7 Management der Marktleistung und der Kundenbeziehung

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7
Management der Marktleistung und der Kundenbeziehung
Peter Maas, Philipp Hendrik Steiner
7.1 Marktseitige Veränderungen: Überblick und empirische Erkenntnisse
7.2 Transformation der Dienstleistungsmärkte: Fokus «Customer Value»
7.3 Strategische Hebel im Marktmanagement der Versicherungsunternehmen
7.4 Zusammenfassung und Ausblick
In den vorhergehenden Kapiteln 4–6 wurden wichtige interne Managementprozesse eines
Versicherungsunternehmens dargestellt. In diesem Kapitel liegt der Fokus auf den Beziehungen des Versicherungsunternehmens zu seinen Kunden. Damit wird der zentrale Kernbereich der Marktbeziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager angesprochen, in dem
das sogenannte Kerngeschäft eines Versicherers stattfindet. Im Zusammenspiel der beteiligten Marktparteien wird Wert sowohl für Kunden (Customer Value) als auch für Unternehmen (Company Value) geschaffen (oder zerstört), wobei ersterer immer notwendige
Voraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens ist. Entscheidend bei dieser Betrachtung ist zunächst die Frage, wo bei der Analyse, Beurteilung und Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen begonnen wird: Geht man vom Versicherer aus, der seine vielfältigen Produkte via «Vertrieb» auf den Markt bringt, oder startet man mit der Analyse von
Kundenbedürfnissen und Werterwartungen? Hier hat in den letzten Jahren ein grundsätzliches Umdenken stattgefunden. Ausgehend von anderen Dienstleistungsbranchen wie
Medien, Tourismus, Kommunikation etc., die als Erste erfolgreich Customer Value in das
Zentrum ihrer unternehmerischen Ausrichtung gestellt haben, hat sich auch in den Versicherungsmärkten die Überzeugung verbreitet, dass es wichtig ist, besser zu verstehen,
was Kunden – gleichgültig, ob Privat- oder Geschäftskunden – von Versicherern erwarten,
was für sie Wert schafft und welche Art von Beziehungen sie zu Anbietern unterhalten wollen.
Diese fundamental neue Sichtweise bringt auch radikale Herausforderungen für die Versicherungsunternehmen mit sich. Einerseits ändert sich das, was klassischerweise als «das»
Versicherungsprodukt bezeichnet und verkauft wurde. Des Weiteren gilt es Abschied zu
nehmen von der Vorstellung traditioneller Vertriebskanäle: Verändertes Kundenverhalten
führt immer häufiger dazu, dass der Kunde bestimmt, über welchen Zugangsweg eine Versicherungsdienstleistung gesucht oder gekauft wird. Durch diese fundamentalen Veränderungen – in Kombination mit den bereits in den vorigen Kapiteln beschriebenen Gesellschaftstrends – ergeben sich für die Versicherungsunternehmen eine Reihe von Chancen
und Gefahren, die im diesem Kapitel mit folgenden Kernfragen behandelt werden:
•
•
•
•
Welche Veränderungen in Dienstleistungsmärkten sind relevant für Versicherer?
Mithilfe welchen Modells können diese Veränderungen erfolgreich gemeistert werden?
Wie verändern sich die Bedürfnisse der Kunden und die Anbieter-Nachfrager-Beziehungen? Was sind die Folgen für die Versicherungsbranche und -märkte?
Wie stellt man Kunden in den Fokus seiner unternehmerischen Handlungen, gewinnt
seine Aufmerksamkeit und überzeugt ihn vom Wert eines Produkts, einer Dienstleistung oder einer langfristigen Beziehung?
aus: Walter Ackermann, Hato Schmeiser (Hrsg.): Versicherungswirtschaft & Versicherungsmanagement.
Fachbuch des Berufsbildungsverbands der Versicherungswirtschaft (VBV). Bern 2012
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
177
7.1
Marktseitige Veränderungen: Überblick und empirische Erkenntnisse
In diesem Kapitel wird näher darauf eingegangen, was eigentlich das Produkt bzw. die
Dienstleistung eines Versicherers ist, wie diese vermarktet werden kann und welche Rolle
der Kunde und der Anbieter (und allenfalls ein Intermediär) dabei spielen. Das bereits im
ersten Kapitel vorgestellte St. Galler Management-Modell zeigt auf, dass das Management
der Marktleistung und der Kundenbeziehung neben den Geschäfts-, auch die Management- und die Unterstützungsprozesse tangiert, was die zentrale Stellung dieses siebten
Kapitels hervorhebt. Bei den Anspruchsgruppen rücken neben den Mitarbeitern, der
Öffentlichkeit und der Konkurrenz vor allem die Kunden in den Mittelpunkt.
Traditionellerweise spielten in der Versicherungswirtschaft produktorientierte Verkaufskonzepte eine grosse Rolle, die durch eine produktionsgetriebene Inside-out-Perspektive
gekennzeichnet waren (vgl. Abb. 7-1). Dabei wurde in einem ersten Schritt die Erstellung
von Versicherungsprodukten – typischerweise nach Sparten – thematisiert, um anschliessend über deren Vermarktung nachzudenken. Schliesslich wurde versucht, Kunden zu finden, denen dieses Produkt verkauft werden konnte. Somit war der Kunde erst beim letzten
Schritt, also dem Verkauf bzw. beim Vertragsabschluss als Käufer für die Versicherungsunternehmen interessant.
[7-1]
Elemente und Stossrichtung des herkömmlichen Verkaufskonzepts
1. Produktion und
Verwaltung
(Versicherungsprodukte nach Sparten)
2. Vermarktung
(Suche von Kunden
und Absatzkanälen)
«hard selling»
3. Verkauf
Abschluss
Käufer
Quelle: Haller/Ackermann, 1992
Dieses veraltete Modell wird heute immer seltener verwendet, aber die Veränderungen der
damit einhergehenden Denkweise und Kultur nehmen viel Zeit in Anspruch. Erst in jüngster Zeit haben immer mehr Versicherer versucht, die Bedürfnisse, Wünsche und Probleme
von aktuellen und zukünftigen Kunden ins Blickfeld der Unternehmensstrategie zu rücken.
Dabei liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich Kunden nicht mehr grundsätzlich mit mehr
oder weniger standardisierten Produkten zufriedengeben, sondern in bestimmten Bereichen zunehmend an ihre Bedürfnisse angepasste Leistungen (inkl. Beratung, Schadenmanagement etc.), in anderen aber preiswerte Commodities erwarten. Für die Unternehmen
stellt sich somit die zentrale Frage: Wie kann ich mit meinen Produkten und Dienstleistungen beim Kunden Wert erzeugen (Customer Value)?
Diese zunehmende Kundenorientierung ist nicht zuletzt auch Ausdruck von Trends, die
einen Umbruch auf dem Versicherungsmarkt fördern. Neben generellen Strömungen, wie
beispielsweise Preisdruck, Konsolidierung oder Internationalisierung, wirken andere
Trends unmittelbar auf die Kunden-Anbieter-Beziehung. Dazu zählt beispielsweise die
zunehmende Marktpolarisierung: Neben einem Massenmarkt mit günstigen, standardisierten Versicherungsprodukten, die häufig direkt, d. h. ohne Zwischenschaltung eines
Intermediärs verkauft werden, entsteht gleichzeitig ein Premiummarkt, auf dem umfassende, beratungs- und betreuungsintensive Gesamtlösungen angeboten werden. Gerade
der Zugangsweg «Direkt» hat in letzter Zeit in den europäischen Versicherungsmärken an
Bedeutung gewonnen, während er in der Schweiz noch recht unbedeutend ist. Die niedrigen Eintrittsbarrieren dieses Zugangswegs locken allerdings zunehmend Anbieter aus
anderen Branchen und Vergleichsplattformen, sog. Aggregatoren an. Auch die internetba-
178
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
sierten Applikationen wie Web 2.0 und Social Media und die Weiterentwicklung von Apps
auf Smartphones weisen ein erhebliches Potenzial für die Neugestaltung der Prozesse
vom, zum und mit dem Kunden auf.
Diese Marktpolarisierung lässt sich heute für die Mehrheit der europäischen Versicherungsmärkte nachweisen. Aus Managementsicht interessiert dabei vor allem, wie Kunden
im Lichte dieser Marktentwicklungen ihre Beziehungen zu Versicherern beurteilen, welche
Erwartungen sie an die Anbieter haben und welche Innovationen sie sich in diesem Bereich
vorstellen können. In einer repräsentativen Kunden-Studie wurde diesen Fragen nachgegangen (vgl. Maas/Graf/Bieck 2008) und z. T. überraschende Ergebnisse ermittelt:
•
Die Befragten aus sechs europäischen Ländern – darunter die wichtigsten Märkte UK
und D – bringen der Versicherungsbranche im Durchschnitt nur ein sehr geringes Vertrauen entgegen. In einer Industrie, die im Wesentlichen mit Vertrauensgütern handelt,
ist das fatal. So verwundert es nicht, dass in den Augen vieler Kunden Versicherer als
austauschbar angesehen werden.
•
Für die meisten Konsumenten stellt der persönliche Kontakt zu einem Versicherungsberater nicht den wichtigsten Werttreiber dar. Viele sind bereit, diesen für eine 20-prozentige Verbilligung der Versicherungsprämie aufzugeben, um dann nur noch via Telefon oder Internet mit dem Anbieter zu kommunizieren.
•
Viele Versicherungskunden wünschen sich zudem eine Versicherungspolice, mit der
sie gegen alle möglichen Schäden versichert sind (All-risk-Police), um Lücken zu vermeiden.
•
Werden Personen nach dem Versicherungsunternehmen gefragt, mit dem sie ihre
Hauptbeziehung unterhalten, ändert sich ihre Einstellung. Das Vertrauen in diese Gesellschaft ist bereits höher als das in die Branche, aber am höchsten ist – aus psychologischer Sicht durchaus verständlich – das Vertrauen in den eigenen Berater.
•
Auf die Frage, was am meisten Wert aus Sicht der Kunden schafft, taucht an erster
Stelle eine unkomplizierte und kulante Schadenabwicklung, an zweiter Stelle Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit des Unternehmens auf. Der Preis wird (im Durchschnitt der
Länder) erst an fünfter Stelle als Werttreiber aus Kundensicht genannt. Dies ist umso
überraschender, als häufig aus Anbietersicht der Preis generell als das entscheidende
Kaufkriterium genannt wird.
Auf Basis dieser Einstellungen auf der Nachfrageseite überrascht es nicht, dass sich weitere Veränderungen im Markt abzeichnen:
•
Eine wichtige Nachfrageveränderung hat sich in den letzten Jahren bei den Kundenzugangswegen ergeben. Interessenten und Kunden suchen heute viel aktiver nach Informationen zu Versicherungen als früher. Für einen Grossteil der befragten Kunden sind
Freunde und Verwandte die ersten Ansprechpartner, nicht der Berater. Zudem wird
das Internet immer beliebter: Mittlerweile informieren sich sehr viele Versicherungskunden auch online und nutzen neben den Webseiten der Versicherungsunternehmen
zunehmend Angebote von unabhängigen Beratern oder Vergleichsportalen wie Comparis.ch.
•
Auch die Funktion der Versicherung verändert sich: So erwartet eine Mehrheit der Befragten eine möglichst schnelle und zuverlässige Schadenregulierung bei möglichst
niedrigen Preisen (Kernfunktion: finanzieller Schadenausgleich und Schadenabwickler). Parallel dazu äussern über 40% der Befragten den Wunsch, dass der Versicherer
neben der o.g. Funktion zusätzlich bei der Schadenvermeidung und dem Risk Management unterstützend tätig sein sollte (Kernfunktion: umfassender Lösungsanbieter).
179
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Auch hier zeigt sich die Polarisierung der Märkte in einen günstigen Massenmarkt und
in einen qualitativ und preislich höher positionierten Premiummarkt.
7.2
•
Hinzu kommt, dass individualisierte und innovative Versicherungsprodukte an Beliebtheit gewinnen und in deutliche Konkurrenz zu den klassischen Produkten treten. Ein
Beispiel dazu liefert die sogenannte Usage-based-Versicherung, die sich derzeit vor allem im MFZ-Bereich verbreitet. Über die Hälfte der Befragten der erwähnten Studie
würde ein individualisiertes Modell wählen, in dem die Prämie auf der Basis des effektiven Fahrverhaltens berechnet wird. Dabei wird die Beeinflussbarkeit der Prämie
durch das eigene Verhalten und die daraus abgeleitete grössere Fairness als Hauptwerttreiber für diese innovative Variante gesehen (vgl. dazu auch Bühler/Graf/Bieck
2009). Weitere Beispiele für angewandte Innovationen in der Assekuranz sind der Einbau eines GPS-Geräts zur schnelleren Ortung des Fahrzeugs bei Diebstahl oder die Installation von Sensoren im Haus zur automatischen Alarmierung der Feuerwehr in einem Brandfall. Allen Beispielen ist aber eines gemeinsam: Für die Hergabe persönlicher Daten wird grundsätzlich eine wertvolle Gegenleistung erwartet.
•
Schliesslich wächst auch die Nachfrage zweifach: Einerseits nach einfachen, andererseits nach umfassenden Versicherungslösungen, wie beispielsweise einer Versicherung, die alle möglichen Schäden bzw. jede Person in einem Haushalt abdeckt. Gleichzeitig wünschen sich Kunden aber auch mehr Flexibilität, beispielsweise eine Versicherung, die jederzeit kündbar ist oder bei der flexibel einzelne Bausteine hinzu- oder herausgenommen werden können.
Transformation der Dienstleistungsmärkte: Fokus «Customer Value»
Die skizzierten marktseitigen Trends wie auch die Entwicklungen bei Kundenerwartungen
und -verhalten verändern die Struktur der Märkte insgesamt und die Rollen, die Kunden
und Anbieter zukünftig einnehmen werden. Erfolgsentscheidend für Unternehmen wird es
daher sein, sich mit der zentralen Frage zu beschäftigen: Was schafft eigentlich Wert aus
Kundensicht? Um diese grundlegende Frage beantworten zu können, benötigen wir ein
umfassendes Konzept, das in der Lage ist, die Wertwahrnehmung des Kunden in seiner
Komplexität und Dynamik abzubilden, um daraus Gestaltungsoptionen für das Management und konkrete Massnahmen ableiten zu können. Daher werden in Kapitel 7.2.1
zunächst Grundzüge der Customer-Value-Perspektive dargestellt, um anschliessend ein
umfassendes Modell zur systematischen Integration der Kundensicht (Kapitel 7.2.2) zu präsentieren.
7.2.1
Auf dem Weg zum Customer Value
Die Entstehung eines umfassenden Customer-Value-Verständnisses datiert nur wenige
Jahre zurück, sodass hier noch einige Pionierarbeit geleistet werden kann (Kap. 7.2.1 A).
Diese neue Haltung prägt Unternehmen immer stärker und konfrontiert sie mit ganz neuen
Anforderungen (Kap. 7.2.1 C), die nicht zuletzt durch neue, wesentlich aktivere Rollen von
Kunden bedingt sind (Kap. 7.2.1 B).
180
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
A
Die Entwicklung des Customer Value
Bis vor wenigen Jahren stand – vor allem für börsennotierte Unternehmen – die Generierung von Shareholder-Value im Zentrum des unternehmerischen Handelns. In dieser
Inside-out-Perspektive wurde der Kunde meist nur als Ertragsfaktor gesehen. Kundenwert
aus der Sicht des Unternehmens bestand folglich aus der Frage, wie viel Wert der Kunde
für die entsprechende Organisation generiert (später Customer Equity genannt). Dieser
wird über messbare Grössen ermittelt, wie beispielsweise Umsatz pro Kunde, der Kundendeckungsbeitrag oder – unter Einbezug des Faktors «Zeit» – der Customer Lifetime Value
(CLV). Im Laufe der Zeit wurde versucht, den Kunden in der ganzen Komplexität von Verhaltensweisen wahrzunehmen und diese in entsprechenden (Berechnungs-)Modellen zum
Kundenwert abzubilden. Allerdings zeigte sich bald auch die Begrenztheit dieser Perspektive darin, dass hier zum einen nur Ergebnisse vergangenen Verhaltens dargestellt werden
konnten, zum anderen die verhaltensbeeinflussenden Faktoren auf Kundenseite im Dunkeln blieben.
Rasch entwickelte sich eine gegenläufige Perspektive im Sinne des Customer Value, die
die Wertvorstellungen des Kunden in den Mittelpunkt rückte. Diese Outside-in-Perspektive
stellt die Frage, welchen Wert das Unternehmen durch seine angebotenen Produkte bzw.
Dienstleistungen beim Kunden erzeugt. Zunächst wurde nur untersucht, wie sich die
Erwartungen des Kunden auf seine Zufriedenheit auswirken, später wurden weitere Faktoren wie beispielsweise Transaktionskosten oder Kosten-Nutzen-Erwägungen berücksichtigt.[34]
Beispielsweise definiert Matzler (2000) den wahrgenommenen Kundenwert als das Verhältnis der wahrgenommenen materiellen und immateriellen Kosten zum wahrgenommenen materiellen und immateriellen Nutzen dieser Austauschbeziehung. Das Ergebnis dieses Vergleichs wird in Beziehung gesetzt zu den wahrgenommenen Kosten und Nutzen
einer potenziellen Alternative.
Bei einer solchen Betrachtung ergeben sich zwei Möglichkeiten zur Generierung von Customer Value aus Kundensicht: In einem ersten, eher traditionellen Ansatz liegt der Ausgangspunkt bei der Leistung eines Unternehmens, d. h., das Produkt wird bis hin zu Leistungs- und Nutzenpaketen für den Kunden erweitert (sog. P-System[35]). Hier nimmt das
Unternehmen die eigene Wertschöpfungskette als Grundlage der Wertbetrachtung, um
darauf aufbauend Verbesserungen, also Mehrwerte für den Kunden zu generieren. Als Beispiele könnten eine Anreicherung der Marktleistung mit weiteren Produktfeatures (erweiterter Deckungsumfang) oder Eröffnung neuer Zugangswege für die Kunden (digitale
Kommunikation) genannt werden.
Der zweite Ansatz ist konsequent durch die Kundenperspektive gekennzeichnet und
beschäftigt sich mit den folgenden Fragen:
•
•
•
Wie gehen Kunden – heute und in Zukunft – in Märkte und suchen wertvolle Angebote?
Welche Anbieter versprechen dabei die für die Kunden wertvollsten Leistungen?
Welche Rolle spielen in diesem Kontext die Finanzdienstleister?
Diese Perspektive berücksichtigt neuere gesellschaftliche Trends und versucht völlig neue
Lösungen aus dem Blickwinkel der Kunden zu entwickeln (C-System). Dazu müssen die
[34]
[35]
Mehr zur Entwicklung des Begriffs Customer Value bei Maas (2001) und Matzler (2000)
Auch als L-Ansatz bekannt (Belz/Bieger 2006)
181
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Unternehmen aber die Erlebniswelt (Erwartungen; Erfahrungen) des Kunden mit seinen
Vernetzungen (Familie, Communities, Gesellschaft) besser verstehen lernen. Nur so ist es
möglich, dass durch eine nachhaltige Erhöhung des Customer Value auch der Wert des
Unternehmens gesteigert wird (Abb. 7-2).
Beispiel
Die Interaktion mit den Community-Systemen wird zu einem Erfolgsfaktor für Versicherungsunternehmen, da die Empfehlungen von Peers auch beim Versicherungskauf erheblich an Bedeutung
gewinnen. Da Communities in hohem Masse selbstgesteuert sind, d. h. durch deren Mitglieder
gesteuerte Systeme sind, muss das Versicherungsunternehmen verstehen, wie in solchen Kontexten kollektives Wissen geschaffen wird und zu einer Meinungsbildung führt.
[7-2]
Verschiedene Ansätze zur Generierung von Kundenwert
C-System
Communities
Customer
Communication
Werte
Märkte
Produkte
(Dienst-)Leistungen
P-System
Quelle: Maas 2001; Maas/Graf 2003
B
Neue Rollen des Kunden
Neue Kommunikations- und Informationstechnologien haben im gesamten Dienstleistungsbereich eine Beschleunigung und Innovationsdynamik ausgelöst, die Unternehmen
zu einer grundsätzlichen Überprüfung ihrer eigenen Fähigkeiten bzw. Ressourcen zwingen
(Schmid 2000). Dies bedeutet konkret, dass nicht mehr nur Unternehmen als Wettbewerber oder Netzwerk- bzw. Kooperationspartner gesehen werden, sondern zunehmend die
eigenen Kunden. Wenn Kunden dank neuer Technologien von passiven Konsumenten zu
aktiven Spielern werden, können auch ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und ihre persönlichen
Erfahrungen zur wichtigen Ressource für die Leistungserstellung im Unternehmen werden. Gerade im Dienstleistungsbereich finden sich eine Vielzahl an Möglichkeiten, Kunden
in den Wertschöpfungsprozess mit einzubinden, da die Interaktion von Kunde und Unternehmen eine bedeutende Rolle bei der Leistungserbringung (prosumer[36]) spielt
(Maas/Graf 2003). Dabei kann der Konsument neben seiner eigentlichen Konsumentenrolle
verschiedene andere Rollen übernehmen (Maas 2001 vgl. auch Prahalad/Ramaswamy
2000 und Maas/Graf 2004):
[36]
Wortschöpfung aus den englischen Begriffen «producer» und «consumer»
182
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
•
•
•
•
Mit-Entwickler: Kunde trägt über Feedback- und Beschwerdemanagement-Systeme
zur Weiterentwicklung von Versicherungsprodukten bei
Mit-Wertschöpfer: Kunde besucht ein Fahrtraining und verursacht dadurch zukünftig
weniger Unfälle
Mit-Arbeiter: Erstellung einer webbasierten Schadenmeldung und Versand per E-Mail
Wettbewerber: Kunde ist gleichzeitig Mitarbeiter einer anderen Versicherungsgesellschaft
Das Spektrum an Rollen, die Kunden in solchen Prozessen einnehmen, kann von einer aktiven, fast vollständigen Eigenerstellung der Leistung bis hin zu einer passiven Bereitstellung
von Informationen und Objekten reichen. Konkret kann sich das individuelle Prosumer-Verhalten beispielsweise durch das Zurverfügungstellen von Zeit oder im Übernehmen einzelner Teilbereiche im Leistungserstellungsprozess (ähnlich dem E-Banking oder dem Web
Check-in) äussern. Ebenso kann der Kunde helfen, die Leistungsqualität eines Versicherers
zu verbessern, indem er vor, während oder nach der Interaktion mit seinem Anbieter Feedbacks gibt und seine Erfahrungen teilt.
