Einführung in die Finanzmathematik Vorlesung an der TU Darmstadt

Werbung
Einführung in die Finanzmathematik
Vorlesung an der TU Darmstadt WS 2004/2005
Jakob Creutzig ∗
TU Darmstadt, AG 9
9. Februar 2005
Inhaltsverzeichnis
1 Finanzderivate
2
2 Ein-Perioden-Modellierung
8
3 Prozesse und Filtrationen
26
4 Preismodellierung im n–Perioden–Modell
43
5 Ausblick: Das Black-Scholes-Modell
67
A Ein Trennungssatz der konvexen Analysis
78
∗
e-mail:[email protected]
1
1
Finanzderivate
Das Kapitel gibt einen groben Überblick über moderne Finanzmärkte und die wichtigsten Derivate. Es werden Modellierungsannahmen für einen mathematischen Zugang gefunden und begründet.
1.1
1.1.1
Aktien und andere Finanzgüter
Aktien
Die typische Großfirma unserer Tage existiert als Aktiengesellschaft (AG)
bzw. als Corporation (Inc., USA) oder limited liability company (&Co.
Ltd/plc, UK). Die Firma gehört anteilig den Aktieninhabern (shareholder).
Eine Aktie
• gibt also einen anteiligen Besitz der Firma wieder,
• hat einen Wert 1 , zu dem sie gehandelt werden kann, der im Aktienkurs
dargestellt wird.
1.1.2
Bonds
Ein Bond ist ein Wertpapier, welches einen garantierten Abnahmewert hat.
Die einfachste Form eines Bond ist ein festverzinstes Wertpapier, welches
nach Erwerb in seinem Wert nach einer vorgegebenen Zinsrate steigt. Beispiele für solche einfachen Bonds sind z.B. Bundesschatzbriefe. Kompliziertere Bonds benötigen Prämienzahlungen zu vorher festgesetzten Zeiten; diese
können (wie z.B. bei Lebensversicherungen oder Bausparverträgen) am Anfang der Laufzeit festgelegt werden oder sich an Finanzmarktfaktoren wie
z.B. dem Leitzins orientieren. Wir betrachten in dieser Vorlesung nur einfache Bonds, also festverzinste Wertpapiere. Diese werden an eigenen Märkten,
den Rentenmärkten 2 , gehandelt.
1.1.3
Währungen
Währungen (Devisen) verhalten sich in ihren relativen Preisen Aktien nicht
unähnlich; natürlich sind aber hier die preisbestimmenden Faktoren meist
anders gelagert. Devisenkurse und Aktienkurse internationaler Firmen sind
oft korreliert (Im-/Export). Devisen werden an Devisenmärkten in erstaunlichen Volumina gehandelt.
1
Was der Wert einer Aktie eigentlich widerspiegelt, ist nicht ganz klar. Eine mögliche
Interpretation ist die, daß der Wert einer Aktie im wesentlichen die Einschätzung der
Anleger über die künftige Entwicklung eben dieses Wertes widerspiegelt.
2
Der Name erklärt sich daraus, daß viele Firmen zB in den USA solche Bonds primär
nutzen, um Betriebsrenten für ihre Mitarbeiter zu finanzieren.
2
1.1.4
Waren
Warenmärkte handeln mit Großverbrauchsgütern wie Öl, aber auch mit
Wertanlagen wie Gold. Wie Aktien unterliegen auch Warenpreise Schwankungen durch äußere Einflüsse; das prominenteste Beispiel unserer Zeit ist
der Ölpreis.
1.1.5
Basisgüter
Alle oben beschriebenen Güter wollen wir als Basisgüter bezeichnen. Der
Wert (Kurs) eines solchen Basisgutes ändert sich zeitlich, abhängig von
äußeren Einflüssen (z.B. Katastrophen, Zinssenkungen, Krieg, Halbjahresbilanzen, neue Ölfelder) und aufgrund der inneren Dynamik des jeweiligen
Marktes (z.B. Gewinnmitnahmen nach einem längeren Kursanstieg).
Wir sind interessiert an Vorhersagen zum Zeitpunkt 0 über den weiteren Verlauf des Kurses. Weil weder die äußeren Einflüsse noch die innere
Dynamik zuverlässig vorhergesagt werden kann, ist es naheliegend, diese
Einflüsse gar nicht erst explizit mitmodellieren zu wollen, sondern diese einfach als zufällig 3 anzusehen; unsere erste Modellierungsentscheidung lautet
daher:
Annahme I: Der Wert eines Basisgutes zu einem beliebigen Zeitpunkt
t > 0 ist eine Zufallsgröße, die von einem geeigneten Wahrscheinlichkeitsraum in die Menge (0, ∞) abbildet.
Somit wandelt sich das Problem, die verschiedenen Einflüsse auf den
Kurs zu reflektieren, in das Problem, einen geeigneten Wahrscheinlichkeitsraum und eine Familie von Zufallsgrößen hierauf zu finden, welche die mögliche Entwicklung des Kurses in einem gewissen Sinne hinreichend ’gut’ modellieren.
1.2
Derivate
Der ’einfache’ Handel mit Aktien ist für die komplexen wirtschaftlichen
Transaktionen unserer Zeit längst nicht mehr ausreichend. Anleger schließen heutzutage Verträge über zukünftige Transaktionen, die von den künftigen Kursverläufen abhängen. Solche Verträge heißen Derivate oder abgeleitete Finanzinstrumente. Die für uns interessantesten Derivate sind Termingeschäfte; hier wird zum Zeitpunkt t0 vereinbart, in einem (festen oder
kursabhängigen) Zeitrahmen [T0 , T1 ] bestimmte Transaktionen durchzuführen,
die vom Kursverlauf eines oder mehrerer Basisgüter abhängt. Der Einfachheit halber setzen wir meist t0 = 0. Ein Derivat hat stets einen Preis, den
3
Natürlich heißt dies nicht ’rein zufällig’. Ein festverzinster Bond wird stets den gleichen
Ertrag bringen.
3
eine der Parteien bei Vertragsabschluß zahlen muß. Die Frage, welcher Preis
für ein Derivat angemessen ist, wird das zentrale Thema dieser Vorlesung
sein.
1.2.1
Swaps
Bei einem Swap tauschen beide Parteien an einem vorher festgelegten Zeitpunkt Basisgüter aus, und zwar in einer Menge, die durch eine festgelegte
Formel von den Kursen der Güter zum Endzeitpunkt abhängt. Swaps sind
populär im Devisenhandel, aber auch am Rentenmarkt.
1.2.2
Forwards/Futures
Bei einem Forward oder Future verpflichtet sich die eine Partei, von der
anderen Partei innerhalb eines künftigen Zeitraumes [T0 , T1 ] eine festgelegte
Menge eines Basisgutes zu einem festgelegten Preis zu kaufen, bzw. ihr zu
verkaufen. Ein solcher Handel an einem Finanzmarkt (s.u.) heißt Future,
ein individuell geschlossener Vertrag Forward. Der Käufer bei einem solchen
Kontrakt ist in einer long position, der Verkäufer in einer short position.
Es ist keineswegs unüblich, einen Forward in einer short position zu schließen, obwohl man beim Vertragsabschluß selbst das Basisgut noch gar nicht
besitzt (Leerverkäufe oder auch short sellings).
1.2.3
Optionen
Optionen geben dem Käufer das Recht, aber nicht die Pflicht, ein bestimmtes
Gut in einem zukünftigen (festen oder kursabhängigen) Zeitfenster [T0 , T1 ]
zu einem vereinbarten Preis K, dem Ausübungspreis (strike price), zu kaufen
oder zu verkaufen. Eine Call –Option ist eine mit Kaufrecht, eine Put–Option
eine mit Verkaufsrecht. Analog spricht man auch hier von long (Käufer der
Option) und short (Verkäufer der Option) positions. Das vom Käufer erworbene Recht wird auch Claim genannt; daher wird oft auch gesagt, man habe
einen Claim gekauft. Bei einer europäischen Option ist T0 = T1 , bei einer
amerikanischen Option ist T0 = 0. Diese vier Optionstypen (europäischer
Call/Put, amerikanischer Call/Put) sind die vier wichtigsten Typen von Optionen und werden daher auch (plain) vanilla4 Optionen genannt. Daneben
gibt es noch exotische Optionen, z.B. aisatische, lookback- oder Barriereoptionen, auf die wir hier nicht weiter eingehen wollen.
Für eine europäische Call–Option können wir leicht das optimale Verhalten
vorhersagen (Übe das Kaufrecht genau dann aus, wenn der Kurs höher ist
als K.), und damit erhalten wir für den Gewinn des Käufers die Formel
max{S(T1 ) − K, 0} =: (S(T1 ) − K)+ ,
4
Viele Süßigkeiten werden in den USA in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten; der Grundtyp wird dabei meistens mit ’vanilla’ bezeichnet.
4
wobei S(T1 ) der Kurswert des entsprechenden Basisgutes zum Zeitpunkt
T1 ist. Analog ist der Gewinn des Käufers einer europäischen Put-Option
(K − S(T1 ))+ .
1.3
Finanzmärkte
Es gibt grundsätzlich zwei Arten, Finanzderivate zu handeln. Einerseits gibt
es die großen organisierten Börsen (exchanges) mit festen Regeln und Preisen, andererseits den individuellen Handel zwischen zwei Parteien (over-thecounter, OTC). Wichtige Börsen sind die Chigago Board Options Exchange
(CBOE), die deutsche Terminbörse (DTB) oder die London International
Financial Futures Exchange (LIFFE). Der Großteil des OTC-Handels findet zwischen Banken, hauptsächlich Investmentbanken, statt, z.B. Goldman
Sachs, Chase Manhattan oder der deutschen Bank. Der OTC-Handel ist wegen der flexibleren Vertragsmöglichkeiten in letzter Zeit deutlich beliebter
geworden und wächst schneller als der Handel an den meisten Terminbörsen.
1.4
Arbitrage
Als Arbitrage bezeichnet man die Möglichkeit, durch Kauf und Verkauf von
Basisgütern oder Derivaten einen risikolosen Profit zu erzielen, der größer
ist, als der durch Bonds erzielbare Profit. Ein simples Beispiel (s. Irle, p.11):
Die Aktie A wird in New York und Frankfurt gehandelt; in Frankfurt sei
der Kurswert 93 Euro, in New York 100 Dollar, der Dollar koste 0,94 Euro,
und es gibt keine Gebḧren oder sonstigen Transaktionskosten. Eine Arbitragemöglichkeit ist nun gegeben durch die Strategie: Kaufe Aktien in Frankfurt, verkaufe sie in New York, und wechsle Dollar in Euro. Dabei entfällt
pro Aktie der Gewinn (100 ∗ 0.94 − 0.93) = 1 Euro.
Eine zentrale Annahme für unsere Modellierung basiert auf der folgenden
heuristischen Argumentation: Falls eine Möglichkeit zur Arbitrage vorliegt
und sie genutzt wird, wird der Markt reagieren und die entsprechenden Preise entsprechend anpassen, sodaß die Arbitragemöglichkeit verschwindet. Daher werden wir für unsere Modellierung annehmen:
Annahme II: Ein ’stabiler’ Markt ist arbitragefrei. Alle Preise für
Güter/Derivate müssen daher so berechnet werden, daß keine Arbitragemöglichkeit existiert.
1.5
Handelsstrategien
Die beobachtbaren Handelsstrategien lassen sich grob in drei Kategorien
einteilen.
5
1.5.1
Hedging
Das Wort ’Hedging’ hat keine direkte deutsche Übersetzung; es bezeichnet
den Versuch, durch klug verteilte Investitionen das Risiko eines (großen) Verlustes zu minimieren. Ein typisches Beispiel ist das einer Firma mit großem
Exportvolumen, die sich gegen die Folgen ungünstiger Wechselkurse absichern will und daher Call-Optionen auf ihre Währung kauft. Üblicherweise
sind ’Hedger’ an ein oder einen Pool von Basisgütern gebunden und wollen
sich gegen eine schlechte Entwicklung der Kurse derselben absichern.
1.5.2
Spekulation
Ein Spekulant geht im Gegenteil ein kalkuliertes Risiko ein, um sich Gewinnmöglichkeiten zu verschaffen. Typischerweise ist ein Spekulant uninteressiert an dem zugrundeliegenden Basisgut und lediglich am möglichen
Gewinn interessiert; das ermöglicht es den ’Hedgern’, leicht einen Spekulanten zu finden, welcher ihre Risiken übernimmt.
1.5.3
Arbitrageurs
Arbitrageure versuchen ständig, Arbitragemöglichkeiten aufzufinden und zu
nutzen; meistens indem sie an zwei oder mehr verschiedenen Finanzmärkten agieren. Scheinbar widerspricht dies der Annahme der Arbitragefreiheit,
tatsächlich aber unterstützt die Existenz dieser Strategie die der These zugrunde liegende Heuristik, da mögliche Arbitragen auch schnell gefunden
und nach kurzer Zeit durch die Marktdynamik unterbunden werden.
1.6
Weitere Modellierungsannahmen
Wir treffen einige weitere Annahmen, die die Modellierung vereinfachen:
Annahme III: Der Markt ist ’reibungsfrei’, d.h. es entstehen einem
Käufer/Verkäufer keinerlei Transaktionskosten oder Steuern.
Annahme IV: Der Markt ist ’symmetrisch’ und ohne intrinsische Risiken, d.h. die Preise für Kauf und Verkauf eines Gutes/Derivates sind
stets die gleichen, und weiter gelten die gleichen Zinsen für ’Guthaben’
und ’Kredite’.
Annahme V: Der Markt ist kontinuierlich und unreguliert, d.h. jedes Basisgut kann in beliebig kleinen Mengen erhalten werden, und
es können beliebige Optionen abgeschlossen werden. Insbesondere sind
Leerverkaeufe in beliebiger Höhe erlaubt.
Annahme VI: Der Markt ist gierig, d.h. jeder Teilnehmer bevorzugt
höhere Mengen jedes Basisgutes.
Annahme VII: Der Markt ist preisindifferent, d.h. der Kauf/Verkauf
einer beliebigen Menge an Gütern/Optionen beeinflußt nicht den momentanen Kurs. (Händler sind Preisnehmer, nicht Preismacher.)
6
1.7
Beispiel: Call-Put-Parität bei europäischen Optionen
Betrachte europäischen Call und Put. Identisch seien: Basisgut, strike price
K und Fälligkeitstermin T . Weiter sei ein risikoloser Bond gegeben mit
Verzinsung r > −1 bis zur Zeit T .
Bezeichnungen: St der Preis des Basisgutes zur Zeit t, C sowie P die
Preise der Call– und Put–Optionen (zur Ziet t = 0).
1. Strategie: Kauf des Basisgutes und des Put zur Zeit t = 0.
Kapitaleinsatz zur Zeit t = 0:
S0 + P.
Wert des Portfolios zur Zeit T :
ST + (K − ST )+ = max{ST , K}.
2. Strategie Lege K/(1 + r) in Bonds an und kaufe Call.
Kapitaleinsatz zur Zeit t = 0:
K/(1 + r) + C.
Wert des Portfolios zur Zeit T :
K + (ST − K)+ = max{ST , K}.
Somit: für jeden Preis ST stimmen die Werte beider Portfolios zur Zeit
T überein. Das Prinzip der Arbitragefreiheit liefert
S0 + P = K/(1 + r) + C.
Denn wäre z.B. S0 +P < K/(1+r)+C, so würde die folgende kombinierte
Strategie risikolosen Profit ergeben: Kaufe das Basisgut und die Put-Option,
gebe einen Bon über K/(1 + r) aus und verkaufe einen Call. (Dies ist ein
allgemeines Prinzip: Strategien mit identischem Gewinn müssen identische
Kosten haben.)
7
2
Ein-Perioden-Modellierung
2.1
Erinnerung: Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie
Wahrscheinlichkeitsraum Ein Wahrscheinlichkeitraum ist ein Tupel (Ω, A, P ),
sodaß
1. Ω 6= ∅ (Grundraum),
2. A ⊂ P(Ω)5 ist eine σ-Algebra, d.h.
(a) Ω ∈ A,
(b) A ∈ A
⇒
Ω \ A ∈ A,
S
(c) Ai ∈ A, i ∈ N ⇒
i∈N Ai ∈ A,
3. P : A → [0, 1] Wahrscheinlichkeitsmaß, d.h.
(a) P (Ω) = 1,
(b) Für
P alle Ai ∈ A, i ∈ N paarweise disjunkt ist P
i∈N P (Ai ).
S
i∈N Ai
=
Wichtige Spezialfälle:
• diskreter Wahrscheinlichkeitsraum: Ω höchstens abzählbar und A =
P(Ω),
• Absolutstetige Maße: Ω = RRn , A σ-Algebra der Borel-Mengen6 , f :
Rn → [0, ∞[ integrierbar mit Rn f (x) dx = 1; definiere WahrscheinlichkeitMaßP
durch
Z
P (A) =
f (x) dx,
A ∈ A.
A
Eine Zufallsvariable X ist eine Abbildung X : Ω → R mit
{X ≤ c} ∈ A,
c ∈ R.
Zufallsvektor : Vektor von Zufallsvariablen auf einem gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsraum.
Konvention: Wir schreiben X = Y , X ≥ Y , X > Y usw. für Zufallsvariablen X und Y auf gemeinsamem Wahrscheinlichkeitsraum, falls die entsprechende Relation fast sicher gilt7 . Im folgenden legen wir ohne besondere
Erwähnung stets einen Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) zugrunde.
5
P(Ω) ist die Potenzmenge von Ω
D.h., die kleinste σ–Algebra, die alle offenen Kugeln als Elemente enthält. Insbesondere sind auch alle abgeschlossenen Mengen enthalten.
7
D.h., es existiert eine Menge Ω0 ∈ A mit P (Ω0 ) = 1 und für alle ω ∈ Ω gilt X(ω) =
Y (ω) (analog >, <, etc.).
6
8
2.2
Definitionen und Beispiele
Definition 1. Ein-Perioden-Modell : Preise von g Basisgütern zu zwei Handelszeitpunkten
Sj,t , j = 1, . . . , g, t = 0, 1,
wobei


