– a k t u e l l - Österreichische Parkinson Gesellschaft

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3/2012
– a k t u e l l
Informationen zu Morbus Parkinson und extrapyramidalen Bewegungsstörungen
Newsletter der Österreichischen Parkinson Gesellschaft
NEURODEGENERATIVE ERKRANKUNGEN:
AKTUELLE KONZEPTE
Assoc. Prof. Dr. med. univ. GABOR G. KOVACS, PhD
Klinisches Institut für Neurologie, Medizinische Universität Wien AKH 4J
Editorial
S
ehr geehrte Frau Kollegin,
Sehr geehrter Herr Kollege!
1. Einleitung
Neurodegenerative Erkrankungen sind
durch einen über das normale Maß hinausgehenden, krankhaften und progredienten Verlust von Nervenzellen
charakterisiert. Bei den verschiedenen
Krankheitsbildern zeigen jeweils bestimmte Neuronengruppen eine selektive Vulnerabilität. Das klinische Bild
der jeweiligen Erkrankungen hängt
dabei von der vom Neuronenuntergang
betroffenen Hirnregion ab. In den
letzten Jahren haben neue genetische
und molekular-pathologische Beobachtungen eine neue Ära eröffnet. Ziel
dieses Reviews ist es, die dadurch neu
entstandenen Konzepte und die daraus
resultierenden Möglichkeiten für die
Diagnostik und Therapie dieser Krankheiten zusammenzufassen.
Trotz der zunehmenden Bedeutung bildgebender Verfahren und Fortschritten in der Biomarker-Forschung ist eine definitive Diagnose der meisten neurodegenerativen Erkrankungen weiter erst post mortem durch histopathologische
Untersuchung der betroffenen Hirnregionen möglich. Neuropathologische
und klinikopathologische Untersuchungen trugen in den letzten zwei
Jahrzehnten wesentlich zum Verständnis von Pathogenese und Verlauf, zu
einer verbesserten Systematik neurodegenerativer Erkrankungen und zur
Entwicklung moderner klinisch-diagnostischer Kriterien bei. Für alle neurodegenerative Erkrankungen scheinen Änderungen der Proteinkonformation
von zentraler pathogenetischer Bedeutung zu sein. Von besonderem Interesse
ist die Tatsache, dass viele Patienten in der histologischen Untersuchung gemischte Pathologien zeigen. Im Alter scheint dies sogar eher die Regel als die
Ausnahme zu sein. Eine andere faszinierende Beobachtung ist, dass konformations-veränderte Proteine als Kristallisationspunkt für die Konformationsänderung benachbarter Proteine wirken können, ein Prionartiger MeDie wichtigsten neuen Konzepte, die
chanismus, der auch als »permissive templating« bezeichnet wird. Dies könnte
diskutiert werden, sind folgende:
die zunehmende Ausbreitung des Prozesses von kleinen auf immer größere
1. Die aktuelle molekular-pathologiHirnregionen erklären.
sche Klassifikation neurodegenerativer Erkrankungen basiert auf ProteProf. Gabor Kovacs vom Neurologischen Institut der Medizinischen Universität
Wien bietet in seinem Beitrag für das
vorliegende P-aktuell einen Überblick
über die aktuelle Klassifikation neurodegenerativer Erkrankungen sowie
einen Einblick in die praktische neuropathologische Diagnostik und aktuelle
Entwicklungen in der Erforschung
neurodegenerativer Erkrankungen.
Wir danken dem Autor herzlich für den
interessanten Review zum Thema und
wünschen unseren LeserInnen viel Vergnügen bei der Lektüre!
Als Herausgeber sind wir wie immer
Abbildung 1
dankbar für Anregungen und Kritik.
Repräsentative Bilder von teilweisen (links) oder vollständigen (rechts) Tau und TDP43 Proteinablagerungen. NCI: neuronal cytoplasmic inclusion; NFT: neurofibrilläre
Walter PIRKER
Sylvia BOESCH
Tangle.
AKTUELLES THEMA
inen: Dieses Konzept ist für die
Biomarker-Forschung besonders
wichtig.
2. Unterschiedliche neuropathologische Veränderungen können Ursache ähnlicher klinischer Krankheitsbilder sein. Dies wird durch unterschiedliche genetische Faktoren
noch weiter moduliert.
3. Eine Kombination verschiedener
neurodegenerativer Erkrankungen
(siehe Abbildung 1) ist eher die
Regel als die Ausnahme. Dieses
Konzept ist für die sogenannte
personalisierte (»individualisierte«)
Medizin von Bedeutung.
2. Klassifikation
neurodegenerativer
Erkrankungen
Die Klassifikation neurodegenerativer
Erkrankungen basiert auf der klinischen Präsentation, den betroffenen
anatomischen Regionen und Zelltypen,
sowie auf der Konformationsänderung
bestimmter Proteine [19].
2.A.
Die klinische Symptomatik lässt sich
von den vom Nervenzellverlust betroffenen anatomischen Regionen ableiten.
Der frühe Nervenzellverlust in Form
einer fokalen Atrophie kann für die
neuroradiologische Diagnostik hilfreich
sein. Die häufigsten klinischen Symptome neurodegenerativer Erkrankungen sind:
1. Kognitiver Abbau, Demenz und
Verlust höherer Hirnfunktionen.
Die wichtigsten involvierten anatomischen Strukturen umfassen den
Hippocampus, entorhinalen Cortex
und das limbische System. Eine
Unterform einer Demenz bildet die
frontotemporale Demenz (klinische
Terminologie!), die mit umschriebenen Atrophien der Frontal- und
Temporallappen (sogenannte frontotemporale lobäre Degeneration,
2
FTLD; neuropathologisch-radiologische Terminologie!) einhergeht. Diese
Patienten zeigen Verhaltens- oder
Sprachstörungen (»behavioural variant of FTD, bvFTD; semantic dementia, SD; progressive non-fluent aphasia, PNFA«).
2. Bewegungsstörungen (betroffene
anatomische Strukturen: Stammganglien, Kleinhirn, motorischer
Kortex, Rückenmark – Vorderhorn).
Diese umfassen ein Spektrum von
L-Dopa sensitiven oder atypischen
Parkinson-Syndromen, reiner Akinesie mit »freezing« Phänomen, supranukleärer Blickparese bis hin zu
einem kortikobasalen Syndrom (gekennzeichnet durch ein asymmetrisches, akinetisch-rigides Syndrom,
fokale Dystonien, ideomotorische
Apraxie und Myoklonien). Diese
Symptome können selten in Kombination mit Pyramidenbahnzeichen
oder einer cerebellären Ataxie vorliegen. Unter Umständen stehen
auch hyperkinetische Symptome
(z.B. Chorea, Dystonie, Athetose),
reine Ataxien oder Motoneuronerkrankung-assoziierte Veränderungen im Vordergrund.
3. Kombination verschiedener Symptome.
2.B. Wichtige Proteine, die mit
neurodegenerativen Erkrankungen
assoziiert sind
Die wichtigsten Proteine umfassen Tau,
amyloid-β (Aβ), α-Synuclein, TDP-43
(TAR-DNA binding protein), und
Prion-Protein (PrP) [11, 17, 31]. Diese
Proteine lagern sich im Gehirn bei
sporadischen (»idiopatischen«) und
genetischen Erkrankungen ab. Ein
weiteres Protein, FUS (fused in sarcoma) ist mit einer seltenen Form einer
sporadischen frontotemporalen lobären
Degeneration sowie einer seltenen
Form einer familiären MotorneuronErkrankung assoziiert [30, 40]. Weitere
Formen genetischer neurodegenerativer
Erkrankungen mit abnormen Proteineinschlüssen umfassen die TrinukleotidRepeat-Erkrankungen. Diese werden
auf die Expansion von zunehmend instabilen Trinukleotid-Repeats in verschiedenen Proteinen/Genen zurückgeführt.
