Kapitel 20 Vektoranalysis und Integralsätze 20 20 20 20.1 20.1.1 20.1.2 20.2 20.2.1 20.2.2 20.3 20.4 20.5 20.6 Vektoranalysis und Integralsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Divergenz und Satz von Gauß ................................... Die Divergenz....................................................... Gaußscher Integralsatz ............................................ Rotation und Satz von Stokes................................... Die Rotation ........................................................ Stokescher Integralsatz ........................................... Rechnen mit Differenzialoperatoren ............................ Anwendung: Die Maxwellschen Gleichungen ................. Zusammenstellung der MAPLE-Befehle ....................... Aufgaben zur Vektoranalysis..................................... 1160 1160 1160 1164 1168 1168 1173 1175 1182 1185 1186 20 Vektoranalysis und Integralsätze Die Vektoranalysis spielt bei der Beschreibung physikalischer Gesetzmäßigkeiten in der Mechanik und der Elektrodynamik eine grundlegende Rolle. Betrachtet werden Vektorfelder im IR3 v1 (x, y, z) ~v (x, y, z) = v2 (x, y, z) : ID ⊂ IR3 → IR3 . v3 (x, y, z) Ein Vektorfeld ordnet jedem Punkt P (x, y, z) des dreidimensionalen Raumes einen ~ (x, y, z), die magnetische Induktion B ~ (x, y, z) Vektor zu. Die elektrische Feldstärke E oder das Geschwindigkeitsprofil ~v (x, y, z) eines strömenden Mediums sind Beispiele für Vektorfelder. Physikalische Gesetze lassen sich durch Differenziation und Integration dieser Vektorfelder formulieren. Die Vektoranalysis behandelt Rechenoperationen mit Vektorfeldern: Für die Differenziation werden neben dem Gradienten noch zwei weitere, grundlegende Operationen benötigt, die Divergenz und die Rotation. Für die Integration werden die sog. Integralsätze von Gauß und Stokes bereitgestellt. Die physikalische Bedeutung der Differenzialoperatoren wird durch die Interpretation der Integralsätze ersichtlich. Daher diskutieren wir den Begriff der Divergenz zusammen mit dem Satz von Gauß und die Rotation zusammen mit dem Satz von Stokes. Ein Vektorfeld ~v : ID ⊂ IR3 → IR3 heißt stetig bzw. (partiell) differenzierbar, wenn diese Eigenschaften für jede Komponente von ~v zutreffen. Im Folgenden seien die Vektorfelder immer stetig partiell differenzierbar. Neben den Vektorfeldern spielen auch skalare Funktionen (Skalarfelder) f (x, y, z) : ID ⊂ IR3 → IR eine Rolle, weil sich die Gradientenfelder als Gradient solcher skalaren Größen darstellen lassen ∂x f (x, y, z) grad f (x, y, z) := ∂y f (x, y, z) . ∂z f (x, y, z) Für grad(f ) findet man auch oft die Bezeichnung ∇f mit dem Nabla-Operator ∇. Die Integralsätze bilden eine Verallgemeinerung des Fundamentalsatzes der Differenzial- und Integralrechnung Z b f 0 (x) dx = f (b) − f (a) : a 1160 20. Vektoranalysis und Integralsätze Das bestimmte Integral im Intervall [a, b] wird berechnet, indem nur Funktionswerte am Rand von [a, b] benötigt werden. Die Integralsätze führen gewisse Gebietsintegrale auf Randintegrale zurück: Der Gaußsche Satz führt ein Volumenintegral auf ein Oberflächenintegral und der Stokesche Satz ein Flächenintegral auf ein Kurvenintegral zurück. 20.1 20.1 Divergenz und Satz von Gauß 20.1.1 Die Divergenz Sei ~v das Geschwindigkeitsfeld einer strömenden Flüssigkeit, das in einem Gebiet G ⊂ IR3 gegeben ist. O sei die Oberfläche des Gebiets. Nach dem Kapitel über Oberflächenintegrale gibt dann das Integral I I ~ = ~v ~n dA ~v dO (O) (O) ~ schreibt den Nettofluss der Flüssigkeit durch die Oberfläche O an. Statt dO man oftmals auch ~n dA, wenn ~n der nach außen gerichtete Normaleneinheitsvektor und dA das Flächenelement darstellt. Ist das Integral positiv, dann sagt man, im Gebiet G befinden sich Quellen, ist es negativ, befinden sich im Gebiet G Senken. Im Folgenden werden wir eine einfache Berechnungsmethode finden, wie durch geeignete Differenziation des Vektorfeldes ~v die Quellen berechenbar sind, ohne dabei das Oberflächenintegral auswerten zu müssen. Das Oberflächenintegral H ~ lässt nur eine globale Aussage im Sinne einer ~v dO (O) Gesamtbilanz über das ganze Gebiet G zu. Um eine lokale Aussage über die Eigenschaften des Geschwindigkeitsfeldes ~v in einem Punkt P zu erhalten, wählen wir um P ein Volumen V mit Oberfläche O und lassen das Volumen gegen Null gehen. Man nennt diesen Grenzwert die lokale Quellendichte oder Divergenz von ~v in P und schreibt: 1 div ~v |P = lim ∆V →0 ∆V I ~v ~n dA. (∗) (O) Zur Berechnung des Oberflächenintegrals setzen