Deutsches Ärzteblatt 1992: A-1147

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DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
Postmenopausale Haut- und
Schleirnhautprobleme
Durch Östrogensubstitution vermeidbar?
J. Matthias Wenderlein
u den vielfältigen Organveränderungen nach Erlöschen der Ovarialfunktion um das 50. Lebensjahr
gehören auch Atrophieprobleme der
Haut und Funktionsminderung der
Schleimhäute in verschiedenen Körperregionen.
Die Haut als größtes Körperorgan ist nach der Menopause zunehmend von Atrophie geprägt, gezeichnet von trockener, fleckiger und
leicht verletzlicher Haut. Diese
Rückbildungsphänomene gilt es zu
stoppen durch Förderung von
Durchblutung, Proliferation, von
Mitosen und Stoffwechselvorgängen.
Das gelingt durch Östrogensubstitution, die eine zunehmende Epitheldicke erreicht und damit „jugendlicheres" Aussehen. Dieser Effekt ist
wesentlich durch folgendes anatomische Substrat erklärbar: Nach der
Menopause beträgt der Hautkollagenverlust jährlich etwa ein Prozent.
Der lineare Verlauf bedeutet für eine 75jährige Frau mit Menopause
bei 50 Jahren um rund ein Viertel
weniger Hautkollagen. Für Frauen
ist das problematischer als für Männer, da erstere ohnehin weniger
Hautkollagen besitzen und Testosteron sich positiv auf den Hautkollagengehalt auswirkt.
Der Verlust an Haut- und Knochenkollagen korrelieren hoch miteinander. Das dürfte in Zukunft
wohl dazu genutzt werden, mittels
sonographischer Hautdickemessungen das Osteoporose-Risiko abzuschätzen. Vermindertes Knochenkollagen korreliert hoch mit verminderter Knochendichte und weniger
Mineralgehalt. Die Knochenmatrix
besteht in ihrem organischen Anteil
zu fast 95 Prozent aus Kollagen.
Durch postmenopausale Ostrogensubstitution läßt sich nicht nur
der Kollagengehalt im Knochen,
sondern auch in der Haut erhöhen.
Bis zu 50 Prozent mehr Kollagen in
atrophischer Haut ist erreichbar bei
mindestens halbjährlicher Substitutionsdauer. Um den vollen TherapieEffekt auszuschöpfen, kann es bis zu
zwei Jahre dauern.
Die typischen Hautalterungsphänomene wie Hyperseborrhoe im
Gesichtsbereich, Seborrhoe an der
Kopfhaut, Verlust an Kopfbehaarung und Behaarungszunahme im
Wangen- und Lippenbereich bedeuten für viele Frauen eine subjektive
und damit eine psychosoziale Belastung. Dieser gilt es rechtzeitig durch
Östrogensubstitution zu begegnen —
analog den Osteoporoseproblemen.
Auch Schleimhäute im Urogenitalberich sind postmenopausal von
atrophischen Veränderungen zu bewahren, etwa in der Vulvovaginalregion. Sonst kann es zu einer Beeinträchtigung der Sexualität kommen
Fast ein Fünftel der postmenopausalen Frauen berichten darüber. Bereits nach halbjährlicher Östrogensubstitution werden nur noch halb so
oft Sexualprobleme angegeben in
Form von Koitusschmerzen, lästigem
Fluor und „Trockenheitsgefühl" im
Vaginalberich. Neben den lokalen
Effekten sind auch psychotrope Wirkungen der Östrogene für das positivere Erleben der Sexualität relevant,
indem typische klimakterische Ausfallserscheinungen einschließlich depressiver Verstimmungen reduziert
oder beseitigt werden.
Die schnellen therapeutischen
Effekte in der Vulvovaginal-Region
sind durch die hohe Rezeptordichte
für Steroidhormone und den erhöhten Hormonmetabolismus erklärbar.
Die Östrogenzufuhr bedeutet neben
höherer Mitoserate im Epithelbereich auch eine bessere kapilläre
Durchblutung in dieser Körperregion.