Darüber hinaus sind seltene genetische
Erkrankungen bekannt, die durch zytoplasmatische Neuroserpin oder Ferritin-Einschlüsse charakterisiert sind
[19]. Das Gen, das für Neuroserpin
kodiert, liegt auf Chromosom 3q26.
Ferritin-assoziierte neurodegenerative
Erkrankungen dagegen sind auf Mutation des Ferritin light chain polypeptide
Gens auf Chromosom 19 zurückzuführen. Familiäre Demenzformen, die
in Großbritannien und Dänemark
beschrieben wurden, und mit AmyloidProteinablagerungen in Extrazellulärräumen und Blutgefäßen einhergehen,
zeigen eine zugrundeliegende Mutation
im BRI2 Gen.
Weiters von Bedeutung ist, dass in derartigen Einschlüssen und Ablagerungen
neben den genannten Proteinen eine
Vielzahl anderer Proteine gefunden
wird; diese stellen jedoch keine strukturellen Elemente der abnorm konfigurierten Fibrillen dar, sondern
binden lediglich an diese. Derartige
»Bystander«-Proteine umfassen Komponenten des Ubiquitin-ProteasomSystems, die an zellulären Stressreaktionen beteiligt sind, oder auch Proteine, die bei der Phosphorylierung und
Signaltransduktion eine Rolle spielen,
Zytoskelettproteine, Zell-Zyklus-Proteine, zytoplasmatische Proteine, oder
solche, die passiv aus dem Serum diffundieren und an die bestehenden Proteinablagerungen binden.
Die diversen Proteine kommen im
normalen Gehirn vor, wo sie physiologische Funktionen haben. Bei neurodegenerativen Erkrankungen kommt es
zu krankheitsspezifischen Protein-
P–AKTUELL 3/2012
AKTUELLES THEMA
Modifikationen, die für die Klassifikation der jeweiligen Erkrankungen und
davon abgeleitet der Biomarkerforschung wichtig sind. Einige sind in
Tabelle 1 zusammengefasst, die auch
Möglichkeiten der Biomarker-Forschung in der nahen Zukunft aufzeigt.
2.C. Pathomorphologische
Klassifikation
Grundlage dieser Klassifikation ist eine
morphologische Evaluierung der Proteinablagerungen [17]. Diese können
etwa extrazellulär abgelagert werden wie
Amyloid-b (Ab) oder Prion-Protein
(PrP). Proteine, die intrazellulär abgelagert werden, umfassen Tau, α-Synuclein, TDP-43, oder FUS. Pathologische Formen von Tau, α-Synuclein,
und TDP-43 können in neuronalen
Fortsätzen oder im Zytoplasma abgelagert werden, während α-Synuclein
Tabelle 1
Auflistung von Proteinen, die mit neurodegenerativen Krankheiten assoziiert sind und ihre Modifikationen.
Protein
Gen
Chr
Charakterisierung
Diagnostisch
relevante
Modifikationen
Weitere potentiell
relevante Modifikationen
A-beta
APP
21
Ein endogenes Peptid, das auch unter normalen
Bedingungen im Organismus gebildet und
sezerniert wird. Im Organismus wird Aβ durch
proteolytische Spaltung aus einer Vorstufe, dem
Amyloidpräkursorprotein (APP) gebildet.
Spaltprodukte
Oligomer-Formen,
PK-Resistenz,
Deamidierung/
Isomerisierung,
Gylcosylierung
A-Synuclein
SNCA
4
Ein 140-Aminosäure-langes präsynaptisches
Protein; eine potentielle Rolle in der Synaptogenese, neuronaler Plastizität, axonalem Vesikeltransport, Aufnahme und Abgabe von Neurotransmittern
Phosphorylierung,
Oligomer Formen
PK-Resistenz,
Deamidierung/
Isomerisierung,
Gylcosylierung
Tau
MAPT
17q21
Ein neuronales Mikrotubulus-assoziiertes Protein; spielt eine fundamentale Rolle in der
Aufrechterhaltung des axonalen Flusses. Durch
alternatives Splicing der Exone 2, 3 und 10
werden im menschlichen Erwachsenenhirn
insgesamt sechs Isoformen unterschiedlicher
Länge exprimiert. Ein wesentlicher Unterschied
besteht in der Anwesenheit von entweder 3 oder
4 sogenannten Tandem repeats in der Mikrotubulus-Bindungsdomäne des Moleküls.
Alternatives
»splicing«
Varianten (60-64-68
kDa);
Isoformen: 4R oder
3R prädominant;
Phosphorylierung
Spaltprodukte,
Deamidierung/
Isomerisierung,
Gylcosylierung
TDP-43
TARDBP
1
Ein 414- Aminosäure-langes nukleäres Protein:
Normalerweise sitzt TPD-43 im Kern gesunder
Nervenzellen, wo es bei der Bearbeitung von
Ribonukleinsäuren (RNA) eine Rolle spielt.
Phosphorylierung
Spaltprodukte
Prion Protein
PRNP
20
Ein ubiquitäres Protein, das vor allem in Nervenzellen exprimiert wird. Die normale zelluläre
Form (PrPC) ist ein 253-Aminosäure-langes
präsynaptisches Protein.
PK-Resistenz,
Glycosylierung
Oligomer-Formen
FUS
FUS/TLS
16
Das N-terminale Ende von FUS:
Transkriptionsaktivierung;
C-terminales Ende: RNA-Bindung
Noch nicht
beschrieben
Noch nicht
beschrieben
P–AKTUELL 3/2012
3
AKTUELLES THEMA
(z.B. bei Multisystematrophie, MSA)
und einige TDP-43-Aggregate auch in
neuronalen Kernen zu beobachten
sind. a-Synuclein kann zusätzlich in
synaptischen Strukturen aggregieren.
Gliazellen können ebenfalls betroffen
sein (Tau, a-Synuclein, TDP-43, FUS);
hier sowohl Astrozyten, als auch Oligodendroglia.
Ein weiteres Konzept beschreibt die
sequentiellen Phasen und Verteilungen,
nach denen diverse Proteine im Gehirn
abgelagert werden. Dementsprechend
umfasst eine aktuelle neuropathologische Diagnostik neurodegenerativer
Erkrankungen auch die Evaluierung
der vorliegenden Phasen (z.B. Ab: 5
Phasen in denen verschiedene anatomische Regionen nacheinander betroffen
sind [37]) oder Stadien (Tau: neurofibrilläre Degeneration, Braak und
Braak, I-VI [3]; Tau: Silberkörnchen,
Saito et al. I-III [36]; a-Synuclein: Lewy-Pathologie: Braak Stadien I-VI [4]).
Eine rezente Studie konnte zeigen, dass
Alzheimer-Patienten der neurofibrillären Pathologie zufolge in drei Gruppen
eingeteilt werden können: typisch,
prädominant limbisch und Hippocampus spärlich betroffen [29]. Dies
hat auch für die Neuroradiologie Implikationen und kann zu einer besseren
Patienten-Stratifikation in TherapieStudien führen [16, 41].
Weitere Krankheits-spezifische Subtypen definieren sich nach der domi-
Abbildung 2
Klassifikation Neurodegenerativer Erkrankungen.
