerer
von Anbeginn verehrt haben, auch wenn er in den niedergeschriebenen Mythen
erstmals um 2.500 v. Chr. mit einer Tat von grösster Bedeutung Erwähnung
findet: Seine mythologische Bedeutung wird dadurch hervorgehoben, dass
ENLIL es war, dem die "Schöpfer-Tat" der "TRENNUNG VON HIMMEL
UND ERDE" zugeschrieben wurde.
Wir bemerken, dass erst
800 Jahre nach der sumerischen Eroberung El
Ubaids, der sumerische Hochgott EN.LIL die "Göttin des Himmels und der
Erde", INANNA,
entmachten konnte, indem er der Göttin sowohl die
Fürsorge für die ERDE als auch für den HIMMEL nahm. Die Herrschaft über
die ERDE eignet ENLIL sich zunächst selbst an, zum Gott des HIMMELS
ernennt er einen bisher unbekannten Gott namens "AN" , der zu eben
dieser Zeit, also 2.500 v.Chr., zum ersten Male erwähnt wird.
ENLIL ist also eindeutig dem von ihm
BELEHNTEN
und
EINGESETZTEN GOTT AN übergeordnet und vorgesetzt und bleibt dies
auch während der gesamten Kulturgeschichte SUMERS
(worüber sich
mancher "Fachgelehrte" wundert, weil er die Bedeutung, die AN in späterer vor allem babylonischerZeit zugeschrieben wird, in die Sumer-Zeit
zurückverlegt):
Jene in der Fachliteratur immer wieder veröffentlichten , unkritisch
vermengten und damit unsinnigen, "GÖTTER- GENEALOGIEN" haben ja
leider auch viele REALLEXIKA , und AutorINNEN, u.a. Groneberg,
verseucht und werden deshalb auch in WIKIPEDIA nachgebetet.
ENLIL ist nach Wikipedia im sogen. "SUMERISCHEN" Pantheon der
"SOHN DES OBERSTEN GOTTES" . Wer dieser "OBERSTE GOTT
DE R SUME RE R" sein soll, ver schweigt der Wikipedia- Ar tikel
bemerkenswerter Weise und von einer "Obersten Göttin" ist schon gar nicht
die Rede.
Im Artikel über "AN " wird aber der Eindruck erweckt, jener AN sei der
"AHNHERR DES SUMERISCH-AKKADISCH-BABYLONISCHEN
PANTHEONS ". (so wörtlich ! )
Erschreckend, wie hier 2000 Jahre der Kulturgeschichte ,von Sumer (3.200 v.
Chr.) bis Babylon (1.100 v. Chr.) , in einen Topf geworfen und zu einer
unhaltbaren a-historischen Pauschalisierung verrührt und damit unkenntlich
gemacht werden .
- 4 Dass AN bei den Sumerern n i c h t der Vater des ENLIL war, ergibt sich
aus der Tatsache, dass ENLIL immer der männliche Hochgott der Sumerer
war und dies bis zum Untergang der sumerischen Kultur blieb. Ferner aus
folgendem älteren Mythos: ENLIL als "TRENNER" von "HIMMEL UND
ERDE". Erst in diesem Zusammenhang taucht, wie ein "deus ex machina", ein
Gott namens AN auf, und dieser "AN" wird von seinem Vorgesetzten und
Gönner ENLIL mit der Herrschaft über den Himmel belehnt. Der Chef ist
ohne Zweifel Enlil , und in einer patriarchalen Gesellschaft kann er daher
nicht der Sohn des AN(U) sein.
Aus diesem Grunde ist es auch
ausgeschlossen, dass "die Sumerer" ENLIL als Sohn des AN verehrt hätten,
wie Wikipedia zu entnehmen ist. (vgl. oben ).
Bemerkenswert ist ferner , dass der link im Enlil-Artikel zum Stichwort
"Muttergottheit " noch unausgefüllt ist. Es gibt keinen Artikel, aber man
erfährt, dass jeder Versuch, einen zu schreiben, "gelöscht" worden ist.