Allerdings muss es dem Management gelingen, den Kunden dazu zu bewegen diese neue,
aktive Kundenrolle zu übernehmen. Erfahrungen aus der Assekuranz zeigen, dass es derzeit noch aufseiten beider Marktteilnehmer Hürden gibt, die einen stärkeren Einbezug von
Kunden erschweren. Auf Unternehmensseite fehlt häufig die geeignete Infrastruktur, aber
auch die entsprechende Interaktionskultur; auf Kundenseite mangelt es noch an Interesse
und konkreten Möglichkeiten, die Erfahrungen aus anderen Branchen adäquat auf Versicherungen zu übertragen (Maas/Graf 2003).
C
Anforderungen an die Unternehmen
Der systematische Einbezug der Kundenperspektive führt zu einer wachsenden Zahl an
möglichen, unterschiedlichen Kundenwünschen und verlangt nach integrierten Leistungsbzw. Produktsystemen. Diese haben zum Ziel, Problemlösungen für Kunden so zu gestalten, dass diese zunehmend individuellen und umfassenden Kundenbedürfnisse befriedigt
werden können. Beispiele aus anderen Branchen zeigen, dass hierdurch verstärkt sogenannte Value Webs[37] entstehen, in denen mithilfe moderner Informationstechnologie
branchenübergreifend innovative Marktleistungen und Prozesse kreiert werden können.
Mit steigender Komplexität der Kundenwünsche erhöht sich gleichzeitig die Komplexität
dieser Systeme.
Bei jedem Produkt oder jeder Dienstleistung wird neben einem individuellen auch ein Nutzen auf sozial-kollektiver Ebene für den Kunden generiert. Denn das Individuum stellt keine
autarke Einheit dar, sondern ist stets in verschiedene Systeme integriert. So werden in der
Community, welcher der Kunde angehört, bestimmte Werte und Normen «hochgehalten»,
die zur Bewertung von Produkten und Dienstleistungen dienen. Dadurch wird ersichtlich,
dass der soziale Wert des Produktes bzw. der Leistung zu einem grossen Teil von anderen
Personen aus den Communities, d. h. über (Kunden-)Netzwerkeffekte, mindestens mitbestimmt wird. Für die Unternehmen wird daher die Interaktion mit Communities zu einer
Schlüsselaufgabe.
[37]
Wertschöpfungsnetzwerke
183
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Fallbeispiel:
Die Nutzung des Community-Gedankens hat das Berliner Start-up «Friendsurance» neu interpretiert, indem es
Social Media und Versicherung miteinander kombiniert. Wie in den bekannten Communities vernetzen sich verschiedene Nutzer miteinander, um nun aber im Schadenfall, beispielsweise bei Verlust oder Beschädigung
eines Smartphones, eine kleine, gegenseitige Unterstützung zu bestimmen. So springen bei kleineren Schäden
die Freunde ein. Dafür müssen sie nur einen niedrigeren Beitrag als bei anderen Versicherungen leisten.
(Rönisch, 2011)
Bewegt man sich von der produktorientierten Ausrichtung hin zum Problemlösungsansatz
(im Sinn des C-Systems), wird schnell erkennbar, dass die traditionellen Geschäftsmodelle
der Versicherer an Grenzen stossen, da ihnen häufig die Flexibilität und Innovationskraft
für zukünftige Anforderungen fehlen. Konkret kann es für ein Versicherungsunternehmen
schwierig werden, sich konsequent auf den Kunden auszurichten, da sich dessen Erwartungen häufig als zu komplex erweisen und eine handfeste Deutung seiner Bedürfnisse oft
nur schwer möglich ist. Nimmt man das Beispiel einer Mfz-Police, so kann das Bedürfnis
des Kunden lediglich darin bestehen, eine minimale (obligatorische) Absicherung für sein
Fahrzeug zu haben. Erweitert man aber diese Perspektive, so könnte es aus Sicht des
Anbieters und des Kunden Sinn machen, weitere Leistungen in diesem Bereich anzubieten
(z. B. Assistance). Geht man noch einen Schritt weiter, könnte die Frage lauten: Welchen
Beitrag kann ein Versicherer leisten, um die (umfassenden) Mobilitätsbedürfnisse eines
Kunden zu befriedigen?
Im Lichte der aktuellen Marktentwicklungen werden die Versicherungsunternehmen dennoch gezwungen, ihren Fokus weg vom Produkt hin zu den Kundenbedürfnissen zu verschieben. Dieser Perspektivenwechsel beeinflusst das Wertschöpfungssystem des Unternehmens fundamental. Zu erwarten ist eine verstärkte Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen bei einem gleichzeitigen Ausbau der Outsourcing-Aktivitäten. Dabei dürften
vermehrt Kooperationen und Netzwerkbeziehungen entstehen. Insgesamt unterstreicht
dieser Gedanke die Erfahrung, dass zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen nicht nur
die Positionierungsüberlegungen («What business are we really in?»), sondern ebenso sehr
auch die Wertschöpfungsstrategien beitragen («What business are we capable of?») (siehe
Abb. 7-3).
[7-3]
Gegenseitige Ergänzung des Funktionen- und des Kernkompetenzendenkens
Marktleistung
Kernkompetenzen
eines Unternehmens
(heutige + zukünftige)
Kundenbedürfnisse
erfüllbare Funktionen
«what business are we capable of?»
Quelle: Maas 2001
184
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
«what business are we really in?»
Aufgaben
Wie bringen Sie die Kunden dazu, sich aktiv am Leistungserstellungsprozess zu beteiligen?
1
7.2.2
Das Modell «Customer Value»
Beim bereits angesprochenen C-Ansatz wurde ersichtlich, dass hier kein einheitlicher
Arbeitsprozess beschrieben werden kann, da sich die relevanten Entwicklungen ausserhalb
des Unternehmens vollziehen. Hingegen kann für den P-Ansatz ein Arbeitsprozess aufgezeigt werden, der die Orientierung am Kunden integriert (Belz/Bieger 2006). Auf der Basis des
sogenannten 7-K-Modells (Abb. 7-4) lässt sich der folgende Arbeitsprozess entwickeln: Mit
der Diagnose von Umfeld, Markt und Unternehmen werden die Grundlagen für mögliche
Lösungen – unter Berücksichtigung von Vorgaben der Unternehmensführung oder spezifischer Kundenprobleme – erfasst (Kap. 7.2.2 A). Darauf aufbauend lässt sich eine strategische
Ausrichtung festlegen (Kap. 7.2.2 B). Mithilfe der im Modell verankerten 7-K wird die Gestaltung der Leistung oder des Produkts erarbeitet und im Hinblick auf seine Wirkung beim Kunden abgeschätzt (Kap 7.2.2 C – 7.2.2 I). Zum Abschluss werden Möglichkeiten der praktischen Anwendbarkeit des Customer-Value-Modells aufgezeigt (Kap. 7.2.2 J).
[7-4]
Customer-Value-Modell
Diagnose Umfeld
Diagnose Markt und Unternehmen
Strategisches Leistungs- und Kundenmanagement
Leistungserstellung- und
Nutzungssystem
Mitarbeitersystem:
Mitarbeitervorteil
und Ressorcen
Leistungssystem:
Anbietervorteil
Kommunikation
Kunde
Konfiguration
Kommerzialisierung
Kompetenz
Partnersystem
Kooperation
Kontrolle
Quelle: Belz/Bieger 2006
185
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
A
Externe und interne Diagnose
Die Diagnose von Umfeld, Markt und Unternehmen beinhaltet drei wesentliche Schritte:
Erarbeitung von Schlüsselfragen, Festlegung von Personen bzw. Quellen, mit denen die
Fragen beantwortet werden können, und Festlegung der dazu geeigneten Methoden. Um
eine möglichst vollständige Diagnose durchführen zu können, werden die Bereiche Marktentwicklung, Konkurrenz, Kunde, Kooperationspartner und das eigene Unternehmen
näher untersucht. Hierzu sind Umfeld-, Kunden- und Leistungsanalysen unabdingbar.
Typische Aufgaben in der Diagnosephase sind die Erforschung von Trends im Kundenverhalten oder die Analyse der Verfahren zur Kundenwertbestimmung.
B
Strategisches Leistungs- und Kundenmanagement
Beim strategischen Leistungs- und Kundenmanagement wird der Frage nachgegangen,
welche Produkte bzw. Leistungen ein Versicherer in welchen Märkten anbieten soll. Für
die strategische Ausrichtung stehen grundsätzlich folgende Optionen zur Verfügung: Das
Unternehmen kann sich weiterentwickeln, indem es neue Produkte in den Markt bringt
oder ganz neue Märkte bedient. Es kann aber auch entscheiden, die jetzige Stellung zu halten oder gar verschiedene Leistungen vom Markt zu nehmen bzw. bestimmte Märkte nicht
mehr zu bedienen.
In jedem Fall ist darauf zu achten, dass die Leistungssysteme auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind. Um sich strategisch am Customer Value auszurichten,
müssen zuerst Kunden segmentiert und die Kernzielgruppe ermittelt werden. In diesem
Zusammenhang verliert die klassische Segmentierung nach soziodemografischen Merkmalen an Bedeutung, da sich Einstellungen, Lebensstile und Konsumverhalten von Kunden heute deutlich komplexer und hybrider darstellen als noch vor zehn Jahren. Verschiedene Studien zeigen, dass eine Segmentierung nach Lebensstilen (siehe Exkurs 7.1) oder
nach kulturellem Hintergrund deutlich aussagekräftigere Daten liefern als das klassische
Vorgehen (mehr zur Segmentierung in Kap. 7.3.4).
Exkurs 7.1
Im Rahmen einer internationalen Studie in sechs europäischen (Dänemark, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Niederlande und die Schweiz) und fünf amerikanischen Ländern (Argentinien, Brasilien, Chile, Mexiko und USA) wurden 4 000 Kunden befragt, wie sie ihre Versicherer
bezüglich verschiedener Kriterien beurteilen und welche Innovationen sie von ihren Anbietern
erwarten (Steiner/Maas/Bieck 2009). Die Ergebnisse in den europäischen Ländern unterscheiden
sich im Durchschnitt zum Teil deutlich, wenn man z. B. Fragen zur allgemeinen Zufriedenheit mit
dem eigenen Versicherer, zur Preisgünstigkeit oder auch zur Servicequalität anschaut. Im interkontinentalen Vergleich sind die Unterschiede sogar noch grösser. Besonders interessant sind die Einschätzungen bezüglich der Funktionen, die ein Versicherer aus Sicht der Kunden erfüllen soll (siehe
Abb. 7-5): Kunden, die sich einen Versicherer wünschen, der sich auf die reine Abwicklung von
Schäden konzentriert, und solche, die sich ein umfassendes Risk-Management-Angebot (inkl. Prävention) wünschen, unterscheiden sich nicht durch soziodemografische Merkmale wie Einkommen oder Alter, sondern vor allem aufgrund von Einstellungen, Werterwartungen und kulturellen
Faktoren.
186
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Von Kunden gewünschte Funktionen eines Versicherers (Schadenabwickler vs.
Lösungsanbieter): Gesamtdarstellung und unterteilt nach Ländern
[7-5]
56%
44%
35%
CH
D
UK
F
NL
DK
ARG
CHI
MEX
BRA
USA
68%
20%
80%
46%
54%
30%
70%
30%
70%
68%
32%
61%
39%
68%
32%
50%
50%
31%
0
■ Versicherung als Lösungsanbieter
■ Versicherung als Schadenabwickler
65%
32%
20%
69%
40%
60%
80%
100%
■ Versicherung als Lösungsanbieter
■ Versicherung als Schadenabwickler
Quelle: Steiner/Maas/Bieck 2009
Im Bereich von Innovationen können sich Kunden insbesondere Versicherungsangebote vorstellen, die ein grösseres Mass an Flexibilität (z. B. automatische Anpassung an veränderte Lebenssituation, jederzeitige Kündbarkeit) und Einfachheit aufweisen. Schliesslich hängt die Bereitschaft
von Versicherungskunden, dem Versicherer auch verhaltens- oder situationsspezifische Daten zur
Verfügung zu stellen, ebenfalls stark von Einstellungen und Lebensstilkomponenten ab.
Daher verwenden Unternehmen für ihre Segmentierungen zunehmend eine Kombination
aus verhaltensbezogenen, soziografischen, psychologischen und geografischen Merkmalen (Kurtenbach/Kühlmann/Kässer-Pawelka 1995). Dadurch ist eine viel gezieltere Ansprache der Kunden möglich. Auf dieser Basis müssen die eigenen Leistungssysteme daraufhin
strategisch begutachtet werden, ob sie zur Positionierung des Unternehmens passen.
Zur Generierung von Customer Value stehen einem Unternehmen modellhaft sieben
Gestaltungsbereiche (sog. 7-K) zur Verfügung: Kunden(-orientierung), Konfiguration, Kommunikation, Kommerzialisierung, Kompetenz, Kooperation und Kontrolle.
C
Kundenorientierung
Basis der Anwendung des Customer-Value-Ansatzes ist die Kundenorientierung in einem
Unternehmen, d. h. die grundlegende Haltung gegenüber Kunden, die in einer Organisation zu beobachten ist. Dabei spielt die Frage eine wesentliche Rolle, wie der Kunde in der
Organisation (unterschiedlich) gedacht wird, welches seine vermuteten Anliegen, Erwartungen und Interaktionsbedürfnisse sind. Schaut man in die Praxis, wird schnell klar, dass
in einem Versicherungsunternehmen sehr unterschiedliche Kundenbilder zutage treten,
abhängig davon, ob man Aktuare, Verkäufer, Produktentwickler oder Schadenleiter
befragt. Diese Heterogenität führt aber regelmässig auch zu unterschiedlichen Arten der
Kommunikation und Interaktion mit Kunden, die wiederum das Unternehmen divers wahrnehmen, je nachdem mit welchem Bereich sie gerade Kontakt haben.
Im Fokus dieses Gestaltungsbereiches stehen zwei wesentliche Säulen: der Kundenvorteil
und der Kundenwert. Um Kunden ein vorteilhaftes Angebot machen zu können, muss man
zunächst verstehen, was Kunden wertschätzen, welche Werterwartungen sie haben und
welche Faktoren letztendlich ihr Verhalten beeinflussen. Dabei ist es nicht ausreichend,
187
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
den eigentlichen Kaufprozess des Kunden z. B. anhand des Zusammenhangs zwischen
Buying- und Selling-Cycle (vgl. Mauch 1990) zu analysieren. Vielmehr geht es darum, besser zu verstehen, was Kunden rational, emotional und kommunikativ antreibt und zu einem
bestimmten Handeln führt. Zu diesem Zweck werden eine Vielzahl von Methoden angewandt, deren Spektrum von der klassischen Verhaltensforschung über Einstellungs- und
Wertanalysen bis hin zu qualitativen Verfahren wie Tiefeninterviews oder Storytelling
reicht. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Kundenvorteil, also der seitens des Kunden wahrgenommene Mehrnutzen eines Produktes oder einer Dienstleistung
gegenüber vergleichbaren Alternativen. Je abstrakter ein Produkt ist – und Versicherungen
sind hier ein gutes Beispiel –, umso schwieriger ist es für den Käufer, die potenziellen Kundenvorteile zu antizipieren. Kundenvorteile können sehr unterschiedlicher Natur sein, verschiedenen Quellen entspringen (wie in Abb 7-6 dargestellt) und werden kundenseitig
nicht nur zur Beurteilung der Marktleistung, sondern häufig auch des gesamten Unternehmens herangezogen (siehe Fallbeispiel).
[7-6]
Kundenvorteile: Mögliche Quellen
Beziehung
Emotion
Erklärung
Individualisierung
Koordination
Identifikation
und Vertrauen
Geschwindigkeit
Entlastung und
Sicherheit
Wirtschaftlichkeit
Qualität
Innovation
Quelle: Belz/Bieger 2006
Die genannten Kundenvorteile können auch negative Konsequenzen für den Kunden
haben, z. B. wenn eine höhere Qualität auch mit einem höheren Preis verbunden ist oder
bei einem individuell auf den Kunden zugeschnittenen Produkt Intransparenz bezüglich der
Preisfestsetzung herrscht. Je nach Phase des Kundenprozesses können die genannten
Kundenvorteile auch eine unterschiedliche Gewichtung erfahren. Letztendlich entscheidet
der wahrgenommene Nutzen (jeder Phase) über die Fortführung der Beziehung.
Fallbeispiel:
Ein Beispiel für erfolgreiche Kundenorientierung bildet die Kooperation des Versicherungskonzerns AXA und TMobile. So ist über den «Schutzbrief Premium» direkt beim Kauf eines Smartphones oder Netbooks der Erwerb
einer Versicherung für Beschädigung oder Diebstahl des Geräts möglich. Darin ist zusätzlich eine Verlängerung
der Garantie von 12 auf 24 Monate inbegriffen, die gerade bei amerikanischen Produkten, wie beispielsweise
dem iPhone, von zusätzlichem Nutzen ist. Aber gerade die Einfachheit des Kaufs mit anschliessender kurzer
Anmeldung über das Internet ohne die Angabe weiterer Daten zeugt von gelebter Kundenorientierung.
188
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Aus Unternehmenssicht ist – neben der Kenntnis der Werttreiber aus Kundensicht – wichtig zu wissen, welche Kunden dem Unternehmen den grössten Wertbeitrag liefern. Um
wirtschaftlich erfolgreich zu sein, muss ein Unternehmen seine Strategie auf attraktive
Kundensegmente ausrichten und die Zahlungsbereitschaft der Kunden optimal abschöpfen. Für Unternehmen ist der Wert von Kunden entscheidend. Die Berechnung des Wertes
einer Kundenbeziehung (Customer Equity) kann mithilfe verschiedener Verfahren erfolgen:
•
•
•
Customer Lifetime Value ist der Wert, der einem Unternehmen über die Gesamtdauer
einer Kundenbeziehung entsteht, abdiskontiert auf die Gegenwart.
Bei der Kundendeckungsbeitragsrechnung werden Ausgaben und Einnahmen mit Bezug auf einzelne Kunden gegenübergestellt und saldiert.
Im Rahmen einer ABC-Analyse werden Kunden z. B. anhand ihrer Umsatzgrössen (hier:
Prämienvolumen) bewertet und klassifiziert: A-Kunden haben eine hohe Bedeutung für
Unternehmen, sind aber häufig am aufwendigsten zu betreuen. B-Kunden generieren
einen mittleren Umsatz und sind häufig das profitabelste Segment. C-Kunden bringen
relativ wenig Umsatz, tragen in der Menge aber trotzdem zum Erfolg bei. Im Versicherungsbereich macht es natürlich mehr Sinn, jeweils auch die Schadenzahlungen mit
einzubeziehen, um Aussagen über die Profitabilität treffen zu können.
Wichtig zu beachten ist, dass Customer Equity und Kundenvorteil eng zusammenhängen.
Nur wenn ein Kunde mit Produkten oder Leistungen des Unternehmens zufrieden ist bzw.
er daraus einen Vorteil für sich ziehen kann, ist er bereit, seine Beziehung zum Unternehmen fortzusetzen oder sogar weitere Produkte desselben Anbieters zu erwerben. Damit
steigt auch sein Wert aus Sicht des Unternehmens und es können weitere spezifischere
Angebote gemacht werden, die den wahrgenommenen Kundenvorteil wiederum verbessern. Einem solchen idealtypischen positiven Wirkungskreislauf steht stets eine Negativspirale gegenüber, wenn es nicht gelingt, dauerhaft Customer Value zu schaffen.
Dieser Zusammenhang betont zugleich die Wichtigkeit, sich auf Unternehmensseite regelmässig ein Bild der Kundenwahrnehmung zu machen, die im Wesentlichen die Differenz
zwischen Erwartungen des Kunden und wahrgenommener Leistung widerspiegelt. Hierzu
stehen eine Reihe von Messverfahren zur Verfügung wie beispielsweise Analyse des
Beschwerdeverhaltens, Wiederkaufsrate, Kündigungsverhalten und Messung der Zufriedenheiten.
D
Konfiguration
Die Aufgabe der Konfiguration liegt darin zu bestimmen, in welchen Geschäftsfeldern ein
Unternehmen tätig sein will (und in welchen nicht), d. h. seine produktbezogenen, geografischen und/oder vertikalen Grenzen festzulegen (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S.
210). Dadurch wird erkennbar, dass die Konfiguration bereits bei strategischen Überlegungen eines Unternehmen wichtig ist, da durch sie das Geschäftsfeld näher beschrieben und
die Leistungen des Unternehmens determiniert werden. Andererseits müssen diese Leistungen eine einzigartige Positionierung im Markt aufweisen und Kunden mit ihren individuellen Erwartungen ansprechen. Ziel der Konfiguration ist es daher, spezifische Leistungsbündel eines Unternehmens möglichst passgenau auf individuelle Anforderungen
und Erwartungen bestimmter Kundengruppen abzustimmen und damit Wert für die Kunden und Wert für das Unternehmen zu stiften.
Typischerweise werden Varianten der Konfiguration danach unterschieden, inwieweit sie
am Kunden oder am Unternehmensinteresse ausgerichtet sind (Abb. 7-7), d. h., ob sie eher
angebots- oder eher kundenorientiert gestaltet wurden.
189
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-7]
Ansätze für die Konfiguration
Konfiguration (C-Ansatz)
Kunde
Konfiguration (P-Ansatz)
Produkt+
Leistungswirkung
Wertekette
und Kanäle
Kundenprozess
Kundennutzen
Quelle: In Anlehnung an Belz/Bieger 2006
Produkt+: Bei dieser Konfigurationsvariante steht das Produkt oder die Leistung im Mittelpunkt und wird mit zusätzlichen Serviceelementen gezielt angereichert. Diese Leistungen können kontinuierlich mit weiteren produktnahen Services erweitert werden, bis ein
komplettes Leistungssystem für ein bestimmtes Marktsegment oder einen speziellen Kundenkreis geschaffen wurde. Der Vorteil dieser Inside-out-Perspektive ist, dass das Kernprodukt mit den zusätzlichen Leistungen meist als Einheit wahrgenommen wird.