wir zur Vereinfachung der Notation den Punkt P in den Ursprung und wählen als Gebiet einen Quader mit Mittelpunkt P und den Kantenlängen 2 ∆x, 2 ∆y, 2 ∆z (siehe Abb. 20.1). Den Gesamtfluss der Masse aus dem Quader bilanzieren wir, indem wir den Fluss durch jeweils zwei gegenüberliegende Flächen bestimmen. Für den Fluss 20.1 Divergenz und Satz von Gauß 1161 Abb. 20.1. Fluss durch Fläche A1 und A2 durch die Flächen A1 und A2 gilt: ZZ ZZ Φz = ~v ~n1 dA1 + ~v ~n2 dA2 . (A1 ) (A2 ) 0 Die Fläche A1 bei z = −∆z hat die Normale ~n1 = 0 = −~e3 . D.h. −1 ~v ~n1 = −~v ~e3 = −v3 . Das Flächenelement ist dx dy (kartesische Koordinaten). Daher gilt mit −∆x ≤ x ≤ ∆x , −∆y ≤ y ≤ ∆y: ZZ Z ∆y Z ∆x ~v ~n1 dA1 = −~v ~e3 dx dy y=−∆y x=−∆x (A1 ) ∆y Z Z ∆x =− v3 (x, y, −∆z) dx dy . y=−∆y x=−∆x Analog erhält man für das zweite Oberflächenintegral an der Stelle z = ∆z ZZ Z ∆y Z ∆x ~v ~n2 dA2 = v3 (x, y, ∆z) dx dy . y=−∆y x=−∆x (A2 ) Somit gilt für die Summe Z ∆y Z ∆x Φz = (v3 (x, y, ∆z) − v3 (x, y, −∆z)) dx dy . −∆y −∆x Linearisiert man die Funktion v3 für kleine ∆z bezüglich der Variablen z v3 (x, y, ∆z) − v3 (x, y, −∆z) ≈ Z ∆y Z ∆x ⇒ Φz ≈ −∆y −∆x ∂ v3 (x, y, 0) · 2 ∆z ∂z ∂ v3 (x, y, 0) · 2 ∆z · dx dy . ∂z 1162 20. Vektoranalysis und Integralsätze Nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung in Abschnitt 8.2 kann die Funk∂ tion ∂z v3 (x, y, 0) aus dem Integral gezogen werden, wenn sie an einer geeigneten Zwischenstelle (ξ1 , η1 ) mit −∆x ≤ ξ1 ≤ ∆x und −∆y ≤ η1 ≤ ∆y ausgewertet wird ⇒ Φz ≈ ∂ v3 (ξ1 , η1 , 0) 2∆z 2∆x 2∆y . ∂z Entsprechende Ausdrücke erhält man für die beiden anderen gegenüberliegenden Seitenpaare Φx und Φy . Der Gesamtfluss aus dem Quader ist durch die Summe der Beiträge von Φx , Φy und Φz gegeben. Mit ∆V = 8 ∆x ∆y ∆z gilt somit 1 div ~v |P = lim (Φx + Φy + Φz ) 0 ∆V →0 ∆V = lim ∆V →0 · 1 8 ∆x ∆y ∆z 8 ∆x ∆y ∆z ∂v3 ∂v1 ∂v2 (ξ1 , η1 , 0) + (0, η2 , τ2 ) + (ξ3 , 0, τ3 ) ∂z ∂x ∂y mit −∆x ≤ ξ1 , ξ3 ≤ ∆x , −∆y ≤ η1 , η2 ≤ ∆y , −∆z ≤ τ2 , τ3 ≤ ∆z. Für ∆V → 0 ( d.h. ∆x → 0, ∆y → 0, ∆z → 0) streben alle Punkte im Quader gegen P0 . Insbesondere gilt für die Zwischenpunkte: ξ1 , ξ3 , η1 , η2 , τ2 , τ3 → 0. Man kann allgemein zeigen, dass der Grenzwert für jeden Punkt P des Definitionsbereichs des Vektorfeldes ~v existiert und unabhängig vom gewählten Gebiet (bzw. Oberfläche) ist: div ~v (x, y, z) = ∂v1 ∂v2 ∂v3 (x, y, z) + (x, y, z) + (x, y, z) ∂x dy ∂z ist die Divergenz des Vektorfeldes ~v im Punkte (x, y, z). Die Divergenz div ~v eines Vektorfeldes ~v gibt die lokale Quellendichte von ~v im Punkt P (x, y, z) an. Ist div ~v = 0, dann hat das Vektorfeld keine lokalen Quellen. Die Divergenz eines Vektorfeldes ~v ist kein Vektorfeld, sondern ein skalares Feld. 20.1 Divergenz und Satz von Gauß 1163 Beispiele CD.110: 2 x −yz ➀ Für ~v = y 2 − z x ist die Divergenz z2 − x y ∂v2 ∂v3 ∂v1 + + ∂x ∂y ∂z ∂ ∂ ∂ = x2 − y z + y2 − z x + z2 − x y ∂x ∂y ∂z = 2x + 2y + 2z div ~v = Im Punkte P (1, 3, 2) hat die Divergenz den Wert div ~v |P = 2 + 6 + 4 = 12 . ➁ Gesucht ist die lokale Quellendichte (=Ladungsdichte) ρ (x, y, z), welche 1 3 x + y 3 ~ = erzeugt: das elektrische Feld E (z + 1) y 2 z (x − y) + 2 z ~ ρ (x, y, z) = div E ∂ 1 3 ∂ ∂ = x +y + ( (z + 1) y) + z 2 (x − y) + 2 z ∂x 3 ∂y ∂z = x2 + (z + 1) + 2 z (x − y) + 2. Die Quellendichte ist im Ursprung ist ρ (0, 0, 0) = 3. Beispiel M.67 (Mit Maple-Worksheet). In Maple wird die Divergenz eines Vektorfeldes durch den Befehl Divergence berechnet, dabei wird neben dem Vektorfeld auch der Vektor der Variablen übergeben. Der Divergence-Befehl befindet sich im VectorCalculus-Paket. > with(VectorCalculus): > Efield:=VectorField(<1/3∗x+y, (z+1)∗y, zˆ2∗(x-y)+2∗z>, ’cartesian’[x,y,z]): > Divergence(Efield, [x, y, z]); x2 + z + 3 + 2 z (x − y) 1164 20. Vektoranalysis und Integralsätze 20.1.2 Gaußscher Integralsatz Sei G ⊂ IR3 ein beschränktes Gebiet, das in Teilgebiete Gk mit Volumina ∆Vk aufgeteilt ist, die jeweils die Punkte Pk enthalten. Die zum Teilgebiet Gk gehörende Oberfläche sei Ak . Dann ist der Fluss durch das Gebiet Gk I ∆V div ~ v | ≈ ~v ~n dA (k = 1, . . . , n) . k Pk Abb. 20.2. (Ak ) Grenzen zwei Teilgebiete Gk und Gl aneinander, so heben sich die Flüsse an benachbarten Flächen auf, da die nach außen gerichteten Normalen der gemeinsamen Flächen entgegengesetzt sind. Anschaulich bedeutet dies, dass der Fluss durch das Gebiet Gk und Gl durch Bilanzierung der äußeren Flächen bestimmt werden kann! Abb. 20.3. Fluss durch zwei angrenzende Gebiete Durch Summation über alle Teilgebiete erhält man I n X ~ div ~v |Pk · ∆Vk ≈ ~v dA k=1 (A) und nach Grenzübergang n → ∞ (d.h. beliebig feiner Unterteilung ∆Vk → 0): ZZZ I div ~v dV = ~v ~n dA . (V ) (A) Diese Integralbeziehung bezeichnet man als den Gaußschen Satz: Der Fluss eines Vektorfeldes ~v durch eine geschlossene Oberfläche A nach außen ist gleich dem Dreifachintegral über die Quellendichte div ~v in dem eingeschlossenen Volumen. 