Pflegevisite – ist sie gut für die Beziehung?

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Pflegevisite – ist sie gut für die Beziehung?
H.-Christian Heering, Basel
(Dr. rer.cur.; MSc, RN, EdN, CNS ger.care)
Vortrag an der Tagung Relationship Based Care, Bozen (I), 17.-18. November
2016
meine sehr verehrten Damen und Herren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen
– ich bedanke mich sehr herzlich für diese Einladung und die Gelegenheit, über
die Nützlichkeit der Pflegevisite für die pflegerische Beziehung zu Ihnen
sprechen zu dürfen.
Um einen wichtigen Punkt vorweg zu nehmen – in meiner Sichtweise ist die
Pflegevisite ein regelmässiger und partizipativ gestalteter Austausch zwischen
PatientIn und PflegerIn – gewachsen aus der Überzeugung, dass Patient und
Pflegeperson sich einig sein, bzw. sich einig werden müssen, welche
Marschrichtung eingeschlagen werden soll während der Pflegeepisode.
Bevor ich aber auf die Pflegevisite und ihre Gestaltung genauer eingehe, werde
ich zunächst die zugrunde zu legenden Beziehungsaspekte etwas aufrollen schliesslich geht es uns ja in erster Linie darum – persönliche und berufliche
Beziehungen zu nutzen, um eine personenorientierte und eine
gesundheitsfördernde Umgebung zu schaffen.
Ich vergleiche die Aufnahme und die Gestaltung einer Beziehung zwischen
Patient und Pflegeperson ein bisschen mit einem "pas de deux", einer Form
des Tanzes also, bei der sich die beiden Tanzpartner in einer Art und Weise
einander nähern, um eine Beziehung herzustellen und deren Beschaffenheit
auszuloten. Pflege ist doch, ab der ersten Begegnung, so etwas wie ein Tanz:
zwei Partner, die unterschiedlicher kaum sein können. Zwei Menschen, der
eine unversehrt, kräftig und voller Energie, der Andere ist versehrt, krank,
beeinträchtigt, erschöpft, auf Hilfe angewiesen, vielleicht sterbend. Zwei ganz
unterschiedliche Persönlichkeiten – mit zwei verschiedenen Arten des "Wahr"
nehmens, des Denkens und damit auch zwei unter Umständen sehr
verschiedenen Wahrheiten, begegnen sich – oder, im dümmsten Fall, prallen
aufeinander, je nachdem.
Zwei Arten sich zu bewegen, zwei Menschen, die versuchen, miteinander in
einen Rhythmus zu kommen. Denn sie haben ein gemeinsames Ziel: in der
Begegnung und aus der entstandenen Beziehung heraus einander etwas zu
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geben. Die einander zu finden versuchen, weil beide zu einem Miteinander
kommen möchten – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen und Interessen.
Ein Zusammenspiel, bei dem jeder der beiden versucht, sich dem anderen zu
nähern, ihn zu erfassen, sich leiten zu lassen und selber zu leiten, das eigene
Wissen und das eigene Können zu zeigen und die Anteile und Fortschritte des
anderen zu bewundern. Und das immer so, dass man sich dabei gegenseitig
inspiriert, den eigenen Ausdruck, die eigene Kunst verfeinert, und vor allem,
ohne dass man dabei vom anderen Besitz ergreift. Und das ist eine echte, auch
eine pflegerische Kunst: Ohne vom anderen Besitz zu ergreifen.
Ein schönes Bild, ein romantisches Bild, nicht wahr.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist die Sache dann
eben doch nicht so romantisch. Und vielleicht denken Sie sich auch gerade,
Mensch, Heering, komm endlich zur Sache.
Tatsächlich sind da ja einige wesentliche Fragen ungeklärt. Einige davon
möchte ich in meinem Vortrag aufgreifen. Diese Fragen betreffen, zum Einen,
eben genau das Potential der Vereinbarkeit dieser beiden, sehr
verschiedenartigen Akteure mit all deren Eigenheiten, deren Denkweisen, ihren
Befindlichkeiten und ihren jeweilig sehr unterschiedlichen, charakteristischen
Merkmalen, in einem gegebenen Setting wie in einem Spital. Eine weitere
Frage betrifft den Zweck sowie den möglichen Nutzen eines Instrumentes, das
wir seit rund 20 Jahren intensiv diskutieren und zu dem wir, je nach Konfession,
mindestens fünf bis zehn unterschiedliche Meinungen haben – der Pflegevisite
und dem darin enthaltenen Pflegeprozess.
Aber der Reihe nach. Wer ist sie, unsere schöne Tänzerin, die Pflege? Wenn
man in die aktuellen Zeitungen schaut, bekommt man einen kleinen Eindruck.
