§2 Trigonometrische Formeln

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Mathematische Probleme, SS 2015
Montag 4.5
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§2
Trigonometrische Formeln
2.1
Die Additionstheoreme
In der letzten Sitzung hatten wir begonnen die Additionstheoreme der trigonometrischen Funktionen zu besprechen. Will man diese anhand der geometrischen Definitionen
von Sinus und Cosinus herleiten, so müssen die additiven und subtraktiven Varianten
getrennt behandelt werden und man muss einige Fälle für die möglichen Werte der
betrachteten Winkel unterscheiden. Letzteres ist notwendig da sin α und cos α ja nur
für spitze Winkel 0 < α < π/2 über Verhältnisse in rechtwinkligen Dreiecken definiert sind, die Ausdehnung auf stumpfe Winkel π/2 < α < π erfolgte dann durch
sin α = sin(π − α) und cos α = − cos(π − α). Für spitze Winkel 0 < α, β < π/2 deren
Summe ebenfalls spitz ist, also α + β < π/2 kann man beide Additionsformeln aus der
folgenden Figur ablesen
A
α
B
sin( α+β )
C
D
P
β
α
M
F
E
cos( α+β )
Wie beginnen mit einem Viertelkreis von Radius 1 mit Mittelpunkt in M . Dann tragen wir nacheinander die beiden Winkel α und β bei M ab und erhalten die beiden
Schnittpunkte A und B mit unserem Viertelkreis. Fällen wir dann das Lot von A auf
die untere Begrenzung des Viertelkreises, so erhalten wir den Punkt F und können
Sinus und Cosinus von α + β im rechtwinkligen Dreieck M F A mit Hypothenuse der
Länge 1 als
sin(α + β) = |AF | und cos(α + β) = |M F |
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Montag 4.5
ablesen. Dann fällen wir das Lot von A auf M B und erhalten den Punkt C. Dies gibt
uns ein weiteres rechtwinkliges Dreieck M CA, dessen Hypothenuse wieder die Länge
1 hat, also sind
sin β = |AC| und cos β = |M C|.
Ist P der Schnittpunkt von AF und M B, so haben die Dreiecke M F P und P CA bei P
denselben Winkel und da sie beide bei F beziehungsweise C rechtwinklig sind, müssen
auch ihre Winkel bei M beziehungsweise A übereinstimmen, d.h. der Winkel von P CA
bei A ist α. Schließlich fällen wir die Lote von C auf AF und auf M F und erhalten
die Punkte D und E. Im rechtwinkligen Dreieck DCA haben wir bei A den Winkel α,
also sind
|DC|
|AD|
sin α =
und cos α =
.
|AC|
|AC|
Schließlich entnehmen wir dem rechtwinkligen Dreieck M EC noch
sin α =
|M E|
|EC|
und cos α =
.
|M C|
|M C|
Damit haben wir alles beisammen um die beiden Additionstheoreme zu begründen, für
den Sinus rechnen wir
sin(α + β) = |AF | = |AD| + |DF | = |AD| + |EC|
= cos α · |AC| + sin α · |M C| = cos α sin β + sin α cos β
und für den Cosinus ist
cos(α + β) = |M F | = |M E| − |F E| = |M E| − |DC|
= cos α · |M C| − sin α · |AC| = cos α cos β − sin α sin β.
Um diese Formeln auch auf den Fall stumpfer Winkel auszudehnen, ist es sinnvoll erst
einmal die Formeln für die Subtraktion spitzer Winkel zu behandeln. Wir beschränken
uns dabei auf Sinus und Cosinus, die Formeln für den Tangens kann man dann rechnerisch herleiten. Seien also zwei Winkel 0 < α < β < π/2 gegeben. Wir gehen ähnlich
wie beim Beweis der Additionsformeln vor und betrachten die folgende Figur:
A
α
B
C
D
E
β−α
α
M
F
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Montag 4.5
Wir beginnen wieder mit einem Viertelkreis mit Mittelpunkt M und Radius 1. In
diesem tragen wir den Winkel β bei M ab, und in ihm enthalten dann auch den
kleineren Winkel α. Seien A und B die Schnittpunkte dieser beiden Winkel mit dem
Einheitskreis und fälle das Lot von A auf M B. Bezeichnet C den Lotfußpunkt, so
können wir Sinus und Cosinus von β − α im rechtwinkligen Dreieck M CA als
sin(β − α) = |AC| und cos(β − α) = |M C|
ablesen. Fälle nun das Lot von A auf die untere Begrenzung des Viertelkreises und
erhalte den Fußpunkt F . Von F aus fälle dann die Lote auf M B mit Fußpunkt D und
auf AC mit Fußpunkt E. Wie beim Beweis der Additionsformel hat das Dreieck F EA
bei A den Winkel α. Nun ist F ECD ein Parallelogram, also
sin(β − α) = |AC| = |AE| − |CE| = |AE| − |DF |
= |AF | cos α − |M F | sin α = sin β cos α − cos β sin α
und
cos(β − α) = |M C| = |M D| + |DC| = |M D| + |F E|
= |M F | cos α + |AF | sin α = cos β cos α + sin β sin α.