S1,0


S0 =  ...  ∈ Rg
Sg,0
fest und bekannt,


S1,1


S1 =  ... 
Sg,1
Zufallsvektor.
Hiermit liegt das einfachste stochastische Finanzmarktmodell vor.
Definition 2. Portfolio (Wertpapierbestand)8
x ∈ Rg .
Dessen Wert zur Zeit t
0
x · St =
g
X
xi Si,t .
j=1
Portfolio x heißt risikofrei, falls
x0 · S0 > 0
∧
x0 · S1 = 1.
Für ein risikofreies Portfolio x heißt
B1 = x0 · S0 .
der zugehörige Diskontierungsfaktor.
Beispiel 1. Eine festverzinsliche Anlage und eine Aktie mit zwei möglichen
Kursen A1 zur Zeit t = 1. Anfangskurs A0 > 0 sowie
(
u · A0 mit Wahrscheinlichkeit p,
A1 =
d · A0 mit Wahrscheinlichkeit 1 − p
für p ∈ ]0, 1[ und 0 < d < u. Festverzinsliche Anlage zum Zinssatz ρ > 0.
Formal: Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) mit
Ω = {ω1 , ω2 },
8
A = P(Ω),
P ({ω1 }) = p,
Beachte: xj 6∈ N0 zugelassen und x0 · S1 Zufallsvariable.
9
ferner A1 (ω1 ) = u · A0 und A1 (ω2 ) = d · A0 sowie
1
1+ρ
S0 =
,
S1 =
.
A0
A1
Risikofreies Portfolio
x=
1 1+ρ
0
mit Diskontierungsfaktor B1 = 1/(1 + ρ).
Definition 3. Portfolio x heißt Arbitrage (risikoloser Profit), falls
x0 · S0 ≤ 0
∧
x0 · S1 ≥ 0
∧
P ({x0 · S1 > x0 · S0 }) > 0.
Modell heißt arbitragefrei, falls keine Arbitrage existiert.
Fortan vorausgesetzt: Existenz eines risikofreien Portfolios.
Lemma 1. Das Modell ist arbitragefrei genau dann, wenn keine Arbitrage
x mit x0 · S0 = 0 existiert.
Beweis. Sei x Arbitrage mit x0 · S0 < 0. Setze z = x + λ · y, wobei y risikofrei
und λ ∈ R. Also
z 0 · St = x0 · St + λ · y 0 · St .
Wähle
λ=−
x0 · S0
> 0.
y 0 · S0
Hiermit
z 0 · S0 = 0,
z 0 · S1 = x0 · S1 + λ > 0,
so daß
P ({z 0 · S1 > z 0 · S0 }) = 1.
Lemma 2. Der Diskontierungsfaktor eines arbitragefreien Modells ist eindeutig bestimmt, d.h. zwei risikofreie Portfolios haben stets denselben Diskontierungsfaktor.
Beweis. "Ubung.
Beispiel 2. Fortsetzung von Beispiel 1. Es gilt
⇔
Modell arbitragefrei
10
d < 1 + ρ < u.
Beweis: ⇒“ 1. Fall d ≥ 1 + ρ. Leihe Geld zum Aktienkauf“. Formal
”
”
−A0
x=
.
1
Dies definiert eine Arbitrage, da
x0 ·S0 = −A0 +A0 = 0,
x0 ·S1 = −A0 ·(1+ρ)+A1 ≥ A0 ·(d−(1+ρ)) ≥ 0
und
P ({x0 · S1 > 0}) ≥ P ({ω1 }) = p > 0.
2. Fall u ≤ 1 + ρ. Leihe Aktie zur Geldanlage“. Arbitrage x = (A0 , −1)0 .
”
Nachweis wie oben.
⇐“ Sei x Arbitrage mit x0 · S0 = 0, d.h. x2 = −x1 /A0 . Dann
”
x0 · S1 = x1 · (1 + ρ − A1 /A0 ) ,
und somit
x1 > 0
⇒
x0 · S1 (ω1 ) < 0,
x1 < 0
⇒
x0 · S1 (ω2 ) < 0,
x1 = 0
⇒
x0 · S1 = 0.
Definition 4. Claim (Anrecht, Forderung)9 ist reellwertige Zufallsvariable
C. Zugehöriger Hedge (Sicherungsgeschäft)10 ist Portfolio x mit
x0 · S1 = C.
Claim heißt absicherbar, falls ein zugehöriger Hedge existiert. Modell heißt
vollständig, falls jeder Claim absicherbar ist.
Beispiel 3. Das Modell aus Beispiel 1 ist vollständig.
Betrachte Claim C und Portfolio x. Dann
x Hedge für C
⇔
x0 · S1 (ωi ) = C(ωi ),
i = 1, 2.
Also ist ein Hedge durch das lineare Gleichungssystem
x1 · (1 + ρ) + x2 · u A0 = C(ω1 )
x1 · (1 + ρ) + x2 · d A0 = C(ω2 )
charakterisiert. Als eindeutige Lösung erhält man
9
10
x1 =
u C(ω2 ) − d C(ω1 )
(1 + ρ) · (u − d)
x2 =
C(ω1 ) − C(ω2 )
.
A0 · (u − d)
Inhaber erhält Auszahlung C zur Zeit t = 1.
Verkäufer des Claims sichert sich gegen zufällige Entwicklung ab.
11
Speziell: Europäischer Call mit Basispreis K und Verfallstermin T = 1,
d.h.,
C = (A1 − K)+ .
Zugehöriger Hedge
x1 =
u (d A0 − K)+ − d (u A0 − K)+
(1 + ρ) · (u − d)
x2 =
(u A0 − K)+ − (d A0 − K)+
.
A0 · (u − d)
Beachte
x1 ≤ 0 ≤ x2 ,
also Aufnahme von Geld und Kauf der Aktie“.
”
2.3
Bewertung von absicherbaren Claims
Gegeben: arbitragefreies Modell (S0 , S1 ) und Claim C mit Hedge x.
Frage: fairer“ Preis von C zur Zeit t = 0?
”
Definition mit dem Prinzip der Arbitragefreiheit.
Dazu: Claim als neues Basisgut mit Preis C zur Zeit t = 1. Erweitertes
Modell auf demselben Wahrscheinlichkeitsraum
a
C
S0 =
, S1 =
.
S0
S1
Definition des Preises a des Claims zur Zeit t = 0, so daß die Arbitragefreiheit erhalten bleibt.
Satz 1.
⇔
(S 0 , S 1 ) arbitragefrei
a = x0 · S0 .
Beweis. 1. Fall: a < x0 · S0 . Arbitrage durch Kauf des Claim, Verkauf des
Hedge x und risikofreie Anlage der Differenz. Formale Rechnung: Es existiert
Portfolio y mit y 0 · S0 = 1 und y 0 · S1 = 1/B1 . Definiere
1
0
0
z=
+ (x · S0 − a) ·
.
−x
y
Dann
z 0 · S 0 = a − x0 · S0 + (x0 · S0 − a) · 1 = 0
und
z 0 · S 1 = C − x0 · S1 +
x0 · S0 − a
x0 · S0 − a
=
> 0.
B1
B1
2. Fall: a > x0 · S0 . Analog.
12
3. Fall: a =
x0 ·S
z0
im erweiterten
0 . Betrachte beliebiges Portfolio z =
y
Modell. Es gilt
z 0 · S 0 = z0 · a + y 0 · S0 = (z0 · x0 + y 0 ) · S0
sowie
z 0 · S 1 = z0 · C + y 0 · S1 = (z0 · x0 + y 0 ) · S1 .
Fazit: Falls z Arbitrage im erweiterten Modell, so ist z0 x + y Arbitrage im
ursprünglichen Modell.
Definition 5. In obiger Situation: fairer Preis s(C) des Claim C:
s(C) = x0 · S0 .
Bemerkung 1. Fairer Preis hängt nicht vom gewählten Hedge ab, sonst
Arbitragemöglichkeit.
2.4
Steilkurs: Absolutstetigkeit und Dichten
Erinnerung: Der Erwartungswert ist linear. Für jede Zufallsvariable X ≥ 0
gilt E(X) ≥ 0 sowie E(X) = 0 ⇔ X = 0. Der Erwartungswert eines
Zufallsvektors ist komponentenweise definiert.
Definiere
NP = {A ∈ A : P (A) = 0}.
Schreibweise für Erwartungswerte bzgl. P
Z
Z
EP (X) = X dP =
X dP.
Ω
Definition 6. Sei Q Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, A). Q absolut stetig
bzgl. P (in Zeichen Q P ), falls NP ⊂ NQ . Q äquivalent zu P (in Zeichen
Q ∼ P ), falls NP = NQ .
R
Sei L Zufallsvariable mit L ≥ 0 und LdP = 1. Durch
Z
Z
Q(A) =
L dP = 1A · L dP,
A ∈ A,
A
wird ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, A) definiert.
Definition 7. In obiger Situation heißt L eine P -Dichte von Q (in Zeichen:
L = dQ
dP ).
Beispiele in den Fällen Ω endlich, abzählbar und11 Ω = Rd .
Eigenschaften:
11
Nicht notwendig P (Ω) = 1.
13
i) Q P , Ausblick: Satz von Radon-Nikodym,
ii) Q ∼ P
⇔
P ({L > 0}) = 1,
iii) L, L0 P -Dichten von Q
⇒
P ({L = L0 }) = 1.
iv) Sei X Zufallsvariable. Falls X ≥ 0
Z
Z
dQ
dP.
X dQ = X ·
dP
Stets
X Q-integrierbar
⇔
X·
dQ
P -integrierbar
dP
X·
dQ
dP.
dP
und ggf. gilt
Z
Z
X dQ =
2.5
Das äquivalente risikoneutrale Wahrscheinlichkeitsmaß
Gegeben: Ein-Perioden-Modell (S0 , S1 ) auf (Ω, A, P ).
Welche Rolle spielt das Maß P bei der Bestimmung des fairen Preises?
Ziel: fairer Preis als Erwartungswert.
Definition 8. Zufallsvariable Z heißt zulässig (bezüglich P ), falls12
1. Z > 0, und Z ist beschränkt,
2. EP (|ZS1 |) < ∞ für die euklidische13 Norm | · | auf Rg .
Proposition 1.
(S0 , S1 ) arbitragefrei
⇔
∃ Z zulässig :
S0 = E(Z · S1 ).
Beweis. ⇐“ Sei Z zulässig mit S0 = E(Z ·S1 ) und x Arbitrage mit x0 ·S0 =
”
0. Dann
0 = x0 · S0 = E(Z · x0 S1 ) > 0,
da Z · x0 S1 ≥ 0 und P ({Z · x0 S1 > 0}) = P ({x0 S1 > 0}) > 0. Widerspruch.
⇒“ Betrachte
”
Z = {E(Z · S1 ) : Z zulässig}
sowie
Z=
1
.
1 + |S1 |
12
Im Spezialfall Ω endlich: Z > 0.
Tatsächlich kann man hier E(kZS1 k) < ∞ für eine beliebige Norm auf Rg fordern, da
auf dem Rg alle Normen äquivalent sind.
13
14
Dann: Z zulässig, also Z 6= ∅. Ferner: Z konvex(er Kegel), da {Z : Z zulässig}
konvex und Z 7→ E(Z · S1 ) linear.
Annahme 1:
S0 6∈ Z.
Verwende Satz A.1:
∃ x ∈ Rg \ {0}
∃β∈R
∀z ∈ Z :
x0 S0 ≤ β ≤ x0 z
sowie
x0 S0 < β
∃ z ∈ Z : β < x0 z.
∨
Behauptung 1: x ist Arbitrage.
Setze Zn = n1 · Z für n ∈ N. Dann: Zn zulässig, und
zn := E(Zn · S1 ) =
1
· E(Z · S1 ) → 0 .
n
Also gilt β ≤ 0 und somit x0 S0 ≤ 0.
Annahme 1a): P ({x0 S1 < 0}) > 0. Dann P ({x0 ·S1 /(1+|S1 |) < −δ}) = ε > 0
für passende δ, ε > 0. Setze
en =
Z
n
1
· 1{x0 S1 <0} +
·1 0
,
1 + |S1 |
1 + |S1 | {x S1 ≥0}
en · S1 ).
zen = E(Z
en zulässig und
Dann: Z
0
0
en · S1 ) = −n · E
x · zen = x · E(Z
|
0 +
(−x0 S1 )+
(x S1 )
+E
,
1 + |S1 |
1 + |S1 |
{z
}
≥δ·ε
so daß
lim x0 · zen = −∞,
n→∞
im Widerspruch zu x0 zen ≥ β. Also ist Annahme 1a) widerlegt, es gilt folglich
x0 S1 ≥ 0.
Annahme 1b): x0 S0 = 0 = x0 S1 . Dann gilt für alle z ∈ Z mit geeignetem
zulässigem Z
x0 · z = E(x0 ZS1 ) = 0 = β = x0 S0 .
Widerspruch.
Damit ist Annahme 1 b) widerlegt, es gilt also x0 · S0 < 0 oder P ({x0 S1 >
0}) > 0, und damit folgt Behauptung 1. Diese widerspricht aber der Voraussetzung, folglich ist Annahme 1 falsch.
15
Beispiel 4. Festverzinsliches Wertpapier plus Aktie, siehe Beispiel 1. Hier
1
1+ρ
1+ρ
S0 = E(Z ·S1 ) ⇔
= p·Z(ω1 )·
+(1−p)·Z(ω2 )·
,
A0
uA0
dA0
so daß S0 = E(Z · S1 ) äquivalent ist zu
1
,
1+ρ
p · u · Z(ω1 ) + (1 − p) · d · Z(ω2 ) = 1.
p · Z(ω1 ) + (1 − p) · Z(ω2 ) =
Die Determinante ist hier gegeben durch
p · (1 − p) · (d − u) < 0.
Man erhält als eindeutige Lösung
1
d
Z(ω1 ) =
· 1−
,
p(u − d)
1+ρ
1
u
Z(ω2 ) =
·
−1 .
(1 − p)(u − d)
1+ρ
Also: Positivität von Z äquivalent zur Arbitragefreiheit des Modells, siehe
Beispiel 2 (und Proposition 1).
Im folgenden: Q weiteres Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, A).
Bemerkung 2. Falls Q ∼ P , so gehören zu P und Q offenbar dieselben
risikofreien Portfolios, Arbitragen und Hedges. Also besitzt ein absicherbarer
Claim bzgl. P und Q denselben Preis.
16
Satz 2. Äquivalent sind
(i) (S0 , S1 ) arbitragefrei,
(ii) ∃ Q W’maß ∃ B > 0 :
Q ∼ P ∧ EQ (|S1 |) < ∞ ∧ S0 = EQ (B · S1 ).
Beweis. (i) ⇒ (ii)“ Sei Z gemäß Proposition 1 gewählt, und sei x risikofrei.
”
Also
B1 = x0 S0 = EP (Z · x0 S1 ) = EP (Z),
d.h. EP (Z) ∈ ]0, ∞[. Definiere B = B1 und
Z
1
Q(A) =
Z dP.
B A
Dann gilt
P ∼ Q,
1
EQ (|S1 |) =
· EP (Z · |S1 |) < ∞,
B
1
1
EQ (S1 ) =
· EP (Z · S1 ) =
· S0 .
B
B
(ii) ⇒ (i)“ Es gilt für jedes Portfolio x
”
x0 · S0 = EQ (B · x0 S1 ).
Aus x0 S0 = 0 und x0 S1 ≥ 0 folgt wegen B > 0, daß x0 ·S1 = 0. Somit existiert
keine Q-Arbitrage und, gemäß Bemerkung 2, auch keine P -Arbitrage.
Definition 9. Jedes Wahrscheinlichkeitsmaß Q gemäß Satz 2 heißt äquivalentes
risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß.
Bemerkung 3. Das äquivalente risikoneutrale Wahrscheinlichkeitsmaß ist
i.a. nicht eindeutig bestimmt. Vgl. jedoch Satz 4. Der Faktor B ist stets der
eindeutig bestimmte Diskontierungsfaktor B1 .
Beweis. Sei Q beliebiges äquivalentes risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß und B gemäß (ii) gewählt. Sei x risikofrei. Dann
B = EQ (Bx0 S1 ) = x0 · S0 = B1 .
Jetzt: Arbitragefreiheit des erweiterten Modells, fairer Preis eines Claims
mittels äquivalentem risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaß ohne explizite
Angabe eines Hedges.
17
Satz 3. Gegeben: Arbitragefreies Modell (S0 , S1 ) mit Diskontierungsfaktor B1 und äquivalentem risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaß Q sowie
absicherbarer Claim C. Dann
a
C
,
arbitragefrei
⇔
a = EQ (B1 C).
S0
S1
Beweis. Sei x Hedge für C. Dann.
x0 S0 = EQ (x0 B1 S1 ) = EQ (B1 C).
Wende Satz 1 an.
Fazit: In obiger Situation Bewertung durch
1. Diskontieren,
2. Erwartungswertbildung, jedoch nicht bzgl. P sondern bzgl. Q.
Bemerkung 4. Bestimmung eines äquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaßes: Ansatz gemäß Beweis von Satz 2 und Bemerkung 3
dQ
Z
=
,
dP
B1
Bestimmung von Z gemäß Proposition 1? Beachte, daß der Beweis dieser
Proposition nicht-konstruktiv geführt wird (Trennungssatz).
Speziell
Ω = {ω1 , . . . , ωn }
endlich mit |Ω| = n. Dann
Q({ωi }) =
Z(ωi )
· P ({ωi }).
B1
Dies führt auf ein lineares Gleichungssystem
n
X
Q({ωi }) · S1 (ωi ) = 1/B1 · S0
i=1
sowie
∀ i = 1, . . . , n :
und
n
X
Q({ωi }) = 1
Q({ωi }) = 0 ⇔ P ({ωi }) = 0
∧
∀ i = 1, . . . , n :
Q({ωi }) ≥ 0.
i=1
Man erhält ein lineares Ungleichungssystem, falls oBdA P ({ωi }) > 0 für alle
i = 1, . . . , n.
18
Beispiel 5. Festverzinsliches Wertpapier plus Aktie. Gelte d < 1 + ρ < u,
d.h. Arbitragefreiheit gemäß Beispiel 2. Beispiel 4 liefert
1
d
Z(ω1 ) =
· 1−
,
p(u − d)
1+ρ
1
u
Z(ω2 ) =
·
−1 .
(1 − p)(u − d)
1+ρ
Beispiel 1 zeigt B1 = 1/(1 + ρ). Also
q := Q({ω1 }) =
1+ρ−d
= 1 − Q({ω2 }) ∈ ]0, 1[ ,
u−d
und es gilt Q ∼ P für jedes Wahrscheinlichkeitsmaß P auf (Ω, P(Ω)).
Gemäß Beispiel 3 ist das Modell vollständig. Für jeden Claim C ergibt
sich
s(C) = EQ (B1 · C) =
1
· (1 − B1 d) · C(ω1 ) + (B1 u − 1) · C(ω2 ) .
u−d
Ein numerisches Beispiel. Gelte
A0 = 1,
ρ = 0.05,
sowie
B1 =
20
,
21
d = 0.5
1
C(ω2 ) = .
5
C(ω1 ) = 3,
Dann
u = 2,
q=
11
= 0.36 . . .
30
und
1
368
· (1 − q)) =
= 1.168 . . . .
5
315
Annahme: Verkaufspreis 1, etwa bei irrtümlicher Bewertung bzgl. P mit
s(C) = B1 · (3 · q +
p = 17/56 = 0.303 . . . .
Dann: Kauf des Claim, Verkauf des Hedge
−44/63
x=
,
28/15
siehe Beispiel 3. Nettogewinn
x1 + x2 − 1 = s(C) − 1 =
19
53
= 0.168 . . . .
315
Bemerkung 5. In Beispiel 5 hängt der faire Preis (und das äquivalente
Martingalmaß) nicht vom Wahrscheinlichkeitsmaß P , d.h. vom Parameter
p ∈ ]0, 1[ ab. Bullen“ und Bären“, die Kurssteigerungen mit großer“ bzw.
”
”
”
kleiner“ Wahrscheinlichkeit erwarten, können sich allein unter Verwendung
”
des Prinzip der Arbitragefreiheit auf einen fairen Preis einigen. Dies erklärt
auch das Attribut risikoneutral“.
”
Man beachte jedoch, daß dieser Preis von den Parametern u, d und ρ
abhängt.
Ein Hedge ergibt sich als Lösung eines linearen Gleichungssystems ohne Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeiten. Deshalb überrascht es nicht,
daß der faire Preis nicht von den Wahrscheinlichkeiten abhängt.
Satz 4. Arbitragefreiheit und Vollständigkeit sichern die Eindeutigkeit des
äquivalenten risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaßes.
Beweis. Gelte Qi ∼ P und S0 = EQi (B1 S1 ) für i = 1, 2. Für jedes A ∈ A
existiert x ∈ Rg mit
x0 S1 = 1A .
Also
x0 S0 = EQi (B1 · x0 S1 ) = B1 · Qi (A),
so daß Q1 (A) = Q2 (A), da B1 > 0.
Satz 5. Gegeben: arbitragefreies Ein-Perioden-Modell mit endlichem Grundraum Ω. Aus der Eindeutigkeit des äquivalenten risikofreien Wahrscheinlichkeitsmaßes folgt die Vollständigkeit.
Beweis. Gelte oBdA P ({ω}) > 0 für alle ω ∈ Ω. Betrachte
M := L2 (Ω, A, P ),
den Raum aller quadratisch integrierbaren Zufallsvariablen bzgl. P . Da Ω
endlich ist, folgt
M = RΩ ,
und dies ist die Menge aller Claims. Die Menge aller absicherbaren Claims
ist gegeben durch
hS1 i = span{S1,1 , · · · , Sg,1 } ⊂ M.
Die Existenz eines risikofreien Portfolios sichert
1 ∈ hS1 i.
Ferner
hS1 i⊥ = {U ∈ M : EP (U · Z) = 0 für alle Z ∈ hS1 i}
20
und
M = hS1 i ⊕ hS1 i⊥ .
Die Vollständigkeit des Modells ist äquivalent zu
M = hS1 i.
Annahme: hS1 i 6= M. Dann existiert U ∈ hS1 i⊥ \ {0}. Sei Q ein äquivalentes risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß und
L=
dQ
> 0.
dP
Da Ω endlich ist, existiert ε > 0 mit
L0 := L + ε · U > 0.
Also:
L 6= L0
∧
EP (L0 ) = EP (L) +ε · EP (U · 1) = 1.
| {z }
| {z }
1
Definiere Q0 durch
dQ0
dP
0
= L0 , so daß Q0 ∼ P und Q0 6= Q. Schließlich
EQ0 (B1 · S1 ) = EP ((L + εU ) · B1 · S1 ) = EP (LB1 S1 ) + εB1 EP (U · S1 ))
|
{z
}
0
= EQ (B1 S1 ) = S0 ,
im Widerspruch zur Eindeutigkeit des äquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaß.
Beispiel 6. Festverzinsliches Wertpapier plus g − 1 Aktien, g > 2.
 