Schön ist sie, auf jeden Fall. Und sie geniesst das Vertrauen der Bevölkerung –
mehr noch als die Polizei, und sicher mehr als die Banker und
Versicherungsfuzzies. Aber natürlich teuer.
Schlimm genug, dass die professionelle Pflege in den Augen der Öffentlichkeit
(im besten Fall!) gar nicht existiert. Im dümmsten Fall hat Pflege ein
Schmuddelimmage – das reicht vom "Füdle putzen" bis hin zu HardcorePhantasien. Googlen Sie mal den Begriff Krankenschwester – mit der Option
Bilder. Aber Achtung! Dass nicht gerade Ihr Chef hereinkommt.
Also – wo stehen wir eigentlich? Was genau ist Pflege eigentlich?
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Wenn Sie mich als Wissenschaftler fragen, kann ich Ihnen nur sagen: so genau
kann man das vielleicht gar nicht fassen. Denn unser Beruf hat in kurzer Zeit so
viele Paradigmawechsel hinter sich, dass einem ganz schwindlig werden und
man die Übersicht verlieren kann.
Da Von der caritativen Pflege, zu einer naturwissenschaftlich dominierten,
somatisch orientierten Pflege, über eine Pflege, die gerade versucht, ein
professionelles Selbstbewusstsein zu entwickeln und dabei vom
Ökonomisierungsparadigma rechts überholt wird. Ein Beruf, der derartig viele
verschiedene Qualifikationsniveaus aufweist, dass nicht einmal deren Inhaber
wissen, was genau sie jetzt noch sollen dürfen und was nicht.
Da lässt sich ein grosser Bogen ganz weit aufspannen – ein Bogen der
unterschiedlichsten Pflegeverständnisse, Überzeugungen, Haltungen und auch
des Verhaltens von Pflegepersonen. Dieser Bogen, so könnte man sagen,
schillert in allen Farben– einem Regenbogen gleich, gewissermassen also ein
paradigmatischer Regenbogen. Im Moment reicht dieser paradigmatische
Regenbogen, so ungefähr, von esoterisch gefärbten Energiemodellen an dem
einen Ende, über christlich-caritative Glaubensmodelle sowie über
rationalistisch-kognitive Theorien bis hin zu kybernetischen Systemmodellen
am anderen Ende. Unterschiedlicher, farbenfroher, ja schillernder kann Pflege
gar nicht sein! Was man also tun müsste, ist ja sonnenklar: bis zum Ende des
Regenbogens gehen und nachsehen. Dort, wo der Regenbogen die Erde
berührt, dort müsste sie ja sein, diese Universelle Definition von Pflege!
Immerhin, wie es scheint, haben wir in der Schweiz immerhin eine auch legal
halbwegs sanktionierte Definition von Pflege gefunden, die einerseits die
formalen Objekte der Pflege identifiziert und damit auch aufzeigen kann, dass
wir andere Dinge tun als die Mediziner. Und die andererseits betont, dass es da
noch etwas "Zwischenmenschliches" gibt. Ob wir das aber so tun wollen, wie es
dieser Mediziner hier vor nicht einmal 30 Jahren deklamierte, muss auch unter
uns erst noch geklärt werden. Thomas Kuhn sagte einmal, Paradigmen ändern
sich nicht- sie sterben aus. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die Letzten
dieser Spezies ausgestorben sind.
Und es gibt auch noch ein paar andere Dinge, an denen wir noch dringend
arbeiten müssen – unseren Wissenskörper definieren, eine einheitliche,
standardisierte Sprache finden, uns über den Pflegeprozess einigen – um nur
ein paar zu nennen.
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Der rasche paradigmatische Wandel hat verschiedene Archetypen von
Pflegenden hervorgebracht, die man auf fast jeder Station vorfinden kann –
Archetypen , die jeder für sich eigene Entscheidungs- und Handlungsspielräume
besetzen.
Lassen Sie uns deshalb zunächst einen Blick auf deren charakteristischen
Merkmale werfen – wir wollen ja wissen, was sind das für Menschen, die die
Pflegevisite gestalten.
z.B. die Traditionalisten – denen ist wichtig, dass der Laden läuft. Papierkörbe
müssen bei Schichtende geleert sein, der Ausguss muss sauber und aufgeräumt
sein, die Patienten sind geputzt und gestrählt, wenn auch nicht
notwendigerweise in aktivierender oder empathischer Art und Weise.
Die Techies – das sind die die mit einem Flair für alles Technische. Die bringen
den Infusomaten zum laufen, kennen sich mit dem Monitor aus und haben die
neueste Medizin-App auf ihrem privaten Handy, mit der sie manchmal auch
den Chefarzt zum Staunen bringen.
Die Spezialisten gibt es für alle möglichen Gebiete– von guten Stechern über
Wund- und Verbandexperten bis hin zu Kinästhetik- oder Aromaspezialisten.
