Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe

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MACBETH
Melodramma in vier Akten von Giuseppe Verdi
Libretto vom Komponisten nach William Shakespeare
Unter Mitarbeit von Francesco Maria Piave und Andrea Maffei
Pariser Fassung 1865
In italienischer Sprache mit deutschen & englischen Übertiteln
Macbeth Lady Macbeth Banco
Macduff Malcolm Kammerfrau der Lady Arzt Diener Mörder
Herold Erscheinungen Macbeths Traum
Pas de deux
Gruppe
Kinder
SEUNG-GI JUNG / JACO VENTER
Ks. BARBARA DOBRZANSKA / RACHEL NICHOLLS a. G.
Ks. KONSTANTIN GORNY / AVTANDIL KASPELI /
RENATUS MESZAR
JESUS GARCIA / JAMES EDGAR KNIGHT
CAMERON BECKER / Ks. KLAUS SCHNEIDER
CONSTANZE KIRSCH* / AGNIESZKA TOMASZEWSKA
MEHMET ALTIPARMAK* / LUIZ MOLZ
MARCELO ANGULO / ALEXANDER HUCK
MEHMET ALTIPARMAK* / LUKASZ ZIOLKIEWICZ
ANDREY NETZNER / DMITRIJUS POLESCIUKAS
GABRIEL MENDE** / MORITZ WARNECKE**
WOLFRAM KROHN / THOMAS REBILAS
LYDIA GEHRLEIN / THERESA NIEDERSTRASSER
ALESSANDRO GOCHT / WITALIJ KÜHNE
SIMONA HABICH, ALEXANDRA LITZOWSKY,
TATJANA MASCHNIKOWA, CHRISTINA MOHARI,
SAMIRA NIEDERSTRASSER, ANGELA VERGARA,
JINGWEI ZHAO / DAIANE RIBEIRO, ANA GOTH
DAVID SPOGIS / MATTIS VAN RENSEN
DAVID BAUMGARTEN / PHILIPP REMY
NILS CORDES / FELIX SPOGIS
LARS CORDES, ROMAN KLENIN,
BRANDON KRAUSS, GABRIEL MENDE**
*Opernstudio
** Cantus Juvenum Karlsruhe e. V.
Musikalische Leitung Nachdirigat Regie Ausstattung Chor Choreografie Video Licht
Dramaturgie JOHANNES WILLIG
DANIELE SQUEO
HOLGER MÜLLER-BRANDES
PHILIPP FÜRHOFER
ULRICH WAGNER
HÉLÈNE VERRY
ACHIM GOEBEL
RICO GERSTNER
BORIS KEHRMANN
BADISCHE STAATSKAPELLE
BADISCHER STAATSOPERNCHOR & EXTRACHOR
STATISTERIE DES STAATSTHEATERS KARLSRUHE
PREMIERE 23.1.16 GROSSES HAUS
Aufführungsdauer ca. 3 Stunden, eine Pause
Aufführungsrechte Casa Ricordi Editore, Milano
1
Regieassistenz & Abendspielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische Assistenz &
Einstudierung ALISON LUZ, JULIA SIMONYAN, MIHO UCHIDA Studienleitung STEVEN
MOORE Mitarbeit Choreinstudierung MARIUS ZACHMANN Bühnenbildassistenz FLORIAN
SCHNEIDER Kostümmitarbeit HANNAH BARBARA BACHMANN Kostümassistenz
THERESA HELLBRUEGGE, CAROLINE PACKENIUS Übertitel ACHIM SIEBEN Soufflage
ANGELIKA PFAU Inspizienz GABRIELLA MURARO Leitung der Statisterie OLIVER
REICHENBACHER
Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühneninspektor RUDOLF
BILFINGER Bühne RUDOLF BILFINGER, EKHARD SCHEU Leiter der Beleuchtungsabteilung
STEFAN WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton / Video HUBERT BUBSER,
GUNTER ESSIG, JAN PALLMER Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter
GUIDO SCHNEITZ Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker
LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polsterund Dekoabteilung UTE WIENBERG
Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/-in Herren PETRA ANNETTE
SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN
WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER
Schuhmacherei NICOLE EYSSELE, THOMAS MAHLER, VALENTIN KAUFMANN Modisterei
DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Kostümbearbeitung ANDREA MEINKÖHN
Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske SABINE BOTT, MELISSA DÖBERL,
LAURA FELDMANN, FREIA KAUFMANN, NIKLAS KLEIBER, MARION KLEINBUB, JUTTA
KRANTZ, MELANIE LANGENSTEIN, CAROLIN MASKE, JESSICA MOLNAR, INKEN NAGEL,
SOTIRIOS NOUTSOS, SANDRA OESTERLE, KERSTIN WIESELER
WIR DANKEN
der Privatbrauerei Hoepfner GmbH für die Unterstützung der Premierenfeier.
Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer
Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.
OH, MEINE FRAU!
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Ks. Barbara Dobrzanska
3
SZENEN
EINER
LIEBE
ZUM INHALT
Vorspiel
Macbeth und die Lady begegnen sich. Liebe auf den ersten Blick.
1. Akt
Macbeth wird von Ängsten geplagt. Er
sieht das Kind, das er nicht haben wird. Die
Lady versucht, den Geliebten zu beruhigen.
Sie wollen die konventionellen Männerund Frauenbilder überwinden und eine
Beziehung auf Augenhöhe führen.
Männer und Frauen treffen aufeinander.
Banco spielt den Macho. „Ich würde euch
Frauen nennen, aber das verbietet mir euer
dreckiger Bart.“ Die Frauen rächen sich.
Sie verheißen Macbeth Macht und Banco
Kinder. Macbeth fragt sich, warum Banco
potenter ist als er.
Die Welt Duncans wird überwunden. Macduff und Banco spüren, dass sich etwas
ändert. Macbeth und die Lady inszenieren
sich als neues Traum- und Herrscherpaar.
Eine neue Ära beginnt.
Macbeth stellt die Lady ins Zentrum seiner
Welt. Sie weiß, dass ihn die Ellenbogengesellschaft verunsichert und beschließt, ihm
den Rücken zu stärken. Wiedersehen der
Liebenden. Ein grotesker Marsch kündigt
Duncan an. Der König bleibt unsichtbar. Er
ist Symbol einer Epoche und ihrer Werte.
Die Gespenster der alten gesellschaftlichen
Codes kehren zurück. Ist ein Paar ein Paar,
wenn es keine Kinder hat? Ihr Repräsentant
Banco, Inbild potenter Männlichkeit, muss
weg. Die Lady setzt ihre Leidenschaft und
Erotik ein, den Geliebten zu beruhigen und
zu stärken.
4
2. Akt
Banco macht seinen Sohn zum „Mann“. Er
wird beseitigt. Fleance flieht. Bancos Weltbild lebt in ihm fort.
Auf einer Party feiert sich die scheinliberale Gesellschaft selbst. Erlaubt ist,
was gefällt, solange man mit dem Strom
schwimmt. Die Lady jongliert souverän mit
den Spielregeln. Macbeth will nicht wie
Banco werden. Er sieht sich von Mördern
umgeben und beschließt, die Frauen, die
ihm den Aufstieg voraussagten, ein zweites
Mal aufzusuchen. Sie sollen ihre Prognose
korrigieren.
Er realisiert, dass er keine Kinder haben
wird. Nach seinem Tod wird nichts von ihm
bleiben. „Ach, dass du kein Leben hast“,
sagt er zu den Kindererscheinungen. Die
Lady versucht ihm zu helfen. Ihr Liebesduett
mündet in einen verzweifelten Racheschrei.
Die Kinder müssen weg.
4. Akt
Das Volk konfrontiert Macbeth mit seinen
Taten.
Macduff betrauert den Tod seines Sohnes.
3. Akt
Die Lady zieht das Fazit ihrer Beziehung.
Die Frauen spiegeln den Männern in grotesker Überzeichnung, wie sie Frauen
behandeln: Als Ware. Macbeth fragt sie,
wie es weitergehen soll. Sie verweigern die
Antwort und verweisen ihn auf sich selbst.
Die Männer machen die Frauen zu Prinzessinnen. Aus emanzipierten Frauen werden
Luxusbräute. Im grünen Licht wirken sie
wie die Bäume im Wald von Birnam.
Träumend rekapituliert er die Geschichte
seiner Liebe. Im Spiegel sieht er, wer er ist.
Macbeth und die Lady sind mit ihrem Versuch einer Geschlechterbeziehung auf
Augenhöhe gescheitert.
WERDEN ALSO
SEINE SOHNE
HERRSCHEN?
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6
Ks. Barbara Dobrzanska, Seung-Gi Jung, Samira Niederstrasser, Angela Vergara
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ABGRÜNDE
DER
SEELE
ZUM STÜCK
Mit seiner ersten Shakespeare-Oper
wollte Verdi weg vom Belcanto. „Lassen
sie uns etwas versuchen, das abseits des
Gewohnten liegt“, feuerte er seinen Texter
Francesco Maria Piave an. Und seinem
Auftraggeber, dem Florentiner Intendanten
Alessandro Lanari, versprach er eine „Arbeit von einiger Bedeutung“. Da war Verdi
erst 33, verfügte aber schon über reiche
Musiktheatererfahrung. Macbeth war seine
10. Oper. Seine dritte, Nabucco, hatte ihn
mit 29 zum Superstar gemacht. Blockbuster
wie Ernani und Die Lombarden hatten seinen Ruhm bestätigt. Bei seinen Premieren
wurde er hysterisch gefeiert. Anschließend
gaben ihm jubelnde Massen mit Fackeln
das Geleit vom Theater zum Hotel. „Wenn
irgendwo eine Verdi-Uraufführung ansteht“,
schreibt Antonio Calvi in der Zeitung Il
Ricoglitore, „wartet ganz Italien ungeduldig auf Nachricht, wie es gelaufen ist.“
Bei der Uraufführung des Macbeth am 14.