1
1+ρ
1


 , S1 =  A1  , Ω = {ω1 , ω2 }2 , A = P(Ω).
S0 = 
. . .
 ... 
1
Ag−1
Diskontierungsfaktor: B1 = 1/(1 + ρ), P (Ai = ui ) = pi = 1 − P (Ai = di ) ∈
(0, 1), und Ai unabhängig (also
Y
P (A1 = ε1 ∧ · · · ∧ Ag−1 = εg−1 ) =
P (Ai = εi ),
εi ∈ {di , ui }
i<g
). Nach Hausübung 2.2 ist dies Modell nicht vollständig.
Bemerkung 6. Notwendig für die Vollständigkeit eines Modells mit |Ω| <
∞, und damit für die Festsetzung fairer Preise für beliebige Claims gemäß
Definition 5, ist
g ≥ |{ω ∈ Ω : P ({ω}) > 0}|,
21
d.h. es gibt höchstens so viele Kursverläufe wie Finanzgüter. (Siehe Hausübung
2.1 c).) Die natürliche Annahme, daß es mindestens 2g mögliche Kursverläufe
gibt, ist damit also nicht vereinbar.
Vgl. Beispiel 6 sowie Übungsaufgabe 1H2; dort zwei sich synchron bewegende Aktien.
2.6
Unvollständige Modelle
Literatur: Musiela, Rutkowski, Chap. 4), Föllmer, Schied, Chap. 1.3
Definition 10. Sei (S0 , S1 ) ein arbitragefreies Modell und C ein Claim. Ein
Preis a für C heißt arbitragefrei, falls das erweiterte Modell (a, S0 ), (C, S1 )
arbitragefrei ist.
Satz 6. Sei (S0 , S1 ) ein Modell über (Ω, A, P ) mit Diskontierungsfaktor B,
sodaß die Menge P der ärWM nichtleer sei. Sei C eine Option mit C ≥ 0;
dann ist die Menge der arbitragefreien Preise für C gleich
n
o
Y
(C) = EQ (BC) : Q ∈ P, EQ (C) < ∞ .
Falls
Q
(C) 6= ∅, so gilt
π̂(C) :=
inf
Q
p∈
(C)
p = inf EQ (BC),
π̄(C) := sup
p = sup EQ (BC) .
Q
Q∈P
p∈
(C)
Q∈P
Beweis. Die erste Behauptung folgt leicht aus Satz 2. Daraus folgt auch
sofort die Behauptung für π̂(C). Falls EQ (C) < ∞ für alle Q ∈ P, ist auch
die zweite kein Problem; nehmen wir
Q also an, es gäbe ein Q mit EQ (C) = ∞,
dann haben wir zu zeigen, daß (C) unbeschränkt ist. Nehmen wir im
Gegenteil an, daß π̄(C) < ∞, und betrachten eine reelle Zahl π > π̂(C).
Dann existiert zu π ein Arbitrage–Portfolio x = (xg+1 , x̄) ∈ Rg+1 , sodaß
x0 · (π, S0 ) = 0 und x0 · (C, S1 ) ≥ 0 und mit positiver Wahrscheinlichkeit > 0.
Wäre xg+1 < 0, so würde folgen
C≤
x̄0 · S1
|x̄||S1 |
=: V ≤
d+1
−xd+1
|−x{z }
(wobei || die euklidische Norm bezeichne), und da EQ |S1 | < ∞, folgt EQ (C) <
∞, Widerspruch. Also muß xg+1 > 0 sein, also C ≥ V . Definiere Cn :=
min{C, (n + V + )}, n ∈ N. Dann gilt Cn ≥ V P –f.s. und P (Cn > V ) =
P (C > V ) > 0, also ist x̄ · S0 + xd+1 Cn P –fast sicher ≥ 0 und mit positiver
Wahrscheinlichkeit > 0. Also ist π kein arbitragefreier Preis für Cn . Nun
ist Cn aber eine monotone Folge von Zufallsvariablen mit Cn < V + n, und
daher gilt für n hinreichend groß14
14
Satz von der monotonen Konvergenz, siehe Bauer, Satz 11.4..
22
π < EQ (BCn ) < ∞ .
Andererseits gibt es ja ein Maß Q̃ ∈ P, sodaß
π > EQ̃ (BC) ≥ EQ̃ (BCn ) ≥ 0 .
Nun existiert sicher ein α ∈ (0, 1), sodaß
α(EQ (BCn )) + (1 − α)(EQ̃ (BCn )) = π .
Betrachten wir nun Q̂ := αQ + (1 − α)Q̃, so ist leicht
ersichtlich, daß Q̂ ∈ P,
Q
und weiter ist π = EQ̂ (BCn ); folglich ist π ∈ (Cn ), im Widerspruch zur
Erkenntnis, daß π kein arbitragefreier Preis für Cn ist.
Als Beispiel betrachten wir den Markt mit einem Bond, einer Aktie:
Ω = {ω1 , . . . , ωn },
A = P(Ω), ∀ ω ∈ Ω : P ({ω}) > 0,
1
1+ρ
S0 =
,
S1 =
.
1
ω
Gelte
0 < ω1 < · · · < ω`−1 < 1 + ρ < ω` < · · · < ωn
(1)
mit ` ∈ {2, . . . , n}. Setze B1 = 1/(1 + ρ). Satz 2 sichert die Arbitragefreiheit
des Modells. Das Modell ist genau dann unvollständig, wenn
n≥3
gilt, siehe Beispiel 3 und Gruppenübung 2.3.
Im folgenden gegeben: Claim C.
Definition 11. Perfekter Hedge ist Portfolio x mit
x0 · S1 ≥ C.
Stillhalter-Preis ist15
sSt (C) = inf{x0 · S0 : x0 · S1 ≥ C}.
Minimaler perfekter Hedge ist perfekter Hedge x mit
x0 · S0 = sSt (C).
15
Lineares Optimierungsproblem.
23
Die Endlichkeit von Ω und die Existenz eines risikofreien Portfolios sichern die Existenz eine perfekten Hedge. Wg. (1) existiert sogar ein minimaler perfekter Hedge (Skizze).
Jede Preisfestsetzung s(c) > sSt (C) bietet dem Stillhalter eine Arbitragemöglichkeit.
Definition 12. Käufer-Preis ist
sK (C) = sup{x0 · S0 : x0 · S1 ≤ C}.
Es gilt16
sK (C) = − inf {−x0 · S0 : x0 · S1 ≤ C} = −sSt (−C).
(2)
Jede Preisfestsetzung s(C) < sK (C) bietet dem Käufer eine Arbitragemöglichkeit.
Satz 7.
sSt (C) = π̄(C)
sK (C) = π̂(C)
Beweis. Nur für sSt (C), für sK (C)
analog: Offenbar ist sSt (C) ≥ π̄(C), denn
Q
jedes s > sSt (C) liegt nicht in (C).
Annahme 1: sSt (C) > π̄(C).
Q
Dann gäbe es ε > 0, sodaß für jedes π ∈ (C) und jeden perfekten Hedge
x gilt π + ε < x0 · S0 .
Q
Behauptung 1: Dann folgt auch stets π + ε ∈ (C), Widerspruch.
Beweis der Behauptung
Q indirekt,
Annahme 2: π + ε ∈
/ (C). Dann existiert eine Arbitrage y = (y g+1 , ȳ) mit
0
y · (π + ε, S0 ) = 0, y 0 · (C, S1 ) ≥ 0. ObdA sei y g+1 = −1 (Homogenität,
ursprüngliches Modell arbitragefrei), dann folgt
ȳ 0 · S0 = π + ε ,
ȳ 0 · S1 ≥ C ,
also ist x = ȳ perfekter Hedge mit x0 ·S0 = π +ε, Widerspruch zur Annahme
1. Also ist entweder Annahme 1 falsch oder Annahme 2 und damit auch
Annahme 1.
Satz 8.
sK (C) ≤ sSt (C)
mit Gleichheit genau dann, wenn C absicherbar.
16
Kauf von C äquiv. zu Verkauf von −C.
24
Beweis. Satz 7 zeigt sK (C) ≤ sSt (C). Gelte sK (C) = sSt (C). Dann existieren x, y ∈ Rg mit
x0 · S0 = y 0 · S0
x0 · S1 ≥ C ≥ y 0 · S1 .
∧
Mit der Arbitragefreiheit des Modells folgt
x0 · S1 = C = y 0 · S1 .
Umgekehrt erfüllt jeder Hedge x für C
x0 · S0 ≤ sK (C) ≤ sSt (C) ≤ x0 · S0 .
Bemerkung 7. Sei C nicht absicherbar. Jede Preisfestsetzung
s(C) ∈ [sK (C), sSt (C)]
erhält die Arbitragefreiheit.
25
3
Prozesse und Filtrationen
Modellierung zeitabhängiger zufälliger Preisentwicklungen. Zur Motivation:
Definition 1. n-Perioden-Modell : Preise von g Basisgütern zu n + 1 Handelszeitpunkten als Zufallsvektoren


S1,t


St =  ...  ,
t = 0, . . . , n,
Sg,t
auf gemeinsamem Wahrscheinlichkeitsraum.
Wie definiert man Handelsstrategien (dynamische Portfolios), Arbitrage und Risikoneutralität? Was sind Ausübungsstrategien für amerikanische
Optionen?
3.1
Prozesse und Filtrationen
Definition 2. (Rg -wertiger) stochastischer Prozeß : Familie (Xt )t∈T von Rg e=
wertigen Zufallsvektoren auf Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ). Kurz X
(Xt )t∈T .
In dieser Vorlesung17
T ⊂ [0, ∞[ ,
t ∈ T Zeitpunkt.
Beispiel 1. Preisprozeß (St )t∈{0,...,n} im n-Perioden-Modell.
Zunächst T diskret, d.h. T = {0, . . . , n} wie im n-Perioden-Modell oder
T = N0 . Später T = [0, T ] oder T = [0, ∞[.
e stochastischer Prozeß, ω ∈ Ω fest. Dann heißt die Funktion
Definition 3. X
T → Rg : t 7→ Xt (ω)
e
ein Pfad (eine Trajektorie, eine Realisierung) von X.
Betrachte Mengen Ωi mit σ-Algebren Ai , i = 1, 2, und eine Abbildung
Y : Ω1 → Ω2 .
Definition 4. Y A1 -A2 -meßbar, falls
∀ A ∈ A2 :
Y −1 (A) ∈ A1 .
Die von Y erzeugte σ-Algebra 18
σ(Y ) = {Y −1 (A) : A ∈ A2 } ⊂ P(Ω1 ).
17
T ⊂ Rd diskret oder kontinuierlich: Bildverarbeitung, statistische Physik, Geostatistik.
Klar: σ(Y ) ist σ-Algebra; Y A1 -A2 -meßbar ⇔ σ(Y ) ⊂ A1 ; σ(Y ) ist die kleinste σAlgebra A0 , so daß Y A0 -A2 -meßbar.
18
26
Bemerkung 1. Soweit nichts anderes gesagt: Borelsche σ-Algebra B(Rg )
auf Ω2 = Rg . Dann
Y Zufallsvektor
Y A1 -B(Rg )-meßbar.
⇔
Kurz: Y A1 -meßbar.
Mit σ-Algebren lassen sich verfügbare Informationen“ beschreiben.
”
Proposition 1. Für Z : Ω1 → Rg sind äquivalent
(i) Z ist σ(Y )-meßbar,
(ii) ∃ h : Ω2 → Rg :
h A2 -meßbar ∧ Z = h ◦ Y .
Beweis. (ii) ⇒ (i)“ Für A ∈ B(Rg )
”
Z −1 (A) = Y −1 (h−1 (A)) ∈ σ(Y ).
| {z }
∈A2
(i) ⇒ (ii)“ In der Vorlesung Wahrscheinlichkeitstheorie, siehe Gänssler,
”
Stute (1977, Satz 1.2.24) In der "Ubung für den Fall Ω1 = N und Ω2 = R.
Beispiel 2. Im n-Perioden-Modell ist der zeitliche Durchschnittspreis
t
Xj,t =
1 X
Sj,s
t+1
s=0
σ(Sj,0 , . . . , Sj,t )-meßbar. Dies gilt i.a. nicht für Sj,t+1 und S`,t mit ` 6= j.
Definition 5. Filtration: Familie (At )t∈T von σ-Algebren At ⊂ A mit
∀ s, t ∈ T :
s < t ⇒ As ⊂ At .
e = (At )t∈T .
Kurz: A
Beispiel 3. Informationsverlauf im n-Perioden-Modell
At = σ(S0 , . . . , St ),
t ∈ {0, . . . , n}.
e adaptiert, falls
e ist zur Filtration A
Definition 6. Prozeß X
∀t∈T:
Xt At -meßbar.
e stets zur kanoBemerkung 2. Im FalleT = {0, . . . , n} oder T = N0 ist X
nischen Filtration
At = σ(X0 , . . . , Xt ),
t ∈ T,
adaptiert. Siehe Beispiel 3.
Beispiel 4. Der Durchschnittspreisprozeß (Xj,t )t=0,...,n jedes Finanzgutes
ist adaptiert zur kanonischen Filtration im n-Perioden-Modell.
27
3.2
Stoppzeiten
e = (At )t∈T . Setze
Gegeben: T ⊂ [0, ∞[ und Filtration A
(
T,
falls T beschränkt,
∗
T =
T ∪ {∞}, sonst.
Betrachte Abbildungen
τ : Ω → T∗ .
e falls
Definition 7. τ Stoppzeit (bzgl. A),
∀t∈T:
{τ ≤ t} ∈ At .
Lemma 1. Sei T diskret. Dann:
τ Stoppzeit
⇔
∀t∈T:
{τ = t} ∈ At .
Beweis. Verwende
{τ ≤ t} =
[
{τ = s},
{τ = t} = {τ ≤ t} \ {τ ≤ t − 1}.
s≤t ∧ s∈T
Beispiel 5. Verkaufsstrategien im n-Perioden-Modell mit der kanonischen
Filtration.
(i) Verkaufe Gut 1, sobald der Wert a erreicht oder überschritten ist,
spätestens jedoch zur Zeit n.
(ii) Verkaufe Gut 1 beim ersten Eintreten des Maximalpreises.
Formal heißt (i)
τ = inf ({t ∈ {0, . . . , n} : S1,t ≥ a} ∪ {n}) .
Dann: τ ist Stoppzeit, d.h. realisierbare Strategie“. Es gilt nämlich für
”
t = 0, . . . , n − 1
{τ = t} =
t−1
\
s=0
{S1,s < a} ∩ {S1,t ≥ a} ∈ At
| {z } | {z }
sowie
{τ = n} =
∈As ⊂At−1
n−1
\
∈At
{S1,t < a} ∈ An−1 .
t=0
28
Formal heißt (ii)
τ = inf{t ∈ {0, . . . , n} : S1,t = M }
mit
M = max S1,s .
s=0,...,n
Dies ist i.a. keine Stoppzeit, d.h. eine nicht realisierbare Strategie“. Be”
trachte etwa
Ω = {−1, +1},
A = P(Ω),
S1,0 (ω) = 0,
S1,1 (ω) = ω
mit der kanonischen Filtration
A0 = {∅, Ω},
A1 = P(Ω).
Dann
{τ = 0} = {−1} 6∈ A0 .
Lemma 2.
e
σ, τ Stoppzeiten bzgl. A
⇒
e
σ+τ, min{σ, τ }, max{σ, τ } Stoppzeiten bzgl. A.
Beweis. "Ubung.
Definition 8. Sei τ Stoppzeit. σ-Algebra der τ -Vergangenheit 19
Aτ = {A ∈ A : ∀ t ∈ T : A ∩ {τ ≤ t} ∈ At }
Lemma 3.
(i) τ = t
⇒
Aτ = At ,
(ii) τ ≤ σ
⇒
Aτ ⊂ Aσ ,
(iii) falls X : Ω → R A-meßbar
X Aτ -meßbar
⇔
∀t∈T:
X · 1{τ ≤t} At -meßbar.
Beweis. "Ubung.
e adaptiert und X∞ : Ω → Rg A-meßbar. Definiere20
e = (Xt )t∈T zu A
Sei X
Xτ : Ω → Rg : ω 7→ Xτ (ω) (ω).
Lemma 4. Falls T diskret21 , so ist Xτ Aτ -meßbar.
19
Klar: Aτ ist σ-Algebra.
Prozeß zum Zeitpunkt des Stoppens. Etwa Ausübungsstrategie bei amerikanischem
Put.
21
Sonst unter zusätzlichen technischen Voraussetzungen.
20
29
Beweis. OBdA T = N0 . Für B ∈ B(Rg ) gilt
[
{Xτ ∈ B} =
{Xt ∈ B} ∩ {τ = t} ∪ {X∞ ∈ B} ∩ {τ = ∞} ∈ A,
t∈N0
so daß Xτ A-meßbar ist. Ferner gilt für t ∈ T
Xτ · 1{τ ≤t} =
t
X
Xs · 1{τ =s} .
s=1
Wende Lemma 3.(iii) an.
3.3
Bedingte Erwartungen
Erinnerung: Elementare bedingte Wahrscheinlichkeitkeit
P (A | B) =
P (A ∩ B)
,
P (B)
A, B ∈ A,
P (B) > 0.
Das Wahrscheinlichkeitsmaß P (· | B) besitzt die P -Dichte 1/P (B) · 1B .
Gegeben: Zufallsvariable X auf (Ω, A, P ) mit E(|X|) < ∞. Elementare
bedingte Erwartung
E(X | B) =
1
· E(1B · X) = EP (· | B) (X).
P (B)
Klar für A ∈ A
E(1A | B) = P (A | B).
Nun etwas allgemeiner: Sei I höchstens abzählbar. Betrachte Partititon22
Bi ∈ A,
i ∈ I,
von Ω mit
∀i∈I:
Durch
S=