Dies sind schon die beiden Subtraktionsformeln, und damit steht alles bereit auch
den Fall stumpfer Winkel zu untersuchen. Erinnern sie sich daran, dass wir Sinus und
Cosinus durch die Formeln
π
π
sin := 1, cos := 0, sin α := sin(π − α) und cos α := − cos(π − α)
2
2
für π/2 < α < π auf den Fall stumpfer Winkel ausgedehnt hatten. Weiter werden wir
die Formeln für Complementärwinkel benötigen, also die für 0 < φ < π/2 gültigen
Formeln
π
π
sin
− φ = cos φ und cos
− φ = sin φ.
2
2
Der erste noch zu behandelnde Fall der Additionstheoreme sind jetzt zwei spitze Winkel
die sich zu einem Rechten ergänzen. In dieser Situation wird das Additionstheorem
für den Sinus zum Satz des Pythagoras und das des Cosinus ist klar. Seien nämlich
0 < α, β < π/2 spitze Winkel mit α+β = π/2. Dann sind α und β Complementärwinkel
in einem rechtwinkligen Dreieck und somit gelten
π
π
sin α cos β + cos α sin β = sin α sin
− β + cos α cos
−β
2
2
2
= sin α + cos2 α = 1 = sin(α + β)
sowie
cos α cos β − sin α sin β = cos α sin
π
π
− β − sin α cos
−β
2
2
= cos α sin α − sin α cos α = 0 = cos(α + β).
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Der letzte noch verbleibende Fall in dem α und β spitze Winkel sind, ist die Situation
0 < α, β < π/2 mit einem stumpfen α + β, also α + β > π/2. In diesem Fall haben wir
die beiden Complementärwinkel 0 < π/2 − α, π/2 − β < π/2 mit
π
π
π
−α +
− β = π − (α + β) < ,
2
2
2
und es folgen
π
π
π
π
sin(α + β) = sin(π − (α + β)) = sin
− α cos
− β + cos
− α sin
−β
2
2
2
2
= cos α sin β + sin α cos β
und
cos(α + β) = − cos(π − (α + β))
π
π
π
π
= sin
− α sin
− β − cos
− α cos
− β = cos α cos β − sin α sin β.
2
2
2
2
Damit sind alle Fälle behandelt in denen α, β beides spitze Winkel sind. Es verbeiben
dann die Möglichkeiten α ≥ π/2 oder β ≥ π/2. Da wir allerdings α + β < π haben
müssen, können nicht beide Alternativen zugleich zutreffen, einer der beiden Winkel
muss also spitz sein. Durch eventuelles Vertauschen von α und β können wir dann
0 < α < π/2 annehmen. Für β = π/2 werden dann
π
π
π sin(α + β) = sin α +
= sin π − α +
= sin
−α
2
2
2
π
π
= cos α = sin α cos + cos α sin
2
2
und
π
π π
cos(α + β) = cos α +
−α
= − cos π − α +
= − cos
2
2
2
π
π
= − sin α = cos α cos − sin α sin .
2
2
Damit sind wir beim allerletzten Fall angelangt, dass also 0 < α < π/2 spitz ist und
π/2 < β < π stumpf ist. Weiter muss α + β < π gelten. Diesen Fall führen wir auf die
Subtraktionsformel für spitze Winkel zurück, es sind 0 < α < π − β < π/2 und somit
wird
sin(α + β) = sin(π − (α + β)) = sin((π − β) − α)
= sin(π − β) cos α − cos(π − β) sin α = sin β cos α + cos β sin α
sowie
cos(α + β) = − cos((π − β) − α) = − cos(π − β) cos α − sin(π − β) sin α
= cos β cos α − sin β sin α.
