damit wir nicht im Kuhmist ersticken

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Faktenblatt
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Biodiversität – damit wir nicht im Kuhmist ersticken
Schon nach zwei Tagen tummeln sich unzählige Maden und Larven im Fladen. Sie mampfen am saftigen Fladen, fallen über ihre Mitbewohner her oder weiden den Pilzbewuchs
auf dem Fladen. Etwa 100 Käfer- und 100
Fliegenarten findet man im Kuhfladen. Der
Gemeine Dungkäfer Aphodius fimetarius verbringt hier sein ganzes Leben. In den Fladen
eingekuschelt übersteht er sogar den Winter.
Langsam krabbelt der kleine Käfer mit den Ein Dungkäfer (Aphodius sp.) beginnt sich einzugraben.
roten Flügeldecken über den Fladen. Plötzlich stürzt sich eine Hornissen-Raubfliege Asilus
crabroniformis auf den Käfer. Ein Gesichtsbart schützt die Augen der Raubfliege vor der (noch)
zappelnden Beute. Bei anderen Fladenbewohnern ist der Käfer
wegen seiner Arbeit willkommen. Der Tunnelbauer durchlüftet
den Fladen und schafft so sprichwörtlich Luft für die Mitbewohner. Zudem sind die gegrabenen Gänge bei den kleineren
Fliegenarten als Eilegestätte begehrt. Darin deponieren die Schwingfliegen Sepsidae ihre mit
einem Atmungsrohr ausgerüsteten Eier.
Fadenwürmer Nematoda richten sich auf dem Dung auf und «winken den Käfertaxis». Festgeklammert an die Flügeldecken des Gemeinen Dungkäfers erreichen sie im Flug den nächsten
© Ralf Jochmann
Kaum liegt der dampfende Fladen da, landen die Gelben Dungfliegen Scathophaga stercoraria
auf ihm. Auf dem Kuhfladen treffen sich die Geschlechter zum Rendez-vous. Anstatt feinen
Weins, wird Kot geschlürft. Nach der Paarung
deponieren die Weibchen mit ihren zarten Legeröhren die Eier im Fladen.
Die fürsorgliche Fliege Morellia aenescens legt
ihre Eier in blasenartige Kam mern. Damit
verschafft sie dem Nachwuchs in dem stickigen Fladen Luft zum Atmen. Die Zeit des Eierversteckens ist vorbei, sobald der Fladen von
einer trockenen Kruste umgeben ist. Denn die
zarten Legeröhren können nicht in die feste Ein Dungfliegenpaar (Scathophaga stercoraria) nach
der Paarung. Das gelbe Männchen (oben) bewacht das
Kruste eindringen.
Weibchen, welches gerade ein Ei ablegt.
© Ralf Jochmann
Eine Kuh hinterlässt täglich zehn Fladen von je 2 kg Gewicht auf der Weide. Würden
diese liegen bleiben, müssten wir in Gummistiefeln durch die Weiden waten. Jährlich
würde die Fläche des Bodensees unter ekligem Kuhmist verschwinden. Doch unsere
Weiden bleiben grün. Ganz unterschiedliche Fladenbewohner wandeln die Dunghaufen in
wertvollen Humus um. Ohne diese als eklig empfundenen «Viecher» würden wir im Mist
versinken – darum ist Biodiversität wichtig.
Biodiversität – damit wir nicht im Kuhmist ersticken
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Fladen. Ein Ortswechsel kann sich für die Fadenwürmer lohnen, wenn sich im Fladen der Mikropilz Duddingtonia flagrans ausbreitet. Mit seinen klebrigen Schlingen fängt der Mikropilz die
Fadenwürmer. In seinen Netzen verfangen sich auch Magenwürmer der Kühe. So verhindert
der Mikropilz, dass diese neue Kühe infizieren können. Für uns ist das gut, denn die Magenwürmer können erhebliche Verluste in der Fleischproduktion verursachen. Der alternde Fladen
wird zusehends von verschiedenen Pilzarten besiedelt. Neue Gäste ziehen in die «Fladen-WG»
ein. Der Zwergkäfer Ptenidium pusillum weidet den Pilzrasen ab und fördert damit das Wachstum der Pilze. Letztere bauen den Fladen weiter ab. Am Ende eines «Dunglebens» wandern
zahlreiche Tiere aus der Umgebung ein. Zu ihnen gehört der Kleine Wiesenwurm Allolobophora caliginosa. Täglich verdaut er ein Prozent seines Gewichtes an Dung.
Nach etwa 40 Tagen ist der Dunghaufen verschwunden. Etwa 6´000 verschiedenste Fladenbewohner haben dazu beigetragen, dass aus dem Kuhmist wertvoller Humus wurde. Diese Tiere,
die wir meist als eklig empfinden, sind Teil unserer Biodiversität. Sie sind wichtig damit unsere
Weiden grün bleiben. Ohne funktionierende Kuhfladenfauna würde jährlich in der Schweiz
eine Fläche so gross wie der Bodensee unter Kuhfladen verschwinden. Erhalten wir die Biodiversität, damit wir nicht im Kuhmist versinken – jede Art zählt!
Mai 2010
Priska Jud
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