[
P (Bi ) > 0.
Bj : J ⊂ I




j∈J
ist eine σ-Algebra S ⊂ A gegeben. Definiere Zufallsvariable E(X | S) durch
X
E(X | S)(ω) =
E(X | Bi ) · 1Bi (ω),
ω ∈ Ω.
(3)
i∈I
Dann ist E(X | S) S-meßbar. Ferner
Z
Z
E(X | S) dP = E(X | Bj ) · P (Bj ) =
Bj
22
Bj
Eingangs betrachtet: |I| ≤ 2.
30
X dP,
und somit für jedes G ∈ S
Z
Z
E(X | S) dP =
G
X dP.
G
Der Übergang von X zu E(X | S) ist eine Vergröberung“.
”
Beispiel 6. Extremfälle. Einerseits |I| = 1, also S = {∅, Ω} und
E(X | S) = E(X).
Andererseits Ω höchstens abzählbar und I = Ω mit Bi = {i}, also S = P(Ω)
und
E(X | S) = X.
Allgemein: Gegeben: Zufallsvariable X auf (Ω, A, P ) mit E(|X|) < ∞
und σ-Algebra S ⊂ A.
Definition 9. Jede Zufallsvariable Z auf (Ω, A, P ) mit E(|Z|) < ∞ sowie
(i) Z ist S-meßbar,
R
R
(ii) ∀ G ∈ S : G Z dP = G X dP
heißt bedingte Erwartung von X gegeben S. Bez.: Z = E(X | S).
Im Falle X = 1A mit A ∈ A heißt Z bedingte Wahrscheinlichkeit von A
gegeben S. Bez.: Z = P (A | S).
Für das folgende verweisen wir auf die Vorlesung Wahrscheinlichkeitstheorie sowie auf
Gänssler, Stute (1977, Kap. V).
Proposition 2. Die bedingte Erwartung existiert und ist P -f.s. eindeutig
bestimmt23 .
Klar: (3) stellt die eindeutig bestimmte bedingte Erwartung im Sinne von
Definition 9 dar. Die explizite“ Bestimmung von bedingten Erwartungen
”
ist i.a. nicht-trivial.
Die Wahl G = Ω in (ii) zeigt
Z
E(X) =
E(X | S) dP = E(E(X | S)).
Ω
Gegeben: eine weitere Zufallsvariable Y auf (Ω, A, P ).
Proposition 3. Gelte E(|X|) < ∞ und E(|Y |) < ∞. Dann
E(αX + βY | S) = αE(X | S) + βE(Y | S),
23
α, β ∈ R.
Im folgenden identifizieren wir Abbildungen, die f.s. übereinstimmen.
31
Proposition 4. Sei Y S-meßbar mit E(|X · Y |) < ∞. Dann
E(X · Y | S) = Y · E(X | S).
Proposition 5. Für σ-Algebren S1 ⊂ S2 ⊂ A gilt
E(E(X | S1 ) | S2 ) = E(E(X | S2 ) | S1 ) = E(X | S1 ).
Proposition 6. Seien X und S unabhängig24 . Dann
E(X | S) = E(X).
Beweis. Klar: E(X) S-meßbar. Sei G ∈ S. Nach Voraussetzung sind X und
1G unabhängig. Also
Z
Z
E(X) dP = E(X) · E(1G ) = E(X · 1G ) =
X dP.
G
G
Proposition 7 (Jensensche Ungleichung). Sei J ⊂ R ein Intervall und
gelte
∀ ω ∈ Ω : X(ω) ∈ J.
Sei ϕ : J → R konvex mit E(|ϕ ◦ X|) < ∞. Dann:
ϕ(E(X | S)) ≤ E(ϕ ◦ X | S).
Bemerkung 3.
X≥0
⇒
E(X | S) ≥ 0.
Zum Beweis wähle man ϕ(t) = max{0, t} in der Jensenschen Ungleichung.
Mit Proposition 3 folgt im Falle E(|Y |) < ∞
X≥Y
⇒
E(X | S) ≥ E(Y | S).
Oft liegt folgende Situation vor. Gegeben: eine A-meßbare Abbildung
Y : Ω → Rg .
Betrachte
S = σ(Y ).
Wir werden sehen: die bedingte Erwartung ist der beste Schätzer für X
gegeben Y .
Dazu Anwendung von Proposition 1 auf obige Situation. Es existiert eine
meßbare Abbildung h : Rg → R mit
E(X | σ(Y )) = h ◦ Y.
Je zwei solche Abbildungen h stimmen25 PY -f.s. überein.
24
D.h. P ({X ∈ A} ∩ G) = P ({X ∈ A}) · P (G) für alle A ∈ B(R) und G ∈ S. Speziell
für S = σ(Y ): X, Y unabhängig ⇔ X, σ(Y ) unabhängig.
25
PY Verteilung von Y .
32
Definition 10.
E(X | Y ) = E(X | σ(Y ))
heißt bedingte Erwartung von X gegeben Y . Mit h wie oben heißt
E(X | Y = y) = h(y)
bedingte Erwartung von X gegeben Y = y. Analoge Begriffsbildung/Bezeichnung
für bedingte Wahrscheinlichkeiten, wobei X = 1A mit A ∈ A.
Bemerkung 4. Klar: E(X | Y = ·) ist charakterisiert durch die B(Rg )B(R)-Meßbarkeit und
Z
Z
g
∀ C ∈ B(R ) :
X dP =
E(X | Y = y) dPY (y).
{Y ∈C}
C
Insbesondere26
Z
P (A ∩ {Y ∈ C}) =
P (A | Y = y) dPY (y)
C
für A ∈ A. "Ubung im Falle Ω = N und g = 1.
Bemerkung 5. Beachte, daß E(X | Y = ·) nur PY f.s. eindeutig definiert
ist. Ist etwa PY absolutstetig bzgl. des Lebesgue-Maßes, so gilt
∀y∈R:
P ({Y = y}) = 0.
In solchen Fällen läßt sich P (A | Y = y) oder E(X | Y = y) nicht elementar
definieren.
Proposition 8. Falls E(X 2 ) < ∞, so gilt für jede meßbare Abbildung
g : Rg → R
Z
Z
2
(X − E(X | Y )) dP ≤ (X − g ◦ Y )2 dP
Ω
Ω
mit Gleichheit gdw. g = E(X | Y = ·) PY -f.s.
Beweis. Setze Z ∗ = E(X | Y ) und Z = g ◦ Y . Die Jensensche Ungleichung
liefert
E((Z ∗ )2 ) = E(E(X | Y )2 ) ≤ E(E(X 2 | Y )) = E(X 2 ) < ∞.
OBdA: E(Z 2 ) < ∞. Dann
E(X − Z)2 = E(X − Z ∗ )2 + E(Z ∗ − Z)2 +2 · E((X − Z ∗ )(Z ∗ − Z)).
|
{z
}
≥0
26
Vgl. Regel von der vollständigen Wahrscheinlichkeit“.
”
33
Mit den Propositionen 3, 4 und 5 folgt
Z
∗
∗
E((X − Z ∗ )(Z ∗ − Z) | Y ) dP
E((X − Z )(Z − Z)) =
ZΩ
= (Z ∗ − Z) · E((X − Z ∗ ) | Y ) dP
ZΩ
= (Z ∗ − Z) · (E(X | Y ) − Z ∗ ) dP.
|
{z
}
Ω
=0
3.4
Martingale
e = (At )t∈T und reellwertiger Prozeß X
e = (Xt )t∈T mit
Gegeben: Filtration A
e adaptiert,
e zu A
(i) X
(ii) ∀ t ∈ T :
E(|Xt |) < ∞.
e falls27
e heißt Submartingal (bzgl. A),
Definition 11. X
∀ s, t ∈ T :
s<t
⇒
E(Xt | As ) ≥ Xs .
Supermartingal : ≤“, Martingal =“.
”
”
e und s < t
Bemerkung 6. Für jedes Martingal X
E(Xt ) = E(E(Xt | As )) = E(Xs ).
Klar: Aus der Konstanz der Erwartungswerte folgt i.a. nicht die Martingaleigenschaft.
Beispiel 7. Ein-Perioden-Modell Se = (Si )i∈{0,1} mit kanonischer Filtration
e Insbesondere A0 = {∅, Ω}. Sei Q ein äquivalentes risikoneutrales WahrA.
scheinlichkeitsmaß und B1 der Diskontierungsfaktor. Setze B0 = 1. Dann
EQ (B1 · S1 | A0 ) = EQ (B1 · S1 ) = B0 · S0 .
Also ist der diskontierte Preisprozeß (Bi · Si )i∈{0,1} (komponentenweise) ein
e
Martingal auf (Ω, A, Q) bzgl. A.
Hier: einige Elemente der Martingaltheorie im zeit-diskreten Fall, der
Einfachheit halber
T = N0 .
27
Zur Interpretation: Proposition 8.
34
e Submartingal gdw.
Bemerkung 7. X
∀ n ∈ N0 :
E(Xn+1 | An ) ≥ Xn .
Analog für bel. diskretes T und (Super)Martingale. Zum Beweis verwende
man Proposition 5 und Bemerkung 3.
Beispiel 8. Seien X1 , X2 , . . . unabhängig mit E(Xi ) = a für alle i ∈ N.
Setze S0 = 0 und
n
X
Sn =
Xi ,
n ∈ N.
i=1
e gilt
Bzgl. der kanonischen Filtration A
E(Sn+1 | An ) = E(Sn | An ) + E(Xn+1 | An ) = Sn + E(Xn+1 ) = Sn + a.
Somit ist Se genau im Falle a = 0 ein Martingal28 .
Beispiel 9. Vgl. Bsp. 2.1. Einfaches Modell für Aktienkurs zu Zeiten t ∈ N0 .
Wähle
A0 > 0, 0 < p < 1, 0 < d < u,
und betrachte (Yt )t∈N iid. mit
P ({Yt = u}) = p = 1 − P ({Yt = d}).
Definiere A0 = {∅, Ω} und29
At = A0 ·
t
Y
Ys ,
At = σ(Y1 , . . . , Yt )
s=1
e ist die kanonische Filtration zu A.
e Für ganzzahlige 0 ≤
für t ∈ N. Klar: A
s < t gilt
!
t
Y
E(At | As ) = As · E
Yk = As · E(Y1 )t−s = (pu + (1 − p)d)t−s · As .
k=s+1
Also
(At )t∈N0 Submartingal
⇔
E(Y1 ) ≥ 1
und
(At )t∈N0 Martingal
⇔
d<1<u ∧ p=
1−d
.
u−d
Vgl. Beispiel 2.5 im Falle ρ = 0.
Frage: Gibt es im Martingalfall eine Verkaufsstrategie, d.h. eine Stoppzeit
τ , mit
E(Aτ ) > A0 ?
28
Irrfahrt, Glücksspiel. Speziell P ({Xi = 1}) = P ({Xi = −1}) = 1/2.
Ausblick: ein geeigneter Grenzübergang liefert die geometrische Brownsche Bewegung.
Auf diesem stochastischen Modell basiert die Black-Scholes-Formel.
29
35
Die folgenden beiden Sätze sind Varianten des optional sampling theorem.
Satz 1.
∀ τ beschränkte Stoppzeit : E(Xτ ) = E(X0 ).
P
Beweis. ⇒“ Gelte τ (ω) ≤ N für alle ω ∈ Ω. Dann: E(|Xτ |) ≤ N
t=0 E(|Xt |) <
”
∞. Weiter
(Xt )t∈N0 Martingal
E(Xτ ) =
=
N
X
t=0
N
X
⇔
E(1{τ =t} · Xt ) =
N
X
E(1{τ =t} · E(XN | At ))
t=0
E(E(1{τ =t} · XN | At )) =
N
X
t=0
E(1{τ =t} · XN ) = E(XN ) = E(X0 ).
t=0
⇐“ Für s < t und A ∈ As ist zu zeigen
”
Z
Z
Xt dP =
Xs dP.
A
A
Definiere
τ = s · 1A + t · 1Ω\A .
Klar: τ ist beschränkte Stoppzeit. Also
E(X0 ) = E(Xτ ) = E(1A · Xs + 1Ω\A · Xt ) = E(Xt ) − E(1A · Xt ) + E(1A · Xs ).
Beachte schließlich, daß n.V. insbesondere E(X0 ) = E(Xt ) gilt.
Satz 2. Sei (Xt )t∈N0 Martingal und τ Stoppzeit mit
Z
P ({τ < ∞}) = 1 ∧ E(|Xτ |) < ∞ ∧ lim
t→∞ {τ >t}
|Xt | dP = 0.
Dann
E(Xτ ) = E(X0 ).
Beweis. Für τn = min{τ, n} gilt
Z
Z
|E(Xτ ) − E(Xτn )| ≤
|Xτ | dP +
{τ >n}
|Xn | dP
{τ >n}
und somit30
lim E(Xτn ) = E(Xτ ).
n→∞
Satz 1 liefert E(X0 ) = E(Xτn ).
30
Hier benötigt man für den allg. Fall den Lebesgueschen Grenzwertsatz.
36
(4)
Beispiel 10 (Das Ruin-Problem). Betrachte das Glücksspiel aus Beispiel
8 mit
P ({Xi = 1}) = p = 1 − P ({Xi = −1})
für festes p ∈ ]0, 1[. Startkapital C. Ziel: Gewinn G, wobei 0 < C < G. Spiele
bis G erreicht oder C verspielt. Also
τ = inf {n ∈ N0 : Sn = G ∨ Sn = −C} .
Bestimme die Ruin-Wahrscheinlichkeit P ({Sτ = −C}) sowie den Erwartungswert der Spieldauer τ .
Dazu zeigt man vorab
∃ a > 0 ∃ γ ∈ ]0, 1[ ∀ j ∈ N0 :
P ({τ > j}) ≤ a · γ j ,
(5)
siehe Irle (2003, p. 51).
Mit (5) folgt
P ({τ = ∞}) ≤ lim inf P ({τ > j}) = 0
j→∞
und weiter
E(τ ) =
∞
X
P ({τ ≥ j}) < ∞.
j=1
Also
1 = P ({τ < ∞}) = P ({Sτ = G}) + P ({Sτ = −C}).
| {z }
|
{z
}
Gewinn“
”
Ruin“
”
Nun Anwendung des optional sampling theorem. Klar: τ ist unbeschränkt,
deshalb verwenden wir Satz 2.
Definiere M0 = 0 und
Mn =
n
X
(Xi − E(Xi )) = Sn − na,
i=1
f ein Martingal, siehe Beispiel 8. Wir verifizieren
wobei a = 2p−1. Dann ist M
die weiteren Voraussetzungen von Satz 2.
Es gilt
|Mτ | ≤ |Sτ | + τ · |a| ≤ max{G, C} + |a| · τ,
und somit
E(|Mτ |) ≤ max{G, C} + |a| · E(τ ) < ∞.
Ferner
Z
Z
|Mn | dP ≤
{τ >n}
(|Sn | + |a| · n) dP
{τ >n}
≤ max{G, C} · P ({τ > n}) + |a| · n · P ({τ > n}),
37
und somit sichert (5)
Z
lim
n→∞ {τ >n}
|Mn | dP = 0.
Satz 2 liefert
0 = E(M0 ) = E(Mτ ) = E(Sτ ) − E(τ ) · a
= G · P ({Sτ = G}) − C · P ({Sτ = −C}) − E(τ ) · a.
(6)
1. Fall: Faires Spiel, d.h.
1
p= .
2
Dann a = 0 und
P ({Sτ = G}) =
C
,
C +G
P ({Sτ = −C}) =
G
.
C +G
Weiterhin ist (Sn2 − n)n∈N0 ein Martingal, und die Voraussetzungen von Satz
2 sind erfüllt. Also
0 = E(S02 − 0) = E(Sτ2 − τ ) = E(Sτ2 ) − E(τ ),
so daß
E(τ ) = E(Sτ2 ) = G2 ·
C
G
+ C2 ·
= C · G.
C +G
C +G
2. Fall Unfaires Spiel, d.h.
1
p 6= .
2
Setze
q=
p
.
1−p
Man erhält
P ({Sτ = G}) =
1 − qC
,
(1/q)G − q C
P ({Sτ = −C}) =
(1/q)G − 1
,
(1/q)G − q C
und mit (6) folgt
E(τ ) =
G · P ({Sτ = G}) − C · P ({Sτ = −C)}
.
2p − 1
Siehe Irle (1998, p. 50).
Numerische Berechnungen zeigen: kleine Abweichungen von p = 1/2
führen zu drastischen Änderungen der Ruin-Wahrscheinlichkeit.
Die Struktur der Submartingale ergibt sich wie folgt.
38
Satz 3 (Doobsche Zerlegung). Für
Mt =
t
X
Xs − E(Xs | As−1 ) + X0 ,
At =
s=1
t
X
E(Xs | As−1 ) − Xs−1
s=1
gilt
∀ t ∈ N0 :
X t = M t + At ,
e Falls X
f ist Martingal (bzgl. A).
e Submartingal, so ist A
e P -f.s. monoton
und M
wachsend.
Beweis. "Ubung.
Beispiel 11. Betrachte den Partialsummenprozeß Se aus Beispiel 8. Es gilt
E(Ss | As−1 ) = Ss−1 + a
und somit
Mt =
t
X
(Ss − Ss−1 − a) =
s=1
t
X
s=1
(Xs − a) = St − |{z}
a·t.
=At
Beachte, daß Se genau für a ≥ 0 ein Submartingal ist.
Konvention: Wir schreiben
e = Ye
X
falls
∀ t ∈ N0 :
Xt = Yt .
Analog für ≤“, ≥“, <“, >”.
”
”
”
”
Es folgt eine Verschärfung des optional sampling theorem (Satz 1).
e Submartingal. Für beschränkte Stoppzeiten σ ≤ τ gilt31
Satz 4. Sei X
Xσ ≤ E(Xτ | Aσ )
und somit
E(Xσ ) ≤ E(Xτ ).
Im Martingal-Fall gilt jeweils =“.
”
31
Beachte, daß Xσ gem. Lemma 4 Aσ -B(R)-meßbar ist.
39
Beweis. Zunächst der Submartingalfall. Für Zufallsvariablen X, Y auf (Ω, A, P )
mit E(|X|), E(|Y |) < ∞ gilt
Z
Z
X≤Y
⇔
∀A∈A:
X dP ≤
Y dP.
A
A
Ferner: Xσ und E(Xτ | Aσ ) sind Aσ -meßbar. Also ist zu zeigen
Z
Z
∀ A ∈ Aσ :
Xσ dP ≤
E(Xτ | Aσ ) dP .
A
| A R {z
}
=
A
Xτ dP
e =M
f + A.
e Wg. der Monotonie von A
e
Verwende die Doobsche Zerlegung X
Aσ ≤ Aτ .
Sei A ∈ Aσ . Wir zeigen32
Z
Z
Mσ dP =
A
Mτ dP.
A
Setze
ρ = σ · 1A + τ · 1Ω\A .
Da Ω \ A ∈ Aσ ⊂ Aτ , folgt
{ρ ≤ t} = {σ ≤ t} ∩ A ∪ {τ ≤ t} ∩ (Ω \ A) ∈ At ,
|
{z
} |
{z
}
∈At
∈At
so daß ρ eine beschränkte Stoppzeit ist. Satz 1 liefert
E(Mρ ) = E(M0 ) = E(Mτ ).
Klar
E(Mρ ) = E(Mσ · 1A ) + E(Mτ · 1Ω\A ).
e und −X.
e
Im Martingalfall betrachte man X
e Prozeß mit Werten in Intervall J ⊂ R und ϕ : J → R
Lemma 5. Sei X
konvex, so daß E(|ϕ ◦ Xt |) < ∞ für alle t ∈ T. Gelte
e Martingal
e Submartingal ∧ ϕ monoton wachsend .
X
∨
X
Dann33
(ϕ ◦ Xt )t∈T Submartingal.
32
33
Vgl. Beweis von Satz 1.
Gilt für beliebige Indexmengen T ⊂ [0, ∞[.
40
Beweis. Die Jensensche Ungleichung zeigt für s < t
E(ϕ ◦ Xt | As ) ≥ ϕ (E(Xt | As )) ≥ ϕ ◦ Xs .
Wir setzen das Maximum eines Submartingals über {0, . . . , n} mit dem
Verhalten seines letzten Gliedes in Verbindung.
Satz 5 (Doobsche Ungleichungen).
e Submartingal. Für alle n ∈ N0 gilt
(i) Sei X
n
o 1
∀γ>0: P
max Xk ≥ γ
≤ · E(Xn+ ).
k=0,...,n
γ
e ≥ 0, dann
Falls zusätzlich X
E max Xk2 ≤ 4 · E(Xn2 ).
k=0,...,n
e Martingal. Für alle n ∈ N0 gilt
(ii) Sei X
n
o
1
∀γ>0: P
max |Xk | ≥ γ
≤ 2 · E(Xn2 ).
k=0,...,n
γ
und
E
max Xk2 ≤ 4 · E(Xn2 ).
k=0,...,n
Beweis. Ad (i). Setze
Xn∗ = max Xk ,
τ = inf ({k ∈ {0, . . . , n} : Xk ≥ γ} ∪ {n}) ,
k=0,...,n
A = {Xn∗ ≥ γ}.
Satz 4 sichert
Z
E(Xn ) ≥ E(Xτ ) =
Z
Z
Xn dP ≥ γ · P (A) +
Xτ dP +
A
Ω\A
Man erhält die Abschätzung für die Verteilung von X ∗ , da
Z
Z
γ · P (A) ≤
Xn dP ≤
Xn+ dP ≤ E(Xn+ ).
A
Xn dP.
Ω\A
(7)
A
e ≥ 0 und oBdA E(X 2 ) < ∞. Mit (7) und der Cauchy-Schwarz
Gelte X
n
Ungleichung folgt34
Z ∞
Z ∞
∗2
∗2
1
1
P ({Xn ≥ u}) du =
u · P ({Xn∗ ≥ u}) du
2 · E(Xn ) = 2 ·
0
0
Z ∞Z
Z Z ∞
≤
Xn dP du =
1{Xn∗ ≥u} duXn dP
0
{Xn∗ ≥u}
Ω 0
Z
1/2
=
Xn∗ · Xn dP ≤ E(Xn∗2 ) · E(Xn2 )
.
Ω
Ad (ii). Verwende (i) und Lemma 5.
34
Beachte: für Z ≥ 0 gilt E(Z) =
R∞
0
P ({Z ≥ u}) du.
41
Beispiel 12. Für die Aktienpreise im Modell aus Beispiel 9 gilt im Submartingalfall µ = E(Y1 ) ≥ 1, daß
P
n
max Ak ≥ γ
o
k=0,...,n
42
≤
1
· A0 · µn .
γ
4
Preismodellierung im n–Perioden–Modell
Im folgenden, soweit nichts anderes gesagt,
T = {0, . . . , n}.
e = (Ai )i∈T und dazu adapDefinition 1. n-Perioden-Modell : Filtration A
g
tierter R -wertiger Preisprozeß