Die haben den Vorteil einer hohen Akzeptanz, weil sie meistens als
Troubleshooter gerufen werden, in das Geschehen eintauchen und dann aber
auch wieder gehen dürfen. Sie kennen die Krankheitsbilder, OP-Techniken oder
Laborwerte und brillieren mit ihrem Wissen.
Und schliesslich die Existentialisten – das sind oft die Patientenflüsterer. Die
arbeiten mit Empathie, Beziehung, Kommunikation, lassen sich ein und hören
zu – manchmal stundenlang, während sich draussen die Neueintritte stapeln
und die Station landunter hat.
Und die meisten von ihnen beherrschen nicht nur diese Künste, sondern auch
ihr Handwerk. Waschen, pflegen, mobilisieren, Essen reichen, bei der
Ausscheidung unterstützen. Damit das alles geht und in eine Schicht
hineinpasst, sind viele Pflegende die reinsten Zauberkünstler. Sie können die
Zeit dehnen und den Raum verkürzen. Sie organisieren und priorisieren, wenn’s
knapp ist – und das ist es eigentlich immer. Sie sind flexibel, stellen um und
stellen neu auf – hastenichtgesehen- und der Patient merkt’s nicht einmal, dass
heute zwei Pflegepersonen weniger auf der Abteilung sind. Deswegen ist es
vielleicht gar nicht so falsch, von "managen" zu sprechen. Man könnte sagen,
wir sind die reinsten Manager.
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Aber Pflegende sind auch Persönlichkeiten: sie sind empathisch, sie sind
emotional, sie sind intuitiv, sie sind spontan und fröhlich, manchmal traurig,
und manchmal auch impulsiv, gelegentlich katzig oder sogar ein wenig launisch.
Mit anderen Worten: sie haben Charakter, sie haben energetisches Charisma,
eine Aura, und sie sind als Menschen spürbar.
Mit ihrer Aura, diesem eigenen Energiefeld, können sie sich auf den Patienten
einlassen, dessen eigenes Energiefeld erspüren, therapeutische Beziehungen
anbieten. Mit ihrem Haltungen, ihren Wertvorstellungen, ihrem Einlassen und
ihrem Mit-Leiden sind sie dem Patienten nahe, manchmal sogar näher als
dessen eigene Familie. Sie stützen den Patienten und sie stehen ihm bei, sie
sorgen sich um ihn und sie sind fürsorglich, dann zum Beispiel, wenn die Sorge
des Kranken um die eigene Ausscheidung zu einer den ganzen Tag
beherrschenden Angst wird, oder wenn die Einsamkeit des Krankseins die Seele
überwältigt. Sie treten für ihn ein und sie vertreten ihn, zum Beispiel dann,
wenn die eigene Familie die stummen Schreie nicht hört oder wenn die
Bereitschaft, von der Welt gehen zu dürfen, von den Angehörigen nicht
angenommen werden kann. Wenn man also ein beliebiges Pflegeteam
anschaut, dann imponiert diese farbenfrohe, manchmal schillernde und
changierende Unterschiedlichkeit – und das macht etwas aus: das macht etwas
mit dem Team und natürlich macht das was mit den Patienten.
Wir Wissenschaftler neigen bekanntlich ein bisschen dazu, derartige
Phänomene in eine andere Sprache zu "translatieren" – also zu übersetzen. Wir
sprechen von Konzepten wie Caring und Compassion, von Advocacy und
Empowerment, und wir sprechen von Partizipation.
Aber was genau ist damit gemeint? Und was hat das mit Beziehung und mit
Pflegevisite zu tun?
Lassen Sie uns einige Augenblicke auf die Bedeutung und die Bedeutsamkeit
einiger dieser Konstrukte verwenden. Was genau ist das, caring? Caring wird
oft mit Fürsorge übersetzt. Einige anthropologisch orientierte
Pflegewissenschaftlerinnen wie z.B. Jean Watson oder Madeleine Leiniger
behaupten, caring sei eine zutiefst menschliche Attitüde, sei also
gewissermassen genetisch im Menschen angelegt. Christliche Theologen sehen
darin das caritative Basiskonzept der Barmherzigkeit Gottes. Heidegger
wiederum sprach von "dieser Sorge um andere" als einem Ausdruck der Sorge
um sich selber. A-theistische Interpretationen des caring-Begriffs betonen
transzendentale Aspekte, können letzlich aber auch als eine Spielform des
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Konzeptes der Barmherzigkeit gesehen werden, mitunter vielleicht eingebettet
in weitere Konstrukte, z.B. interaktionistische Theorien und Konzepte.
In der Pflege greifen wir das caring als ein therapeutisches Konzept auf, wir
sprechen ja beispielsweise sogar im Prozedurenkatalog von einer therapeutisch
begleitenden Pflege, welche neuerdings ertragsrelevant ist! Akt. Ther. Begl.