PrP: Prionprotein; AK: Alzheimer-Krankheit; LBD: Demenz mit Lewy-Körpern (Lewy-body Dementia); PK: Parkinson Krankheit; MSA: Multisystematrophie; HK: Huntington-Krankheit; SCA: Spinozerebelläre Atrophie; DRPLA: Dentato-rubro-pallidoluysianische Atrophie; FTLD-UPS: Frontotemporale lobäre Degeneration mit Ubiquitin/Proteasom System-immunreaktiven,
TDP-43 negativen Einschlüssen; CJK: Creutzfeldt-Jakob Krankheit; FFI: Tödliche familiäre Insomnie (fatal familial insomnia);
GSS: Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom; PSP: Progressive supranukläre Paralyse; CBD: Kortikobasale Degeneration;
AGD: Silberkornkrankheit (Argyrophilic grain disease); WST-GGE: Weiße Substanz Tauopathie mit globulären glialen Einschlüssen; FTLD-TDP: Frontotemporale lobäre Degeneration mit TDP-43 immunreaktiven Einschlüssen; NFT: neurofibrilläre
Tangle; MAPT: Microtubule associate Tau; GRN: Progranulin, VCP: Valosin containing Protein; TARDP: TDP-43 Gen;
FUS: fused in sarcoma (Protein oder Gen); BIBD: Basophile Einschlußkörper Krankheit; aFTLD-U: atypischer FTLD; NIFID:
neurofilament inclusion body disease;
4
P–AKTUELL 3/2012
AKTUELLES THEMA
nierenden Lokalisation des Proteins
(z.B. neuritisch oder zytoplasmatisch),
der vorwiegend betroffenen anatomischen Region (bei TDP-43 Proteinopathien: I-IV Subtypen) [24], oder
nach dem molekularpathologischen
Muster (PrP Western blot Muster
zusammen mit Codon 129 Polymorphismus definiert mindestens 6 Subtypen) [33]. Diese Subtypen zeigen eine
relativ gute Korrelation mit der Klinik
und können bereits als prognostisch
relevant bezeichnet werden.
2.D. Synthese:
Proteine und zelluläre Vulnerabilität
Basierend auf den oben genannten
wichtigsten Proteinen, werden die häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen als Tauopathien, Synucleinopathien, Prionen-Erkrankungen, Trinukleotid-Repeat-Erkrankungen, TDP-43
oder FUS-Protein assoziierte Proteinopathien klassifiziert. Im Gegensatz
zu der klinischen Routine-Tätigkeit, bei
der oft weniger Diagnosen verwendet
werden, werden in der Neuropathologie mehr Begriffe benutzt, um neurodegenerative Erkrankungen zu benennen. Tabelle 2 stellt eine Liste von
Krankheiten mit dem jeweiligen HauptProtein, dessen zellulärer Verteilung
und dem vorherrschenden klinischen
Phänotyp dar. Zusammenfassend hat
die morphologische Klassifikation der
Proteinablagerungen (siehe Abbildung
2 und 3) funktionelle Implikationen:
Sie beeinflusst auch die Verteilung der
verschiedenen Proteine in verschiedenen Körperflüssigkeiten, und ob dort
ein nachweisbares Niveau erreicht wird.
Aus diesem Grund ist es wichtig zu
betonen, dass es Krankheiten gibt, bei
denen die Protein-Ablagerungen in
Nervenzellen dominieren, solche, bei
denen das Muster gemischt neuronalglial ist, oder bei denen die glialen Protein-Ablagerungen im Vordergrund
stehen. Einige wichtige Beispiele aus
P–AKTUELL 3/2012
der Gruppe der Tauopathien und a-Synucleinopathien sind hier zusammengefasst.
Vorwiegend neuronale
Protein-Ablagerung
TAUOPATHIEN
• Morbus Alzheimer: Im Verlauf der
Erkrankung entstehen sowohl intraneuronale (Tau), als auch extrazelluläre (Aβ) Ablagerungen pathologisch alterierter Proteine. Innerhalb
der Hirnrinde beginnt die Ablagerung von Aβ im Neokortex (und
läuft in 5 Phasen laut Thal et al. ab)
[37], während die ersten neurofibrillären Veränderungen in den allokortikalen Nervenzellen der Regio
transentorhinalis sowie im Ammonshorn (CA1-Sektor) zu finden sind.
Von hier ausgehend breiten sich die
Veränderungen in immer weitere
Regionen aus (Braak und Braak Stadien) [3].
• Morbus Pick: Frontal- und Temporallappenatrophie assoziiert mit erheblichem Nervenzellverlust und
reaktiver Gliose, sowie neuronalen
Zelleinschlüssen (Pick-Kugeln/Körper) [5].
• Neurofibrilläre Tangles (NFT)-only
Demenz: NFT im Bereich des medialen Temporalkortex und Ammonshorns ohne konkomitante β-Amyloid Ablagerungen [5].
α-SYNUCLEINOPATHIEN
• Morbus Parkinson: Die charakteristischen Lewy-Körper und verdickten, sogenannten Lewy-Neuriten
sind immunreaktiv für α-Synuclein,
und finden sich neben der Substantia
nigra in zahlreichen Kerngebieten
des Hirnstamms, aber auch supratentoriell. Dies spiegelt sich in der
Stadieneinteilung von Braak wider,
gemäß der die Lewy (Synuclein)-Pathologie eine konstante hierarchische Ausbreitung über verschiedene
Hirnareale (Stadium I-VI: Hirnstamm → Mandelkern, Limbisches
System → Assoziationskortex) zeigt
[4].
• Lewy-Körper-Demenz: Vor allem
Abbildung 3
Repräsentative Bilder von Proteinablagerungen bei neurodegenerativen Erkrankungen.
5
AKTUELLES THEMA
Tabelle 2
Liste von Krankheiten, assoziierten Proteinen, deren zellulärer Verteilung, anatomische Vulneribilität, Ursachen und assoziierte Gene. *: nur wo Lewy-Körperchen beschrieben wurden; **Auch sporadische Fälle; ***TDP,
FUS, ubi + Inklusionen; #: nur wo Protein-Einschlüsse beschrieben wurden; Idp: idiopatisch; Hd: hereditary;
Ew: erworbene; MNEK: Motor Neuron Erkrankung; DRPLA: dentato-rubro-pallido-Luysian Atrophie; BIBD:
Basophile Einschlusskörper-Krankheit; aFTLD: atypischer FTLD; NIFID: neurofilament inclusion body disease;
UPS: Ubiquitin-Proteosom System; StaGa: Stammganglien; HS: Hirnstamm; KH: Kleinhirn
Krankheit
Protein
M. Alzheimer
Tau, Abeta
M. Pick
NFT Demenz
Kortikobasale Degeneration
Tau
Tau
Tau
Progressive supranukleäre
Paralyse
Silberkörnchenkrankheit
Tau
Tauopathie mit globulären
glialen Inklusionen
M. Parkinson/Lewy-Körper
Demenz
MSA
Tau
FTLD-TDP
TDP-43
FTLD-FUS
(aFTLD; BIBD)
FTLD-FUS (NIFID)
FUS
Tau
A-Synuclein
A-Synuclein
FTLD-UPS
FUS;
Internexin
–
MNEK-TDP
TDP-43
MNEK-FUS
FUS
Creutzfeldt-Jakob Krankheit
Prion Protein
Spinozerebelläre Ataxien
(1, 2, 3, 6, 7, 17)#
ataxin 1,2,3,7,
CACNA1A,
TBP
atrophin-1
huntingtin
Abri, Adan
DRPLA
M. Huntington
Hereditäre Amyloidose
Familiäre Encephalopathie
mit Neuroserpin
Hereditäre Ferritinopathie
Neuroserpin
Neurodegeneration mit
Eisenablagerung im Gehirn
Tau,
A-Synuclein
6
Ferritin
Protein
ablagerung
Nervenzellen
+Extrazellulär
Nervenzellen
Nervenzellen
Nervenzellen
+ Gliazellen
Nervenzellen
+ Gliazellen
Nervenzellen
+ Gliazellen
Gliazellen
>> Nervenzellen
Nervenzellen
>> Gliazellen
Gliazellen
>> Nervenzellen
Nervenzellen
+ Gliazellen
Nervenzellen
>> Gliazellen
Nervenzellen
>> Gliazellen
Nervenzellen
+ Gliazellen
Nervenzellen
+ Gliazellen
Nervenzellen
+ Gliazellen
Extrazellulär /
Synapsen
Nervenzellen
Anatomische
Etiologie
Vulneribilität
Hippocampus/NeoCx Idp/Hd
Assoziierte Gene
Frontal/Temporal
Medial/Temporal
StaGa/HS/Parietal/
Frontal/Temporal
StaGa/HS/Frontal/
Temporal
Medial Temporal/
Amygdala
Frontal/Temporal/
Corticospinal/StaGa
HS StaGa/NeoCx
Idp/Hd
Idp
Idp/Hd
MAPT
Nicht beschrieben
MAPT
Idp/Hd
MAPT
Idp
MAPT (sehr selten)
Idp
Nicht beschrieben
Idp/Hd
HS/StaGa/KH
Idp
PLA2G6, PINK1, LRRK2,
PARKIN, GBA, SNCA *
Nicht beschrieben
Frontal/Temporal
Idp/Hd
Frontal/Temporal/
StaGa/HS
Frontal/Temporal/
StaGa
Frontal/Temporal/
StaGa/HS
Motor System/
Hippocampus
Motor System
Idp
TARDBP, PGRN,
C9orf72, VCP
Nicht beschrieben
Idp
Nicht beschrieben
Hd/Idp (?)