20.1 Divergenz und Satz von Gauß 1165 Gaußscher Integralsatz: (Divergenzsatz). Sei G ⊂ IR3 ein räumliches Gebiet mit Oberfläche A = ∂V . ~n sei die auf der Oberfläche A nach außen zeigende Normale der Länge 1 und ~v (x, y, z) ein Vektorfeld. Dann gilt ZZZ I div ~v (x, y, z) dV = ~v ~n dA . (V ) (∂V ) Beispiel CD.111. Gegeben ist das Geschwindigkeitsfeld ~v = [x − z, x3 + y z, −3 + y]. Gesucht ist der Fluss Φ durch die Kegeloberfläche mit Höhe h = 2 und Radius R = 2: I ZZZ Φ= ~v ~n dA = div ~v dV . (∂V ) Abb. 20.4. Kegel (V ) Die Divergenz div ~v des Geschwindigkeitsfeldes ist div ~v = ∂ ∂ ∂ (x − z) + x3 + y z + (−3 + y) = 1 + z . ∂x ∂y ∂z Führen wir Zylinderkoordinaten x = r cos ϕ y = r sin ϕ z=z ein, ist die Parametrisierung des Volumens (R = 2) ϕ-Integration z-Integration r-Integration Z 2π : : : Z 2 0 ≤ ϕ ≤ 2π 0≤z ≤R−r 0 ≤ r ≤ R. Z Abb. 20.5. bei gegebenem r, 2−r Φ= ϕ=0 Z r=0 2 = 2π r=0 2−r 1 z + z2 r dr 2 r=0 z=0 Z (1 + z) r dz dr dϕ = 2π z=0 1 4 r − 3 r + r3 2 2 2 dr = 4π. Beispiel (Mit Maple-Worksheet). Gegeben ist das elektrische Feld 1 M.68 3 x + y 3 ~ = z + 1 . Man berechne den elektrischen Fluss durch die KugeloberE x−y fläche mit Radius R. Der elektrische Fluss durch die Oberfläche ist nach dem 1166 20. Vektoranalysis und Integralsätze Gaußschen Integralsatz I ~ ~n dA = E Φ= ZZZ (A) ~ dV . div E (V ) Führen wir zur Beschreibung des Dreifachintegrals Kugelkoordinaten ein x = r cos ϕ cos ϑ, y = r sin ϕ cos ϑ, z = r sin ϑ, ist mit ~ = x2 = r2 cos2 ϕ cos2 ϑ div E das Volumenintegral ZZZ Z ~ div E dV = R Z r=0 (V ) π 2 Z ϑ=− π 2 2π r2 cos2 ϕ cos2 ϑ r2 cos ϑ dϕ dϑ dr . ϕ=0 Mit der Maple-Prozedur Drei Int (→ Kap. 11.2) berechnen wir das Dreifachintegral > Drei Int(rˆ4∗cos(phi)ˆ2∗cos(theta)ˆ3, > phi=0..2∗Pi, theta=-Pi/2..Pi/2, r=0..R, kugel); ZZZ ~ dV = 4 R5 π . ⇒ div E 15 (V ) Beispiele CD.112: ➀ Die Gesamtladung Q in einem räumlichen Gebiet V mit Oberfläche A ist bei einer Ladungsdichte ρ (x, y, z) gegeben durch ZZZ Q= ρ (x, y, z) dV . (V ) Der elektrische Fluss durch die Oberfläche A entspricht bis auf die Konstante ε0 der im Gebiet V eingeschlossenen Ladung I ZZZ ~ ~n dA = Q = ε0 E ρ (x, y, z) dV . (1) (A) (V ) Nach dem Gaußschen Integralsatz ist aber das Oberflächenintegral I ZZZ ~ ~ dV . Q = ε0 E ~n dA = ε0 div E (A) (V ) (2) 20.1 Divergenz und Satz von Gauß 1167 Durch die Gleichheit der Integrale (1) und (2) für jedes Volumen V folgt mit dem Mittelwertsatz der Integralrechnung die Gleichheit der Integranden ~ = ρ. ε0 div E Die Quellen des elektrischen Feldes stellen die Ladungsdichten dar. ➁ Da es keine magnetische Ladungen gibt, gilt für das Magnetfeld stets ~ =0. div B Zum Abschluss dieses Abschnitts sei noch notiert, dass der Gaußsche Integralsatz auch für ebene Gebiete sinngemäß gültig ist: Gaußscher Integralsatz in der Ebene. Sei G⊂ IR2 ein ebenes Gebiet v1 (x, y) mit der Randkurve C und ~v (x, y) := ein ebenes Vektorfeld, v2 (x, y) dann gilt ZZ I div ~v dx dy = ~v (~r(t)) ~n dt , (G) (C) x (t) wenn ~r (t) = eine Parametrisierung der Kurve C und ~n (t) = y (t) ẏ (t) der nach außen gerichtete Normalenvektor auf ~r 0 (t). −ẋ (t) 1168 20.2 20. Vektoranalysis und Integralsätze 20.2 Rotation und Satz von Stokes 20.2.1 Die Rotation Zur Bestimmung der lokalen Quellen eines Vektorfeldes wird der Divergenzbegriff eingeführt. Die Berechnung der Wirbel eines Vektorfeldes führt auf den Begriff der Rotation. Grob gesprochen bestimmt man die Quellen in einem Volumen, indem der Fluss durch seine Oberfläche berechnet wird. Um die Wirbel (Zirkulation) in einer Fläche A zu beschreiben, wird das Vektorfeld entlang der Randkurve C integriert. Divergenz = lokale Quellendichte Rotation = lokale Wirbeldichte Abb. 20.6. Divergenz und Rotation Sei ~v wieder ein Geschwindigkeitsfeld einer strömenden Flüssigkeit. C sei eine geschlossene Kurve um einen Punkt P . Dann ist das Linienintegral I I ~v d~r = ~v (~r (t)) · ~r 0 (t) dt (C) (C) ein Maß für die Zirkulation der Flüssigkeit in der Umgebung des Punktes P . Man beachte, dass ~r 0 (t) tangential zur Kurve C steht und somit ~v (~r (t)) · ~r 0 (t) die Komponente von ~v entlang der Kurve angibt. Um eine lokale Aussage am Punkte P zu