SKRIPTUM WERBERECHT

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SSkriptum
Urheberr
SKRIPTUM WERBERECHT
© Rechtsanwalt Prof. Dr. Stefan Ernst, Freiburg/Br.
Erster Teil: Urheberrecht
A. Allgemeines
I. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) schließt das grundsätzliche Recht ein, sich auch im
wirtschaftlichen Bereich frei zu betätigen. 1 Jeder Gewerbetreibende ist also prinzipiell frei in der Art und Form seiner
wirtschaftlichen Betätigung. Er kann seine Waren in der von ihm gewünschten Art anbieten. Dieses Recht findet seine Grenzen aber
in den Rechten Anderer und der verfassungsmäßigen Ordnung, zu der auch das Wettbewerbsrecht im weiteren sowie das Werberecht
im engeren Sinne gehört.2 Letzteres bezweckt durch eine gewisse Reglementierung den Schutz des freien Leistungswettbewerbs, also
der Wettbewerber untereinander, auch wenn es dabei einzelne Vertriebsformen untersagen mag. Zugleich wird der Schutz der
Verbraucher und der Allgemeinheit vor möglichen Auswüchsen des Wettbewerbs gewährleistet.3
Nordemann4 bringt das schöne Beispiel des Wettbewerbs als Tour de France. Verboten sind das Anhängen an das fremde Rad, das
Irreführen durch falsche Rückennummern, Doping, das Abdrängen des Konkurrenten in den Graben usw.
Die praktische Bedeutung des Wettbewerbs und Werberechts ist kaum zu überschätzen. Die meisten Verfahren werden dabei
außergerichtlich begonnen und auch beendet. Schon wegen der Kurzlebigkeit bestimmter Werbemaßnahmen ist das Interesse in
vielen Angelegenheiten so geartet, dass sie nur im Wege der Abmahnung oder auch hernach der einstweiligen Verfügung in nur einer
Instanz abgewickelt werden.
Es ist daher in der Praxis umso wichtiger, dass Werbekonzepte und konkrete Werbemaßnahmen schon im Vorfeld eng mit den
Rechtsberatern der jeweiligen Gewerbetreibenden abgestimmt werden, da schon eine Abmahnung für den Abgemahnten mit
erheblichen Kosten verbunden sein kann. Die Wettbewerbsjuristen bekommen so nicht selten den Charakter eines „Spielverderbers“
für die Marketingabteilungen der beratenen Unternehmen. Nichtsdestoweniger sind die von ihnen vorgetragenen Bedenken schon aus
Kostengründen nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Dass ein Unternehmen bewusst und in Kenntnis der Wettbewerbswidrigkeit
einer Maßnahme diese gleichwohl durchführt, wird nur in seltenen Fällen der Fall sein und auf besonders massive Werbekampagnen
großer Unternehmen beschränkt sein, da nur in diesen Fällen Abmahnkosten und Nutzen ein tragbares Verhältnis besitzen.5
Gleichzeitig ist es so, dass angesichts der enger werdenden Märkte und des härter werdenden Wettbewerbs zwischen den
Anbietern nicht selten neue Mitbewerber schon im Vorfeld beziehungsweise Anfangsstadiums ihrer wettbewerblichen Aktivität mit
kostenpflichtigen Abmahnungen überzogen werden, um ihnen einen erfolgreichen Start unmöglich zu machen. Gleiches wird
zuweilen auch mit tatsächlichen Mitteln versucht, gegen die der neue Mitbewerber sich dann womöglich gerichtlich zur Wehr setzen
werden muss.
II.
Einschlägige Normen
Das Wettbewerbs- und Werberecht im engeren Sinne ist in erster Linie kodifiziert im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
(UWG).6 Erhebliche Bedeutung besitzen auch wettbewerbsrechtliche Nebenvorschriften, die in allgemeinen Gesetzen (zum Beispiel
Preisangabenverordnung), warenspezifischen Gesetzen (zum Beispiel Heilmittelwerbegesetz, Lebensmittel- und Futtermittelgesetz,
Fertigpackungsverordnung), berufsspezifischen Regelungen (zum Beispiel Bundesrechtsanwaltsordnung, Steuerberatergesetz) und an
verschiedenen anderen Stellen geregelt sind. Bedeutung für das Werberecht besitzt auch das Markengesetz, in dem speziell das Recht
der Kennzeichen und geschäftlichen Bezeichnungen geregelt ist. Nicht zum Werberecht im engeren Sinne gehört das Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz GWB), das nur in wenigen Aspekten Gegenstand dieses Scriptums ist.
Des weiteren gilt der Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts (Art. 24 I GG) auch gegenüber dem nationalen deutschen
Wettbewerbsrecht. Dies gilt allerdings nur dann, wenn ein zwischenstaatlicher Sachverhalt innerhalb der EU vorliegt, also
insbesondere ein EU-ausländischer Anbieter Waren in Deutschland anbietet. Hier sind neben den kartellrechtlichen Bestimmungen
der Art. 101, 102 AEUV (früher Art 81, 82 EGV) insbesondere die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV, ex Art. 28 EGV), die
__________________________________________________________________________________
1
BVerfGE 6, 32, 36 – Elfes; BVerfGE 8, 274, 328; BVerfGE 12, 341, 347.
BVerfGE 6, 32, 37f. – Elfes; BVerfGE 55, 159, 165; BVerfGE 63, 88, 108f.
3
BGH, GRUR 1955, 541, 542 – Bestattungsbewerbung; BGH, GRUR 1956, 223, 225 – Wochenbericht.
4
Wettbewerbs- und Markenrecht, Rn. 2 und passim.
5
Ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung besteht in diesen Fällen nicht, da § 10 UWG einen Gewinn zu Lasten der Abnehmer erfordert – nicht der
Mitbewerber.
6
BGBl. 2004 I S. 1414.
2
1
mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung verbietet, sowie die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56
AEUV (ex Art. 49 EGV) von Bedeutung. Auch diese werden in diesem Skriptum nicht behandelt.
B. Schutzzweck des UWG
Das dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1
UWG).
„Geschäftliche Handlung“ ist dabei jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstlei-­‐
stungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusam-­‐
menhängt (§ 2 UWG). „Mitbewerber“ ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Wa-­‐
ren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht; „Verbraucher“ sind private Endnutzer; „Markt-­‐
teilnehmer“ alle sonstigen Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren (§ 2 UWG). C. Unlauterer Wettbewerb
I. Generalklausel
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 I UWG).
