Artikel im Münchner Merkur

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Münchner Merkur Nr. 81 | Freitag, 9. April 2010
Leben
UNSERE HOBBYKÖCHE ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Wo Äpfel Prozente bekommen
Freitags schauen wir im
Wechsel Wirten und
Hobbyköchen über die
Schulter. Heute sind wir
zu Gast bei Familie
Schauer in Schnegg. Hier
entsteht seit Jahren
Hochprozentiges.
VON SIMONE SINGER
In der Luft hängt das fruchtige Aroma von vergorenem
Obst. In einer Ecke des gefliesten Raums ragt ein kupferner Kessel bis zur Decke.
Silberrohre umwinden ihn,
außen sitzen Räder und
Schrauben. „Das ist das Herzstück“, sagt Brigitte Schauer.
In dem Kessel verwandeln
sich Birnen, Schlehen oder
Zwetschgen in Feuerwasser –
und das schon seit 36 Jahren.
Auf dem Bauernhof in
Schnegg (Kreis Bad TölzWolfratshausen) ist das Brennen schon seit Generationen
Frauensache. Das Wissen
wird vererbt, von der Schwiegermutter an die Schwiegertochter. Brigitte Schauer lernte das heute seltene Handwerk von ihrer Schwiegermutter Annemarie. Die heute
63-Jährige ging vor 30 Jahren
ebenfalls bei der Mutter ihres
Mannes in die Lehre.
Brigitte Schauer kümmert
sich um die „Feinarbeiten“,
wie sie sagt. Dazu gehört die
Herstellung der Geiste: Sie
hält eine silberne Schüssel in
den Händen. Der braune Brei
darin waren einmal Schlehen.
Heute sind Äpfel dran. Sie
sind ungespritzt und kommen
aus der Region – wie alle
Früchte, die sich in dem
Brennofen auf dem Bauernhof in Hochprozentiges verwandeln. Sie stammen von
Streuobstwiesen und werden
handverlesen. Schon eine
kleine Delle genügt – und der
Apfel wird aussortiert. Dafür
ist Josef Schauer, der Vater
der Familie, zuständig.
Nicht jeder darf Schnaps
brennen. Dazu muss einem
das Brennrecht verliehen
werden. Es besteht auf dem
Hof der Schauers schon seit
Generationen. „Grundsätzlich darf jeder, der Streuobstwiesen besitzt, Schnaps brennen“, erklärt Schauer – vorausgesetzt, man meldet sich
beim Zollamt an. Die Behörde entscheidet dann, wann
und wie viel Schnaps im Jahr
gebrannt werden darf.
Bevor aus dem Obst Feuerwasser entsteht, muss es zuerst gewaschen, zerkleinert
und gepresst werden. Wichtig
bei allen Steinfrüchten wie
Aprikosen und Zwetschgen:
Die Kerne müssen ganz bleiben. Denn sie können giftige
Stoffe enthalten. Zum Fruchtmus gibt Brigitte Schauer Hefe. Sie wandelt Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um.
Dazu muss die Maische luft-
Auf das gelungene Werk stoßen alle an, auch Familienvater Josef Schauer. Schnapsbrennen ist hingegen Frauensache, darum kümmern sich Mutter Anneliese und Schwiegertochter Brigitte. Sie zaubern auch leckere Desserts aus Hochprozentigem – wie diese Schlehenlikör-Torte.
FOTOS (7): OLIVER BODMER
Die ungespritzten Äpfel stammen von Streuobstwiesen
aus der Region.
dicht verschlossen werden.
Zur Lagerung kommt sie in
Edelstahlfässer. „Dort kann
das Ganze gären“, sagt Brigitte Schauer. Nach drei bis vier
Wochen bei 18 Grad hat sich
der gesamte Zucker in Alkohol umgewandelt.
Dann wird es feurig: Brigitte Schauer füllt die vergorenen Früchte in einen Kupferkessel, die sogenannte Brennblase. In den Ofen darunter
schichtet sie Scheite. Die
Maische wird traditionell
„über Holz“ erhitzt. Viele
Stunden muss Brigitte Schauer immer wieder Holz nachlegen. Denn die Temperatur
muss möglichst konstant bleiben. Langsam verdampfen
Aromen und Alkohol und
steigen in den zylinderförmigen Geisthelm und von dort
in das Geistrohr. Kühlrohre
mit kaltem Wasser lassen den
Dampf kondensieren – es bilden sich Tröpfchen, die
schließlich in einen Eimer
fließen.
Wenn der erste Brennvorgang, der Rohbrand, fertig ist,
geht’s ans Probieren. „Jetzt
flattern die Geiste herum“,
sagt Brigitte Schauer und
lacht. Ein fester Strahl spritzt
aus dem Tank in eine Kanne.
Beim Kosten benetzt die
Hobby-Brennerin nur leicht
ihre Zunge. „Das meiste funktioniert sowieso übers Riechen“, erklärt sie.