CHMP2B
Idp/Hd
TARDBP**, C9orf72**,
UBQLN2***
FUS
NeoCx/StaGa/
Thalamus/KH
KH/Rückenmark/
HS/StaGa
Idp/Ew/Hd PRNP
Hd
ataxin 1,2,3,7,
CACNA1A, TBP
Nervenzellen
Nervenzellen
Extrazelluläre
+Angiopathi
Nervenzellen
StaGa/HS
StaGa/NeoCx
NeoCx/StaGa/
Thalamus/KH
NeoCx/HS StaGa
Hd
Hd
Hd
DRPLA
HTT
BRI2
Hd
SERPINI1
Hd
FTL
Hd
PANK2, PLA2G6, FA2H,
ATP13A2, C2orf37, CP
Nervenzellen
+ Gliazellen
Nervenzellen
StaGa/HS/Cortex
Hd
APP, PSEN 1,2
P–AKTUELL 3/2012
AKTUELLES THEMA
durch progrediente kognitive Leistungsminderung charakterisiert, wobei in Frühstadien diese Defizite
meist fluktuierend auftreten. Wie bei
der Parkinson-Krankheit sind αSynuclein immunreaktive LewyKörper und Lewy-Neuriten die pathognomonischen Hauptbefunde.
Bezüglich Lokalisation bzw. topographisch anatomischer Verteilung
bestehen jedoch erhebliche Unterschiede. Die neuropathologische
Klassifikation gemäß den McKeithKriterien [26] zeigt mit den Braak
Stadien der Parkinson-Krankheit
Überschneidungen. Dabei werden
gemäß Mc Keith drei Formen unterschieden: Hirnstammprädominant,
limbisch, neokortikal. Für eine Unterscheidung beider Krankheitsformen ist die im Vordergrund stehende klinische Symptomatik maßgebend.
Protein-Ablagerungen in Nervenund Gliazellen
TAUOPATHIEN
• Kortikobasale Degeneration (CBD):
asymmetrische lobäre Frontal- und
Parietallappenatrophie. Es finden
sich Tau-positive ballonierte (»achromatische«) Neurone, Tau-positive
neuronale und Oligodendrogliaeinschlüsse sowie typische Astrogliaplaques. Biochemisch sind diese
durch 64–68 kDa 4R-Tau-Dubletten mit 4 »Repeats« charakterisiert
[6].
• Progressive supranukleäre Paralyse (PSP):
multisystemischer Neuronenverlust
in subkortikalen und Hirnstammkernen (insbesondere im Nucleus
subthalamicus, Substantia nigra,
Globus pallidus, und Locus coeruleus) mit reaktiver Gliose. Weiters
finden sich Tau-positive neurofibrilläre Tangles, Neuropilfäden und TauDeposite in Astro- und Oligodendroglia (gliofibrilläre Bündel, sogenannte »tufted-astrocytes« und »coi-
P–AKTUELL 3/2012
led bodies«). Biochemisch sind diese
durch 64–68 kDa Tau-Dupletten
und 4-Repeat-Tau charakterisiert [6].
• Silberkörnchenkrankheit (»Argyrophilic grain disease«, AGD): Eine
häufig auftretende degenerative Erkrankung des alternden Gehirns.
Histologisch charakterisiert durch
spindel- bzw. kommaförmige Einschlüsse (»argyrophilic grains«). Diese
Einschlüsse zeigen ein charakteristisches limbisches Verteilungsmuster.
Weiters finden sich Tau-Deposite im
Zytoplasma von Oligodendroglia
und Nervenzellen. Diese Tau-Ablagerungen bestehen aus 64–68 kDa
Dupletten und 4-Repeat-Tau [38].
• Familiäre frontotemporale Demenz und
Parkinsonismus assoziiert mit Chromosom-17, Tau(MAPT)-Gen (FTDP17T, jetzt: FTLD-MAPT): durch
Mutation im Tau-Gen (bis jetzt über
60 beschriebene Mutationen) auf
Chromosom 17q21–22. Charakteristisches neuropathologisches Substrat sind hier massive neuronale und
gliale Tau-Deposite [9].
α-SYNUCLEINOPATHIEN
Hier ist anzumerken, dass auch M. Parkinson oder Lewy-Körper-Demenz
astrogliale und oligodendrogliale Einschlüsse aufweisen können, die neuronalen Ablagerungen jedoch deutlich
dominieren.
Protein-Ablagerungen vorwiegend in
Gliazellen
TAUOPATHIEN
• Tauopathien mit globulären glialen
Einschlüssen: Klinisch ist diese Form
durch eine frontotemporale Demenz
mit histologisch prominenter Marklager-Pathologie charakterisiert [21].
Weitere klinische Phänotypen umfassen ein PSP-artiges Syndrom mit
Pyramidenzeichen, sowie eine FTD
mit Parkinsonismus [12, 34]. Die
angetroffene oligodendrogliale Pathologie weist Ähnlichkeiten zur
Multisystematrophie auf, wobei jedoch das dominierende Protein Tau
anstelle von α-Synuclein ist [21].
Neurone können ebenfalls Tau-Einschlüsse aufweisen, wenngleich die
Glia-Pathologie überwiegt.
α-SYNUCLEINOPATHIEN
• Multisystematrophie: Betroffene Patienten zeigen eine unterschiedlich
ausgeprägte Atrophie von Hirnstamm, Kleinhirn und Striatum.
Zwei klinisch-pathologische Hauptformen sind bekannt: MSA-P (Striatum betroffen) und MSA-C (Kleinhirn und Hirnstamm involviert).
Pathognomonischer Hauptbefund
sind α-Synuclein immunreaktive
Einschlüsse im Zytoplasma von
Oligodendrogliazellen, die sogenannten glialen zytoplasmatischen
Einschlüsse (»Papp-Lantos Körperchen«) [32]. Weitere α-Synuclein
immunreaktive Einschlüsse finden
sich im Zytoplasma und Kernen von
Neuronen, sowie in Axonen. Insgesamt überwiegen jedoch die GliaEinschlüsse deutlich. In der Entstehung der Oligodendroglia-Einschlüsse spielt das Protein TPPP/p25
(»tubulin polymerisation promoting
protein«) eine wichtige Rolle [20].
Nach Erstbeschreibung durch unsere
Arbeitsgruppe wurde bald von anderen bestätigt, dass dieses Protein
(manchmal auch als p25alpha bezeichnet) eine wichtige Komponente
der Einschlüsse darstellt.