März 1847, seiner ersten Oper für Florenz,
wurde das Theater in der Via della Pergola
vier Stunden vor Beginn geöffnet, um die
Wartenden einzulassen. Schon nach dem
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ersten Hexenchor wurde Verdi auf die Bühne gerufen. Nach dem zweiten erneut, nach
dem Duett „Fatal mia donna, un mormore“
wieder und so weiter insgesamt 12 Mal. Alle
diese Nummern und der Mörderchor wurden wiederholt. Beim Schlussapplaus musste Verdi 27 Mal vor den Vorhang treten. Die
Uraufführung zog sich unter allen Ovationen
und Wiederholungen sechs Stunden hin.
Am Vorabend seiner Abreise, es war die
dritte Vorstellung, drückte ihm die Sängerin
der Lady nach dem zweiten Akt einen goldenen Lorbeerkranz auf das Haupt. Auf dessen
Blättern waren die Titel seiner Opern eingraviert. Damit dankte ihm ein Kreis von Verehrern dafür, ihrer Vaterstadt eine seiner Opern
geschenkt zu haben. Enthusiasten spannten
ihm die Pferde aus und zogen seine Kutsche
zum Hotel, wo er sich immer wieder auf dem
Balkon zeigen musste. Auch in Mailand, Verdis nächster Station, finde Macbeth „enthusiastische Befürworter“, berichtete Verdis
Eckermann Muzio einen Monat später: „Der
Klavierauszug wird in allen Häusern gespielt
und die Nummern stehen auf jedem Klavier.“
Man muss modern sein
Obwohl noch relativ jung, konnte es sich der
33-Jährige also leisten, Tabus zu brechen.
Er durfte Konventionen missachten, Publikum, Sängern, Musikern Dinge zumuten,
die sie nicht gleich verstanden, ohne seine
Karriere aufs Spiel zu setzen. Verdis Ansehen, Selbstsicherheit und Autorität waren
so, dass man sich ihm in künstlerischen
und finanziellen Fragen unterwarf und nicht
umgekehrt. Dessen war er sich bewusst. Er
duzte seinen Intendanten und schärfte ihm
ein, alle seine Anweisungen strengstens zu
befolgen, „dann wirst Du täglich 1000 Mal
von mir gesegnet werden, und glaube mir,
mein Segen ist fast soviel wert wie der des
Papstes.“ Eine Übertreibung, sicher. Aber
eine, die ein Gran Wahrheit enthielt. Verdi
neigte nicht zu Witzen.
So konnte er es im Sommer 1846 wagen,
Shakespeares bis dahin nie in Italien gespielte Tragödie für sein nächstes Opernprojekt zu wählen. Er tat dies in der Absicht,
die herrschende Ästhetik der Gesangsoper
à la Bellini und Donizetti zu durchbrechen,
die Kehlkopfvirtuosen in standardisierten
Modulen – Arie, Duett, Scena, Concertato,
Ensemble usw. – Gelegenheit zu bel canto,
schönem Gesang gab. Verdis Adlatus Piave
war sich sicher, Macbeth werde „unserer
Musik eine neue Richtung weisen und den
Komponisten der Gegenwart und Zukunft
neue Wege ebenen.“ Der Komponist selbst
schrieb seiner ersten Lady: „Ich glaube, ich
sagte Ihnen bereits, dass dieses Schauspiel
keinem anderen ähnlich ist und wir alles in
unserer Macht Stehende tun müssen, um es
so ursprünglich wie möglich auf die Bühne
zu bringen. Außerdem glaube ich, es ist an
der Zeit, die konventionellen Formeln und
Methoden der Gesangskunst hinter uns zu
lassen und ich glaube, dass man damit die
größte Wirkung erzielt, besonders Sie, die
Sie über so reiche Mittel verfügen.“
Immer wieder betonte der Komponist, dass
es ihm in dieser Oper nicht um die Gesangslinie, sondern um Ausdruck ging. In Berichten von den Proben unter seiner Leitung und
in Kritiken lesen wir, wie schwer es seinen
Zeitgenossen fiel, seine ungewohnten Vorstellungen zu verstehen. Anhänger der alten
Schule bezeichneten ihn als „Totengräber
des italienischen Belcanto“ und „Stimmenvernichter“ und schrieben verdifreundlichen
Rezensenten anonyme Droh- und Schmähbriefe. „Wenn Varese weiterhin Macbeth
und ähnliche Rollen singt, wird er in zwei
Jahren keine Stimme mehr haben“, prophezeite Alessandro Gagliardi in der Revue et
Gazette Musicale. Der erste Interpret des
Macbeth schwankte auf den Proben selbst
zwischen Verzweiflung und Bewunderung.
Alle Sänger stöhnten unter der Sturheit, mit
der Verdi sie einzelne Phrasen und Szenen
bis zur Erschöpfung wiederholen ließ. Er
ließ erst locker, als sie in die Nähe dessen
kamen, was ihm vorschwebte. Macbeth ist
„ein wenig schwerer als meine anderen
Opern“, räumte der Maestro ein. Sänger
und Direktion ließen sich das nicht nur
gefallen, weil man sein Genie spürte. Verdi
war auch ein Wirtschaftsfaktor. Macbeth,
bei weitem nicht seine erfolgreichste Oper,
brachte es in zehn Jahren allein in Italien
auf 100 Inszenierungen, international auf
das Doppelte und machte den Komponisten
so kühn, für die französischen Rechte das
dreifache Honorar zu verlangen. Die Impresarii schnappten nach Luft und zahlten.
Verdis wichtigstes Experiment
Immer wieder betonte der Meister, er ziehe Macbeth allen seinen anderen Opern
vor. Entsprechende Äußerungen finden
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sich regelmäßig bis 1875, als er einen
Schlussstrich unter sein Schaffen gezogen
und dieses für beendet erklärt hatte.
1847 widmete er Macbeth seinem Mentor,
dem er lebenslang dafür dankbar war, seine
ersten musikalischen Schritte finanziert zu
haben. In der Dedikation zitierte er ohne
Beethovens Namen zu nennen dessen
Widmung der Missa solemnis an seinen
bedeutendsten Mäzen und signalisierte
auf diese Weise diskret, in welcher Liga er
Macbeth sah. Im Frühjahr 1875, also fast 30
Jahre später, wurde Verdi von der Wiener
Neuen Freien Presse interviewt. Man kam
auf Wagner zu sprechen. Verdi meinte, dieser habe dem Musiktheater unschätzbare
Dienste geleistet, weil er den Mut besessen
habe, „sich der traditionellen, barocken
Formen zu entledigen“, womit Verdi die
oben genannten Module der Belcanto-Oper
meinte, die aus der Barockoper abgeleitet
sind. „Auch ich habe die Verschmelzung
von Musik und Drama versucht“, fährt Verdi
fort, „und zwar in Macbeth, doch konnte
ich mir die Textbücher nicht selber dichten,
wie Wagner.“ Dies war sein letztes Wort
zu Macbeth, bevor er 14 Jahre später sein
Gelübde brechen und, ausgelöst durch die
italienische Erstaufführung der Meistersinger von Nürnberg, die italienische Musik zu
„retten“ und dem grassierenden „Wagnerismo“ einen Riegel vorzuschieben versuchte, indem er mit Falstaff ein Gegenmodell
schuf. Abermals mit Hilfe Shakespeares.
Libretto-Technik
Dass Verdi im Zusammenhang mit Macbeth noch drei Jahrzehnte später auf die
Textbuch-Frage zu sprechen kommt, ist
bezeichnend. Gerade bei dieser Oper hatte
er erstmals versucht, sich sein Libretto in
engster, teilweise wörtlicher Anlehnung
10
an Shakespeare, selbst zu schreiben. Dramaturgischen Rat holte er sich bei seinem
Freund Andrea Maffei, einem kultivierten,
zweisprachig im Trentino aufgewachsenen
Dichter, der vor allem deutsche und englische Literatur übersetzte und Verdi nicht nur
Schiller und Grillparzer, sondern auch das
Shakespeare-Bild August Wilhelm Schlegels vermittelte. Auch der ShakespeareÜbersetzer Giulio Carcano steuerte seine
Expertise bei. Da Verdi es sich aber nicht
zutraute, selbst Verse zu schreiben, zog er
dafür einen Theaterroutinier heran. Eigener
Aussage zufolge schickte er Francesco Maria Piave, Hauslibrettist und Regisseur am
Teatro La Fenice in Venedig, ein bis in die
Dialoge ausgearbeitetes Textbuch in Prosa
zu, das dieser nach seinen Anweisungen in
Verse bringen sollte. Prosa singen zu lassen,
wie es später Puccini und die Veristen taten,
widersprach Verdis ästhetischem Empfinden. Er verlangte von der Oper Wirklichkeitsnähe, aber nicht Wirklichkeit und fand
es beispielsweise degoutant, wenn seine
Violettas im Sterbeakt der Traviata schwindsüchtig hüstelten. Das „gesungene Drama“
sollte auch in der gebundenen Verssprache
etwas haben, das es über die Wirklichkeit
ins Reich der Fantasie zur Kunst erhob.
Wie ging Verdi vor, als er seinen Prosa-Entwurf zum Macbeth-Libretto schrieb? Verdi
konnte kein Englisch. Er las Shakespeare in
der ersten italienischen Gesamtausgabe, die
Carlo Rusconi 1838 in Padua veröffentlichte.
Damals war der Komponist 25 Jahre alt. Er
muss sie sich sofort gekauft haben, denn
später behauptete er, Shakespeare sei „seit
meiner Jugend mein Lieblingsautor“ gewesen. Die zweibändige Ausgabe steht noch
heute zerlesen dort, wo sie immer stand: Auf
Verdis Nachttisch. Notizen und Anstreichungen zeigen, dass er auf dieser Grundlage
alle seine Shakespeare-Opern schrieb. Das
Jesus Garcia
11
sind neben den vollendeten Macbeth (1847),
Otello (1887) und Falstaff (1893) die vier unvollendeten König Lear, Der Sturm, Cymbeline und Hamlet. Von ersteren beiden liegen
die Libretti kompositionsfertig vor, vom Cymbeline das Szenarium. Hamlet wurde rasch
verworfen, da sein Wesentliches nicht in
Geistererscheinungen oder Liebeshandlungen besteht, sondern in philosophischen
Reflexionen. Und Philosophie kann man
nicht singen. Außer bei Wagner, dessen
Monologe darum auch berüchtigt sind.