Vielleicht sogar zu Recht? Ich habe mir die Entwürfe unter "Versionen"
bisher nicht angesehen , und mein Interesse an Wikipedia ist zu gering, um mir
diese Arbeit zu machen.
( Wissenswert: Im babylonischen Enuma Elish - 1.100 v.Chr - wird die
"Schöpfungstat" der
TRENNUNG VON HIMMEL UND ERDE vom
babylonischen Reichs- und Kriegs-Gott MARDUK vorgenommen ).(Hierzu im
einzelnen: * Anmerkungs-Essay 20a , S. 456 ff.)
(4)
EN.KI ,
der
"HERR DER ERDE", wurde an die Stelle des
ubaidianischen fluvialen Fruchtbarkeitsgottes, EA / APSU gesetzt ; denn er ist
in vielen Mythen der "SAMENSPENDER", der grosse Schwängerer vieler
jungfräulicher Göttinnen. Dass er nicht in der Heiligen Hochzeit mit INANNA
als Fruchtbarkeitsgott in Erscheinung tritt (wie dies bei OSIRIS, dem NILBefruchter , mit ISIS der Fall ist), sondern dass diese Funktion von DUMUZI
ausgefüllt wird, bleibt klärungsbedürftig.
Mit der Herrschaft über die Erde, die ja Enkis "WASSER" ( "A" =
Wasser sowie Samenflüssigkeit ) ihre jährliche Fruchtbarkeit verdankt, wird
Enki , den Mythen zufolge , jedenfalls erst ab 2.200 v.Chr. von ENLIL
betraut, also vielleicht erst in der Sargonidenzeit. Enlil hatte ja bei der
Entmachtung der INANNA durch die "Trennung von Himmel und Erde"
die Herrschaft über die Erde zunächst sich selbst vorbehalten.
In späteren Mythen , und dies nicht vor 2.200 v.Chr., erhält dann EN.KI , als
Nachfolger des alten fluvialen Fruchtbarkeitsgottes EA/ APSU vom Chef-Gott
ENLIL auch noch die Herrschaft über die ERDE, wie sein Name EN.KI,
"HERR DER ERDE", es beschreibt.
- 5 ENLIL, als HERR DES WINDES (UND DES WETTERS) bleibt aber
Chefgott und hat wohl Wichtigeres zu tun, als sich weiterhin selbst um die
Erde zu kümmern.
Was ENLIL, ausser König der Götter zu sein, sonst noch tut, scheint den
Mythographen nicht so wichtig zu sein. Er bleibt ein etwas rätselhafter Gott bis
hin zum babylonischen ENUMA ELISH, in dem er immer noch den Vorsitz
über die Versammlung der Hochgötter führt; aber auch dort, etwa 2000 Jahre
später, steht er als Einziger ausserhalb der Götter-Genealogie, und er ist auch
dort nicht der Sohn des ANU (!) . Seine althergebrachten Machtbefugnisse
tritt er an Marduk ab. (vgl. *S. 456 ff.)
(5) Als „SCHÖPFERGÖTTIN“ der Menschen tritt in sumerischen Mythen
die Göttin NIN.MAH in Erscheinung , und zwar bemerkenswerter Weise in
einem Mythos, in welchem EN.KI als gescheiterter Menschen-Schöpfer
beschrieben wird. (vgl. * S. 408). NIN.MAH ist dennoch keine vollständige
Schöpfergöttin, (wie auch die spätere Ishtar nicht) weil ihr die Fähigkeit zur
Theogonie und zur Kosmogonie noch nicht zugeschrieben wird, ein
wesentlicher Unterschied, den ich herausgearbeitet habe. (vgl. u.a. * S. 408)
und der auch von Freud in seiner Gottes-Definition übersehen wurde. (vgl.
dazu in diesem Blog : Freuds patriarchalische Gottes-Definition für die
Urgeschichte).
(6)
In den Mythen späterer Zeit treten dann auch noch viele männliche
KRIEGS-GÖTTER auf, die als Stadtgötter verehrt werden : In der sogen.
