(eds.): The Eastern Islamic World. Eleventh

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Zitierhinweis
Tilmann Kulke: Rezension von: David O. Morgan / Anthony Reid
(eds.): The Eastern Islamic World. Eleventh to Eighteenth
Centuries, Cambridge: Cambridge University Press 2010, in
sehepunkte 12 (2012), Nr. 7 [15.07.2012],
URL:http://www.sehepunkte.de/2012/07/22048.html
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sehepunkte 12 (2012), Nr. 7
David O. Morgan / Anthony Reid (eds.): The
Eastern Islamic World. Eleventh to Eighteenth
Centuries
Das Ziel der renommierten Cambridge History of Islam ist es, in 6
Ausgaben ein umfassendes Bild der Geschichte und Kultur des Islams
von den Anfängen im 7. Jahrhundert n. Chr. bis zu den aktuellen
Ereignissen in der islamischen Welt zu bieten. Eine - auch nach
räumlichen Gesichtspunkten - gewaltige Aufgabe: Bereits im frühen 8.
Jahrhundert christlicher Zeitrechnung erstreckte sich das islamische
Großreich von Indien im Osten bis nach Spanien im Westen. Im 18.
Jahrhundert n. Chr. reichte die islamische Welt von Westafrika bis nach
Südostasien. Der vorliegende, dritte Band der New Cambridge History of
Islam befasst sich auf mehr als 600 Seiten mit genau dieser zweiten
großen Expansion des Islams nach Asien in der Zeit vom 11. bis zum 18.
Jahrhundert n. Chr.
Durch die Expansion östlich des Euphrats wurde die islamische Kultur
und Religion mit zahlreichen anderen (Hoch-)Kulturen konfrontiert. In
dieser Zeit waren es nicht mehr allein die islamischen Institutionen,
Soldaten und Beamten, die für die Verbreitung des Islams von Bedeutung
waren; vielmehr traten "nicht-offizielle" Akteure auf die Bühne der
Geschichte: wandernde Ṣūfīs und ihre Bruderschaften ( ṭarīqas ), sowie
staaten- und kulturübergreifende Händlergemeinschaften, die eine
immer bedeutendere Rolle für die islamische Kultur, Geschichte und
deren Verbreitung spielen sollten. Die islamische Welt nahm konsequent
neue kulturelle Einflüsse auf. Türkisch, Persisch, Urdu, Swahili,
Malaysisch und Chinesisch gewannen neben dem klassischen Arabisch
als Literatursprachen immer mehr an Bedeutung. Diese faszinierende
und komplexe Dynamik verständlich darzustellen, ist Ziel des
vorliegenden Bandes - ein Ziel, das - wie sich zeigen wird - die
Herausgeber David O. Morgan und Anthony Reid sehr gut erreicht
haben.
So teilen sie ihren Band in vier Blöcke ein: 1. "The Impact of the Steppe
Peoples" (21-201 mit 5 Beiträgen); 2. "The Gunpowder
Empires" (202-316 mit 3 Beiträgen); 3. "The Maritime
Oecumene" (317-528 mit 6 Beiträgen) und 4. "Themes" (529-610 mit 4
Beiträgen allgemeineren Inhalts). Was charakterisiert nun die östliche
islamische Welt in der Zeit vom 11. bis zum 18. Jahrhundert n. Chr.? Grob
zusammengefasst sind es drei Faktoren, die die Epoche der früheren,
"klassischen" Geschichte des Islams zwischen dem 7./8. und dem 11./12.
Jahrhundert n. Chr., sowie von der späteren, von Reinhard Koselleck als
"Sattelzeit" bezeichneten Epoche zwischen 1750 und 1850/1870
unterscheidet. [ 1 ]
1. Faktor: Eine weitreichende Wirkung auf die islamischen Länder übten
die Wanderbewegungen und Invasionen der Steppenvölker Zentralasiens
aus. Auch hier kann, wie es der vorliegende Band auch tut, das 11.
