War Dutti ein Pirat?

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Zu guter Letzt
AJP/PJA 5/2014
War Dutti ein Pirat?
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desgericht hatte mit der Migros kein
Erbarmen: Die herabsetzende und
anlehnende Propaganda – heute wäre
es Art. 3 Abs. 1 lit. a/e UWG – gegen
das «Götzenbild Persil» und Henkel
musste inskünftig unterbleiben. Die
Verwendung von Hänkel war markenrechtlich wegen Verwechslungsgefahr
auch nicht mehr gestattet2. Die Migros
verdeckte einen Teil der Etikette fortan mit einem Feigenblatt – zu sehen
war nur noch Ohä.
Arnold F. Rusch
PD Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M., Zürich
Kennen Sie den Kaffee Zaun, die Donnerstags-Tasche und die Glacée Jane
& Mary’s? Falls nein, sind Sie wahrscheinlich im Unterschied zu mir kein
Migros-Kind. Die Migros-Produktenamen sorgen immer wieder für Heiterkeit beim Publikum, aber auch für
rote Köpfe bei der Konkurrenz. Der
Grund des Wohlwollens trotz der Gesetzesverstösse liegt im Erbe Duttweilers und dem neuen Kampf gegen die
Hochpreisinsel.
Persil war richtig teuer. Ein Karton kostete einen Franken – im Jahre
1931. Zum Glück konnte die Hausfrau
das Waschmittel Ohä im Migros kaufen, für nur 50 Rappen! Ohä stand für
«Ohne Hänkel». Die Assoziation lässt
uns heute ratlos zurück, doch damals
war der Fall klar. Hänkel ist das Dialektwort für Henkel. So heisst heute
noch die Herstellerin von Persil. Die
Werbung nahm kein Blatt vor den
Mund: Henkel sei ein grosskapitalistisches ausländisches Unternehmen,
das seine Machtstellung unbedingt
und masslos ausnütze. Migros forderte die Hausfrauen auf, solange Ohä zu
kaufen, bis das Persil-Frankenpaket
für 50 Rappen erhältlich sei1. Das Bun-
Die Ohä-Etikette mit Feigenblatt
(Bild: MGB Dokumentation)
Das Putzmittel Vim von Sunlight war
das nächste Opfer der Migros. Päng
hiesst die Kopie, kostete nur einen
Drittel und war gleich gut. Auch hier
liess die Migros nichts aus: ««Wim»mern Sie nicht mehr wegen des zu
hohen Preises, sondern «Päng»-en
Sie hinfort fröhlichen Herzens.» Das
Bundesgericht untersagte auch diese
Werbung3. Päng konnte sich wegen
der bereits eingetragenen Marke Peng
aber ohnehin nicht halten. Migros ersetzte es durch Potz, mit dem ich auch
schon geputzt habe.
2
1
BGE 58 II 449 ff., 452.
3
BGE 58 II 449 ff., 458 ff.
BGE 59 II 15 ff., 17.
Die originellste Anlehnung schuf
Migros mit dem entkoffeinierten Kaffee Zaun, der dem deutschen Kaffee
HAG Konkurrenz machen sollte. Die
Grossschreibung HAG zeigt, dass es
um die Abkürzung für Handels-AktienGesellschaft ging, doch war die Anspielung auf den Gartenhag mit dem
Wort Zaun besonders geglückt. Ich
konnte dazu keine Gerichtsentscheidungen finden – die Migros führt diesen heute noch im Sortiment. Dabei
wäre die Dialektform deutscher Wörter durchaus problematisch, wie ein
aktuelles Beispiel der Migros-Tochter
Denner zeigt. Diese verwendete für
ihre Kaffeekapseln den Werbespruch
«was suscht?» an Stelle des von Nespresso als Wortmarke hinterlegten Slogans «what else?». Das Handelsgericht
St. Gallen untersagte dies superprovisorisch, was sich mit der Verletzung
der Wortmarke, der unlauteren Anlehnung gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG
und der schmarotzerischen Rufausbeutung, die unter die Generalklausel des
Art. 2 UWG fällt, begründen lässt4.
Ein nur kurzes Leben war der Eiscreme Jane & Mary’s beschieden, die
gegen das erfolgreiche Speiseeis Ben
& Jerry’s antrat. Jetzt heisst sie nur
noch Mary Jane’s. Dasselbe Schicksal ereilte die Donnerstag-Taschen als
Konkurrenz zu den aus Lastwagenblachen gefertigten Freitag-Taschen.
Die Migros gab in beiden Fällen schon
aussergerichtlich nach5. Viele weitere
Migros-Produkte lehnen sich an KonVgl. die superprovisorischen Massnahmen
vom 10. Januar 2011, beschrieben in Urteil
BGer 4A_178/2011, B. Zur Anwendbarkeit
der Generalklausel bei schmarotzerischer
Rufausbeutung vgl. BGE 116 II 365 ff.,
368 f. und BSK-Reto Hilty, in: Reto Hilty/
Reto Arpagaus (Hrsg.), Basler Kommentar, Bundesgesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb (UWG), 2. A., Basel 2013 (zit.
BSK-Verfasser), UWG 2 N 124.
5
Internet: http://www.migrosmagazin.ch/
menschen/interview/artikel/wir-arbeitenquasi-planwirtschaftlich (8.4.2014) und
Tages-Anzeiger, 8.10.2012, 31.
4
A r n o l d F. R u s c h
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Varianten eines Themas: Kaffee HAG und Kaffee Zaun; Ben & Jerry’s (Unilever) mit den Migros-Annäherungen Jane & Mary’s sowie später Mary Jane’s.
kurrenzprodukte mit der Kennzeichnung oder der Ausstattung an: so z.B.
