Lösung 1 - D-MATH

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Lineare Algebra
Prof. Richard Pink
D-MATH, HS 2014
Lösung 1
1. [Aufgabe]
Welche der folgenden Aussagen sind gültige Einwände gegen das Sprichwort
“Alles verstehen heisst alles verzeihen”?
a) Niemand versteht alles.
b) Ich verstehe die Eifersucht, aber ich kann sie nicht verzeihen.
c) Ich verstehe alles, aber die Eifersucht kann ich nicht verzeihen.
d) Niemand würde alles verzeihen.
e) Ich verzeihe die Eifersucht, obwohl ich sie nicht verstehe.
1. [Lösung]
Wir interpretieren das Wort “heisst” in “Alles verstehen heisst alles verzeihen”
im Sinne von “impliziert”.
Sei P die Menge der Personen und sei T die Menge der Taten und Fakten, die
es zu verstehen oder zu verzeihen gibt.
Die Aussage Z der Aufgabe heisst
∀P ∈ P : ∀t ∈ T, P versteht t −→ ∀t ∈ T, P verzeiht t .
(1)
Sei weiterhin
A := {P ∈ P | ∀ t ∈ T , P versteht t}
B := {P ∈ P | ∀ t ∈ T , P verzeiht t}.
Dann ist Z äquivalent zu
A ⊂ B.
(2)
Eine Aussage E ist ein gültiger Einwand gegen Z, wenn aus E die Negation von
Z folgt. Ein ungültiger Einwand ist gegeben, wenn man ein Beispiel angeben
kann, in dem Z und E zusammen erfüllt sind.
a) Die Aussage “Niemand versteht alles“ ist äquivalent zu der Aussage, dass
die Menge A leer ist. Im besonderen folgt, dass die Aussage (2) und damit
(1) immer gilt.
b) Sei P ∈ P die Person, die den Einwand E vorbringt. Aus “Ich verstehe die
Eifersucht“ folgt zwar, dass es ein Element aus T gibt, welches P versteht,
es folgt jedoch nicht, dass P alles versteht. Für ein Beispiel, in dem sowohl
der Einwand E als auch die Aussage Z wahr ist, nehme an zusätzlich an,
dass es für jede Person (also auch P ) etwas gibt, was sie nicht versteht.
Dann ist die Menge A leer und sowohl Z als auch E gelten. Es folgt, dass
E kein gültiger Einwand ist.
c) Die Aussage “Ich verstehe alles“ impliziert, dass der Sprecher P in der
Menge A ist. Aus der Aussage “die Eifersucht kann ich nicht verzeihen“
folgt, dass ein t ∈ T existiert, welches P nicht verzeiht. Die Gesamtaussage
impliziert deshalb die Negation von (1), nämlich
∃P ∈ P : ∀t ∈ T : P versteht t ∧ ∃t ∈ T : ¬(P verzeiht t) .
d) Die Aussage ist äquivalent zu der Aussage, dass B leer ist. Dies ist kein
Widerspruch zu (2), da zum Beispiel auch die Menge A leer sein kann.
e) Aus der Aussage “obwohl ich [die Eifersucht] nicht verstehe“ folgt, dass
es ein t ∈ T gibt, dass der Sprecher P nicht versteht. Im besonderen gilt
P ∈
/ A. Wenn wir also beispielsweise zusätzlich annehmen, dass A leer
ist, gilt sowohl E als auch Z. Es ist deshalb kein gültiger Einwand zu Z
gegeben.
2. [Aufgabe] Wählen Sie selbst eine Aussage mit mindestens 3 Quantoren aus
dem täglichen Leben (am besten aus einem völlig anderen Bereich — es soll
ja auch Spass machen). Drücken Sie sie einmal nur in Worten und einmal in
logischen Symbolen aus. Tun Sie dasselbe mit der Negation der Aussage. Geben
Sie ein Beispiel dafür, welche nicht äquivalente Aussage herauskommen kann,
wenn Sie die Reihenfolge der Quantoren oder die Klammerung verändern.
