Essen wie die Eskimos

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http://www.n-tv.de/wissen/Wenn-die-Krebszelle-verhungert-article10059306.html
Montag, 04. Februar 2013
Essen wie die Eskimos
Wenn die Krebszelle verhungert
Von Ina Brzoska
Kohlenhydrate werden vom Körper sehr schnell in Zucker umgewandelt. Und Zucker nährt das Hirn. Doch
nicht nur das. Auch Krebszellen leben von Zucker, und zwar ausschließlich. Kann der Verzicht auf
Kohlehydrate und Zucker bösartige Tumore besiegen?
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Der kanadische Anthropologe Vilhjámur Stefánsson beobachtete Anfang des 20. Jahrhunderts etwas
Erstaunliches: Eskimos erkrankten nicht an Krebs, solange sie sich traditionell ernährten. Sie gingen viel auf die
Jagd, hielten sich an feste Tagesrhythmen, aßen Fleisch aus Robben, Karibus oder Fisch. Erst als sie Mitte des
20. Jahrhunderts auf kohlehydratreiche Industrienahrung umstiegen und etwas bequemer wurden, starben sie an
Krebs.
Lecker und gut fürs Hirn. Aber auch Krebszellen finden
Gefallen an der kohlehydratreichen Kost.(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der Tumorbiologe Johannes Coy kennt viele solcher Beobachtungen. "Auch der Hund erkrankt im Gegensatz zum
Wolf eher an Krebs", sagt Coy. Das Problem: In hochentwickelten Zivilisationen veränderte der Mensch sein
Ernährungsverhalten, seither isst er selbst mehr Kohlehydrate und füttert auch seine Haustiere mit ähnlicher
Nahrung. Ein zweischneidiges Schwert, so Coy. Denn Kohlehydrate, die der Körper sehr schnell in Zucker
umwandelt, nähren das Hirn. Nur so seien Menschen zu geistigen Höchstleistungen fähig, denn Zucker sorge
dafür, dass Nervenzellen nicht absterben. "Aber Zucker schützt auch Krebszellen, deshalb überstehen sie damit
oft Strahlen- und Chemotherapien", sagt Coy.
Dass Menschen hochentwickelter Zivilisationen an Krebs erkranken, ist Wissenschaftlern zufolge eine
Begleiterscheinung des veränderten Essverhaltens. "Der Stärkeanteil in der Nahrung hat sich massiv verändert
und das macht uns anfälliger für Krebs", sagt Coy. Schuld hat das TKTL1-Gen. Es schützt einerseits Krebszellen,
aber es war auch der entscheidende Faktor für die Weiterentwicklung des Gehirns und seiner Leistungsfähigkeit.
Krebszelle vergärt Zucker zu Milchsäure
Vor 17 Jahren hat Coy dieses Gen entdeckt. Er führte zu der Zeit Studien am Deutschen Krebsforschungszentrum
in Heidelberg durch. 2005 gelang ihm der Nachweis für einen entscheidenden Unterschied: Die Tumorzelle
gewinnt ihre Energie wie die normale Zelle durch Verbrennung von Fett, Zucker, Eiweiß. Und zwar in kleinen
Zellkraftwerken, den sogenannten Mitochondrien. Die Krebszelle aber schaltet um, sie lebt nur noch von Zucker,
den sie zur Milchsäure vergärt. Daran sterben viele Betroffene, denn die Milchsäure zerstört das umliegende
Gewebe. Sie kann sich sogar noch in Knochen einätzen und dort Metastasen bilden.
Strahlentherapie: Kombiniert mit einer
Ernährungsumstellung ist sie wirkungsvoller, sagt Coy. (Foto: picture alliance / dpa)
Rund 1,4 Millionen Menschen leiden in Deutschland derzeit an Krebs. Fieberhaft fahnden Forscher nach
Ursachen und Behandlungsmethoden. Wie und warum bösartige Tumore entstehen, darüber ist noch zu wenig
bekannt, weshalb auch Behandlungen immer noch zu oft fehlschlagen. Hat Coy nun den Schlüssel zur
Bekämpfung gegen die tödliche Krankheit gefunden?