S1,i


Si =  ...  ,
i ∈ T.
Sg,i
Ein wichtiger Spezialfall35 :
e endlich, falls
e A)
Definition 2. n-Perioden-Modell (S,
(i) der zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) erfüllt
#Ω < ∞,
A = P(Ω),
∀ω∈Ω:
P ({ω}) > 0
e erfüllt
(ii) die Filtration A
A0 = {∅, Ω},
An = A.
Literatur zu endlichen Modellen: Bingham, Kiesel (2000, Chap. 4), Musiela, Rutkowski (1997, Chap. 3), Elliott, Kopp (1999, Chap. 3, 4).
Beispiel 1. Cox-Ross-Rubinstein-Modell (1979). Zwei Finanzgüter, d.h. g =
2. Eine Aktie, deren Kurse S2,i = Ai gemäß Beispiel 3.9 modelliert sind und
ein festverzinsliches Wertpapier mit Preisen
S1,i = (1 + ρ)i
bei festem Zinssatz ρ > 0. Kanonische Filtration. Klar: endliches Modell.
Bemerkung 1. Die Ein-Perioden-Modelle gemäß Definition 2.1 sind genau
die n-Perioden-Modelle gemäß obiger Definition mit n = 1 und A0 = {∅, Ω},
A1 = A.
35
Diskrete Wahrscheinlichkeitstheorie. Preisprozeß besitzt nur endlich viele Pfade.
43
4.1
Diskontierung, Handelsstrategien und Arbitrage
Fortan vorausgesetzt: Zu jedem Handelszeitpunkt existiert eine risikofreie
Anlagemöglichkeit, d.h.
Ri0 · Si > 0 ∧ Ri0 · Si+1 = 1. (8)
∀ i ∈ T \ {n} ∃ Ri Rg -wertig, Ai -meßbar :
e = (Ri )i∈T\{n} gemäß
Definition 3. Risikofreie Anlagestrategie: Prozeß R
e = (Bi )i∈T gegeben durch
(8). Zugehöriger Diskontierungsprozeß : B
B0 = 1,
i−1
Y
Bi =
Rk0 · Sk .
k=0
Diskontierter Preisprozeß 36
(Bi · Si )i∈T .
Klar: Bi ist Ai−1 -meßbar und strikt positiv37 .
e und B
e in Beispiel 1,
Beispiel 2. Deterministische Prozesse R
1
1/(1 + ρ)i+1
Ri =
,
Bi =
.
0
(1 + ρ)i
Beispiel 3. Mortgage-backed securities beruhen auf dem monatlichen cash
flow eines Hypothekenpools über einem Zeitraum von bis zu 30 Jahren. Also:
n = 360. Diese Optionen gehören zur Klasse der Zinsderivate, siehe Hull
(1997, p. 389-391). Hier ist die stochastische Modellierung des Zinssatzes Yi
für den Zeitraum ]i, i + 1] sinnvoll, d.h. man betrachtet Ye = (Yi )i∈{0,...,n−1}
adaptiert mit Ye > 0. Ein floating rate bond verhält sich gemäß
S1,0 = 1,
S1,i+1 = S1,i · (1 + Yi ),
i = 0, . . . , n − 1.
Eine risikofreie Anlagestrategie ist gegeben durch R1,i = 1/(S1,i · (1 + Yi ))
und Rj,i = 0 für j 6= 1. Der zugehörige Diskontierungsprozeß lautet
B0 = 1,
Bi =
i−1
Y
k=0
1
.
1+Y
| {z }i
Disk’faktor
Bemerkung 2. Annahme: Bi A0 -meßbar38 . Zur Zeit t = 0 investiere man
den Betrag Bi risikofrei im Portfolio“
”
Bi
· R0 .
0
R 0 · S0
36
e Siehe jedoch Bemerkung 3.
Hängt ab von R.
Numéraire: adaptierter strikt positiver Prozeß. Siehe Bingham, Kiesel (2000).
38
Diskontierungsfaktoren für ]0, 1] , . . . , ]i − 1, i] zur Zeit t = 0 bereits bekannt.
37
44
Wert zur Zeit t = 1
i−1
Y
Bi
0
·
R
·
S
=
Rk0 · Sk .
1
0
R00 · S0
k=1
Zu allen Zeiten t = 1, . . . , i − 1 werde der Wert des Portfolios“ reinvestiert
”
in Rt . Induktiv: man erhält zur Zeit t = i den Wert 1. Somit: Bi ist der
aktuelle Wert eines Kapital 1 zur Zeit i.
Definition 4. Handelsstrategie (trading strategy): adaptierter Rg -wertiger
Prozeß


H1,i


i ∈ T \ {n}.
Hi =  ...  ,
Hg,i
Wir setzen
H−1 = 0,
Hn = 0.
Interpretation: dynamisches Portfolio, Hj,i Bestand an Finanzgut j in
Portfolio in der Periode ]i, i + 1].
Klar: Risikofreie Anlagestrategie ist Handelsstrategie. Die Handelsstrategien bilden einen Vektorraum.
Beispiel 4. Handelsstrategien im Cox-Ross-Rubinstein Modell mit n = 2
h1,0
h1,1 ◦ Y1
2
H0 =
∈R ,
H1 = h1 ◦ Y1 =
,
h2,0
h2,1 ◦ Y1
wobei h1,1 , h2,1 : {u, d} → R2 . Der Raum der Handelsstrategien ist 6dimensional.
e
Definition 5. Entnahmeprozeß (zur Handelsstrategie H)
0
δi = Hi−1
· Si − Hi0 · Si ,
i ∈ T.
e H)
e
e oder kurz δ.
Bez. δ(
Interpretation: Negative Entnahme heißt Zufuhr von außen.
i=0
−δ0 = H00 · S0
0
Hi−1
Anfangsinvestition,
i ∈ {1, . . . , n − 1}
δi =
· Si −
i=n
0
δn = Hn−1
· Sn
45
Hi0
· Si
Wert des Portfolios zur Zeit i
minus reinvestiertem Betrag,
Endwert des Portfolios.
e
Definition 6. Werteprozeß (wealth process) (zur Handelsstrategie H)
V0 = H00 · S0 ,
0
Vi = Hi−1
· Si ,
i ∈ T \ {0}.
e oder kurz Ve . Diskontierter Werteprozeß 39 (zur Handelsstrategie
Bez. Ve (H)
e
H)
Bi · Vi ,
i ∈ T.
e selbstfinanzierend, falls
Definition 7. H
∀ i ∈ T \ {0, n} :
e = 0.
δi (H)
Klar: die selbstfinanzierenden Handelsstrategien bilden einen Vektorraum.
Beispiel 5. Selbstfinanzierende Handelsstrategien im Cox-Ross-Rubinstein
Modell im Falle n = 2 charakterisiert durch
h1,0 − h1,1 ◦ Y1
(1 + ρ, A0 · Y1 ) ·
= 0,
h2,0 − h2,1 ◦ Y1
d.h.

h1,0


 h2,0  
1 + ρ A0 · u −(1 + ρ) −A0 · u
0
0
h1,1 (u)
= 0 .
·

0
1 + ρ A0 · d
0
0
−(1 + ρ) −A0 · d 
h
(u)
 2,1 
h1,1 (d)