Diese – vor die Klammer gezogene – Formulierung beschreibt allgemein die Grundlagen des Lauterkeitsrechts, die in den
§§ 4 bis 7 UWG mit einer Fülle von Konkretisierungen genauer beschrieben werden. Eine erste Verfeinerung ist bereits im
Folgeabsatz zu finden, der Handlungen gegenüber Privatpersonen betrifft, die im Vergleich zu Geschäftskunden grundsätzlich
als schutzbedürftiger einzuordnen sind:
Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von
Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen,
die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche
Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen.
Auf die Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds einer auf Grund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder
Leichtgläubigkeit besonders schutzbedürftigen und eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern ist abzustellen, wenn
für den Unternehmer vorhersehbar ist, dass seine geschäftliche Handlung nur diese Gruppe betrifft (§ 3 II UWG).
II. Irreführende Werbung
§ 5 Irreführende geschäftliche Handlungen (1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: 1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammenset-­‐
zung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; 2. den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er be-­‐
rechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird; 3. die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigen-­‐
tums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs; 4. Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen; 5. die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur; 6. die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder 7. Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen. 2
(2) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienst-­‐
leistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft. (3) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen. (4) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unan-­‐
gemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Be-­‐
weislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat. § 5a Irreführung durch Unterlassen (1) Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die geschäft-­‐
liche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu be-­‐
rücksichtigen. (2) Unlauter handelt, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Absatz 2 dadurch beeinflusst, dass er ei-­‐
ne Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. (3) Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikati-­‐
onsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gelten folgen-­‐
de Informationen als wesentlich im Sinne des Absatzes 2, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: 1. alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem dieser und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang; 2. die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den er handelt; 3. der Endpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Vor-­‐
aus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-­‐, Liefer-­‐ und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfal-­‐
len können; 4. Zahlungs-­‐, Liefer-­‐ und Leistungsbedingungen sowie Verfahren zum Umgang mit Beschwerden, soweit sie von Erfordernissen der fachlichen Sorgfalt abweichen, und 5. das Bestehen eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf. (4) Als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 gelten auch Informationen, die dem Verbraucher auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. 1. Grundlagen
Werbeaussagen müssen wahr und klar sein. Wer die Unwahrheit sagt, will den Kunden betrügen. Wer missverständlich wirbt, macht mit dem Irrtum Geschäfte und sagt daher – etwas subtiler – ebenfalls die Unwahrheit. Auch: Verschweigen (§ 5a UWG)
Überprüfbar sind nur Tatsachenbehauptungen, nicht Werturteile oder allgemeine Übertreibungen („die Besten“). Allerdings können Werturteile einen Tatsachenkern besitzen. Auch solche Tatsachenbehauptungen sind unzulässig, wenn sie nicht richtig sind, z.B.
„von Weltruf“;
Die Aussage muss geeignet sein zur Irreführung (EuGH: zu messen am verständigen Durchschnittskunden); missverständlich ist
das, was der Kunde falsch versteht (zB „inkl. Mwst.“ suggeriert, die Konkurrenz schlüge diese auf)
Die Aussage muss Relevanz für den Kaufentschluss besitzen (nicht: Verkäufer färbt seine Haare oder trägt Toupet).
2. Beispiele
a) Irrführung über das Unternehmen (§ 5 II Nr. 3 UWG)
-
Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung
Alterswerbung (seit 1826)
Beziehungen zur öffentlichen Hand (staatlich, städtisch)
Verwendung von Begriffen, die nicht vorhandene Größe suggerieren („Brotfabrik“ für Vorortbäckerei)
Titelwerbung (Prof., Dr.) – Dr. iur.
b) Irreführung über die Ware (§ 5 II Nr. 1 UWG)
-
3
„Neu“ = fabrikneu
übermäßige Garantie suggeriert Qualität
Auflagenhöhe
Schutzrechtsanmaßung („ges. gesch.“ ohne Schutz; „Weltpatent“ bei nur einzelnen Anmeldungen; „patented“
bei Schutz nur im Ausland)
Herkunft der Ware („Made in Germany“ bei Import; „Deutscher Sekt“; Bocksbeutelflasche; „Lübecker Marzipan“; „Stich den Buben“; auch Nationalfarben, weil ebenfalls geografische Herkunftsangaben, zulässig aber
Rezepte, zB Linzer Torte)
-
Warenmenge (Lockvogelangebot; nicht ausreichend vorhandenes Sonderangebot; Ausnahme: ALDIComputer; § 5 V UWG)
„aus Altpapier“ für nicht zu 100 % (sondern nur überwiegen) aus Altpapier hersgestelltes Toilettenpapier7
„Hochrhein-Strom“ für nicht überwiegend wasserkrafterzeugten Strom
c) Irreführung über den Preis (vgl. PAngV) § 5 II Nr. 2 UWG)
-
auch hier Lockvogelangebot (Warenmenge; nicht verfügbares Sonderangebot) § 5 V UWG
Mwst. inklusive
PAng an Verbraucher ohne Mwst.
PAng ohne Flughafensteuer
bisheriger Preis / neuer Preis, wenn alter Preis nur fiktiv (2 Monate mindestens) § 5 IV UWG
Mondpreisempfehlung (unverbindliche Preisempfehlung bei Markenware) 5 IV
Fehlender Hinweis auf Maklerprovision bei Anzeigen
„Direkt ab Werk“, wenn eigene Marge einberechnet wird8
d) Irreführung über die Bezugsart
-
„direkt vom Hersteller“
Hinweis auf eigene Herstellereigenschaft, sofern nicht ausschließlich an Letztverbraucher verkauft wird oder
gleicher Preis wie für Händler
Vortäuschung des Bezugs von Privat
III. Belästigende Werbung
§ 7 Unzumutbare Belästigungen (1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht. (2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen 1. bei Werbung unter Verwendung eines in den Nummern 2 und 3 nicht aufgeführten, für den Fernabsatz geeigneten Mittels der kommerziellen Kommunikation, durch die ein Verbraucher hartnäckig angesprochen wird, obwohl er dies erkennbar nicht wünscht; 2. bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder ge-­‐
genüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung, 3. bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, oder 4. bei Werbung mit einer Nachricht, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, ver-­‐
schleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Ein-­‐
stellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. (3) Abweichend von Absatz 2 Nummer 3 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn 1. ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, 2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, 3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und 4. der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Ver-­‐
wendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. Jede Anwendung von Zwang – auch mittelbar – schließt das Grundprinzip des freien Leistungswettbewerbs – die freie Entscheidung des Kunden – aus und ist damit unlauter.