AUSSAGE I
Für die Biomarker-Forschung
ist es wichtig zu verstehen, dass
die Klassifikation neurodegenerativer Erkrankungen auf
den jeweils abgelagerten Proteinen basiert, die durch Krankheits-assoziierte Proteinmodifikationen verursacht werden.
7
AKTUELLES THEMA
2.E. Zusammenfassung:
Das diagnostische Vorgehen der
Neuropathologe
Für Klinker ist in einem neuropathologischen Befund vor allem die endgültige Diagnose von Interesse, wohingegen
die Details der Morphologie und Proteinablagerungsmuster von untergeordneter Bedeutung sind. Daher im Folgenden ein Überblick über den Werdegang eines neuropathologischen Befundes am Beispiel der Tauopathien
[18]:
In der neuropathologischen Routinediagnostik wird ein Antikörper gegen
phosphoryliertes Tau verwendet. Der
am häufigsten Verwendete ist der Antikörper AT8 (ser202 phospho-Epitop), welcher nur im Falle eines pathologischen Prozesses eine Immunreaktivität aufweist. In der neuropathologischen Beurteilung wird zunächst die
Lokalisation der Tau-Immunreaktivität
beurteilt, ob diese in Neuronen oder
Gliazellen prominenter vorliegt. Phospho-Tau-Ablagerungen kommen nur
im Zytoplasma oder Zellfortsätzen vor,
nicht im Zellkern.
In Astrozyten kann die Tau-Ablagerung
in den proximalen Anteilen der
asytrozytären Fortsätze lokalisiert sein,
welche daher als sogenannte »tufted
astrocytes« bezeichnet werden (siehe
Abbildung 3). In anderen Fällen ist die
Tau Ablagerung eher in den distalen
Abschnitten der asytrozytären Fortsätze lokalisiert, welche durch eine Plaqueartige Morphologie charakterisiert sind
und daher als sogenannte »astrozytäre
Plaques« bezeichnet werden (siehe Abbildung 3). Diese morphologischen
Erscheinungsbilder unterscheiden sich
hinsichtlich ihrer klinischen Korrelate.
Während die »tufted astrocytes« mit
dem Phänotyp der progressiven supranuklearen Paralyse assoziiert sind, zeigen »astrozytäre Plaques« eine klinische
Korrelation mit der corticobasalen Degeneration. Somit hat die Auswertung
8
der Morphologie der astrozytären TauImmunoreaktivität eine wichtige Bedeutung. In Oligodendrogliazellen präsentiert sich die Tau-Immunreaktivität
als dünne Inklusion, welche als sogenannte »coiled-bodies« bezeichnet wird
(siehe Abbildung 3). Es ist jedoch auch
möglich, dass die Tau-Immunoreaktivität als massivere Inklusion erscheint,
welche als »globuläre gliale Einschlusskörperchen« bezeichnet wird (siehe
Abbildung 3). Unsere Untersuchungen
zeigten, dass solche globulären, glialen
Einschlusskörperchen meistens mit einer Trakt-Degeneration assoziiert sind.
Somit haben die globulären, glialen
Einschlusskörperchen sowohl eine andere pathophysiologische als auch diagnostische Relevanz in vivo (siehe Neuroimaging) [21].
In Neuronen ist die Morphologie der
Tau-Immunoreaktivtät ebenfalls von
hoher Bedeutung. Eine Proteinablagerung in den Dendriten wird als sogenanntes »Grain« bezeichnet (siehe
Abbildung 3). Sind diese »Grains« zusätzlich argyrophil angeordnet, liegt das
charakteristische morphologische Korrelat der argyrophilen Grain Krankheit
vor. Befindet sich die Tau Ablagerung
in den Axonen werden diese entweder
als dystrophische Neuriten oder als sogenannte »neuropil threads« bezeichnet
(siehe Abbildung 3). Diese wichtigen
Verteilungsmerkmale werden zur Einstufung der Alzheimer Erkrankung gemäß den Braak und Braak Stufen herangezogen.
Im Zytoplasma der Neuronen kann
sich die Tau-Ablagerung als feines Granulat präsentieren.
Erfolgt diese Tau-Ablagerung nicht in
Abbildung 4
Repräsentative Bilder von phospho-Tau sowie verschiedenen Tau Isoformen und
Ubiquitin in unterschiedlichen Ablagerungsvarianten in Nervenzellen.
P–AKTUELL 3/2012
AKTUELLES THEMA
einem argyrophilen Verteilungsmuster
(Darstellung mittels Silberfärbung) und
ist weiter nicht ubiquitiert, so wird diese
als »Pretangle« bezeichnet. Es gilt jedoch zu beachten, dass diese Ablagerungsform sich nicht sicher zu einem
neurofibrillären Tangle weiterentwickelt. Daher ist es präzisier, dieses Verteilungsmuster als »diffuse zytoplasmatische Tau-Immunoreaktivität« zu
bezeichnen. Des Weiteren weisen die
»Pretangles« lediglich eine Immunreaktivität gegen die 4R-Isoform des
Tau-Proteins auf, wohingegen typische
neurofibrilläre Tangles, welche durch
ein argyrophiles Verteilungsmuster und
eine Ubiquitinierung charakterisiert
sind, eine Immunreaktivität sowohl
gegen 3R- als auch für die 4R-Isoform
aufweisen (siehe Abbildung 4). Zahlreiche Neurone mit einer diffusen,
zytoplasmatischen Tau-Immunoreaktivität sind das typische Korrelat für eine
corticobasale Degeneration und weiter
mit einer Mutation des MAPT-Gens
assoziiert. Neurofibrilläre Tangles können eine flammenförmige oder eine
kugelförmige Morphologie aufweisen.
Im Hippocampus und im Kortex ist
die flammenförmige Morphologie häufiger anzutreffen während in subkortikalen Neuronen die kugelförmige
Morphologie häufiger ist. Es gibt zahlreiche weitere globuläre Tau Inklusionen von diagnostischer Bedeutung.
Liegt eine Immunoreaktivität für die
3R- und 4R-Isoform vor, ist dies charakteristisch für neurofibrilläre Tangles.
Liegt lediglich eine Immunoreaktivität
für die 3R Isoform vor, so ist dies
pathognomonisch für die Pick-Krankheit (Pick-Kugeln) (siehe Abbildung 4).
Liegt lediglich eine Immunoreaktivität
für die 4R-Isoform vor, zeigt sich eine
Korrelation mit MAPT-Mutationen
oder einer corticobasalen Degeneration (siehe Abbildung 4). Zusammenfassend ist die genaue morphologische
Beschreibung der Tau-Immunreaktivi-
P–AKTUELL 3/2012
tät auch von klinischem Interesse, da
die anatomische Verteilung mit verschiedenen Krankheitsbildern assoziiert
ist.
3. Korrelation KlinikNeuropathologie
Folgende Konzepte sind zu erwähnen:
1. Die Beteiligung bestimmter anatomischer Strukturen (Nervenzellverlust
und meist, wenn auch nicht immer,
Proteinablagerung) bestimmt die klinische Symptomatik.
2. Verschiedene Krankheiten können
gleiche anatomische Regionen betreffen.
3. Dadurch ist die klinische Symptomatik allein nicht bestimmend für den
neuropathologischen Phänotyp.