erhalten, wählen wir eine Fläche A durch den Punkt P mit Randkurve C und dem Flächen-Normalenvektor ~n. (~n steht senkrecht zu A.) Die Orientierung von C und ~n seien so gewählt, dass sie eine Rechtsschraube bilden. Abb. 20.7. Fläche A mit Randkurve C und Normale ~ n 20.2 Rotation und Satz von Stokes 1169 Die Rotation (Wirbeldichte, lokale Zirkulation) des Vektorfeldes ~v in P ist ein Vektor rot ~v , dessen Komponente in Richtung ~n festgelegt ist durch ~n rot ~v := lim A→0 1 A I ~v d~r. (C) Durch geeignete Wahl der Fläche A erhält man alle Komponenten von rot ~v . Man kann unter gewissen Voraussetzungen zeigen, dass die Definition der Rotation unabhängig von der speziellen Wahl der Fläche A ist. Im Folgenden bestimmen wir in kartesischen Koordinaten rot ~v für ein Vektor vx feld ~v = vy . Dazu setzen wir voraus, dass die partiellen Ableitungen des vz Vektorfeldes ~v stetig sind. Wir betrachten als Punkt P den Ursprung und als Fläche A ein Rechteck mit Mittelpunkt P und Kantenlängen 2∆x bzw. 2∆y. Abb. 20.8. Zirkulation in z-Richtung Dann ist ~n = ~ez und ~n · rot ~v = (rot ~v )z die z-Komponente der Rotation. Das Linienintegral über die Randkurve C spaltet sich in vier Teilintegrale auf: Z ∆y Z ∆x 1 ( rot ~v )z = lim vx (t, - ∆y, 0) dt + vy (∆x, t, 0) dt ∆x,∆y→0 4 ∆x ∆y −∆x −∆y | {z } | {z } (1) (2) Z −∆x Z −∆y vx (t, ∆y, 0) dt + vy ( - ∆x, t, 0) dt . | ∆x {z } | ∆y {z } (3) (4) Man beachte, dass die beiden letzten Integrale von x = ∆x bis −∆x bzw. von y = ∆y bis −∆y gehen. Durch Vertauschen der Integrationsgrenzen bekommen diese Integrale ein negatives Vorzeichen. Mit der Linearisierung von vx 1170 20. Vektoranalysis und Integralsätze bezüglich der zweiten und von vy bezüglich der ersten Variablen vx (t, −∆y, 0) − vx (t, ∆y, 0) ≈ vy (∆x, t, 0) − vy (−∆x, t, 0) ≈ ∂vx (t, 0, 0) · 2 ∆y ∂y ∂vy (0, t, 0) · 2 ∆x ∂x − folgt für die z-Komponente der Rotation (Z ) Z ∆y ∆x 1 ∂vx ∂vy (rot ~v )z ≈ (t, 0, 0) 2∆y dt + (0, t, 0) 2∆x dy . 4 ∆x ∆y ∂y −∆x −∆y ∂x Nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung (siehe Abschnitt 8.2) kann die ∂ Funktion ∂y vx (t, 0, 0) aus dem Integral gezogen werden, wenn sie an einer geeigneten aber unbekannten Zwischenstelle −∆x ≤ ξ1 ≤ ∆x ausgewertet ∂ vy (0, t, 0) für eine Zwischenstelle −∆y ≤ η1 ≤ ∆y. wird. Analoges gilt für ∂x 1 ∂vx ∂vy ⇒ (rot ~v )z ≈ (ξ1 , 0, 0) 2∆x 2∆y + (0, η1 , 0) 2∆x 2∆y . 4 ∆x ∆y ∂y ∂x Für ∆x → 0 und ∆y → 0 gehen alle Punkte der Fläche gegen den Ursprung (⇒ ξ1 → 0, η1 → 0), so dass I ∂vx ∂vy ( rot ~v )z = lim ~v d~r = − + . ∆x,∆y→0 (C) ∂y P ∂x P Analog erhält man die erste und zweite Komponente der Rotation, indem man Flächen in der (y, z)- bzw. (x, z)-Ebene wählt. Zusammenfassend gilt: ∂vz ∂vy − ∂y ∂z ∂vz ∂vx rot ~v = − ∂z ∂x ∂vy ∂vx − ∂x ∂y ist die Rotation des Vektorfeldes vx (x, y, z) ~v = vy (x, y, z) vz (x, y, z) im Punkte (x, y, z). Die Rotation rot ~v des Vektorfeldes ~v gibt die lokale Zirkulation (Wirbeldichte) von ~v im Punkte P (x, y, z) an. Ist rot ~v = 0, dann hat das Vektorfeld keine lokalen Wirbel und man nennt es wirbelfrei. Ersetzt man im Hauptsatz für Linienintegrale die Integrabilitätsbedingung durch die Rotation, gilt: 20.2 Rotation und Satz von Stokes 1171 Satz 20.1: In einem einfach zusammenhängenden Gebiet sind folgende drei Bedingungen gleichwertig: Z (1) ~v d~r ist wegunabhängig. (C) I (2) ~v d~r = 0. (3) rot ~v = 0. Bemerkung: Zur Berechnung der Rotation in kartesischen Koordinaten hat sich die formale Determinantenschreibweise eingebürgert, die nach der ersten Spalte entwickelt wird: ~ex ∂x vx rot ~v = ~ey ∂y vy . ~e ∂ v z z z x2 y Beispiel CD.113. Man berechne die Rotation des Vektorfeldes ~v = −2 x z : 2yz ~ex ∂x x2 y rot ~v = ~ey ∂y −2 x z ~e ∂ 2 y z z z = ~ex (∂y 2 y z − ∂z (−2 x z)) − ~ey ∂x 2 y z − ∂z x2 y + ~ez ∂x (−2 x z) − ∂y x2 y 2z + 2x . = 0 2 −2 z − x Beispiele CD.114: ➀ Für radialsymmetrische Kraftfelder ~k (~r) = f (r) ~r sind die Integrabilitätsbedingungen erfüllt. Daher gilt für diese Kraftfelder rot ~k (~r) = 0. ➁ Für alle Vektorfelder mit rot ~k = 0 sind die Integrabilitätsbedingungen erfüllt. Daher existiert dann immer eine Potenzialfunktion Φ (x, y, z) mit ~k = grad Φ: rot ~k = 0 ⇒ Es gibt Φ mit ~k = grad Φ. 1172 20. Vektoranalysis und Integralsätze ➂ Gegeben ist das Vektorfeld ~k = y − x2 +y 2 x x2 +y 2 . Man zeige, dass rot ~k = 0. 