Pflege an 7/7 Tagen – das macht dann, neben den anderen Kosten, …
Spass beiseite Der Philosoph Meyeroff schrieb einmal, caring sei die "Förderung des
Wachstums und der Entwicklung des anderen, ohne von ihm Besitz zu
ergreifen". Und er schreibt, dass "ich wissen muss, wer der andere ist, wo seine
Stärken und wo seine Grenzen liegen, worin seine Bedürfnisse bestehen und
was sein Wachstum fördern kann. Ich muss wissen, wie ich seine Bedürfnisse
erfüllen kann, und ich muss meine eigenen Stärken und Grenzen kennen. Und
dieses Wissen muss sowohl allgemein als auch spezifisch sein." Oftmals
gewinnen wir dieses Wissen aber in einer Weise, die dann doch wieder
besitzergreifend ist. Denn wir ergreifen Besitz vom Patienten in seiner Ganzheit
– von seinen Daten, seinen Krankheiten, seinen Prognosen, seinen Therapien.
Ist das so ok?
Gute Pflegende sind dabei durchaus systematisch. Sie denken konzeptuell und
sogar theoretisch, sie arbeiten methodisch, sie untersuchen genau. Und sie
sind analytisch, sie denken kritisch und sie können dabei bis zur Lästigkeit
beharrlich sein. Sie stolpern über Fragen und sie lesen nach. Sie forschen und
finden z.B. heraus, was Urininkontinenz im Alltag für den betroffenen
Menschen bedeutet und wie man den Betroffenen darin Unterstützung leisten
kann. Oder sie untersuchen, welche Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken
Mundpflegemittel haben, oder welchen Nutzen und Schaden der Gebrauch von
Babypuppen bei der Pflege von Dementen haben kann. Oder sie finden heraus,
warum und unter welchen Umständen Menschen ins Delir fallen können, oder
warum Patienten stürzen, oder sich wundliegen. Usw.
Auf der Grundlage dieses Wissens machen sie sich ein Bild vom Patienten,
kurzum, sie erstellen Anamnesen und erheben einen Status mit systematischen
Assessments.
Sie unterscheiden dabei objektive von subjektiven Daten und interpretieren
diese vor dem Hintergrund von Normalzuständen, sie bewerten die
Abweichungen, diagnostizieren Pflegebedarfe und erstellen
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Interventionspläne. Völlig klar also, wir müssen wissen, um helfen zu können.
Und wir müssen kennen lernen.
Allerdings: manchmal übersehen wir dabei, dass es zwei Wahrheiten gibt –
nämlich unsere Wahrheit, also die Wahrheit der Health Pros, und die Wahrheit
des Patienten – die schon aufgrund ihrer jeweiligen Deutungen manchmal eine
ganz andere ist – bei identisch wahrgenommener Faktenlage.
Schweizerische Pflegewissenschaftlerinnen wie z.B. Käppeli, Holenstein oder
Schmidt haben (neben vielen anderen) intensiv und grundsätzlich darüber
nachgedacht und verschiedene Dimensionen des caring definiert. Auf dieser
Folie ist das "kennen lernen" ein wenig konkreter beschrieben, mit einem
Kontinuum mit zwei Polen. Je mehr wir uns auf der linken Seite befinden, umso
weniger gelingt es uns, diese Komponente des caring umzusetzen. Das "wie"
des kennen lernens ist also das Entscheidende.
Daraus wird deutlich, dass es da einen Anatagonisten geben muss –
gewissermassen der Gegenspieler das caring.
Sie kennen sicher auch den schon etwas abgegriffenen Scherz von der
Pflegerin, die zum Patienten sagt: "nun nehmen Sie doch die Pille endlich! Ich
will doch nur Ihr Bestes!" und der Patient entgegnet: "Sehen Sie, und das
möchte Ihnen nicht geben." Wir sind durchaus gewohnt, in diesen
entpersönlichenden Kategorien zu denken und auch zu sprechen: Wir machen
den Eintritt, wir stecken eine Infusion, wir machen den Verbandwechsel, und
wenn der Pat. verstopft ist, dann führen wir ihn ab.
Damit bedienen wir das System, und damit erhalten wir es aber leider auch.
Wir lassen uns vor den Karren des somatokausalen Fehlschlusses spannen und
vermitteln die Botschaft, dass Pflege doch eigentlich jeder kann. Wir lassen zu,
dass unterschieden wird zwischen der vermeintlich minderwertigen
Grundpflege, die wir weniger gut ausgebildeten Kräften überlassen, und der
prestigeträchtigen Behandlungspflege. Und in der Schweiz unterscheiden wir
sogar im Gesetz zwischen kassenpflichtigen Pflegeleistungen und der
eigentlichen Betreuungsleistung, die der Pat. selber zahlen muss. Was für ein
Unsinn! Denn damit unterstützen wir letztlich Haltungen, die Pflege für etwas
ziemlich Beliebiges halten. Es sind aber die gleichen Haltungen, die auch dem
naturalistischen Paternalismus nichts entgegen setzen. Paternalismus ist ein
raumfordernder Prozess!