2. [Lösung] Als Beispielsatz verwenden wir
Keiner kann immer alles wissen.
In Quantoren,
¬(∃P ∈ P : ∀t ∈ T ∀y ∈ Y : Weiss(P, y, t)),
wobei P die Menge der Personen, T die Menge aller Zeitmomente, Y die Menge
aller Fakten und Weiss(P, y, t) für die Aussage steht, dass P zur Zeit t y kennt.
Dies ist äquivalent zu
∀P ∈ P : ∃t ∈ T ∃y ∈ Y : ¬Weiss(P, y, t)).
Die Negation ist
∃P ∈ P : ∀y ∈ Y ∀t ∈ T : Weiss(P, y, t),
d.h. es gibt jemanden der alles jederzeit weiss.
Nach einer Vertauschung der Quantoren, zum Beispiel
∀t ∈ T ∀y ∈ Y @P ∈ P : Weiss(P, y, t),
erhalten wir die Aussage
Keiner weiss jemals überhaupt irgendetwas.
3. [Aufgabe] Zeigen Sie die Äquivalenz der Aussagen A → B und ¬B → ¬A mit
Hilfe einer Wahrheitstafel. Geben Sie ein Beispiel für diese Äquivalenz aus dem
täglichen Leben.
3. [Lösung] Wir vergleichen die Wahrheitstafeln; dabei steht ‘w‘ für wahr und ‘f‘
für falsch. In beiden betrachteten Fällen erhält man:
AB
w
f
w
w
w
f
f
w.
Ein Beispiel: “Wenn es regnet, wird der Rasen nass.“ Dies ist äquivalent zu der
Überlegung: “Wenn der Rasen nicht nass ist, kann es nicht regnen.“
4. [Aufgabe] Prüfen Sie, welche der folgenden Aussagen wahr sind:
a) Für alle x ∈ ∅ folgt x ∈ N.
b) Für alle x ∈ N folgt x ∈ ∅.
c) Für alle x ∈ ∅ existiert ein y ∈ ∅ sodass (x, y) ∈ ∅.
d) Für alle x ∈ N existiert ein y ∈ ∅ sodass (x, y) ∈ N.
d) Für alle x ∈ ∅ und für alle y ∈ N, {x, y} * ∅ ∪ N.
4. [Lösung]
a) Wahr, da ∅ keine Elemente enthält. Aus dem gleiche Grund ist ∅ in jeder
Menge enthalten.
b) Die Menge N enthält zum Beispiel das Element 1, welches nicht in ∅
enthalten ist.
c) Die Aussage ist wahr, da ein x ∈ ∅ nicht existiert.
d) Falsch, da zwar ein x ∈ N, aber kein y ∈ ∅ existiert.
e) Wahr aus dem selben Grund wie c).
5. [Aufgabe]
a) Übersetzen Sie die folgende Aussage in formelfreie Sprache:
(A ⊂ N) ∧ (∀x ∀y (x ∈ A ∧ y ∈ A) → x + y ∈ A).
Darauf geben Sie drei verschiedene Mengen A an, für die diese Aussage
gilt. Ist A := ∅ so eine Menge?
b) Gibt es eine Menge A, die
(A ⊂ N) ∧ (∀x ∀y (x ∈ A ∧ y ∈ A) → x + y ∈
/ A)
erfüllt? Gibt es eine maximale solche Menge (d.h. sie ist in keiner anderen Menge mit der gleiche Eigenschaft strikt enthalten)? Ist solch eine
maximale Menge eindeutig?
5. [Lösung]
a) Die Aussage übersetzt sich als “A ist eine Teilmenge von N, sodass die
Summe zweier beliebiger Elemente aus A wieder in A liegt.“ Beispiele sind
die leere Menge ∅, die ganze Menge N und auch alle Vielfachen einer Zahl
m ∈ N,
{mk | k ∈ N}.
b) Betrachte die Aussage
T := (A ⊂ N) ∧ (∀x ∀y (x ∈ A ∧ y ∈ A) → x + y ∈
/ A).