FACH-Literatur bleibt aber immer unklar, aus welcher Zeit
die
entsprechenden Mythen stammen, die uns über jene Götter, NIN.GIRSU ,
NIN.URTA, LUGAL.GIRRA
MESALAM.EA, SHARA , SHULPA ,
ZABABA und andere berichten, so dass ungeklärt bleibt , wann diese Götter
erstmals als STÄDTISCHE Kriegsgötter in Erscheinung treten.
Dass zwei von ihnen, LUGALGIRRA und MESLAMAEA , auch als Götter
der UNTERWELT verehrt wurden, macht ja die Sache noch komplizierter:
Waren sie zunächst Unterwelts-Götter, also auf das Totenreich, das GROSSE
UNTEN, beschränkt und wurden erst danach (und wann?) zu Kriegs-Göttern
mythographiert, oder waren sie zuerst Götter des Krieges, die danach deswegen
zu Göttern der Unterwelt wurden, weil sie viele Tote zu verantworten hatten ?
Klärungsbedürftig ist vor allem, wie und ab wann ?, zu welcher Zeit?, es
möglich war, dass sie neben der GESAMT-SUMERISCHEN "Göttin des
Grossen Unten", Ereschkigal, als Götter der Unterwelt Platz finden konnten?
Haben sie Ereschkigal entmachtet, so wie um 2.500 v.Chr. Enlil Inanna
entmachtete ?
- 6 Ich habe bei meiner Lektüre über die frühdynastischen Gottheiten Sumers
jedenfalls nichts über jene Kriegsgötter gefunden. Die Tatsache z.B. dass
ZABABA als Gatte Inannas bezeichnet wird und nicht Dumuzi, zeigt mir, dass
es sich nicht um einen ursprünglichen Mythos handelt.
Festzuhalten ist ferner, dass jene sogen. "KRIEGSGÖTTER der SUMERER"
keine
GESAMT- Sumerische Funktion und Bedeutung hatten, sondern
offenbar nur als untergeordnete STADT- Götter in Erscheinung traten. Bei
einer gründlichen soziohistorischen Erforschung dieses Themas wäre von
folgenden Voraussetzungen und Überlegungen auszugehen:
Die fremdsprachlichen sumerischen Eroberer jener kulturell hoch entwickelten
ubaidianischen Städte mit (Bovidenbauern)-Hierarchien und einem
machtvollen TEMPEL-Wesen, gründeten ja keinen sumerischen Einheitsstaat,
sondern es gab eine Vielzahl ( bis zu 20 ?) einzelner Stadt-Staaten unter
sumerischer Herrschaft und sumerischen Königen , die eifersüchtig auf ihre
Souveränität achteten , und diese Stadtstaaten führten alsbald Kriege aus
ökonomischen Gründen gegen einander.
Wenn die erobernden Sumerer überhaupt schon
einen
männlichen
"Kriegsgott" verehrten (wie die Arier ihren INDRA) , dann wäre es vielleicht
politisch klug gewesen, diesem nicht sogleich demonstrativ einen Tempel in
der eroberten Stadt zu errichten und ihre gerade unterworfenen Untertanen zu
zwingen, jenen Kriegsgott anzubeten, dem sie den Verlust ihrer
Unabhängigkeit und die FREMD-HERRSCHAFT der Sumerer zu verdanken
hatten.