4. Während des Fortschreitens der Erkrankung werden weitere anatomische
Bereiche mitinvolviert: bei einigen
Krankheiten kann dies bei der klinischen Diagnosestellung helfen, in anderen Fällen wird dadurch die Diagnosefindung jedoch erschwert.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte neuropathologische Veränderungen
für die klinische Symptomatik ursächlich sind, ist in Tabelle 3 zusammengefasst. Ein kortikobasales Syndrom
(klinisch!) ist z.B. am häufigsten auf eine
CBD zurückzuführen, seltener auf eine
PSP-ähnliche Tau-Pathologie, kann
u.U. aber auch bei TDP-43 Proteinopathien auftreten. Umgekehrt kann
sich eine CBD-Tau-Pathologie klinisch
nicht nur als kortikobasales Syndrom,
sondern auch als eine frontotemporale
Demenz (sowohl Verhaltensvariante
mit führender Wesensänderung, als
auch primäre progressive Aphasie) manifestieren. Eine PSP-artige Pathologie
ist mit einer supranukleären Blickparese
(selten auch mit Pyramidenbahnzeichen) assoziiert, kann jedoch auch mit
Parkinsonismus, reiner Akinesie mit
»freezing«, oder selten cerebellärer Ata-
xie oder rein dementiellem Verlauf einhergehen. Umgekehrt kann ein klinisches PSP-Syndrom mit Blickparese
durch eine TDP-43 Proteinopathie,
andere Tauopathien, oder selten auch
durch Prionenerkrankung verursacht
werden. TDP-43 Proteinopathien können mit amyotropher Lateralsklerose,
als FTD oder als Kombination der
beiden (FTD-MND) einhergehen.
Das Spektrum der klinischen Präsentationen nimmt weiter zu und umfasst
mittlerweile Chorea-, CBS- sowie PSPSyndrome.
AUSSAGE II
Die klinischen Symptome lassen nicht notwendigerweise auf
eine spezifische Neuropathologie schließen.
4. Konkomitante pathologische Veränderungen
Neben den für eine Krankheit charakteristischen neuropathologischen Veränderungen, können zusätzliche Läsionen angetroffen werden, die den
Krankheitsverlauf beeinflussen oder
abändern können. Gleichzeitige (»konkomitante«) Pathologie bedeutet nicht
immer nur eine zusätzliche Gefäßerkrankung, sondern insbesondere, dass
weitere Proteinopathien vorliegen können. Derartige konkomitante Pathologien werden vermehrt beschrieben,
und sind auf Neuerungen auf dem Gebiet der Biomarker-Forschung zurückzuführen, insbesondere den Nachweis
pathologischer Proteine in Körperflüssigkeiten, wodurch sie häufiger erkannt
und diagnostiziert werden [28]. So ist
die Silberkörnchenkrankheit etwa eine
altersassoziierte Krankheit, die häufig
gemeinsam mit Veränderungen eines
M. Alzheimer, einer supranukleären
Blickparese oder eines M. Parkinson
9
AKTUELLES THEMA
Tabelle 3
Wahrscheinlichkeit von neuropathologischen Veränderungen als Hintergrund für die klinischen Hauptsymptome
BIBD: Basophile Einschlusskörper Krankheit; CBD: Kortikobasale Degeneration; CBS: kortikobasales Syndrom;
EPS: extrapyramidales Syndrom; FTD: frontotemporale Demenz (bv: »behavioural« Verhaltens-Variante); FTLD:
frontotemporale lobäre Degeneration; GGT: Tauopathie mit globulären glialen Einschlüssen; MAPT: Microtubuleassociate Tau Gen; MNEK: Motor Neuron Erkrankung; MSA: Multisystematrophie NFT: neurofibrillärer Tangle;
NIFID: neurofilament inclusion body disease; PGRN: Progranulin Gen; PPA: Primär progressive Aphasie; PSP:
Progressive supranukläre Paralyse; SD: Semantische Demenz
Dominierendes
Symptom
Wahrscheinlichste Pathologie
Neuropathologie
Weniger wahrscheinlich
CBS
CBD (40-50%!)
PSP (30-40%!)
Parkinson Syndrom
M. Parkinson
PSP, MSA, CBD
PSP-Syndrom
PSP
CBD
PPA
M.Pick, PSP, CBD
GGT, FTLD-TDP (PGRN)
PPA mit EPS
bv-FTD
FTLD-TDP
M.Pick, CBD, FTLD-TDP
M. Pick, GGT, FTLD-TDP (PGRN)
PSP
SD
bv-FTD mit EPS
FTLD-TDP
PSP, FTLD-TDP
FTD mit MNEK
Zerebelläre Ataxie
Rasch progrediente
Demenz
Alzheimer-Typ
Demenz
FTLD-TDP
MSA, SCA
Prionerkrankung
M.Pick
CBD, Pick, FTLD-MAPT, FTLDTDP (PGRN)
FTLD-TDP (TARDBP)
Prionerkrankung
Lewy-Körper-Demenz, M. Alzheimer
mit konkomitanter Pathologie
Lewy -Körper-Demenz, SilberkörnchenKrankheit, NFT-Demenz, PSP
(meistens bei älteren Menschen)
M. Alzheimer
auftritt. Aus bislang unbekannten Gründen zeigen 25% der Fälle einer supranukleären Blickparese zusätzlich eine
Lewy-Körper-Pathologie. Ein Subtyp
der Alzheimer-Krankheit zeigt zudem
eine auf die Amygdala beschränkte
Lewy-Körper-Pathologie [39], während die Substantia nigra oder andere
Regionen nicht betroffen sind! Limbische TDP-43-Proteinablagerungen finden sich in 10-20 % aller CBD-Fälle
10
und in bis zu 30% aller Fälle von M.
Alzheimer, PSP und Silberkörnchenkrankheit, nie jedoch bei M. Pick [17,
22]. Gemäß diesen Beobachtungen
wäre es korrekter die Alzheimer Krankheit als »multi-Proteinopathie« zu bezeichnen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der in
Zusammenhang mit konkomitanten
Pathologien zu erwähnen ist, ist das
Konzept des Ȇberschreitens einer
Selten
FTLD-FUS (NIFID), M. Pick,
FTLD-TDP (PGRN)
FTLD-Tau (MAPT),
Prionerkrankung, GGT
FTLD-TDP, FTLD-TDP (PGRN)
Prionerkrankung,
FTLD-Tau (MAPT)
Prionerkrankung
(+rasch progredient Demenz)
PSP, CBD, FTLD-FUS (NIFID)
FTLD-MAPT, FTLD-TDP
(PGRN), FTLD-TDP (TARDBP),
FTLD-FUS
–
FTLD-TDP (TARDBP), BIBD,
FTLD-FUS (NIFID)
GGT, BIBD, FTLD-FUS (NIFID)
PSP
PSP, CBD, FTLD-Tau (MAPT),
FTLD-TDP, FTLD-FUS
FTLD-Tau (Pick, GGT),
Prionerkrankung
Schwelle« (threshold), ab der pathologische Veränderungen zum Auftreten
einer klinischen Symptomatik führen.
Eine Person hat etwa nur milde Veränderungen vom Alzheimer-Typ. Sobald
diese(r) PatientIn jedoch zusätzlich
Lewy-Körper in der Amygdala und/
oder Veränderungen einer Silberkörnchenkrankheit aufweist, können diese
konkomitanten Pathologien zusammen ausreichen, um die Schwelle zur
P–AKTUELL 3/2012
AKTUELLES THEMA
Abbildung 5
Beispiel für das Konzept, wie begleitende Pathologien dazu führen, dass die Schwelle zur klinischen Symptomatik erreicht wird. AGD: argyrophil grain Demenz;
M.Alzh: Morbus Alzheimer; AK: Alzheimer Krankheit.
klinischen Symptomatik zu erreichen
(siehe Abbildung 5).
AUSSAGE III
Mehrere unterschiedliche Pathologien liegen häufig in
Kombination vor, wodurch der
klinische Krankheitsverlauf beträchtlich abgeändert werden
kann. Diese Tatsache unterstreicht die zunehmende (eher
prognostische) Bedeutung der
Biomarker-Forschung.
Geringe Ausprägungen mehrerer Krankheiten zusammen
können ebenfalls die Schwelle
hin zur klinischen Symptomatik überschreiten.