- Ansprechen in der Öffentlichkeit/im Kaufhaus – neues Urteil
Individuelles Ansprechen bleibt verboten; Marktschreien/Flugblatt erlaubt
- Ansprechen von Unfallbeteiligten (ambulance chasing; Reparaturauftrag; Automiete)
- Haustürwerbung in bestimmten Fällen (Grabmalverkauf)
- Vertreterbesuch/Briefkastenwerbung trotz entgegenstehendem Wunsch
- Telefon-, Fax- und E-Mail-Werbung
Zulässig ist Briefwerbung sowie Beilagen in Zeitungen
__________________________________________________________________________________
7
8
BGH GRUR 1991, 546 – „ ... aus Altpapier“.
BGH WRP 05, 474 – Direkt ab Werk.
4
- Zusendung unbestellter Ware (muss nicht zurückgeschickt werden)
Hierzu zählen zunächst ganz allgemein das Verbot des über das bloße Verteilen von Flugblättern oder Geschenken und das allgemeine Marktschreien hinausgehenden individuellen Ansprechens in der Öffentlichkeit (BGH, Urt. v. 08.04.1960 - I ZR 24/59,
GRUR 1960, 431 – Kfz-Nummernschilder; BGH, Urt. v. 04.12.1964 - Ib ZR 38/63, GRUR 1965, 315, 316 – Werbewagen; BGH,
GRUR 1975, 264 – Werbung am Unfallort I (wg. Reparaturauftrag); BGH, GRUR 1975, 266 – Werbung am Unfallort II (wg. Mietwagen); BGH, Urt. v. 14.12.1979 - I ZR 29/78, GRUR 1980, 790 – Werbung am Unfallort III (wg. Abschleppdienst); BGH, Urt. v.
10.03.1994 - I ZR 36/92, GRUR 1994, 639 – Pinguin-Apotheke (Verteilen von Werbegeschenken vor Ladenlokal zulässig); BGH,
GRUR 2000, 235 – Werbung am Unfallort IV (trotz Widerrufsrechts) und ganz aktuell BGH, Urt. v. 01.04.2004 - I ZR 227/01) sowie die grundsätzliche Zulässigkeit Haustürwerbung (BGH, GRUR 1976, 32 – Präsentation; BGH, Urt. v. 16.12.1993 - I ZR 285/91,
GRUR 1994, 380, 382 – Lexikothek; BGH, Urt. v. 05.05.1994 - I ZR 168/92, GRUR 1994, 818, 819 – Schriftliche Voranmeldung)
mit Ausnahmen für bestimmte Branchen (BGH, Urt. v. 08.07.1955 - I ZR 52/54, GRUR 1955, 541 - Bestattungswerbung; BGH, Urt.
v. 01.02.1967 - Ib ZR 3/6 GRUR 1967, 430 - Grabsteinaufträge I; BGH, Urt. v. 12.03.1971 - I ZR 119/69, GRUR 1971, 317 =
BGHZ 56, 18, 20 - Grabsteinaufträge II) und die Zulässigkeit der Briefkastenwerbung (BGH, Urt. v. 30.04.1992 - I ZR 287/90,
GRUR 1992, 617 - Briefkastenwerbung (auch bei vereinzeltem Übersehen von Werbeverboten); BGH, Urt. v. 16.02.1973 - I ZR
160/7, GRUR 1973, 552 = BGHZ 60, 296, 300 - Briefwerbung (grundsätzliche Unzulässigkeit nach Widerspruch). Neu BGH WRP
05, 485 - Ansprechen in der Öffentlichkeit III: Der Werbezweck muss in jedem Fall eindeutig erkennbar sein.
Der (ebenfalls wettbewerbswidrigen) Zusendung unbestellter Waren ist spätestens durch § 241a BGB endgültig jeder Zahn
gezogen worden.
IV. Weitere Fälle unlauteren Kundenfangs
, § 4 Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen Unlauter handelt insbesondere, wer 1. geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilneh-­‐
mer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen; 2. geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfah-­‐
renheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen; 3. den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert; 4. bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angibt; 5. bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig angibt; 6. die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inan-­‐
spruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei denn, das Preisausschreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden; 7. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft; 8. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden; 9. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, b) 5
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat; 10. Mitbewerber gezielt behindert; 11. einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. III. Behinderung von Mitbewerbern
§ 6 Vergleichende Werbung (1) Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. (2) Unlauter handelt, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich 1. sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht, 2. nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Wa-­‐
ren oder Dienstleistungen bezogen ist, 3. im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt, 4. den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt, 5. die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft oder 6. eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt. 1. Behinderungs-­‐ und Vernichtungswettbewerb (§ 4 Nr. 10 UWG) Grundsatz und Leitbild des Wettbewerbs ist der freie Leistungswettbewerb. Zur Behinderung der Mitbewerber darf aber grundsätzlich auch nur die bessere Leistung führen. Ist eine Werbung subjektiv bestimmt und objektiv geeignet zur Schädigung, ist der
freie Leistungswettbewerb selbst angegriffen.