h2,1 (d)
Der Raum der selbstfinanzierenden Handelsstrategien ist 4-dimensional.
Lemma 1. Äquivalent sind
e selbstfinanzierend,
(i) H
(ii) ∀ i ∈ T :
Vi = V0 +
i
X
0
· (Sk − Sk−1 ),
Hk−1
k=1
(iii) ∀ i ∈ T :
Bi · Vi = V0 +
i
X
0
Hk−1
· (Bk Sk − Bk−1 Sk−1 ).
k=1
39
e Siehe jedoch Bemerkung 3.
Hängt ab von R.
46
Beweis. Für n = 1 gelten (i), (ii) undP
(iii). Nun n ≥ 2.
(i) ⇔ (ii)“ Offenbar: Vi = V0 + ik=1 (Vk − Vk−1 ). Für k ∈ {2, . . . , n}
”
gilt
0
δk−1 = 0
⇔
Vk − Vk−1 = Hk−1
· (Sk − Sk−1 ).
Für k = 1 gilt V1 − V0 = H00 · (S1 − S0 ).
(i) ⇔ (iii)“ Analog.
”
Es gibt verschiedene Definitionen der Arbitrage in n-Perioden-Modellen,
die sich als äquivalent erweisen.
Definition 8. Ein-Perioden-Arbitrage in i ∈ T \ {0}: Zufallsvektor Xi−1 :
Ω → Rg mit
(i) Xi−1 ist Ai−1 -meßbar,
0 ·S
(ii) Xi−1
i−1 ≤ 0
∧
0 ·S ≥ 0
Xi−1
i
∧
0 ·S > X 0 ·S
P ({Xi−1
i
i−1 i−1 }) > 0.
e mit
Handelsarbitrage: Handelsstrategie H
e H)
e ≥0
δ(
∧
∃i∈T:
e > 0}) > 0.
P ({δi (H)
Modell heißt arbitragefrei, falls keine Handelsarbitrage existiert.
Satz 1. Existenz einer Ein-Perioden-Arbitrage ist äquivalent zur Existenz
einer Handelsarbitrage.
Beweis. Sei Xi−1 Ein-Perioden-Arbitrage. Dann wird durch
H0 = · · · = Hi−2 = Hi = · · · = Hn−1 = 0,
Hi−1 = Xi−1
eine Handelsarbitrage definiert.
e Handelsarbitrage.
Umkehrung: induktiv. Klar für n = 1. Sei n ≥ 2 und H
0
Betrachte Vn−1 = Hn−2 · Sn−1 .
1. Fall
P ({Vn−1 < 0}) > 0.
Dann definiert
Xn−1 = Hn−1 · 1{Vn−1 <0}
eine Ein-Perioden-Arbitrage.
2. Fall
Vn−1 ≥ 0
∧
P ({Vn−1 > 0}) > 0.
Dann ist
(H0 , . . . , Hn−2 ) Handelarbitrage im zugehörigen (n − 1)-Perioden-Modell,
(9)
so daß eine Ein-Perioden-Arbitrage mit i ≤ n − 1 existiert.
47
3. Fall
Vn−1 = 0.
Also
0
0
Hn−1
· Sn−1 ≤ Hn−2
· Sn−1 = 0
0
Hn−1
· Sn ≥ 0.
∧
Gilt jeweils =“, so folgt (9). Andernfalls definiert
”
Xn−1 = Hn−1
eine Ein-Perioden-Arbitrage.
Bemerkung 3. In einem arbitragefreien Modell ist der Diskontierungsprozeß eindeutig bestimmt. "Ubung.
Beispiel 6. Cox-Ross-Rubinstein-Modell. Parameter
n ∈ N,
ρ > 0,
p ∈ ]0, 1[ ,
0 < d < u,
A0 > 0.
Gegeben Y1 , . . . , Yn iid. mit P ({Yi = u}) = p = 1 − P ({Yi = d}). Definiere
Ai = A0 ·
i
Y
Yk ,
i ∈ T,
(1 + ρ)i
,
Ai
i ∈ T.
k=1
und
Si =
Betrachte die kanonische Filtration. Setze
Ni = #{k ∈ {1, . . . , i} : Yk = u}
für i ∈ T \ {0}. Dann
Ai = A0 · uNi · di−Ni = Ai−1 · Yi .
Also: ein System von Ein-Perioden-Modellen“. Klar: Ni ist B(i, p)-verteilt.
”
(i) Ein geeigneter Grenzübergang (n → ∞ bei Zeitschritten der Länge
T /n) liefert das berühmte Black-Scholes Modell mit kontinuierlicher
Zeit [0, T ].
(ii) Durch Diskretisierung kontinuierlicher Modelle in Zeit und Zustand
erhält man Baum-Modelle“. Diese bilden die Grundlage für eine Klas”
se von numerischen Verfahren. Das Cox-Ross-Rubinstein Modell ist
das einfachste binäre-Baum Modell“.
”
(iii) Die Annahme, daß Ai /Ai−1 , i = 1, . . . , n, iid. und zweipunkt-verteilt,
ist sehr restriktiv.
48
Satz 2.
Cox-Ross-Rubinstein Modell arbitragefrei
⇔
d < 1 + ρ < u.
Beweis. Folgt mit Satz 1 und Beispiel 2.2.
Beispiel 7. Zwei sich synchron bewegende Aktien. Parameter
n ∈ N,
p ∈ ]0, 1[ ,
0 < d j < uj ,
Aj > 0
für j = 1, 2. Gegeben Y1 , . . . , Yn iid. mit P ({Yi = 1}) = p = 1−P ({Yi = 0}).
Definiere
Ni = #{k ∈ {1, . . . , i} : Yk = 1}
und
i−Ni
i
Sj,i = Sj,0 · uN
j · dj
für i ∈ T \ {0} sowie Sj,0 = Aj . Betrachte die kanonische Filtration.
Satz 1 und "Ubung 1H1 zeigen:
(u1 > u2 ∧ d1 < d2 ) ∨ (u2 > u1 ∧ d2 < d1 )
ist äquivalent zur Existenz einer risikofreien Anlagestrategie und Arbitragefreiheit des Modells. Man erhält dann den Diskontierungsprozeß
d2 − u2 + u1 − d1 i
Bi =
,
i ∈ T.
u1 d2 − u2 d1
Siehe auch Irle (1998, p. 64).
4.2
Bewertung von absicherbaren Claims
Definition 9. Claim: adaptierter reellwertiger40 Prozeß
e = (Ci )i∈T\{0} .
C
Interpretation: Inhaber des Claim erhält Auszahlungen Ci zu Zeitpunkten i ∈ T \ {0}.
Beispiel 8. Oft41
i ∈ T \ {0, n}.
Ci = 0,
(10)
Speziell: Europäischer Call bzw. Put auf j-tes Finanzgut mit Basispreis K
und Verfallstermin n
Cn = (Sj,n − K)+
bzw.
sowie (10).
40
41
e ≥ 0.
In der Regel C
Es genügt, solche Claims zu betrachten.
49
Cn = (K − Sj,n )+
Beispiel 9. Barriere-Option. Beispiel einer exotischen Option. 4 Grundtypen: Auszahlung f (Sj,n ) zur Zeit n, falls Preis des j-ten Finanzgutes bis zur
Fälligkeit n eine Schranke L ∈ R
nicht überschritten
überschritten
nicht unterschritten
unterschritten
up-and-out
up-and-in
down-and-out
down-and-in
Andernfalls, Auszahlung 0.
Etwa für up-and-out Option mit L ≥ Sj,0 und f : R → R meßbar
Cn = f (Sj,n ) · 1In
mit
In = {max Sj,i ≤ L}.
i∈T
Die Wahl f (u) = (u−K)+ definiert einen up-and-out Call. Oft (10), manchmal jedoch als Trostpflaster
Ci (ω) > 0
⇔
i = τ (ω)
mit
τ = inf{i ∈ T : Sj,i > L}.
Barriere-Optionen sind pfadabhängig, d.h. die Auszahlungen Ci sind i.a.
nicht σ(Sj,i )-meßbar.
Beispiel 10. Eine digitale oder binäre Option: Bottom-Up-Option. Hier gilt
(10) sowie
n
X
Cn =
1{Sj,i ≥L}
i=1
mit Bottom-Up-Level L > 0.
e Handelsstrategie
Definition 10. Hedge (replicating portfolio) für Claim C:
e
H mit
e
∀ i ∈ T \ {0} : Ci = δi (H).
e existiert. Modell vollständig, falls jeder
Claim absicherbar, falls Hedge für C
Claim absicherbar.
e finanzieren die Auszahlungen von
Interpretation: Entnahmen gemäß H
e
C. Schließlich
e
Cn = Vn (H).
Beachte: jeder Hedge für europäische Option oder allgemeiner für Claim mit
(10) ist selbstfinanzierend.
e und Claim C
e A)
e mit
Gegeben: arbitragefreies n-Perioden-Modell (S,
e
Hedge H.
e mit dem Prinzip der Arbitragefreiheit.
Bewertung von C
50
e zur Zeit i ∈ T \ {n}
Definition 11. Fairer Preis von C
e i) = H 0 · Si .
s(C,
i
e = s(C,
e 0) fairer Preis42 von C.
e
Kurz: s(C)
Bemerkung 4. Jede andere Definition führt zu Arbitragemöglichkeit. Hier
die Idee im Falle i = 0; später formal.
Gelte
e > H00 · S0 .
s(C)
Dann: Verkauf des Claim, Kauf von H0 zur Zeit t = 0, risikofreie Anlage der
e
Differenz, Durchführung des Hedge H,
C1
=
..
.
H00 · S1
H10 · S1
−
=
..
.
e
V1 (H)
H10 · S1
−
0
0
e − H 0 · Sn−1
Cn−1 = Hn−2
· Sn−1 − Hn−1
· Sn−1 = Vn−1 (H)
n−1
Cn
=
0
Hn−1
· Sn
Hn0 · Sn
−
=
e
Vn (H).
Gelte
e < H 0 · S0 .
s(C)
0
Dann: Kauf des Claim, Verkauf von H0 zur Zeit t = 0, risikofreie Anlage
e Letzteres ist möglich aufgrund der
der Differenz, Durchführung von −H.
Auszahlung des Claims,
−H00 · S0
−H10 · S1
=
..
.
e
δ1 (H)
−
H00 · S1
=
..
.
e
δ1 (H)
+
e
V1 (−H)
0
e + Vn−1 (−H)
e
e − H 0 · Sn−1 = δn−1 (H)
−Hn−1
· Sn−1 = δn−1 (H)
n−2
0
=
e
δn (H)
−
0
Hn−1
· Sn
=
e
δn (H)
e
+ Vn (−H).
Bemerkung 5. Der fairen Preis hängt nicht vom gewählten Hedge ab. Siehe
Bemerkung 4 und die folgende formale Behandlung. Siehe auch "Ubung 5H1
im Falle (10).
e
e A).
Zur Formalisierung43 : Erweiterung des n-Perioden-Modells (S,
e = (Di )i∈T\{0} adaptierter Rg -wertiger
Definition 12. Dividendenprozeß : D
Prozeß.
Interpretation: Sj,i Preis von Finanzgut j zur Zeit i nach Zahlung der
Dividende Dj,i , Preis ex Dividende.
e unverändert.
Definition von Handelsstrategien H
42
Für i = 0: die Anfangsinvestition eines Hedges. Für i > 0: ersetze i, . . . , n durch
0, . . . , n − i.
43
Ebenso zur wirklichkeitsnäheren Modellierung etwa von Aktien.
51
e
Definition 13. Entnahmeprozeß (zur Handelsstrategie H)
0
δi = Hi−1
· (Si + Di ) − Hi0 · Si ,
i ∈ T.
e = (Ri )i∈T\{n} Rg -wertig und adaptiert, so daß
Risikofreie Anlagestrategie: R
Ri0 · Si > 0
∧
Ri0 · (Si+1 + Di+1 ) = 1.
Fortan vorausgesetzt: Existenz einer risikofreien Anlagestrategie in
e
e
e A).
(S, D,
Definition von Handelsarbitrage und damit von Arbitragefreiheit sowie
Definition von Hedge mit obigem Entnahmeprozeß.
e als neues Finanzgut mit Dividendenprozeß C,
e dessen
Jetzt: Claim C
Preis ex. Div. zur Zeit i = n gleich 0 ist.
e
e D,
e A)
Gegeben: Arbitragefreies n-Perioden-Modell mit Dividendenprozeß (S,
e mit Hedge H.
e
und absicherbarer Claim C
e
e
e
Definiere erweitertes Modell (S, D, A) mit g + 1 Finanzgütern: Preisprozeß
ai
Si =
, i ∈ T,
wobei an = 0,
Si
und Dividendenprozeß
Di =
Ci
,
Di
e arbitragefrei
e D,
e A)
(S,
⇔
i ∈ T \ {0}.
Satz 3.
∀ i ∈ T \ {n} :
ai = Hi0 · Si .
Beweis. ⇒“ Annahme
”
∃ i ∈ T \ {n} :
P ({ai 6= Hi0 · Si }) > 0.
Wähle m ∈ T \ {n} maximal mit dieser Eigenschaft. Gelte
0
P ({am < Hm
· Sm }) > 0.
{z
}
|
=A
Nach Voraussetzung existiert ein Am -meßbarer Zufallsvektor
0
Xm =
Xm
mit
X 0m · S m = 1
∧
X 0m · (Dm+1 + S m+1 ) > 0.
Definiere Handelsstrategie im erweiterten Modell durch
K 0 = · · · = K m−1 = K m+1 = · · · = K n−1 = 0
52
(11)
sowie
Km
1
0
0
= 1A ·
−
+ (Hm · Sm − am ) · X m .
0
Hm
Vgl. Bemerkung 4. Klar
∀ i ∈ T \ {m, m + 1} :
δi (K) = 0.
Weiter
0
0
· Sm + (Hm
· Sm − am ) · X 0m · S m · 1A = 0
δm (K) = −K 0m · S m = − am − Hm
| {z }
=1
sowie
δm+1 (K) = K 0m · (Dm+1 + S m+1 )
0
= Cm+1 + am+1 − Hm
· (Dm+1 + Sm+1 )
0
+ (Hm
· Sm − am ) · X 0m · (Dm+1 + S m+1 ) · 1A
e erfüllt nach Wahl von m bzw. Definition von Hn
Der Hedge H
0
0
0
Cm+1 = Hm
· (Dm+1 + Sm+1 ) − Hm+1
Sm+1 = Hm
· (Dm+1 + Sm+1 ) − am+1 .
Man erhält hiermit
0
δm+1 (K) = (Hm
· Sm − am ) · X 0m · (Dm+1 + S m+1 ) ·1A .
|
{z
} |
{z
}
>0 auf A
>0
Somit δ(K) ≥ 0 und P ({δm+1 (K) > 0}) > 0. Also existiert eine Arbitrage
im erweiterten Modell. Gilt
P ({am > Hi0 · Si }) > 0
statt (11), so schließt man analog. Vgl. Bemerkung 4.
⇐“ Gelte
”
∀ i ∈ T \ {n} : ai = Hi0 · Si .
e Handelsstrategie im erweiterten Modell. Dann
Sei K
K0,i
Ki =
,
Gi
e Handelsstrategie im Ausgangsmodell. Es gilt
wobei G
δi (K) = K 0i−1 · (S i + Di ) − K 0i · S i
= K0,i−1 · (ai + Ci ) + G0i−1 · (Si + Di ) − K0,i · ai − G0i · Si
= (K0,i−1 · Hi−1 + Gi−1 )0 · (Si + Di ) − (K0,i · Hi + Gi )0 · Si .
e Handelsarbitrage im erweiterten Modell, so ist (K0,i · Hi +
Fazit: Falls K
Gi )i∈T\{n} Handelsarbitrage im ursprünglichen Modell.
53
e ein Claim mit (10). Ein Hedge H
e für C
e ist charakBemerkung 6. Sei C
terisiert durch
e adaptiert,
(i) H
e selbstfinanzierend, d.h. δi (H)
e = 0 für i ∈ T \ {0, n},
(ii) H
e
(iii) Cn = Vn (H).
Für jeden solchen Hedge gilt
∀ i ∈ T \ {n} :
e i) = Vi (H).
e
s(C,
e und Ve (·) genügt dies für vollständige
Aufgrund der Linearität von δ(·)
Modelle.
4.3
Das äquivalente Martingalmaß
e = (X
e1 , . . . , X
eg )0 auf (Ω, A, P ) heißt MartinKurz: Rg -wertiger Prozeß X
ej Martingale (bzgl. der
gal, genauer P -Martingal, falls alle Komponenten X
e komponentenweise
gegebenen Filtration) sind. Bedingte Erwartung von X
definiert.
e auf (Ω, A, P ) mit Diskontierungsproe A)
Gegeben: n-Perioden-Modell (S,
e
zeß B.
Rückblick: Betrachte ein Ein-Perioden-Modell, siehe Bemerkung 1. Ein
Maß Q auf (Ω, A) ist genau dann risikoneutral, wenn der diskontierte Preisproe also ein Q-Martingal, ist. Ein
e · Se ein Martingal auf (Ω, A, Q) bzgl. A,
zeß B
zu P äquivalentes risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß Q existiert genau
dann, wenn das Modell arbitragefrei ist. Der faire Preis eines absicherbaren
e ergibt sich ggf. als
Claims C
s(C) = EQ (B1 · C).
Definition 14. Äquivalentes Martingalmaß (äquiv. risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß): Wahrscheinlichkeitsmaß Q auf (Ω, A) mit
(i) Q ∼ P ,
(ii) (Bi · Si )i∈T ist Q-Martingal44 .
Satz 4 (Fundamentalsatz der Preistheorie). Äquivalent sind
e arbitragefrei,
e A)
(i) (S,
(ii) es existiert ein äquivalentes Martingalmaß.
44
e
Siehe Bemerkung 3 und Satz 4 zur Abhängigkeit von B.
54
Beweis der Implikation (ii) ⇒ (i)“. Sei i ∈ T \ {0} und Xi−1 Rg -wertig,
”
Ai−1 -meßbar mit
0
0
P ({Xi−1
· Si−1 ≤ 0} ∩ {Xi−1
· Si ≥ 0}) = 1.
e > 0 und Q ∼ P , folgt
Da B
0
Q({Xi−1
· (Bi · Si − Bi−1 · Si−1 ) ≥ 0}) = 1.
Weiter
0
0
EQ (Xi−1
· (Bi · Si − Bi−1 · Si−1 )) = EQ (EQ (Xi−1
· (Bi · Si − Bi−1 · Si−1 ) | Ai−1 ))
0
= EQ (Xi−1
· EQ (Bi · Si − Bi−1 · Si−1 | Ai−1 ))
= 0.
Dies zeigt, daß Q-f.s. und damit P -f.s. gilt
0
0
Xi−1
· Si−1 = Xi−1
· Si = 0.
Also existiert keine Ein-Perioden-Arbitrage.
Der Beweis der Implikation (i) ⇒ (ii)“ ist viel aufwendiger, vgl. 1”
Perioden-Modell. Verwendet werden Ergebnisse der Funktionalanalysis (Satz
von Hahn-Banach) und Maßtheorie (meßbare Auswahl). Siehe Irle (1998,
Kap. 5).
Wir betrachten hier nur den Fall endlicher n-Perioden-Modelle und setzen zur Vereinfachung
S1,i = (1 + ρ)i ,
i ∈ T,
mit festem Zinssatz ρ > 0 voraus.
Beweis der Implikation (i) ⇒ (ii)“ in obigem Spezialfall. Für i ∈ T sei Pi
”
die zu Ai gehörige (endliche) Partition von Ω, siehe "Ubung 2G2. Insbesondere
P0 = {Ω},
Pn = {{ω} : ω ∈ Ω}.
Es gilt
∀ i ∈ T ∀ F ∈ Pi :
P (F ) > 0.
Die Ai -Meßbarkeit von Si besagt
∀ i ∈ T ∀ F ∈ Pi ∃ zi,F ∈ Rg :
Si |F = zi,F .
(12)
Wir zerlegen das n-Perioden-Modell in die 1-Perioden-Modelle
(Ω, Ai+1 , P (· | F )),
(zi,F , Si+1 ),
55
i ∈ T \ {n},
F ∈ Pi .
Satz 1 sichert die Arbitragefreiheit dieser Modelle. Nach Satz 2.2 existieren Wahrscheinlichkeitsmaße Qi,F auf (Ω, Ai+1 ) mit
EQi,F (Si+1 ) = (1 + ρ) · zi,F
(13)
Qi,F ∼ P (· | F ).
(14)
und
Letzteres besagt für G ∈ Pi+1
F ⊃ G ⇒ Qi,F (G) > 0
∧
F ∩ G = ∅ ⇒ Qi,F (G) = 0.
Für jedes ω ∈ Ω existieren eindeutig bestimmte Mengen Fiω ∈ Pi mit
ω
Ω = F0ω ⊃ F1ω ⊃ · · · ⊃ Fn−1
⊃ Fnω = {ω}.
Definiere
Q({ω}) =
n−1
Y
ω
Qi,Fiω (Fi+1
)
i=0
sowie
Q(F ) =
X
Q({ω}).
ω∈F
Wir zeigen
(i) Q ist Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, A) mit Q ∼ P ,
(ii) für F ∈ Pi und G ∈ Pi+1 mit F ⊃ G gilt45
Q(G) = Q(F ) · Qi,F (G),
(iii)
EQ (Si+1 | Ai ) = (1 + ρ) · Si .
Fortan stets Fk ∈ Pk .
ad (i): Mit (14) folgt für alle Fk und k ∈ T \ {n}
X
Qk,Fk (Fk+1 ) = Qk,Fk (Fk ) = 1.
Fk ⊃Fk+1
Man erhält für festes i und Fi
X
Fi ⊃Fi+1
···
X
n−1
Y
X
Qk,Fk (Fk+1 ) =
Fn−1 ⊃Fn k=i
Fi ⊃Fi+1
···
X
n−2
Y
Qk,Fk (Fk+1 ) = 1.
Fn−2 ⊃Fn−1 k=i
(15)
45
Übergangswahrscheinlichkeiten Qi,F .
56
Dies zeigt für i = 0 und F0 = Ω, daß
X
Q(Ω) =
Q({ω}) = 1 .
ω∈Ω
Mit (14) folgt Q({ω}) > 0 für alle ω ∈ Ω, so daß insbesondere Q ∼ P .
ad (ii): Für F0 ⊃ F1 ⊃ · · · ⊃ Fi+1 zeigt (15)
Q(Fi+1 ) =
i
Y
Qk,Fk (Fk+1 )·
X
···
Fi+1 ⊃Fi+2
k=0
n−1
Y
X
Qk,Fk (Fk+1 ) =
Fn−1 ⊃Fn k=i+1
i
Y
Qk,Fk (Fk+1 )
k=0
und analog
Q(Fi ) =
i−1
Y
Qk,Fk (Fk+1 ).
k=0
ad (iii): Zu zeigen ist
Z
∀ Fi :
Z
(1 + ρ) ·
Si dQ =
Fi
Si+1 dQ.
Fi
Gemäß (12) gilt
Z
Si dQ = zi,Fi · Q(Fi ).
Fi
Ferner sichern (12), (13), (14) und (ii)
Z
X
zi+1,Fi+1 · Q(Fi+1 ) = Q(Fi ) ·
Si+1 dQ =
Fi
X
zi+1,Fi+1 Qi,Fi (Fi+1 )
Fi ⊃Fi+1
Fi ⊃Fi+1
= Q(Fi ) · EQi,Fi (Si+1 ) = Q(Fi ) · (1 + ρ) · zi,Fi .
Bemerkung 7. Für endliche Modelle zeigt obiger Beweis zusammen mit
Bemerkung 2.4, wie man prinzipiell ein äquivalentes Martingalmaß findet.
Für alle Blöcke der Partitionen P0 , . . . , Pn−1 ist ein lineares Ungleichungssystem zu lösen.
Beispiel 11. Ein46 äquivalentes Martingalmaß im Cox-Ross-RubinsteinModell: Die Existenz eines solchen Maßes ist nach den Sätzen 2 und 4 äquivalent zu d < 1 + ρ < u. Betrachte
Ω = {u, d}n ,
A = P (Ω).
Setze
N (ω) = #{i ∈ {1, . . . , n} : ωi = u},
46
P ({ω}) = pN (ω) · (1 − p)n−N (ω)
Eindeutigkeit folgt aus Satz 6 und Bemerkung 8 bzw. Satz 7.
57
sowie
Yi (ω) = ωi
e Für i ∈ T \ {n} sei F ein
für ω ∈ Ω. Betrachte die kanonische Filtration A.
Block der Partition Pi zu Ai , d.h.
F = {σ} × {u, d}n−i
für σ ∈ {u, d}i , und es sei G ein Block der Partition Pi+1 zu Ai+1 , d.h.
G = {τ } × {u, d}n−i−1
für τ ∈ {u, d}i+1 . Dann47