(7) FAZIT :
Es ist nicht unwahrscheinlich und wäre detailliert zu erforschen , ob nicht
angesichts der vorgefundenen ubaidianischen Götterwelt sogar der sumerische
Hochgott ENLIL zunächst noch keine ausgeprägte Führungsposition im Kult
der gerade eroberten Städte übernehmen konnte. Es sollte noch etwa 7
Jahrhunderte dauern, bis er die allgemein und in vielen Tempeln verehrte
(ubaidianisch ?)-sumerische Hochgöttin mit dem INANNA entmachten und auf
die Rolle einer Göttin der Heiligen Hochzeit beschränken konnte. Aber auch
wenn Enlil ihr die Fürsorge , die "Herrschaft", wie die patriarchalischen
Krieger es nennen, über "HIMMEL UND ERDE" schliesslich nehmen konnte,
so blieb sie doch noch lange Zeit die " GÖTTIN DER KRONE UND DES
ZEPTERS" , weil sie es war, die durch das Ritual der Heiligen Hochzeit die
Herrschaft eines jeden Stadt-Königs legitimierte. Da wir in der sumerischen
- 7 Frühzeit nichts von einem männlichen KRIEGS-GOTT ( oder einer
Kriegsgöttin) hören, könnte es sein, dass die sumerischen Eroberer ihre Siege
über die ubaidianischen Städte anfangs theologisch nicht an die grosse Glocke
hängen wollten und deshalb auf die Einführung bzw. Verehrung eines SIEGund KRIEGS-Gottes,
(wenn sie denn einen hatten) , verzichteten. Die
Tatsache, dass die Grosse Göttin INANNA(als Tochter der NIN.GAL) die
sumerischen Stadt-Könige theologisch in deren Herschaftsanspruch bestätigte,
mag den Herrschern genügt haben, ohne dass sie dieser Hochgöttin noch
speziell die Eigenschaften einer KRIEGS-Göttin zuschrieben. Da dieser
HÖCHSTEN ohnehin für alles zu danken war, scheint es "natürlich" , dass
den Sumerern der Sieg auch von IHR geschenkt worden war, was die Göttin ja
immer wieder durch die Heilige Hochzeit zu erkennen gab, und zwar auch für
die besiegten Unterworfenen. Auf diese Weise blieb es vor allem den gerade
Besiegten und Gedemütigten erspart, auch noch einen FREMDEN, von den
sumerischen Streitwagen-Kriegern mitgebrachten . KRIEGSGOTT anzubeten,
dem sie ihre Unterwerfung und den Verlust ihrer Freiheit zu "verdanken"
hatten..
Dies würde auch erklären, dass Sargons ISHTAR, die neben ihren
Eigenschaften als Höchste Göttin, mit dem eindrucksvollem Titel : "Starke
Königin der ERD-Götter, Höchste unter den HIMMELS-Göttern" auch noch
die Attribute einer KRIEGS- vor allem aber SIEGES-Göttin , erhalten hatte,
so perfekt mit INANNA verschmolzen werden konnte. Beide waren sie
"GÖTTIN DES HIMMELS UND DER ERDE" und beide waren die Göttin
der HEILIGEN HOCHZEIT.
Auch wenn der archaischen INANNA die Merkmale einer Kriegsgöttin fehlen,
zeigt uns das Beispiel ISHTAR, das sie sehr wohl auch als die Grosse Göttin
galt, der man den SIEG zu danken hatte. Es erscheint auch absurd, dass die
sumerischen Könige ihren Sieg über eine ubaidianische Stadt einer anderen
Gottheit zu verdanken haben könnten als jener Grossen Göttin, der sie das
Wichtigste, nämlich ihr Königtum verdankten. Für einen besonderen
Kriegsgott scheint dort also zunächst kein Platz zu sein.
Es wäre interessant, die Hymnen der ENKHEDUANNA auf solche Hinweise
zu untersuchen.
Was dien "sumerischen" Kriegsgötter angeht, wäre es ja denkbar, dass diese
als auf eine bestimmte Stadt beschränkte Gottheit erst dann mythographiert
wurden, als die sumerischen Stadt-Staaten (nach der Eroberung der Städte El
UBAIDS ) begannen, Kriege gegeneinander zu führen. In der Verehrung
INANNAS
blieben sich ja alle Städte gleich, aber jetzt konnte den
Einwohnern ein Kriegsgott vorgesetzt werden, der nur den Feldzug gegen
- 8 äussere Feinde, wie z.B. die konkurrierenden Stadtstaaten, heiligen sollte und
nicht der eine Kriegsgott war, dem die Sumerer ihre Siege über die Städte
der Ubaidianer, ihre neuen Untertanen, zuschrieben. Wann das war, bliebe zu
erforschen ; ich halte es für unwahrscheinlich, dass dies schon vor 2.500 v.Chr.
der Fall war, und es erscheint mir fraglich, ob dies vor 2.200 V.Chr. bereits
geschehen konnte.