0 Beispiel CD.115. Die Geschwindigkeit eines rotierenden, starren Körpers ist ~v = ω ~ ×~r. Dabei ist ω ~ der Vektor, dessen Richtung der Drehachse entspricht und dessen Betrag die Winkelgeschwindigkeit angibt. ~ex ωx x ωy z − ωz y ~v = ω ~ × ~r = ~ey ωy y = ωz x − ωx z . ~e ω z ωx y − ωy x z z Mit der Determinantenschreibweise der Rotation ex ∂x ωy z − ωz y rot ~v = ey ∂y ωz x − ωx z e ∂ ω y − ω x z z x y folgt für die x-Komponente ( rot ~v )x = ∂y (ωx y − ωy x) − ∂z (ωz x − ωx z) = 2 ωx , usw. ⇒ rot ~v = 2 ω ~. Bringt man in das Geschwindigkeitsfeld ~v einer strömenden Flüssigkeit einen kleinen Probekörper, der sich frei mitbewegen kann, so ist der Drehvektor ω ~ dieses Körpers 21 rot ~v . Beispiel M.69 (Mit Maple). In Maple wird die Rotation eines Vektorfeldes durch den Befehl Curl realisiert. (Rotation heißt auf Englisch curl!) Ähnlich wie der Divergence-Befehl wird neben dem Vektorfeld auch der Vektor der Variablen übergeben. Der Curl-Befehl ist im VectorCalculus-Paket enthalten. > with(VectorCalculus): > w:=<w1, w2, w3>: > r:=<x, y, z>: > v:=VectorField(CrossProduct(w, r),’cartesian’[x,y,z]); v := (w2 z − w3 y )~ex + (w3 x − w1 z )~ey + ( w1 y − w2 x)~ez > Curl(v, [x, y, z]); 2 w1~ex + 2 w2~ey + 2 w3~ez 20.2 Rotation und Satz von Stokes 1173 20.2.2 Stokescher Integralsatz Zur Herleitung des Stokeschen Integralsatzes zerlegen wir eine gegebene Fläche A mit Randkurve C in Teilflächen ∆Ai , i = 1, . . . , n. Diese Teilflächen enthalten die Punkte Pi und sind von den Kurven Ci berandet. Abb. 20.9. Zum Stokeschen Integralsatz Dann gilt näherungsweise für die Zirkulation des Vektorfeldes ~v im Flächenelement ∆Ai I ~i ≈ rot ~v |Pi ∆A ~v d~r . (Ci ) Grenzen zwei Teilflächen Ak und Al aneinander, Abb. 20.10. so heben sich die Beiträge an den Grenzlinien auf, da sie entgegengesetzt orientiert sind. Anschaulich bedeutet dies, dass die Zirkulation in der Fläche Ak und Al durch die Bilanzierung der äußeren Randkurven bestimmt werden kann. Durch Summation über alle Teilflächen erhält man I n X ~ k ≈ ~v d~r . rot ~v |Pk · ∆A k=1 (C) n ~ k → 0) strebt die Summe P rot ~v | ∆A ~ k gegen das Für n → ∞ (d.h. ∆A Pk k=1 RR ~ und man erhält Integral rot ~v dA (A) ZZ (A) ~ = rot ~v dA I ~v d~r. (C) 1174 20. Vektoranalysis und Integralsätze Diese Integralbeziehung bezeichnet man als den Stokeschen Satz. Stokescher Integralsatz: (Rotationssatz) Sei A eine Fläche mit Randkurve C und ~v (x, y, z) ein Vektorfeld. Dann gilt: ZZ ~= rot ~v dA (A) Abb. 20.11. I ~v d~r. (C) Die Orientierung von C und die Flächennormale ~ = ~n dA bilden dabei eine Rechtsschraube; das dA Linienelement lautet d~r = ~r 0 (t) dt mit dem Tangentenvektor ~r 0 (t) auf dem Rand C. Beispiel CD.116. In einem zeitlich veränderlichen Ma~ gilt das Induktionsgesetz gnetfeld B ZZ Ui = − ~ ∂B ~. dA ∂t (A) ~ gegeben Die Spannung zwischen zwei Punkten in einem elektrischen Feld E ist durch das Linienintegral entlang C Z ~ d~r , U= E (C) folgt mit dem Stokeschen Satz ZZ ZZ ~ ∂B ~ ~ ~ rot E dA = − dA ∂t (A) (A) für jede beliebige Fläche A. Daher muss die Identität schon für die Integranden Gültigkeit besitzen: ~ = − ∂ B. ~ rot E ∂t 20.3 Rechnen mit Differenzialoperatoren 1175 20.3 Rechnen mit Differenzialoperatoren In diesem Abschnitt werden wir für skalare Felder und Vektorfelder nochmals wichtige Begriffe zusammenstellen. Eine Funktion Φ : IR3 → IR mit Φ (x, y, z) heißt skalares Feld oder Skalarfeld. Beispiele für Skalarfelder sind räumliche Temperaturprofile T (x, y, z) oder Ladungsdichten ρ (x, y, z). Eine Funktion ~k : IR3 → IR3 mit k1 (x, y, z) ~k (x, y, z) = k2 (x, y, z) k3 (x, y, z) ~ das elekheißt Vektorfeld. Beispiele für Vektorfelder sind das Magnetfeld B, ~ ~ trische Feld E, Kraftfelder F oder Geschwindigkeitsfelder ~v . Ein Vektorfeld ~k heißt Potenzialfeld (Gradientenfeld), wenn eine Funktion Φ existiert mit ~k = grad Φ. Φ heißt dann das skalare Potenzial. Zusammenfassung: Gradient, Divergenz, Rotation. k1 (x, y, z) Sei Φ (x, y, z) ein skalares Feld und ~k (x, y, z) = k2 (x, y, z) ein Vekk3 (x, y, z) torfeld. ∂x Φ (x, y, z) (1) grad Φ (x, y, z) = ∂y Φ (x, y, z) ist der Gradient von Φ (x, y, z). ∂z Φ (x, y, z) Der Gradient ist ein Vektorfeld. (2) div ~k (x, y, z) = ∂x k1 (x, y, z) + ∂y k2 (x, y, z) + ∂z k3 (x, y, z) ist die Divergenz des Vektorfeldes ~k. Die Divergenz ist ein skalares Feld. ∂y k3 (x, y, z) − ∂z k2 (x, y, z) (3) rot ~k = ∂z k1 (x, y, z) − ∂x k3 (x, y, z) ist die Rotation des Vek∂x k2 (x, y, z) − ∂y k1 (x, y, z) torfeldes ~k. Die Rotation ist ein Vektorfeld. Beispiel M.70 (Ableitungsoperatoren in Maple). In Maple werden die Ableitungsoperatoren durch den Gradient-, Divergence- und Curl-Befehl berechnet, die im VectorCalculus-Paket enthalten sind. > with(VectorCalculus): > phi:=1/sqrt(xˆ2+yˆ2+zˆ2+1); 