Jahrhundert n. Chr. als Epochengrenze betrachtet werden. Unter der
Dynastie der ʿAbbāsiden begann zuerst das Zentrum des Reiches und ihm
folgend die immer stärker autonom regierenden Statthalter mit der
Rekrutierung von Militärsklaven (mamlūk). Sie wurden einzeln, bzw. in
kleinen Gruppen, ohne Kontakt in ihre frühere Heimat und ohne eine sie
verbindende Identität (außer der ihnen nun neu auferlegten, islamischen
und der Loyalität zu ihrem jeweiligen, neuen Herrscher) von den
jeweiligen Herrschern als Elite-Kämpfer für ihre Privatarmee in den
Peripherien der islamischen Welt erworben. Dies änderte sich im 11.
Jahrhundert n. Chr. Ab dann drangen die zentralasiatischen
Reiternomaden (Turkvölker und Mongolen) in Massen in die islamischen
Kernländer ( dār al-islām ) ein, wobei die soziale Struktur des Stammes,
das nomadische Leben und die Führungsstruktur ihrer jeweiligen
Anführer noch vollkommen intakt waren; Edmund Bosworths Beitrag
"The Steppe People in the Islamic World" (21-77) liefert hierfür eine
ausgezeichnete Einführung. Ebenso sei auf André Winks Artikel, dessen
opus magnum über das Delhi Sultanat in drei Bänden zu den
herausragenden Studien über die Muslime in Indien gehört, [ 2 ] mit dem
Titel "Early Expansion of Islam in India" (78-99) hingewiesen.
2. Faktor: Die schon vor dem 11. Jahrhundert n. Chr. einsetzende
politische Fragmentierung des ʿabbāsidischen Reiches war eine
wesentliche Voraussetzung für die zweite große Expansion des Islams
nach Osten. Diese verlief über die Handelsrouten des indischen und
südchinesischen Meeres und unterschied sich stark von der ersten
Expansion des Islams im 7.-8. Jahrhundert n. Chr. Dieser subtropische
Raum war für die klassische arabische Kriegsführung mit
Kavallerieangriffen und großen marschierenden Heere nicht geeignet.
Die Folge war, dass sich keines der drei großen islamischen Imperien
(Osmanen, Ṣafawiden und Moguln) der Frühen Neuzeit ein Monopol im
Indischen Ozean erkämpfen konnte.[ 3 ] Die einzige Ausnahme bildeten
die gezielten Maßnahmen unter osmanischer Führung in den 1530er und
1560er Jahren, die eine Antwort auf die immer stärker werdende Rolle
der Portugiesen im Indischen Ozean, dem Roten Meer und dem
Persischen Golf waren - beide Expeditionen waren letztlich jedoch
Fehlschläge. Vielmehr traten Muslime im Indischen Ozean als Händler
und Geographen auf und spielten eine dominierende Rolle. Dank
fortschrittlicher Navigationstechniken und den geeigneten Segelschiffen
(anglo-indisch als dhows bezeichnet), beherrschten arabische Händler
die wichtigen Handelswege des Roten Meeres und Persischen Golfes
zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean. Sie segelten bereits in
frühislamischer Zeit nach Indien und weiter östlich und gründeten immer
häufiger und stärker miteinander vernetzte Küstenstandorte sowie
islamische Viertel in den wichtigen Küstenstädten. In dieser Zeit traten
vermehrt Muslime als Führungsfiguren in chinesischen Diensten auf,
indem sie etwa die chinesischen Flottenexpansionen als Admiräle
anführten, wie das Beispiel des Generals Zheng He (Cheng Ho) zeigt. Er
führte ab 1405 bis 1435 n. Chr. die bis dahin größte "Armada" in den
Indischen Ozean, um chinesische Interessen zu vertreten. Dabei
orientierte er sich an den muslimischen Handelsrouten um Hormus und
Aden; eine große Zahl seiner Soldaten waren Muslime. Der Grund für die
Präsenz von Muslimen in den allerhöchsten Ebenen der chinesischen
Bürokratie und des Militärs liegt unter anderem in der Eroberung Chinas
durch die Mongolen im ausgehenden 13. Jahrhundert n. Chr. Diese
brachten zahlreiche zentralasiatische Muslime nach China und nach der
Machtübernahme durch die Ming-Dynastie 1368 konnten diese ihre
privilegierten Positionen vor allem in Yunna weiter ausbauen. Die Rolle,
welche China in der Ausbreitung des Islams in diesem Zeitraum spielte,
darf man folglich nicht unterschätzen, was Michael Pearson in seinem
Beitrag "Islamic Trade, Shipping , Port-states and Merchant Communities
in the Indian Ocean, seventh to sixteenth Century" (317-356) sowie der
sehr interessante Artikel von Zvi Ben-Dor Benite "Follow the white
Camel: Islam in China to 1800" (409-426). Bereits im Jahr 758 n. Chr.