Möglicherweise ist es eine Entwicklung der III. Dynastie, also nach Sargon.
Feststellen können wir jedenfalls, dass Sargon, dieser bedeutende
Streitwagenkrieger-Patriarch, in AKKAD keinen männlichen Hochgott finden
konnte, dem er seinen grossen Sieg über sämtliche vom sumerischen Adel
beherrschte Stadtstaaten verdanken mochte . Dies ist ein eindeutiger Beleg
dafür, dass im Jahr 2.300 v.Chr. ISHTAR noch die HÖCHSTE GOTTHEIT
der akkadischen Gesellschaft war (wie es ihr Titel verkündet) und somit
Sargon gar nichts anderes übrig blieb, als dieser HÖCHSTEN akkadischen
Gottheit für den Sieg zu danken.
Ich denke wir können aufgrund dieses Sachverhaltes den Schluss wagen, dass
auch die Sumerer mit solchen Gottes-Vorstellungen ihre Siege errungen
haben; denn wie anders wäre zu erklären, dass INANNA auch unter
sumerischer Herrschaft noch 800 Jahre lang (von 3.300 v.Chr. bis 2.500
v.Chr ) ihre herausragende und führende Rolle als "GÖTTIN DES ANKI"
aufrecht erhalten konnte. Da der mythographische Versuch einer
"Entmachtung" INANNAS durch ENLIL (ca.2.500 v.Chr.) bei Sargons Sieg
erst 200 Jahre zurücklag, wurde sie anfänglich durch ihre "Ishtarisierung" in
ihrer alten Machtvollkommenheit bestätigt.
Erst unter den Amoriter-Königen Babylons wird ja die Erniedrigung der
ISHTAR/INANNA immer weiter vorangetrieben. (Ishtar war selbst noch die
persönliche Schutzgöttin des Hethiter-Königs Hattusili -1.565 v.Chr.) ( * S.
418).
Noch ein weiterer Gedanke: Wie wir sehen , ist auch im patriarchalen MonoTheismus für die Sonder-Zuständigkeit eines Kriegsgottes kein Platz.
Diese Funktion wird deshalb von dem EINEN HERR-GOTT mit
wahrgenomen, wie u.a. auch von unserem abendländischen himmlischen
Urvater JHWE. (Vgl. *Seite 525 ) .
Zu bedenken wäre ferner: Im frühdynastischen Ägypten ist mir kein Gott
bekannt, der auf die Funktion eines "Kriegsgottes" beschränkt wäre. Die ersten
Pharaonen verdanken ihre Siege dem Himmels-Sonnengott HORUS, als
dessen irdische Inkarnation der König gilt, aber Horus führt nicht den Titel
eines Kriegsgottes.
- 9 Die über Elam in das Indus-Tal mit ihren Streitwagen einfallenden ARIER
hatten dem gegenüber ihren Kriegs-Gott INDRA ( um 1.700 v.Chr.) zu ihrem
höchsten Gott und Pantheon-Chef gemacht, wie es später zur Zeit
Nebukadnezars I (um 1.100 v.Chr,) die Babylonier mit MARDUK tun
werden.
Ich kann mir vorstellen, dass weitere Forschung zum Ergebnis führt, dass die
Erfindung männlicher (spezialisierter) Kriegsgötter erst eine postsargonidische Erscheinung ist, weil der SIEG im Krieg zuvor immer der
Höchsten Göttin zu danken war, jener, die durch die Heilige Hochzeit auch
das Königtum legitimierte.
Gerhard Bott
*Die Erfindung der Götter. Essays zur politischen Theologie.
ISBN 978-3-8370-3272-7
vgl. ferner in diesem Blog :
Tod und Wiederauferstehung des Dumuzi ;
Sumerer, Semiten , Indoeuropäer : Streitwagen-Krieger :
Lilith und "Lilithisierung" ;
sowie zur UBAID-Kultur : Zur Sozialorganisation der BovidenZüchter .
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