1 Φ := p x2 + y2 + z2 + 1 20.3 1176 20. Vektoranalysis und Integralsätze > k:=Gradient(phi, [x, y, z]); x k := − (x2 + y2 + z2 + 1) 3 2 ~ex +− y (x2 + y2 + z2 + 1) 3 2 ~ey − z (x2 + y2 3 + z 2 + 1) 2 ~ez > Divergence(k, [x, y, z]): > simplify(%); 1 −3 (x2 + y2 5 + z 2 + 1) 2 > Curl(k, [x, y, z]); 0 ~ex In der Physik hat sich eine Operatorenschreibweise für grad, div und rot eingebürgert, indem der Nabla-Operator ∇ eingeführt wird: ∂ ∂ ∂ , , . ∇ := (∂x , ∂y , ∂z ) = ∂x ∂y ∂z Formal ist der Nabla-Operator ein Vektor, der immer links der zu differenzierenden Funktion steht. Überträgt man die Multiplikationen aus der Vektoralgebra (skalare Multiplikation ~v · α, Skalarprodukt ~v · ω ~ , Kreuzprodukt ~v × ω ~) auf den Nabla-Operator, gilt grad Φ div ~k rot ~k = = = ∇Φ ∇~k ∇ × ~k. Die Zweckmäßigkeit des Nabla-Operators zeigt sich z.B. darin, dass man mit ihm wie mit einem normalen Vektor rechnen kann. Man prüft direkt nach, dass ∇ ∇ × ~k = 0 und ∇ × (∇Φ) = 0 gültig ist; was für Vektoren aufgrund der Definition des Kreuzpunktes ~v × ω ~ offensichtlich ist: Satz 20.2: Sei ~k (x, y, z) ein Vektorfeld und Φ (x, y, z) ein skalares Feld. Dann gilt stets div (rot ~k) = 0, rot (grad Φ) = 0. Für das Differenzieren von Vektorfeldern gelten die folgenden Regeln, die man durch direktes Nachrechnen überprüfen kann. Φ sei stets ein differenzierbares, skalares Feld, ~v und ω ~ differenzierbare Vektorfelder. 20.3 Rechnen mit Differenzialoperatoren a) b) c) d) e) f) g) div(~v + ω ~) rot(~v + ω ~) div(Φ ~v ) rot(Φ ~v ) div(~v × ω ~) rot(~v × ω ~) grad(~v · ω ~) = = = = = = = 1177 div(~v ) +div(~ ω) rot(~v ) +rot(~ ω) grad Φ · ~v + Φ div(~v ) grad Φ × ~v + Φ rot(~v ) ω ~ ·rot(~v ) − ~v ·rot(~ ω) div(~ ω ) ~v −div(~v ) ω ~ + (~ ω · ∇) ~v − (~v · ∇) ω ~ ω ~ × rot(~v ) + ~v × rot(~ ω ) + (~ ω · ∇) ~v + (~v · ∇) ω ~ Dabei ist v1 (~ ω · ∇) ~v = (ω1 ∂x + ω2 ∂y + ω3 ∂z ) v2 v3 ω1 ∂x v1 + ω2 ∂y v1 + ω3 ∂z v1 = ω1 ∂x v2 + ω2 ∂y v2 + ω3 ∂z v2 . ω1 ∂x v3 + ω2 ∂y v3 + ω3 ∂z v3 Zum Abschluss seien noch zwei wichtige Konsequenzen aus der Quellenfreiheit (div ~k = 0) und aus der Wirbelfreiheit (rot ~k = 0) eines Vektorfeldes notiert: Satz 20.3: (1) Das Vektorfeld ~k ist genau dann wirbelfrei, wenn es ein skalares Feld Φ gibt mit ~k = grad Φ. Man nennt Φ dann skalares Potenzial: Es gibt ein Φ mit ~k = grad Φ ⇔ rot ~k = 0. ~ (2) Das Vektorfeld ~k ist genau dann quellenfrei, wenn es ein Vektorfeld A ~ Man nennt A ~ dann Vektorpotenzial: gibt mit ~k = rot A. ~ mit ~k = rot A ~ ⇔ div ~k = 0. Es gibt ein A 1178 20. Vektoranalysis und Integralsätze Differenzialoperatoren in MAPLE In Maple gibt es zwei Befehle ScalarPotential und VectorPotential, mit denen man nachprüfen kann, ob ein Vektorfeld ~k wirbel- bzw. quellenfrei ist. Im Falle, dass ~k wirbelfrei ist (rot ~k = 0) bestimmt der Befehl ScalarPotential das zugehörige Potenzial. Für den Fall, dass ein quellenfreies Vektorfeld vorliegt (div ~k = 0), berechnet VectorPotential das zugehörige Vektorpotenzial. Beide Befehle sind im VectorCalculus-Paket enthalten. Beispiele M.71 (Mit Maple): ➀ Wir untersuchen das Vektorfeld f~ = x x2 +y 2 +z 2 y x2 +y 2 +z 2 z x2 +y 2 +z 2 . Zu f~ gibt es ein zu- gehöriges skalares Potenzial aber kein Vektorpotenzial: > with(VectorAlgebra): > f:=VectorField(<x/(xˆ2+yˆ2+zˆ2), y/(xˆ2+yˆ2+zˆ2), z/(xˆ2+yˆ2+zˆ2)>, ’cartesian’[x,y,z]): > phi1:=ScalarPotential(f, [x, y, z]); φ1 := 1 ln x2 + y 2 + z 2 2 Wir prüfen nach, dass tatsächlich f~ = grad Φ1 , aber f~ nicht quellenfrei ist: > Gradient(phi1, [x, y, z]; x2 x y z ~ex + 2 ~ey + 2 2 2 2 2 +y +z x +y +z x + y2 + z2 > A:=VectorPotential(f, [x, y, z]); A := ~ = ➁ Das Vektorfeld B y − x2 +y 2 x x2 +y 2 ist quellenfrei, daher gibt es ein zugehöri- 0 ges Vektorpotenzial > B:=VectorField(<-y/(xˆ2+yˆ2), x/(xˆ2+yˆ2), 0>, ’cartesian’[x,y,z]): > A:=VectorPotential(B, [x, y, z]); x2 xz yz ~ex + 2 ~ey + 0~ez 2 +y x + y2 ~ = rot A: ~ Wir prüfen nach, dass B > Curl(A, [x, y, z]); − y x ~ex + 2 ~ey + 0~ez x2 + y 2 x + y2 20.3 Rechnen mit Differenzialoperatoren 1179 Beispiel CD.117. Gegeben ist das skalare Potenzial y Φ (x, y, z) = arctan (x ≥ 0) . x Das zugehörige Vektorfeld ~k lautet ~k = grad Φ = y − x2 +y 2 x x2 +y 2 . 