starteten persische und arabische Muslime eine Revolte in Canton und
konnten die Stadt sogar für kurze Zeit ganz unter ihre Kontrolle bringen.
Mit Ende der Tang-Dynastie im Jahr 907 n. Chr., mit der die Zeit der Fünf
Dynastien und Zehn Reiche anbricht, beginnt die Kontrolle zahlreicher
wichtiger chinesischer Hafenstädte durch sinisierte Muslime der Hui.
Und schon um 1290 zeugen Quellen (vornehmlich Gräber und
Reisedokumente) von den ersten islamischen Staatsgebilden an der
nördlichen Küste Sumatras. Das behandelt Geoff Wade in seinem Beitrag
"Early Muslim Expansion in South-East Asia, eighth-to fifteenth
centuries" (366-408).
Anthony Reid und R. Michael Feener konzentrieren sich schließlich ganz
auf Südostasien (427-503), indem sie die Sonderrolle Javas hervorheben.
Hier kam es seit den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts n. Chr. zu
zahlreichen Konflikten mit den hindu-buddhistischen Königtümern im
Inneren Javas. Zudem erreichte hier der berühmte Sultan Agung
(1613-1646 n. Chr.), der sowohl hinduistische, als auch islamische
Herrschtitel trug das, was einige Jahre zuvor Ǧalāl ad-Dīn Muḥammad
Akbar (1556-1605 n. Chr.) in Nordindien vergeblich zu etablieren
versucht hatte; nämlich eine erfolgreiche Synthese der alten und neuen
Religionen.
In dieser Umbruchphase stieg das Bedürfnis nach Übersetzungen
islamischer Texte. Dieser Prozess begann im 16. Jahrhundert n. Chr. im
Malaysischen und Javanesischen und erreichte seinen Höhepunkt in
einer reichen Übersetzungstradition islamischer Literatur. Der Großteil
der Übersetzer, Autoren und Lehrer waren auch hier einmal mehr Ṣūfīs,
von denen viele ein Studium in Mekka oder Medina vorweisen mussten,
um sich in der "intellektuellen Szene" Gehör zu verschaffen; die meisten
von ihnen gehörten dem Orden der Ḫaḍiriyya oder Šaṭṭāriyya an.
Die Zeit zwischen 1540 und 1640 n. Chr. nimmt im maritimen Asien eine
besondere Stellung ein, weil es zu Gegenreaktionen auf die
portugiesischen Gewalt- und Strafaktionen gegen die muslimischen
Händler kam. Im Jahr 1560 richtete sich Aceh mit einem Hilfegesuch
direkt an das Osmanische Reich; die nun beginnende osmanische
Initiative wurde vor allem als Gegenkreuzzug im Namen des Islams
beschrieben.
Der Wendepunkt im Mächteverhältnis zeichnete sich zu Beginn des 17.
