Der frische Salat aus der Dunkelkammer

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oliv ∫ Reportage
Der frische Salat aus der
Dunkelkammer
Chicorée zählt zu den beliebtesten Wintersalaten. Die Biogemüsegärtner Regula und
Niklaus Bolliger-Flury wissen, worauf es bei
der Produktion ankommt. David Eppenberger
oliv 3/2016
E
s lässt sich nur erahnen, welch buntes Treiben auf
dem Biohof Rigi in Hessigkofen ab Frühlingsanfang herrscht: Wenn die frischen Salate auf den
Feldern spriessen, die Bienen sich an den Apfelblüten
gütlich tun oder Regula und Niklaus Bolliger-Flury ihre
selbstgezogenen Tomatensetzlinge pflanzen. Doch auch
während der «Winterruhe» hat der Betriebsleiter Arbeit.
Der Blick von aussen in die warme Stube des traditionellen Bauernhauses zeigt ihn gerade beim Beurteilen von
Apfelsorten; leidenschaftlich züchtet Niklaus Bolliger
neue Sorten, die sich für den biologischen Landbau eignen. Doch das wäre eine andere Geschichte ...
Regula und Niklaus
Bolliger-Flury
arbeiten seit über
30 Jahren auf dem
Bio-Suisse- und Demeter-zertifizierten
Biohof Rigi nach den Grundsätzen des
biologisch-dynamischen Landbaus. Auf
einer Fläche von 15 Hektar bauen sie
Gemüse und Obst an und halten Mutterkühe, Schafe und Hühner. Alle Hofprodukte vermarkten sie direkt auf dem
Wochenmarkt und im Abo. Die beiden
diplomierten Agronomen ETH bilden
jedes Jahr zwei Lehrlinge aus. Von den
vier Kindern wird voraussichtlich niemand den Betrieb übernehmen, darum
wird bereits an einer ausserfamiliären
Hofübergabe gearbeitet.
www.biohof-rigi.ch / www.demeter.ch
Salat aus der Dunkelkammer
Auf dem nach biologisch-dynamischen Prinzipien geführten Betrieb ist Regula Bolliger-Flury für den Gemüseanbau verantwortlich. Auf 2 Hektar pflanzt sie eine
schier unglaubliche Vielfalt von Gemüsesorten an, darunter auch eher exotische wie Artischocken oder den
mit ihnen verwandten Kardy. Heute sind wir jedoch auf
Bio - Land Schweiz
© Bio Suisse
publireportage
Mensch und Natur im
Gleichgewicht
Mit der Landwirtschaft den Menschen eine gute Lebensgrundlage schaffen,
ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu beeinträchtigen – dafür
arbeiten die Bio-Knospe-Betriebe seit 35 Jahren. Stephan Jaun, Bio Suisse
B
io Knospe. Mensch, Tier
wirtschaftlichen Belangen auf ihren
Als Bio Suisse vor 35 Jahren ge-
und Natur im Gleich-
Betrieben den Hebel ansetzt.
gründet wurde, befassten sich die
gewicht», so lautet seit
Heute so produzieren, dass wir
Richtlinien hauptsächlich mit der
Herbst 2015 der Leitspruch von Bio
künftige Generationen nicht ein-
Frage, wie möglichst bodenscho-
Suisse, der Dachorganisation der
schränken: Vor 30 Jahren postulier-
nend und ohne chemisch-synthe-
Schweizer Biolandwirtschaft. Der
te die UNO mit dem Brundtland-Re-
tische Pestizide Getreide, Gemüse,
port erstmals das Kon-
Obst und Futter angebaut werden
zept der nachhaltigen
konnte. In einem zweiten Schritt
Entwicklung. Seither
dehnten die Knospe-Bauern – sie
ist Nachhaltigkeit zum
geben sich an zwei jährlichen
Modewort geworden,
Delegiertenversammlungen ihre
was aber seinem Inhalt
Richtlinien selbst – ihre Anforde-
keinen Abbruch tut. Im
rungen auch auf die Tierhaltung
Gegenteil, mit der nach
aus. Bald kamen Regelungen zum
wie vor wachsenden
Klimaschutz hinzu, zur Förderung
Weltbevölkerung und
der biologischen Vielfalt, zum
der steigenden Kauf-
Fairen Handel und zu Sozialstan-
kraft ist eine schonende
dards auf den Höfen. Kein Wun-
Nutzung unserer Res-
der zählen die Richtlinien von
sourcen Boden, Wasser
Bio Suisse heute zu den weltweit
und Luft noch dringen-
höchsten Biostandards. Über 6000
der geworden. Wer Bio
Schweizer Knospe-Produzenten
Verband betont damit, dass sich die
konsumiert, darf erwarten, dass da-
erfüllen diesen Standard und
Bio-Knospe von einem Ökolabel zu
rauf Rücksicht genommen wird, um
über 840 Knospe-Lizenznehmer
einer nachhaltigen Marke gewan-
die Interessen von Mensch, Tier und
verarbeiten Lebensmittel nach
delt hat, die auch in sozialen und
Umwelt im Gleichgewicht zu halten.