Gesamtkunstwerk aus einem Guss schaffen
wollte. Die Einzelkünste sollten nicht nebeneinander herlaufen, sondern zur Einheit
verschmelzen. Das Ideal des Dichterkomponisten stand seit der romantischen Idee des
Universalkünstlers im Raum, auch wenn sie
mit Persönlichkeiten wie E.T.A. Hoffmann,
Berlioz, Schumann, Wagner, Peter Cornelius, Boito, Pfitzner und Schönberg nur ausnahmsweise realisiert wurde. Für Verdi und
das konservative Italien war sie Ausdruck
von Modernität.
Verdis Prosa-Libretto des Macbeth ist nicht
erhalten. Der Vergleich der Bruchstücke
aus seiner Korrespondenz und der Fassungen Piaves mit Rusconis Übersetzung
offenbart aber, dass er sich eng an Rusconi
hielt. Das belegen viele wörtliche oder sinngemäße Entlehnungen. Gerade die berühmtesten Nummern basieren auf Rusconis
Wortprägungen, „La luce langue“ etwa oder
„Ora di morte“. Ungewöhnliche Formulierungen sind direkt von ihm übernommen,
Übersetzungsfehler, eigenwillige Deutungen
und dramatische Details, die bei Shakespeare nicht vorkommen, wie Macbeths
Ohnmacht im 3. Akt. Die Hexen erzählen
den grausamen Schabernack, den sie mit
der Frau des Kapitäns treiben, im Singular,
„ich“, obwohl das bei Verdi im Gegensatz
zu Shakespeare die ganze Soprangruppe im
Plural tut. Dass Verdi sich so eng wie möglich an Shakespeare halten wollte, deutet
er im Briefwechsel mit seinem Mitarbeiter
Piave mehrfach an. „Meines Erachtens
käme das klarer zum Ausdruck, wenn wir
Shakespeares Gedanken und seine eigenen
Worte verwenden“, heißt es dort einmal.
Der bisher nicht genügend gewürdigte Umstand, dass er sich bei Macbeth sein Libretto zumindest im Prosaentwurf erstmals
selbst schrieb, zeigt, dass er mit dieser Oper
ein sprachlich-musikalisch-dramatisches
Moderne Missverständnisse
12
Warum lohnt es sich, an Verdis Pochen auf
die Unkonventionalität seines Macbeth zu
erinnern? Weil uns dieses Werk mit der
schönen Tenor- und Bassarie, mit dem
Trinklied und der Bankettszene, mit den
Balletten und patriotischen Chören, ja selbst
mit der Arie der Lady „La luce langue“ wie
typischer Verdi vorkommt und dementsprechend kulinarisch genossen wird. Dabei
schärfte der Komponist etwa seiner ersten
Lady ein, es ginge ihm nicht um Unterhaltung, sondern darum, dass das Publikum
von Furcht und Mitleid ergriffen würde. Diese Formulierung deutet an, dass ihm etwas
wie eine antike Tragödie vorschwebte.
Furcht und Mitleid sind die Zentralbegriffe
der aristotelischen Tragödientheorie. Wie
passen aber die fidelen Hexen- und Mörderchöre, die ulkigen Botenmusiken, die
vom Anfang bis zum Ende der Oper immer
zwischen Cavatine und Cabaletta stehen,
der benommen taumelnde Walzer im 1.
Finale, mit dem das versammelte Ensemble
auf Duncans Tod reagiert, zur „antiken Tragödie“? Alles Dinge, die uns wie „typisch
Oper“ vorkommen!
Verdi scheint das anders gehört zu haben.
Wir können Macbeth heute nicht mehr mit
den Ohren von 1847 wahrnehmen. Unsere
Ohren sind den späten Verdi, Wagner, Puccini und die Musik des 20. Jahrhunderts
gewohnt. Wir können aber versuchen, seinen Absichten nachzuspüren.
Shakespeare in Italien
Ein Indiz ist die Wahl der Vorlage. Wenn
Verdi an Piave schreibt, „Diese Tragödie ist
eine der größten Schöpfungen der Menschheit“, dann scheint der Begriff Tragödie wie
auch der oben zitierte Verweis auf die aristotelischen Kategorien Furcht und Mitleid
darauf hinzudeuten, dass es ihm mit diesem
Experiment um einen neuen Ernst auf der
Opernbühne ging. Oper sollte existenziell
erschüttern, statt mit bel canto unterhalten.
Dass Verdi mit dieser Neujustierung der
Oper auf Shakespeare zurückgriff, war symptomatisch. Der Elisabethaner war damals
auf dem italienischen Theater so gut wie
inexistent. Mit Othello hatte man aus Lokalpatriotismus – er spielt bekanntlich in Venedig – 1841 und 1842 in Neapel und Mailand
zwei Versuche gemacht, die im Gelächter
und Gejohle eines Publikums untergingen,
das das Theater zur Entspannung nutzte wie
wir heute Sitcoms im Fernsehen und sich einen Farbigen auf der Bühne nur als schwarz
bemalte Witzfigur vorstellen konnte. Daneben hat die italienische Theatergeschichte
nur zwei halb private Teilaufführungen des
Hamlet 1791 und 1795 in gelehrten Liebhaberkreisen aufspüren können. Das sind alle
Shakespeare-Inszenierungen, die sich vor
Verdis Macbeth in Italien nachweisen lassen. Rossinis Otello (1816), Vaccais Giulietta e Romeo (1825) und Bellinis I Capuletti e
i Montecchi (1830) kommen uns des Titels
wegen wie Shakespeare-Opern vor, sind
aber keine. Sie gehen auf Schauspiele zurück, die entweder auf denselben Quellen
basieren wie Shakespeare (Vaccai, Bellini)
oder auf Schauspielen, die Bearbeitungen
von Bearbeitungen von Bearbeitungen
Shakespeares sind (Rossini). Die erste
italienische Shakespeare-Gesamtausgabe
erschien, wie erwähnt, erst 1838. Wer ihn
vorher lesen wollte, tat das auf Französisch.
Auch Verdi musste für das Macbeth-Libretto
hämische Kritik einstecken, bezeichnenderweise für jene Stellen, die mehr oder
weniger wörtlich aus Shakespeare übernommen waren. Der Erfolg seiner Oper trug
dann aber mit dazu bei, das bürgerliche
italienische Publikum an Shakespeare zu
gewöhnen, sodass ab der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts langsam ernst zu nehmende Shakespeare-Aufführungen in Italien
möglich wurden.
Verdis Griff zum „originalen“ Shakespeare
hatte auch einen selbsterzieherischen
Aspekt. Er verbaute sich dadurch jeden
Rückfall in die Opernschablone und zwang
sich, neue Wege zu suchen. Diese Erkundung inhaltlich-dramatischen Neulandes
verstand er als Experiment. „Je mehr man
über Macbeth nachdenkt“, schrieb er Piave,
„desto mehr Wege findet man, wie man es
besser machen kann.“ Was war es, was er
inhaltlich in Shakespeare sah?
Das „genere fantastico“
Am 17. Mai 1846 bestätigte Verdi dem Intendanten Alessandro Lanari, einem Freund
seiner Lebensgefährtin, dass er seinen
Kompositionsauftrag annähme und hielt
schriftlich fest, sie hätten sich auf eine Oper
im „genere fantastico“ geeinigt. Was war
damit gemeint?
Der Begriff „fantastico – fantastisch“ leitet
sich vom altgriechischen „phantasma“ =
Erscheinung, Bild, Vorstellung, Vision, Gespenst her. Beide Begriffe werden im Stück
13
zitiert. Zu Beginn spricht Macbeth die Hexen
als „creature fantastiche“ an. Die Worte
„fantasma“ oder „fantasima“ für Einbildung,
Vision kommen immer wieder an zentralen
Stellen des Librettos vor. Sie bezeichnen
die Erscheinung des Dolches im 1. Akt, des
toten Banco im 2., der künftigen Könige im
3. Damit signalisiert der Text selbst den Zuschauern, welchem Genre er angehört.
Der Kult des Fantastischen zwischen 1750
und 1850 hat eine verschlungene Geschichte. Sie verlief in den romanischen Ländern
anders als in den germanischen, in der
Hochkultur anders als in der Populärkultur,
in den einzelnen Nationen wieder unterschiedlich und war über viele Umwege
vermittelt, voller Missverständnisse und
Ungleichzeitigkeiten. Von Italien aus gesehen waren alle nordischen Länder, dort
wo es kalt und neblig war, die Heimat der
Hexen und des Fantastischen. Der Sinn
des Fantastischen war es, den klassizistischen Regelzwang, der in den romanischen
Ländern stark war, aufzubrechen und die
Fantasie zu entfesseln. Darum ging es Verdi auf der formalen Ebene, als er sich für
Stücke wie Macbeth, König Lear, Der Sturm
und Cymbeline mit ihren fantastischen und
märchenhaften Elementen interessierte.
Im Macbeth aber lösen die Hexen einen
innerpsychischen Prozess von tragischer
Unausweichlichkeit aus, während die anderen Stücke ihre Heldinnen und Helden
eher durch Märchensituationen schicken.
Der innerpsychische Aspekt des „Fantastischen“ sollte die Rechtfertigung dafür sein,
dass Verdi die Regeln der Gesangs-Oper mit
ihren stereotypen Stoffen, Konflikten und
Emotionen aufbrach. Und der Geisterapparat, das Schauvergnügen der gerade wieder
in Mode kommenden, romantisch erneuerten Feerien und Zauberopern, sollten dem
Publikum die möglicherweise bittere Pille
14
des versalzenen bel canto versüßen.