Leistungswirkung und -stufen: Um die für den Kunden oft komplexen Systeme zu vereinfachen, werden Leistungssysteme einfach unterteilt. So unterscheidet Rudolph (2005)
in seinem Profilierungsansatz drei Zonen. (1) In der Sicherheitszone befinden sich Leistungen, die vom Kunden als zwingend notwendig erachtet werden und die auch die Konkurrenz anbietet. (2) Leistungen der Profilierungszone bietet nur das eigene Unternehmen an,
werden vom Kunden honoriert und verschaffen dem Unternehmen ein besseres Image. (3)
In der Früherkennungszone liegen Leistungen, die latente Bedürfnisse von Kunden ansprechen. Diese Leistungen sind einzigartig am Markt und werden unter Umständen auch von
den eigenen Kunden noch nicht wahrgenommen. Ähnliche Abstufungen lassen sich auch
vornehmen, indem man z. B. Grund- und Wahlleistungen oder integrierte und verrechnete
Leistungen oder gar verschiedene Leistungsstufen unterscheidet.
Bei der Konfiguration nach Werteketten und -kanälen bilden die Werteketten des Marktes und der Partner die Grundlage für das Leistungssystem. Nach genauer Analyse können
diese Ketten anders zusammengestellt werden, damit neue Formen der Arbeitsteilung zwischen den Marktpartnern (z. B. Anbieter und Vermittler) möglich werden. Die Auswahl der
Partner hat für alle beteiligten Parteien eine strategische Bedeutung, da der Erfolg der Partner auf gegenseitiger Abhängigkeit beruht.
Bei der Konfiguration nach Kundenprozessen liegt bereits eine stärkere Kundenorientierung zugrunde. Der Buying Cycle der Kunden mit den Phasen Information, Evaluation,
Kaufentscheidung und Nutzung muss von Unternehmen durch den Sales Cycle begleitet
werden. So kann das Unternehmen beispielsweise seine Services bzw. auch das Marketing gezielt auf die Phasen vor, während und nach dem Zeitpunkt eines Kaufs einsetzen.
190
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Durch die Konfiguration nach dem Kundennutzen werden durch die grössere Kundennähe die Kommunikation und die Vermarktung der Leistung vereinfacht. Die in
Abbildung 7-6 erwähnten Kundenvorteile lassen sich so gezielter mit den Lösungen der
Anbieter und entsprechenden Nutzenpaketen verknüpfen (z. B. Image-, Beziehungs- oder
Innovationspakete). Beispielsweise erhalten Kunden im Imagepaket durch Marken eine
gewisse Orientierung und Anerkennung. Das Marketing kann mit verschiedenen Aktionen
Emotionen und Einstellungen zur Marke weiter positiv beeinflussen. Der Vorteil dieses
Konfigurationsansatzes ist, dass die Kundenorientierung im Mittelpunkt steht und Ausgangspunkt der Kunde selbst ist. So kann sich das Unternehmen gegenüber der Konkurrenz einen bedeutenden und eigenständigen Auftritt erarbeiten.
Eine klare Trennung zwischen den fünf erläuterten Konfigurationsvarianten ist nicht immer
möglich, vielmehr lassen sich diese auch miteinander kombinieren.
E
Kommunikation
Die Kommunikation nimmt eine herausragende Position im Customer-Value-Ansatz ein.
Leistungs- und Kundensysteme sind häufig komplex, dynamisch und vielfältig, sodass die
Kommunikation von Lösungen oft sehr anspruchsvoll ist. Unternehmen können bereits
daran scheitern, ihren durch (innovativen) Leistungen generierten Wert für die Kunden
nicht kommunizieren zu können. Daher ist es entscheidend, einerseits wirksam nach innen
und aussen mit den entsprechenden Anspruchsgruppen zu kommunizieren, andererseits
(neue) Wege zu finden, wie mit den Kunden in Dialog getreten werden kann. Kunden und
Mitarbeiter als wichtigste Bezugsgruppen, aber auch Kapitalgeber und weitere Anspruchsgruppen erwarten eine zeitgerechte, bedürfnisorientierte und verständliche Kommunikation.
Die besondere Stellung der Kommunikation wird auch dadurch deutlich, dass sie eng mit
den anderen «Ks» (Konfiguration, Kommerzialisierung, Kompetenz und Ressourcen,
Kooperationsfähigkeiten, Kontrolle und Kunden(orientierung)) verknüpft ist. Beispielsweise unterstützt die Kommunikation die Kompetenz des Unternehmens durch spezielle
Schulungen oder innovative Informationssysteme. Gleichzeitig sind diese Informationssysteme aber auch nicht aus der Kommunikation mit Anspruchsgruppen wegzudenken.
Kommunikation bei Produkten ist häufig einfacher als bei Leistungs- und Kundensystemen, da bei Inseraten oder Prospekten meist das Produkt selbst in der Kommunikation
dominiert. Leistungssysteme hingegen beinhalten neben Produkten weitere Dienstleistungselemente und werden aufgrund ihrer Intangibilität zu Erfahrungsgütern, die gerade
in der Kommunikation mit neuen und unerfahrenen Kunden Probleme bereiten können,
weil der Kunde sie erst nach dem Kauf beurteilen kann. Am Beispiel der Versicherung lässt
sich zeigen, dass der «Moment der Wahrheit» häufig erst im Schadenfall kommt. Das
bedeutet für die Kunden, dass sie erst relativ spät erfahren, ob der Versicherer sein Versprechen einhält oder nicht. Dieses subjektive Kaufrisiko ist für Versicherungskunden
erheblich. Kunden können versuchen, dieses durch verschiedene Massnahmen zu kompensieren, sei es beipielsweise durch persönliche Kommunikation mit einem Berater, sei
es durch Erfahrungsaustausch mit glaubwürdigen Bezugspersonen aus dem privaten
Umfeld, sei es durch bestimmte Leistungsgarantien oder Qualitätssiegel.
Aus Unternehmenssicht ist es wichtig, zunächst die entscheidenden Kundenzielgruppen
zu bestimmen, um diese unter Berücksichtigung ihrer Erwartungen, Bedürfnisse und Probleme gezielt ansprechen zu können.
191
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Fallbeispiel:
Früher meist nur unter den Marken «Hamburg-Mannheimer», «Victoria» oder anderer Marken bekannt, wurde
2010 beschlossen, die Dachmarke «ERGO» in den Vordergrund zu stellen und die bisherigen Markennamen
nicht weiter zu nutzen. Gleichzeitig wurde das Unternehmen restrukturiert. Im Mittelpunkt der dazugehörigen
Werbekampagne steht der Slogan «Versichern heisst verstehen». Damit soll verdeutlicht werden, dass die
Bedürfnisse des Kunden in den Vordergrund gestellt werden. Die Kampagne ist zudem auch darauf ausgerichtet, auf allen benutzten Kundenzugangswegen konsequent einheitliche Marken- als auch Produktbotschaften
zu kommunizieren. Nach dieser Anfangskampagne setzt Ergo ihren neuen Claim konsequent um. So gibt es
heute beispielsweise einen Kundenanwalt, der sich um die Kunden kümmert, die sich von der Versicherung
ungerecht behandelt fühlen, um eine gerechte Lösung aus Sicht des Kunden zu entwickeln.
Anschliessend muss geklärt werden, wie das Unternehmen mit dem Kunden in Kontakt
treten kann. Dies kann mit allgemeiner Medienwerbung wie Inseraten in Fachmedien oder
Prospekten bis hin zu spezifischen Alternativen wie Kundenworkshops, Kundenberatungen oder Mitarbeiterschulungen geschehen. Um Mehrwert zu schaffen und sich stärker
von der Konkurrenz abzuheben, versuchen immer mehr Unternehmen, Kunden in den
Kommunikationsprozess mit einzubeziehen und in einen echten Dialog zu treten. Dabei ist
es wichtig, eine konsistente Gesamtkommunikation zu entwickeln, mit der die richtigen
Kunden glaubhaft angesprochen werden können.
F
Kommerzialisierung
Die Kommerzialisierung zielt auf die Frage, wie es Unternehmen gelingt, angebotene Produkte und Dienstleistungen in Erträge für das Unternehmen umzusetzen. Im Kern geht es
darum, die Bedürfnisse und Werterwartungen sowie die damit verknüpften Zahlungsbereitschaften von Kunden zu kennen, um daraufhin ein geeignetes Angebotspaket zu
schnüren und mit einem angemessenen Preis zu versehen. Es ist einsichtig, dass Kommunikation, Leistungen und Preise hier eng miteinander verknüpft sein müssen, um eine für
Kunden erbrachte Leistung auch adäquat monetarisieren zu können.
Die Leistungen mit den einzelnen Bausteinen wurden bereits in der Konfiguration gebildet.
Bei der Kommerzialisierung müssen für die einzelnen Posten die richtigen Preise gefunden
werden. Dabei spielen die eigenen Kosten und der Nutzen des Kunden aus der Leistung
bei der Preisgestaltung eine wichtige Rolle. Zudem muss bei dieser Entscheidung auch auf
die Konkurrenz mit deren Preis- und Leistungsspektrum sowie deren Verhalten auf dem
Markt geachtet werden.
Bei der Preisgestaltung von Dienstleistungen müssen Anbieter häufig auf eine situative
Kommerzialisierung zurückgreifen, die Besonderheiten im Marktumfeld berücksichtigt. So
gibt es Einflussfaktoren, die eine Verrechnung vereinfachen oder erschweren können. Beispielsweise fällt es einem Anbieter leichter, einen adäquaten Preis zu verrechnen, wenn
der Kunde eine Leistung als differenziert, hochwertig und professionell wahrnimmt.
Erschwert wird ein adäquates Pricing, je grösser der zeitliche Abstand zwischen Kaufentscheidung und wahrgenommener Leistung ist. Häufig gelingt es Anbietern nur mit Innovationen, sich zumindest temporär einem wettbewerbsinduzierten Preisdruck im Markt zu
entziehen. Dabei können auch unterschiedliche Ertragsmodelle zum Einsatz kommen, wie
beispielsweise eine Verrechnung einzelner Leistungsbausteine oder kompletter Leistungspakete.
192
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
G
Kompetenz
Organisatorische Fähigkeiten und Ressourcen bestimmen im Wesentlichen das Potenzial
von Unternehmen, Kunden geeignete Problemlösungen anbieten zu können. Neben finanziellen Ressourcen, Systemen und Prozessen kommt in Dienstleistungsindustrien den Mitarbeitern eine entscheidende Bedeutung zu. Deshalb muss überlegt werden, welche Kompetenzen und Ressourcen das Unternehmen und seine Mitarbeitenden benötigen, um die
gewünschte Leistung für den Kunden zu erbringen. Eine Reihe von Studien hat gezeigt,
dass Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit positiv korrelieren, d. h., dass ein direkter
Zusammenhang zwischen dem Involvement der Mitarbeiter und der von Kunden wahrgenommenen Qualität der Leistung besteht. Um neue Ansätze in den Leistungssystemen zu
entwickeln, muss deshalb regelmässig in Förderung, Schulung und Teamfähigkeit investiert werden.
Daneben spielen weitere Ressourcen wie die (eingesetzte) Technologie und die Finanzen
eine wesentliche Rolle. So müssen sich Unternehmen genau überlegen, welche Investitionen getätigt werden sollen, um neue, kundenorientiertere Leistungssysteme zu schaffen
und bestehende weiterzuentwickeln. Neue Technologien ermöglichen heute ganz andere
Formen der Interaktion mit dem Kunden, der Integration des Kunden in die Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens, aber auch der Individualisierung der Leistungselemente. Zudem helfen sie, flexibler auf Veränderungen im Marktumfeld reagieren zu können, indem beispielsweise bessere und aussagekräftigere Daten generiert werden können,
die als Grundlage für Management-Entscheidungen dienen.
Neben den beschriebenen «internen» werden zukünftig auch die Kompetenzen anderer
Marktteilnehmer entscheidend, allen voran die der Kunden und der Wertschöpfungspartner. Je stärker sich die Wertschöpfungssysteme vernetzen, umso bessere Lernmöglichkeiten eröffnen sich für alle Partner, um wertvollere Leistungs- und Kundensysteme zu generieren.
H
Kooperation
Wenn ein Unternehmen mit seinem Leistungssystem an die Grenzen der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten stösst, lassen sich durch die Integration weiterer Wertschöpfungspartner umfassendere oder bessere Lösungen für Kunden entwickeln. Durch das Zusammenwirken der Partner sollen innovative Ideen effizient umgesetzt werden (siehe Fallbeispiel). Dabei helfen auch die neuen Informatiklösungen. Unternehmen müssen dabei entscheiden, welche Leistungen dem Kunden angeboten werden sollen, welche selbst bereitgestellt bzw. welche von Partnern bezogen werden sollen («make or buy»). Kooperationen
haben im Vergleich mit dem Aufbau eigener Kompetenzen und Ressourcen den Vorteil,
dass sie häufig weniger risikoreich und anspruchsvoll sind, da sie schneller revidiert und
verändert werden können. Zudem besteht die Chance, in den Augen der Kunden eine
höhere Glaubwürdigkeit und Qualität zu signalisieren, die wiederum bessere Kommerzialisierungsmöglichkeiten bieten.
193
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Fallbeispiel:
Im Versicherungsbereich kooperieren die Schweizer Versicherung SWICA und die deutsche Krankenversicherung (DKV). Beide Versicherer zählen zu den führenden Versicherungsunternehmen im Bereich der Krankenversicherung in ihren jeweiligen Ländern. Die Kooperation wurde für eine bestimmte Kundengruppe eingegangen.
Diese umfasst Personen, die täglich bzw. wöchentlich von Deutschland in die Schweiz pendeln (Grenzgänger),
die sich häufig in beiden Ländern aufhalten und die in die Schweiz übersiedeln, aber gerne weiterhin zu ihrem
deutschen Arzt gehen möchten bzw. eine umfassendere Absicherung bei der Krankenversicherung haben oder
behalten wollen. Eine der häufigsten Lösungen dabei ist, dass die Personen die obligatorische Krankenversicherung (KVG) in der Schweiz bei der SWICA abschliessen. Zusätzlich nehmen sie private Zusatzleistungen der
SWICA, z. B. die Möglichkeit der Nutzung der Krankenhäuser in der ganzen Schweiz, in Anspruch. Darauf aufbauend werden bei der DKV noch weitere ergänzende Leistungen gebucht, wie beispielsweise eine private stationäre Behandlung oder eine umfassende Zahnbehandlungsversicherung. Aufgrund dieser Versicherung ist
der Kunde in beiden Ländern bzw. teilweise sogar auf der ganzen Welt versichert und kann sich seinen Arzt
persönlich aussuchen.
Kooperationen machen immer dann Sinn, wenn Partner komplementäre Fähigkeiten für
ein gemeinsames Ziel einbringen, in der Erwartung, dass keiner opportunistisch nur individuelle Vorteile sucht und jeder bereit ist, seine Stärken in vollem Masse im Sinne der
Optimierung des gemeinsamen Unternehmens einzubringen und nutzbar zu machen. Eine
wesentliche Voraussetzung dafür ist eine Vertrauensbasis, die nicht durch Verträge ersetzt
werden kann. Weiterhin spielt die Auswahl der Kooperationspartner und das regelmässige
Monitoring der gemeinsamen Arbeit eine entscheidende Rolle. Um die Qualität des Leistungssystems und den Nutzen für alle beteiligten Partner hochzuhalten, müssen die
Kooperationsprozesse ständig überprüft und verbessert werden.
Unternehmen, die gewöhnt sind, in kooperativen Verbünden mit anderen zusammenzuarbeiten, sind häufig Wertschöpfungspartner in verschiedenen Netzwerken. Dabei kann es
vorkommen, dass ein Unternehmen in einem Netzwerk der Partner, in einem anderen
Markt aber der Konkurrent eines anderen Unternehmens ist. Ziel solcher Netzwerkverbünde ist es, eine möglichst integrierte, für den Kunden Nutzen stiftende, Leistung zu
erbringen, die vom Kunden als einheitliches Produkt oder Dienstleistung wahrgenommen,
aber von verschiedenen Netzwerkpartnern arbeitsteilig erstellt wird[38]. Beispiele solcher
Unternehmen finden sich vor allem im Konsumgüterbereich (Nike, Puma etc.), in der Automobilindustrie und in der Tourismusbranche.
Die wichtigsten strategischen Eckpunkte bei einer Kooperationsentscheidung sind in
Abbildung 7-8 dargestellt:
[38]
Vgl. dazu Bieger, der das virtuelle Unternehmen anhand von Tourismusdestinationen erläutert (2006 und 2008).
194
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-8]
Das magische Siebeneck der Kooperation
Ziel des
Leistungskonzepts
onsKooperationsprozesss
Kooperationsinhalt
Auftritt der
Kooperationspartner
Eigener
Le
Leistungsbereich
Wahl der
Kooperationspartner
Kooperationsintensität
Quelle: In Anlehnung an Belz/Bieger 2006
•
•
•
•
•
•
•
Zu Beginn muss das Ziel des Leistungskonzepts festgelegt werden. Neben dem horizontalen und vertikalen Geschäftsfeldbereich muss auch der Zielmarkt definiert werden.
In einem nächsten Schritt muss sich das Unternehmen überlegen, welche Ressourcen es
selbst bereitstellen kann und in welchem Bereich die eigenen Kernkompetenzen liegen.
Für die übrigen Kompetenzen müssen Partner gefunden werden. Dabei ist die Auswahl
der richtigen Partner ausschlaggebend. Deshalb sollten diese über die «fehlenden»
Ressourcen, ausreichende Finanzkraft, um auch in das Netzwerk investieren zu können, und ähnliche soziale Ansichten sowie Verhaltensweisen «verfügen».
In einem nächsten Schritt muss überlegt werden, wie eng mit diesen zusammengearbeitet und welche Kooperationsform gewählt wird. Ausserdem muss die Entscheidung
gefällt werden, mit wie vielen Partnern gearbeitet werden soll.
Auch die Absichten des Konkurrenten mit der Kooperation sind zu eruieren. In diesem
Zusammenhang ist auch die Stellung der Konkurrenten, beispielsweise deren Marken
und die Wirkung auf die Kunden zu beachten.
Ein weiterer Punkt, über den die Partner Gespräche führen müssen, sind die Inhalte der
Kooperation, die sich meist aus den fehlenden bzw. notwendigen Kompetenzen ergeben.
Schliesslich muss über die Kooperationsprozesse festgelegt werden, wie die Zusammenarbeit zwischen den Partnern arrangiert wird. Dabei stehen beispielsweise Fragen
über die Länge des Projekts, die Intensität des Austausches und die Weiterentwicklung
des Netzwerks im Mittelpunkt.
Die Überwachung der Zielerreichung sowie des Ertrages aus der Kooperation sollte neben
klassischen Controlling-Grössen auch soziale Faktoren umfassen wie beispielsweise das
Vertrauensverhältnis zwischen den Partnern, die Dauer der Kooperationsbeziehung oder
auch die Kreativität bei der Entwicklung neuer Ideen.
I
Kontrolle
Die Generierung von Customer Value (Wert für Kunden) ist für Unternehmen kein Selbstzweck, vielmehr muss dem auch der eigene Erfolg (Wert von Kunden) gegenüberstehen.
Die regelmässige Überprüfung der eigenen Ziele und Leistungen ist daher genauso essenziell wie das laufende Feedback von der Kundenseite.
Während das klassische Controlling mit Kennzahlen wie Gewinn, Umsatz oder Deckungsbeitrag meist auf der Anbieterseite ansetzt, muss die Messung des Customer Value direkt
auf der Kundenseite beginnen. Allerdings sind die Messinstrumente hier noch nicht so ausdifferenziert wie auf der Anbieterseite. Der Wert für Kunden setzt sich – wie bereits
erwähnt – im Allgemeinen aus dem wahrgenommenen Nutzen und den entsprechenden
195
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Kosten zusammen. Das Problem ist, dass der Nutzen von Person zu Person und von Situation zu Situation verschieden sein oder von anderen externen Faktoren beeinflusst werden kann. Gleiches gilt auch für die Kosten. Direkt ist dieser Kundenwert somit nur über
den erwähnten Kosten-Nutzen-Zusammenhang erkennbar. Indirekt kann der Wert für den
Kunden aber beispielsweise über die Zahlungsbereitschaft, die Qualität oder die Loyalität
gemessen werden. Die Qualität kann beispielsweise über eine Analyse der Reklamationen
bzw. Beschwerden oder über die Critical-Incidence-Methode erfasst werden. Der Vorteil
der direkten Methode liegt darin, dass das Unternehmen feststellen kann, wie wahrgenommener Nutzen und Kosten im Verhältnis stehen. So können dementsprechend durch verschiedene Massnahmen entweder der Nutzen erhöht oder die Kosten gesenkt werden.
Steht die indirekte Methode der Zahlungsbereitschaft im Vordergrund, kann das Unternehmen beispielsweise über verschiedene Arten der Conjoint-Analyse Sensitivitätsschwellen
beim Kunden erkennen und nutzbar machen.
Die genannten Methoden widerspiegeln aber häufig nur die Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt. Deshalb gilt es zukünftig dynamische Verfahren zu entwickeln, die in der
Lage sind, den Wert für Kunden in regelmässigen Zeitabständen zu messen und Veränderungen abzubilden.
J
Anwendung des 7-K-Modells
Mithilfe der einzelnen «Komponenten» des vorgestellten 7-K-Modells lassen sich Marktstrategien gestalten. Dabei ist zu beachten, dass die verschiedenen Gestaltungsbereiche
(teilweise sehr eng) miteinander verbunden sind und aufeinander abgestimmt werden
müssen. Das beschriebene Customer-Value-Modell bietet aber nicht nur einen konzeptionellen Rahmen, sondern findet auch in der Praxis Anwendung.
Fallbeispiel:
Das Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen richtet jährlich einen Wettbewerb zur Kundenorientierung in Deutschland aus, bei dem die Dienstleistungsqualität branchenübergreifend verglichen wird.
Ziel ist es dabei, den teilnehmenden Unternehmen auf der Basis des 7-K-Ansatzes Vergleichsmöglichkeiten zu
bieten, um von den Besten lernen zu können.
Der 2011 zum bereits sechsten Mal durchgeführte Wettbewerb hebt sich von der klassischen Marktforschung
gerade durch das Erhebungsverfahren ab (siehe Abb. 7-9).
196
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-9]
Unterschied zwischen dem branchenübergreifenden Dienstleistungswettbewerb und klassischer
Marktforschung (in Anlehnung an Bühler/Maas 2009)
Dienstleistungswettbewerb
Klassische Marktforschung
• Durch den Wettbewerb sollen hauptsächlich der Know-how-Austausch
zwischen den teilnehmenden Unternehmen gefördert und Ideen zur Optimierung des Kundenwerts generiert werden
• Der Gewinn von Erkenntnissen des
aktuellen bzw. potenziellen Absatzmarkts und die eigene Positionierung
stehen bei der klassischen Marktforschung im Vordergrund
• Folgende Determinanten sind für den
Wettbewerb grundlegend:
• Die klassische Marktforschung
beinhaltet Folgendes:
- Ermittlung der Kunden- und
Unternehmenssicht
- Branchen- und unternehmensgrössenübergreifend
- Nicht an die eigene Sichtweise
gebundene Aussensicht
• Mit dem Ergebnis des Wettbewerbs
können durch die damit verbundenen
Kontakte der verschiedenen Experten
aus diversen Unternehmen eine Vielzahl
von Lernimpulsen generiert und die
eigenen Denk- und Sichtweisen hinterfragt werden
VS.