Ernährungswissenschaftler, Biologen und Mediziner halten den Ansatz für hoffnungsvoll. Denn wenn
Kohlehydrate und der daraus gebildete Zucker bösartige Krebszellen nährt und diese sich umso stärker
vermehren, je mehr Glukose im Blut ist, was passiert eigentlich, wenn der Mensch auf Zucker verzichtet? Könnte
der Mensch durch eine Diät den Tumor aushungern?
"Während einer Therapie erhöht eine Ernährungsumstellung die Wirksamkeit der Bestrahlung oder
Chemotherapie", sagt Coy. Viele Studien hätten gezeigt, dass bösartige Zellen dann angreifbarer für Strahlen- und
Chemotherapien waren.
Coys Ergebnisse nicht unumstritten
Die Schlussfolgerung, die Coy aus der Entdeckung des TKTL-1-Gens zieht, scheint einen gewissen Sprengstoff
zu bergen. Die Deutsche Krebsgesellschaft hat sich vom Coy-Prinzip distanziert. Eine spezielle Diät könne nicht
empfohlen werden, weil es noch keine wissenschaftliche Untersuchung gebe, die belege, dass eine derartige
Kostform mit den dazu verkauften Lebensmitteln einen Tumor verhindern oder zurückdrängen könne,
verlautbarten Ernährungsexperten der Deutschen Krebsgesellschaft in einer Stellungnahme. Manch ein Kollege
von Coy wettert gar, dass TKTL-1-Gen sei noch gar nicht funktionsfähig.
Was viele misstrauisch macht: Coy kooperiert mit Partnern aus der Industrie. Derzeit entwickelt er mit Partnern
Flüssignahrung für Krebspatienten in Krankenhäusern. Eine gar nicht mal schlechte Idee, denn in vielen Kliniken
werden solche neuen Ansätze nur unzureichend in die Praxis umgesetzt. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) fördert seine Untersuchungen. An der Uniklinik Tübingen will man die Flüssignahrung nun
einsetzen, es gibt also auch Wissenschaftler, die an die spezielle Anti-Krebs-Ernährung glauben.
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Auch am Universitätsklinikum Würzburg forschen Wissenschaftler unermüdlich zum Zuckerstoffwechsel von
Tumoren. Dort wurde in Studien nachgewiesen, dass Patienten vor allem auf eine ketogene Ernährung
ansprechen. Dabei handelt es sich um eine Diätform, bei der auf Kohlehydrate in der Ernährung ganz oder
teilweise verzichtet wird. Dafür setzt diese Ernährung gezielt auf Fett und Eiweiß. Reis, Nudeln oder Kartoffeln
werden komplett gemieden. Zum Frühstück gibt es Quark mit Früchten, mittags Rührei mit Speck, abends
Gemüse mit Fetakäse. Den Krebszellen würde durch diese spezielle Diät der Treibstoff entzogen.
Naturvölker als Ernährungsvorbild
Solche Erkenntnisse aus der Krebsforschung haben eine Flut von Ernährungsratgebern ausgelöst. Viele
Diätgurus sahen sich bestätigt, in den USA boomt der Hype um den Verzicht auf Kohlenhydrate. Anhänger der
Glyx- oder der Low-Carb-Diät fühlten sich bestätigt. Zeitweise hieß es sogar, dies sei eine Anti-Krebs-Diät. Selbst
Ernährungs-Ratgeber für Hunde oder Katzen sind inzwischen auf dem Markt.
Ulrich Strunz, Internist und Fitnesspapst, sieht das positiv. "Die oft hilflos zurückgelassenen Krebspatienten
können endlich selbst etwas tun", sagt er. Strunz verweist in seinem jüngst erschienen Buch "Das neue AntiKrebs-Programm" auf Coys Erkenntnisse. Wenn Strunz Ernährungsvorbilder nennt, kommt er wieder auf die
Naturvölker zurück. Die Eskimos seien ernährungstechnisch große Vorbilder. Viel Fisch, tierische Eiweiße, gute
Öle, frisches Obst und Gemüse sowie ausreichend Bewegung und Meditation sei die beste Prävention gegen
Krebs.
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