falls τ = (σ, u),
p,
P (G | F ) = 1 − p, falls τ = (σ, d),


0,
sonst.
Beispiel 2.5 liefert


q,
Qi,F (G) = 1 − q,


0,
wobei
q=
falls τ = (σ, u),
falls τ = (σ, d),
sonst,
1+ρ−d
∈ ]0, 1[ .
u−d
Man erhält
Q({ω}) = q N (ω) · (1 − q)n−N (ω) .
Die nichttriviale Komponente in (13) lautet
EQi,F (Ai+1 ) = A0 · σ1 · · · σi · EQi,F (Yi+1 )
= A0 · σ1 · · · σi · (u · q + d · (1 − q)) .
|
{z
}
=1+ρ
Jetzt: fairer Preis eines absicherbaren Claims als Erwartungswert bzgl.
des äquivalenten Martingalmaßes ohne explizite Bestimmung des Hedge.
Definition 15. Sei Q Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, A). Handelsstrategie
e heißt Q-integrierbar, falls
H
∀ i ∈ T\{0} :
0
EQ (|Hi−1
·Bi−1 ·Si−1 |) < ∞
∧
0
EQ (|Hi−1
·Bi ·Si |) < ∞.
Im folgenden: Q äquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß, d.h. wir setzen
e voraus.
e A)
die Arbitragefreiheit von (S,
47
Dies ist irrelevant; es genügt ∀ ω ∈ Ω : P ({ω}) > 0.
58
e gilt48
Lemma 2. Für jede Q-integrierbare Handelsstrategie H
Bi · Hi0 · Si = EQ
n
X
e | Ai ,
Bk · δk (H)
i ∈ T \ {n}.
k=i+1
Beweis. Offenbar
e | Ai ) = EQ (Bk · H 0 · Sk | Ai ) − EQ (Bk · H 0 · Sk | Ai ).
EQ (Bk · δk (H)
k−1
k
Für i < k
0
0
EQ (Bk · Hk−1
· Sk | Ai ) = EQ (EQ (Bk · Hk−1
· Sk | Ak−1 ) | Ai )
0
= EQ (Hk−1
· Bk−1 · Sk−1 | Ai ).
Somit
EQ
n
X
k=i+1
e | Ai = EQ (Hi0 · Bi · Si | Ai ) − EQ ( Hn0 ·Bn · Sn | Ak )
Bk · δk (H)
|{z}
=0
=
Hi0
· Bi · Si .
e absicherbarer Claim mit Q-integrierbarem Hedge H.
e Dann
Satz 5. Sei C
n
X
1
e
s(C, i) =
· EQ
Bk · Ck | Ai ,
Bi
i ∈ T \ {n}.
k=i+1
Speziell für i = 0 und A0 = {∅, Ω}
e = EQ
s(C)
n
X
Bk · Ck .
k=1
Beweis. Für i ∈ T \ {n} zeigt Lemma 2
e i) = Hi0 · Si =
s(C,
n
X
1
e | Ai .
· EQ
Bk · δk (H)
| {z }
Bi
k=i+1
=Ck
Nun: Eindeutigkeit des äquivalenten Martingalmaßes und Vollständigkeit des Modells. Literatur: Bingham, Kiesel (1998, Chapter 4.3), Elliott,
Kopp (1999, Chap. 4).
48
Beachte: der bedingte Erwartungswert hängt nicht von der Wahl von Q ab.
59
Lemma 3. Modell genau dann vollständig, wenn jeder Claim
e = (0, . . . , 0, Ci , 0, . . . 0)
C
mit Ci ≥ 0
(16)
absicherbar ist.
Beweis. ⇒“ klar. ⇐“ Beachte: Entnahmeprozeß hängt linear von Han”
”
delsstrategie ab. Zerlege Ci = Ci+ − Ci− .
e selbstfinanzierend. Dann gilt
Lemma 4. Sei H
e · Ve (H)
e ist Q-Martingal.
B
Beweis. Sei i ∈ T \ {n}. Dann
Bi+1 · Vi+1 = Bi · Vi + Hi0 · (Bi+1 · Si+1 − Bi · Si ),
wobei für i > 0 die Selbstfinanzierung verwendet wird. Somit
EQ (Bi+1 · Vi+1 | Ai ) = Bi · Vi + Hi0 · EQ (Bi+1 · Si+1 − Bi · Si | Ai ) = Bi · Vi .
e Hedge für Claim der Form (16). Dann49
Lemma 5. Sei H
e ≥ 0.
Ve (H)
Beweis. "Ubung 5H1 sichert im Falle i < n
0
Hi0 · Si = Hi0 · Si+1 = · · · = Hn−1
· Sn = 0.
Also gilt
0
· Si = Ci ≥ 0.
Hi−1
e > 0. Für k < i zeigt Lemma 4
Beachte, daß B
Bk · Vk = EQ (Bi · Vi | Ak ) = EQ (Bi · Ci | Ak ) ≥ 0.
Satz 6. Für jedes arbitragefreie endliche n-Perioden-Modell gilt
Modell vollständig
⇔
äquivalentes Martingalmaß eindeutig bestimmt.
e = (0, . . . , 1/Bn · 1A ) mit A ∈ A. Satz 5
Beweis. ⇒“ Betrachte Claim C
”
zeigt
e = EQ (1A ) = Q(A).
s(C)
“⇐“ Siehe Bingham, Kiesel (1998, p. 97–99). Satz 2.5 behandelt den Fall
n = 1.
49
Zur Beruhigung des Stillhalters.
60
Bemerkung 8. Betrachte ein endliches arbitragefreies Modell. Sei Pi die
Partition zu Ai . Für i ∈ T \ {n} und F ∈ Pi heißt
Ki (F ) = #{G ∈ Pi+1 : F ⊃ G}
Verzweigungsindex (splitting index). Modell heißt redundant, falls
∃ i ∈ T \ {n} ∃ F ∈ Pi ∃ c ∈ Rg \ {0} :
P ({c0 · Si+1 = 0} | F ) = 1.
Beispiel: Das Cox-Ross-Rubinstein-Modell ist nichtredundant, und es gilt
Ki (F ) = 2.
Für nichtredundante Modelle mit g Finanzgütern gilt
Modell vollständig
⇔
∀ i ∈ T \ {n} ∀ F ∈ Pi :
Ki (F ) = g,
siehe Bingham, Kiesel (1998, p. 99).
Bemerkung 9. Für Modelle mit konstantem Verzweigungsindex d ≥ 2
führt die Berechnung eines äquivalenten Martingalmaßes gemäß Bemerkung
7 im ungünstigsten Fall auf
1 + d + · · · + dn−1 =
dn − 1
d−1
Ungleichungssysteme mit jeweils d Unbekannten. Beim Cox-Ross-RubinsteinModell ist aufgrund der Homogenität in Zeit und Zustand nur ein solches
System zu lösen.
4.4
Bewertung im Cox-Ross-Rubinstein-Modell
Betrachte das Cox-Ross-Rubinstein-Modell aus Beispiel 11 mit n Perioden.
Siehe Beispiele 4 und 5 zur Gestalt von (selbstfinanzierenden) Handelsstrategien. Gelte d < 1 + ρ < u, setze q = (1 + ρ − d)/(u − d).
Beispiel 12. Wir untersuchen die Vollständigkeit des Modells im Falle
n = 2. Bekannt: Vollständigkeit im Falle n = 1, siehe Beispiel 2.3. Es vere = (0, C2 ) zu betrachten. Ein Hedge zugehöriger Hedge
bleibt, Claims C
e = (h0 , h1 ◦ Y1 ) ist charakterisiert durch
H
(h1 ◦ Y1 )0 · S2 = C2 ,
h00
(17)
0
· S1 = (h1 ◦ Y1 ) · S1 .
Mit h1 = (h1,1 , h2,1 )0 lautet (17)
h1,1 (u) · (1 + ρ)2 + h2,1 (u) · A0 · u2 = C2 (u, u),
h1,1 (u) · (1 + ρ)2 + h2,1 (u) · A0 · ud = C2 (u, d),
h1,1 (d) · (1 + ρ)2 + h2,1 (d) · A0 · du = C2 (d, u),
h1,1 (d) · (1 + ρ)2 + h2,1 (d) · A0 · d2 = C2 (d, d).
61
(18)
Die eindeutigen Lösungen beider Teilsysteme sind
u · C2 (u, d) − d · C2 (u, u)
1
·
,
1+ρ
(1 + ρ) · (u − d)
C2 (u, u) − C2 (u, d)
1
·
,
h2,1 (u) =
A0 · u
u−d
h1,1 (u) =
1
u · C(d, d) − d · C(d, u)
·
,
1+ρ
(1 + ρ) · (u − d)
1
C(d, u) − C(d, d)
h2,1 (d) =
·
,
A0 · d
u−d
h1,1 (d) =
vgl. Beispiel 2.3
Für w1 : {u, d} → R mit w1 ◦ Y1 = (h1 ◦ Y1 )0 · S1 erhält man50
1
· (q · C2 (u, u) + (1 − q) · C2 (u, d)),
1+ρ
1
w1 (d) = h1,1 (d) · (1 + ρ) + h2,1 (d) · A0 · d =
· (q · C2 (d, u) + (1 − q) · C2 (d, d)),
1+ρ
w1 (u) = h1,1 (u) · (1 + ρ) + h2,1 (u) · A0 · u =
vgl. Beispiel 2.5.
Mit h0 = (h1,0 , h2,0 )0 und der Lösung von (17) lautet51 (18)
h1,0 · (1 + ρ) + h2,0 · A0 · u = w1 (u),
h1,0 · (1 + ρ) + h2,0 · A0 · d = w1 (d).
Die eindeutige Lösung ist
u · w1 (d) − d · w1 (u)
,
(1 + ρ) · (u − d)
1 w1 (u) − w1 (d)
=
·
.
A0
u−d
h1,0 =
h2,0
Dies zeigt die Vollständigkeit des Modells.
Bemerkung 10. In der Situation von Beispiel 12 ergeben sich die fairen
e = (0, C2 ) als
Preise des Claims C
e 1) = w1 ◦ Y1
s(C,
50
Also
w1 (u) = B1 · EQ1,Fu (C2 ),
w1 (d) = B1 · EQ1,Fd (C2 )
in der Notation von Beispiel 11, wobei
Fu = {(u, u), (u, d)},
51
Fd = {(d, u), (d, d)}.
Neuer Claim in Ein-Perioden-Modell durch w1 ◦ Y1 .
62
und
e 0) =
s(C,
=
1
· (q · w1 (u) + (1 − q) · w1 (d)),
1+ρ
1
· q 2 · C2 (u, u) + q · (1 − q) · (C2 (u, d) + C2 (d, u)) + (1 − q)2 · C2 (d, d) .
2
(1 + ρ)
Satz 7. Das Cox-Ross-Rubinstein-Modell ist vollständig und das äquivalente Martingalmaß ist eindeutig bestimmt.
e = (0, . . . , 0, Ci , 0, . . . , 0). Sei σ ∈
Beweis. Zeige Absicherbarkeit für Claim C
i−1
0
{u, d} , definiere (h1,i−1 (σ), h2,i−1 (σ)) durch
h1,i−1 (σ) · (1 + ρ)i + h2,i−1 (σ) · A0 ·
h1,i−1 (σ) · (1 + ρ)i + h2,i−1 (σ) · A0 ·
i−1
Y
k=1
i−1
Y
σk · u = Ci (σ, u),
σk · d = Ci (σ, d).
k=1
Annahme: hj,` , . . . , hj,i−1 definiert für j = 1, 2 und ` ∈ {1, . . . , i − 1}. Für
σ ∈ {u, d}`−1 setzt man
w` (σ, u) = h1,` (σ, u) · (1 + ρ)` + h2,` (σ, u) · A0 ·
w` (σ, d) = h1,` (σ, d) · (1 + ρ)` + h2,` (σ, d) · A0 ·
`−1
Y
k=1
`−1
Y
σk · u,
σk · d
k=1
und berechnet (h1,`−1 (σ), h2,`−1 (σ))0 gemäß
`
h1,`−1 (σ) · (1 + ρ) + h2,`−1 (σ) · A0 ·
h1,`−1 (σ) · (1 + ρ)` + h2,`−1 (σ) · A0 ·
`−1
Y
k=1
`−1
Y
σk · u = w` (σ, u),
σk · d = w` (σ, d).
k=1
Die Determinanten dieser Gleichungssysteme sind von Null verschieden, da
A0 , σk > 0 und d < u.
Beispiel 13. Preis eines europäischen Call
e = 0, . . . , 0, (S2,n − K)+ .
C
Wir verwenden die Notation aus Beispiel 11. Die Sätze 5 und 7 zeigen
e =
s(C)
1
1
·EQ (S2,n − K)+ =
·EQ (A0 · uN · dn−N − K)+ .
n
n
(1 + ρ)
(1 + ρ)
63
Die Anzahl N der Aufwärtsbewegungen ist B(n, q)-verteilt bzgl. Q, und
hiermit folgt
n X
1
n
e =
·
· q ` · (1 − q)n−` · (A0 · u` · dn−` − K)+ .
s(C)
n
(1 + ρ)
`
`=0
Für i ∈ T \ {0, n} gilt
e i) =
s(C,
1
1
· EQ (S2,n − K)+ | Ai =
· f ◦ (Y1 , . . . , Yi ),
n−i
(1 + ρ)
(1 + ρ)n−i
wobei
f (σ) =
EQ ((S2,n − K)+ · 1F )
.
Q(F )
Weiter
Q(F ) = q Ni (σ) · (1 − q)i−Ni (σ)
mit
Ni (σ) = #{k ∈ {1, . . . , i} : σk = u}
sowie
X
EQ (S2,n − K)+ · 1F =
(S2,n (ω) − K)+ · Q({ω})
ω∈F
=
n−i X
`=0
n−i
· q Ni (σ)+` · (1 − q)n−Ni (σ)−` · (A0 · σ1 · · · σi · u` · dn−i−` − K)+ .
`
Fazit
e i) =
s(C,
n−i X
n−i `
1
·
·q ·(1−q)n−i−` ·(A0 ·σ1 · · · σi ·u` ·dn−i−` −K)+ .
(1 + ρ)n−i
`
`=0
Bemerkung 11. Der Algorithmus zur Bewertung von Claims und Konstruktion von Hedges im Cox-Ross-Rubinstein-Modell (siehe Beweis Satz 7)
läßt sich auf endliche n-Perioden-Modelle verallgemeinern. In einem Modell
mit konstantem Verzweigungsindex d ≥ 2 ist der Aufwand im ungünstigsten
Fall proportional zu (dn − 1)/(d − 1) und damit exponentiell52 in n.
e d.h. Ci ist σ(Si )-meßbar.
Betrachte einen pfadunabhängigen Claim C,
Dann reduziert sich der Rechenaufwand ganz erheblich. Im Cox-Ross-RubinsteinModell gilt nun hj,i (σ) = hj,i (π(σ)) für jede Permutation π, so daß der
Aufwand in diesem Fall proportional zu
1 + 2 + ··· + n =
52
n · (n + 1)
2
d = 2, n = 30: ∼ 109 Knoten; d = 2, n = 100: ∼ 1030 Knoten und damit nicht
durchführbar.
64
ist53 . Allgemein ist der Aufwand im ungünstigsten Fall proportional zu
1+
n−1
X
#{(v1 , . . . , vd ) ∈
Nd0
k=1
n−1
X
k+d−1
: v1 + . . . vd = k} = 1 +
d−1
k=1
n+d−1
=
= O(nd ).
d
Bez. für d = 2: binomial method, binomial tree.
4.5
Bewertung von Anleihen und Forwards
Wir diskutieren kurz die Bewertung von Anleihen und Forwards.
Nullkupon-Anleihe (zero bond): zum Fälligkeitszeitpunkt n Auszahlung
des festen Betrages 1. Modelliert als Claim
e = (0, . . . , 0, 1).
C
e absicherbar mit Q-integrierbarem
Falls Q ein äquivalentes Martingalmaß und C
Hedge ist,
n
X
e = EQ
s(C)
Bi · Ci | A0 = EQ (Bn | A0 ),
i=1
e den Diskontierungsprozeß bezeichnet. In der Literatur werden verwobei B
e studiert.
schiedene Modelle für B
Eine Anleihe mit Zinskupon wird im einfachsten Fall fester Verzinsung
modelliert durch
e = (c1 , . . . , cn )
C
mit ci ∈ [0, ∞[ fest. Wie oben erhält man
e =
s(C)
n
X
ci · EQ (Bi | A0 ).
i=1
Betrachte Forward auf j-tes Finanzgut mit Erfüllungszeitpunkt n und
Erfüllungspreis F . Aus Sicht der Käufers: Claim
e = (0, . . . , 0, Sj,n − F ).
C
Keine Kosten bei Vertragsabschluß zur Zeit t = 0. Also fairer Erfüllungspreis
F definiert durch
e 0) = 0,
s(C,
e absicherbar. Mit einem äquivalenten Martingalmaß Q ergibt sich bei
falls C
Existenz eines Q-integrierbaren Hedge
0 = EQ (Bn · Cn | A0 ) = Sj,0 − F · EQ (Bn | A0 ),
53
d = 2, n = 100: 50 500 Knoten.
65
d.h.
F =
Sj,0
.
EQ (Bn | A0 )
66
5
Ausblick: Das Black-Scholes-Modell
Es folgt ein kurzer Ausblick auf dieses klassische zeit-kontinuierliche Finanzmarktmodell und die Black-Scholes-Formel für den Preis eines europäischen Call.
Das Black-Scholes-Modell basiert, wie die meisten Modelle für zeit-kontinuierliche
Finanzmärkte, auf der Brownschen Bewegung. Zur Formulierung und Analyse zeit-kontinuierlicher Modelle ist die Stochastische Analysis unerläßlich.
Definition 1. Kontinuierliches Finanzmarktmodell mit Zeithorizont T > 0:
e = (At )t∈[0,T ] und dazu adaptierter Rg -wertiger Prozeß
Filtration A