Jahrhundert n. Chr. ab. Die direkten muslimischen Handelswege zu den
arabischen Häfen am Roten Meer mussten an die effizienteren
holländischen und englischen Schiffe abgetreten werden, die um das Kap
der Guten Hoffnung segelten. Auch die Pilgerfahrt und die Studienreise
zu den heiligen Stätten des Islams erschwerten sich nun für asiatische
Muslime. Hinzu kamen die für viele Muslime bis dahin unbekannte
Brutalität zwischen den Holländern und Portugiesen, Protestanten und
Katholiken, die den Indischen Ozean zum Schauplatz ihrer Rivalitäten
machten und damit erheblich zum christlich-muslimischen Antagonismus
beitrugen. Die großen islamischen Handelsstaaten wie Aceh, Banten und
Makassar wurden im 17. Jahrhundert n. Chr. entweder von der
Niederländischen Ostindienkompanie (VOC) erobert oder verloren ihr
Handelsmonopol an sie.
3. Faktor: Es wurde bereits angesprochen, dass die Verbreitung des
Islams im maritimen Asien ab dem 11. Jahrhundert n. Chr. eher durch
Händler und gelehrte Ṣūfīs geschah als durch Armeen und Bürokraten;
dies ist aber nicht das einzige Merkmal, in welchen sich die asiatische
"middle period" des hier zu besprechenden Bandes von der Geschichte
des Nahen Osten unterscheidet. Anfangs trafen die ersten
expandierenden Muslime vorranging auf die christliche und jüdische
Religion, deren Anhänger sie als "Volk des Buches ( ahl al-kitāb )"
betrachteten, mit denen sie das Auserwähltheitsprinzip der
abrahamitischen Religionen und den Gedanken des einen Gottes teilten
und denen sie neben dem ḏimmī -Status auch einige Privilegien
einräumten. Dies änderte sich mit der Expansionsbewegung des Islams
nach Ostasien. Dort begegneten die Muslime den vielfältigen Formen des
asiatischen Spiritualismus, die besagten, dass es zahlreiche Wege zu Gott
und verschiedenen Religionen gebe. Abū Rayhān al-Bīrūnī (973-1048 n.
Chr.) war einer der ersten islamischen Gelehrten, der die sich ausführlich
zu den Religionen Indiens äußerte. Er notierte erstaunt, dass es hier
höchstens einmal zu kurzen theologischen Unterhaltungen komme, dass
aber niemand bereit sei, seinen Körper, seine Seele oder seinen Besitz
für die Religion zu opfern.[ 4 ] Dieses Erstaunen seitens der Muslime war
prägend für die weitere Ausbreitung und Entwicklung des Islams in
Asien. Die ersten muslimischen Orte des Gebets wurden meist an nichtislamischen Heiligengräbern oder an Orten der Meditation und
Gelehrsamkeit errichtet und zogen zahlreiche Ṣūfī-Gelehrte an.
Architektonisch glichen die ersten islamischen Gebäude in China eher
der vorislamischen Architektur. Hier spielten die Ṣūfī- ṭarīqas eine
entscheidende Rolle; ihre Gräber wurden zu bedeutenden Pilgerstädten.
Als es zur Fragmentierung der islamischen Reiche und Staaten in Asien
im 18. Jahrhundert n. Chr. kam, waren es diese ṭarīqas , die eine neue
Form der sozialen Organisation und somit ein Überleben der
muslimischen Gemeinden unter hinduistisch, buddhistischer,
konfuzianischer und christlicher Herrschaft ermöglichten. Natürlich
grenzten sich islamischen Gemeinden von nicht-islamischen oftmals
drastisch ab und es kam auch zu gewalttätigen Konflikten. Gleichzeitig
werden aber auch beeindruckende Syntheseprozesse zwischen Islam und
konfuzianischer Philosophie, hinduistischer und javanesischer Theologie
bezeugt.
Ein großer Teil Asiens war in dieser Epoche durch eine starke Pluralität
der Religionen geprägt. Nicht-muslimische Herrscher, seien es
thailändische Buddhisten, malabrische Hindus, konfuzianische Chinesen
oder orthodoxe Christen, hatten meistens weder die Legitimität, noch
das Bedürfnis, gegen religiöse Minderheiten vorzugehen. Dies ändert
sich im 18. Jahrhundert n. Chr.: Muslimische Gesellschaften orientierten
sich nun stärker an den staatlichen Vorbildern des Nahen Ostens, vor
allem im Haḍramaut und dem Ḥiǧāz, und an ihren "Herrschern hinter
den Winden", wie Muhammad Qasim Zaman in seinem Beitrag
"Transmitters of Authority and Ideas across Cultural Boundaries,
eleventh to eightteenth centuries" (582-610) schön beschreibt.