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Die Balance zu finden zwischen Paternalismus und Fürsorge ist also gar nicht so
einfach, wenn die Beziehung gelingen soll – sonst geht es in unterschiedliche
Richtungen.
In einer "umbrella review" haben Wiechula, Conroy und weitere Kollegen
versucht herauszufinden, was denn nun die Schlüsselfaktoren sind. Aus
insgesamt über 2000 Reviews filterten sie 12 Reviews mit unterschiedlichen
methodischen Zugängen heraus, die auch rigiden wissenschaftlichen Kritieren
Genüge tun. Die Resultate dürften uns kaum überraschen: es geht um Werte,
um Erwartungen, natürlich auch um Wissen und Können, und es geht um den
Kontext. Und der hat es in sich:
Denn damit sind wir bei der Frage der Vereinbarkeit dieser Art von
Beziehungsgestaltung mit einem Krankenhausaufenthalt angekommen.
Vielleicht ist ja diese ganze Debatte über Beziehungsaspekte nur
Gefühlsduselei, nur ein romantischer Tick, ein alter Zopf, den man angesichts
von über 80 Milliarden Franken Gesundheitskosten pro Jahr endlich mal
abschneiden sollte?
ein Krankenhaus, oder Spital, ist ja banal gesagt komplett anders. Warum?
Nun, das, was in diesem Spital steckt, ist angewandte Ökonomie, bestehend
aus Zahlen in nur zwei Farben: schwarz oder rot. Am Markt erfolgreich oder
eben nicht. Rosinenpicker oder Brosamenschlucker. Mit ausreichend
Pflegepersonal oder zuwenig. Das Ganze folgt einer rationalen, nüchternen,
ökonomischen Logik – faszinierend, um Mister Spock’s berühmtes bonmot zu
gebrauchen.
Faszinierend und natürlich garantiert emotionsfrei wie frisch desinfizierter
Chromstahl. Charismatischer Gehalt unter 0.0%. Ausstoss an Empathie gleich
null. Nähe, oder besser, Distanz zum Menschen: nicht messbar.
Autonomieerhalt: hat dank neuerer gesetzlicher Bestimmungen Potential nach
oben. Partizipation: im Zweifelsfall negativ.
Eine Institution, die wie geschaffen erscheint, Krankheiten und
Beeinträchtigungen mit rationalistisch-ökonomistischen Methoden hauruck zu
reparieren. Das hat natürlich seine Geschichte, das wissen wir alle – die ersten
Spitäler entstanden bekanntlich als Lazarette in Feldzügen und folgten damit
militaritischen Ansätzen.
Manchmal stört dabei allerdings jemand – der Patient. Denn dieser soll – Bitte
verzeihen sie meinen Sarkasmus – des besseren Funktionierens halber seine
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Autonomie bitte vor Betreten des Spitals abgeben. Dabei hat der Pat. ein paar
Anliegen, die doch gar nicht so schwer nachzuvollziehen sind:
Immerhin wird zunehmend erkannt, dass der Patient (lat. Patir, erdulden,
erleiden) offenbar doch ein autonomes Wesen ist. Neben den Anforderungen
und Rechten, die sich daraus für die Pflegenden ergeben, ist wichtig zu
notieren, dass sich die Autonomie nicht auf die Urteilsfähigkeit begrenzt.
Daraus leitet sich ab, dass auch averbale Menschen, oder an Demenz leidende,
nicht automatisch ihrer Autonomie verlustig gehen. Ein Mensch, der seine
Autonomie auch im Spital wahrnehmen kann, stört ja auch weniger, oder?
Und dass das durchaus den Nutzen haben könnte, dass sich der Patient besser
an das hält, was ihm verordnet wurde. Längst ist erkannt, dass die sogenannte
Noncompliance (oder politisch korrekter Non-Adherenz) der Patienten ein
schwarzes Loch ist, das Jahr für Jahr Milliardenbeträge einsaugt. Ob ein Patient
den Umgang mit seiner Krankheit sicher und gut erlernen kann, hängt von
vielen Faktoren ab; u.a. der health literacy, dem persönlichen Lebensstil oder
dem Vertrauen, was der Pat. in die Behandelnden setzt. Ganz wesentlich aber
hängt es davon ab, ob die richtigen Pflegepersonen da sind, die in einer
achtsam gestalteten Beziehung Vertrauen zum Patienten aufbauen und seine
Angst vor der unbekannten und womöglich bedrohlichen Therapie lindern.