Hexen und Mörder: Das Groteske
Betrachtet man den Begriff des „genere
fantastico“ aus geistesgeschichtlicher
Perspektive, so erhält man den Schlüssel zu
den aus heutiger Sicht befremdlich fröhlich
wirkenden Hexen- und Mörderchören. Einer
der tonangebenden Vertreter der Romantik
im romanischen Sprachraum war der junge
Dichter Victor Hugo, der 1830 mit seinem
Hernani eine berühmte Saalschlacht zwischen Traditionalisten der klassizistischen
Schule und Neuerern in der Comédie
Française auslöste. Bereits drei Jahre zuvor
hatte er in einem viel gelesenen Essay, den
er als Vorwort zu seiner Tragödie Cromwell
publizierte, eine Theorie des modernen
Dramas skizziert. Dort wird unter Berufung
auf den in Frankreich noch immer nicht akzeptierten Shakespeare das Unregelmäßige,
Hässliche und Groteske als Signum der Moderne bezeichnet. Der ebenmäßig-schöne
klassizistische Idealismus, der an den Akademien gelehrt wurde, sei hingegen der Stil
der Antike, also einer vergangenen Epoche,
wenn nicht gar ihr epigonaler Abklatsch.
Der moderne Mensch, argumentiert Hugo,
habe kein ungebrochenes Weltbild mehr,
sondern erlebe die Welt als verwirrend.
Darum trete an die Stelle des harmonischschönen Menschen realistischerweise der
„charakteristische“, schlimmstenfalls der
groteske. Die Tragik des modernen Menschen und somit auch der modernen Tragödie bestehe in der erlittenen Diskrepanz
zwischen dem Streben nach dem schönen
Ideal und der hässlichen Wirklichkeit. Die
Formen des Grotesken und Hässlichen sah
Hugo in den Wasserspeiern der mittelalterlichen Kathedralen, bei Breughel oder
Hieronymus Bosch verwirklicht. Die Tragik
eines modernen Kunstwerkes könne vergrö-
ßert werden, wenn die Fantasie die natürlichen Formen der Hässlichkeit fantastisch
übersteigere. Auf diese Weise sind der Begriff des Grotesken und des Fantastischen
bei Hugo verknüpft.
Verdi war von Hugos Theorie angetan, zog
in den Jahren vor und nach Macbeth mehrere seiner Dramen für Opernprojekte in
die engere Wahl und vertonte schließlich
zwei, den konventionelleren Ernani (1844)
mit dem bewährten Liebesdreieck Bariton
zwischen Sopran und Tenor sowie den
unkonventionelleren Rigoletto (1851), in
dem er eine böse und hässliche Figur im
Sinne der Hugoschen Theorie der Fallhöhe
zum Zentrum einer umso erschütternderen
menschlichen Tragödie machte. Auch am
Macbeth interessierte ihn das Leiden des
Mörders, sodass es sicher kein Zufall ist,
dass er beide Partien für denselben Sänger
komponierte, obwohl er ihn wegen angeblicher vokaler Defizite zäh gegen Widerstand
durchsetzen musste: Felice Varesi. Es sollte
uns zu denken geben, dass die dritte Partie,
die Verdi für Varesi schrieb, Vater Germont
ist – auch ein humaner Mörder?
Hugos Theorie des Grotesken hilft uns zu
verstehen, warum Verdi für die Hexen und
Berufskiller Musiken schreibt, die auf uns
wie Parodien wirken. Das Wilde und Verzerrte der Hexenreigen ist das Irreguläre. Es
spiegelt den Versuch, eine Musik zu finden,
die klassizistischem Ebenmaß widerspricht
und durch rhythmisch „falsche“ Akzente,
dem „gesunden Menschenverstand“ widersprechende Harmonik und Melodik (DurTonarten für das Böse) und Übertreibungen
à la Hieronymus Bosch auf hintergründige
Weise grotesk wird. „Die Hexen dominieren
das ganze Drama“, schreibt Verdi an seinen
französischen Verleger: „Alles geht von ihnen aus. Sie sind lümmelhaft und redselig im
Folgeseiten Seung-Gi Jung, Kinderstatisten
ersten Akt, weise und prophetisch im dritten.“ Seinen Helfer Piave weist er an: „Die
Sprache des Librettos muss gehoben sein
außer in den Hexenchören, die trivial sein
sollen, aber grotesk und originell.“ Auch für
sie suchte Verdi die Hugo-typisch paradoxe
Verbindung von Vulgariät und Weisheit. Da
er sie in seiner Shakespeare-Übersetzung
nicht fand, sollte Piave helfen: „Die Verse
der Hexen müssen viel befremdlicher klingen. Ich kann dir auch nicht sagen, wie,
aber so sind sie nicht schön. […] Du musst
experimentieren und eine bizarre Poesie
finden.“ Das Ergebnis blieb mehrdeutig. Die
Hexenchöre gehörten zwar zu den Erfolgsnummern der Partitur, scheinen aber von
der Masse mehr genossen als begriffen
worden zu sein, während traditionelle Kritiker wie Alessandro Gagliardi wetterten,
ihre „skandalöse“ Komik widerspräche der
Tragik des Sujets. Gagliardi kämpfte als
Klassizist gegen die Neuerer, die unter Hugos Fahnen das Groteske propagierten und
„alles Erhabene ins Lächerliche ziehen“.
Auch am Gassenhauer-Ton des Mörderchores, der ebenfalls überall, wo Macbeth gespielt wurde, wiederholt werden
musste, kritisierten Gagliardi und seine
Gesinnungsgenossen, er habe „nichts
von dem Erschreckenden, was die Worte
verlangen“, weil Verdi hier erneut der Hugoschen Theorie des Kontrasts folgt. Der
Komponist weist Piave darauf hin, dass der
Chor zwischen der Arie der Lady, die im
erhabenen Stil zu versifizieren sei, und der
Bankett-Szene stünde. Dadurch war klar,
dass ein heiteres Zwischenspiel gebraucht
wurde, um das Schicksal umso wuchtiger
auf Banco niedergehen zu lassen. Zudem
waren Mörder, wenn sie nicht wie Macbeth
als Hauptpersonen, sondern als Handlanger
auftreten, nach Hugo und wie in Shakespeares Königsdramen seelisch deformiert,
15
16
17
also groteske Figuren, während Mörder als
Hauptpersonen wie Rigoletto oder Macbeth
in die Kategorie „erhaben“ fielen.
Die Theorie des Kontrasts ist auch auf
der Mikroebene wirksam. Zwischen der
Prophezeiung und dem Duettino Bancos
und Macbeths in der ersten Szene gibt es
einen kleinen Chor der Boten. Die beiden
Feldherrn taumeln noch benommen von den
unbegreiflichen Prognosen, die ihnen da gestellt wurden, von cis-Moll über g-Moll nach
G-Dur. Da bricht der sonnige C-Dur-Marsch
der sechs Boten pausbäckig mit seiner Botschaft „für Macbetto“ in die düstere Ratlosigkeit und erfüllt die zweite Weissagung.
Der Einbruch ist eigentlich nichts anderes
als eine etwas unpassend-heitere Kadenz,
die zwei düstere Episoden voneinander
trennt, um eine Kontrastfläche zu schaffen
und den beiden Nummern zu größerer Wirkung zu verhelfen. Dasselbe wird sich im 4.
Akt mit der Ankunft Malcoms im Stile der
Gesslerschen Truppe aus Rossinis Wilhelm
Tell-Ouvertüre wiederholen, der die beiden
Teile der Arie Macduffs trennt.
Realitätsverlust
Schließlich hat der Begriff des Fantastischen eine psychologische Ebene. Das
griechische Wort „phantasma“ bezeichnet
auch die Einbildung. Macbeth hat ein Realitätsproblem. Im 1. Akt ist es der Dolch, den
er klar vor Augen sieht, aber nicht greifen
kann, im 2. Akt Bancos Geist, im 3. die Vision
der künftigen Könige, im 4. der Wald von
Birnam, der sich bewegt. Solche Momente
halluzinatorischer Wahrnehmungsstörung
auf der schwer fassbaren Grenze zwischen
Wahn und Wirklichkeit faszinierte die Menschen des 19. Jahrhunderts. Man denke an
die Irrenhausfantasien in den Nachtwachen
des Bonaventura und Ingres‘, an Berlioz‘
18
Symphonie fantastique und Courbets Fou
de peur, an E.T.A. Hoffmanns und Dostojewskis Doppelgänger und die Mode des
Sonnambulismo auf der Opernbühne. Nicht
ohne Grund tat die klinische Psychologie
zwischen Karl Philipp Moritz und Charcot
damals ihre ersten Schritte.
Wo die Fantasie aufgewertet wird, kann
sie zur Bedrohung werden, wenn sie außer
Kontrolle gerät. In den Erzählungen E.T.A.
Hoffmanns und seiner Nachahmer war dies
eines der Hauptthemen. Die Flucht in die
Fantasie hatte oft reale gesellschaftliche
Ursachen. Es war eine Flucht aus einer
politisch bedrückenden und ökonomisch
beängstigenden Gegenwart.
Eine Liebestragödie
Für einen Komponisten, der sich für die
differenzierte Darstellung von Seelenvorgängen interessierte, war das ein weites
Feld. Der Aspekt des unkontrollierbaren
Wahns muss Verdi am „genere fantastico“
interessiert haben. Zwar gehörte die Wahnsinnsszene zur Standardausstattung der
Belcanto-Oper. Mit Macbeth hatte er aber
einen Stoff an der Hand, bei dem die Standardformen nicht mehr griffen. Hier ging es
nicht um einen Wahnsinnigen, sondern um
einen normalen Menschen, der unvermittelt
von Schüben von Realitätsverlust heimgesucht wird. Zu derartigen Phänomenen
verspürten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Intellektuelle eine mehr oder
weniger starke Affinität. Sie erschienen auf
unheimliche Weise relativ normal. Für dessen Erkundung musste Verdi neue musikalische Ausdrucksweisen finden. Das dürfte
ihn angezogen haben.