Es sei aber noch auf einen weiteren Punkt hingewiesen, der für das
Verständnis der vorliegenden Epoche von entscheidender Bedeutung ist:
die "Persianisation". Ein Prozess, der die frühneuzeitliche islamische Welt
entscheidend prägte und seit einiger Zeit vor allem in der angloamerikanischen Forschung große Aufmerksamkeit erfährt. Daher wird er
in diesem Band auch ausführlich von Reuven Amitai ("Armies and their
Economic Basis in Iran and the Surrounding", 539-560), G.R. Garthwaite
("Transition: The End of the old order - Iran in the Eighteenth Century",
504-528) Sholeh A. Quinn ("Iran under Safavid Rule", 203-238) und
Stephen Dale in seiner ausgezeichneten Einführung über das Mogulreich
("India under Mughal Rule", 266-317) beleuchtet, worauf ich weiter
unten noch ausführlicher eingehen werde. Dieser Prozess begann unter
den Seldschuken und vor allem unter der Herrschaft einer der
schillerndsten Persönlichkeiten des Mittelalters, Niẓām al-Mulk Abū ʿAlī
al-Ḥasan b. ʿAlī b. Isḥāq aṭ-Ṭūsī (gestorben 1092 n. Chr.), Wesir der
beiden mächtigen Seldschuken-Sulṭāne Alp Arslan (gestorben 1072 n.
Chr.) und Malik Šāh (gestorben 1092 n. Chr.). 1063 n. Chr. von Alp Arslan
zum Wesir ernannt, erkannte der in Ḫurāsān geborene Niẓām al-Mulk,
dass die Seldschuken militärisch zwar unbesiegbar waren, dass sie aber
auf die Tradition der persischen Bürokratie angewiesen waren. Diese
hatte ihre Wurzeln in vorislamischer Zeit und blieb, auch wenn sie
islamische Einflüsse aufnahm, letztlich eine persische Institution ("There
were, then, strong Islamic elements in the tradition [der alten persischen
Bürokratie], but it was in essence a Persian tradition", 13).
Als einige hundert Jahre später Šāh Ismāʿīl I. (reg. 1501-1524 n. Chr.) an
seinen osmanischen Nachbarn, Sulṭān Selīm I. (reg. 1512-1520 n. Chr.),
einen Brief auf Türkisch verfassen ließ, erhielt er die Antwort auf
Persisch. Im osmanischen Istanbul war die Bildungssprache mittlerweile
also Persisch. Das klassische Arabisch, als Sprache des Qurʾān , der
Jurisprudenz und der Theologie, blieb nach wie vor unantastbar. Aber für
Literatur und Dichtung, Geschichtsschreibung und zivilisierte Dispute am
Hofe der Mächtigen war es nun die persische Sprache, die maßgeblich
war und so sollte es in Indien des 19. Jahrhunderts noch von Bedeutung
sein, britische Rekruten im Persischen auszubilden.
Die "Persianisation" begann zwar unter den Seldschuken (beschäftigt
man sich näher mit dieser Epoche, so sind jedoch hier noch die meisten
Quellen auf Arabisch verfasst: "The historian of that epoch [der
seldschukischen] will find, that more of the sources are written in Arabic
than in Persian", 14), der endgültige Durchbruch fand aber unter den
Mongolen und ihrer Herrschaft über den zentralislamischen Raum statt.
Da sie keinerlei Interesse am Arabischen zeigten (im Unterschied zu den
Seldschuken, die, bevor sie in die islamischen Länder eindrangen, sich
schon zum Islam bekannt hatten und sich somit der Bedeutung des
Arabischen bewusst waren), sondern anfangs rein pragmatisch an der
Verwaltungs- und Regierungssprache Persisch interessiert waren, wurde
letztere nun zur lingua franca des Mongolenreiches.