Quadretti bei Chocoletti (Lindt), Mahony bei der Toblerone (Mondelēz),
Delta-Jet bei der Rakete (Frisco), Blox
bei Twix (Mars) sowie Eimalzin bei
Ovomaltine (Wander)6.
Weshalb ist die Schweizer Bevölkerung den Migros-Produkten so positiv gesinnt, obwohl handfeste Gesetzesverstösse vorliegen? Zwei Gründe
lassen sich ausmachen. Erstens wirkt
das Erbe Gottlieb Duttweilers nach,
der eigentlich ganz gerne Markenartikel verkauft hätte, sich aber immer
wieder Lieferboykotten ausgesetzt
sah. Die Schaffung von Eigenmarken
haben die Konkurrenzmarken sich
teilweise selbst zuzuschreiben, weil
sie ihre Hochpreispolitik durchsetzen wollten7, was mit der Schweizer
Hochpreisinsel erneut stark an Aktualität gewonnen hat. Zweitens schimmert deshalb der provokative Verdacht
durch, dass das UWG eigentlich gar
nicht anwendbar sein sollte: Die Annäherungen an die Konkurrenzprodukte durch die Migros insbesondere
in der Vergangenheit schaffen gerade
erst den notwendigen Wettbewerb, der
folglich nicht unlauter sein kann. Sie
6
7
Zu den Grenzen der Zulässigkeit BGE 135
III 446 ff.
Spiegel 47/1954, 31 f.: http://wissen.spiegel.
de/wissen/image/show.html?did=28957842
&aref=image035/E0343/sp19544727T2P-28957842.pdf&thumb=false
(8.4.2014).
bilden die richtige Antwort auf das
Verhalten der Hochpreisanbieter. Sie
sollten deshalb – ähnlich wie der von
der h.L. und Rechtsprechung verworfene Einwand der unclean hands8 –
durch einen «Wettbewerbsnotstand»
gerechtfertigt sein. Die preisdämpfende Wirkung der Eigenmarken kann
sich nur entfalten, wenn die Menschen
merken, dass es Alternativen zu den
Markenprodukten gibt. Dazu bedarf
es pointierter Aussagen9 – wenn es
funktioniert, wären die bedeutend härter in den Wettbewerb eingreifenden
Kartellgesetzrevisionen überflüssig10.
Es fällt ohnehin schwer, überhaupt
eine Herabsetzung des Originals in
der Werbung mit dem viel günstigeren Preis des Migros-Produkts zu sehen. Die vergleichende Werbung als
solche ist nicht verboten. Erst wenn
sie mit einer unnötigen Herabsetzung
oder sich einer Rufausbeutung bedient, greift Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG
ein11. Das Bundesgericht hielt selber
Vgl. Christian Oetiker, in: Peter Jung/
Philippe Spitz (Hrsg.), Bundesgesetz gegen
den unlauteren Wettbewerb (UWG), Bern
2010, UWG 3 lit. e N 61, m.w.H.; vgl. BGE
129 III 426 ff., 430 ff., BGE 81 II 65 ff.,
70 f.
9
Vgl. die ähnliche, aber verworfene Argumentation der Beklagten in Urteil BGer
4C.316/1999, E. 5a.
10
Vgl. den Gedanken bei Herbert Wohlmann, NZZ 21.2.2012, 26.
11
Vgl. Carl Baudenbacher/Jochen Glöckner, in: Carl Baudenbacher (Hrsg.), Lauterkeitsrecht, Basel 2001, UWG 3 lit. e
8
fest, dass Päng gleich gut wie Vim sei.
Wenn die Migros mit dieser Tatsache
nicht auch mit smarten Sprüchen und
Slogans Werbung machen darf, nimmt
dies die grundsätzliche Zulässigkeit
der vergleichenden Werbung wieder
zurück12. Damit lässt sich gut die Brücke zur Markenparodie schlagen13.
Die träfen Sprüche zu Päng und Ohä
muss man als rechtfertigende Satire
und Humor verstehen, was in den Entscheiden aber kein Thema war.
Das Ganze hat aber auch einen
Haken. Man muss kritisch festhalten,
dass die Migros mittlerweile selber
sehr potent im Schweizer Markt auftritt, aber recht dünnhäutig reagiert,
wenn man sich ihren Produkten annähert, die längst etablierte Marken
bilden – so geschehen bei den Farmerähnlichen Riegeln des Aldi14. Guter
Rat ist teuer. Was würde Dutti tun? Er
wäre sicher grosszügiger gewesen!
N 34 ff.; BSK-Schmid (FN 4), UWG 3
Abs. 1 lit. e N 76 ff., 83 f., 94.
12
Vgl. Jochen Glöckner, in: Otto Teplitzky/
Karl-Nikolaus Pfeifer/Matthias Leistner
(Hrsg.), UWG, 2. A., Berlin 2013, § 6 N 31;
zum Humor als Rechtfertigung vgl. BGH,
Urteil vom 1. Oktober 2009 – I ZR 134/07,
in GRUR 2010, 161 ff., 164, N 17 ff., insb.
N 20.
13
Vgl. dazu BSK-Arpagaus (FN 4), UWG 3
Abs. 1 lit. d N 112 und Maya Hertig Randall, Le regard d’une constitutionnaliste
sur la parodie des marques, in: Peter Kunz
et al. (Hrsg.), Wirtschaftsrecht in Theorie
und Praxis, Festschrift für Roland von Büren, Basel 2009, 415 ff., insb. 443 ff.
14
Tages-Anzeiger, 8.10.2012, 31.
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