Wirkungen auf Urether
und Blase
Die urethralvesikale Region
profitiert postmenopausal von der
Ostrogensubstitution ebenfalls. Acht
von zehn Frauen mit Inkontinenz befinden sich in der Postmenopause.
Ostrogendefizite bedeuten im Urethral- und Harnblasenbereich eine
Minderung von Tonus, Durchblutung und Elastizität der Muskulatur
in der Beckenbodenregion.
Östrogensubstitution bedeutet
dort Quelleffekte durch Wassereinlagerung und eine Vergrößerung
des Gefäßdurchmessers mit besserer Durchblutung. Die urethrale
Schleimhaut wird bis zur Superfizialschicht wieder gut aufgebaut. Der
Entwicklung einer Urethritis atrophicans wird entgegengewirkt.
Die sensorische Nervenversorgung der Blasen-Urethral-Region
wird durch Ostrogensubstitution positiv beeinflußt. Damit werden postmenopausal aufgetretene Harninkontinenz-Probleme reduziert oder
beseitigt. Von den heute obligaten
zusätzlichen Gestagengaben ist ein
positiver Effekt auf die Blasenfunktion zu erwarten. Gestagene steigern
den Tonus der Sphinktermuskulatur
und senken zugleich den Detrusortonus. Das bewirkt eine höhere Blasenkapazität.
Beim erstmals nach der Menopause auftretenden Reizblasen-Phänomen ist ein Therapieversuch mit
Östrogenen sinnvoll. Damit lassen
sich atrophische Veränderungen und
chronische Entzündungen beseitigen.
Die proliferativen Effekte der Östrogene bessern den Harnblasenverschluß so deutlich, daß ein Drittel der
Frauen auf eine Inkontinenz-Operation verzichtet. Die subjektive Besserung läßt sich nicht immer urethrozystotonometrisch objektivieren.
Andere Schleimhautregionen
profitieren von der Ostrogensubstitution auch. Exemplarisch sei die
Zahnmedizin genannt. ProthesenStomatopathien sind bei postmenopausalen Frauen relativ häufig. Dies
gilt auch für paradontotische Erkrankungen. Die Rückbildungsphänomene im Mundschleimhautbereich — geprägt von Schrumpfung,
Herabsetzen der Quellfähigkeit,
Dt. Ärztebl. 89, Heft 13, 27. März 1992 (79) A1-1147
Verminderung der Mitoserate und
weniger Proteineinlagerung - bedeuten verminderte Durchblutung und
reduzierten Stoffwechsel. Östrogensubstitution führt (zu einer Dickenzunahme und Mehrdurchblutung der
Mundschleimhaut sowie Festigung
des Kollagenbindegewebes mit besserer Prothesenverträglichkeit.
Aus der Ophtalmologie ist bekannt, daß postmenopausal nicht
mehr tolerierte Kontaktlinsen nach
Östrogensubstitution und deren Proliferations-Effekten wieder vertragen werden wie vor der Menopause.
Aus dem HNO-Bereich sollen
exemplarisch die Haut im Gehörgang und die Ciliaraktivität nach der
Menopause genannt werden. Diese
wird in der Funktion reduziert. Die
Transportfähigkeit der Fimbrien im
Gehörgang ist durch Östrogensubstitution verbesserbar.
Als letztes Beispiel seien Angiodysplasien im Zoekum- und Colonascendens-Bereich angeführt. Dieses
klinische Phänomen trifft vor allem
alte Menschen. Das kann zu Blutungen und damit zum chronischen Eisenmangel führen. Bei ausgeprägten
gastrointestinalen Blutungen können
im Extremfall Darmresektionen und
Bluttransfusionen notwendig werden. Bei rechtzeitiger und längerfristiger Östrogensubstitution sind solche dramatischen Entwicklungen bei
älteren Frauen nicht zu erwarten.