Doch eine gute Nase allein
reicht nicht. Um ihren Geschmackssinn zu verfeinern,
hat die gelernte Bankkauffrau
Brenn- und Sensorikkurse an
der Technischen Universität
Der
klare
Schnaps
schmeckt fruchtig.
Weihenstephan besucht.
Dann muss Brigitte Schauer den Ofen zum zweiten Mal
schüren: Denn nach dem
Rohbrand kommt der Feinbrand. Zunächst verdampfen
die Methanole aus der Maische. Hier gilt: Bloß nicht
trinken! Denn dieser „Vorlauf“ mit etwa 80 Prozent Alkohol ist giftig. „Der riecht
stechend wie Nagellackentferner“, sagt Schauer. Es dauert, bis aromatisches Feuerwasser den Kessel verlässt.
Der Mittellauf, „das Herzstück der Destillation“, duftet
fruchttypisch. Aus ihm wird
einmal herrlich aromatischer
Obstler.
Den giftigen Vorlauf vom
Mittellauf zu unterscheiden,
ist dabei gar nicht so einfach.
Wenn sich Brigitte Schauer
Brigitte Schauer bereitet Schlehenlikör-Torte, Topfennudeln und Nusslikör-Eis zu
Schlehenlikörtorte
Zutaten für den Biskuitteig: 4 Eier, 120
Gramm Zucker, 150 Gramm Mehl, 1 Messerspitze Backpulver.
Tortencreme: 100 Gramm Zucker, 1 Becher Sahne, 1 Becher Joghurt, 150 Milliliter
Schlehenlikör, 4 Blatt Gelatine.
Zubereitung: Eiweiß abtrennen und steif
schlagen. Eigelb mit Zucker schaumig rühren, Mehl mit Backpulver mischen und unter Rühren in die Eigelbmasse sieben. Ei-
weiß vorsichtig unterheben. Den Teig in eine am Boden eingefettete Springform geben. Bei 180 Grad ca. 30 Minuten backen.
Abkühlen lassen. Für die Creme zunächst
Sahne steif schlagen. Zucker, Joghurt und
Likör unterrühren. Die Gelatine einweichen
und vorsichtig in einem Topf erwärmen, bis
sie flüssig ist. Nun langsam in die Masse aus
Zucker, Sahne, Joghurt und Likör einrühren. Die Creme auf den Biskuitboden verteilen und im Kühlschrank fest werden lassen.
Verzierung: Die Torte mit Sahnetuffs, Schokoblättchen und Likörtropfen verzieren.
Topfennudeln
Zutaten für den Teig: 1 Kilogramm Mehl,
500 Gramm Quark, 1 1/2 Päckchen Trockenhefe, eine kleine Handvoll Salz, 3 Eier,
etwa 1/4 Liter Milch.
Zubereitung: Alle Zutaten bei Zimmertemperatur verarbeiten. Aus Mehl, Quark, Hefe, Salz, Eiern und Milch einen weichen Hefeteig herstellen, etwa 30 Minuten ruhen
lassen. Nudeln daraus formen und nochmal
ca. 30 Minuten ruhen lassen. Dann in heißem Fett schwimmend goldbraun backen.
Brigitte Schauer empfiehlt dazu einen Apfelbrand – als „Verdauungsschnapserl“.
Vanilleeis mit Nusslikör
Zutaten: Zwei Kugeln Vanilleeis, Sahne,
Raspelschokolade und Walnusslikör
Zubereitung: Eis auf einem Teller anrichten, mit Sahne und Schokoraspeln garnieren und Walnuss-Likör übergießen.
Die vergorene Maische wird in dem Brennkessel über
Holzfeuer schonend erhitzt.
nicht sicher ist, verdünnt sie
den Vorlauf mit Wasser und
probiert – bis der stechende
Geschmack verflogen ist.
Dann schmeckt sie nur noch
das Fruchtaroma. Am Ende
des Brennvorgangs wird die
Flüssigkeit wieder ungenießbar: Während des Nachlaufs
hat der Brand einen dumpfen
Kesselgeschmack.
Noch aber kann man den
Schnaps nicht trinken. „Das
Herzstück“ muss noch reifen
– und lagert dafür mehrere
Monate in Edelstahlfässern.
Danach wird es mit aufbereitetem Wasser vermischt, bis
es Trinkstärke (zwischen 38
und 45 Prozent) hat. Der
Schnaps wird gefiltert und in
Flaschen gefüllt.
„Ein guter Schnaps muss
mild sein“, sagt Brigitte
Schauer. Zum Genießen sollte er Zimmertemperatur haben. Dann entfalten sich die
Aromen am besten, von Quitten, Vogelbeeren oder Kräutern. Die 35-Jährige hat vor
neun
Jahren
mit
dem
Schnapsbrennen angefangen
– mit Hollerlikör. Heute entstehen in Schnegg auch
Nuss-, Lebkuchen- und seit
neuestem Bierlikör – alles ohne Zucker und Zusatzstoffe.
Ihre Kunden schätzen das.
„Sie wollen heute was Ausgefallenes, und nicht nur irgendein Schnapserl“, sagt
Schwiegermutter Annemarie.