Mit dem Untergang des ʿābbāsidenreiches im Jahr 1258 n. Chr. und der
Zerstörung der damaligen Weltstadt Bagdad unter Chülegü wurde aus
Sicht der älteren Forschung der allgemeine Niedergang der arabischislamischen Zivilisation besiegelt und die weitere Geschichte des Nahen
Ostens und Asiens von da an als ein einziger, kontinuierlicher kultureller
und ökonomischer Niedergang gedeutet. Diese Sicht wurde erstmals
gezielt durch die drei bändige Studie Marshall Hodgsons ( The Venture of
Islam ) von 1974 widerlegt. Dass es diesen Niedergang bereits seit dem
11. Jahrhundert gegeben habe, stritt Hodgson nicht ab, dieser betraf
jedoch nur das ursprüngliche arabische Kernland. Das Zentrum verschob
sich nun jedoch in den persischen Kulturraum. Die (islamische) Frühe
Neuzeit wurde also nicht die Epoche der arabischen Kultur, vielmehr
sollte die künftige Geschichte der islamischen Welt durch die drei
mächtigen islamischen Imperien der Osmanen, Ṣafawiden und Moguln
geprägt werden, die allesamt - jedoch in unterschiedlichem Maß - von
der persischen Kultur beeinflusst waren.[ 5 ]
Was änderte sich ab 1500? Nachdem es ab dem 11. Jahrhundert n. Chr.
zur Dezentralisierung der ʿAbbāsidenherrschaft gekommen war, traten
zwar zahlreiche neue Dynastien auf, wie beispielsweise die hier
hervorragende Dynastie der Seldschuken (1040-1190 n. Chr.) bzw. die
Mongolen oder Timuriden; sie konnten sich jedoch höchstens ein
Jahrhundert, meistens jedoch noch weniger, an der Macht halten. Um
1500 n. Chr. allerdings existierte die Dynastie der Osmanen bereits 200
Jahre und sollte noch 400 weitere Jahre herrschen. Die anderen beiden
großen islamischen Imperien der Ṣafawiden und Mongolen begannen
ihre Herrschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts auszubauen und konnten
sie für mehr als 200 Jahre halten. Allzu oft werden diese hochkomplexen
Reichsgebilde innerhalb der Forschung unter dem Begriff der
Gunpowder Empires in eine Schublade gesteckt. Richtig ist jedoch, das
sich - ganz einfach ausgedrückt - nur noch große und gut organisierte
Staatengebilde wie eben die der Osmanen, Ṣafawiden und Moguln (wenn
auch mit unterschiedlicher Intensivität) die Kanone auf Dauer leisten
konnten (und wollten - die Sonderrolle Irans untersuchen Reuven Amitai
und Sholeh Quinn (s. unten)).
Die im vierten Block gesammelten kürzeren Beiträge (529-610) runden
diesen Band gut ab. Neben Muhammad Qasim Zamans bereits
angesprochenen ausgezeichnetem Beitrag mit dem Titel "Transmitters of
Authority and Ideas across Cultural Boundaries, eleventh to eightteenth
centuries" (582-610), Reuven Amitais Beitrag "Armies and their
Economic Basis in Iran and the surrounding Lands, c.
