05 VL WS 0405 Lerntheoretische und kognitive Modelle

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Klinische Psychologie I
WS 04/05
Lerntheoretische und
kognitive Modelle
22.11.2004
Prof. Dr. Renate de Jong-Meyer
Entwicklung der klassischen Lerntheorien
Thorndike versteht unter LERNEN die Bildung von
Assoziationen zwischen Situationen und Reaktionen
durch einen Organismus.
Merkmale solcher Verknüpfungen / Assoziationen:
• Sie folgen dem Gesetz des Effekts:
– S-R-Verknüpfungen werden durch befriedigende Effekte verstärkt.
– S-R-Verknüpfungen werden durch mangelhafte Effekte
geschwächt.
• Zusammengehörige Verbindungen werden leichter
gelernt.
• Die Bildung von Assoziationen führt zu Erwartungen
über Effekte von Reaktionen.
Klassische Konditionierung
Definition:
Verallgemeinert beinhaltet der Prozess der
klassischen Konditionierung, dass nach einem
mehrmaligen gemeinsamen Auftreten eines
unkonditionierten Reizes (US) mit einem neutralen
Reiz die Person/das Versuchstier lernt, dass der
vormals neutrale Reiz einen Hinweis auf den US
darstellt.
Dieser Lernprozess führt dazu, dass der neutrale
Reiz zu einem konditionierten Reiz (CS) wird und
die vorher unkonditionierte Reaktion (UR) durch
den CS ausgelöst werden kann (konditionierte
Reaktion; CR).
Klassische Konditionierung
Drei Gruppen von Variablen sind bei der Bildung
konditionierter Reaktionen wichtig:
1.
Somatischer Zustand des Organismus
–
–
–
2.
Zeitliche Beziehung zwischen US und CS
–
–
–
–
3.
Abwesenheit pathologischer Faktoren
Motivationale Bedingungen (Futter nur US, wenn hungrig)
Prinzipielle Ausstattung des Nervensystems
Simultane (US und CS gleichzeitig)
Verzögerte (CS vor und während US)
Spurenkonditionierung (Pause zwischen CS und US)
Rückwärtskonditionierung (CS setzt nach US ein)
Merkmale der Reize selber
–
–
Reize, die starke Orientierungsreaktion auslösen oder
biologisch primär bedeutsam sind, eignen sich nicht als CS
Funktion des konditionierten Stimulus kann nur von den
schwächeren Stimuli übernommen werden.
Operante Konditionierung
Definition:
Instrumentelle oder operante Konditionierung
bedeutet, dass Verhaltensweisen oder
physiologische Reaktionen häufiger auftreten,
wenn diesen Reaktionen ein verstärkender Reiz
folgt.
Aufgrund unterschiedlicher Verstärker (negative
oder positive Verhaltenskonsequenzen) gibt es vier
verschiedene Formen des instrumentellen Lernens.
Operante Konditionierung:
Formen des instrumentellen Lernens
Positiver
Stimulus C+
Negativer
Stimulus C-
Darbietung
Entfernung
Positive
Verstärkung
Löschung
Folge: R↑
Bestrafung
Folge: R↓
Folge: R↓
Negative
Verstärkung
Folge: R ↑
Schema klassische und operante Konditionierung
(Somatischer Zustand,
Schwäche; Unfall)
US
UR
(= erste somatische
Reaktionen, Übelkeit etc.
(Enge des Raumes,
situative Merkmale, z.B.
Geruch
CS
CR
(= kond. somat.
Reaktionen, Angst usw.
CS
(= Hinweisreiz für Gefahr)
R
C+
Reaktion
Verstärker
Verstärkerpläne
•
Partielle Verstärkung:
Die Verstärkung erfolgt nicht kontinuierlich, sondern intermittierend.
•
Quotenplan:
Bestimmte Verstärkerquote; variabel oder fixiert möglich.
•
Intervallplan:
Verstärkung nach bestimmtem Zeitintervall; variabel oder fixiert
möglich.
Intermittierend verstärktes Verhalten ist besonders
löschungsresistent.
In der Therapie lassen sich Verstärker für ein durch
partielle Verstärkung ausgeformtes Verhalten kaum
noch herausfinden.
Entwicklungen, die die Theorienbildung
von Hull ausgelöst hat
Hull steht für Formalisierung und Rückgriff auf intervenierende Variablen.
Vermittelnde interne Zustände (biologisch-evolutionär
begründet) sind Bindeglieder unterschiedlicher
Lernprinzipien.
•
•
•
•
•
Spence: Belohnungs-Anreiz-Theorie
Dollard & Miller (1950):
Beschreibung und Erklärung psychotherapeutischer
Prozesse auf Basis der Hull‘schen Lerntheorie.
Joseph Wolpe (1958):
Entwicklung der Systematischen Desensibilisierung.
Mowrer (1960): Zwei-Faktoren-Theorie des Lernens
Solomon (1960): Zwei-Prozess-Theorie
Schematische Darstellung der
Zwei-Faktoren-Theorie von Mowrer
US
UR
(= Schmerz-Furcht-Reaktion)
CER
(= konditionierte emotionale
Reaktion / Angstreaktion)
(Aversive
Situation)
CS
(Kond.
Reaktion)
Wird zum internalen Auslöser für:
R
CS-
(= Flucht- bzw. Vermeidungsreaktion)
(= Beendigung bzw. Wegfall der
kond. aversiven Situation /
negative Verstärkung von R)
Zwei-Prozess-Theorie von Solomon
Ausgangspunkt:
Trennung des klassischen und operanten
Konditionierens in zwei Lernprozesse.