dem anspruchsvollen Regelwerk.
Immer mehr Biobauern: Claude
Peguiron aus Mex
VD war im letzten
Jahr der 6000ste
Bioproduzent.
oliv 3/2016
oliv ∫ Reportage
Brüsseler-Zapfen brauchen
Wasser und Dunkelheit, um
gut zu wachsen.
der Suche nach einer weiteren Spezialität, jener, die ausschliesslich in den
kühlen Monaten wächst und erst noch
nur bei absoluter Dunkelheit. Regula
Bolliger-Flury nimmt die Taschenlampe
und öffnet die Tür zur kleinen, gut isolierten Brüsseler-Treiberei. Dort stehen in einer
Kiste erntereife gelbweisse Zapfen, in einer
weiteren daneben nur Wurzeln. «Aus diesen wachsen in den nächsten Wochen
die Brüsseler-Zapfen heraus», erklärt die
Biogemüsegärtnerin. Schnell schliesst
sie die Tür wieder: «Zu viel Licht ist nicht
gut für den Brüsseler.» Bis der auch als
Chicorée bezeichnete Wintersalat auf
dem Markstand der Direktvermarkter
liegt, braucht es einiges. Auch deshalb
kultivieren ihn nur wenige Biogemüsegärtnereien in der Schweiz.
es begann mit dem Lehrling
Abgeschirmt in
der Kühlkammer,
treibt aus jeder
Chicorée-Wurzel
ein Zapfen.
Wie ist Regula Bolliger-Flury eigentlich auf den Chicorée gekommen?
Es begann mit einem Lehrling, der
sich im Rahmen der Ausbildung zum
biodynamischen Gemüsegärtner in
seiner Jahresarbeit dem BrüsselerAnbau widmete. Er testete auf dem
Biohof Rigi verschiedene Anbauverfahren aus. «Das Verfahren mit den
Wurzeln nur im Wasser ohne Erde
funktionierte am besten», sagt sie. Es
Vom Kaffee
zum Salat
geht beim Brüsseler also zuallererst um die Wurzel. Die
Samen sät die ausgebildete Agronomin im Mai direkt auf
dem Acker aus. Die im November geernteten Wurzeln
müssen anschliessend im Kühlraum mindestens zehn
Tage bei Temperaturen zwischen 1 und 2 Grad heruntergekühlt werden. «So simulieren wir eigentlich den
Winter», erklärt sie weiter. Diese Ruhephase brauche
die Wurzel, damit aus ihr innerhalb von zwei bis drei
Wochen der Zapfen austreibt. Das sei auch der Grund,
warum die eigentliche Brüsseler-Saison auf dem Biohof
Rigi erst so richtig an Weihnachten beginnt. Vorher sei es
eher schwierig. In den ersten Frühlingswochen wüchsen
Chicorée – auch Brüsseler genannt – stammt von
der Wegwarte ab. Er wurde erstmals Mitte des
19. Jahrhunderts in Brüssel als Treibchicorée
vermarktet. Die dort als
Witloof (Weisses Laub)
bekannten Zapfen waren schnell auch im Ausland beliebt, vor allem in Holland und
Frankreich. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Wurzel vor
allem von ärmeren Leuten noch als Kaffee-Ersatz geröstet.
sie dann deutlich besser: «Offenbar spürt die Pflanze den
Frühling – trotz Dunkelkammer und Kälte.»