5. Perspektive
5.1. Das Konzept von konformationellen Krankheiten: was ist seine
Relevanz?
Definition sogenannter konformationeller Krankheiten (»Conformational
Diseases«): Proteine, die im ZNS (wichtige?) Funktionen haben, weisen zwar
P – A K T U E L L 3 / 2 0 12
dieselbe Aminosäuresequenz (Primärstruktur) auf, erfahren jedoch im Krankheitsprozess eine abnorme Faltung (Sekundärstruktur) [7]. Auch genetische
Mutationen können zu derartigen Veränderungen führen.
In den letzten Jahren wurden neue
Konzepte für den Pathomechanismus
entwickelt. Diese umfassen sogenannte »templating« oder »seeding« Prozesse als Ursache für die Ansammlung von
pathologischen Proteinkonformationen. Tatsächlich deuten die folgenden
Beobachtungen darauf hin, dass Proteine als »seeds« krankheitsassoziierte
Veränderungen der physiologischen
Proteinformen induzieren können:
1. Bei Prionen-Erkrankungen wurde
die »nur Protein« Hypothese durch
Übertragung der Krankheit mittels
rekombinantem Proteins begründet
[25]. Somit sind Prionen-Erkrankungen übertragbare Krankheiten, welche
durch Proteine ausgelöst und übertragen werden können [35].
2. Beim Morbus Alzheimer erfolgt die
Ablagerung von A-beta und Tau Proteinen in einer hierarchischen Reihenfolge, welche von Braak und Braak be-
schrieben wurde [3]. Diese Erkenntnis
deutet darauf hin, dass miteinander in
Kontakt stehende Nervenzellen die
Ausbreitung des pathologischen Proteins begünstigen. Im Weiteren zeigt
sich eine derartige hierarchische Ausbreitung auch in einigen Fällen der
Parkinson Krankheit [4].
3. Bei Parkinson-Patienten mit Langzeitüberleben nach Transplantation fetaler dopaminerger Neurone, wurden
alpha-Synuclein positive Lewy-Körperchen in den transplantierten Neuronen beobachtet. Diese Beobachtung
deutet darauf hin, dass die pathologische Proteinablagerung sich von den
Empfängerneuronen auf die Transplantneurone übertragen kann [15,
23].
4. Beobachtungen in vitro Zellkulturmodellen und Tiermodellen zeigten,
dass das eine Ausbreitung (»seeding«)
bei diesen Erkrankungen erfolgt (Tabelle 4) (siehe auch Reviewartikel: [13]).
Die »seeding« Hypothese unterstützt
die Entwicklung gemeinsamer Therapiestrategien, um eine Ausbreitung der
Erkrankung aufzuhalten. Diese Hypothese postuliert einen Zusammenhang
zwischen neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder
Morbus Parkinson und Prionen-Erkrankungen (zum Beispiel CreutzfeldtJakob-Krankheit):
- Es handelt sich um konformationelle
Erkrankungen oder sogenannte »Misfolded Protein« Erkrankungen
- Es handelt sich um Aggregopathien
oder Proteinopathien
- Eine Zell-zu-Zell-Übertragung wurde experemintell gezeigt
- »Seeding« (Kern) wurde in Tierexperimenten gezeigt
Allerdings, sollte der Begriff »Übertragbarkeit« sehr sorgfältig und mit Bedacht
eingesetzt werden, da dies im Kern nur
für Prionen-Erkrankungen gegeben ist.
Eine Mensch zu Mensch-Übertragung
oder eine Mensch-Tier-Übertragung
11
AKTUELLES THEMA
Tabelle 4
»Spreading« von neurodegenerativen Erkrankungen: experimentelle
Beobachtungen (siehe noch Ref: [13])
Protein
Experimentelle Modelle
A-beta
Humanes A-beta
(APP) exprimierendes
Mausmodell
- Inokulat: Humanes A-beta
- Intrazerebral und auch
intra-peritoneal
Tau
Mäuse, die nicht-mutiertes
humanes Tau-Protein
exprimieren
Ergebnis/Interpretation
Am deutlichsten an der Impfstelle,
wandert jedoch auch entlang von
Nervenbahnen
Verbreitung über Axone
- Inokulat: pathologisches
Tau-Filament-Präparat
A-Synuclein
Tg Mäuse, die menschliches
α-Synuclein exprimieren
ohne einen humanisierten Hintergrund der Tiere wurde bisher durch
experimentelle und epidemiologische
Studien nur für Prionen-Erkrankungen
gezeigt. Die aktuelle Studienlage ist
nicht ausreichend um für Morbus Alzheimer oder für Morbus Parkinson eine
gleichartige Übertragbarkeit oder »Infektiosität« zu postulieren. Es gilt jedoch zu beachten, dass sich diese Einschätzung in Zukunft durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse ändern
könnte und auch für andere DemenzErkrankungen zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen z.B. bei neurochirurgischen Eingriffen erforderlich werden
könnten.
5.2. Gibt es Vorteile für ein
»Protein-profiling« beim
individuellen Patienten?
Die Nachweisbarkeit von Proteinen in
Körperflüssigkeiten hängt von deren
Penetration in diese ab. Ein Beispiel für
12
Neurale Grafts nehmen α-Synuclein
auf und bilden kleine Aggregate aus
Nicht klar, ob wirklich »Templating«
oder nur »Translokation« von Protein
dieses Phänomen ist die Einlagerung
(Sequestrierung) von Aβ 1-42 Protein
im Gehirn. Diese führt zu einem erniedrigten Niveau im Liquor, welches
in diagnostischen Assays detektiert
werden kann. Ein anderes Beispiel ist
der Anstieg von Gesamt-Tau im Liquor
als Folge von Neuronenuntergang (daher nicht nur für M. Alzheimer spezifisch, sondern für jedes Krankheitsbild
mit Neuronenuntergang). Des Weiteren gibt es einige krankheitsassoziierte
Veränderungen, die zur Überexpression
eines Proteins im Liquor führen. So
führt zum Beispiel die Phosphorylierung des Tau-Proteins zu einer abnormen Überexpression, welche im Liquor
detektiert werden kann. Jedoch kann
die Überexpression von phosphoryliertem Tau-Protein auch durch eine Reihe von anderen Ursachen bzw. nicht
neurodegenerative Erkrankungen verursacht werden. Darüber hinaus beeinflussen viele, im Einzelnen noch nicht
identifizierte Faktoren, die Fähigkeit
des pathologischen Tau-Proteins die
Körperflüssigkeiten zu erreichen.
Zusammenfassend haben die Überexpression oder Ablagerung von Proteinen bei neurodegenerativen Erkrankungen folgende Auswirkungen [17]:
1) Physiologische Proteine werden
hochreguliert, oder es kann ein Defizit
in ihrem Katabolismus entstehen.
2) Immunhistochemisch nachweisbare extra- und intrazelluläre ProteinAblagerungen erfolgen in Stufen (»Stages«) oder Phasen und betreffen anatomische Regionen in einer hierarchischen Weise.
3) Immunhistochemisch nachweisbare extra- und intrazelluläre ProteinAblagerungen können zusätzlich zum
eigentlich vorherrschenden Protein in
verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen detektiert werden; dieses
Phänomen kann auf bestimmte anatomische Bereiche beschränkt sein.
4) Eine solche Hochregulation oder
Ablagerung kann auch in nicht-neurodegenerativen Erkrankungen auftreten.
5) Proteinablagerungen können physiologische oder pathologische Formen
anderer Neurodegenerations-assoziierter Proteine überlagern und ihre Nachweisbarkeit z.B. in Körperflüssigkeiten
verändern.
6) Es gibt weitere Modifikationen von
Proteinen, die derzeit noch im Focus
der Wissenschaft stehen und (noch)
nicht in der Diagnostik verwendet werden.