Zusammenfassend sind die skizzierten Haut- und Schleimhautveränderungen nach der Menopause allein wohl selten die Indikation für eine Östrogensubstitution. Diese sollten aber bei der Beratung postmenopausaler Frauen mit bedacht werden
unter dem Aspekt bestmöglicher Lebensqualität nach der Menopause.
Chlamydia-trachomatis-Infektionen
DISKUSSION
Bewertung
serologischer Ergebnisse
Zu dem Kurzbericht von Prof. Dr. med. Wolfgang Bredt
in Heft 30/1991
Direkter Erregernachweis
als Methode der Wahl
Ich begrüße den Beitrag von
Professor Bredt zum Thema „Chlamydia-trachomatis-Infektion" sehr.
Denn wegen der Symptomarmut der
Infektion und dem bislang schwierigen Erregernachweis wird diese Infektion leider auch heute noch unterbewertet.
Chlamydia trachomatis gehört
weltweit zu den häufigsten sexuell
übertragenen Erregern. Dabei beschränken sich die Erkrankungen
nicht nur auf den Genitalbereich, wo
sie die Hauptverursacher der infektionsbedingten Sterilität bei Mann
und Frau sind, sondern können auch
zu Arthritis und, besonders beim
Neugeborenen, zur Konjunktivitis
und Pneumonie führen. Aber auch
peripartale Genitalinfektionen beim
Neugeborenen kommen vor.
Professor Bredt hat sicherlich
recht, was die wissenschaftlich-diagnostische Seite der heute zur Verfügung stehenden Serotests bei
Chlamydien betrifft. Von seiten der
Klinik stellt sich das Problem aber
etwas anders dar. Hier bedeuten serologische Tests bei Verdacht auf eine Chlamydieninfektion durchaus eine sinnvolle Ergänzung unserer diagnostischen Möglichkeiten.
Methode der Wahl zum Nachweis einer Chlamydia-trachomatisInfektion ist und bleibt der direkte
Erreger- oder Antigennachweis.
Die Serodiagnostik mit neueren
serologischen Tests wie zum Beispiel
dem Ipazym-Test, welcher Titer für
A1-1148 (80) Dt. Ärztebl. 89, Heft 13, 27. März 1992
Bei einer mittleren Lebenserwartung
der Frauen von fast 80 Jahren verbringen sie ein Drittel ihres Lebens
im Ostrogendefizit mit vielfältigen
somatischen und psychosozialen belastenden Folgen.
Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -1147-1149
[Heft 13]
Prof. Dr. med. Christian Lauritzen, Ulm, zur
Emeritierung gewidmet.
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med.
J. Matthias Wenderlein
Universitäts-Frauenklinik
Prittwitzstraße 43
W-7900 Ulm
IgG- und IgA-Antikörper liefert,
bringt trotz einer gewissen Kreuzreaktion mit Chlamydia pneumoniae
Information über die genitale Chlamydieninfektion, wie zum Beispiel:
- Intensität der Infektion,
- Dauer der Infektion,
- Infektionsausschluß,
- Hinweis auf ein Chlamydiengeschehen, wenn Antigentest
negativ,
- Infektionsnachweis beim Neugeborenen oder Kleinkind,
- Therapieerfolgskontrolle.
Obwohl Chlamydienantikörper
mit den zur Verfügung stehenden serologischen Tests häufig nachgewiesen werden, so lassen sich doch deutliche Unterschiede zwischen gesunden Normalpersonen und erkrankten Personen beziehungsweise Patienten mit chlamydienverdächtigen
klinischen Symptomen unterscheiden. Eindeutige IgG-Antikörpertiter
(> 64) gegen Chlamydien mit dem
Ipazym-Test haben wir zum Beispiel
bei 20 Prozent von gesunden Blutspendern gefunden, bei 48 Prozent
der Patientinnen aus der Poliklinik
unseres Hauses und bei 90 Prozent
der Patientinnen mit Chlamydienantigennachweis in der Zervix und bei
96 Prozent der Patientinnen mit Adnexitis und positivem Chlamydiennachweis.
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