a) Individuell gezielte Behinderung und Preiskampf
- Boykott (auch getarnt bei „Kauft nur am Ort!“ o.ä.; Problem: Boykott zu ideellem
Zweck Art. 5, keine Wettbewerbsabsicht, kein Druck auf Adressat, keine unrichtigen Tatsachenbehautpungen, keine „Bestrafung“ gewollt)
- Gezielte Preisunterbietung zur Ausschaltung (insbesondere gegen neue Mitbewerber)
- Fangwerbung vor Konkurrenzgeschäft (Flugblätter)
- Abfangen von Kunden (Zollabfertigung)
- Herauskaufen von Konkurrenzware (insb. Sonderangebote)
- Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung
- Zul – Rohstoffaufkauf, Anmieten aller Räume, Überbieten, Kauf des Ladenlokals
und Mietvertragsende
- Vereitelung fremder Werbung (Abreißen, Gegenwerbung)
b) Allgemeine Marktbehinderung (Ausschaltung des Leistungswettbewerbs)
- Verkauf unter Einstandspreis (Mehl)
6
- In Einzelfällen kostenloser Vertrieb oder kostenlose Kleinanzeigen (Basisprodukt
wegen Verbrauchsteilegeschäft; nicht: kostenlose Wochenblättchen)
- Zul.: Gespaltene Preise in div. Filialen
c) Verletzung von Vertriebsbindungen
- Schleichbezug (hinzu kommt Werbeverbot bei Urheberschutz; EuGH – Parfumflakon)
- Verhinderung von Testkäufen
- Entfernung der Hersteller-Kontrollzeichen
d) Ausspannen
- Abwerben von Mitarbeitern (Verleiten zum Vertragsbruch); Headhunting am Arbeitsplatz nur erstes kurzes Gespräch – neues Urteil
- Abwerben von Kunden (nicht in allen Fällen; zulässig ist, wenn Versicherungen
Hilfe bei der Kündigung des Altvertrages leisten)
- Werbung vor Konkurrenzgeschäft
- Werbung durch ausscheidenden Mitarbeiter
2. Herabsetzende Werbung (§ 4 Nr. 7, 8 UWG) Persönliche oder geschäftliche Verunglimpfung von Mitbewerbern a) Schmähkritik
-
pauschale Herabsetzung
unwahre Behauptungen
unrichtige Werturteile
Anschwärzen und Verleumdung (§ 4 Nr. 8)
b) Persönliche Werbung
Bezugnahme auf persönliche Verhältnisse (Herkunft, Religion) 3.
Vergleichende Werbung § 6 UWG
Novelliert im Jahr 2000; nicht mehr grundsätzlich verboten, nur in bestimmten
nachteiligen Fällen
Erkennbarer Mitbewerber, Namensnennung nicht zwingend (§ 2 UWG)
Systemvergleich ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Anbieter ohnehin zulässig
(„Mehrweg ist besser“; „werbefreies Pay-TV“, „Erdgas statt Heizöl“)
Sonderfälle § 11 II HWG („wirkt wie“)/ Genealogie der Düfte („riecht wie“) bei
Werbung an Endkunde
a) Unzulässige vergleichende Werbung
-
7
Vergleich von Waren/Dienstleistungen nicht für gleichen Bedarf/Zweck (Medikament statt Arzt; Möbel + Aufstellung und Möbel)
Kein objektiver Bezug auf nachprüfbare typische (und wichtige) Eigenschaften
oder Preis – Sachlichkeitsgebot; Nachprüfbarkeit
-
-
Wesentlichkeit der verglichenen Eigenschaft; Kaufrelevanz
Preisvergleiche müssen obj. sein – nicht ein Modell von vielen herausgreifen
Herbeiführung von Verwechslungen (vgl. auch Markenschutz)
Rufausnutzen und Rufbeeinträchtigung („andere sind nur teuer – sonst nichts“)
Imagetransfer: Zitate fremder Werbung („schraubst Du noch oder wohnst Du
schon?“) oder auch „Bei Aldi Schampus, bei Skoda das Auto“
Herabsetzung und Verunglimpfung
„Mogelcom“; „Beckenbauer wechselt zu T-Mobile – Ja is denn heut schon
Weihnachten“; Manfred Krug-Double; „Die beste Werbung für ... sind die Angebote der Konkurrenz“, falls diese erkennbar ist; Ronald McDonald bei Burger
King; Evian-Unfall
Blutwurz „Vergiss die Hirschen“, Mutter aller Schnäppchen, Ronald McDonald
bei Burger King
zulässig: „Lottoschein - Zur Geldvermehrung empfehlen wir eine andere Anlage“
zulässig: Pepsi-Test
Darstellung einer Ware als Imitation oder Nachahmung
„andere imitieren nur“, wenn erkennbar, wer gemeint ist
b) Bezugnahme auf nicht repräsentative Warentests
Stiftung Warentest mit Jahr/Heft wg. Nachprüfbarkeit
4. Ausbeuten und Schmarotzen (§ 4 Nr. 9 UWG) Nachahmung wettbewerblicher Eigenart, die zu bestimmten Herkunfts- und Gütevorstellungen führt
a) Anhängen an fremden Ruf
Dimple/RollsRoyce; Autobahn-Rover, Renault „besser als Golf (Spielen?“
b) Anhängen an fremde Werbung
„Schraubst Du noch oder wohnst Du schon?“
c) Herkunftstäuschung (Nachahmung # Schutzrechtsverletzung)
Einschieben in eine fremde Serie (Lego str., siehe Druckertinte)
BGH WRP 05, 476 – Klemmbausteine III: kein zeitl. unbegrenzter Schutz
Sklavische Nachahmung – planmäßige Annäherung
D. Wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung
I. Anspruchsberechtigte
Das UWG begründet keine Popularklage. Aus diesem Grunde besitzt insbesondere der einzelne Verbraucher keine lauterkeitsrechtlichen Ansprüche. Dies gilt selbst dann, wenn er im Einzelfall tatsächlich
persönlich (etwa von einer Irreführung) betroffen sein sollte. Ihm bleibt insofern allein die Möglichkeit,
auf die allgemeinen Institute insbesondere des BGB (Anfechtung, Widerruf usw.) zurückzugreifen. Der
eigentlich Verletzte ist somit nicht klagebefugt, es sei denn, er ist etwa als Mitbewerber des Rechtsverletzers von einem unlauteren Wettbewerbsverhalten unmittelbar betroffen.
Die Prozessführungsbefugnis ist von Amts wegen zu prüfen (BGH v. 14.12.2000 – I ZR 181/99 – GRUR 2001, 846,
847 – Metro V m.w.N.). Fehlt sie, ist die Klage unzulässig (BGH v. 18.10.1995 – I ZR 126/93 – GRUR 1996, 217 – Anonymisierte
Mitgliederliste; BGH v. 11.05.1995 – I ZR 107/93 – GRUR 1995, 604, 605 – Vergoldete Visitenkarten.). Sind mehrere Anspruchsbe8
rechtigte vorhanden, kann dem jeweils anderen auch nicht die Einrede fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses oder eine anderweitige Rechtshängigkeit entgegengehalten werden, da die Ansprüche selbständig nebeneinander stehen (BGH v. 16.12.1993 – I ZR 277/91 – GRUR 1994, 307, 308 – Mozzarella I; BGH v. 05.01.1960 – I ZR
100/58 – GRUR 1960, 379, 380 f. – Zentrale.). Es mag allerdings im Einzelfall dann an der Wiederholungsgefahr
fehlen.