S1,t


St =  ...  ,
Sg,t
t ∈ [0, T ].
Interpretation wie im n-Perioden-Modell.
5.1
Die Brownsche Bewegung
Gegeben: Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ). Im folgenden
T = [0, ∞[ .
Erinnerung: Zufallsvariable Z normalverteilt mit Erwartungswert µ ∈
R und Varianz σ 2 > 0, falls
Z
1
∀ B ∈ B(R) : P ({Z ∈ B}) = √
·
exp −(y − µ)2 /(2σ 2 ) dy.
2πσ 2 B
Bezeichnung dieser Verteilung: N (µ, σ 2 ).
Definition 2. Brownsche Bewegung (Wiener-Prozeß): reellwertiger Prozeß
f = (Wt )t∈T auf (Ω, A, P ) mit
W
(i) W0 = 0,
(ii) Wt − Ws ist N (0, t − s)-verteilt für 0 ≤ s < t,
(iii) Wt1 − Wt0 , . . . , Wtn − Wtn−1 unabhängig für 0 ≤ t0 < · · · < tn ,
f besitzt stetige Pfade.
(iv) W
Eine Skizze zur Konstruktion einer Brownschen Bewegung wird in Bemerkung 1 gegeben.
Mit As bezeichnen wir die kleinste σ-Algebra in Ω, die alle Mengen der
Form
{Ws1 ∈ B1 ∧ · · · ∧ Wsn ∈ Bn }
67
für n ∈ N, B1 , . . . , Bn ∈ B(R) und
0 ≤ s1 < · · · < sn ≤ s
(19)
enthält54 . Eine Menge A ⊂ Ω gehört genau dann zu As , wenn sie sich durch
f bis zur Zeit s beschreiben
eine meßbare Forderung“ an die Pfade von W
”
läßt.
Beispiel 1.
sup Ws ≤ a ∈ At .
0≤s≤t
e = (At )t∈T ist eine Filtration von A, und W
e adaptiert.
f ist zu A
Klar: A
Diese Filtration wird im folgenden zugrunde gelegt.
Lemma 1. Für 0 ≤ s < t sind Wt − Ws und As unabhängig.
Zum Beweis. Wir zeigen hier nur55 , daß (Ws1 , . . . , Wsn ) und Wt − Ws im
Falle (19) und t > s unabhängig sind. Setze s0 = 0 und
R(y1 , . . . , yn ) = (y1 , y1 + y2 , . . . , y1 + · · · + yn ).
Dann folgt mit (i)
(Ws1 , . . . , Wsn ) = R(Ws1 − Ws0 , . . . , Wsn − Wsn−1 ),
so daß die Behauptung aufgrund der Eigenschaft (iii) gilt.
e
f ist ein Martingal (bzgl. A).
Satz 1. W
Beweis. Für 0 ≤ s < t zeigt Lemma 1
E(Wt | As ) = E(Wt − Ws | As ) + E(Ws | As ) = E(Wt − Ws ) + Ws .
Ferner gilt E(Wt − Ws ) = 0 gemäß (ii).
Definiere56
1
Q(B, x; h) = √
·
2πh
Z
exp −(y − x)2 /(2h) dy
B
für B ∈ B(R), x ∈ R und h > 0.
Satz 2. Für h > 0 gilt
(i) Q(·, x; h) Wahrscheinlichkeitsmaß für alle x ∈ R,
54
Zur Existenz: der Durchschnitt einer beliebigen Familie von σ-Algebren ist eine σAlgebra.
55
Tatsächlich genügt dies.
56
Kurz: Q(·, x; h) = N (x, h).
68
(ii) Q(B, ·; h) meßbar für alle B ∈ B(R),
(iii) P ({Wt+h ∈ B} | At ) = Q(B, ·; h) ◦ Wt für alle B ∈ B(Rk ) und t ∈ T.
Ferner gilt für h1 , h2 > 0
(iv) Q(B, x; h1 + h2 ) =
R
R Q(B, u; h2 ) Q(du, x; h1 ).
Zum Beweis von (i)–(iii). Die Eigenschaft (i) ist klar. Die in (ii) betrachtete
Abbildung ist sogar stetig. Setze Z = Wt+h − Wt . Gemäß Lemma 1 sind Z
und At unabhängig, und Wt ist offenbar At meßbar. Hiermit läßt sich zeigen,
daß
P ({Wt+h ∈ B} | At ) = P ({Z + Wt ∈ B} | At ) = P ({Z + Wt ∈ B} | Wt )
und
P ({Z + Wt ∈ B} | Wt = x) = P ({Z ∈ B − x})
gilt. Schließlich liefert (ii) aus Definition 2
Z
1
P ({Z ∈ B − x}) = √
·
exp −y 2 /(2h) dy
2πh B−x
Z
1
=√
·
exp −(y − x)2 /(2h) dy.
2πh B
Somit gilt für fast alle ω ∈ Ω
P ({Wt+h ∈ B} | At )(ω) = Q(B, Wt (ω); h).
Satz 2 zeigt die Markov-Eigenschaft“ der Brownschen Bewegung und
”
liefert die Übergangswahrscheinlichkeit Q. Die Beziehung (iv) heißt ChapmanKolmogorov-Gleichung und behandelt den Übergang von x zur Zeit t zu B
zur Zeit t + h1 + h2 über den Zwischenzustand u zur Zeit t + h1 . Beachte,
daß
∀ x, z ∈ R ∀ h > 0 ∀ B ∈ B(R) :
Q(B, x; h) = Q(B − z, x − z; h).
Bemerkung 1. Zur Konstruktion einer Brownschen Bewegung. Seien
X1 , X 2 , . . .
iid.
auf einem geeigneten Wahrscheinlichkeitsraum und gelte
∀i∈N:
E(Xi ) = 0
∧
E(Xi2 ) = 1.
Xk ,
i ∈ N0 .
Betrachte die Partialsummen
Si =
i
X
k=1
69
(n) = (Z (n) )
Definiere eine Folge von Prozessen Zg
t∈T für n ∈ N durch
t
geeignetes Skalieren in Zeit und Zustand,
1
(n)
Zi/n = √ · Si ,
n
i ∈ N0 ,
und stückweise lineare Interpolation, d.h.
(n)
Zt
(n)
(n)
= (t · n − i) · Z(i+1)/n + (i + 1 − t · n) · Zi/n
für t ∈ [i/n, (i + 1)/n]. Zur Motivation betrachte man t = 1,
(n)
Z1
n
1 X
=√ ·
Xk ,
n
k=1
und beachte, daß der Zentrale Grenzwertsatz die Konvergenz der Verteilun(n)
gen von Z1 für n → ∞ gegen die Standard-Normalverteilung sichert.
(n) stetige Pfade und es gilt Z (n) = 0.
Offenbar besitzen alle Prozesse Zg
0
Man kann zeigen57 , daß die Folge dieser Prozesse gegen eine Brownsche
Bewegung konvergiert“ 58 . Dieses Ergebnis heißt Donskersches Invarianz”
prinzip; es ist eine funktionale Form des Zentralen Grenzwertsatzes.
Bemerkung 2. Die Pfade einer Brownschen Bewegung sind sehr irregulär.
So gilt etwa für P -fast alle ω ∈ Ω
t 7→ Wt (ω) nirgends differenzierbar.
5.2
Das Black-Scholes-Modell
Gegeben: Brownsche Bewegung (Wt )t∈[0,∞[ mit zugehöriger Filtration (At )t∈[0,∞[
auf Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ).
Definition 3. Black-Scholes-Modell mit Zeithorizont T > 0, Zinsrate ρ >
0, Drift µ ∈ R, Volatilität σ > 0, Anfangspreis A0 > 0: kontinuierliches
57
Die Eigenschaft (iii) einer Brownschen Bewegung gilt offenbar für rationale ti und eine
(n) . Entsprechendes gilt asymptotisch für die Eigenschaft (ii).
geeignete Teilfolge von Zg
58
Genauer: Topologie der gleichmäßigen Konvergenz auf Kompakta und Borelsche σAlgebra B auf C(T), dem Raum der stetigen Funktionen f : T → R. Die Verteilungen der
(n) auf (C(T), B) bilden eine schwach kompakte Menge, und der Grenzwert der
Prozesse Zg
Folge dieser Verteilungen existiert. Dieser Grenzwert µ heißt Wiener-Maß. Der auf dem
Wahrscheinlichkeitsraum (C(T), B, µ) definierte Prozeß
Wt (f ) = f (t),
ist eine Brownsche Bewegung.
70
t ∈ T, f ∈ C(T),
e = (At )t∈T , g = 2 Finanzgütern und
Finanzmarktmodell mit Filtration59 A
Preisprozeß
S1,t = exp(ρ · t),
S2,t = A0 · exp((µ − σ 2 /2) · t + σ · Wt )
für
t ∈ T = [0, T ].
Bez.: At = S2,t .
Interpretation: erstes Finanzgut ist festverzinsliche Anlage mit kontinuierlicher Verzinsung, zweites Finanzgut ist Aktie“.
”
Bemerkung 3. Der deterministische Preisprozeß der festverzinslichen Anlage wird durch die gewöhnliche Differentialgleichung
dS1,t
= ρ · S1,t
dt
beschrieben. Der Preisprozeß der Aktie ist die Lösung der stochastischen
”
Differentialgleichung“
dS2,t
dWt
= µ · S2,t + σ · S2,t ·
.
dt
dt
Diese Gleichung kann aufgrund von Bemerkung 2 nicht pfadweise als gewöhnliche Differentialgleichung verstanden werden. Allgemein beschreibt man
zeit-kontinuierliche Finanzmärkte durch Systeme stochastischer Differentialgleichungen.
Definition 4. Geometrische Brownsche Bewegung:
At = A0 · exp(a · t + σ · Wt ),
t ∈ T,
(20)
wobei A0 , σ > 0 und a ∈ R.
Bemerkung 4. Approximation des Black-Scholes-Modells durch Cox-RossRubinstein-Modelle. Gegeben sei T > 0. Für festes n ∈ N wähle man
(n)
(n)
Y1 , . . . , Ybn·T c
iid.
mit
P
(n)
Yi
= u(n)
= p(n) = 1 − P
(n)
Yi
= d(n)
,
59
f durch A
e in Konstruktion aus Abschnitt 5.1 führt auf dieselbe FilErsetzung von W
tration.
71
g
(n) = (A(n) )
wobei 0 < d(n) < u(n) und p(n) ∈ ]0, 1[. Definiere A
t∈T durch
t
(n)
Ai/n
= A0 ·
i
Y
(n)
i = 0, . . . , bn · T c,
Yk ,
k=1
(n)
(n)
sowie stückweise lineare Interpolation mit AT = Abn·T c/n . Setze
(n) a(n) = E ln Yi
(n) 1/2
σ (n) = Var ln Yi
.
,
Dann gilt für t = i/n
(n)
At
i
X
(n)
= A0 · exp
ln Yk
k=1
i
(n)
√
√ X
ln Yk − a(n)
(n)
= A0 · exp n σ (n) · 1/ n
+n
a
·
t
,
(n)
σ
|
{z
}
k=1
(n)
=Xk
(n)
(n)
(n)
(n)
und X1 , . . . , Xbn·T c sind iid. mit E(Xi ) = 0 und Var(Xi ) = 1. Im Falle
lim
n→∞
√
n σ (n) = σ
∧
lim n a(n) = a
n→∞
(21)
g
(n) gegen eine geometrische Brownsche Bekonvergieren“ 60 die Prozesse A
”
wegung (20).
Wir diskutieren zwei Situationen.
1. Gegeben seien σ > 0 und a ∈ R. Man erhält (21) mit a = n a(n) etwa
für
√ 1
(22)
u(n) = exp σ/ n ,
d(n) = (n)
u
und
a
(n)
√
p = 1/2 · 1 +
.
σ· n
2. Gegeben seien σ, ρ > 0. Interpolation der kontinuierlichen Verzinsung
i
exp(i/n · ρ) = 1 + ρ(n)
für
ρ(n) = exp(ρ/n) − 1.
(23)
Wähle u(n) und d(n) gemäß (22) sowie, für hinreichend großes n,
p(n) =
1 + ρ(n) − d(n)
.
u(n) − d(n)
60
Genauer schwache Konvergenz“, dazu Verallgemeinerung des Donskerschen Invari”
(n)
(n)
anzprinzips auf Dreiecksschemata X1 , . . . , Xn mit n ∈ N. Vgl. Bemerkung 1.
72
Motivation: äquivalentes Martingalmaß im Cox-Ross-Rubinstein-Modell. Dann
gilt (21) mit
a = ρ − σ 2 /2.
Frage: Ist in diesem Fall der diskontierte Aktienpreisprozeß
exp(−ρ · t) · At = A0 · exp(−σ 2 /2 · t + σ · Wt ),
t ∈ T,
ebenfalls ein Martingal? Eine positive Antwort liefert der folgende Satz.
Satz 3. Für jede geometrische Brownsche Bewegung (20) gilt
e Martingal
A
a = −σ 2 /2.
⇔
Beweis. Es gilt für s < t aufgrund von Lemma 1
E(exp(σ · Wt ) | As ) = E exp(σ · (Wt − Ws )) · exp(σ · Ws ) | As
= E exp(σ · (Wt − Ws )) | As · exp(σ · Ws )
= E exp(σ · (Wt − Ws )) · exp(σ · Ws ).
{z
}
|
=Z
Die Zufallsvariable Z ist lognormalverteilt, und jede solche Zufallsvariable
ist integrierbar mit
E(Z) = exp E(ln Z) + Var(ln Z)/2 .
(24)
Somit E(Z) = exp(σ 2 · (t − s)/2) und weiter
E exp(−σ 2 /2 · t + σ · Wt ) | As = exp(−σ 2 /2 · s + σ · Ws ).
5.3
Die Black-Scholes-Formel
Gegeben: Black-Scholes-Modell mit Parametern
T > 0,
ρ > 0,
A0 > 0, µ ∈ R, σ > 0,
e auf Wahrscheinf und Filtration A
basierend auf Brownscher Bewegung W
e
lichkeitsraum (Ω, A, P ). Bezeichnung des Aktienpreisprozesses mit A.
61
Wir skizzieren im folgenden , wie die Bewertung von Claims mit dem
äquivalenten Martingalmaß erfolgt.
61
Ein elementarer Weg zur Black-Scholes Formel für den europäischen Call: Betrachte
Folge von arbitragefreien Cox-Ross-Rubinstein-Modellen mit Parametern gemäß (22) und
(23). Die Folge der Preise eines Call mit Basispreis K konvergiert für n → ∞ gegen den
in Satz 5 bestimmten Preis. Siehe Bingham, Kiesel (1998, Prop. 4.6.1).
73
Gesucht ist ein zu P äquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß Q, so daß der
diskontierte Aktienpreisprozeß ein Q-Martingal ist. Es gilt für diesen Prozeß
exp(−ρ · t) · At = A0 · exp (µ − ρ − σ 2 /2) · t + σ · Wt
= A0 · exp −σ 2 /2 · t + σ · Wt
mit
Wt = Wt −
ρ−µ
· t,
σ
t ∈ T.
f die in (i), (iii) und (iv) geforderten Eigenschaften einer
Offenbar besitzt W
Brownschen Bewegung. Für 0 ≤ s < t ist Wt − Ws jedoch N (µs,t , t − s)verteilt mit
µs,t = −(ρ − µ)/σ · (t − s).
Betrachte s = 0 und t = T . Die Dichte von N (0, T ) bzgl. N (µ0,T , T ) ist
gegeben durch
ρ−µ
(ρ − µ)2
`(y) = exp
·y−
·T ,
y ∈ R,
σ
2 σ2
siehe "Ubung 2G1. Definiere deshalb
ρ−µ
(ρ − µ)2
L(ω) = exp
· WT (ω) −
·T ,
σ
2 σ2
ω ∈ Ω.
Lemma 2. Es gilt L > 0 und EP (L) = 1.
Beweis. Offenbar ist L lognormalverteilt. Wende (24) an.
Wir betrachten das zu P äquivalente Wahrscheinlichkeitsmaß Q mit P Dichte L, d.h.
dQ
L=
.
dP
f ist eine Brownsche Bewegung auf (Ω, A, Q).
Satz 4 (Girsanov). W
Beweis. Siehe Irle (1998, p. 151–152).
Korollar 1. Der diskontierte Aktienpreisprozeß ist ein Q-Martingal.
Beweis. Verwende die Sätze 3 und 4.
Im folgenden betrachten wir einen AT -meßbaren Claim C. Interpretation: Inhaber erhält einmalige Auszahlung C zur Zeit T . Gelte62
EQ (C 2 ) < ∞.
(25)
Satz ??.5 motiviert folgende Preisfestsetzung.
62
Man fordert in der Tat aus hier nicht ersichtlichen Gründen die quadratische Integrierbarkeit.
74
Definition 5. Fairer Preis von C zur Zeit t ∈ T
s(C, t) =
1
· EQ (BT · C | At ).
Bt
Bemerkung 5. Zur Berechnung von obigem Erwartungswert im Falle t = 0.
Es gilt A0 = {∅, Ω} und
C(ω) = F (A(ω)),
ω ∈ Ω,
mit einer meßbaren“ Abbildung F : C(T) → R. Somit
”
EQ (C) = EQ F (A0 · exp((ρ − σ 2 /2) · id +σ · W)) .
Schließlich, da es hier nur auf die Verteilung“ von W ankommt,
”
EQ (C) = EP F (A0 · exp((ρ − σ 2 /2) · id +σ · W )) .
Fazit: Beim Übergang von P zu Q ersetzt man die Drift µ des Aktienpreises durch die Zinsrate ρ.
Bemerkung 6. Spezialfall: pfadunabhängiger Claim
C = f ◦ AT
mit einer meßbaren Abbildung f : ]0, ∞[ → R. Dann
EQ (C) = E f (A0 · exp((ρ − σ 2 /2) · T + σ · Z))
(26)
mit einer N (0, T )-verteilten Zufallsvariable Z. Die einfache Struktur dieses
Claim impliziert: Der faire Preis ist ein Integral bzgl. einer eindimensionalen
(Log)Normalverteilung.
Spezialfall: der europäische Call, d.h.
f (x) = (x − K)+ .
Mit (24) folgt (25).
Setze
1
Φ(u) = √ ·
2π
Z
u
exp(−v 2 /2) dv
−∞
sowie
ln(x/K) + (ρ − σ 2 /2) · s
√
,
σ· s
ln(x/K) + (ρ + σ 2 /2) · s
√
h2 (x, s) =
,
σ· s
h1 (x, s) =
75
x, s ∈ ]0, ∞[ .
Satz 5 (Die Black-Scholes-Formel). Der faire Preis eines europäischen
Call mit Basispreis K und Fälligkeit T ist zur Zeit t ∈ T \ {T }
s(C, t) = At · Φ (h2 (At , T − t)) − K · exp(−ρ · (T − t)) · Φ (h1 (At , T − t)) .
Beweis. Für t = 0: Durchführung der Integration in (26), siehe Irle (1998,
p. 155). Für t ∈ ]0, T [ ersetzt man in der so erhaltenen Formel A0 durch At
und T durch die Restlaufzeit T − t. Dies ist durch die Markov-Eigenschaft
f gerechtfertigt.
von W
Bemerkung 7. Zur Absicherung des europäischen Call. Durch
H1,t = −K · exp(−ρ · T ) · Φ (h1 (At , T − t)) ,
H2,t = Φ (h2 (At , T − t)) ,
t ∈ T\{T },
wird offenbar ein adaptiert R2 -wertiger Prozeß, also eine Handelsstrategie
im Black-Scholes-Modell, definiert. Der zugehörige Werteprozeß ist
Vt = H1,t · exp(ρ · t) + H2,t · At ,
t ∈ T \ {T }.
Klar
s(C, t) = Vt ,
t ∈ T \ {T },
und man zeigt leicht63
lim Vt = C.
t→T
Der Werteprozeß erfüllt das kontinuierliche Analogon
Z t
Z t
Vt = V0 + H1,s d exp(ρ · s) +
H2,s dAs ,
{z
} | 0 {z
}
|0
Xt
t ∈ T\{T },
Yt
(27)
zu Bedingung (ii) aus Lemma ??.1, welche in n-Perioden-Modellen die Selbstfinanzierung charakterisiert. Man verwendet (27) zur Definition der Selbstfinanzierung im Black-Scholes-Modell und hat somit einen Hedge6465 für den
europäischen Call gefunden. Vgl. Bemerkung ??.6.
Das Integral Xt ist pfadweise im Lebesgue-Stieltjes Sinn erklärt,
Z t
Xt = ρ ·
H1,s · exp(ρ · s) ds.
0
63
e
Fallunterscheidung: AT > K, AT = K, AT < K und Stetigkeit der Pfade von A.
Das Absichern erfordert die kontinuierliche Änderung des Bestandes an Aktien und
festverzinslichen Wertpapieren. Vgl. "Ubung 2G1.
65
Es gilt Φ(h2 (x, s)) = ∂p/∂x p(x, s), wobei p(x, s) den Preis des Call bei aktuellem
Aktienpreis x und Restlaufzeit s bezeichnet. Also: der Aktienanteil im Hedge ist die partielle Ableitung des Preises des Claim nach dem Aktienpreis. Mehr zu diesen partiellen
Ableitung (the greeks) bei Irle (1998, p. 157–158).
64
76
e ist dies zur Definition von Yt
Aufgrund der Irregularität der Pfade von A
nicht möglich; es handelt sich hier stattdessen um ein stochastisches Inte”
gral“.
77
A
Ein Trennungssatz der konvexen Analysis
Eine Teilmenge K ⊆ Rg heißt konvex, falls für x, y ∈ K und λ ∈ [0, 1] auch
λx + (1 − λ)y ∈ K.
Wir wollen folgenden Trennungssatz beweisen:
Satz 1. Es sei K ⊆ Rg eine nichtleere konvexe Menge, und es sei S ∈
/ K.
g
Dann existiert x ∈ R \{0} und β ∈ R, sodaß für alle y ∈ K gilt:
x0 · S ≤ β ≤ x0 · y ,
und zusätzlich
x0 · S < β
oder
x0 · y > β für ein y ∈ K .
Hierzu stellen wir einige Lemmata bereit:
Lemma 1. Ist K ⊆ Rg konvex, so auch der Abschluß K.
Beweis. Seien x, y ∈ K, dann existieren xn , yn ∈ K mit xn → x, yn → y.
Folglich ist λx + (1 − λ)y = limn λxn + (1 − λ)yn ∈ K.
Lemma 2. Ist K konvex mit 0 ∈
/ K, so existieren Sn ∈
/ K mit Sn → 0.
Beweis. Die Behauptung ist äquivalent zu dem Statement, daß für alle ε > 0
gilt:
Bε := {x = (x1 , . . . , xg ) : |xi | ≤ ε∀i} 6⊆ K .
Wir nehmen das Gegenteil an und folgern, daß es ein ε > 0 gibt, sodaß
K ∩ Bε dicht in Bε liegt. Insbesondere existieren dann Punkte x(j) ∈ K,
j = (j1 , . . . jg ) ∈ {±1}g , sodaß
(j)
|xi − ε · ji | ≤ ε/2 ,
∀i = 1, . . . , g .
Hieraus folgt nun, daß Bε/s ⊆ K, im Widerspruch zur Annahme 0 ∈
/ K.
Lemma 3. Ist A 6= ∅ abgeschlossen, so existiert ein Punkt x mit |x| =
inf y∈A |y|.
Beweis. Sei R = 2 · inf y∈A |y|; dann ist AR = A ∩ {x : |x| ≤ R} nichtleer und kompakt, und daher wird das Infimum miny∈AR |y| = inf y∈A |y|
angenommen.
Beweis von Satz 1. Wir können obdA S = 0 annehmen (affine Transformation).
Fall 1: 0 ∈
/ K. Es sei x ein Punkt in K mit 0 < |x| = inf y∈K |y| (Lemma
3). Es genügt nun zu zeigen, daß
y 0 · x ≥ x0 · x > 0 ,
78
∀y ∈ K .
Die rechte Ungleichung folgt sofort aus x0 · x = |x|2 > 0, für die linke
Ungleichung sei y ∈ K beliebig und λ ∈ (0, 1) fest. Da (1 − λ)x + λy ∈ K
(s. Lemma 1), folgt
|x|2 ≤ |(1 − λ)x + λy|2
= |x − λ(x − y)|2
= |x|2 − 2λx0 · (x − y) + λ2 |x − y|2 .
Durch Umformung erhalten wir hieraus
x0 · (x − y) ≤
λ
|x − y|2
2
Wir bilden das Infimum über alle λ ∈ (0, 1) und erhalten
x0 · (x − y) ≤ 0 ,
woraus die linke Ungleichung folgt.
Fall 2: 0 ∈ K. Wir können obdA annehmen, daß K in keiner Hyperebene
des Rg enthalten ist (ansonsten verringern wir einfach die Raumdimension
durch Projektion). Nun existieren nach Lemma 2 Sn ∈
/ K mit Sn → 0. Für
diese Sn können wir nun den ersten Fall anwenden und je ein xn finden,
sodaß x0n · (y − Sn ) ≥ 0 für alle y ∈ K. Ohne Einschränkung nehmen wir
|xn | = 1 an und wählen eine konvergente Teilfolge xπ(n) → x ∈ Rg \{0}. Nun
gilt für y ∈ K, daß x0 · y = limn x0n · (y − Sn ) ≥ 0. Würde sogar x0 · y = 0
gelten für alle y ∈ K, so läge K in einer Hyperebene, Widerspruch. Folglich
muß es ein y geben mit x0 · y > 0.
79
Literatur
[BK] Bingham,N.H.; Kiesel, R.: Risk–neutral Valuation. Springer, London 1998.
[EK] Elliott, J; Kopp, P.E.: Mathematics of Financial Markets. Springer
New York, 1999.
[IL]
Irle, A.: Finanzmathematik. Teubner, Stuttgart, 1998.
[FS] Föllmer, H; Schied, A.: Stochastic Finance. de Gruyters, Berlin,
2002.
[EH] Eichberger, J.; Harper, I.R.: Financial Economics. Oxford UP,
1997/2001.
[MR] Musiela, M; Rutkowski, M.: Martingale Methods in Financial Modelling. Springer, Berlin, 1997.
80
Herunterladen