Aus der Wurzel wächst der Zapfen
Die Wurzeln lagern in den Kühlräumen, die mit allerlei
Lagergemüsen noch prall gefüllt sind. Diese Ware brauchen die Bolligers; schliesslich gehen sie auch im Winter
Bio - Land Schweiz
oliv ∫ Reportage
jeden Samstag auf den Wochenmarkt
Wöchentlich holt Regula Bolliger-Flury
nach Solothurn und füllen zusätzlich
neue Wurzeln aus dem Kühler, um bis
jede Woche über 50 Gemüsesäcke ab,
zum Frühling regelmässig ernten zu kön-
die sie im Abonnement an ihre Kund-
nen. Pro Winter sind es über 1000 Zapfen.
schaft verkaufen.
Die Wurzeln schneidet sie bis auf eine
Länge von etwa 20 cm ab und stellt sie
nebeneinander in die Kiste. «Für jeden
Zapfen braucht es nur eine Wurzel.» In der
Dunkelkammer wird die Kiste mit Wasser gefüllt. Dann gehe es von selbst, sagt
die Biogemüsegärtnerin: «Unser Brüsseler
braucht jetzt nur noch Temperaturen zwischen 12 und 16 Grad sowie Dunkelheit.»
Der Zapfen bezieht alle für das Wachstum
benötigten Nährstoffe aus der Wurzel.
Mutterkühe liefern Dünger
«Haben Sie gewusst, dass man sogar die
Brüsseler-Wurzel essen kann?», fragt uns
NÄhrstoffreiche Diät
Niklaus Bolliger, der seine Äpfel gerade für
eine Kaffeepause verlassen hat und sich
zu uns gesellt. Ein Marktkunde habe ihn
auf die Idee gebracht, die Wurzeln nach
der Ernte der Zapfen zu schälen und zu
Der Chicorée gehört zur Familie der Korbblütler und ist verwandt
mit Cicorino, Endivie, Radicchio und Zuckerhut. Er ist kalorienarm, sehr leicht verdaulich und enthält eine ganze Reihe wertvoller Mineralstoffe wie Kalium, Phosphor, Calcium, Magnesium,
Natrium und Eisen sowie die Vitamine B1, B2, B3 und C.
dämpfen. «Und siehe da: Es schmeckte
ausgezeichnet!» Die meisten abgeernte-
Weil der Brüsseler Inulin enthält, gilt er als Diabetikerdiät. Sehr
gesund sind die Bitterstoffe (vorwiegend Intybin), die den Blattknospen ihr typisches Aroma verleihen. Sie regen auch die Gallenblase und die Bauchspeicheldrüse an.
Nach dem Einkauf wird der Chicorée bis zum Konsum am besten vor Licht geschützt im Kühlschrank aufbewahrt. Im Licht
verfärben sich die äusseren Blätter nämlich schnell grün und
der Gehalt an Bitterstoffen nimmt spürbar zu. Heute wird der
Chicorée-Zapfen meistens roh als Salat gegessen, er lässt sich
aber auch dünsten.
Wer den bitteren Geschmack des Chicorées nicht mag, schneidet
den Strunk keilförmig heraus, da sich in diesem besonders viele
Bitterstoffe befinden. Wem die Angelegenheit dann immer noch
zu bitter ist, kann die Blätter für ein paar Minuten in lauwarmes Salzwasser oder in Milch einlegen. Der bittere Geschmack
wird somit abgeschwächt, allerdings verlieren die Bitterstoffe
dadurch auch ihre positive Wirkung auf die Gesundheit.
Im biologischen Anbau wird Chicorée von November bis Mai in
der dunklen Treiberei geerntet. Die eigentlichen Wurzeln treiben
nur einmal aus. Auch sie können gedünstet und in der Küche
verwertet werden. Oft werden die abgeernteten Wurzeln jedoch
einfach an das Vieh verfüttert.