Anspruchsberechtigt sind
- Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG)
- Verbände (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG)
- Verbraucherverbände (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG) und
- Kammern (§ 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG).
a) Mitbewerber
In der Praxis die wichtigsten und vor Gericht häufigsten Anspruchsinhaber bzw. -steller sind die Mitbewerber des unlauter Handelnden. Wer Mitbewerber im Sinne des Gesetzes ist, bestimmt sich nach
der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Nur der tatsächlich von einem Werbeverhalten tatsächlich betroffene Unternehmer, der mit dem Handelnden als Anbieter oder Nachfrager in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, kann hiergegen vor Gericht ziehen. Dessen Vorliegen setzt grundsätzlich einen sachlich, räumlich und zeitlich relevanten gleichen Markt voraus, kann in Einzelfällen auch bei trotz
Branchenverschiedenheit, unterschiedlichen Wirtschaftsstufen oder bei der bloßen Förderung fremden
Wettbewerbs festgestellt werden (Dazu Ernst, in Ullmann (Hrsg.), jurisPK-UWG, 2. Aufl. 2009, § 2 Rn. 20 ff.).
b) Verbände
Als Verbände klagebefugt sind allein juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 3.31 ff.). Die Klageberechtigung setzt voraus, dass der Verband die Förderung
gewerblicher und selbständiger Interessen bezweckt. Dieser Zweck ergibt sich (ggf. durch Auslegung)
aus der Satzung des Verbandes (BGH v. 19.02.1965 – Ib ZR 45/63 – GRUR 1965, 485, 486 – Versehrten-Betrieb.). Auch die
Kammern freier Berufe fallen hierunter (BGH v. 23.10.2003 – I ZR 64/01 – GRUR 2004, 346 – KPMG- Rechtsanwaltsgesellschaft; BGH v. 13.03.2003 – I ZR 143/00 – GRUR 2003, 886 – Erbenermittler). Es muss aber sichergestellt sein, dass der
Satzungszweck tatsächlich verfolgt wird, wenn auch hierfür eine Vermutung streitet (BGH v. 27.04.2000 – I ZR
287/97 – GRUR 2000, 1093, 1094 – Fachverband; BGH v. 13.07.2000 – I ZR 203/97 – GRUR 2000, 1084, 1085 – Unternehmenskennzeichnung; BGH v. 26.05.1994 – I ZR 85/92 – GRUR 1994, 831 – Verbandsausstattung II; BGH v. 07.11.1985 – I ZR 105/83 – GRUR 1986, 320, 321
– Wettbewerbsverein I.). Insbesondere darf die Verfolgung von Wettbewerbsinteressen nicht lediglich Vor-
wand sein, um dem Verband, seinen Mitgliedern oder den beteiligten Rechtsanwälten systematisch zu
Einnahmen zu verhelfen. Indizien für einen solchen Missbrauch können etwa sein: Überhöhte Abmahnpauschalen, das systematische Verlangen nach dem Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs, der häufige Versuch der Ersetzung gerichtlicher Titel durch strafbewehrte Unterlassungserklärungen (deren Vertragsstrafe an den Abmahner fällt und nicht an das Gericht) (BGH v. 22.04.1993
– I ZR 75/91 – GRUR 1993, 761, 762 – Makler-Privatangebot; BGH v. 10.12.1002 – I ZR 186/90 – WRP 1993, 240, 243 – Fortsetzungszusammenhang; BGH v. 05.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282, 284 – Wettbewerbsverein IV.).
Dem klagenden Verband muss ferner eine erhebliche Zahl von Unternehmen auf demselben Markt
angehören. Dies ist im Verfahren so nachzuweisen, dass der anderen Partei zumindest eine stichprobenartige Überprüfung möglich ist, ob die bezeichneten Unternehmen (noch) Mitglieder und die übrigen
Angaben korrekt sind. Eine anonymisierte Mitgliederliste etwa ist nicht zum Beweis geeignet (BGH v.
18.10.1995 – I ZR 126/93 – GRUR 1996, 217, 218 – Anonymisierte Mitgliederliste.). Die Klagebefugnis eines Verbandes ist zu
verneinen, wenn er im räumlichen Bereich des handelnden Unternehmens nicht repräsentativ, sondern
nur vereinzelt vertreten ist (BGH v. 19.06.1997 – I ZR 72/95 – GRUR 1998, 170 – Händlervereinigung.). Das Erfordernis einer erheblichen Zahl ist dabei nicht absolut, sondern relativ in Bezug auf den betreffenden sachlichen
und räumlichen Markt gemeint(BGH v. 01.03.2007 – I ZR 51/04 – GRUR 2007, 809 – Krankenhauswerbung.). Auf Märkten
mit großer Mitbewerberzahl wird man dementsprechend eine höhere Mitgliederzahl verlangen müssen.
Die Zahl sonstiger Mitglieder auf anderen Märkten ist unerheblich (BGH v. 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000,
438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge.). Es kommt darauf an, dass dem Verband Unternehmer angehören, die auch der Zahl nach den betreffenden Markt so repräsentieren, dass ein missbräuchliches
Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (BGH v. 19.06.1997 – I ZR 72/95 – GRUR 1998, 170 – Händlervereinigung.). Die erhebliche Zahl kann auch über dem Verband angehörige andere Verbände vermittelt
werden, die ihrerseits nicht unbedingt anspruchsberechtigt sein müssen (BGH v. 16.01.2003 – I ZR 51/02 – GRUR
2003, 454, 455 – Sammelmitgliedschaft; BGH v. 20.05.1999 – I ZR 66/97 – GRUR 1999, 1116, 1118 – Wir dürfen nicht feiern.). Dadurch
werden aber solche Verbände, denen die jeweiligen IHK oder Handwerkskammern angehören, stets
klagebefugt sein (BGH v. 06.02.1997 – I ZR 234/94 – GRUR 1997, 758, 759 – Selbsternannter Sachverständiger; BGH v. 29.09.1994 – I
ZR 138/92 – GRUR 1995, 122 – Laienwerbung für Augenoptiker.).