0 Da ~k ein Potenzialfeld ist, gilt rot ~k = 0. Die Divergenz von ~k bestimmt sich aus y x div ~k = ∂x − 2 + ∂ + ∂z (0) y x + y2 x2 + y 2 = y · 2x (x2 + 2 y2 ) + −x · 2 y 2 (x2 + y 2 ) + 0 = 0. Das Vektorfeld ~k ist sowohl divergenz- als auch rotationsfrei. Für das skalare Potenzial Φ gilt also ∂x ∂x div grad Φ = div ~k = ∂y ∂y Φ = ∂x2 Φ + ∂y2 Φ + ∂z2 Φ = 0 . ∂z ∂z Man nennt ∆Φ = ∂x2 Φ + ∂y2 Φ + ∂z2 Φ den Laplace-Operator, der in der Elektrostatik eine große Rolle spielt, da alle elektrostatischen Probleme durch ρ ∆Φ = − ε0 modelliert werden, wenn ρ (x, y, z) die Ladungsdichteverteilung und ε0 die Dielektrizitätskonstante ist. Beispiel CD.118. Eine skalare Funktion Φ (x, y, z) heißt harmonische Funktion, wenn für jeden Punkt des Definitionsbereichs gilt ∆Φ = 0 . Man prüft explizit nach, dass Φ (x, y) = x2 − y 2 Φ (x, y) = cos x cosh y 1180 20. Vektoranalysis und Integralsätze p x2 + y 2 y Φ (x, y) = arctan x Φ (x, y) = ln harmonische Funktionen sind. Man verwende hierzu auch den Maple-Befehl Laplacian aus dem Paket VectorCalculus. Beispiele CD.119 (Kraftfelder, mit Maple-Worksheet). xy ~ = x z . Es gilt ➀ Gegeben ist das Kraftfeld F x2 y z 2 2 2 ~ex ∂x x y x z −x rot F~ = ~ey ∂y x z = −2 x y z 2 . ~e ∂ x2 y z 2 z−x z z Da rot F~ 6= 0, ist F~ kein Potenzialfeld. ➁ Das Kraftfeld ~r 1 F~ (~r) = c 3 = c 3 2 |~r| (x + y 2 + z 2 ) 2 x y z ist ein zentrales Kraftfeld. Man rechnet nach, dass rot F~ = 0 und div F~ = 0 . Wegen rot F~ = 0 ist F~ ein Gradientenfeld, d.h. es gibt ein Potenzial Φ mit c 2 2x 2 3 2 ∂x Φ f1 (x +y y+z ) ! c 2 2 2 3 . F~ = grad Φ = ∂y Φ = f2 = (x +y +z ) 2 z ∂z Φ f3 c 3 (x2 +y 2 +z 2 ) 2 Wir bestimmen dieses Potenzial Φ mit dem Maple-Befehl ScalarPotential: ⇒ Φ (x, y, z) = − c (x2 + y 2 + z 2 ) 1 2 + konst = c + konst. |~r| Es gilt div F~ = div (grad Φ) = ∆Φ = 0. Damit ist Φ (x, y, z) eine harmonische Funktion. Φ heißt Newtonsches Potenzial. Physikalische Beispiele sind das Gravitationsfeld oder das Coulomb-Feld einer elektrischen Ladung. 20.3 Rechnen mit Differenzialoperatoren 1181 Beispiel CD.120. Gegeben ist eine zähe Flüssigkeit, die durch ein Rohr mit Radius r fließt. Die Geschwindigkeit in y-Richtung beträgt 0 2cz ~v = c · r2 − x2 − z 2 ⇒ rot ~v = 0 0 −2 c x und div ~v = ∂ ∂ ∂ (0) + r2 − x2 − z 2 + (0) = 0. ∂x ∂y ∂z Das Geschwindigkeitsfeld hat keine Quellen (div ~v = 0), besitzt aber eine Zirkulation in der (x, z)-Ebene. 1182 20.4 20. Vektoranalysis und Integralsätze 20.4 Anwendung: Die Maxwellschen Gleichungen Die Maxwellschen Gleichungen sind Glanzstücke der mathematischen Physik des 19. Jahrhunderts. Lassen sich damit doch alle Phänomene in der klassischen Elektrodynamik beschreiben. Die Grundlage bilden vier physikalisch Gesetzmäßigkeiten: 1. Das Faradaysche Induktionsgesetz Abb. 20.12. Magnetischer Das Faradaysche Induktionsgesetz (1831) besagt, dass die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses in einer Leiterschleife eine Spannung induziert ZZ ∂ ∂ ~ dA ~. B Ui = − Φ = − ∂t ∂t Fluss (A) durch A Ist die das Magnetfeld durchdringende Fläche A zeitlich konstant, folgt ZZ Ui = − ∂ ~ B ∂t ~. dA (A) Die indizierte Spannung ist mit dem elektrischen Feld über die Beziehung I ZZ ~ ~ dA ~ Ui = E d~r = rot E (C) (A) verknüpft, wenn man auf das Linienintegral den Stokeschen Satz anwendet. ZZ ZZ ∂ ~ ~ dA ~= ~. ⇒ rot E − B dA ∂t (A) (A) Diese Identität gilt für alle Flächen A (auch für beliebig kleine). Mit dem Mittelwertsatz der Integralrechnung folgt, dass sie dann schon für die Integranden erfüllt sein muss ⇒ ~ = − ∂ B. ~ rot E ∂t 2. Das Gaußsche Gesetz Das Gaußsche Gesetz der Elektrostatik besagt, dass der Fluss des elektrischen Feldes proportional zur Gesamtladung Q ist, die sich im Innern des Volumens befindet: I ~ dA ~∼Q. E (A) 20.4 Anwendung: Die Maxwellschen Gleichungen 1183 Die Proportionalitätskonstante wird mit ε10 (ε0 : Dielektrizitätskonstante) bezeichnet. Ist ρ (x, y, z) die Ladungsdichtenverteilung innerhalb des Volumens V , dann folgt für die Gesamtladung ZZZ Q= ρ (x, y, z) dV . (V ) 1 1 ⇒ Q= ε0 ε0 ZZZ I ~ dA ~, E ρ (x, y, z) = (V ) (A) wenn A die das Volumen V einschließende Oberfläche darstellt. Nach dem Gaußschen Integralsatz ist I ZZZ ~ dA ~= ~ dV . E div E V (A) ZZZ ⇒ ~ dV = 1 div E ε0 V ZZZ ρ (x, y, z) dV . (V ) Diese Identität gilt für beliebige Volumina und daher auch für die Integranden ⇒ ~ = ρ. div E ε0 Die Quellen des elektrischen Feldes sind die Ladungsdichten. 