- Ermittlung der Kundensicht
- Begrenzung auf einen spezifischen
Markt
- Fokussierung auf vordefinierte
Zusammenhänge
• Das Ergebnis der klassischen Marktforschung besteht in der Ermittlung von
Daten, durch deren Analyse die Marktbearbeitung angepasst oder neu
konzipiert werden kann
Dabei wird die Kundenorientierung der teilnehmenden Unternehmen auf der Grundlage des 7-K-Modells untersucht, und zwar aus Kunden- und aus Managementsicht. Die Analyse der Unterschiede zwischen interner
Selbsteinschätzung und externer Kundenbeurteilung bietet den Unternehmen die Möglichkeit, sich branchenintern und -extern zu benchmarken. Die fünfzig besten Teilnehmer dürfen dann ein Jahr ein Siegel tragen und
können sich so durch ihre Servicequalität gegenüber den Kunden auszeichnen. Im Wettbewerb 2011 belegte
Carglass® GmbH, ein Spezialanbieter für Glasreparatur bei Autos und damit ein enger Kooperationspartner der
Versicherungsindustrie, den ersten Platz. Bester Versicherer wurde zum dritten Mal in Folge CosmosDirekt, ein
Tochterunternehmen der Generali-Gruppe in Deutschland.
Ein Ziel des Wettbewerbs besteht darin, das branchenübergreifende Lernen bezüglich Kundenorientierung zu
fördern. Abbildung 7-10 gibt einen Überblick bezüglich der vom Kunden wahrgenommenen Dienstleistungsqualität der wichtigsten Dienstleistungsbranchen entlang der zuvor erläuterten 7-K-Dimensionen. Der zeilenweise Vergleich macht deutlich, dass die Versicherer in jeder Kategorie durchschnittlich abschneiden, während
Energieversorger in allen Kategorien unterdurchschnittlich und Finanzproduktvermittler überdurchschnittlich
rangieren.
197
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-10]
Von den Besten lernen: Branchenübergreifender Vergleich der Kundenorientierung bei
Dienstleistungsindustrien in Deutschland
Kundenorientierung
Management
Konfiguration
Kommunikation
Kommerzialisierung
Kompetenz
Kooperation
Kontrolle
Medizinaldienstleister
Krankenkassen
Versicherer
Banken und
Sparkassen
Finanzproduktvermittler
Handel
Logistik und
Transport
Personaldienstleister
Energieversorger
Telekommunikationsdienstleister
= Positionierung der Branche im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt
(Grün: Gesamtschnitt +5%, Rot: Gesamtschnitt –3%)
Fazit nach sechs Jahren: Auch die Versicherungsbranche in Deutschland hat das Thema Kundenorientierung
für sich entdeckt: So finden sich bereits 13 Versicherungsunternehmen bzw. Krankenkassen unter den Top 50
dieses Wettbewerbs. Insbesondere in den Bereichen Konfiguration und Kontrolle finden wichtige Aktivitäten
statt: So werden beispielsweise Beschwerden und Reklamationen genau erfasst und die Auswertung des
Beschwerdeanlasses führt zur Qualitätssicherung im Service. Ferner bestätigt sich nicht das schlechte Bild, was
häufig mit der Assekuranz in Verbindung gebracht wird. So beurteilen (nur) noch 16% ihr Versicherungsunternehmen als schlecht; über 60% empfinden die Mitarbeiter als sehr freundlich und würden sehr wahrscheinlich
wieder bei ihrer Versicherung einen Vertrag abschliessen. Ausserdem fühlen sich über 90% von den Versicherungsmitarbeitern ernst genommen und in fast 90% der Fälle werden die Kundenanliegen fehlerfrei behandelt.
Allerdings besteht vor allem bei der Kommerzialisierung Handlungsbedarf, weil diesem Thema branchenweit
keine grosse Aufmerksamkeit geschenkt wird. (Für weitere Detailergebnisse vgl. Bühler/Maas 2009)
Aufgaben
2
Was muss eine Versicherungsgesellschaft bei der Umsetzung des Customer-ValueModells beachten?
3
Wo ergeben sich in der Generierung von Customer Value Unterschiede zwischen einem
Versicherungs- und einem Konsumgüterunternehmen?
198
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
7.3
Strategische Hebel im Marktmanagement der Versicherungsunternehmen
In den letzten Jahren ist die Versicherungsbranche in Bewegung geraten. Hauptveränderungstreiber waren einerseits die verstärkten staatlichen Regulierungsanstrengungen
sowie ein intensiverer Wettbewerb, andererseits grundlegende Veränderungen auf der
Nachfrageseite. Bedürfnisse, Einstellungen und Rollen von Versicherungskunden im Markt
haben sich teilweise fundamental verändert – ähnlich wie in anderen Dienstleistungsmärkten auch. Kunden bewegen sich aktiver in den Märkten, suchen Informationen, vergleichen, lassen sich beraten, empfehlen, kritisieren und fordern stärker für sie wertvolle Leistungen von ihren Anbietern ein (Maas/Graf 2008). Dadurch verändern sich die Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen, nicht zuletzt auch durch neue Kommunikationsmöglichkeiten. Der Wandel in der Assekuranz betrifft damit auch traditionelle Informations- und Vertriebswege, die den vielfältigen Anforderungen von Kunden nicht mehr
gewachsen sind. Schaut man sich aktuelle strategische Stossrichtungen von Versicherern
an, fällt auf, dass fast ausnahmslos der Kunde ins Zentrum der Management Attention
gerückt ist. Damit ergibt sich die Notwendigkeit für Versicherer, ihre marktbezogenen Prozesse und Strukturen im Sinne einer verstärkten Kundenorientierung zu überdenken, um
damit die Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern. Mithilfe des Customer-ValueAnsatzes können Versicherungsunternehmen Produkte und Dienstleistungen erstellen, die
den veränderten Kundenwünschen besser gerecht werden (Kap. 7.3.1), die Kundenzugangswege entsprechend gestalten (Kap. 7.3.2) und die Kundenbeziehung auf eine tragfähigere Basis stellen (Kap. 7.3.3). Die dadurch entstehenden Chancen und Gefahren ergeben wichtige Konsequenzen für das Marktmanagement von Versicherungsunternehmen
(Kap. 7.3.4).
7.3.1
Produkt und Dienstleistung
Ein Versicherungs«produkt» ist eine (Finanz-)Dienstleistung, die – wie alle übrigen Dienstleistungen auch – durch das Merkmal der Intangibilität gekennzeichnet ist. Das Produkt hat
also keinen stofflichen, sondern einen virtuellen Charakter und ist aufgrund seiner Abstraktheit auch nur schwer erschliessbar. Hinzu kommt – je nach Produktkategorie – ein
gewisses Mass an Komplexität, das die Verständlichkeit zusätzlich einschränkt und die
Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager erschwert. Bei Versicherungen kommt
– wie bei allen persönlichen Dienstleistungen – das sogenannte Uno-actu-Prinzip zur
Anwendung, d. h., die Dienstleistung entsteht in der Interaktion mit dem Kunden, sodass
Produktion und Konsum zeitlich zusammenfallen. Aus Kundensicht erschliesst sich der
Wert der Versicherungsdienstleistung aufgrund der geringen Erlebnisqualität beim
Abschluss häufig erst im Schadenfall. Das Gefühl, versichert zu sein und eine Deckung für
allfällige Schäden zu besitzen, löst – wie viele Studien zeigen – beim Kunden noch keine
positiven Emotionen aus. Im Schadenfall, also in einem für den Kunden mit negativen
Erlebnissen verbundenen Moment, besteht für den Versicherer – häufig erstmals – die
Gelegenheit, den Wert des «Produktes» zu demonstrieren und dem Kunden eine sichtbare
Gegenleistung zu bieten. In jüngster Zeit beginnen einige Versicherer zusätzlich den
Bereich der Prävention zu bewirtschaften, indem sie ihre Schadenerfahrung nutzen und
den Kunden helfen, Schäden zu vermeiden oder das Risikobewusstsein zu stärken.
Die Voraussetzungen für einen Versicherer, seine Leistungen zu vermarkten, unterscheiden sich daher fundamental von Branchen, die physische Produkte anbieten. Zerlegt man
den Vermarktungsprozess eines Anbieters in zwei grundlegende Teile (Abb 7-11), so lässt
sich zum einen ein Prozess identifizieren, der sich mit der Ergründung von Kundenbedürf-
199
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
nissen beschäftigt, zum anderen ein Prozess, der sich auf das Anbieten von Produkten und
die Erbringung von Marktleistungen konzentriert. Im ersten Fall (oranger Pfeil) steht die
Frage im Zentrum, welches Wissen über Kunden an welcher Stelle in der Organisation vorhanden ist, für wen es zugänglich ist und wie es genutzt wird. Dieses kundenbezogene
Wissen basiert zum Teil auf expliziten Marktforschungsdaten und Studien, die prinzipiell
für jeden Mitarbeiter zugänglich sind, vor allem aber auf persönlichen Kontakten und Erfahrungen mit Kunden, die häufig nur unsystematisch und als implizites Wissen bei wenigen
Personen gespeichert sind. Der zweite Prozess (blauer Pfeil) fokussiert die Entwicklung von
Produkten, deren Verkauf über unterschiedliche Zugangswege und die Erbringung von
Dienstleistungen für den Kunden abläuft.
Fragt man Versicherer, welcher Anteil an Zeit, Management Attention und Budget in einem
Unternehmen insgesamt durchschnittlich in den orangen im Verhältnis zum blauen Prozess investiert wird, so erhält man Schätzwerte, die zwischen 10 zu 90 und 20 zu 80 Prozent liegen. Das bedeutet – vereinfacht gesagt –, dass man der Ergründung von Kundenbedürfnissen nicht die gleiche Aufmerksamkeit schenkt wie den Produkten.
[7-11]
Marketingkonzept: Der Kunde und dessen Bedürfnisse stehen im Vordergrund
Ergründung der Kundenbedürfnisse
Was würde mein Kunde
wollen, wenn er wüsste,
was er bräuchte?
Versicherer
(mit Problemlösung)
Kunde/Kundin
(mit Bedürfnissen)
Marktleistung zur Erfüllung der Bedürfnisse
Quelle: Haller/Ackermann 1992
Ein Grund dafür liegt sicher auch in der Tatsache, dass Kundenbedürfnisse mit Bezug zur
Versicherung häufig latenter Natur sind. Die Beschäftigung mit potenziellen Gefahren im
Leben, also negativen Ereignissen wie Krankheit, Unfall und Tod, wird häufig vermieden,
um sich nicht mit den eigenen Ängsten und Befürchtungen auseinandersetzen zu müssen.
So werden lieber (scheinbar) rationale Argumente gesucht, warum eine Versicherung
gekauft werden soll. Ein weiterer Grund liegt darin, dass es auch für den Versicherungsanbieter schwierig ist, an die unterschwelligen Bedürfnisse des Kunden heranzukommen.
Hierzu bräuchte es neben ausgeprägter Menschenkenntnis und kommunikativen Fähigkeiten sicher auch die Sensibilität, sich mit Lebensgeschichten von Kunden auseinanderzusetzen und gemeinsam eine bestmögliche Lösung zu entwickeln.
Im Folgenden wird ein Marketingkonzept vorgestellt, das den Anforderungen einer kundenorientierten Sichtweise im Sinne des Customer Value besser gerecht werden soll (Kap.
7.3.1 A). Um die Bedürfnisse von Kunden und deren Änderung adäquat analysieren zu können, wird anschliessend das sogenannte Drei-Ebenen-Modell des Produktes (Kap. 7.3.1 B)
und das damit verknüpfte Funktionendenken eingeführt (Kap. 7.3.1 C). Dadurch wird der
200
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Entstehungsprozess von Customer Value besser verständlich und eine Verknüpfung mit
dem bereits erläuterten P- und C-Ansatz möglich. Schliesslich wird die Beziehung zwischen Kunde, Anbieter und weiteren Anspruchsgruppen in das Zentrum der Betrachtung
gestellt, um daraus Konsequenzen für ein erfolgreiches Marktmanagement auf Basis einer
möglichst passgenauen Bedürfnis- und Funktionenerfüllung für die Kunden zu ziehen
(Kap. 7.3.1 D).
A
Kundenorientiertes Marketingkonzept
In einem kundenorientierten Marketingkonzept steht natürlicherweise der Kunde am
Anfang der Überlegungen verbunden mit der Frage, welche Grundbedürfnisse in diesem
Markt wichtig sind (Abb. 7-12). Da es sich im ersten Schritt um eher allgemeine Bedürfniskategorien (z. B. Sicherheit, Schutz, Vorsorge) handelt, muss an dieser Stelle auch
geklärt werden, welchen Teil dieser Bedürfnisse der Versicherer überhaupt erfüllen kann
und will. Im zweiten Schritt können dann Überlegungen angestellt werden, welche Marktleistung der Kunde benötigt, um sein Problem zu lösen. Erst dann kann der eigentliche Produktionsprozess eingeleitet werden, in dem die Marktleistung erstellt wird. Dabei ist zu
beachten, dass es sich um einen kontinuierlich wiederholenden Prozess handelt, der –
auch unter Berücksichtigung weiterer Anspruchsgruppen – sich zirkulär einer bestmöglichen Lösung annähert.
[7-12]
Kundenorientiertes Marketingkonzept auf Basis des Funktionendenkens
Funktionen für übrige
Stakeholder (insb. die
Öffentlichkeit)
3 Wertschöpfungskette
2a
Welches
Produkt?
2b
Welche
Dienstleistung?
2 Problemorientierung
Kunde
1a
Welches
Grundbedürfnis?
3
Produktion und
Administration
für die optimale
Befriedigung
von 1 und 2
2
Welche Marktleistung
benötigt der Kunde, um
sein Problem zu lösen?
1b
Welche Funktionen
können wir dabei erfüllen?
Funktionen
für Kunden
1 Kundenorientierung
Quelle: Haller/Maas 2004
Das Funktionen-Denken trägt substanziell dazu bei, die effektiven Beziehungen zwischen
Unternehmen und Kunden und damit auch die Entstehung von Customer Value im zeitlichen Ablauf besser zu verstehen. Es zeigt auf, dass Customer Value aus der traditionellen,
in der Marketing-Praxis üblichen angebotsorientierten Perspektive allein nicht erklärbar ist,
weil die Funktionserfüllung massgeblich von den Kundinnen und Kunden selber abhängig
ist: Nur sie können in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Situation bestimmen, welche Funktionen ein Unternehmen durch seine Leistung bei ihnen erfüllt (und welchen Beitrag sie selber
dazu leisten); die Funktionserfüllung kann auch indirekt erfolgen, d. h. im Rahmen des sozialen Kontexts, in welchem sich Kunde und Unternehmen befinden.
201
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Zunächst soll jedoch geklärt werden, was unter einer Funktion überhaupt verstanden werden kann. Insbesondere macht es Sinn, den Funktionen-Begriff von dem im Marketing vornehmlich verwendeten Begriff des Nutzens abzugrenzen. Unter einer Funktion wird ganz
allgemein die Wirkung verstanden, welche ein System A bei einem System B auslöst. Im
Funktionen-Modell bildet das anbietende Unternehmen in der Regel das System A, wohingegen der Kunde das System B bildet. Der Kundennutzen – als Begriff des traditionellen
Marketings – beschreibt hingegen die Einschätzung des Kunden bezüglich der Fähigkeit
einer Leistung zur Bedürfnisbefriedigung. Er steht damit in einem engen Zusammenhang
mit dem Begriff der Zufriedenstellung von Kundenbedürfnissen (vgl. Kotler/Bliemel 1995,
S. 10). Während ein am Kundennutzen orientiertes Marketing mit dem Zweck einer optimalen Nutzengenerierung immer noch primär die Perspektive des Unternehmens und dessen Produkte einnimmt («Welchen Nutzen erzeugt unser Produkt?»), argumentiert das
Funktionen-Modell breiter und stärker aus der Sicht der Beziehungen zu den Kunden
(«Welche Funktionen erfüllen wir beim Kunden?»). Ersteres ist zwar für die konkrete Marketingarbeit unbestritten wertvoll, blendet aber, wie noch dargestellt wird, wichtige Tatsachen systematisch aus.
B
Erweitertes Produktkonzept: Drei-Ebenen-Modell
Fragt man Versicherer, was das «eigentliche Produkt» der Versicherung ist, so bekommt
man sehr unterschiedliche Antworten, abhängig davon, wer sich in der Organisation äussert. Typischerweise steht bei Vertriebsmitarbeitern die Police im Vordergrund, während
Marketingspezialisten stärker die Dienstleistungen und die Marke betonen; Aktuare denken eher an die mathematische Konstruktion und Schadenexperten an den finanziellen
Schadenersatz. Um diese Diversität von Perspektiven abbilden zu können, bietet es sich
an, ein mehrstufiges Produktkonzept zugrunde zu legen, mithilfe dessen die angebotene
Marktleistung in Funktionen auf unterschiedlichen Produktebenen aufgegliedert werden
kann (Abb. 7-13; Haller 2000; Haller/Ackermann 1992). Auch aus Kundensicht macht eine
solche Dreigliederung Sinn. Bucht ein Kunde beispielsweise ein Hotel für einen Businesstrip, ist für ihn die zu erfüllende Kernfunktion zunächst nur die Übernachtung. Reist er mit
dem Flugzeug an, steht für ihn der Flug von A nach B im Vordergrund (Ebene 1). Will er
sich zusätzlich auch noch über verschiedene Übernachtungs- und Reisemöglichkeiten
beraten lassen, wird er auch Leistungen auf Ebene 2 in Anspruch nehmen. Möchte er
schliesslich den Businesstrip auch noch mit einem privaten Wochenende mit Partner und
Kulturprogramm verbinden, wird er zusätzlich erweiterte Leistungsbündel auf der dritten
Ebene nachfragen.
202
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-13]
Das Drei-Ebenen-Modell
Ebene 3
3 Erweiterte Funktionen/Marktleistungen
Ergänzende Dienstleistungen, die Produkte
zu Problemlösungen
bündeln
Ebene 2
2 Kern-Marktleistungen/Kernfunktionen
Flankierende Dienstleistung im Bereich
des Kernproduktes
Ebene 1
1 Kernprodukt
z. B. Flug von A nach B
Übernachtung
Versicherungsschutz
Quelle: Haller 2000; Haller/Ackermann 1992
Übertragen auf die Versicherung bedeutet dies, dass sich der Versicherungsschutz der
Ebene 1 aus zwei Komponenten zusammensetzt: Zum einen verfügt der Kunde über die in
der Versicherung ausgehandelte Deckung (äussere Sicherheit). Doch diese allein ist aus
Kundensicht nicht ausreichend. Erst wenn dem Kunden diese Deckung bewusst ist und er
auf die Zuverlässigkeit des ausgewählten Versicherungsunternehmens vertraut, kann
dadurch auch ein gewisses Mass innerer Sicherheit erreicht werden. Auf Ebene 2 müssen
weitere Bedürfnisse des Kunden befriedigt werden. In Ergänzung zum Kernprodukt werden
hier (Fach-)Beratung und weitere Dienstleistungen angeboten, wie beispielsweise die
Schadenbearbeitung. Diese persönlichen Dienstleistungen werden durch technische Hilfsmittel so unterstützt, dass das Problem des Kunden optimal gelöst wird. Mit einem Bündel
von weiteren ergänzenden Leistungen soll auf Ebene 3 die Kundenbeziehung vertieft werden. Mithilfe dieser Leistungen sollen vor allem auch emotionale und kommunikative Funktionen erfüllt werden, die in Verbindung mit den übrigen Leistungen der Ebenen 1 und 2
einen wertvollen Beitrag zum Customer Value leisten und helfen, die Qualität der Kundenbeziehung auf Dauer zu festigen. Beispiele für solche erweiterten Leistungen sind insbesondere im Bereich der Assistance zu finden und zeichnen sich dadurch aus, dass sie Probleme lösen, die sich erst aus der Sicht des Kunden und seiner Lebenswelt erschliessen.
203
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-14]
Raster zur Einordnung der Leistungen im Drei-Ebenen-Modell
Ebene 1
Reiner Versicherungsschutz
Ebene 2
Flankierende Dienstleistungen
•
Beratung
•
Erklärung der Policen
•
Bearbeitung von Schäden
•
Convenience
Ebene 3
Ergänzende Dienstleistungen
•
Weiterführende Beratung (z. B. Riskmanagement, Lebenshilfe, Vermögensaufbau)
•
Übernahme kundenseitiger Aufgaben (z. B. Organisation der Reparatur des
Autos, Naturalersatz)
•
Strategien zur Prävention/Schadenminderung
Quelle: In Anlehnung an Haller 2000; Haller/Ackermann 1992
Wie sich aus Abbildung 7-14 entnehmen lässt, ergänzen sich diese drei Ebenen gegenseitig. Für den Kunden wird der grösste Wert dann geschaffen, wenn die einzelnen Ebenen
aufeinander abgestimmt sind. Beim Drei-Ebenen-Konzept ist ausserdem zu beachten, dass
Kunden und Unternehmen häufig unterschiedliche Sichtweisen haben. Während Unternehmen dazu neigen, das «Produkt» von innen nach aussen, also von Ebene 1 ausgehend
in Richtung Ebene 3 zu denken, nimmt der Kunde in der Regel die entgegengesetzte Perspektive ein (von aussen nach innen), da für ihn vor allem die Leistungen wertvoll sind, die
nahe an seiner Erfahrungswelt liegen, während ein einwandfreies Kernprodukt für ihn
selbstverständlich ist. Daher ist die Substitutionsgefahr für Anbieter umso grösser, je stärker sie sich auf Ebene 1 (Kernprodukt) konzentrieren. Ausserdem bieten sich auf den Ebenen 2 und 3 Differenzierungsmöglichkeiten durch innovative Angebote und erweiterte Services, die auch umfassendere Funktionen für Kunden erfüllen, dadurch mehr Customer
Value erzeugen und eine höhere Zahlungsbereitschaft auslösen. Dabei ist zu beachten,
dass über alle drei Ebenen eine durchgehende Kundenfunktion im Zentrum steht. Da die
Grenzen zwischen den Ebenen fliessend verlaufen, ist auch ein durchgehender Kommunikations- und Kulturaspekt vonnöten.