Der Begriff des gleichen Marktes ist räumlich wie auch sachlich zu bestimmen, dabei aber weit auszulegen (BGH v. 05.06.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH v. 09.10.1997 – I
ZR 122/95 – GRUR 1998, 417, 418 – Verbandsklage in Prozessstandschaft.). Die Waren bzw. Dienstleistungen müssen
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sich zumindest so nahe stehen, dass die angegriffene Verletzungshandlung (mit einer gewissen, wenn
auch nur geringen Wahrscheinlichkeit) (BGH v. 25.04.1996 – I ZR 82/94 – WRP 1996, 1102, 1103 – Großimporteur.) eine
erhebliche Zahl von Verbandsmitgliedern beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann
(BGH v. 05.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260 – Vielfachabmahner.). Es muss also ein (abstraktes) Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Anspruchsgegner und diesen Mitgliedern bestehen (BGH v. 09.11.2000 – I ZR 167/98 –
GRUR 2001, 529, 531 – Herz-Kreislauf-Studie; BGH v. 24.11.1999 – I ZR 189/97 –
GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge.). Der
hingegen nicht erforderlich.
Eintritt einer tatsächlichen Behinderung ist
Der Satzungszweck darf des Weiteren nicht nur auf dem Papier stehen. Der Verband muss demnach
personell, sachlich und finanziell in der Lage sein, die satzungsgemäßen Aufgaben der Interessenverfolgung tatsächlich wahrzunehmen. Welche Tätigkeiten ein Verband entfalten können (und auch tatsächlich erfüllen) muss, bestimmt sich im Einzelfall nach dessen Satzung. Besteht der Satzungszweck
in der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, reicht eine reine Abmahn- und Klagetätigkeit nicht aus,
sondern es müssen weitere Aktivitäten hinzukommen, z.B. das Wettbewerbsgeschehen beobachtet
und Mitglieder wie ggf. auch die Allgemeinheit beraten werden (BGH v. 05.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282,
284 – Wettbewerbsverein IV; BGH v. 06.03.1986 – I ZR 14/84 – GRUR 1986, 676, 677 – Bekleidungswerk; BGH v. 07.11.1985 – I ZR 105/83 –
GRUR 1986, 320, 321 – Wettbewerbsverein). Der Verband muss eigene Mitarbeiter haben, die in der Lage sind,
ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts einfache Abmahnschreiben zu fertigen (BGH v. 05.10.1989 – I ZR 56/89
– GRUR 1990, 282, 286 – Wettbewerbsverein IV; BGH v. 12.04.1984 – I ZR 45/82 – GRUR 1984, 691, 692 – Anwaltsabmahnung.). An die-
se personelle Ausstattung sind aber keine überzogenen Anforderungen zu stellen, so dass es keiner
originär juristisch ausgebildeten Mitarbeiter bedarf. Es genügt vielmehr, wenn einzelne Personen ausreichende branchenspezifische Kenntnisse haben, um ihr Fachgebiet berührende durchschnittlich
schwierige Wettbewerbsverstöße erkennen und verfolgen zu können, auch wenn sie ihnen von ihren
Verbandsmitgliedern zur Kenntnis gebracht werden (BGH v. 27.04.2000 – I ZR 287/97 – GRUR 2000, 1093, 1095 – Fachverband.). Zur sachlichen Ausstattung gehört grundsätzlich eine eigene Geschäftsstelle mit den entsprechenden sachlichen Mitteln (eigene Büroräume, Telefon, Fax). Eine Bürogemeinschaft reicht in der Regel nicht, insbesondere dann, wenn der Partner der Bürogemeinschaft (etwa gar eine Anwaltskanzlei)
das Personal bezahlt (BGH v. 11.04.1991 – I ZR 82/89 – GRUR 1991, 684, 685 – Verbandsausstattung I.). Der Verband muss
zudem finanziell in der Lage sein, die Kosten der satzungsgemäßen Tätigkeit aus eigener Kraft aufzubringen. Hierzu gehört neben den laufenden Fixkosten auch die Prozessführung durch mehrere Instanzen inklusive der Erstattung etwaiger gegnerischer Kostenansprüche. Bei den Einnahmen dürfen dabei
die regelmäßigen Zuflüsse aus der Abmahntätigkeit berücksichtigt werden (BGH v. 20.05.1999 – I ZR 66/97 –
GRUR 1999, 1116, 1118 – Wir dürfen nicht feiern; BGH v. 05.10.1989 – I ZR 56/89 –
GRUR 1990, 282, 286 – Wettbewerbsverein IV.).
Der Verband muss ferner nachweisen, dass die wettbewerbswidrige Handlung die Interessen seiner
Mitglieder berührt. Es ist nicht erforderlich, dass die Mitglieder selbst klagebefugt wären, doch ist
gleichwohl eine direkte Beeinträchtigung der Interessen zumindest einzelner Mitglieder von einer gewissen Erheblichkeit zu fordern.
c) Verbraucherverbände
Die Klagebefugnis für Verbraucherverbände setzt voraus, dass der anspruchstellende Verband in der
Liste nach § 4 UKlaG oder im Verzeichnis der EU-Kommission nach Art. 4 der Unterlassungsklagerichtlinie (EGRL 98/27 vom 19.05.1998, ABl. EG Nr. L 166 S. 51.) eingetragen ist. Die Liste der qualifizierten Einrichtungen
wird jährlich im Bundesanzeiger bekannt gemacht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UKlaG). Eingetragen werden in
die Liste auf Antrag rechtsfähige Verbände, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht nur vorübergehend wahrzunehmen, wenn
sie in diesem Aufgabenbereich tätige Verbände oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder
haben, seit mindestens einem Jahr bestehen und auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine
sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten (§ 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG). Aufgrund dieser Regelung sind die
Gerichte von der Prüfung der Ernsthaftigkeit der Verbraucherverbandseigenschaft im Einzelfall entlastet. Die jeweils aktuelle Liste ist online unter www.bundesjustizamt.de abrufbar.
d) Kammern
Anspruchsberechtigt sind des Weiteren die öffentlich-rechtlich verfassten Industrie- und Handelskammern (IHK) sowie Handwerkskammern. Die übrigen berufsrechtlichen Kammern der freien Berufe
(Ärzte, Anwälte, Architekten, Steuerberater) sind (nur) unter den oben beschriebenen Voraussetzungen
des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigt, was regelmäßig der Fall sein dürfte (BGH v. 23.10.2003 – I ZR
64/01 – GRUR 2004, 346 – KPMG-Rechtsanwaltsgesellschaft; BGH v. 13.03.2003 – I ZR 143/00 – GRUR 2003, 886 – Erbenermittler; BGH v.
25.10.2001 – I ZR 29/99 – NJW 2002, 2039, 2040).