Diese Beziehungsgestaltung ist also ein zentraler Erfolgsfaktor. Es macht daher
Sinn, den Patienten als Partner zurück zu gewinnen, und längst wird darüber
auch fleissig gefachsimpelt.
Hier ist nur einer von vielen Aufsätzen aus dem BMJ abgebildet.
Umgesetzt ist das jedoch noch lange nicht. Im Grunde ginge es ja darum, dem
Patienten im Rahmen eines shared decision making die Macht zurück zu geben,
die wir ihm zuvor genommen haben.
Shared decision making ist allerdings ein recht rationalistischer Ansatz –
basierend auf Information und kognitiven Entscheidungsfindungsprozessen.
Dazu kursieren in der Fachliteratur verschiedene Modelle – hier ist nur eines
davon, das Ihnen einen groben Überblick geben soll. Nur – das ist die Crux –
gerade darin kann sehr viel Machtausübung liegen. Oft sind wir uns ja gar nicht
bewusst, wie das läuft.
Und das ist schwierig – es braucht nämlich Menschen, die verstanden haben,
wir und warum sie Macht ausüben – eben weil das eine sehr subtile
Angelegenheit ist. Nur schon das sogenannte framing, also die Art und Weise,
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wie wir Informationen verpacken, - z.B. können Sie sagen: Ihre
Überlebenswahrscheinlichkeit mit dieser Therapie ist 95%; oder Sie sagen: bei
dieser Therapie schaffen es von 5 von hundert leider nicht.
In solchen Settings kann es sehr wohltuend sein, wenn es Menschen gibt, die
trotzdem versuchen, dem Patienten seine Autonomie wieder zurück zu geben.
In diesem Sinne kann tatsächlich von Empowerment gesprochen werden –
Empowerment, das dem Entmachteten mindestens ein bisschen des Gefühls
von Kontrolle über die Situation zurück gibt. Empowerment, so schick das
klingt, hat nämlich auch einen schalen Beigeschmack: dass man es genau dann
und genau dort braucht, wo zuvor Macht entzogen oder vorenthalten wurde.
Die Pflegevisite ist dafür durchaus ein brauchbares Instrument, wenn man sie
so versteht, wie wir sie urspünglich, also in unseren ersten Aufsätzen vor mehr
als 20 Jahren, definiert haben: Als partizipatives Gespräch zwischen Patient und
Pflegeperson über die Pflege, oder wie wir früher präzisiert haben: über den
Pflegeprozess. Allerdings, sogar ich lerne dazu, muss ich heute berichtigen: den
Pflegeprozess gibt es ja so gar nicht. Je nach Theorie gibt es unterschiedliche
Ansätze, und ich mag durchaus einen Rückblick in vergangene Zeiten werfen, in
denen wir uns mit den verschiedenen Theorien bis zur Nausea auseinander
gesetzt haben.
Haben Sie jetzt gestutzt? Das ist gut. Denn tatsächlich: es gibt nicht DEN
Pflegeprozess. Die Idee vom alleinigen und einzigen Pflegeprozess ist genau so
ein Mythos wie DIE Definition oder Theorie von Pflege. Schon ein nur
begrenzter Blick in die Literatur offenbart, dass dieses Konstrukt ganz vielen
unterschiedlichen Lesarten und Zuordnungen unterliegt. Welchen hätten Sie
denn gern?
Wenn wir Pflegeprozess sagen, meinen wir wahrscheinlich zunächst dieses
kybernetische Problemlösungsmodell, von dem auch die Experten nicht so
genau wissen, ob das Ding nun vier, fünf oder sechs Schritte hat. Auf den ersten
Blick folgt dieser Pflegeprozess tatsächlich einer sequenziellen Logik. Und auch
unsere Fachschaft hat sich entsprechend positioniert, wie Sie auf dieser Folie
sehen.
Tatsächlich ist es zwar schon meistens dieser Pflegeprozess, den wir meinen,
wenn wir Pflegeprozess sagen. Es ist auch dieser Pflegeprozess, den die WHO
meint und der in den Lehrplänen steht. Aber eben – dieser Pflegeprozess ist bei
weitem nicht der einzige.