3. Das Amperesche Gesetz Das Amperesche Gesetz (1825) besagt, dass ein stromdurchflossener Leiter ein Magnetfeld induziert I ~ d~r = µ0 I . B (C) Ist ~j die Stromdichtenverteilung innerhalb der durch C festgelegten Fläche A, dann ist der Strom I gegeben durch ZZ Abb. 20.13. Stromdurchfl. Leiter ~ ~j dA I= (A) und mit dem Stokeschen Satz gilt ZZ I ~= ~j dA µ0 I = µ0 (A) (C) ~ d~r = B ZZ (A) ~ dA ~. rot B 1184 20. Vektoranalysis und Integralsätze ZZ ⇒ ~= µ0 ~j dA (A) ZZ ~ dA ~ rot B (A) für alle Flächen A ⇒ ~ µ0 ~j = rot B. 4. Quellenfreiheit des Magnetfeldes Da das Magnetfeld quellenfrei ist (es gibt keine magnetischen Monopole), folgt ~ = 0. div B Zusammenfassung (1) - (4): Damit erhält man die Gleichungen ~ div E = ~ rot B = ~ rot E = div B = ρ ε0 µ0 ~j ∂ ~ − B ∂t 0. (1) (2) (3) (4) Diese vier Gleichungen beinhalten allerdings noch einen Widerspruch: Bilden wir die Divergenz von Gleichung (2), gilt ~ =0: div µ0 ~j = div rot B Die Divergenz der Stromdichte ist Null. Dies widerspricht der sog. Kontinuitätsgleichung: 5. Die Kontinuitätsgleichung Die zeitliche Änderung der Gesamtladung in einem Volumen, ∂ ∂t RRR ρ dV , (V ) ist gleich dem Stromfluss durch seine Oberfläche ZZ ZZZ ZZZ ZZZ ∂ ~ ~ ~ − j dA = − div j dV ⇒ ρ dV = − div ~j dV ∂t (A) (V ) (V ) (V ) Da diese Identität für alle Volumina V gültig ist, folgt sie auch für die Integranden ⇒ ∂ ρ = −div ~j. ∂t (Kontinuitätsgleichung) 20.5 Zusammenstellung der MAPLE-Befehle 1185 Aus der Kontinuitätsgleichung folgt ∂ (1) ∂ ~ = div div ~j = − ρ = − ε0 div E ∂t ∂t ⇒ div −ε0 ∂ ~ E ∂t ~ =0. ~j + ε0 ∂ E ∂t ∂ ~ ∂ ~ E den Maxwellschen Gesamtstrom und ε0 ∂t E den VerMan nennt ~j + ε0 ∂t ∂ ~ ~ ~ schiebungsstrom. Ersetzt man j in Gleichung (2) durch j + ε0 ∂t E, so sind die Gleichungen (1)-(4) widerspruchsfrei und man erhält die vollständigen Maxwellgleichungen für das Vakuum: Zusammenfassung innere Feldgleichungen ~ =− rot E Felderzeugung ∂ ~ B ∂t ~ = div E ~ =0 div B ρ ε0 ~ = µ0 ~j + ε0 µ0 rot B ∂ ~ E ∂t 20.5 Zusammenstellung der MAPLE-Befehle with(VectorCalculus) Curl(f, [x1, x2, x3]) Berechnung der Rotation des Vektorfeldes f~ bezüglich den Variablen (x1 , x2 , x3 ): rot (f ) Divergence(f, [x1, ..., xn]) Berechnung der Divergenz des Vektorfeldes f~ bezüglich den Variablen x1 , . . . , xn : div(f ) Gradient(phi, [x1, ..., xn]) Berechnung des Gradienten des skalaren Feldes Φ (x1 , . . . , xn ): grad Φ Laplacian(phi, [x1, ..., xn]) Anwendung des Laplace-Operators auf das skalare Feld Φ (x1 , . . . , xn ): ∆Φ ScalarPotential(k, [x1, ..., xn]) Prüft, ob das Vektorfeld ~k (x1 , . . . , xn ) ein Potenzial Φ besitzt mit ~k = grad Φ . VectorPotential(k, [x1, x2, x3]) Prüft, ob das Vektorfeld ~k (x1 , x2 , x3 ) ein Vektorpotenzi~ besitzt mit ~k = rot A ~. al A 20.5 1186 20.6 20. Vektoranalysis und Integralsätze 20.6 Aufgaben zur Vektoranalysis x2 − y z 20.1 Bestimmen Sie die Divergenz des Vektorfeldes ~v = y z − y 2 in den Punkz2 + x z ten (2, −1, 3) , (2, 9, 4) und (−1, 1, −2). xy 20.2 Wie muss f (x, y) gewählt werden, damit ~v = xy quellenfrei z · f (x, y) ist? 20.3 Berechnen Sie die Divergenz der folgenden Vektorfelder y+z 2 x2 − y z ~r a) x + 2 x y b) ez y c) |r| x + 2z ez x + y x2 y 20.4 Bestimmen Sie die Rotation von ~v = −2 x z . 2yz 20.5 a) Berechnen Sie die Rotation für die Vektorfelder ~v und w. ~ b) Sind ~v bzw. w ~ wirbelfrei? c) Sind ~v bzw. w ~ quellenfrei? yz x+y−z ~v = z x , w ~ = z − x + y. xy y+z−x 20.6 a) Berechnen Sie die Rotation von ~v = (~a · ~r) · ~r b) In welchen Punkten gilt rot ~v = 0? z2 20.7 Berechnen Sie rot rot x+y . 2 2 z−x −y ax mit ~a = ay . az 20.8 Berechnen der folgenden Vektorfelder Sie dieRotation und die Divergenz xy x2 y + z 0 a) f~1 = x z b) f~2 = y 2 ex − z 2 c) f~3 = c r2 − x2 − y 2 2 2 2 2 x yz z x+y 0 20.9 Sei ~v ein Vektorfeld und Φ ein skalares Feld. Überprüfen Sie, dass die folgenden Gleichungen gelten: div rot ~v = 0 20.10 Zeigen Sie, dass 1+y+yz f~ = x + x z xy rot grad Φ = 0 . ein Gradientenfeld ist. 20.11 Bestimmen Sie von dem Vektorfeld aus 20.10 sowohl das zugehörige skalare als auch Vektorpotenzial mit Maple. 20.6 Aufgaben zur Vektoranalysis 1187 20.12 Prüfen Differenzieren, ob Sie durch Z x cos (y) a) x sin (y) d~r wegunabhängig ist? 2 2 x +y z sin2 (y) b) ~v = 2 x z sin (y) cos (y) ein Gradientenfeld ist? 2 x sin (y) 20.13 Verifizieren Sie den Gaußschen Integralsatz der Ebene!für den Kreis um den x2 − 5 x y + 3 y Ursprung mit Radius 2, falls ~v = . 6 x y2 − x 2 2 20.14 Berechnen Sie den Fluss von ~v = x −y z x2 +y 2 z aus dem Quader − (x + y) ln z 0 ≤ x ≤ 1 , −1 ≤ y ≤ 2 , 1 ≤ z ≤ 4. x3 20.15 Berechnen Sie den Fluss von ~v = z − x2 y aus dem Zylinder 0 ≤ z ≤ H , 2 y−zx x2 + y 2 ≤ R2 . 0 20.16 Berechnen Sie den Fluss von ~v = y cos2 (x) + y 3 durch die Kugel z sin2 (x) − 3 y 2 2 2 2 oberfläche x + y + z = 4. 20.17 Verifizieren Sie den Stokeschen Integralsatz für xy a) ~v = y z , V = (x, y, z) ∈ IR3 : x2 + y 2 + z 2 ≤ 1 , y ≥ 0 , z ≥ 0 xz x−z n o p b) ~v = x3 + y z , V = (x, y, z) ∈ IR3 : z = 2 − x2 + y 2 , z ≥ 0 −3 x y 2