Somit wurde in der Biomarkerforschung das ursprüngliche Konzept der
neuropathologisch definierten gemischten Demenz, bezogen auf eine Kombination von M. Alzheimer und vaskulärer Enzephalopathie, um das sogenannte »orchestrale Konzept« der Proteinablagerung erweitert [17].
Die Auswertung einer Kombination
mehrerer Proteine aus Körperflüssig-
P–AKTUELL 3/2012
AKTUELLES THEMA
keiten in Zusammenschau mit neuroradiologischen Merkmalen und der
Konstellation der klinischen Symptome wird zu einer besseren Gruppierung
der Patienten mit neurodegenerativen
Erkrankungen führen. Hierdurch ist
eine verbesserte Prognoseeinschätzung
möglich, welche in weiterer Folge eine
bessere symptomatische Therapiestrategie ermöglichen wird. Auch wird damit eine bessere Diskriminierung von
Prognosegruppen möglich, wodurch
neue Therapien effizienter in selektierten Patientenkollektiven eingesetzt werden können [16].
Gemeinsam mit der genetischen Analyse wird durch die »Protein Codierung« neurodegenerativer Krankheiten
ein wichtiger Schritt in Richtung einer
personalisierten Medizin getätigt [17].
6. Konklusionen
Protein-Biomarker werden in Kombination mit bildgebenden Verfahren
bereits eingesetzt, um die klinische Diagnose der Alzheimer-Krankheit zu unterstützen. Die Untersuchung des AβPeptid-Musters im Liquor kann
differentialdiagnostisch bedeutsam sein
[1]. Die kombinierte Auswertung mehrerer Proteine im Liquor erlaubt die
Unterscheidung von Subgruppen von
Alzheimer-Patienten, die durch unterschiedliche klinische Verläufe gekennzeichnet sind [10]. Phospho-Tau in
Körperflüssigkeiten wird als diagnostischer Marker für M. Alzheimer verwendet, während eine trunkierte Form des
Tau-Proteins als Marker für PSP vorgeschlagen wurde [2]. Auch TDP-43
und phospho-TDP-43 im Plasma korrelieren mit der Pathologie [8, 14].
Weiters wurde α-Synuclein in Liquor
und Plasma in Fällen von M. Parkinson
und Lewy-Körper-Demenz untersucht
[27].
Die Protein-basierte Klassifikation neurodegenerativer Erkrankungen stellt
P–AKTUELL 3/2012
nach wie vor die Rationale für die Biomarker-Forschung in Körperflüssigkeiten dar und dient als Ergänzung der
klinischen und genetischen Untersuchungen. Aus unserer Sicht sollte die
neuropathologische Diagnose, die weiterhin als State-of-the-art gilt, um eine
deskriptive Beschreibung des gesamten
Spektrums der vorliegenden Proteinablagerungen ergänzt werden, wodurch
eine spätere Clusteranalyse der Patienten möglich wird [17].
Darüber hinaus konnten mit Hilfe umfassender biochemischer und morphologischer Untersuchungen eine große
Reihe von Proteinmodifikationen gefunden werden, die für die Diagnostik
bedeutsam sind. Alterationen der fünf
wichtigsten Proteine (Aβ, PrP, tau, αSynuclein, TDP-43), die durch die
Analyse weiterer »angezogener« Proteine unterstützt werden, sollten bei neurodegenerativen Erkrankungen gleich-
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zeitig untersucht werden. Dies sollte
durch den Nachweis von Proteinen und
Biomarkern, die mit pathogenetischen
Prozessen assoziiert sind, sowie die
Bildgebung, ein Panel von Single
Nucleotide Polymorphismen oder anderer genetischer Alterationen ergänzt
werden, um ein hoch personalisiertes,
individualisiertes Diagnostik-Profil zu
erstellen [17]. Ohne definierte Qualitätskontrolle oder multidisziplinären
Ansatz (analog zu den »Tumor-Boards«
mit Klinikern, Neuroradiologen, Neuropathologen, Neurochemikern) und
ohne neuropathologische Untersuchungen werden diese Ziele wohl nur
Theorie bleiben.
Danksagung:
Ich möchte Dr. Adelheid Wöhrer und
Dr. Anna Berghoff für die Hilfe bei der
Redaktion des Manuskripts danken.
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13. November 2012
10. Krems Konferenz
Management der Spastizität –
Update therapeutischer Strategien
Audimax der Donau-Universität
Krems
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30
3500 Krems
Information:
Frau Theresa Zehetmayer
Dr.-Karl-Dorrek Strasse 30,
3500 Krems
T: +43 (0) 2732-893-2631
[email protected]
www.donau-uni.ac.at/neuro
16. – 17. November 2012
Jahrestagung der Österreichischen
Gesellschaft für Neurorehabilitation
Paracelsus Medizinische
Privatuniversität Salzburg
Information:
Frau Andrea Petrovic
Universitätsklinik für Neurologie
Salzburg
T: +43 662 4483 3001
Kongresskalender 2012
5th November 2012
European Master in Stroke
Medicine
Danube University Krems
Information:
Donau-Universität Krems
Fakultät für Gesundheit und Medizin
Department klinische Neurowissenschaften und Präventionsmedizin
Dr.-Karl-Dorrekt-Straße 30,
3500 Krems
[email protected]
8. – 11. November 2012
International Converence on Clinical Practice in Alzheimer Desease
Budapest
Information:
International Marketing and Sales
Manager, Paragon Conventions
Frau Sarah Krein
T: +41 22 5330948
[email protected]
http://www.cpadconference.com
8. – 10. November 2012
2nd International Congress on
Neurology & Epiemiology
Nice, France
Information:
GL events, Package Organisation
10 quai Charles de Gaulle
69463 Lyon Cedex 06, France
T: +33 4 78 176 176
[email protected]
www.neuro-conference.com/2012
P–AKTUELL 3/2012
14. – 17. November 2012
7th Latin American Congress on
Epilepsy
Quito, Ecuador
Information:
[email protected]
www.epilepsiaquito2012.org
15. – 18. November 2012
11th Annual Pain Medicine Meeting
Miami, Florida
Fontainebleau Hotel
Information:
Robin Hoyle
Industy Liaison and Sales
T: +1 727 498 7484
[email protected]
www2.kenes.com/asra/Pages/
Home.aspx
22. – 24. November 2012
20. Jahrestagung der ÖGNR und
9. Erich-Klein-Kurs für
interventionelle Neuroradiologie
Hotel Weitzer, Graz
Information:
Kongressorganisation:
Fischill PR
Kochgasse 4
1080 Wien
T: +43 1 408 68 24 0
[email protected]
www.oegnr-kongress.at
Impressum:
Herausgeber: Österreichische Parkinson Gesellschaft,
Skodagasse 14-16, A-1080 Wien, Tel: +43/1/
5128091-19, Fax: +43/1/5128091-80 • Für den Inhalt verantwortlich: Univ.-Prof. Dr. G. Ransmayr,
Univ.-Prof. Dr. W. Pirker, Priv.-Doz. Dr. Sylvia Bösch
• Editor: Univ.-Prof. Dr. W. Pirker, Univ.-Klinik für
Neurologie, Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien,
Tel: + 43/1/40400-3120, Fax: +43/1/40400-6215,
e-mail: [email protected]; Co-Editor:
Priv.-Doz. Dr. Sylvia Bösch, Univ.-Klinik für Neurologie, Anichstr. 35, A-6020 Innsbruck, Tel: +43/
512/504/0, Fax: +43/512/504-23852, e-mail:
[email protected] • Konzeption: Helmut
Haid, Bettelwurfstr. 2, A-6020 Innsbruck • Druck:
Tiroler Druck, A-6020 Innsbruck • Oktober 2012
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