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Nehmen wir doch mal als Beispiel den Pflegeprozess in der Gestalt des
„PHASEN“-Modells nach Peplau. Wenn Sie typische Pflegekünstlerinnen oder
Patientenflüsterer fragen, was ihnen in der Pflege am wichtigsten ist, dann
werden Ihnen drei Viertel mit Sätzen antworten, in denen Wörter wie zum
Beispiel Gespräch, Beziehung, Vertrauen oder Nähe häufig vorkommen. Wenn
Sie dieselben Pflegenden fragen, was ihnen Mühe macht oder was ihnen Sorge
bereitet, wenn sie an die Zukunft denken, dann werden Ihnen mehr als die
Hälfte antworten, dass die Aufenthaltsdauer in den Spitälern jetzt schon zu
kurz ist, um noch genügend Zeit für die Vorbereitung des Spitalaustritts und für
den Aufbau einer tragfähigen und von Vertrauen geprägten Beziehung zu
haben. Der Pflegeprozess nach Peplau ist dabei eine grosse Hilfe, um eine
solche pflegetherapeutische Beziehung aufzubauen und zu strukturieren. Und
dass man nicht nicht in Beziehung sein kann, nicht mal im Spital. In diesem
Zusammenhang darf man vielleicht erwähnen, dass ausgerechnet
Pflegefachleute das höchste Vertrauen der Bevölkerung geniessen, sogar noch
vor den Feuerwehrleuten und den Flugzeugpiloten! Übrigens, die Ökonomen
findet man gar nicht unter den Vertrauens-top ten. Klammer wieder zu!
Ein anderer Pflegeprozess ist das Kongruenzmodell von Friedemann. Dieser
Pflegeprozess hat sich z.B. bei der Pflege von Schwerstkranken, von chronisch
Kranken, aber auch von alten Menschen bewährt. Dies ist gerade angesichts
einer alternden Bevölkerung und dem schon eingetretenen Pflegenotstand von
grosser Bedeutung. Wenn wir die teure, institutionelle Pflege in den Spitälern
und Heimen auf das absolut Notwendige begrenzen wollen, müssen wir die
Pflegeepisoden gewissermassen neu formatieren. Die stationären, also die
klinischen Partitionen, machen wir kleiner. Das heisst, wir bauen Betten ab,
verkürzen die Aufenthaltsdauer und schliessen ein paar Spitäler. Dafür
vergrössern wir die Partition der Pflege in der angestammten Umgebung des
Patienten. Doch dafür brauchen wir nicht nur Profis wie die Spitexen, sondern
auch dringend die Laienpflege zu Hause, die Pflege durch die Angehörigen.
Aber: pflegende Angehörige sind in unserer individualisierenden Gesellschaft
eh schon ziemlich rar und deshalb sehr kostbar. Und pflegende Angehörige sind
ausserordentlichen Belastungen ausgesetzt und brauchen selber auch Pflege.
Das weiss man heute - und sollten wir das bei unserer Neuformatierung ausser
acht lassen, dann wird das zarte Pflänzchen eines eben erst begründeten,
sozialen Unterstützungssystems schnell kollabieren und dann – landet der
Patient wieder im Krankenhaus.
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Ich nenne Ihnen diese beiden, Peplau und Friedemann, nur beispielhaft,
stichwortartig aufführen liessen sich weitere, z. B. der Prozess der
Verhaltensänderung nach Prochaska, der Prozess der Verlustverarbeitung nach
Kübler-Ross, der Prozess der Stressbewältigung nach Lazarus oder nach Erikson.
Ich tue dies um deutlich zu machen, dass wir bereits bei der Verwendung des
Prozessbegriffs genauso achtsam auf die zugrunde liegende Theorie achten
müssen wie bei der Gestaltung der Beziehung.
Wir beenden den Exkurs und kehren zurück zur Pflegevisite: Als einem
partizipativen Gespräch zwischen Patient und Pflegeperson über die Pflege, in
welchem es um Empowerment, um Caring, um Partizipation gehen soll. Wir
wollen ja wissen, ist das nützlich? Und wenn ja, für wen? Hilft es der
Beziehungsgestaltung? Mit Partizipation ist hier "teilhabe" gemeint – also
teilhaben an der Information, an Entscheidungen, an dem Gefühl, die Dinge
unter Kontrolle zu haben. Partizipation kann man somit durchaus als
Gegensatzbegriff von Paternalismus verstehen.
Unabhängig aber davon, ob es in unserem Entscheidungsmodell – hier ist es
nochmals - nun drei, vier, fünf oder noch mehr Stufen hat: es gibt eine Tücke –
nicht alle Pat. können das, und von denen, die es können, wollen es auch nicht
alle.
Grundlegend für alle diese Modelle sind nämlich noch weitere Aspekte, die mit
der Beziehungsgestaltung auf den ersten Blick nichts oder nicht viel zu tun
haben. Da ist zum einen die nüchterne Information, geholt und / oder
gebracht, über den Sachstand; zum anderen eine "wirksame" Kommunikation
darüber. Das kann, je nach fachlicher und didaktischer Kompetenz des
Informierenden und der "health literacy" des Patienten, mehr oder weniger gut
laufen. Und leider kommen wir aufgrund etlicher guter Studien an der
Erkenntnis nicht vorbei, dass diese health literacy bei den meisten Menschen
eben nicht sehr ausgeprägt ist.