Weitere Infos
Die edlen Brände sind ab Hof
erhältlich. Adresse: Schnegg
108, 83646 Oberfischbach.
Infos unter Tel. 0 80 41/38 01.
Geist, Brand oder Likör
Schnaps ist nicht gleich
Schnaps. Man unterscheidet
Geiste, Brände und Liköre.
„Ein Geist wird aus Früchten
hergestellt, die zwar sehr viele
Bitterstoffe, aber zu wenig
Zucker enthalten“, erklärt
Brigitte Schauer. Ein Beispiel
ist Vogelbeergeist. Zunächst
gibt man zu den zerkleinerten
Früchten neutral schmeckenden Alkohol. Er hat etwa 96
Prozent. Diese Mischung
wird ein Mal gebrannt.
Brände oder Wässer stellt
man aus Maische her, einem
Gemisch aus Früchten und
Hefe. Bei der Gärung entsteht
Alkohol. „Das Fruchtmus
wird bei uns dann zwei Mal
gebrannt“, sagt Schauer.
Brände entstehen aus Früchten, die viel Zucker enthalten
wie Birnen oder Kirschen.
Bei Likören setzt die
35-Jährige Früchte mit Neu-
Bunte Vielfalt: Das Schnapsregal von Familie Schauer.
tralalkohol an. Meist verwendet sie dafür aber auch bereits
gebrannte Geiste, wie zum
Beispiel den Schlehengeist.
Er wird zu den zerkleinerten
Früchten gegeben. Die angesetzte Masse kommt anschließend aber nicht mehr in den
Brennkessel. „Sie muss nur
ein paar Wochen ruhen“, erklärt Brigitte Schauer.
sms
19
DIE TÄGLICHE
MEDIZIN
Heute: Vorsicht beim
Bärlauch-Sammeln!
In lichten Wäldern und
Parks steigt dem Spaziergänger jetzt wieder ein
aromatischer Duft in die
Nase. Wie eine grüne Matte breitet sich der Bärlauch
unter den Bäumen aus.
Sein
Knoblauch-Aroma
gewinnt immer mehr Liebhaber. Denn die Blätter
verfeinern nicht nur Suppen und Salate. Mit ihnen
lassen sich auch einfallsreiche Gerichte zaubern
wie Bärlauch-Quiche oder
Bärlauch-Knödel. Zudem
ist Bärlauch gesund. So
soll das Zwiebelgewächs
Harn treiben und Entzündungen lindern.
Da die Pflanze hierzulande in vielen Gegenden
wild wächst, sammeln immer mehr Hobby-Köche
die Blätter selbst. Doch
sollte man sich dazu gut
auskennen. Denn der Bärlauch hat tödliche Zwillinge. In den vergangenen
Jahren kam es immer wieder zu schweren Vergiftungen. Die Betroffenen
hatten die Blätter mit denen der Herbstzeitlose
oder des Maiglöckchens
verwechselt. Beide Pflanzen sind giftig und wachsen oft in der Nähe von
Bärlauch.
Jedes Blatt prüfen
Beim Pflücken sollte man
daher jedes Blatt einzeln
prüfen. Die Maiglöckchenblätter wachsen etwas später als die des Bärlauchs. Doch Ende April
können sie mitten in einem Bärlauchfeld stehen.
Auch die Blätter der
Herbstzeitlose
wachsen
zur gleichen Zeit. Sie enthalten das Gift Colchicin.
Schon 50 Gramm der Blätter können tödlich sein.
Bei einer geringen Dosis
kommt es zu Übelkeit,
Herzrhythmusstörungen
und Kreislaufproblemen.
Auch
Erbrechen
und
Durchfall können auftreten. Zu ähnlichen Symptomen führt auch der Verzehr von Maiglöckchenblättern. Seine Glykoside
wirken ähnlich wie das
Gift des Roten Fingerhuts.
Giftig: Maiglöckchen (li.)
und Herbstzeitlose.
FKN
Genau hinsehen
Wer Bärlauch sammelt,
muss also genau hinsehen:
Die Bärlauchblätter riechen nicht nur aromatisch
nach Knoblauch. Sie sind
auch weicher und dünner
als die des Maiglöckchens.
Zudem ist ihre Oberfläche
matt. Die Blätter des Maiglöckchens sind dagegen
fester und glänzend. Zudem wachsen mehrere aus
einem Stiel, während jedes
Bärlauchblatt an einem eigenen Stiel aus der Erde
kommt. Auch mehrere
Blätter der Herbstzeitlose,
deren violette Blüten man
erst im Herbst sieht, wachsen um einen Stiel herum.
Angst haben viele Menschen außerdem davor,
dass sich Eier des Fuchsbandwurms auf den Blättern befinden könnten.
Dieser Parasit kann sich in
der menschlichen Leber
festsetzen und sie im Laufe
der Jahre zerstören. Wenn
man den Bärlauch aber gut
wäscht, ist das Risiko äußerst gering. Wer sichergehen will, sollte die Blätter
kochen. Ab 60 Grad werden die Eier zerstört.
SONJA GIBIS
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