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II. Anspruchsausschluss durch Missbrauch (§ 8 IV UWG)
Neben der fehlenden Tatbestandsmäßigkeit und der in § 11 UWG geregelten wettbewerbsrechtlichen
Verjährung (die ohnehin nur eine Einrede ist) ist eine Reihe von Einwendungen gegen die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen zu beachten. Die Beweislast für diese Einwendungen liegt
stets bei demjenigen, der sie erhebt. Hierzu gehört zunächst der Einwand der Verwirkung, der als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung in § 242 BGB verankert ist (BGH v. 16.06.1982 – IVb ZR 709/80 – BGHZ
84, 280, 281; BGH v. 26.05.1988 – GRUR 1988, 776, 778 – PPC.). Er hat aber ebenso wie andere in § 242 BGB verankerte Einwendungen (Abwehr rechtswidriger Angriffe, Unclean-Hands-Einwand u.a.) nur wenig praktische Relevanz (Dazu Seichter in jurisPK-UWg § 8 Rn. 190 ff.). Von größerer Relevanz ist der in § 8 IV UWG geregelte Einwand der missbräuchlichen Geltendmachung, der zwar nicht die Unlauterkeit eines Verhaltens
beseitigt, aber dafür die Prozessführungsbefugnis im Einzelfall dann entfallen lässt, wenn sie vom Berechtigten missbraucht wird. Diese Norm betrifft also (allein) Fälle, in denen einem eigentlich bestehenden wettbewerbsrechtlicher Anspruch durch die missbräuchlichen Umstände seiner Geltendmachung
der Erfolg versagt bleibt. Im Wesentlichen geht es um Sachverhalte, in denen der Anspruch in der Tat
vor allem zur Gewinnerzielung resp. zur Schädigung des Abgemahnten erfolgen, wobei diese beiden
Zielrichtungen oft nicht zu unterscheiden sind.
a) Folge missbräuchlicher Geltendmachung und Beweislast
Der Einwand missbräuchlicher Geltendmachung steht der gerichtlichen Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen ebenso entgegen wie der Berechtigung zur Abmahnkostenerstattung. Die Frage der missbräuchlichen Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche betrifft
eine Prozessvoraussetzung und ist daher in jeder Instanz von Amts wegen zu prüfen (BGH v. 20.12.2001 – I
ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 717 – Scanner-Werbung; BGH v. 24.05.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung.). Ist ein Missbrauch zu bejahen, ist die Klage unzulässig (BGH v. 17.11.2005 – I ZR 300/02 – MEGA SALE; BGH
v. 17.01.2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung.).
Die Beweislast obliegt – im Freibeweis – dem Beklagten, der die Voraussetzungen für das Vorliegen
eines Missbrauchs darzulegen hat, doch genügt es, wenn er in ausreichendem Maße Indizien hierfür
vorlegt, obliegt es dem Kläger, diese Umstände zu widerlegen (BGH v. 17.11.2005 – I ZR 300/02 – MEGA SALE; BGH
v. 06.04.2000 – I ZR 294/97 – GRUR 2001, 178 – Impfstoffversand an Ärzte.). Mehr ist schon deshalb nicht zu verlangen,
weil sich die Motivlage des Gläubigers im Allgemeinen nur aus den äußeren Umständen ergeben kann.
Die im Gesetz genannten Fälle (Rechtsverfolgung zum Zwecke der Generierung von Aufwendungsersatz oder Kosten) sind nur beispielhaft. Unerheblich ist auch, ob der Missbrauchszweck alleiniges Motiv
ist. Es genügt, wenn die sachfremden Ziele überwiegen (BGH v. 17.11.2005 – I ZR 300/02 – MEGA SALE; BGH v.
06.04.2000 – I ZR 114/98, WRP 2000, 126, 127 – Neu in Bielefeld II.).
b) Mehrfachverfolgung auf der Passiv- und Aktivseite
Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich auch daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obgleich eine
streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (BGH v.
17.11.2005 – I ZR 300/02 – MEGA SALE; BGH v. 17.01.2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung;
BGH v. 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung). Allerdings ist zu beachten, dass die getrenn-
te Inanspruchnahme von mehreren Schuldnern, die sich in ihrem Verhalten aufeinander abgestimmt
haben, nicht ohne Weiteres der missbräuchlichen Verfolgung eines Schuldners durch mehrere Gläubiger gleichgestellt werden kann. Eine unstatthafte Mehrfachverfolgung, die sowohl der Gewinnerzielung
als auch der Schädigung dienen kann, ist aber etwa dann gegeben, wenn etwa die Rechtsverfolgung
nach verschiedenen Verletzungsformen ein und derselben Verletzungshandlung aufgespaltet und in
Verfügungsanträgen oder Klagen nacheinander geltend gemacht wird BGH v. 20.12.2001 – I ZR 15/98 – GRUR
2002, 713, 714 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung; BGH v. 24.05.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH v. 06.04.2000 – I ZR 114/98, GRUR 2001, 84 – Neu in Bielefeld II; BGH v. 06.04.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in
Bielefeld I; BGH v. 17.01.2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung.). Ein Fall der unzu-
lässigen Mehrfachverfolgung liegt auch dann vor, wenn der Anspruchsberechtigte gleich
gelagerte Verstöße gegen eine Partei in mehreren Prozessen getrennt geltend macht (BGH
22.4.09 I ZR 14/07 - GRUR 2009, 1180 - 0,00 Grundgebühr). Anderes gilt, wenn der Gläubiger begründeten Anlass zur getrennten Verfolgung in verschiedenen Prozessen hat, z.B. durch
die unterschiedliche Beweissituation begründet (BGH 22.10.09 I ZR 59/07 WRP 2010, 640 - Klassenlotterie).
Dadurch, dass ein Wettbewerbsverstoß von einer Vielzahl von Anspruchsberechtigten
verfolgt werden kann, besteht für den Anspruchsgegner das Risiko, dass ein und derselbe
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Verstoß zum Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren gemacht wird. Daher hat der
wettbewerbswidrig Handelnde insofern ein erhebliches Kostenrisiko. § 8 IV UWG verhindert hier ein diese Möglichkeit zur Kostenerzeugung ausnutzendes abgesprochenes Verhalten. Wenn also mehrere Berechtigte, die geschäftlich eng miteinander verbunden sind (z.B. im Konzern), abgesprochen gleichzeitig oder zeitlich versetzt wegen derselben Verletzungshandlung gegen
einen Verletzer vorgehen, ist dies als missbräuchlich zu werten.