Auch die Subtraktionsformel läßt sich für 0 < α < β < π entsprechend beweisen, da
wir inzwischen gesehen haben das diese Beweise eher Buchhaltung“ sind, wollen wir
”
hier darauf verzichten dies im Detail vorzuführen.
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2.2
Montag 4.5
Verdoppelungs- und Halbierungsformeln
Als Verdoppelungsformeln bezeichnet man die Formeln für die Werte der trigonometrischen Funktionen bei verdoppelten Winkel, also für sin(2α), cos(2α) und tan(2α), und
die Halbierungsformeln sind dann entsprechend die Formeln für die halbierten Winkel.
Man kann all diese Formeln natürlich durch Spezialisieren der Additionstheoreme auf
β = α erhalten, also etwa
sin(2α) = sin(α + α) = 2 sin α cos α,
cos(2α) = cos(α + α) = cos2 α − sin2 α = 2 cos2 α − 1 = 1 − 2 sin2 α,
2 tan α
tan(2α) = tan(α + α) =
,
1 − tan2 α
sie lassen sich aber auch geometrisch an einer geeigneten Figur gewinnen. Wir betrachten einen Halbkreis mit Radius 1 und Mittelpunkt M und bezeichnen den unteren
Durchmesser dieses Halbkreises als AB. Dann ist M der Mittelpunkt von AB und es
ist |AB| = 2. Weiter sei ein Winkel 0 < α < π/2 gegeben und trage diesen im Halbkreis
bei A ab. Bezeichnet C den entstehenden Schnittpunkt mit unserem Halbkreis, so hat
das Dreieck ABC nach dem Satz von Thales §1.Satz 21 bei C einen rechten Winkel.
Die Seitenlängen in diesem Dreieck sind dann in den Standardbezeichnungen gegeben
als
a = |BC| = 2 sin α, b = |AC| = 2 cos α und c = |AB| = 2.
C
α
b
a
α
A
2α
M
β
P
B
Ziehen wir jetzt die Verbindungsstrecke M C, so entsteht ein weiteres Dreieck M BC.
Der Winkel von M BC bei M ist der Mittelpunktswinkel der Sekante BC unseres
Halbkreises und unser gegebener Winkel α ist der Perepheriewinkel dieser Sekante bei
A, der Winkel von M BC bei M ist nach dem Perepheriewinkelsatz §1.Satz 23.(a) also
gleich 2α. Fällen wir also das Lot von C auf AB und bezeichnen den Fußpunkt mit P ,
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Montag 4.5
so sind sin(2α) = |P C| und cos(2α) = |M P | da die Hypothenuse des rechtwinkligen
Dreiecks M P C ein Radius unseres Halbkreises ist und damit die Länge |M C| = 1 hat.
Dem rechtwinkligen Dreieck AP C entnehmen wir
sin α =
|P C|
sin(2α)
=
, also sin(2α) = 2 sin α cos α
b
2 cos α
und wir haben eine geometrische Begründung der Verdoppelungsformel des Sinus.
Ebenfalls im Dreieck M P C sehen wir
cos α =
|AP |
1 + |M P |
1 + cos(2α)
=
=
, also cos(2α) = 2 cos2 α − 1
b
b
2 cos α
und dies ist eine der beiden Verdoppelungsformeln des Cosinus. Auch die andere Variante dieser Formel können wir an unserer Figur sehen. Dazu beachten wir zunächst das
das Dreieck M BC bei M gleichschenklig ist, also sind die Winkel in diesem Dreieck nach
Aufgabe (4.a) bei B und C gleich, etwa β, und wir erhalten π = 2α+2β = 2(α+β), also
β = π/2−α. Im rechtwinkligen Dreieck P BC liegt damit bei C der Winkel π/2−β = α
an, und es ergibt sich
|P B|
|P B|
sin α =
=
,
a
2 sin α
also auch
cos(2α) = |M P | = 1 − |P B| = 1 − 2 sin2 α.