In traditionellen Lesarten des Macbeth
werden jene berühmten Briefstellen zitiert,
in denen Verdi und sein Assistent Muzio
darauf bestanden, dass für Macbeth und
die Lady keine „schönen“ Stimmen notwendig seien, sondern charaktervolle,
solche die wirkungsvoll „deklamieren“, also
sprechsingen konnten, ja sogar „hässlich“,
„rau“, „hohl“, „tonlos“ seien. Es lohnt sich
aber, sich bei diesen Zitaten den genauen
Wortlaut und jeweiligen Kontext anzuschauen. Am 19. August 1846 hatte sich Verdi
entschlossen, Macbeth zu komponieren.
Bedingung war allerdings, dass sein Duzfreund Felice Varesi die Titelpartie sänge. Er
akzeptierte keinen anderen Interpreten. Den
Einwand seines Auftragsgebers, es gäbe
doch viel bessere Sänger in Italien, nahm
Verdi vorweg. Varesi sei der Einzige, der
die Partie so singen könne, wie er sie sich
vorstelle, und zwar aufgrund seiner Art zu
singen („per il suo genere di Canto“), seiner
Intelligenz, seiner Sensibilität, seiner kleinen
Statur und hässlichen Erscheinung.
Ein anderer, viel zitierter Brief bezieht
sich auf die Inszenierung in Neapel, in der
Eugenia Tadolini die Lady singen sollte.
Verdi lehnte sie mit der Begründung ab,
ihre Stimme und Erscheinung seien viel zu
schön. „Die Tadolini hat eine wundervolle, klare, reine, kraftvolle Stimme und ich
möchte für die Lady eine herbe, gequetschte, dumpfe Stimme haben.“ Der letzte
Begriff, „cupa – dumpf, düster“ findet sich
als Vortragsbezeichnung allenthalben in
der Partitur. Gerade, weil er einen so ungewöhnlichen Deklamationsstil forderte, hatte
sich Verdi Mühe gegeben, dies an allen
Stellen, wo er ihn vorsah, in den Noten
auch zu vermerken. „Achte genau auf Bezeichnungen, Akzente, pp.- und f-Vorschriften in der Partitur“, ermahnte er Varesi am
7. Januar 1847. „Du wirst alle Erläuterungen
zum Vortrag in deiner Stimme verzeichnet
finden.“
Äußerungen solcher Art ließen sich weiter
zitieren und sind mittlerweile zum Klischee
geworden, weil sie die Modernität Verdis
unterstreichen. Dabei geriet etwas Anderes
vollkommen in Vergessenheit: Wie oft Verdi
und seine Zeitgenossen im Hinblick auf
Macbeth von der Schönheit und Großartigkeit dieser Musik sprechen. Am 14. Dezember 1846 brachte sein Assistent Muzio das
Particell (Gesangsstimme plus Basslinie)
des 1. Aktes zum Kopisten und schwärmte: „Sie können sich die Originalität und
Schönheit dieser Musik nicht vorstellen.“
Als Varesi die ersten beiden Akte bekam,
bezeichnete er sie als Verdis „schönste und
dramatischste“, seine „erhabenste Musik“.
Verdi fand Piaves Hexenverse nicht „schön“
genug, zählte Macbeths Dolchmonolog, die
Schlafwandelszene, ja das ganze Stück zu
den „schönsten und poetischsten dramatischen Eingebungen“ und betonte immer
wieder, seine Oper solle poetisch, „sublim“
sein, nicht „disgustoso – abstoßend“. Seiner ersten Lady schärfte er ein, ihre erste
Arie „Che tardi“ sei „di genere grandioso e
cantabile, ma d’un cantabile non sdolcinato
– groß und kantabel, aber nicht klebrigsüß“.
Die gleiche Anweisung erhielt gleich mehrfach sein erster Macbeth, dem er einschärfte, seine Sterbeszene männlich und von
der zuckersüßen Manier Donizettis fernzuhalten. Aus Verlautbarungen wie diesen
schmiedeten die selbsternannten Retter des
Belcanto dann eine Verdi-Karikatur, die mit
umgekehrten Vorzeichen heute immer noch
zu wirken scheint: „Seine Züge sind stark
entwickelt, verraten aber mehr Intellekt als
Fantasie. Er ist hager, wortkarg, gelblich. Es
ist nur zu offensichtlich, dass Begeisterung
und Spontaneität nicht zu seinen hervorragenden Charakterzügen gehören. Seine
traurige und grüblerische Art passt genau
zu seiner zerquälten, getriebenen Musik. Er
wirkt wie ein Bauer, der sich auf seinem un19
fruchtbaren Boden plagt und ständig Angst
um seine Ernte hat.“
Nur verdeckt diese Karikatur eine wesentliche Seite Verdis. Als er 1864 für die
Pariser Neufassung die „schreckliche“,
weil konventionelle Cabaletta der Lady im
2. Akt ersetzte und einen neuen Text aus
Shakespeares Monolog III, 2 – „La luce
langue“ – destillierte, schärfte er Piave ein,
er solle „il troppo di terribile – das Zuviel
an Grauen“ entfernen und stattdessen die
Freude der Lady betonen. „Però vorrei che
restasse la parola volluttà – Darum will ich,
dass das Wort Wollust [in der Endfassung
des Textes] stehenbleibt“. Im 3. Akt fügte
er nach Macbeths Zusammenbruch seine
Begegnung mit der ihn suchenden Lady
ein, die ihn „in seiner großen Seelennot
ein wenig aufrichtet“. Verdi hatte seinen
Shakespeare genauer gelesen als seine
Interpreten. Einmal sensibilisiert, fällt nämlich auf, wie zärtlich Lord und Lady Macbeth
in der Vorlage mit einander umgehen. Macbeth redet seine Frau liebevoll „my dearest
partner of greatness“ (I, 5, 11), „my dearest
love” (I, 5, 58), „love” (III, 2, 29), „dear wife”
(III, 2, 36), „dearest chuck” (III, 2, 45) usw.
an, die Lady ihren Mann „my husband“ (II, 2,
13) und „gentle my lord” (III, 2, 27). „Lay it to
thy heart” schreibt Macbeth der Lady, sein
Herz sei „too full o’th’milk of human kindness” repliziert diese (I, 5, 13ff.). Auch König
Duncan weiß, dass die Lady Macbeths
„great love” ist (I, 6, 23). Und noch während
der Entscheidungsschlacht nimmt dieser
sich ausführlich Zeit für eine Visite, um mit
dem Arzt über die Heilung seiner Frau zu
beraten (V, 3, 37-60). Die bequeme Gewohnheit, in dem Mörderpaar das absolut Böse
zu sehen, hat uns daran gewöhnt, darüber
hinwegzulesen, was offen an Shakespeares
Textoberfläche, und über die Intimität
hinwegzuhören, die in Verdis Arien und
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Duetten liegt. „Das Thema [des Macbeth] ist
weder politisch, noch religiös, sondern fantastisch“, schreibt Verdi am 19. August 1846
an Lanari. Fantastisch in jenem oben dargelegten dreifachen Sinn, der darauf hinausläuft, dass der Mensch in seinen eigenen
Bildern, seinen eingebildeten Bildern von
der Wirklichkeit, auch „selffulfilling prophecies“, eingeschlossen ist. „Der Mensch, das
Tier, das seine Träume deutet, / verliert‘s
den Schlüssel seiner Traumeswelt, / so
steht es nackt in Weltenraumes Frost / vor
seiner eignen Thür und leidet Pein“, heißt
es in Gerhart Hauptmanns ShakespeareParaphrase Schluck und Jau. Diese verdrängte Schicht wieder freizulegen, nimmt
sich unsere Inszenierung vor.
Ein weiterer Ansatz liegt in Verdis Bearbeitung der Shakespeareschen Tragödie. Verdi
zoomt das Protagonistenpaar in so radikaler
Weise heran, dass seine Zeitgenossen ihn
immer wieder und mit allen Mitteln bereden
wollten, die Tenor-Partie des Macduff aufzuwerten. Verdi bestand darauf, dass seine
Oper drei Protagonisten habe, Lady, Macbeth und die Hexen – in dieser Reihenfolge
im Brief an Escudier, 8.2.1865 – und weigerte
sich, davon abzugehen. Tatsächlich fällt
auf, dass er alle Morde von der Bühne verbannte. König Duncan, dessen Verhältnis
zu Macbeth Shakespeare den ganzen 1.
Akt widmet, zieht bei Verdi einmal wenige Sekunden lang stumm im Hintergrund
über die Bühne. Bancos Ermordung, bei
Shakespeare spannend auf offener Szene
exekutiert, verlegt Verdi ins off. Die Ausrottung von Macduffs Familie, bei Shakespeare
ein elisabethanisches Schlachtfest voll
blutigen Humors – „Stirb, du Ei!“ –, wird
bei Verdi nur beklagt. Und in seiner Pariser
Bearbeitung war es ihm ein zentrales Anliegen, auch den letzten verbliebenen Mord,
Macbeths Ende, aus dem Blickfeld der
Zuschauer zu nehmen. Verdi hat das Stück
zu reinem Kopftheater gemacht, in dem
sich zwei Menschen mit ihren Fantasmen
plagen. Unsere Inszenierung nimmt diese
Versuchsanordnung ernst.