Ausserdem spielt das individuelle Muster an Kontrollüberzeugungen eine ganz
wesentliche Rolle:
Wer nämlich als Pat. tendenziell eher internal attribuiert, also eine Internale
Kontrollüberzeugung hat, wird sich eher dafür interessieren, an
Entscheidungsprozessen mitzuwirken oder Entscheidungen sogar anders zu
treffen, als wir ihm empfehlen – dies, weil so jemand denkt, dass er selber
Einfluss auf sein Schicksal nehmen möchte, sich dies auch zutraut und damit
Kontrolle über die Situation ausübt.
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Menschen hingegen, die tendenziell eher externale Kontrollüberzeugungen
haben, denken, dass andere mehr Macht und mehr Einfluss auf die Situation
haben als sie selber. Das sind diejenigen, die uns sagen – machen Sie mal, sie
wissen das doch besser. Wenn Sie denen mit der Pflegevisite kommen, gehen
Sie ihnen höchstwahrscheinlich spätestens beim dritten Mal gehörig auf den
Nerv.
Und Menschen, die eher fatalistisch attribuieren, neigen dazu zu denken, dass
ihr Schicksal wesentlich von höherer Fügung, von Glück oder eben Pech
abhängt. Die werden Ihnen vielleicht sagen, "wissen Sie, das kommt schon alles
wie es soll, aber machen Sie nur was Sie tun müssen".
Wenn wir also annehmen wollen, dass wir mit der Pflegevisite, auf der
Grundlage einer "effektiven Beziehung" und mit Hilfe von Information und
effektiver Kommunikation, eine "ermächtigende" Wirkung erzielen und
dadurch die Selbstwirksamkeit der Patienten verbessern, dann dürfen wir auch
annahmen, dass dies an sich einen guten Wert darstellt. Aber kaum bei allen.
Denn tatsächlich aber mussten wir in unterschiedlichen Studien die Erfahrung
machen, dass das so leider nicht stimmt. In diesem Beispiel, der sogenannten
RAP-Studie, war sogar das Gegenteil der Fall. Warum nur? Die Antwort liegt auf
der Hand - die Pflegevisite wurde schlicht missbraucht. Und zwar als
Dienstübergabe, als Qualitätskontrollinstrument oder als Führungsinstrument.
Damit wären wir bei meiner ersten "take home": Pflegevisite ist nicht gleich
Pflegevisite – oder: nicht überall, wo Pflegevisite dran steht, ist auch
Pflegevisite drin.
Und es kommt noch etwas hinzu, das wir im Eifer des Empowerments oft
übersehen: Patienten sind ja meistens tatsächlich krank – und damit vielleicht
gar nicht in der Lage, überhaupt mitzudenken, oder sie fühlen sich zu schwach
und wollen jetzt einfach nur eine Schmerzlinderung, anstatt mit uns zu
diskutieren, ob es eher Paracetamol oder eher Morphin sein darf.
Wenn es also nicht gelingt, während oder mittels der Pflegevisite eine
Patientenpartizipation zu erreichen, was soll das dann? Ich denke, ein
wesentlicher Aspekt ist das Gefäss als solches: Ein Gespräch, in dem der Patient
eine Stimme hat – ob verbal oder averbal. Ein Gefäss, in dem Zuwendung,
echtes Interesse, Empathie und Mit-Leiden Platz haben. In dem es vom vom ich
zum Du kommt. Ein Gefäss, das nicht zufällig geschieht, und das auch nicht
beliebig ist. Ein Gefäss, in dem die Aspekte von Wiechula et al. einfliessen. Ein
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Gefäss, in dem wir unsere Optik wieder vermehrt auf die Bedarfe und
Bedürfnisse der PatientInnen richten.
Denn anstatt uns zu fragen, was machen wir am Patienten, also was bekommt
er von uns, wie lange brauchen wir dafür und wie können wir das noch
effizienter organisieren, sollten wir wieder mehr fragen: Was braucht der
Patient, warum braucht er das und wer ist am besten dafür geeignet, ihm zu
geben, was er braucht. Aber es kann nicht angehen, dass die
Patientenorientierung erst an zweiter oder dritter Stelle kommt oder wir diese
vor lauter Professionalisierung ganz aus den Augen verlieren.
Nur dann wird es uns wieder gelingen, aus einer Abfolge von
entpersönlichenden Handlungen wieder eine wirksame Pflege zu machen –
denn auf eine Körperwäsche kann man verzichten, auf die Autonomie und die
Würde nicht – und eine Beziehung kann man nicht vermeiden.
Wenn Sie also Pflegevisite machen wollen, überlegen Sie sich gut, in welcher
Form.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.
Heering, C (2016): ist die Pflegevisite gut für die Beziehung?
16. November 2016
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