Wir können an unserer Figur weiter auch zwei Gleichungen für den Tangens von α
sehen. Im rechtwinkligen Dreieck AP C erhalten wir
tan α =
|P C|
sin(2α)
|P C|
=
=
,
|AP |
1 + |M P |
1 + cos(2α)
und ebenso liefert das rechtwinklige Dreieck P BC
tan α =
|P B|
1 − |M P |
1 − cos(2α)
=
=
.
|P C|
|P C|
sin(2α)
Setzen wir in diese beiden Formeln noch θ = 2α ein, so ergibt sich die Halbierungsformel
des Tangens in ihren beiden Varianten
tan
θ
sin θ
1 − cos θ
=
=
.
2
1 + cos θ
sin θ
Mit derselben Substitution ergeben sich aus cos(2α) = 2 cos2 α − 1 = 1 − 2 sin2 α dann
auch die Halbierungsformeln für Sinus und Cosinus, aus
r
θ
1 + cos θ
2 θ
cos θ = 2 cos − 1 folgt cos =
2
2
2
und
θ
θ
cos θ = 1 − 2 sin2 ergibt sin =
2
2
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r
1 − cos θ
.
2
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Montag 4.5
Wir wollen noch eine zweite Methode zum Beweis der Verdopplungsformel des Cosinus
anschauen. Angenommen wir haben einen Kreis k von Radius r und eine Sekante AB
von k der Länge a. Ist dann ein φ ein spitzer Perepheriewinkel von AB, etwa in einem
Punkt C ∈ k, so haben wir in §1.Lemma 26 bereits
a2 = 2r2 (1 − cos(2φ))
eingesehen. Andererseits ist k der Umkreis des Dreiecks ABC, also gilt nach §1.Satz
18 auch
a
r=
, d.h. a = 2r sin φ
2 sin φ
und dies liefert erneut die Verdopplungsformel cos(2φ) = 1 − 2 sin2 φ. Außerdem ist
dies eine verbesserte Form unserer Formel für die Sekantenlänge, die wir als ein Lemma
festhalten wollen.
Lemma 2.1 (Bestimmung der Sekantenlänge)
Seien k ein Kreis mit Radius r, AB eine Sekante von k der Länge a und φ ein Perepheriewinkel von AB in k. Dann gilt a = 2r sin φ.
Beweis: Ist AB ein Durchmesser von k, so ist φ = π/2 nach dem Satz von Thales
§1.Satz 21 ein rechter Winkel und somit gilt a = 2r = 2r sin φ da sin(π/2) = 1 ist. Nun
nehme an das AB kein Durchmesser von k. Ist φ < π/2 ein spitzer Winkel, so haben
wir die Formel a = 2r sin φ bereits eingesehen. Ist φ > π/2 stumpf, so ist π − φ nach
dem Perepheriewinkelsatz §1.Satz 23.(b) ein spitzer Perepheriewinkel von AB, also gilt
auch in diesem Fall a = 2r sin(π − φ) = 2r sin φ.
2.3
Spezielle Werte der trigonometrischen Funktionen
In diesem Abschnitt wollen wir uns einige der exakt berechenbaren Werte von Sinus,
Cosinus und Tangens anschauen und uns für diese auch jeweils eine geometrische Herleitung überlegen. Da die Werte für α = π/2 direkt vorgegeben sind, beginnen wir mit 60◦ .
Wir betrachten ein gleichseitiges Dreieck ABC mit SeiC
tenlänge a = b = c > 0. Nach Aufgabe (4.a) sind dann
auch alle Winkel in ABC gleich, also α = β = γ und
α
somit haben wir 3α = π beziehungsweise α = π/3. Ebenfalls nach Aufgabe (4.a) stimmen in ABC die Seitenhala
a
h
bierende CC 0 und die Höhe h auf AB überein, und der
Satz des Pythagoras §1.Satz 1 im rechtwinkligen Dreieck
AC 0 C liefert
α
α
√
A
C’
a
B
a 2
3
2
2
+ h = a , also h =
a.
2
2
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Mathematische Probleme, SS 2015
Montag 4.5
Nun können wir Sinus, Cosinus und Tangens in AC 0 C ablesen und erhalten
h
1√
π
=
=
3,
3
a
2
1
a
π
1
cos
= 2 = ,
3
a
2
√
π
h
tan
= 1 = 3.
3
a
2
sin
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