•
•
Die Gesetze des klassischen Konditionierens sind die Gesetze
des emotionalen Konditionierens oder die Gesetze erworbener
Triebzustände.
Instrumentelle Reaktionen werden durch konditionierte
emotionale Zustände (also innere Stimuli) ausgelöst und
verstärkt (und nicht durch Reaktionen des Individuums wie
bei Mowrer).
Interaktion von klassischem und operantem Konditionieren:
Konditionierte emotionale Zustände bilden interne
Stimuli für die Auslösung instrumentellen Verhaltens.
Gründe gegen eine Trennung klassischer
und operanter Konditionierung
•
Weder das klassische noch das instrumentelle
Konditionieren lassen sich experimentell in reiner Form
demonstrieren.
•
Instrumentelle Konditionierung autonomer Reaktionen
ist möglich → Konditionierungsarten können nicht auf
unterschiedliche Reaktionssysteme zurückgeführt
werden.
•
Ergebnis der klassischen Konditionierung besteht
üblicherweise nicht nur in einer, sondern in
unterschiedlichen Reaktionen.
•
Lernen ist ein komplexer und heterogener Prozess, der
jeweils mehrere Ebenen beinhalten kann (z.B. das
Lernen von Erwartungen).
Bedeutung der sekundären Verstärkung
•
Funktion der Überbrückung von Zeiträumen ohne
primäre Verstärkung.
•
Erklärung, warum Verhaltensketten ausgeführt
werden, bei denen nur das letzte Glied verstärkt
wird.
•
Beispiel für die Bedeutung in Störungsquellen:
Drogenabhängigkeit.
Generalisierung und Diskrimination
•
Generalisierung
Bis zu einem Gewissen Grad reagiert der
Organismus auf ähnliche Stimuli mit derselben
Reaktion.
•
Diskrimination
Mit der Anzahl der Darbietung ähnlicher Situationen
lernt das Individuum allerdings auch, geringe
Unterschiede in den einzelnen Situationen
wahrzunehmen.
Erst das präzise Zusammenspiel von
Generalisierung und Diskrimination bewirkt die
Flexibilität unseres Verhaltensrepertoires.
Theorien zur Erklärung von Löschung
•
Hemmungstheorie
•
Generalisierungsabnahme
•
Interferenztheorie
•
Frustrationstheorie
•
Erwartungstheorie
Weiterentwicklungen der klassischen Lerntheorien
•
Biologisch-evolutionäre Einbettung von
Lernprozessen
•
Modell der Inkubation von Angst
•
Soziale Lerntheorien
Preparedness-Theorie von Seligman
•
Gewisse Verknüpfungen zwischen Stimuli werden
leichter erlernt als andere.
•
In Situationen, die eine biologisch-evolutionäre
Bedeutung haben, entwickelt der Organismus sehr
schnell stabile Vermeidungsreaktionen.
Charakteristika einer kognitiv-sozialen
Lerntheorie nach Mischel (1973)
•
Konstruktive Fähigkeiten des Individuums
•
Fähigkeit zur Informationsverarbeitung
•
Fähigkeit zur Bildung von Erwartungen
•
Subjektive Bewertung von Situationen
•
Selbstregulation und planvolles Handeln
•
Interaktion zwischen Verhalten und Situationen
Kognitive Voraussetzungen
kognitiver Lerntheorien
•
Gedächtnisstruktur
•
Bildung von Symbolen
•
Aufstellen von Regeln
•
Mechanismen der Transformation
Inkubation von Angst
Bedingungen für das „Umkippen“ der Löschung im
Prozess der Inkubation:
•
Die konditionierte Reaktion hat zugleich Stimulusund Triebcharakter und verstärkt deshalb den CS.
•
Sehr kurze Darbietung des CS verhindert die
Löschung der CR.
•
Introvertierte zeigen eine Tendenz zur Inkubation;
Extravertierte eine Tendenz zur Löschung.
Merkmale des Handlungsbegriffes, die über
den Verhaltensbegriff hinausgehen
•
Zielgerichtetheit
•
Zweckhaftigkeit
•
Bewusstheit
TOTE-Modell (Miller et al. 1960)
Prüfphase
Inkongruenz
Handlungsphase
Kongruenz
Selbstregulations- bzw. Selbstkontrollprozesse
nach Kanfer et al. (1970)
•
Selbstbeobachtung der eigenen Verhaltensweisen
•
Selbstbewertung:
•
Selbstverstärkung für das Erreichen dieser Kriterien
Setzen eigener Standards/
Kriterien für Verhaltensweisen.
Modell-Lernen
Viele Verhaltensweisen und physiologische
Veränderungen werden nicht durch die direkte
Erfahrung von klassischen und operanten
Konditionierungsprozessen gelernt, sondern können
auch durch Modell-Lernen bzw. Lernen durch
Beobachtung erworben werden.
Prozesse beim Modell-Lernen:
• Aufmerksamkeitsprozesse
• Behaltensprozesse
• Symbolische Codierungsprozesse
• Motorische Reproduktionsprozesse
• Motivationale Prozesse
Literaturhinweise:
H. Reinecker (1987): Grundlagen der Verhaltenstherapie (Kap. 3). München: Psychologie VerlagsUnion
Rief, W. & Nanke, A. (2002). Psychologische
Grundkonzepte der Verhaltensmedizin. In U. Ehlert,
Verhaltensmedizin (S. 95-132). Berlin: Springer
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