1000-1500" (539-560) und Scott C. Levis Aufsatz zu "Commercial
Structures" (561-581), soll der knappe, jedoch ausgezeichnete Essay
Richard Bulliets über "Conversion to Islam" (529-538) hervorgehoben
werden. Bulliet weist auf die Komplexität des Begriffs Konversion hin: Je
nachdem, mit welcher Analysemethode man an die Quellen herangeht
(sei es die quantitative, ökonomische, literarische bzw. institutionelle),
erhält man ein jeweils unterschiedliches Bild über die Epoche und
jeweilige Kultur: "Just as stories about individuals cannot be relied on to
explain mass phenomena, economic data and quantitative modelling say
nothing about spiritual experience" (529). Bevor Bulliet die Vor-und
Nachteile dieser jeweiligen Ansätze referiert, stellt er fest, dass
"fortunately, 'the conversion by the sword' stereotype has largely died
away. But the notion that the new converts are normally zealots, like the
contradictory notion that new converts are insincere and not really
Muslim, is still encountered" (530). Indem er auf die Standardwerke von
Richard Eaton, Devin DeWeese, Joseph Fletcher und Azyumardi Azra
hinweist, kommt er zu dem Schluss, dass "[...] conversion is seen not just
as a demographic matter, but as an accomodation over time between
Islam and the peoples it is drawing into its orbit. The process of
accommodation, and the organizational forms by which accommodation
comes about, represent the frontier of conversion studies in the lands of
the east."(538)
In der New Cambridge History of Islam arbeitet ein "All-Star Team" von
(anglo-amerikanischen) Islamhistorikern/-innen mehr als ein halbes
Jahrtausend unterschiedlichster Kulturen und historischer Prozesse auf.
Dies ist naturgemäß eine schwierige Aufgabe, die nur unter starker
Ausblendung zahlreicher Einzelbeispiele möglich ist. Für jeden Experten/
jede Expertin wäre es daher ein Leichtes, bei Sammelbänden auf Mängel
in seinem Fachgebiet hinzuweisen. Die Art und Weise aber, wie die
Herausgeber den Leser in die Materie einführen und die Autoren
komplexe Gebilde wie etwa das Mogulreich (Stephen Dale), die
Geschichte der zentralasiatischen Steppenvölker (Edmund Bosworth)
und des Indischen Ozeans (Michal Pearson) auf oft nur 20 Seiten
verständlich und informativ und zum allergrößten Teil auf dem neusten
Stand der Forschung dem Leser präsentieren, ist erstklassig.
Der vorliegende Band geht leider nicht über englischsprachige Titel der
Sekundärliteratur hinaus - für einen Einstieg in die Materie eignet er sich
jedoch ausgezeichnet. Und da dies das Ziel der Reihe und der
Herausgeber war, kann man sie zum Erreichen desselben nur
beglückwünschen. Die New Cambridge History of Islam- The Eastern
Islamic World Eleventh to Eighteenth Century ist deshalb ohne Vorbehalt
zu empfehlen.
Anmerkungen :
[ 1 ] Letztere Epoche beschreibt Jürgen Osterhammel in seinem opus
magnum über das 19. Jahrhundert. Wie man Jürgen Osterhammel aus
islamwissenschaftlicher Perspektive gewinnbringend lesen kann, zeigt
Stephan Conermann ausführlich. Siehe Stephan Conermann: Rezension
von: Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte
des 19. Jahrhunderts, München: C.H.Beck 2009, in: sehepunkte 11
(2011), Nr. 6 [15.06.2011], URL: http://
www.sehepunkte.de/2011/06/15402.html . Für eine globalgeschichtliche
Perspektive auf das krisenhafte 13./14. Jahrhundert für den islamischen
Kulturraum, der das Ende der "klassischen" Epoche darstellt, dient das
Standardwerk von Janet Abu-Lughod: Before European Hegemony: The
World System A.D. 1250-1350. Oxford 1991.
[ 2 ] André Wink: Al-Hindi: The Making of the Indo-Islamic World, 3
Bände Leiden, Boston, Oxford, New Delhi; 1990-2004.
[ 3 ] Als guter Einstieg empfiehlt sich Stephen F. Dale: The Muslim
Empires of the Ottomans, Safavids, and Mughals, Cambridge 2010 und,
gerade auf Deutsch erschienen, John Darwin: Der imperiale Traum. Die
Globalgeschichte großer Reiche 1400-2000. Frankfurt am Main 2010.
[ 4 ] Edward Sachau: Alberuni's India, Vol. I-II., New Delhi 2005.
[ 5 ] Hier sei auf die Klassiker von Muzaffar Alam und Sanjay
Subrahmanyam hingewiesen, z.B. Indo-Persian Travels in the Age of
Discoveries, 1400-1800, Cambridge 2007 und gerade erschienen Writing
the Mughal World, New York 2011.
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