Neben diesen positiven Funktionen gibt es aber auch negative. Ein einfaches Beispiel liefert das Mobiltelefon: Auf der einen Seite sind Freunde von überall zu erreichen, andererseits ist man selbst aber auch der ständigen Erreichbarkeit und gegebenenfalls auch hohen
Telefonkosten ausgesetzt. Auch im Versicherungsbereich gibt es beide Richtungen von
Funktionen. Dabei werden mit den Beratern fast nur die positiven und mit der Versicherungsunternehmung häufig die negativen Funktionen in Verbindung gebracht. Für die
Wahrnehmung des Kunden ist aber der Gesamteindruck entscheidend. Somit kann es dem
Unternehmen gelingen, negative Funktionen abzuschwächen und eine positive Wirkung
beim Kunden hervorzurufen.
C
Funktionendenken – mit verschiedenen Bezugsebenen
Bei einer genaueren Betrachtung des Funktionendenkens wird erkennbar, dass sich die
Funktionen in zwei Wirkungsdimensionen unterteilen lassen. So ergeben sich eine psychologisch-soziale und eine technisch-ökonomische Dimension, die möglichst gleich stark
gewichtet werden sollten. Allerdings wird die Relevanz der psychologisch-sozialen Dimension häufig nicht erkannt bzw. falsch eingeschätzt, z. B. beim aktuellen Thema der Communities. Bei der technisch-ökonomischen Dimension werden sachlich-rationale Funktionen
des Kunden befriedigt, beispielsweise die Lösung des Kundenproblems (siehe Abb. 7-15).
204
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Diese wird in der psychologisch-sozialen Dimension mit einer Vielzahl von emotionalen und
kommunikativen Funktionen ergänzt.
[7-15]
Leistungskomponenten im Funktionenmix
• Identität
• Integrität
• Interaktion
• Selbst- und Gruppenverwirklichung
• Kommunikationsform
• Stimmungsfeld
• Art der Begegnung
• Soziale Einbettung
• Ort der Begegnung
• «noch-mehr» Convenience
• Convenience (Einfachheit, elegante Lösung)
• reines Sachproblem: Lösung
sachlich-rational
emotional
technisch-ökonomisch
psychologisch-sozial
kommunikativ
Quelle: Haller 2000
Bei der Wirkung von Funktionen ist stets die Wahrnehmung der «Systeme» entscheidend,
d. h., die Interpretation auf Kundenseite unterliegt neben individuellen auch situationsbedingten Abweichungen. Das heisst im Umkehrschluss, dass das Unternehmen nicht genau
wissen kann, ob die angestrebten Leistungswirkungen mit den primär von den Kunden
wahrgenommenen Funktionen übereinstimmen. Es ist erkennbar, dass der Funktionenbegriff noch viel weiter greift. So wird eine Funktion zu einer Wirkung, die bei einem anderen
System ausgelöst wird, sei dies positiv oder negativ, gewollt oder ungewollt, bewusst oder
unbewusst. Dies kann für Unternehmen auch Probleme aufwerfen, denn beispielsweise
sind unbewusste Funktionen schwer zu erkennen, können aber von erheblicher Bedeutung
sein (Haller/Maas/Ackermann 2006).
Durch den Funktionenansatz wird die Sicht des nutzenfokussierten Marketings erweitert.
So orientiert man sich beim Denken in Funktionen nicht am Geschäftsmodell, sondern am
gesamten System. Der «Linking Pin» zwischen P- und C-Ansatz kann durch das Denken in
Funktionen im dreistufigen Funktionenmodell verankert werden (Abb. 7-16). Entsprechend werden die drei Bezugsebenen des Modells im Folgenden näher erläutert.
205
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-16]
+
–
Funktionenmodell im Überblick
Positive/negative Funktionserfüllung
Bezugsebene:
Medien
Staat
ge
se
lls
Fe cha
ft
ed
ba lich
ck
es
Gesellschaft
C
C'
Communities
Öffentlichkeit
NGOs
D
D'
E'
E
C”
D”
E”
Konkurrenz
Funktionserf üllung
1:1-Beziehung
A
Angestrebte,
bewusste Leistung
Unternehmen
Marketing «Nutzen»
B
Welche Funktion(en) erfüllt?
Kunde
Welchen Nutzen erzeugt?
Komplexität der
«Aussenwelt»
Quelle: Haller/Hartmann 2004 und Haller/Maas 2004
Die Ebene der 1:1-Beziehung
Auf der ersten Ebene (1:1-Beziehung) geht es um die Beziehung zwischen Unternehmen
und Kunden. Die Funktionen haben auf dieser Ebene eher eine längerfristige Ausrichtung,
da sie noch sehr eng mit den Bedürfnissen der Kunden verbunden sind. Diese Funktionen
können sich aber im Zeitverlauf verändern, beispielsweise durch besondere Ereignisse im
Lebensverlauf oder durch eine Beeinflussung der näheren sozialen Umwelt. Diese ist zwar
eigentlich in der Ebene der Communities verankert, findet aber schon hier Erwähnung. In
dieser ersten Ebene müssen Unternehmen beachten, dass die identischen Funktionen
nicht nur von der unmittelbaren Konkurrenz auf die gleiche Art und Weise, sondern auch
mit unterschiedlichen Leistungen erfüllt werden können. Damit die Bedürfnisse der Kunden befriedigt bzw. sogar Customer Value kreiert werden kann, müssen die Anbieter zwei
Dinge beachten. Zum einen müssen die Unternehmen die relevanten Funktionen besser
als die (mögliche) Konkurrenz erfüllen und gleichzeitig die negativen Funktionen vermindern oder sogar vermeiden. Auf der anderen Seite müssen sich Unternehmen darauf konzentrieren, Substitutionsgefahren, aber auch -chancen zu erkennen und entsprechende
(Gegen-)Handlungen einzuleiten. Ein umfassender Mix aus Funktionen unterstützt die
Unternehmen bei der Umsetzung grundlegend. In der Finanz- und Versicherungswelt
erfährt die Komponente der Dienstleistungen immer grössere Wichtigkeit. Somit können
Bedürfnisse des Kunden besser befriedigt, bzw. mehr Customer Value generiert werden,
während zeitgleich die Substitutionsgefahr durch andere Anbieter verkleinert wird.
206
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Die Ebene der Communities
Die Communities bilden eine weitere Ebene im Funktionenmodell. Dabei ist das Hauptaugenmerk nicht mehr auf die direkte Kundenbeziehung gerichtet, sondern auf den Einfluss
der Communities bei der Funktionserfüllung und die daraus entstehenden Auswirkungen
auf den Customer Value. Eine Community bzw. Gemeinschaft besteht aus verschiedenen
Akteuren, die sich in einem Medium treffen (Schmid 2002). Akteure sind aber nicht nur
Kunden, sondern alle Mitglieder der Anspruchsgruppen des Unternehmens. Bei den
Medien sind (Tages-)Zeitungen, Börsen, Internetseiten, Blogs, Foren, Social Media, Telefone und Mobiltelefone zu nennen. Für Unternehmen sind Communities aus zwei Gründen
relevant. Zum einen kann über sie Customer Value entstehen, was sich wiederum positiv
auf das Unternehmen auswirkt und gleichzeitig andere (mögliche) Kunden zum Unternehmen lockt. Auf der anderen Seite kann aber auch genau das Gegenteil eintreten und Customer Value zerstört werden. Beispielsweise sind aktuell verschiedene Artikel der Marke
Apple (iPod, iPhone, iMac, iPad usw.) «in». Die Medien und die Nutzer berichten Positives
über die Produkte, und der Customer Value steigt. Apple-Konkurrent Dell erlebte vor einigen Jahren das genaue Gegenteil mit dem Blog «DellHell». Ausserdem ist es möglich, dass
gleichzeitig «gute und schlechte» Communities für dasselbe Unternehmen existieren. So
waren Nike-Produkte, vor allem im Sportschuhbereich, «die» Marke unter Jugendlichen,
während gleichzeitig von anderen Communities gegen schlechte Arbeitsbedingungen bei
der Herstellung der Produkte protestiert wurde. Wichtig ist zu beachten, dass die Mitglieder der Communities nicht unbedingt in einer Anbieter-Kunden-Beziehung stehen müssen,
sich aber trotzdem an Diskussionen darüber beteiligen. Ausserdem gibt es auf dieser
Ebene zwei Arten von Funktionen. Einerseits gibt es Funktionen, die das Unternehmen
beim Kunden auslöst. Diese werden von den Communities wahrgenommen und wirken
wieder auf den Kunden zurück (indirekte Funktionen). Andererseits werden Funktionen,
die direkt von den Unternehmen in den Communities ausgelöst werden, als direkte Funktionen bezeichnet.
Die Bearbeitung der Community-Ebene ist für Unternehmen unerlässlich. Denn neben den
Kunden, die bereits über die «erste» Ebene angesprochen werden, können auch Personen
angesprochen werden, die (noch) nicht Kunden sind. Gelingt es dem Unternehmen, die
Leistung auch auf Ebene der Communities zu erbringen, hat dies einen positiven Einfluss
auf den Customer Value und somit auch auf die Wettbewerbsposition. Für Unternehmen
ist es dabei wichtig zu wissen, dass die «benötigten» Funktionen nicht immer vom Marketing geplant und umgesetzt werden können. Entscheidend für eine gute Umsetzung der
Funktionen auf dieser Ebene ist die Einbeziehung von Kundencommunities in die Leistungsentwicklung und -erstellung.
Die Ebene der Gesellschaft
Die meisten Unternehmen erfüllen durch ihre Produkte und Dienstleistungen auch Funktionen auf der Ebene der Gesellschaft. Sie erbringen diese direkt und indirekt, sind sich aber
oft nicht der Wirkung bewusst und unterschätzen daher die damit verbundenen Konsequenzen. Dies kann fatale Auswirkungen nach sich ziehen: Nach einem negativen Ereignis
wird es für ein Unternehmen schwer, eine bestimmte Wahrnehmung des Unternehmens
oder dessen Produkte wieder ins Positive zu kehren. Deshalb sollten Unternehmen regelmässig eine Funktionsanalyse auf der Gesellschaftsebene durchführen, um negative Funktionen zu erkennen und Gegenmassnahmen einleiten zu können. Die Analyse dient somit
als Frühwarnsystem und kann so zum Risikomanagementinstrument des Marketings werden.
207
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Wirkung des Funktionendenkens
Das Funktionendenken stellt eine Erweiterung des traditionellen Nutzenkonzepts dar. So
wird eine Unterscheidung zwischen bewusster Leistungserstellung, Nutzengenerierung
und Funktionenerfüllung möglich. Die Funktionen stellen dabei die Bestimmungsfaktoren
von Customer Value dar. Dieser «Value» wird von den Kunden, Communities und der
Gesellschaft bewertet – sowohl positiv als auch negativ. Mithilfe des Funktionendenkens
wird es für Unternehmen durch die konsequente Berücksichtigung bei der Bewertung
möglich, die sozialen und gesellschaftlichen Abhängigkeiten mit in ihre Entscheidungen
einzubeziehen. Die Vorteile dieser erweiterten Sichtweise des Denkens in Funktionen wird
in Abbildung 7-17 zusammengefasst dargestellt.
[7-17]
Erweiterte Sichtweise durch Denken in Funktionen
Nutzenfokussiertes Marketing ...
Denken in Funktionen ...
• am Geschäftsmodell orientiert;
Beobachtung: Welcher Erfolg?
• am «Gesamtsystem» orientiert;
Beobachtung: Was passiert?
• auf Kunden im Marktumfeld gerichtet
• auf alle Anspruchsgruppen gerichtet
(Dritte, Gruppierungen, Gesellschaft)
• auf Erwartetes gerichtet
• deckt auch Unerwartetes auf
• gezielte (positive) Veränderung bei
Kunden
• schliesst auch ungewollte und
unbewusste Wirkungen ein (bei
Kunden und Umwelt)
• auf positive «outcomes» ausgerichtet
• auch negative Wirkungen und Überwindung des Negativen (= positiv)
• oft eindimensional
• immer mehrdimensional
(psychologisch-sozial, technischökonomisch)
• enges Produktkonzept;
Leistung = Produkt «plus»
• weite Produktauffassung;
Leistung = Was an (positiven wie
negativen) Funktionen erfüllt wird
• direktes Feedback durch Kunden
(Marktreaktion, Kundenzufriedenheit,
Absatz)
• auch Wirkung indirekter Feedbackschlaufen (Systemreaktion, Systemzufriedenheit)
Quelle: Haller 2000
D
Bedürfnis- und Funktionenerfüllung
Mit Blick auf das komplette Funktionenmodell wird deutlich, dass die verschiedenen Ebenen nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Wie bereits in Abbildung 7-16 zu sehen war,
stehen die Gesellschaftsebene und die Ebene der 1:1-Beziehung über Feedbackschlaufen
in Kontakt. Dies gilt auch für die Ebene der Communities, deren Mitglieder zusätzlich häufig als «Katalysatoren» der Entwicklungsprozesse gelten. Beim Denken in Funktionen steht
demnach nicht nur die direkte Kundenbeziehung im Vordergrund, sondern neben dieser
auch die Funktion der Leistung, die beide in das Kontinuum zwischen Kunde – Community
– Gesellschaft eingebettet werden. Arbeitet das Unternehmen häufig in Netzwerken, wird
diese umfassende Sicht unabdingbar, in der die Konsequenzen für das eigene Handeln
erkannt werden können.
208
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Über das Drei-Ebenen-Modell und über die Erfüllung verschiedener Funktionen kann das
Unternehmen die Bedürfnisse des Kunden erfüllen. Aber nicht nur die Bedürfnisse des
Kunden, sondern der Kunde selbst, verändern sich im Lauf der Zeit. Der Kunde ist heutzutage gerade durch das Internet besser informiert. Dort werden nicht nur die Seiten der Versicherungsgesellschaften, sondern auch Vergleichsportale, verschiedene Foren oder sogar
soziale Netzwerke «durchforstet» bzw. befragt. Dadurch wird er unabhängiger und trifft
seine Kaufentscheidung selbst. Er reagiert preissensitiver und fordernder gegenüber dem
Unternehmen. Auch die Anforderungen bzw. Bedürfnisse gegenüber dem Unternehmen
bzw. seiner Produkte und Dienstleistungen steigen. Eine tadellose Schadenabwicklung,
digitale Informationsmöglichkeiten und konkurrenzfähige Preise werden zum Standard.
Um Produkte mit der Konkurrenz vergleichen zu können, hegt der Kunde das Bedürfnis
nach Transparenz und Vergleichbarkeit. Eines der wichtigsten Hauptkriterien in diesem
Zusammenhang ist der Preis, der gerade in der Dimension «Kommerzialisierung» des 7-KModells eine Rolle spielt. Die Kunden wünschen sich einen «guten» Preis, wollen dafür
aber nicht auf Leistung verzichten. Ausserdem werden Leistungen immer beliebter, die
den Versicherten bei der Prävention von Schadenfällen helfen sollen. Dafür stellt das Versicherungsunternehmen aktiv Informationen zur Verfügung, wie sich die Versicherten
schützen können. Die Versicherungsnehmer sind aber neben den zusätzlichen Informationen auch an einer monetären «Belohnung» ihres «präventiven» Verhaltens interessiert.
Grundsätzlich wollen Kunden auch die Möglichkeit haben, aus einem anpassungsfähigen
Produktangebot auswählen zu können, um sich nach ihren individuellen Bedürfnissen abzusichern (Dimension «Konfiguration» im Customer-Value-Modell). Es werden flexible Versicherungslösungen gesucht, die sich veränderten Lebenssituationen anpassen können. Auch
Kombiprodukte und umfassende Gesamtlösungen (Stichwort: All-in-one-Versicherung) stehen laut aktuellen Studien bei Versicherungskunden hoch im Kurs. Dies nimmt die Versicherungsgesellschaften in die Pflicht, ihre Produkte verständlich und transparent zu gestalten.
Nach wie vor werden auch einfache, standardisierte Produkte von bestimmten Kundengruppen nachgefragt, bei denen der Preis das ausschlaggebende Kriterium ist.
Exkurs 7.2
Das Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen führt regelmässig die Marktstudie «I.VW-Vertriebsmonitor» durch, wobei Fach- und Führungskräfte der Versicherungsbranche
aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt werden. Neben einem feststehenden Panelteil wird bei jeder Befragungsrunde jeweils ein spezielles Schwerpunktthema vertieft. Unter anderem wurde dabei auch die Frage beantwortet, welche Qualitätsmerkmale aus Kundensicht den
grössten Wert stiften. Für fast zwei Drittel der Befragten stand die schnelle und unkomplizierte
Schadenabwicklung im Vordergrund. Eine vertrauensvolle Beziehung zum Berater, verbunden mit
Merkmalen wie «Ehrlichkeit» und «Vertrauenswürdigkeit» der Versicherungsgesellschaft, ist für
mehr als die Hälfte der Befragten unabdingbar. Während Kunden transparente und übersichtliche
Dokumente von Versicherungen sowie auch niedrige Prämien hoch bewerten, stehen diese Kriterien bei den Fach- und Führungskräften bei nicht einmal einem Drittel der Befragten im Vordergrund.
Diese (siehe Exkurs 7.2) und ähnliche Studien zeigen, dass es zwischen Anbieter- und
Nachfragerperspektive noch grosse Unterschiede in der Gewichtung der Werttreiber gibt.
Umso wichtiger erscheint die Notwendigkeit, dass Versicherungsunternehmen lernen, aus
der Sicht der Kunden zu denken, deren Bedürfnisse zu erkennen, um letztendlich mit ihren
Leistungsbündeln entsprechende Funktionen bei den Kunden erfüllen zu können.
209
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Aufgaben
4
Welche Produkte oder Dienstleistungen erwarten Sie von Ihrer Versicherung?
5
Was könnten innovative Produkte auf dem Versicherungsmarkt sein?
6
Welche Funktionen kann ein Versicherungsunternehmen noch zusätzlich erfüllen?
7
Bei welchen Produkten von Banken und Versicherungen besteht die höchste Substitutionsgefahr?
7.3.2
Kundenzugangswege
Lange Jahre kannten die Versicherungskunden nur drei Zugangswege zu ihrem Versicherungsunternehmen: den Kundenberater, die Hotline oder den Briefkontakt mit dem Versicherer. Dies hat sich fundamental gewandelt; mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Interaktionsmöglichkeiten (Kap. 7.3.2 A). Dabei sind Unterschiede im Nutzungsverhalten bei der Informationsbeschaffung und dem Kauf zu erkennen (Kap. 7.3.2 B). Das hat zur Folge, dass die
Versicherungsunternehmen ein exzellentes Multi-Channel-Management (Kap 7.3.2 C) aufbauen müssen und sich weiteren Herausforderungen (Kap 7.3.2 D) gegenübergestellt sehen.
A
Verschiedene Arten von Kundenzugangswegen
Früher haben sich die Versicherungskunden meist einen Versicherungsberater ausgewählt
und bei diesem (alle) ihre Verträge abgeschlossen. Ab und zu wurde eine andere Versicherungsagentur aufgesucht, um Preise und Leistungen zu vergleichen. Meist hat man mit
dem Berater persönlich oder telefonisch gesprochen und ist nur selten über den Postweg
in Kontakt getreten. Mit der Zentrale ist man praktisch kaum in Kontakt getreten, ausser in
Notfällen, teilweise zur Abwicklung von Schäden oder wenn man Informationen brauchte,
die der Berater einem nicht geben konnte.
Heute existieren viele verschiedene Möglichkeiten, wie ein Versicherungskunde mit seinem Versicherungsunternehmen in Kontakt treten, sich informieren oder einen Versicherungsvertrag abschliessen kann. Abbildung 7-18 gibt einen Überblick über die verschiedenen Kundenzugangswege.
[7-18]
Kundenzugangswege
Überblick über die verschiedenen Kundenzugangswege
Persönlich
Schriftlich (Brief
und E-Mail)
Telefonisch
Internet
Einfirmenvertreter
(Ausschliesslichkeitsvertrieb)
ja
ja
ja
teilweise
Eigene Geschäftsstellen / Büros
ja
ja
ja
teilweise
Makler / unabhängige Finanzberater
ja
ja
ja
ja
Banken
ja
ja
ja
ja
210
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Kundenzugangswege
Persönlich
Schriftlich (Brief
und E-Mail)
Telefonisch
Internet
Arbeitgeber (Worksite Marketing)
ja
ja
ja
ja
Vertriebsgesellschaften (AWD, …)
ja
ja
ja
nein
Telefon (Callcenter)
nein
nein
ja
nein
Schriftliche Mailings
nein
ja
nein
nein
Homepage der Versicherer
nein
ja
nein
ja
Internetversicherer
(eigene Marken)
nein
ja
ja
ja
Internetportale / Vergleichsdienste
nein
nein
teilweise
ja
Annex-Vertrieb
nein
ja
ja
ja
ja
teilweise
nein
nein
Point of Sale / stationärer Vertrieb
B
Informationenquellen und Zugangswege
Der Versicherungsberater oder auch eine Generalagentur in der Nähe kann persönlich,
telefonisch oder schriftlich (per Post oder E-Mail) angesprochen werden. Das Gleiche gilt
auch für einen Berater der (Haus-)Bank oder eines Finanzdienstleisters. Auch die Zentrale
ist telefonisch, meist über eine Hotline, und schriftlich erreichbar. Sich informieren und
eine Versicherung kaufen kann man meist direkt auf der Homepage des jeweiligen Versicherungsunternehmens oder auf Internetseiten von unabhängigen Anbietern. Zusätzlich wurden gerade in den letzten Jahren viele Direktversicherungen gegründet. Häufig
steht eine traditionelle Versicherung dahinter, die ihr Distributionsnetz weiter ausbaut. Beispiele dafür sind Zürich Connect, smile.direct oder in Deutschland die AllSecur oder Asstel.