Paris 1865
Gespielt wird trotz des in seiner wuchtigen
Knappheit vielleicht eindrucksvolleren
Schlusses der Urfassung von 1847 die Pariser Fassung von 1865. Es ist diejenige, die
Verdi für letztgültig ansah. Die Veranlassung
zu der Überarbeitung gab Léon Carvalhos
Wunsch, Macbeth nach den extrem erfolgreichen Pariser Aufführungen des Rigoletto
und der Traviata als Konkurrenzunternehmen des Théâtre Lyrique zu der ungeduldig
erwarteten Uraufführung von Giacomo
Meyerbeers Nachlassoper Die Afrikanerin
an der Pariser Oper ins Feld zu führen. Macbeth bot sich dazu an, weil er mit seinem
schottischen Ambiente ebenso exotisch wie
Die Afrikanerin war und mit seinen Hexen
und Geistererscheinungen eine Inszenierung voller Zaubereffekte ermöglichte. Carvalho bat Verdi um ein zusätzliches Ballett
und ein pompöseres Chorfinale nach dem
Geschmack der Pariser. Verdi las sich die
Partitur noch einmal durch und teilte Carvalho mit, dass er auf „Dinge“ in der Musik
gestoßen sei, „die ich nicht zu finden hoffte“. „Einige Nummern dort sind entweder
schwach oder ohne Charakter, was noch
schlimmer ist.“ Den 3. und 4. Akt, der schon
bei der Uraufführung nicht gezündet hatte,
schrieb er bis auf die unverändert übernommene Schlafwandelszene fast vollständig
neu. Im 1. Akt wurde das Duett MacbethLady, im 2. Akt das Finale überarbeitet. Die
Folgeseiten Seung-Gi Jung, Kinderstatist, Damenchor
konventionelle Cabaletta der Lady im 2.
Akt wurde gegen „La luce langue“ ausgetauscht. „Der Rest ist gut, schnell und
feurig.“ Besondere Sorgfalt verwendete
Verdi auf die Instrumentation, also auf das
Spiel der Orchesterfarben. Er sah weder die
Ballette noch den Schlusschor als lästige
Pflicht an, sondern war im Gegenteil sehr
zufrieden mit ihnen. Der Schlusschor sei
„trocken und wild“ und habe „Charakter“.
Trotzdem hat sich die mit großem Aufwand
inszenierte Pariser Fassung nicht durchgesetzt. Sie wurde nach 14 ungenügend
verkauften Vorstellungen vom Spielplan
genommen und konnte sich erst ab 1928
durchsetzen, als Fritz Busch und Carl Ebert
mit sensationell erfolgreichen Aufführungen dieses Werkes eine von Deutschland
ausgehende Macbeth-Renaissance auslösten, die 1936/37 auch Karlsruhe erreichte.
Verdis Verleger gab zwar auch die Pariser
Fassung in italienischer Sprache heraus,
ließ wie der Komponist aber den Bühnen
selbst die Wahl. Die zogen bis zum Abbrechen der Aufführungstradition im Jahre
1894 die Urfassung vor. Als Macbeth 1928
wiederentdeckt wurde, drehte sich das
Verhältnis um. In Karlsruhe wurde das
Werk in bisher vier Produktionen gezeigt.
Nach der genannten Erstaufführung 1936/37
außerdem 1954/55 unter Walter Born mit
Paula Baumann und Karl Wolfram als
Titelpaar in einer an Eberts Modell anknüpfenden Inszenierung von Gerhard Overhoff,
1978–1980 mit Dagmar Trabert und Anthony
Raffell unter Christof Prick in der Inszenierung Václav Kasliks sowie 1997–2001 mit
Ines Salazar und Valeri Alexejev unter Kazushi Ono in der Inszenierung von Thomas
Schulte-Michels.
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VORHERBESTIMMTE
DER
MENSCH
ZUR MUSIK
Kürze und Klarheit waren Verdis Anliegen
bei der Konzeption und Komposition des
Macbeth. Der Niedergang des Paares sollte mit der Unausweichlichkeit einer antiken
Tragödie à la Ödipus von dem, was Macbeth in seiner letzten Arie als „höllische
Weissagung“ bezeichnet in den Untergang
führen. Alles Beiwerk wurde gekappt.
Großstruktur
Die vier Akte der Oper weisen eine klassisch-symmetrische ABAB-Struktur auf.
Im Zentrum des 1. und 3. Aktes stehen die
Hexen und ihre Wirkung, im Zentrum des
2. und 4. die Menschen. Die Finali 1 und 2
sind großdimensionierte Chor-Tableaux,
die Finali 3 (Racheduett) und 4 (Schlacht,
kurzer Dialog Macduff/Macbeth und vier
Takte Schlussspruch) von geradezu becketthafter Lakonie. Verdi hat sich 1864/65
entschlossen, diese eisige Kargheit aufzugeben und der zweiten Werkhälfte, die
das Publikum ratlos ließ, mehr romantische
Luft zum Atmen zu geben. So entstanden
nachträglich das epische Ballett der Zu24
kunftsvisionen und vor allem das pompöse
Finale des 4. Akts. In der Neufassung, die
unserer Inszenierung ungekürzt zugrunde
liegt, nähert sich die Struktur der Oper der
klassischen Sinfonie mit den Sätzen Allegro
(1. Akt) – Scherzo (2. Akt: Mörderchor und
Bankettszene) – Andante (3. Akt: Vision) –
Allegro-Finale (4. Akt) an. Diese Deutung
wird auch dadurch gestützt, dass Verdi eine
Aufteilung des 4. Akts in zwei Akte, wie sein
Pariser Auftraggeber Léon Carvalho sie
wünschte, ablehnte.
Preludio
Eröffnet wird die Oper von einem knappen,
aber gehaltreichen „Preludio“, das VerdiFeinde schon 1847 giften ließ, der „ordinäre
Maestro“ sei eben nicht in der Lage, eine
schulgerechte Ouvertüre à la Rossini zu
schreiben, obwohl er genau das in Nabucco getan hatte. Die Holzbläser zitieren
zunächst die Zaubersprüche der Hexen
aus dem 3. Akt, deren groteskes Ritual vom
diabolischen Lach- und Blitzmotiv der ersten Szene gebrochen wird. Darauf rufen
die Posaunen zum Jüngsten Gericht. Es
sind dieselben Posaunen, die im 3. Akt die
Erscheinung der Kinder und Könige „dalle
basse, dalle alte regioni“ ankündigen und
dessen Feierlichkeit von dem zweiten Hexenlachmotiv der 1. Szene gebrochen wird.
Da diese Erscheinungen aus Himmel und
Hölle kommen, folgt darauf eine Episode, in
der das erste Schlafwandelmotiv der Lady,
ihr tastendes Suchen, mit einer apokalyptischen Sequenz steigender und fallender
Tutti-Akkorde konfrontiert wird, als ob die
Kinder und Könige Himmels- und Höllenleitern auf- und niederstiegen, um gegeneinander zu kämpfen. Schließlich wird auch
das zweite Schlafwandelmotiv der Lady
eingeführt. Es ist eine melancholische Klage im Stile Donizettis, deren weit gespannte
Melodiebögen die Lady in ihrer Zerrissenheit aber nicht mehr wird singen können.
Sie kann in ihrer großen Szene nur noch
abgerissene Phrasen stammeln. Darum
wird der Gesang auch dort von Flöten, tiefer
Klarinette und Violinen übernommen. Es ist,
als würde das Orchester sie beklagen.
Das Vorspiel fasst also den gesamten
Radius der Tragödie in sich: Von dem unheilvollen Orakel der Hölle bis zur totalen
Zerstörung des Menschen. Die Ouvertüre
verwendet ausschließlich Motivmaterial
der Frauen. Für eine Tragödie, die nach einem Mann benannt ist, ist das merkwürdig.
Sind die Frauen Macbeths Schicksal, wie
das Duett „Fatal mia donna!“ nahezulegen
scheint? Dessen Motiv wird übrigens auch
in der kurzen Einleitung zum 2. Akt zitiert.
Vorausdeutungen
Die 1. Szene ist wieder klassisch gebaut:
Zwei Hexenchöre rahmen die kurze Wahrsageszene, den parodistischen Botenchor
und ein daran anschließendes Duettino
Macbeth/Banco ein. Macbeths Orakel
steigt in Terzen auf, Bancos Orakel tut einen tiefen Oktavfall, kehrt aber mit jedem
der drei Sprüche chromatisch aufsteigend
unmerklich in die Tonika, also sozusagen
„nach Hause“, in die „gottgewollte Ordnung“ zurück. Ein erstes Beispiel komponierter Ambivalenz, also jener Doppeldeutigkeit, die als Motto über Shakespeares
Tragödie steht – „Fair is foul and foul is
fair“ (I, 1, 11) und die Menschen, die das
mißverstehen, in den Untergang treibt. Dem
Duettino ist erstmals jener rhythmisch treibende Puls unterlegt, der sich als atemloses Herzklopfen in verschiedenster Gestalt
durch das Stück ziehen wird. Das monoton
tappende Staccato der Nachtwandlerin
klingt wie eine entseelte Deformation
dieses Herzschlags, die schwungvollen
Cabaletta-Rhythmen wie kraftstrotzender
Übermut. Macbeth singt in gebundenen
Linien, aber harmonisch instabil, Banco
in hüpfenden Rhythmen, aber unerschütterlich auf kadenzharmonisch sicherem
Boden. Hier werden zwei gegensätzliche
Charaktertypen vorgeführt: Der labile und
der nie zu verunsichernde.
Die Hexen treten, wie derlei zweifelhafte
Kollektive oft bei Verdi, z.B. auch die Mörder in Macbeth, nach Stimmhöhe gruppiert
auf: Erst die tiefen, dann die mittleren,
dann die hohen Stimmen. Vielleicht war
das für italienische Opernchöre anno 1847
einfach leichter sauber zu singen. Nach
einem gestampften Dialog tanzen sie einen
operettenhaft-fidelen Hexenreigen in ADur. Der Schlusschor der Szene evoziert
mit punktierten Galopprhythmen den Hexenritt auf dem Besen. Schon beim Abflug
prophezeien sie, dass Macbeth wiederkommen wird und weisen damit auf den 3. Akt
voraus. Mit der im Macbeth ähnlich wie im
vier Jahre späteren Rigoletto dicht entwic25
kelten Technik der Vorausdeutungen und
Vorahnungen betont Verdi die Unausweichlichkeit des Schicksals. Das Paradox von
individueller Schuld und Vorherbestimmung
ist eine Konstante seiner Werke bis zum
Troubadour und zur Macht des Schicksals.