Eine einfaches Beispiel für eine Menge, die T erfüllt, ist A := {2}: Die
Summe 2 + 2 ist nicht in A. Auch die leere Menge ∅ ist ein Beispiel.
Sei U ⊂ N die Menge der ungeraden Zahlen.
Behauptung: Die Menge U erfüllt T und ist eine maximale Menge unter
den Mengen, die T erfüllen.
Beweis. Die Summe zweier beliebiger ungerader Zahlen ist gerade; deswegen erfüllt U die Aussage T . Nehme nun an, dass U ⊂ U 0 für eine strikt
grössere Menge U 0 , die T erfüllt. Dann existiert ein y ∈ U 0 \ U . Wenn
y = 0, dann y + y = y, was ein Widerspruch zu T ist. Wenn y > 0,
dann ist y gerade und die Summe der zwei ungeraden Zahlen y − 1 und 1.
Dieses ist ein Widerspruch zu T ist. Es folgt, dass keine solche Menge U 0
existieren kann und deshalb U maximal ist.
Wir zeigen, dass die Menge U nicht eindeutig ist. Sei die Menge V gegeben
durch
V := {m ∈ N | m ≡ 1 (mod 3)}.
Behauptung: Die Menge V erfüllt T und ist eine maximale Menge unter
denen, die T erfüllen.
Beweis. Seien m1 , m2 ∈ V zwei beliebige Elemente. Dann ist m1 + m2 ≡
2 (mod 3) und folglich kein Element von V . Das zeigt, dass V die Aussage T erfüllt. Um die Maximalität zu zeigen, nehme an, dass eine strikt
grössere Menge V ⊂ V 0 gegeben ist, die T erfüllt. Dann existiert ein
y ∈ V 0 \ V . Wir betrachten die Fälle y = 0, y ≡ 2(mod 3) und y ≡
0(mod 3). Im Fall y = 0 erhalten wir aus dem selben Grund wie oben
ein Widerspruch. Im Fall y ≡ 2(mod 3) is y die Summe der Zahlen y − 1
und 1, also die Summe zweier Zahlen in V ; dies ist ein Widerspruch. Im
Fall y ≡ 0(mod 3) ist y + 1 in V ist. Es folgt, dass zwei Elemente in V 0
existieren, deren Summe wieder in V 0 ist. Das ist ein Widerspruch.
Wir schliessen, dass die Menge U nicht eindeutig ist. Ein weiteres Beispiel
ist die Menge der Zahlen m mit m = 2 oder 3 (mod 5) und man kann
weitere Beispiele von solcher Form finden.
Alternativ folgt aus dem Zornschen Lemma, dass eine maximale Menge
existiert, welche die Menge {2} enthält. Da {2} und U nicht ineinander
enthalten sind, kann man daraus auf die Existenz einer zweiten maximalen
Menge schliessen.
6. [Aufgabe] Formulieren Sie die Aussagen “es gibt keine grösste natürliche
Zahl“ und “für jede natürliche Zahl n gibt es eine strikt grössere natürliche
Zahl“ in Prädikatenlogik. Zeigen Sie durch Umformung in Prädikatenlogik
die Äquivalenz beider Aussagen.
6. [Lösung] “Es gibt keine grösste natürliche Zahl“ heisst in Formelsprache,
¬(∃m ∈ N : ∀n ∈ N : m ≥ n).
“Für jede natürliche Zahl n gibt es eine strikt grössere natürliche Zahl“
heisst
∀ m ∈ N ∃n ∈ N : n > m.
Wir formen um,
¬(∃m ∈ N : ∀n ∈ N : m ≥ n)
⇐⇒ ∀m ∈ N : ¬(∀n ∈ N : m ≥ n)
⇐⇒ ∀m ∈ N : ∃ n ∈ N : ¬(m ≥ n)
⇐⇒ ∀m ∈ N : ∃ n ∈ N : n > m.
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