Für genauere Informationen oder sogar teilweise zum Abschluss einer Versicherung muss
häufig noch über E-Mail Kontakt aufgenommen werden. Auch Versicherungsportale
werden immer beliebter, um sich über verschiedene Anbieter gleichzeitig informieren zu
können. Comparis.ch dürfte das wohl bekannteste Beispiel in der Schweiz darstellen. Informationen werden auch persönlich mit Freunden oder Verwandten ausgetauscht und
gleichzeitig über deren bisherige Erfahrungen diskutiert. Immer populärer werden auch die
Social Media, bestimmte Foren oder Gruppen im Internet, um sich über die Erfahrungswerte anderer Versicherungskunden zu erkundigen, aber auch um selbst Informationen
bzw. Erfahrungen über bisher Erlebtes zu schildern. Informationen werden zudem über
Zeitschriften gesucht, beispielsweise die Stiftung Warentest, vor allem wenn Konsumententests durchgeführt wurden. Auch Werbespots oder Anzeigen im Fernsehen bzw. in
Zeitungen werden von Versicherungskunden als Informationsquelle wahrgenommen. Eine
gerade aufkommende weitere Möglichkeit sind Apps auf Mobiltelefonen (mobiler Vertrieb). Bei diesen kann sich der Versicherungskunde informieren und kleine Versicherungen kaufen. Auch das aus dem 7-K-Modell bekannte Thema «Kooperation» nimmt an
Wichtigkeit zu. So wurde u. a. der Annex-Vertrieb in den letzten Jahren populärer. Dabei
verkaufen Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmen bzw. Supermarktketten, die Versicherungen ihrer (Versicherungs-)Partner über die Filialen oder die eigene Homepage
bzw. Bestellhotline. Bekannte Beispiele sind Tchibo in Verbindung mit Asstel oder auch
ehemals die Migros in Zusammenarbeit mit dem TCS in der Schweiz. Die Versicherungen
versuchen ferner über direkte Mailings die (möglichen) Kunden von der Versicherungs-
211
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
leistung zu überzeugen und zum Kauf des Produkts zu bewegen. Als weiterer Kundenzugangsweg lässt sich der stationäre Versicherungsvertrieb identifizieren, beispielsweise
am Postschalter oder Tankstellen. Auch Kooperationen zwischen Versicherungen und
Arbeitgebern können zum Kauf von Versicherungen durch die Angestellten führen, da sie
durch einen Kollektivvertrag von günstigeren Konditionen gerade bei den Zusatzversicherungen profitieren können. In der Schweiz bieten beispielsweise Groupe Mutuel, Swica,
Allianz Suisse oder Sanitas diese Möglichkeit an. Schliesslich entwickeln sich noch weitere
Möglichkeiten, wie sich Versicherungskunden informieren und ihre Versicherung erwerben können, wie beispielsweise Versicherungsshops und TV-Shopping.
Zu den beliebtesten Informationsquellen gehört der Preis- und Leistungsvergleich über das
Internet, die Empfehlungen und Erfahrungen von Freunden und Verwandten sowie die
Beratung durch einen Versicherungsberater. Aber gerade die ausgeprägte Nutzung der
neuen Medien verändert die Interaktion zwischen (möglichem) Kunde und Versicherungsgesellschaft. Die Kunden haben immer häufiger das Bedürfnis, über verschiedene Formen
und Wege mit dem Versicherer in Kontakt zu treten. Dabei nutzen sie die Zugangswege
nicht alternativ, sondern parallel. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Versicherungsgesellschaften. Sie müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen und ein Multi-Channel-Management einführen, um die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen und für sie Nutzen zu generieren (siehe auch Kapitel 7.3.2 C). Durch die Nutzungsmöglichkeiten mehrerer
Kundenzugangswege fühlen sich die Versicherungskunden besser verstanden, stellen
aber auch neue Anforderungen an das Versicherungsunternehmen. So wollen die Kunden
die Leistungen des Versicherers rund um die Uhr nutzen können, erwarten einen einheitlichen Auftritt über alle Zugangswege hinweg und fordern einen Preisnachlass, wenn der
Versicherungsvertrag nicht persönlich mit einem Berater abgeschlossen wird und die weitere Kommunikation nur über das Internet läuft. Für eine detaillierte Unterscheidung zwischen Such- und Kaufphase vgl. Bieck / Bodderas / Maas / Schlager 2010.
C
Multi-Channel-Management
Die meisten Versicherungsgesellschaften verfügen über mehrere Zugangswege für ihre
Kunden. Die am häufigsten «angebotenen» Zugangswege sind Makler, Ausschliesslichkeitsvertrieb und Online. Neuere Formen wie Versicherungsshops und TV-Shopping wurden von Kunden bisher noch nicht so sehr angenommen. Mit dem Ausbau der bestehenden Kundenzugangswege und dem Etablieren neuer Formen muss auch das Managementkonzept angepasst werden. So haben bereits viele Versicherungsunternehmen die
Relevanz eines Multi-Channel-Managements erkannt und haben konkrete Umsetzungsmassnahmen eingeleitet.
Durch die Vielzahl der verschiedenen Zugangswege können zudem neue Kunden angesprochen werden, die sonst nicht hätten erreicht werden können. Durch die aktive Vernetzung der
verschiedenen Kundenzugangswege im Multi-Channel-Management kann der Kundenservice und damit auch der Customer Value gesteigert werden. Gleichzeitig kann durch die Nutzung mehrerer Zugangswege der persönliche Vertrieb entlastet werden, wenn die Abwicklung von Routineaufgaben über das Internet oder die Hotline erfolgt. Bei der Auswahl eines
Kundenzugangswegs ist entscheidend, welche Art von Versicherung abgeschlossen wird. So
wird der Allfinanzverkauf bei Lebensversicherungen deutlich häufiger genutzt als im Nichtlebenbereich. Beim direkten Verkauf ist es hingegen genau umgekehrt. Abbildungen 7-19 und
7-20 verdeutlichen diese Unterschiede auf europäischer Ebene.
212
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-19]
Die Kundenzugangswege verschiedener europäischer Länder im Lebenbereich
2008
100%
90%
80%
70%
60%
50%
Andere
40%
Allfinanz
30%
Broker
20%
Vertreter
10%
Direktverkäufe
MT
NL
PL
PT
SI
SK
TR
UK
AT
BE
BG
DE
ES
FR
HR
IE
IT
LT
0%
Einschränkungen: – Bei UK ist Allfinanz in die übrigen Bereiche mit eingeschlossen
– Bei Holland sind die Vertreter und Broker zusammengefasst
– Die Daten für Spanien und Litauen sind von 2007
– In Deutschland und UK beziehen sich die Daten auf das Neugeschäft
Quelle: CEA Insurers of Europe 2010
[7-20]
Die Kundenzugangswege verschiedener europäischer Länder im
Nichtlebenbereich 2008
100%
90%
80%
70%
60%
50%
Andere
40%
Allfinanz
30%
Broker
20%
Vertreter
10%
Direktverkäufe
UK
TR
SK
SI
PT
PL
NL
IT
LT
IE
FR
HR
ES
DE
BG
BE
AT
0%
Einschränkungen: – Bei Holland sind die Vertreter und Broker zusammengefasst
– Die Daten für Spanien und Litauen sind von 2007
Quelle: CEA Insurers of Europe 2010
213
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Unterschiedliche Kundenzugangswege haben auch unterschiedliche Preisstrategien, da
sich auch die jeweilige Kostenbasis markant unterscheidet. So wird die Preisgestaltung
(Dimension «Kommerzialisierung» im 7-K-Modell) zu einer der grössten Herausforderungen im Multi-Channel-Management. Eine noch grössere Bedeutung hat aber die Aufgabe,
den Kunden über alle Zugangswege hinweg eine Gesamtsicht und parallel dazu auf der
Unternehmensseite eine einheitliche Kundensicht zu ermöglichen. Deshalb sollte es ein
durchgängiges Erscheinungsbild bzw. Serviceerlebnis über die verschiedenen Zugangswege hinweg geben. Dafür müssen die Prozesse innerhalb des Unternehmens durchgängig organisiert werden, damit ein erfolgreiches Multi-Channel-Management überhaupt
möglich wird. Gut funktionierende IT-Systeme sind dafür unabdingbar. Auch die Koordination der Kommunikation nimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle ein. Ausserdem muss das Versicherungsunternehmen darauf achten, dass über alle Zugangswege
hinweg die gleiche Qualität angeboten wird. Denn ein Kunde, der auf dem einen Zugangsweg gut behandelt wurde, erwartet den gleichen Service auch in anderen Bereichen.
Grundsätzlich gibt es drei Strategien, wie «stark» der Multi-Channel-Gedanke verfolgt wird:
•
•
•
Integriertes Multi-Channel-Management,
Aussendienst-fokussierter und
Channel-Wettbewerbs-Ansatz
Dabei haben alle drei Ansätze das gemeinsame Ziel, dem Kunden zum richtigen Zeitpunkt
den richtigen Zugangsweg bieten zu können. Dies ist nur möglich, wenn der Versicherer
sich in den Kunden hineinversetzt und sich mögliche Funktionen überlegt, die er erfüllen
kann. Nur so kann er auch die Beziehung intensivieren und die Wünsche des Kunden verstehen, beispielsweise über welchen Zugangsweg dieser gerade angesprochen werden
möchte. Mit der Einnahme der Kundensicht sollte der Versicherer auch nicht mehr von
«negativ besetzten» Absatzkanälen, sondern von «positiven» Zugangswegen sprechen.
Dies vermittelt dem Kunden gleichzeitig die (neue) «Gesinnung» des am Customer-ValueModell-orientierten Versicherungsunternehmens.
D
Weitere Herausforderungen im Bereich der Kundenzugangswege
Die genannten Veränderungen bei den Kundenzugangswegen gehen einher mit einem verstärkten Engagement im Bereich des Customer Relationship Managements (CRM). Versicherer haben erkannt, dass segmentspezifische Betreuungsmassnahmen und Kundenpflege unabdingbar sind. Im Vergleich zu anderen Branchen haben Versicherungsunternehmen hier noch grossen Nachholbedarf. Investitionen in diesem Bereich lohnen sich
immer dann, wenn es gelingt, dem Kunden einen sichtbaren Mehrwert zu bieten, der ihn
auch zu erhöhter Loyalität und zum Cross-Buying veranlasst.
Eine der wichtigsten Herausforderungen des Multi-Channel-Managements liegt darin, die
Zugangswege für die Kunden nach deren spezifischen Erwartungsprofilen aufzuteilen. So
können neue Kunden gewonnen werden und gleichzeitig kann auch die Bindung von den
«alten» Kunden erhöht werden. Werden die verschiedenen Zugänge miteinander verglichen, ergeben sich Unterschiede, ob man sich über eine Versicherung informieren oder
eine Versicherung kaufen will. Die Internetseite des Anbieters ist dabei nur ein wichtiges
Informationsmittel neben Vergleichsportalen, dem Gespräch mit dem unternehmensgebundenen oder dem unabhängigen Berater und den Empfehlungen von Freunden und
Bekannten.
214
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Aktuelle Studien zeigen, dass in der Schweiz der Abschluss einer Versicherung noch traditionell über den eigenen Versicherungsberater läuft. Die Bedeutung von unabhängigen
Beratern und Onlinevergleichsportalen steigt zwar an, bleibt aber immer noch deutlich hinter dem Aussendienst zurück. Neuere Zugangswege wie beispielsweise der Versicherungsverkauf über Smartphone Apps spielen vorerst vor allem in Schwellenländern eine
Rolle, weniger in den etablierten Märkten. Das liegt einerseits daran, dass die Serviceanbieter dort viel aktiver und innovativer arbeiten. Andererseits bieten sich gerade in ländlichen Gebieten wegen der schlechten Infrastruktur neue Möglichkeiten über Apps. Auch in
den Industrieländern werden die Versicherungskunden mit den Apps und Social Media
immer vertrauter, sodass auch Apps gerade in Kombination mit den Mikroversicherungen
schon in naher Zukunft ein Thema werden könnten.
Eines der wichtigsten Argumente für einen Vertragsabschluss bildet das vom Kunden
empfundene Vertrauen gegenüber seinem Berater oder seinem Versicherer. Dieses Vertrauen ist naturgemäss beim persönlichen Kontakt am höchsten und basiert häufig auf
einer längerfristigen persönlichen Kundenbeziehung. Solche langjährigen Kunden neigen
auch eher dazu, alle ihre Versicherungsangelegenheiten bei einem Berater zu konzentrieren. Internetkunden hingegen haben ihre Versicherungen meist auf mehrere Anbieter verteilt und zeigen auch eine deutlich ausgeprägtere Wechselbereitschaft als Kunden eines
Ausschliesslichkeitsvertreters.
Es hat sich zwar gezeigt, dass der (neue) Zugangsweg über die neuen Medien immer wichtiger wurde und auch in Zukunft sein wird. Allerdings herrscht bei den Kunden zudem der
Wunsch nach Beratung für ihre persönliche Absicherung. So entsteht der Erstkontakt häufig in den neuen Medien, wo sich die Kunden über verschiedene Versicherungsangebote
informieren. Zum Vertragsabschluss wird der Zugangsweg häufig gewechselt und die
Police in einem persönlichen Gespräch ausgearbeitet und unterschrieben. In Exkurs 7.3
wird die zukünftige Entwicklung einzelner Kundenzugangswege aus der Sicht von Versicherungsmanagern dargestellt. Exkurs 7.4 vergleicht die Branchen- und die Kundensicht
bei der Frage nach den Kundenzugangswegen in der Versicherung.
215
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Exkurs 7.3
Der I.VW-Vertriebsmonitor (siehe dazu auch Exkurs 7.2) erhebt regelmässig, wie sich die verschiedenen Kundenzugangswege in den kommenden zwei Jahren nach Meinung der Branchenexperten
entwickeln werden. In Abbildung 7-21 sind die Ergebnisse aus Deutschland, Österreich und der
Schweiz aus dem Jahr 2010 zusammengefasst.
Prognostizierte Entwicklung der Kundenzugangswege in den nächsten zwei Jahren
[7-21]
Fragestellung: Wie wird sich in den kommenden 2 Jahren die Bedeutung einzelner
Kundenzugangswege verändern?
Einfirmenvertreter (Ausschliesslichkeitsvertrieb)
Eigene Geschäftsstellen / Büros
Makler / Unabhängige Finanzberater
Banken
Arbeitgeber (Worksite Marketing)
Vertriebsgesellschaften (AWD, …)
Telefon (Callcenter)
Schriftliche Mailings
Homepage der Versicherer
Internetversicherer (eigene Marken)
Internetportale /Vergleichsdienste
Annex-Vertrieb
Point of Sale / Stationärer Vertrieb
Anteil der Befragten
<<< am unwichtigsten
–60%
<<
–40%
<
–20%
>
0%
>>
20%
40%
60%
80%
>>> am wichtigsten
Quelle: Maas/Bodderas/Schlager 2010
Deutlich zu erkennen ist, dass sehr viele der Befragten die Versicherungsmakler und die Internetdienste im Aufwind sehen. Bei den Internetdiensten bleibt die Homepage des Versicherungsunternehmens nicht nur hinter den Vergleichsportalen, sondern auch hinter den reinen Direktversicherern zurück. Auf der anderen Seite sehen die Studienteilnehmer aber auch einen deutlichen Rückgang bei den angestellten Versicherungsvertretern, seien es Ausschliesslichkeitsagenten oder Mitarbeiter des Aussendienstes. Auch schriftliche Mailings haben eine negative Tendenz. Hingegen
gibt es bei den Callcentern eine uneinheitliche Einschätzung.
Wird der Fokus auf die Schweiz gelegt, gibt es teilweise deutliche Abweichungen. Zwar wird auch
hier das stärkste Wachstum im Internetbereich erwartet, allerdings werden die Internetportale
nicht so stark eingeschätzt wie in der Gesamtübersicht. Die Entwicklung der Makler wird zwar
auch sehr positiv eingeschätzt, allerdings deutlich geringer als im Gesamtdurchschnitt. Dem Bankensektor wird auch nur eine leicht positive Entwicklung bescheinigt. Dafür wird in der Schweiz
ein starker Anstieg des Annex-Vertriebes erwartet. Ebenso werden dem Verkauf von Versicherungen über den Arbeitgeber in der Schweiz bessere Aussichten eingeräumt als in Deutschland und
Österreich. Dem Ausschliesslichkeitsvertrieb, den Mitarbeitern im Aussendienst und der Möglichkeit des Vertriebs über schriftliche Mailings werden in den nächsten zwei Jahren wie in Deutschland eine negative Entwicklung prognostiziert. Hingegen wird in der Schweiz beim stationären Vertrieb, beim Callcenter und bei den Vertriebsgesellschaften – entgegen den Prognosen für Deutschland – eine (leicht) positive Entwicklung erwartet.
216
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Exkurs 7.4
In der Studie «Assekuranz 2015 – Eine Standortbestimmung» (I.VW-HSG/Accenture 2010) ergeben
sich bei der Betrachtung der Zugangswege interessante Unterschiede zwischen der Branchen- und
der Kundensicht. Gerade im Bereich der Nichtlebensversicherung ergeben sich deutliche Abweichungen bei der Einschätzung der verschiedenen Zugangswege (Abb. 7-22). So messen 85% der
Versicherungsmanager den Internetportalen und 75% den Internetseiten der Versicherer zunehmende Bedeutung zu. Auch alternative Kundenzugangswege, wie beispielsweise Autohändler,
werden von fast 70% der befragten Führungspersonen mit wachsendem Einfluss gesehen. Bei den
Agenturen bzw. dem angestellten Aussendienst sehen nur 12% der Befragten eine zunehmende
Bedeutung, hingegen stellen knapp 50% sinkenden Einfluss in Aussicht. Vergleicht man diese Einschätzung der Manager mit der Perspektive der Versicherungskunden, so zeigen sich gravierende
Unterschiede. Zwei Drittel der Kunden werden vermutlich beim Kauf der nächsten Sachversicherung auf die Unterstützung einer Agentur zurückgreifen. Auch die Verbände werden von den Kunden als bedeutender eingeordnet (55% Zustimmung) als die Internetseiten der Versicherungen
(50%) und Vergleichsportale im Internet (44%). Alternative Zugangswege wollen nur 25% der Versicherten beim nächsten Versicherungskauf berücksichtigen.
Kunden- vs. Branchensicht bei den Kundenzugangswegen
[7-22]
Frage:
Welchen der folgenden Vertriebskanäle würden Sie zur Auswahl /
zum Abschluss einer Sachversicherung nutzen? (Kundensicht)
Frage:
Welche Bedeutung haben einzelne Vertriebskanäle im Bereich
der Nichtleben-Versicherungen? (Branchensicht)
Angestellter Aussen10
dienst / Agentur
Internetportale (z. B.
Themenportale,
Vergleichsdienste)
Verbände/
Organisationen
25
12
Internetseite von
Versicherungen
38
33
18
Internetportale
31
43
21
Alternative
Vertriebskanäle
36
34
18
Makler / Broker /
unabhängiger
Finanzberater
43
32
22
Banken
26
23
23
44
20
40
2
45 10 1
69
0
13
25 10
52
Mobiler Vertrieb
14
32 7
43
Stationärer Vertrieb
12
60
25 5 1
80
Eher nicht
14
Eigene Internetseite
von Versicherungen
(Direktvertrieb)
4
Alternative Vertriebskanäle (z. B. Autohersteller, -händler)
1 6
Makler / Broker /
unabhängiger
Finanzberater
1
7
Affinity Groups /
Verbände
1
11
Mobiler Vertrieb
(z. B. über Handy)
2
4
Stationärer Vertrieb
(z. B. Postschalter,
Tankstellen)
4
Angestellter
Aussendienst /
Agentur
4
0
100
60
22
25
30
25
60
14
56
13
52
39
12
Banken
Anteil der Befragten in %
Auf keinen Fall
1
45 5
48
28
36
42
27
37
20
40
60
80
Anteil der Befragten in %
Vermutlich
Stark abnehmend
Unverändert
Sehr wahrscheinlich
Abnehmend
Zunehmend
3
25 1
47
47
11
22
1
11
1
100
Stark zunehmend
Quelle: I.VW-HSG/Accenture 2010
Ein ähnlich divergentes Bild zeigt sich im Bereich der Lebensversicherungen. Drei Viertel der Führungskräfte sehen die Gruppe der unabhängigen Versicherungs- und Finanzberater als wichtigsten
Zugangsweg bei Lebensversicherungen an. Danach folgen die beiden Möglichkeiten des Internetkaufs (Internetportale 63%; Internetseiten der Versicherer 52%). Die Bedeutung der Berater ist mit
29% höher als bei Nichtlebensversicherungen. Keine grosse Beachtung findet der mobile (16%)
und stationäre (10%) Vertrieb. Für zwei Drittel der Versicherungskunden spielt hingegen der angestellte Aussendienst beim Kauf einer Lebensversicherung eine Rolle. Auch der eigene Arbeitgeber
wird von knapp über 50% der Versicherten als Kundenzugangsweg beim Versicherungskauf gesehen. Der von den Führungskräften bevorzugte Makler wird nur von 40% als relevanter Zugangsweg beurteilt. Auch die eigenen Internetseiten der Versicherungsunternehmen (36%) und die Vertriebsportale (30%) sind für die Kunden weniger wichtig, als dies die Führungskräfte meinen. Hingegen sehen auch nur wenige der befragten Versicherungskunden im stationären (9%) und mobilen (5%) Vertrieb eine relevante Zugangsart.
217
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Die Diskrepanz in der Einschätzung der wichtigsten Kundenzugangswege in der Zukunft
macht deutlich, dass die Kundenperspektive bzw. die Funktionen, die das Unternehmen
für den Kunden erfüllen kann, noch nicht im Vordergrund stehen und hier dringender
Handlungsbedarf besteht. Trotz der steigenden Bedeutung des Internets und der neuen
Medien, gerade im «Nichtlebenbereich», bleibt der persönliche Kontakt der wichtigste
Kundenzugangsweg, im Gegensatz zu der Meinung der Führungskräfte aus der Versicherungsbranche. Der Wunsch der Kunden nach Beratung und Betreuung bleibt weiterhin
bestehen bzw. steigt in manchen Fällen. So kommt häufig, wie schon beschrieben, der
Erstkontakt über das Internet zustande, bei dem sich der Kunde schon einmal informiert,
die Versicherung wird aber nach einer persönlichen Beratung beim Versicherungsagenten
abgeschlossen. Dabei spielt auch die Unsicherheit der Kunden im Internet eine Rolle. Deswegen haben Marken eine hohe Bedeutung bei der Informationssuche und vor allem beim
Kauf von Versicherungen im Internet.