In Rigoletto und Macht des Schicksals
sind es ein Fluch und ein Pistolenschuss,
also Menschen, die die Katastrophe auslösen, im Troubadour wie in Macbeth eine
Hexe, genauer eine Frau, die als Hexe
verbrannt wird. Shakespeare beschreibt
einen Schicksalskreislauf. Zu Beginn seiner
Tragödie wird Macbeth als Tapferster der
Generäle und Ausbund staatsmännischer
Tugend eingeführt. Er verteidigt das Reich
gegen inländische Rebellen und ausländische Aggressoren. Für das, was dann
geschieht, findet der Dramatiker deutliche
Worte. Der loyale Feldherr konfrontiert Norwegens König kämpfend „mit seinem Ebenbild, / Schwertspitze gegen Schwertspitze,
Arm gegen Rebellenarm, / Und zwingt den
weit über das ihm Zustehende hin ambitionierten Geist zurück in die Ordnung.“ Am
Ende ist Macbeth selbst zu dem geworden,
was er am Anfang bekämpfte: Ein „rebellious arm“ und „lavish spirit“. Dahinter
steckt bei Shakespeare das Modell des
Satansfalls vom Schönsten der Engel zum
Bösesten der Bösen. Dieser Fall wird bei
Verdi von den Hexen ausgelöst. Ihr Lachen
aber ist zweideutig. Die charakteristischen
Zweiunddreissigstel-Figuren können gemäß Regieanweisung als Blitze, aber auch
als Hexengekicher gedeutet werden. Sind
es Naturgewalten oder doch eher menschenähnliche? Oder gar Einbildungen
der überhitzten Fantasie? Die europäische
romantische Literatur war besessen vom
Verschwimmen dieser Grenzen. „Siehst
Vater, du den Erlkönig nicht! / Den Erlenkönig mit Kron‘ und Schweif? / Mein Sohn, es
ist ein Nebelstreif.“
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Die anschließende Szene der Lady beginnt
mit einer kurzen Instrumentaleinleitung,
die aus dem Sturm auf der Heide einen
Seelensturm macht. Die Szene selbst ist
nach bewährtem „forma solita“-Muster in
langsame Cavatine und schnelle Cabaletta
zweigeteilt. Als Ausdruck schreibt Verdi
„grandioso“ vor. Dieselbe Ambition verrät
die Melodieführung mit großen Intervallsprüngen. Die Lady will nach oben. In den
halben Noten der Cabaletta staut sich die
Energie, die sich in rauschenden Skalen
entlädt.
Der Marsch, mit dem der König hinter der
Szene in das Schloss einzieht, ist ein typisches „banda“-Stück, wie es Verdis Zeitgenossen aus dem Repertoire ihrer Militärkapellen kannten. Verdi schreibt „musica
villereccia“ darüber. „Ländliche Musik“ für
einen König? Ziehen ihm Bauern entgegen?
Als heiteres Zwischenspiel steigert es analog zu Shakespeares berühmter Szene I,6,
aber hier mit rein musikalischen Mitteln,
den Kontrast zur folgenden „Scena“, in
der Macbeths Dolchmonolog einen neuen
Parlando-Stil erprobt. Nicht eine formalmusikalische Idee gliedert den Monolog,
sondern Shakespeares Text, die psychische
Bewegung. Verdi war stolz auf die Orchesterpalette, die er einsetzt, um die wechselenden Eindrücke, die durch Macbeths
Hirn huschen, als ständig wechselnde
Farbnuancen desselben Grundtons fühlbar zu machen. Die Basis sind gedämpfte
Streicher und Pauken, darüber huschen
Holzbläser und Horn in immer neuen Kombinationen. Das Parlando geht fließend in das
dreiteilige Duett „Fatal mia donna“ über.
Der Grundpuls greift das bereits erwähnte
„klopfende Herz“ wieder auf, die permanente existenzielle Unruhe, Unsicherheit,
Getriebenheit evozierend, sowie zweitens
das Motiv des immer wieder gegen die
Ks. Konstantin Gorny, Seung-Gi Jung
27
Wand An- oder auf denselben Ton Zurennens, das wir als Heldenmotiv aus Beethovens Eroica kennen. Es erinnert uns einmal
mehr an Beethovens Bedeutung für Verdi.
Figuren der Wiederholung, des obsessiven
Auf-der-Stelle-Tretens gehören zu den charakteristischsten Motiven des Macbeth.
Auch das 1. Finale ist dreiteilig angelegt.
Auf die Entdeckung des Mordes folgt ein
Adagio „con tutta la forza“ in statischem
Unisono, in dem das gesamte Ensemble
wie unter Schock erstarrt. Nach einer Generalpause wird Gott in einem a-cappellaGebet im dreifachen Pianissimo um Hilfe
angefleht. Schließlich haben sich die um
Fassung Ringenden wieder gefangen und
schwingen, immer noch benommen, in einen kollektiven Walzer ein, der sie langsam
ins Leben zurückholt. Wenn man an die
öffentlichen Reaktionen auf die Pariser Terroranschläge vom November 2015 zurückdenkt, fällt auf, dass Verdis Modell ziemlich
genau beschreibt, wie Gesellschaften auf
kollektive Traumata reagieren. Die 1. Stufe
ist Fassungslosigkeit (Wie konnte das passieren?), die 2. Anrufung Gottes (gemeinsame Trauerrituale, Beileidsbekundungen,
Staatsakte), 3. Benommene Rückkehr ins
Leben (Suche nach Lösungen, meist hilflos
und vorschnell: Walzer, Pseudobewegung).
Der 2. Akt beginnt mit einer Reprise des
„Fatal mia donna“-Motivs aus dem 1. Die
Sorge nagt an den Protagonisten. Der kurze
Austausch des Paares mündet in Macbeths
Entschluss „Banco, die Ewigkeit öffnet dir
ihr Reich“. Eine Modulationskette stürzt
von H-Dur bis dis-Moll in die Tiefe. Die
sich daran anschließende konventionelle
Cabaletta der Lady von 1847 hat Verdi 1865
durch „La luce langue“ ersetzt. Die Arie
setzt mit einer Barcarole ein, in der man die
Wellen des Unterweltsflusses treiben hört,
28
und steigert sich über einen Mittelteil voller
ostinater Wiederholungen in den Jubel
des Schlussteils. Der Mörderchor in ungetrübtem C-Dur setzt, wie so oft in Macbeth,
einen Kontrast und verschafft den Nerven
ein wenig Entspannung vor Bancos Arie,
die erstaunlicherweise exakt wie die der
Lady davor zwischen e-Moll und E-Dur pendelt. Hier hat Verdi in der Pariser Fassung
über die Harmonik einen Bezug hergestellt,
sodass der ganze 2. Akt eine Spiegelsymmetrie aufweist, deren Spiegelachse der
Mörderchor ist. Das Bankett-Finale beginnt
denn auch analog zum Aktbeginn in f-Moll
mit einer Festmusik in F-Dur. Ihren BuffaTon kennen wir aus den Ball-Bildern von
Rigoletto, Traviata oder Maskenball. Wie
in diesen steht ein zweistrophiges Trinklied
(Brindisi) im Mittelpunkt, in dessen Refrain
der Chor einstimmt. Allerdings wird die
Fröhlichkeit zweimal durch Macbeths Visionen gestört, wobei die zweite Erscheinung
durch eine wunderbare Modulation von
b-Moll nach E-Dur entspannt wird. Der Akt
klingt in einem benommenen Concertato
aus, dessen unruhige Triolen an den „Walzer“ des 1. Finales erinnert. Es gehorcht
demselben Prinzip des „bewegten Stillstands“.
Im Zentrum des 3. Aktes steht die dreiteilige
Ballettmusik, die in unserer Aufführung vollständig erklingt, sowie die 1865 harmonisch
durchgreifend neugefasste Vision der künftigen Könige, die mit Macbeths Ohnmacht
endet und über einen vertanzten HeilschlafChor der Luftgeister in ein finales Racheduett mündet. Die Idee des Heilschlafes hatte
Verdi aus Goethes Faust II übernommen,
den er durch seinen Freund Andrea Maffei
kannte. Dort wird der Gretchen-Mörder
durch ein solches Therapeutikum von seinen Gewissensbissen befreit. Macbeths
Ohnmacht war eine Erfindung der von Verdi
benutzten Shakespeare-Übersetzung. Bei
den Balletten handelt es sich um sogenannte Aktionsballette, bei denen pantomimisch
Handlung dargestellt wurde. Das feurige
erste basiert auf dem Klanggegensatz
zwischen Blechblasinstrumenten, die in
solchen Kontexten immer eine Anmutung
von Jüngstem Gericht haben, und Streichern. Das zweite, ein „religiosamente“
überschriebenes Andante, ist harmonisch
besonders exquisit und enthält eine mit
Bassklarinette, Fagott und Cello außergewöhnlich instrumentierte Melodiestimme,
die wie Saxophon klingt. Die „Valzer“
überschriebene Nummer ist „vivacissimo“,
geradezu hektisch und von diabolischer
Getriebenheit. Die Visionsszene selbst wird
von jenen Posaunen des Jüngsten Gerichts
eingeleitet, die schon in der Ouvertüre erklangen.
Für den 4. Akt schrieb Verdi einen Chor
schottischer Flüchtlinge, der bewusst an
„Va pensiero“, den Hit aus Nabucco anknüpfte. 1865 ersetzte er ihn durch eine
Neukomposition. Sie gibt den homophonen Volksliedcharakter „zum Mitsingen“
zugunsten eines komplexeren, motettisch
durchbrochenen Satzes auf. Auch diese
Fassung basiert auf Synkopen, dem musikalischen Äquivalent für Seufzer. Sie werden
aber vielfältiger eingesetzt. Ein Vor- und ein
Nachspiel umrahmen die beiden Strophen.