Regula Bolliger-Flury hat den Bio-Brüsseler im Griff.
ten Wurzeln verfüttert er aber an seine
sieben Mutterkühe und zehn Schafe. Die
Tiere halten die Bolligers nicht nur für
die Fleischproduktion, sondern vor allem
auch als Düngerlieferant für die Gemüsefelder. Biobauern ist es wichtig, dass die
Nährstoffkreisläufe auf dem Betrieb möglichst geschlossen bleiben. Für das überzeugte Demeter-Paar ist das Ehrensache.
Die Kundschaft auf dem Wochenmarkt
dankt es ihnen mit langjähriger Treue.
oliv 3/2016
publireportage
Foto: Bio Suisse, Flavia Müller
Heizt mein Kopfsalat
das Klima auf?
Karin Nowack
Ist Umweltnaturwissenschafterin ETH
und arbeitet bei Bio
Suisse in der Unternehmenskommunikation
und in Nachhaltigkeitsprojekten. Sie beantwortet Ihre Fragen zu
Biolebensmitteln.
Sind bei Bio Suisse geheizte Gewächshäuser erlaubt?
Karin Nowack: Bio Suisse-Betriebe dürfen nicht
isolierte Gewächshäuser in der kalten Jahreszeit
nur frostfrei halten. Frostfrei bedeutet eine Maximaltemperatur von fünf Grad Celsius, ausser bei
gut isolierten Gewächshäusern zehn Grad Celsius.
Für die Anzucht von Jungpflanzen, für Sprossen,
Zierpflanzen und Treibereikulturen wie etwa Chicorée-Arten, Schnittlauch oder Rhabarber, ist eine ganzjährige Beheizung möglich, sofern das Gewächshaus
gut isoliert ist. Mit diesen Richtlinien zur Energieeffizienz
tragen Knospe-Bauern zum Klimaschutz bei.
Ist der schon jetzt – Anfang März – angebotene Schweizer
Bio-Knospe-Kopfsalat wirklich aus ungeheizten Gewächshäusern? Gemäss Saisontabelle sollte er frühestens im
April kommen.
Beim Saisonkalender von Bio Suisse ist Kopfsalat ab
März aufgeführt. Denn durch die zunehmende Tageslänge ab Januar heizen sich die Gewächshäuser so gut
Biolandbau fördert Klimaschutz
selber auf, dass Kopfsalat ordentlich wächst. Sie können
Dem Klima zugute kommen etwa der Verzicht auf
energie-intensive Pestizide und Kunstdünger, die
Erhaltung und Förderung der fruchtbaren Humusschicht des Bodens, das Verbot von Torfeinsatz
oder dass man Knospe-Produkte nicht auf gerodeten
Urwaldflächen produzieren darf. Weitere Informationen finden Sie unter www.bio-suisse.ch ->
Konsumenten -> Nachhaltigkeit -> Klima
also mit gutem Gewissen Knospe-Kopfsalat im März kaufen.
Crash-Kurs Biolebensmittel
Topfkräuter gedeihen im Bioanbau in Töpfen mit echter
Für alle, die mehr über die Qualität und Herstellung
von Biolebensmitteln wissen möchten. Am Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Frick AG. Am
09.03.2016, ganzer Tag. Mit Regula Bickel (FiBL,
Kursleitung), und Karin Nowack. Mehr Infos unter
www.bioaktuell.ch -> Agenda
Den Saisonkalender finden Sie auf unserer Website.
Gibt es im Biolandbau Hors-Sol-Anbau?
Nein, im Biolandbau ist der Hors-Sol-Anbau nicht erlaubt.
Biogemüse wächst immer in natürlichem Boden. Ausser
Pilze – die wachsen naturgemäss auf Holz, Stroh oder
Substrat aus pflanzlichen Materialien. Jungpflanzen und
Erde, aber ohne Kontakt zum gewachsenen Boden. Mehr
Informationen über den Anbau von Knospe – Gemüse
finden Sie auf unserer Website www.bio-suisse.ch ->
Konsumenten -> Knospe-Produkte -> Früchte und Gemüse
Haben Sie auch eine Frage zu Bioprodukten?
Schreiben Sie uns an [email protected]
www.bio-suisse.ch
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