Bei der Betrachtung des demografischen Wandels ist es interessant zu wissen, dass der
Versicherte mit zunehmendem Alter tendenziell «beratungsorientierter» wird. Die junge
Generation ist nicht nur offener gegenüber den neuen Medien, sie erwartet auch diese
Möglichkeit des Kundenzugangs bei Versicherungen. Zwar können sich vor allem die jungen Leute vorstellen, mit dem Versicherer ausschliesslich über die elektronische Plattform
in Kontakt zu treten, allerdings schätzt eine Mehrheit noch immer den persönlichen Kontakt zu einem Versicherungsberater. So ist der Nutzer der neuen Medien zwar tendenziell
jünger, aber er lässt sich nicht genau nach demografischen Merkmalen unterscheiden
(siehe auch Kap. 7.3.4). Vielmehr spielen seine Werte, Fähigkeiten und Bedürfnisse eine
Rolle. So entsteht ein Konsument 2.0 bzw. ein Versicherungskunde 2.0, der über die entsprechenden Techniken verfügt, sich in der digitalen, «smarten» Welt mit entsprechenden
Informationen zu versorgen und eigene Erfahrungen und Ansichten zu kommunizieren.
Ausserdem gewöhnt er sich schnell an technische Innovationen oder neue Phänomene,
wie beispielsweise Social Media oder Apps. Diese Kunden sind, nicht nur wegen ihrer
Technikaffinität, selbstständiger, informierter und anspruchsvoller gegenüber den Versicherungsunternehmen als andere Kundengruppen.
Aufgaben
8
Welche Kundenzugangswege bieten Ihre Versicherungsgesellschaften an?
9
Wie kann es ein Versicherungsunternehmen schaffen, über alle Zugangswege ein einheitliches Auftreten zu gewährleisten und eine einheitliche Qualität zu erbringen?
7.3.3
Kundenbeziehungen
Der Erfolg von Unternehmen, die persönliche Dienstleistungen anbieten, hängt zumeist von
der Beziehung zwischen Kunden und Mitarbeiter ab. Dies gilt auch für die Versicherungsbranche. Die Beziehung eines Kunden zu seiner Versicherung lässt sich anschaulich im sogenannten Dienstleistungsdreieck (siehe Abb. 7-23) zeigen. Dabei tragen drei unterschiedliche
Beziehungen zur Entstehung von Wert für die beteiligten Partner bei. So unterhält der Kunde
eine Vertragsbeziehung zu seiner Versicherung, pflegt aber möglicherweise den persönlichen Kontakt zu seinem Berater. Gleichzeitig besteht eine Beziehung zwischen dem Mitarbeiter und seinem Arbeitgeber. Alle drei Beziehungen stehen zudem in einem Interdependenzverhältnis: So muss das im Rahmen der Markenkommunikation des Unternehmens
218
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
gegebene Wertversprechen auch im persönlichen Kontakt mit dem Mitarbeiter eingelöst
und erlebbar gemacht werden. Treten hier Diskrepanzen auf, schwindet die Glaubwürdigkeit
des Anbieters. Empirische Studien haben immer wieder gezeigt, dass die Kundenzufriedenheit sehr eng mit der Mitarbeiterzufriedenheit zusammenhängt. Das bedeutet, dass Customer Value auf Dauer nur entstehen kann, wenn die Mitarbeiter im Kundenkontakt sich mit
dem Unternehmen identifizieren können und positiv verbunden fühlen. Umgekehrt wird ein
illoyaler Mitarbeiter keine dauerhafte Kundenbeziehung aufbauen können.
[7-23]
Dienstleistungsdreieck in der Versicherung
Kunde
Mitarbeiter
Versicherung
Quelle: In Anlehnung an Irons 1994
Wie bereits in Abschnitt 7.3.2 D beschrieben, ist der persönliche Kontakt für die Mehrheit
der Versicherungskunden weiterhin wichtig. Deswegen wird in der weiteren Diskussion
vor allem auf diese Art der Kundenbeziehung eingegangen, auch gerade weil bei ähnlichem Kernprodukt über die Ebene zwei und drei des Drei-Ebenen-Konzepts die Dienstleistungen den entscheidenden Unterschied in der subjektiven Betrachtung des Kunden ausmachen können. So kann es sein, dass der Berater wichtiger bzw. bedeutender für den
Kunden wird, als die dahinter stehende Versicherungsgesellschaft bzw. deren Marke. Vielfach ist das Verhältnis zum Berater positiver und stabiler als die Beziehung zur Versicherungsgesellschaft. Dies äussert sich beispielsweise dann, wenn der Berater die Agentur
bzw. die Versicherungsgesellschaft wechselt und den Kunden «mitnimmt».
Diese persönliche Beziehung wird oft überlagert von einem negativen Branchenbild: Versicherungen werden häufig als Commodities wahrgenommen, d. h. austauschbare Standardprodukte, die sich nicht wesentlich unterscheiden. Das schlechte Image der Versicherungsbranche ist darauf zurückzuführen, dass sich viele Kunden nicht für das Thema interessieren oder es schlichtweg nicht verstehen. So entsteht das Gefühl, für etwas zu bezahlen, das – sofern kein Schaden eintritt – keinen sichtbaren Nutzen stiftet. Tritt der Schaden
ein, ist dies naturgemäss mit einem negativen Erlebnis (Unfall, Verlust, Zerstörung etc.)
verbunden. Umso wichtiger ist in diesem Moment der Wahrheit, wie der Versicherer den
Kunden behandelt, mit ihm kommuniziert und auf seine (nicht nur finanziellen) Bedürfnisse
eingeht. Die Schadenabwicklung ist in diesem Zusammenhang nur ein Thema; entscheidend ist in einem solchen Moment häufig, wie die Versicherung die emotionale Betroffenheit und das Bedürfnis nach Hilfe aufgreift und entsprechend reagiert. Solche Erlebnisse
prägen die Beziehung zwischen Versicherer und Kunde sehr viel stärker als der rein finanzielle Schadenausgleich. Für den Versicherer bietet sich also hier die grosse Chance, denn
neben der Beratung und dem Vertragsabschluss ist es eine der wenigen bzw. teilweise die
einzige Situation, wo es zu einem (persönlichen) Kundenkontakt kommt.
Wie bereits erwähnt, bildet auch der Vertragsabschluss (mit gleichzeitiger Beratung) einen
Kundenkontaktpunkt. Dieser oft erste Kontakt bildet die Grundlage für die Kundenbeziehung, bei dem auch darüber nachgedacht werden muss, was für eine Art der Beziehung
sich der Kunde «wünscht». Ist eine passive Beziehung sinnvoll, in der sich der Kunde bei
Fragen oder Schadenfällen an das Unternehmen wenden muss? Oder ist ihm eine aktive
Beziehung lieber, in der der Versicherer im Rahmen des Kundenlebenszyklus[39] regelmässig mit dem Kunden in Kontakt tritt? Die Antwort auf diese Fragen zeigt sich auf der Bezie-
219
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
hungsebene zwischen dem Berater und dem Kunden. Das Ziel muss sein, dem Kunden die
(lang andauernde) aktive Beziehung «nahezulegen».
Weitere Bedürfnisse sind beispielsweise eine höhere Erreichbarkeit. Das heisst, der Kunde
möchte rund um die Uhr einen Ansprechpartner oder zumindest die Möglichkeit haben, sich
mit der Hotline in Verbindung setzen zu können. Dies geht teilweise sogar so weit, dass die
Berater ihre private Mobilfunknummer an die «besseren» Kunden für Notfälle weitergeben.
Ausserdem wurde in mehreren Gesprächen mit Versicherungsberatern deutlich, dass der
Berater nicht nur bei versicherungsspezifischen Fragen angesprochen, sondern auch in
anderen Lebenslagen um Hilfe gefragt wird. Tritt der Kunde mit dem Versicherungsunternehmen in Kontakt, will er möglichst schnell eine Rückmeldung bzw. Antwort auf seine
Frage haben, unabhängig vom Zugangsweg. Über die neuen Medien sollte deshalb innerhalb weniger Stunden geantwortet werden, der Berater sollte sich wenigstens noch am selben Tag wieder (telefonisch) beim Kunden melden. Einige wenige Versicherungskunden
wünschen sich zudem einen Berater, der ein ähnliches Alter und Bildungsniveau aufweist.
Kundenloyalität
Auf der Beziehungsebene muss eine vertrauensvolle Partnerschaft zwischen dem Kunden
und dem Berater geschlossen werden, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und Kundenloyalität zu erreichen. Dabei setzt sich die Kundenloyalität aus verschiedenen «Bausteinen» bzw. Wirkungen über den gesamten Kundenlebenszyklus zusammen (Catellani/Hafner/Käslin 2004). So bildet sich die Kundenzufriedenheit aus einer kognitiven Wirkung heraus, indem der Kunde die Qualität der Dienstleistung rational beurteilt. Vor allem beim persönlichen Kontakt ist die emotionale Wirkung wichtig, denn sie entscheidet über die Beziehungsqualität, die sich im Laufe der Kundenbeziehung aufgebaut hat. Emotionale Nähe ist
das Ergebnis einer hohen Beziehungsqualität und bewirkt idealerweise eine erhöhte Kundenbindung bzw. sogar Begeisterung. Mit der konativen Wirkung zeigt der Kunde, welche
Bedeutung das Thema Versicherung für ihn hat, und drückt sein Involvement aus. Als
Kombination aus Kundenzufriedenheit, emotionaler Nähe und dem Involvement des Kunden entlang des Kundenlebenszyklus entsteht Kundenloyalität.
Diese zeigt nicht nur an, ob der Kunde (kurzzeitig) zufrieden ist, sondern inwieweit es dem
Versicherungsunternehmen gelungen ist, eine echte Beziehung mit dem Kunden aufzubauen, aufrechtzuerhalten und zu vertiefen. Um die Marktpotenziale ausschöpfen zu können, muss eine genaue Analyse der Loyalität durchgeführt werden. Somit wird die Kundenloyalität zu einer zentralen Grösse bei der Steuerung des Marketings und bildet die
Grundlage für langfristige Kundenbeziehungen (Catellani/Hafner/Käslin 2004): Meist wird
ein Kunde für einen Versicherer erst nach einer Zeit von mehreren Jahren rentabel. Die
treuen Kunden sind weniger preissensitiv, sind eher bereit, Preiserhöhungen mitzutragen
und schliessen mehr Verträge ab. Ausserdem sinkt die Schadenquote im Laufe der Beziehung und die Akquisitionskosten gehen zurück, da der Kunde direkt angesprochen werden
kann. Dies ist deshalb interessant, weil eine Neuakquisition fünf- bis siebenmal so teuer ist
wie die Pflege bestehender Kunden. Und ein langjähriger zufriedener Kunde kauft nicht nur
mehr Versicherungen bzw. Versicherungen mit höheren Deckungsbeiträgen, sondern
nimmt auch weniger Zeit in Anspruch und empfiehlt den Berater weiter. Dies ist ganz entscheidend für das Cross-Selling-Potenzial des Kunden. Neukunden, die durch eine Emp-
[39]
Ein Instrument im Kundenbindungsmanagement, das die gesamte Kundenbeziehung vom Erstkontakt bis zur Beendigung der Beziehung in verschiedene Phasen unterteilt, in welchen jeweils speziell darauf gemünzte Massnahmen entwickelt wurden. Eine Erweiterung dieses Ansatzes nimmt den Lebensverlauf des Kunden als Grundlage, um ihn bei verschiedenen besonderen Ereignissen in seinem Leben anzusprechen, beispielsweise Beendigung der Lehre oder des Studiums, Heirat, erstes Kind, Renteneintritt etc., um gezielt spezielle Produkte an den Kunden verkaufen zu können.
220
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
fehlung auf den Berater aufmerksam wurden, sind treuer, weniger preissensitiv, haben
geringere Schadenbelastungen und sind bereit, mehrere Verträge abzuschliessen, als Neukunden, die über andere Zugangswege den Weg zu dem Berater oder Unternehmen
gefunden haben.
Obwohl eine gute Kundenbeziehung die Grundlage bilden sollte, haben nicht alle Personen
regelmässigen persönlichen Kontakt zu ihrem Berater. So kann es sein, dass ein Versicherungsnehmer nach dem Vertragsabschluss erst nach Jahren beim Schadenfall wieder mit
dem Berater in Kontakt tritt. Noch seltenere Kontakte gibt es bei Lebensversicherungen,
weil diese, einmal bei einer Gesellschaft abgeschlossen, dort bis zum Auszahlungstermin
«liegen» bleiben. Die Folge ist, dass die Kundenloyalität und auch der share of wallet sinkt.
Exkurs 7.5 zeigt die Ergebnisse einer Studie zur Kundenloyalität im Versicherungsbereich,
die die Wichtigkeit des persönlichen Kontakts und der emotionalen Verbundenheit mit
dem Versicherer unterstreicht (vgl. auch Catellani/Hafner/Käslin 2004).
Exkurs 7.5
In einer breiten empirischen Studie wurde die Kundenloyalität in der Schweizer Versicherungsindustrie untersucht (Catellani/Hafner/Käslin 2004) und über 1500 Versicherungskunden befragt.
Mit der Dauer der Kundenbeziehung findet sich ein erster Indikator dafür, wie es um die Loyalität
von Versicherungskunden bestellt ist. Über die Hälfte der befragten Personen ist bereits seit über
15 Jahren bei derselben Versicherungsgesellschaft. Mehr als ein Viertel der Versicherungskunden
ist sogar seit über 25 Jahren ihrem Versicherer «treu» geblieben. Durchschnittlich hält eine Versicherungsbeziehung in der Schweiz zwölf Jahre. Die Gründe für diese lang anhaltenden Versicherungsbeziehungen liegen an der im Verlauf ansteigenden Zufriedenheit und emotionalen Nähe.
Dadurch ist erkennbar, dass eine hohe Servicequalität in der Schweiz auch die Loyalität der Versicherungskunden begünstigt. Hingegen nimmt das Engagement der Kunden in den ersten Jahren
der Beziehung ab. Somit sind die ersten fünf Jahre einer Versicherungsbeziehung am kritischsten
(in dieser Zeit ist die Chance am grössten, von einer Trennung betroffen zu sein), da einerseits noch
keine starke emotionale Nähe vorherrscht und andererseits der Kunde noch aktiv nach Alternativen
bei anderen Gesellschaften sucht. Ausserdem wurde bestätigt, dass eine hohe bzw. häufigere Kontaktaufnahme die emotionale Nähe und das Engagement der Versicherungskunden beeinflusst,
wodurch die Kundenloyalität ansteigt.
Die Kontakthäufigkeit der Schweizer zu ihren Versicherungsberatern war im Jahr 2003 höher als
erwartet. So hatte fast die Hälfte der befragten Personen innerhalb des Vorjahres persönlichen
bzw. zumindest telefonischen Kontakt zu ihrem Versicherungsberater. Nur bei ungefähr 11 Prozent
sind mehr als fünf Jahre vergangen, seitdem sie mit ihrem Berater gesprochen haben.
Bei der Befragung der Kundenbedürfnisse im Bereich der Interaktion mit dem Berater wurde aber
deutlich, dass die Erwartungen der Versicherungskunden im Durchschnitt bei über 80 Punkten liegen (auf einer Indexskala von 0 bis 100). Gerade bei der Kontakthäufigkeit, die durchschnittlich bei
ungefähr 82 Punkten liegt, gibt es aber auch deutliche Ausreisser nach unten, sodass eine Gesellschaft nur weniger als 70 Punkte der Kundenerwartungen in diesem Bereich «erfüllt». Gerade auf
dem Gebiet der Menschlichkeit, der Freundlichkeit und dem Fachwissen der Berater werden die
Erwartungen der Versicherungskunden deutlich erfüllt. Der Kunde ist auch damit zufrieden, wie
der Berater auf seine Wünsche und Bedürfnisse eingeht.
Auf der kognitiven Ebene wächst auch die Zufriedenheit im Laufe der Kundenbeziehung an. So
sind nur 73 Prozent mit ihrer Versicherung zufrieden, die jünger als fünf Jahre ist. Die Zufriedenheit
liegt bei den Personen, die schon über 30 Jahre bei demselben Versicherungsunternehmen sind,
bei 88 Prozent.
Hingegen wird die emotionale Ebene deutlich kritischer gesehen. Zwar wird mit fast 80 Prozent
das Vertrauen in die Versicherung bestätigt, allerdings fühlen sich nur stark 60 Prozent der befragten Personen mit ihrem Versicherungsunternehmen emotional verbunden.
Auf der konativen Ebene wird auf das Wechsel- und Informationsverhalten eingegangen. Dabei
wurde ersichtlich, dass sich die Versicherungskunden nur bedingt bereit zeigen, sich aktiv mit Versicherungsfragen auseinanderzusetzen. Über 40 Prozent fühlen sich mit diesem Thema überfordert. Aber auf dieser Ebene kommt wieder die wichtige Bedeutung des Beraters zur Geltung: So
sind über 80 Prozent der Ansicht, dass vor allem eine gute Beziehung zum Berater wichtig ist.
Über die Kundenloyalität lässt sich erst durch die Kombination verschiedener Ebenen etwas aussagen. Mit der Verbindung von den beiden Dimensionen «Zufriedenheit» und «emotionale Bindung» zeigt sich, dass eine hohe Kundenzufriedenheit nicht auch gleichzeitig eine hohe emotionale
Bindung bedeuten muss. So sind nur 44 Prozent der Befragten mit ihrem Versicherungsunternehmen zufrieden und haben gleichzeitig auch eine hohe Bindung zum Unternehmen (Abb. 7-24). Hin-
221
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
gegen äussern 32 Prozent eine hohe Zufriedenheit mit dem Versicherer, empfinden aber keine
emotionale Nähe zum Unternehmen.
[7-24]
Emotionale Bindung und Kundenzufriedenheit
emotionale Bindung
hoch
2%
44%
22%
32%
niedrig
niedrig
hoch
Kundenzufriedenheit
Quelle: in Anlehnung an Catellani/Hafner/Käslin 2004
Mit durchschnittlich fast 70 Indexpunkten ergibt sich eine hohe Kundenloyalität in der schweizerischen Versicherungsbranche, die allerdings (teilweise deutlich) zwischen den einzelnen Gesellschaften variieren. Diese äussert sich in den relativ langen Kundenbeziehungen. Durch eine «Erhöhung» der emotionalen Ebene könnte dieser Wert noch verbessert werden.
Fasst man die einzelnen Kunden in verschiedene Gruppen zusammen, die anhand ihrer Loyalität
eingeteilt werden, ergeben sich folgende Erkenntnisse. Ungefähr jede sechste Beziehung ist
gefährdet, vom Versicherungskunden gekündigt zu werden. Dabei ist zu beachten, dass dort der
Anbieter eine entscheidende Rolle spielt: So ist bei einem Unternehmen fast ein Drittel aller Kundenbeziehungen gefährdet, bei anderen sind es nur 4 Prozent. Über 30 Prozent sind zwar zufrieden, spüren aber keine emotionale Nähe zum Unternehmen. Hingegen haben über 40 Prozent eine
emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen aufgebaut. Gerade Frauen, ältere Personen, Personen
mit geringem Einkommen und niedriger Schulbildung sind loyaler gegenüber ihrer Versicherungsgesellschaft eingestellt.
Deshalb müssen die Versicherungsunternehmen aktiv in ihr Beziehungsmanagement eingreifen. Der persönliche Kontakt ist für die Betreuungsqualität und das Vertrauen wichtig.
Grundlage dafür bildet eine gute Beratung. Deshalb kommt hierbei dem Thema «Kompetenz» aus dem 7-K-Modell grosse Bedeutung zu, in dem die Versicherungsunternehmen
die richtigen Leute einstellen müssen. Ausserdem wird durch transparente und vergleichbare Produkte das Vertrauen zusätzlich gefördert (Konfiguration; Kommerzialisierung).
Gerade das Vertrauen in den Berater ist wichtig, da einige Personen die Entscheidungen
bei Versicherungen ihrem Berater überlassen. Ein stabiler Preis und eine reibungslose
Schadenabwicklung fördern die Treue. Mit verschiedenen CRM-Methoden kann die
Gesellschaft ihre Berater unterstützen, dass sie ihre Beziehung zu den Kunden wieder
intensivieren können, damit die Kundenloyalität wieder steigt. So können für die Kunden
produktseitig individualisierte Leistungen angeboten werden, die beziehungsseitig zu
bestimmten Zeitpunkten im Kundenlebenszyklus den Versicherten angeboten werden.
Erhöhung der Beziehungsintensität und des Kundenkontakts
Um den Share of Wallet zu erhöhen, könnte der Versicherer Vergünstigungen bzw. Rabatte
geben, wenn mehrere Versicherungen bei der gleichen Gesellschaft abgeschlossen werden. Allerdings führt dies nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Kundenbeziehung,
denn dadurch entstehen keine weiteren Kontakte. So muss der Berater in die Offensive tre-
222
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
ten und kann dabei mit Ideen bzw. monetär über «Werbegeschenke» vom Hauptsitz unterstützt werden. So kann man sich vorstellen, dass man zum neuen Jahr einen Kalender an
die Kunden verschickt oder eine Postkarte versendet, auf der dem Kunden zum Geburtstag
gratuliert wird. Gerade bei Geburtstagen könnte telefonischer Kontakt mit dem Kunden
aufgenommen werden, um auch gleich über die Zufriedenheit mit dem Versicherer zu
reden. Gute bzw. lukrative Kunden könnten an besonderen Ereignissen, wie beispielsweise
einem runden Geburtstag, Heirat oder Geburt eines Kindes mit einem kleinen Geschenk,
wie beispielsweise einer Flasche Wein oder einer Schachtel Pralinen, überrascht werden,
sofern die Informationen darüber vorhanden sind. Ausserdem könnten solche Ideen mehr
mit Versicherungen verbunden werden. So könnte der Kunde eine Kleinigkeit dafür erhalten, dass er zehn Jahre bei der Versicherung ist, oder fünf Jahre lang keinen Schaden
gemeldet hat.
Zusätzlich kann der Berater den Kunden zu sich einladen (oder ihn sogar besuchen, falls
dieser das wünscht), um in regelmässigen Abständen (zwei bis fünf Jahre), je nachdem
welche Versicherungen der Kunde abgeschlossen hat, dem Kunden seine Versicherungen
aufzuzeigen und eventuell Alternativen oder Ergänzungen zu präsentieren.
Auch die Versicherungsgesellschaften können versuchen, die Beziehung zwischen den
Kunden und den Beratern zu verbessern. So wäre es möglich, dass das Prämiensystem
verändert wird, sodass nicht (nur) die Anzahl an neu abgeschlossenen Versicherungen als
Grundlage verwendet wird. Als Alternative könnte es Provisionen für jeden betreuten Kunden geben. Auch können die Kunden nach ihrer Zufriedenheit mit dem Berater befragt werden, wodurch dessen Provision je nach Zufriedenheit festgelegt wird. Bei (häufigen)
Beschwerden über einen Berater kann man sich auch Provisionskürzungen vorstellen.