Bei der Mehrfachverfolgung ist auch das erste Verfahren zumindest auch dann vom Missbrauchsvorwurf mit umfasst, wenn es (nahezu) zeitgleich angestoßen wird (BGH v. 17.11.2005 – I ZR 300/02 – MEGA SALE;
BGH v. 17.01.2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH v. 20.12.2001 – I ZR 15/98 – GRUR 2002,
713, 714 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung.). Allerdings ist hinsichtlich des Vorliegens eines Missbrauchs für
jede Klage gesondert zu prüfen, ob nicht doch berechtigte Gründe für ein getrenntes Vorgehen bestehen (z.B. überregionale Werbung und mangelnde Vorratshaltung in bestimmten Filialen) (BGH v. 20.12.2001
– I ZR 15/98 – GRUR 2002, 713, 714 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung.).
Vergleichbar ist die Situation, wenn ohne erkennbaren Grund gleichzeitig Hauptsache- und Verfügungsverfahren eingeleitet werden, was dann die Erhebung der Hauptsacheklage unzulässig macht
(BGH GRUR 2000, 1091, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld I).
c) Rechtsverfolgung zum Zwecke der Schädigung
Geschieht die Rechtsverfolgung allein zum Zwecke der Schädigung, ist sie missbräuchlich im Sinne
des § 8 Abs. 4 UWG. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es allein darum geht, einen Mitbewerber
durch gehäufte Klagen mit Kosten oder Mehrkosten zu belasten (Vgl. BGH v. 05.01.1960 – I ZR 100/58 – GRUR 1960,
379, 381 – Zentrale.). Aber auch, wenn die Prozessführung in besonders kostenintensiver Weise gestaltet
wird, gilt dies (vgl. zur Mehrfachverfolgung der vorangegangene Abschnitt).
Für die Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner tatsächlich behindert wird (BGH v.
17.11.2005 – I ZR 300/02 – MEGA SALE.). Bei den Fällen der missbräuchlichen Gewinnerzielung durch zusätzliche Kostenlast aufgrund getrennter Inanspruchnahme (s.o. kommt es auch nicht darauf an, ob der
Schuldner die (zusätzliche) Kostenlast ohne Weiteres schultern kann oder nicht. Auch die Frage, ob der
Gläubiger eine „maßvolle Streitwertpolitik“ betreibt, ist daher unerheblich, wenn ansonsten ein Missbrauch dargelegt ist.
d) Rechtsverfolgung aus sachfremden Gründen
Das Vorgehen des Anspruchstellers kann ebenfalls missbräuchlich sein, wenn etwa ein Verband satzungsfremde Zwecke verfolgt, durch Drohungen wegen angeblicher, tatsächlich jedoch nicht geschehener Verstöße Druck ausübt, um ein anderweitiges Verhalten zu erzwingen, oder wenn ein Verband
bei den eigenen Mitgliedern methodisch das gleiche Verhalten duldet, das er bei anderen bestandet
(Jestaedt in: Ahrens, Kap 20 Rn. 16 m.w.N.).
e) Rechtsverfolgung im Interesse Dritter
Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, wenn ein Prozessführungsberechtigter von einem Dritten
– auch unter Übernahme von Kosten- und Haftungsrisiko – zum Vorgehen gegen einen Wettbewerbsverstoß veranlasst wird, doch ist dieses Verhalten dann missbräuchlich, wenn auf diese Weise die Prozessführungsbefugnis vom Dritten nur instrumentalisiert wird, weil die Rechtsordnung dem Dritten ein
eigenes Vorgehen versagt (Jestaedt in: Ahrens /Hg) Der Wettbewerbsprozess, Kap 24 Rn. 17 m.w.N.).
f) Gegenabmahnung
Kein Missbrauch liegt ferner vor, wenn der Abgemahnte im Wege einer „Retourkutsche“ seinerseits einem Abmahner
erfolgreich „auf die Finger geschaut“ hat. In solchen Fällen ist eine Gegenabmahnung möglich, mit deren Kosten dann
auch die des ursprünglichen Anwaltsschreibens aufgerechnet werden können (OLG Bremen 08.08.2008 - 2 U 69/08; OLG Frankfurt (Beschl. vom 05.12.2008 - 6 W 157/08; LG Hamburg 14.8.09 – 406 O 235/08; Deichfuß, jurisPR-WettR 8/2008 Anm. 5; Ernst jurisPR-ITR
20/2008 Anm. 3; a.A. LG München I, Urteil vom 28.11.2007 - 1HK O 5136/07 - Retourkutsche I; LG München I, Urteil vom 16.01.2008 - 1HK O
8475/07 - Retourkutsche II). Zu unterscheiden ist die „Gegenabmahnung“ wegen einer unberechtigten Abmahnung. Eine
solche ist nicht vorgesehen – ebenso wie ein Kostenerstattungsanspruch des zu Unrecht wegen eines UWG-Verstoßes
abgemahnten Unternehmers (anders als bei Schutzrechtsverstößen vgl. BGH 15.7.2005 GSZ 1/04 GRUR 2005, 882). Der
Abgemahnte kann ggf. negative Feststellungsklage erheben (OLG Hamm (Urteil v. 03.12.2009, Az: 4 U 149/09).
g) Massenabmahnungen durch Kleinunternehmer
Eine Vermutung für sachfremde Gründe kann in Einzelfällen dadurch auch begründet werden, dass ein Kleinunternehmer in großer Zahl (angebliche) Mitbewerber – bevorzugt wegen Verstößen bei der Internet-Werbung – abmahnt. In
solchen Fällen liegt nicht selten die Vermutung nahe, dass mit dem abmahnenden Rechtsanwalt eine Vereinbarung der12
art getroffen wurde, dass bei Erfolglosigkeit keine Anwaltskosten zu zahlen seien und dafür im Gegenzug eine „Beteiligung“ des Mandanten am wirtschaftlichen Erfolg der Kampagne zu erfolgen hat. Die Problematik dieser Fälle ergibt sich
in der Praxis durch die Beweisschwierigkeiten der Beklagtenseite, um diese Vermutung zunächst begründen zu können.
In solchen Fällen aber wird gelten, dass der Rechtsverfolger (hiervon abgesehen) eben kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann, wie es die Rspr. verlangt ( vgl. BGH
GRUR 2001, 260, 261 Vielfachabmahner ), da der Einfluss des Wettbewerbsverstoßes auf die eigenen Umsätze in der Regel bei Null liegen wird.
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