Aufgaben
10
Wie kann der Berater den Share of Wallet noch erhöhen? Wie kann die Versicherungsgesellschaft dabei helfen?
11
Wie könnten Berater alternativ bezahlt werden? Was halten Sie dabei für ein faires System?
12
Welche Bedürfnisse könnte der Versicherungskunde noch hegen? Welche können in
Zukunft noch hinzukommen?
7.3.4
Konsequenzen für die Versicherungsunternehmen
Durch die Veränderungen und Trends in Wirtschaft und Gesellschaft ist auch die Versicherungsbranche betroffen. Dadurch entstehen für die Versicherungsunternehmen zugleich
Chancen und Gefahren auf verschiedenen Gebieten.
Veränderungen auf der Produktseite
Bei den wenigen Produktinnovationen sollte von Versicherungsseite darauf geachtet werden, Customer Value zu generieren. Auch Rabattmöglichkeiten für Kunden werden bei der
Produktplanung mit einbezogen. So ergeben sich Pay-as-you-drive/live-Produkte, Versicherungen mit crash box oder Helppoints usw. Dies hat auch Auswirkungen auf benötigte
Daten und die Segmentierung. Ausserdem ist die Tendenz sichtbar, dass Produkte kun-
223
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
denspezifisch gebündelt werden. Das hat vor allem im Nichtlebenbereich, abgesehen von
der MFZ-Sparte, grosses Wachstumspotenzial. Ausserdem kann sich der Kunde alsbald
mit einer All-in-one-Versicherung absichern. Das bedeutet, er schliesst nur eine Versicherung ab und ist damit gegen alle Risiken versichert. Für Unternehmen bietet diese Art der
Versicherung gleichzeitig Chancen und Gefahren. Einerseits kann so der Kunde völlig von
einer Versicherung «ausgeschöpft» werden, allerdings besteht die Gefahr, dass der Kunde
die Versicherung wechselt und somit das volle Prämienvolumen verschwindet.
Im Allgemeinen sollten neben monetären Leistungen auch Leistungen realer Natur angeboten werden. Dabei ist beispielsweise an die Beschaffung eines Pflegeplatzes im Altenheim oder an die Organisation der Reparatur des verunfallten Kundenfahrzeugs mit Ersatzwagen zu denken. Der erfolgsentscheidende Punkt im Markt liegt in der Verfeinerung und
der Verbesserung der Risikoselektion. Damit ist nicht nur an die angesprochenen Produktinnovationen zu denken, sondern auch an die Möglichkeit der Übernahme von «schlechten
Risiken».
Aus Kundensicht müssen sich die Versicherer an der Schadenvermeidung beteiligen und
würden somit einen Wandel von einem Schadenabwickler zu einem Schadenvermeider
vollziehen. Dadurch würden Kooperationen mit Drittfirmen möglich, beispielsweise mit
einer Sicherheitsfirma für die Überwachung von Häusern der Versicherungskunden. Allerdings wollen die Kunden weniger Informationen darüber haben, wie sie selbst Schäden
vermeiden können. Sie möchten eine Prämienreduktion für ihr «Präventionsverhalten»
haben.
Segmentierung und technischer Wandel
Auch die Versicherer müssen auf die Verschiebungen aufgrund des demografischen Wandels reagieren und ihre Produkte entsprechend anpassen. Deshalb wurden beispielsweise
dynamische Lösungen für die Krankenversicherung und Altersvorsorge entwickelt. Gleichzeitig müssen sich die Versicherungsunternehmen vor Augen führen, dass sich zukünftig
weniger Personen eine umfassende Altersvorsorge leisten können. Nichtsdestotrotz bleiben Senioren aufgrund des durchschnittlich höheren Vermögens ein Wachstumssegment.
Es wird ersichtlich, dass für unternehmerisches Wachstum nicht nur einwandfreie Produkte und ein erstklassiger Service nötig sind; vielmehr müssen die Produkte auch passgenau für die richtigen Zielgruppen konzipiert sein. Multioptionale Lebensstile haben
soziodemografische Segmentierungsansätze weitgehend obsolet werden lassen, da die
Merkmale Alter, Geschlecht, Einkommen etc. kaum noch Unterschiede im tatsächlichen
Kaufverhalten erklären können. An Bedeutung gewonnen haben Segmentierungsansätze,
die sich auf Einstellungen, Wertvorstellungen und konkretes Verhalten stützen. Solche lifestyleorientierten Segmentierungen werden besser der (z. T. auch widersprüchlichen) Komplexität gerecht, die in modernem Kundenverhalten zum Ausdruck kommt. In Abbildung
7-25 ist eine solche Kundentypologie beispielhaft dargestellt, die auf der Basis von Einstellungen, Werterwartungen und Verhaltensabsichten von Versicherungskunden empirisch
ermittelt wurde (Maas/Graf/Bieck 2008). Sie zeigt die jeweiligen prozentualen Anteile der
Typen im Durchschnitt der untersuchten sechs europäischen Länder, die Leitmotive, die
Werttreiber aus Kundensicht sowie die daraus resultierenden Erfolgsfaktoren für Versicherungsunternehmen. Es wird auch klar, dass sich die einzelnen Kundentypen trennscharf
unterscheiden lassen und jeweils spezifische Wertmuster aufweisen. Zudem lässt sich die
obige Aussage belegen: Die einzelnen Kundentypen unterscheiden sich nicht hinsichtlich
Einkommens- oder Altersverteilung, wohl aber hinsichtlich ihres kulturellen Hintergrunds
(Länderzugehörigkeit).
224
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
[7-25]
Empirisch basierte Segmentierung von Versicherungskunden entlang von
Einstellungen, Wertvorstellungen und Verhaltensabsichten
Typ
Unterstützungssuchende Individualisten
Produktoptimierer
Desinteressierte
Minimalisten
Preisempfindliche Analysierer
Beziehungsorientierte Traditionalisten
Anteil
20.3%
26.7%
8.2%
17.6%
27.1%
Leitmotiv
«Ich möchte kompetente Beratung
für meine persönlichen Bedürfnisse»
«Ich möchte ein
gutes Produkt»
«Ich möchte in
Ruhe gelassen
werden»
«Ich möchte ein
gutes Geschäft
machen»
«Ich möchte
jemanden, dem ich
vertrauen kann»
Was brauchen sie
von
Versicherungen
und was
suchen
sie?
•
•
•
•
•
•
•
Erfolgsfaktoren
stützen sich
auf externe
Expertise, um
herauszufinden, was sie
brauchen
vertrauen Personen, nicht
der Branche
wollen klare,
unkomplizierte, personalisierte Produkte und Dienstleistungen
und sind bereit, sich dafür
umzuschauen
Vertrauen
Transparenz
•
•
haben spezielle Bedürfnisse, die sie befriedigt wissen
wollen
sind bereit, für
Bequemlichkeit und Qualität sowohl höhere Preise zu
zahlen als
auch Privatsphäre aufzugeben
suchen einen
starken Namen hinter
dem Produkt
Vertrauen
Technologie
•
wollen so wenig Kontakt
wie möglich
brauchen Versicherungen,
die billig,
schnell und
transparent ist
•
•
•
wissen, was
sie brauchen
suchen Information, nicht
Beratung
«shoppen»
nach dem Produkt mit dem
höchsten Nutzen für ihr
Geld
akzeptieren
auch standardisierte Produkte
•
•
•
Transparenz
Technologie
Transparenz
Technologie
stützen sich
auf externe
Expertise, um
herauszufinden, was sie
brauchen
wollen transparente und
unkomplizierte Dienstleistungen
wollen gut abgesichert sein,
am liebsten
aus einer
Quelle
schätzen den
Solidaritätsgedanken
Vertrauen
Transparenz
Quelle: Maas, Graf, Bieck 2008
Auf der Basis dieser neuartigen Segmentierungsmodelle ergeben sich Möglichkeiten, aussagekräftige Zusammenhänge mit dem Risikoprofil eines Kunden herzustellen und den
Kundenwert zu berechnen. Dieser Prozess befindet sich in den Unternehmen aber erst im
Anfangsstudium. Es wird noch einige Zeit brauchen, bis diese Customer Insights adäquat
genutzt werden können. Auch dies ist ein Argument zum Verlassen der alten Strukturen
und zur Anwendung des 7-K-Modells.
Notwendige Voraussetzung für die Anwendung solcher Segmentierungsmodelle, aber
auch für die beschriebenen Marktleistungen, wie die verhaltensorientierten Tarifierungsmodelle (z. B. pay as you live), ist die differenzierte Erhebung entsprechender Daten. Dabei
ist nicht nur an technische, sondern auch rechtliche Hindernisse (z. B. Datenschutz) zu denken. Die Fähigkeiten, solche Daten(mengen) zu analysieren, daraus sinnvolle und aussagekräftige Informationen zu generieren, entsprechende Produkte zu entwickeln und diese
möglichst zeitnah an den Markt zu bringen, sind in der Versicherungsbranche noch nicht
sehr verbreitet. Letztendlich muss auch der Kunde bereit sein, seine Daten der Versicherung zu überlassen. Dazu ist zurzeit vor allem die junge Generation im Austausch mit einer
Prämienreduktion bereit.
Der Marktanteil der führenden Versicherungsgesellschaften wird sich weiter erhöhen.
Markteintritte und Übernahmen wird es allerdings in Europa eher durch andere im EURaum etablierten Unternehmen geben. Zunehmend gibt es Chancen für Nischenanbieter,
die sich auf einzelne Kundensegmente konzentrieren bzw. sich in einzelnen Teilmärkten
225
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
positionieren und keine Produkte (mehr) für den gesamten Markt anbieten. Dadurch ist
auch im Sinne des Customer Value die Erstellung einer individuelleren Marktleistung für
den Kunden möglich. Ausserdem ergibt sich durch die Verwendung von Kundendaten bei
der Segmentierung die Möglichkeit, Cross-Selling-Potenziale auszuschöpfen und dem
Kunden nicht nur das richtige Produkt zur Verfügung zu stellen, sondern dieses auch dem
richtigen Kunden, zum richtigen Zeitpunkt und über den richtigen Kundenzugangsweg
anzubieten. Es finden sich mittlerweile in anderen Bereichen, wie beispielsweise im Immobiliensektor, sogenannte Prozessportale, mit denen die Sicht der Kunden integriert werden
kann.
Der Multi-Channel-Ansatz wird immer mehr zum Standard, nicht zuletzt durch eine Verflechtung von On- und Offline-Zugängen. Neue Medien gewinnen im Bereich des Vertriebs
weiter an Boden gegenüber dem Aussendienst, wobei dieser immer noch den wichtigsten
Kundenzugangsweg darstellt. Häufig werden die neuen Medien als Ergänzung zum Berater verwendet. Durch diese Veränderung bei den Zugängen wandeln sich auch die Marketingauftritte. Sie werden immer interaktiver und vernetzter, auch gerade mit Blick auf die
zunehmende Verbreitung von Smartphones mit der Möglichkeit der Nutzung von Apps.
Vor allem die Konsumartikelhersteller und im Speziellen die Sportartikelhersteller sind
schon sehr weit auf diesem Weg. So führt mittlerweile Adidas das Gros der Kommunikation über digitale Medien, im Speziellen Social Media, wie beispielsweise Facebook und
Twitter, und Videoplattformen, wie beispielsweise Youtube.
Kostenwettbewerb
Das ist in der Versicherungsbranche deswegen beunruhigend, da die (meisten) Versicherungsunternehmen unter Kostendruck stehen. Ausserdem leiden viele neben steigenden
Kosten auch unter Profitabilitätsdruck. Deshalb sind stabile Gewinnbeiträge aus dem risikobasierten Geschäft für die Versicherer so wichtig. Allerdings ist das praktizierte Kostenmanagement aus strategischer Sicht nur eine kurzfristige bzw. eine Übergangsphase. Längerfristig gedacht, muss das ganze Unternehmen umgebaut werden. Dies umfasst die
Anpassung der Backstageprozesse und des Vertriebs und zielt gleichzeitig auf eine bessere
Erfüllung von Kundenwünschen und eine Verschlankung der Organisation. Um den Kunden in den Mittelpunkt stellen zu können, muss die Produkt- und Spartenorganisation
überdacht und daraufhin die Organisationsstruktur entsprechend angepasst werden. Vor
allem aus Kostengründen müssen interne Prozesse standardisiert und automatisiert werden. Dabei wird der Fehler-, Kosten- und Zeitfaktor «Mensch» ersetzt, weil man Teilfunktionen des Produktionsprozesses an Maschinen übertragen kann, die diese selbstständig
ausführen. Bei der Integration des Kunden bildet das ausführliche Beschwerdemanagement eine gute Einstiegsmöglichkeit, um mehr über den Kunden und seine Bedürfnisse zu
erfahren und entsprechende Funktionen zu entwickeln. Dabei müssen die gefundenen
Ergebnisse regelmässig auf ihre Anwendung und Aktualität hin untersucht werden (Kontrolle im 7-K-Modell).
Eine weitere Möglichkeit zur Senkung der Kosten bietet die Prozessoptimierung mittels der
Industrialisierung der Wertschöpfung. Unter dem Begriff der Industrialisierung sind mehrere Aspekte zu verstehen: So werden bei der Konsolidierung verschiedener Prozesselemente ähnliche Aktivitäten gebündelt. Mit der Wertschöpfung werden einzelne Prozesse
beschrieben, mit denen das Unternehmen Mehrwert schafft. Wird eine komplette Wertschöpfungskette abgebildet, sind damit die einzelnen Prozesse gemeint, die zur Herstellung des Produkts benötigt werden. Zur besseren Umsetzung wird zusätzlich ein standardisierter Prozess entwickelt, der von allen Wertschöpfungseinheiten einzuhalten ist, egal
wer oder wo der Prozess ausgeführt wird. Beim Sourcing konzentriert sich das Unternehmen auf die eigenen Kernkompetenzen und lagert die anderen Prozesse aus. Die Auslage-
226
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
rung der Informationstechnologie bietet eine erste Handlungsmöglichkeit. Dabei ist aber
nicht nur an die technische Infrastruktur zu denken, sondern auch an die Verarbeitung und
Aufbereitung der Informationen bzw. Daten.
Aktuell wird in Unternehmen die Digitalisierung verschiedener Daten und Prozesse vorangetrieben. Dabei werden analoge Daten mit dem Ziel in digitale Form gebracht, dass sie in
einer Datenbank abgespeichert, entsprechend ausgewertet und zu weiteren elektronischen Verwertungen zur Verfügung stehen. Bei der Digitalisierung der Prozesse ist an die
mobilen Kommunikationskanäle zu denken, mit denen der Kunde in die firmeneigenen Prozesse integriert werden kann.
Zur Senkung der Kosten muss die Wertschöpfung aber nicht unbedingt ausgelagert werden. Es gibt auch die Möglichkeit, eigene Standorte im Ausland aufzubauen, die die Leistung kostengünstiger erbringen können als im Inland. Auch radikalere Massnahmen werden mittlerweile von den Versicherungsunternehmen in Betracht gezogen. So wird darüber nachgedacht, den Aussendienst zu reformieren und andere Vertriebsmöglichkeiten zu
finden. In weiterer Zukunft wird sich für die Versicherungsgesellschaften die Möglichkeit
ergeben, nicht nur die Unterstützungs-, sondern auch die Kernprozesse (oder Teile davon)
an spezialisierte Anbieter auszulagern, um Kosten- und Effizienzpotenziale ausschöpfen zu
können.
Weitere Veränderungen in der Versicherungsbranche
Auch die Regulierungstendenzen in der (Schweizer) Assekuranz verlangen nach Veränderungen. Dies können die Versicherungsgesellschaften aber als Chance sehen, ihr
Geschäftsmodell zu reformieren und somit an die Bedürfnisse der Kunden anpassen zu
können. Vor allem die Lebensparte wird, noch mehr als das Nichtlebengeschäft, von staatlichen Vorgaben tangiert. Neben dem Kostendruck kommt es auch zu einer Verschärfung
des Wettbewerbs, weil das Versicherungsgeschäft weiterhin ein «push»-Markt bleibt. So
herrscht in der Branche nicht unbedingt Innovations-, sondern eher Veränderungsdruck.
Auch deshalb muss das Risikomanagement zu einem der wichtigsten Themen im Unternehmen werden. Es muss umfassend aufgebaut sein und gleichzeitig das ganze Unternehmen beinhalten. Darum wäre eine Integration des Risikomanagements in das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungsprozesse durchaus sinnvoll.
Auch der Umbau der Sozialversicherungssysteme aufgrund des demografischen Wandels
führt gerade im Lebenbereich zu Veränderungsdruck. Dabei sind die Versicherer selbst von
diesem Wandel betroffen. So wird in den nächsten Jahren ein «Kampf» um die besten Mitarbeiter ausbrechen, der in der Versicherung im Bereich der Vertriebsmitarbeiter deutlich
ausgeprägt sein wird (Kompetenzbereich im 7-K-Modell). Schlagwörter werden Employer
Branding, Unternehmenskultur, Karriereplanung usw. sein. Aus der «schlechten» Position
der Versicherer heraus müssen sich diese von der Konkurrenz im (Arbeits-)Markt hervorheben. Dieses Vorhaben lässt sich am besten durch gezielte Markenbildung beeinflussen,
in deren Rahmen auch Begriffe wie beispielsweise Gesellschaftsvertrag bzw. Corporate
Social Responsibility Einzug finden sollten.
Aufgaben
13
Welche weiteren Konsequenzen können sich aufgrund von veränderten Bedürfnissen für
die Versicherungsunternehmen ergeben?
227
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
7.4
Zusammenfassung und Ausblick
Aufgrund verschiedener Einflüsse, Trends bzw. Regularien kommt es in der Versicherungsbranche zu Veränderungen. So herrschen in der Branche zunehmender Wettbewerb
und Kostendruck, bedingt durch Trends, wie Globalisierung, Individualisierung und den
demografischen Wandel. Gerade die beiden Letzteren haben bereits heute grossen Einfluss. Denkt man aber mal ein paar Jahrzehnte in die Zukunft, werden diese Trends auch
weiterhin den Markt (mit-)bestimmen. Schon heute werden immer mehr Produkte speziell
für Senioren angeboten. Ausserdem will der Kunde heute schon die Möglichkeit haben,
auf ihn angepasste Produkte bzw. Dienstleistungen zu beziehen. Auch die Organisation der
Versicherungsgesellschaften und vor allem die Prozesse werden sich zunehmend weiter
verändern. Mit dem Internet ist bereits ein grosser Umbruch in Gang. Mit Smartphones
und den dazugehörenden Applikationen kommen die nächsten technischen Neuerungen
auf den Versicherungsmarkt. Je mehr der Kunde in den strategischen Fokus des Unternehmens rückt, desto mehr steht nicht mehr das Produkt, sondern die Kundenbedürfnisse im
Zentrum. Somit verfügt der informierte, fordernde Versicherungskunde über wachsende
Macht gegenüber den Unternehmen. Ziel muss es deshalb für die Versicherungsgesellschaften sein, sich beim Kunden Loyalität und Vertrauen zu erarbeiten, um ihn langfristig
an das Unternehmen «binden» zu können. Ein ausgearbeitetes Beschwerdemanagement,
gute Beratung und Service bilden dabei die Grundvoraussetzung für die Erzeugung von
Customer Value. Nur so können die vom Kunden erwarteten Funktionen erfüllt werden.
Weitere Trendthemen, die die Versicherung in der Zukunft (mit-)betreffen werden, sind
neben den bereits erwähnten die Themen «veränderte Lebensformen», «Vernetzung» und
«Identität». Bei den Lebensformen entstehen immer mehr Singlehaushalte, Ehen mit Migrationshintergrund und homosexuelle Partnerschaften. Auch Senioren leben seltener in
Altersheimen, sondern in speziell für sie eingerichteten Anlagen in ihren eigenen Wohnungen.
Durch die Digitalisierung und die Entstehung sozialer Netzwerke wird der Mensch immer
«vernetzter». Den Mittelpunkt dieser Vernetzung bildet das Internet. Die Identitätsbildung
der Menschen hat sich verändert. Die Identität bzw. Identitäten wird/werden über ständige
Selbstinszenierung, Marken oder über Peergroups definiert.
Dies hat Auswirkungen auf die Versicherung. Dabei rückt der Kunde immer weiter in den
Mittelpunkt, sei es mit speziellen Angeboten für Senioren, Werbung für Homosexuelle,
Mitgestaltung der Leistung über Blogs oder die Meinungsbildung über Peergroups. Produkte, Prozesse und ganze Organisationen müssen sich diesen neuen Herausforderungen
stellen und entsprechend angepasst oder neu erfunden werden.
228
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Lernkontrolle
Aufgaben
1
Was sind die zentralen Ergebnisse dieses Kapitels? Was bedeutet dies für die Versicherungsbranche?
2
Welchen Trends steht die Versicherungsbranche gegenüber?
3
Wie können Unternehmen Customer Value generieren? Welche Unterschiede sehen Sie
dabei zwischen einem Lebens- und Motorfahrzeugversicherungsanbieter?
4
Beschreiben Sie das Customer-Value-Modell! Wo liegen dabei die zentralen Herausforderungen für Versicherungen?
5
Welche beiden Gestaltungsebenen sehen Sie im Versicherungskontext als die wichtigsten
an? Begründen Sie Ihre Antwort!
6
Was muss ein Versicherungsunternehmen beim Funktionendenken beachten?
7
Was sind die wichtigsten Kundenbedürfnisse?
8
Was ist der Unterschied zwischen einem Kundenzugangsweg und einem Vertriebskanal?
9
Was sind die wichtigsten Informationsquellen bzw. Kundenzugangswege im Versicherungsbereich?
10
Inwieweit hat das Internet die Versicherungsbranche verändert?
11
Was für eine Rolle spielen Social Media bei der Auswahl eines Versicherungsprodukts?
12
Welche Bedeutung würden Sie Apps im Versicherungskontext beimessen?
13
Welches ist die wichtigste Ebene im Dienstleistungsdreieck einer Versicherungsgesellschaft? Begründen Sie Ihre Antwort!
14
Warum wird der Kundenloyalität eine hohe Bedeutung in der Versicherungsbranche zugerechnet? Wie kann sie erhöht werden?
15
Welche Konsequenzen ergeben sich für die Versicherungsunternehmen aufgrund der Veränderungen und Trends in der Gesellschaft und Wirtschaft?
229
MANAGEMENT DER MARKTLEISTUNG UND DER KUNDENBEZIEHUNG
Literaturhinweise
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