Macduffs Arie folgt wieder der zweiteiligen
„forma solita“. Macduffs Klage um seinen
ermordeten Sohn gibt Anlass zu einer
innigen Cavatine, die über ein burleskes
Zwischenspiel mit Malcolm als „reitendem
Boten“ in die Cabaletta „La patria tradita“
mit Chor-Refrain übergeht und in eine effektvolle Stretta mündet. Dass die Cabaletta
von einem zweiten Tenor verstärkt wird, war
eine Notlösung. Der Macduff der Uraufführung soll nicht über genug Stimme verfügt
haben. Heute trägt die Verdoppelung zur
Pikanterie der Stelle bei.
Auf die Schlafwandelszene war Verdi besonders stolz. Sie ist wieder dreiteilig angelegt. Auf ein ausgedehntes instrumentales
Tongemälde folgt ein kurzer szenischer
Dialog der Kammerfrau und des Arztes der
Lady, an den sich das Solo anschließt. Die
Szene basiert auf dem bereits in der Ouvertüre vorweggenommen Staccatomotiv und
auf der Elegie der Holzbläser und Streicher.
Diese Motive halten die zerbröckelnde Gesangslinie der Lady zusammen und treiben
sie vorwärts. Am Ende kommentieren Kammerfrau und Arzt als „griechischer Chor“
die ins dreigestrichene des’’’ wie ins Nichts
entschwebende Gesangslinie der Lady.
Die letzten Worte der Lady lauten „andiam
Macbetto – Lass uns gehen“, die letzten
des Kommentars „pietà – Erbarmen“. Wie
die der Amneris in Aida.
Das Finale hat Verdi in der Pariser Fassung
zu einem mehrgliedrigen, heterogenen
Szenenkomplex zusammengefasst. Deren
Hauptbestandteile sind ein kurzes Arioso
Macbeths als Fazit seines Lebens, eine
dreistimmige Fuge mit Kontrasubjekten
und obligaten Vokaleinwürfen als traditionelle Form der Schlachtenmusik sowie
einen homophonen, von a-Moll nach A-Dur
modulierenden Triumphgesang, der in der
Tessitur durch unterschiedliche Vokalgruppen – Barden, Soldaten, Frauen – variiert
wird. Macbeths Arioso steht in derselben
Tonart Des-Dur wie die Nachtwandelszene
und beginnt mit demselben Wort, mit dem
sie endet. „Pietà, rispetto, amore“, das sind
die drei Dinge, die Macbeth verloren hat.
Folgeseiten Luiz Molz, Agnieszka Tomaszewska, Ks. Barbara Dobrzanska
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DAS
EROTISCHE
ZUR INSZENIERUNG
Holger Müller-Brandes über Verdis Macbeth
Holger, Du hast mit Philipp Fürhofer ein
ungewöhnliches Konzept erarbeitet. Was
war Euer Ausgangspunkt?
Das war die Frage, vor welchem Hintergrund die Hexen ihre Prophezeiung aussprechen. Wir können Hexen ja nicht als
gegeben nehmen. In so einer Bezeichnung
steckt immer eine Perspektive: Der Blick
von Männern auf Frauen. Die Prophezeiung
findet also vor dem Hintergrund eines spezifischen Geschlechterverhältnisses statt.
Das Interessante an Verdi im Unterschied
zu Shakespeare liegt darin, dass er das Politische des Stoffes in ihm verortet. Musikalisch sieht man das an der Aufwertung der
Lady. Das ist nicht nur eine Möglichkeit, die
Gesellschaft zu analysieren, sondern, wie
wir leider gerade in Köln wieder feststellen
konnten, auch eine aktuelle Frage.
In Eurer Konzeption spielt Banco eine
wichtige Rolle.
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Das Interessante bei Verdi ist, dass er
Macbeth im Verhältnis zu seinem Gegenspieler Banco zeichnet. Verdi hat die Zahl
der Protagonisten seiner Vorlage radikal
reduziert. Es gibt Macbeth und die Lady,
und Banco steht für die Männerwelt, die bei
Shakespeare in viele Figuren aufgespalten
ist. Malcolm, Macduff, Duncan kommen
bei Verdi nur noch schemenhaft vor. Alle
Gegenspielereigenschaften sind in Banco
gebündelt. Das ist typisch für Verdi. Er
stellt einen sensiblen, zärtlichen, erotisch
liebenden Mann einem Macho gegenüber,
der seine Sexualität zynisch auslebt oder
ein Über-Patriarch ist. Macbeth und Banco
sind zwei unterschiedliche Rollenmodelle
für männliche Positionierung in der Gesellschaft. Banco ist der tradierte Typus in
einem patriarchalischen System, Macbeth
der Außenseiter, der ausschert. Diesen
Antagonismus finden wir in vielen Werken
Verdis, sodass wir annehmen, dass er sich
mit diesem Thema identifizierte.
Wo schlägt sich das in der Musik nieder?
Zum Beispiel in der Erscheinung der Kinder
im 3. Akt. Macbeths „Ahi, che non hai tu
vita! – Ach, dass du kein Leben hast“ ist
eine der emotionalsten Stellen der Musik.
Das Kind zu haben, ist ja eine der beiden
Verheißungen der Hexen. Der Eine erhält
das Königtum, der Andere die Nachkommenschaft. Die Zeugung von Stammhaltern
aber ist das Fundament der patriarchalen
Gesellschaft. Diese beiden Rollenmodelle
werden parabelhaft gegeneinander gestellt.
Welche Rolle spielen die Frauen?
Es fällt auf, dass bei Verdi dort, wo bei
Shakespeare drei Hexen auftreten, alle
Frauen singen, und wo Shakespeare drei
Mörder hat, alle Männer. Ich glaube, dass
er das bewusst macht. Damit zeichnet er
ein düsteres Gesellschaftsbild, das auf der
leicht kaschierten Spaltung der patriarchalen Welt in Männer = Mörder und Frauen
= Hexen basiert. Ein Riss geht durch das
Universum. Die Gesellschaft befindet sich
in Schieflage. Das ist der Hintergrund für
etwas, was Verdi oft macht. Er zeigt ganz
im Sinne der Romantik ein liebendes Paar,
das an der Gesellschaft zerbricht. Die Gesellschaft krankt an ihrem Geschlechterverhältnis. Darin sieht Verdi ein Politikum.
Die Frauen sind also emanzipierte Frauen,
die man als Hexen bezeichnet?
Genau. Banco tut das. Da macht einer einen kleinen groben Scherz und dann hat
das Folgen und man merkt schnell, dass die
ganze Emanzipation, die uns so augenfällig
erscheint, Risse bekommt. Verdi führt das in
drei Phasen vor. Er zeigt 1. eine feudale Gesellschaft, König Duncan, die sich 2. in eine
liberale verwandelt, Macbeth, und 3. wieder
in die Diktatur kippt, Malcolm. Verdis Musiksprache ist da eindeutig. König Duncan
wird durch einen historisierenden Marsch
gezeichnet. Im 2. Finale mischen sich König
und Gesellschaft auf dem Bankett und das
4. Finale klingt wie Propaganda-Fernsehen.
In diesen musikalischen Rahmen betten
wird das Geschlechterverhältnis. Wir haben etwas „Emanzipiertes“, das zerbricht
und gegen etwas Neokonservatives wieder
eingetauscht wird.
Wie eng ist diese Deutung aus Text und
Musik entwickelt?
Ich gehe wörtlich mit Verdis Text um, berücksichtige aber, dass Verdi nicht wörtlich
mit Shakespeares Text umgeht. Die Komposition ist ja seine Textausdeutung und
gibt uns den Subtext und den nehmen wir
sehr ernst. Ich will ein Beispiel nennen. An
der Stelle, wo Macbeth über den Mord an
König Duncan nachdenkt, sagt die Lady zu
ihrem Mann, „Du wirst dich doch nicht wie
ein eitles Kind aufführen“. Es gibt Interpretationen, in denen die Lady ihn da von oben
herab, vielleicht sogar gouvernantenhaft
tadelt. Die Musik spricht aber eindeutig
von großer Empathie. Eine getrübte Farbe
Macbeths wird dort wiederholt von einer
aufgehellten Farbe der Lady, sodass die
Musik klarstellt, dass sie emotional dicht
an seiner Seite steht. Sie gibt ihm positive
Energie. Auch in ihrer ersten Arie, „Vieni!
T'affretta!“, gibt es keinen Grund, das mit
einem Augenrollen zu spielen, weil das eine
verführerische Musik ist. Die hat eine extreme Sinnlichkeit und das muss man ernst
nehmen. Gleich im ersten Rezitativ sagt
sie, „Du bist ehrgeizig, hast grandezza, bist
ein großartiger Typ“, also ein Visionär, der
etwas darstellt, aber bist du im politischen
Geschäft auch durchsetzungsfähig? Das
bedeutet doch nicht, dass er Hexentränke
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zusammenbrauen soll, sondern ganz konkret: Wenn man König werden will, muss
man auch Konkurrenten aus dem Weg
schaffen können. Das wird so musiziert,
dass er Lust darauf kriegt. Dazu setzt sie
ihre Erotik ein. Und das Erotische ist auch
etwas, was dieses Paar, wie seine Musik
deutlich macht, ganz stark trägt.
Deshalb bezeichnest Du ihre Arien auch
als verkappte Duette?
Diese Arien sind, wenn man sie im größeren Zusammenhang sieht, zum Teil
spiegelbildlich auf einander bezogen. Es
heißt immer, Macbeth sei eine Oper ohne
Liebesduett. Eigentlich ist die ganze Oper
ein Liebesduett, in das ein paar Episoden
dazwischengeschoben sind.
tes Projekt wird abgelöst. Es gibt ja auch
Politiker, die Symbole für bestimmte Zeiten
waren, diese aber nicht selbst gestalten
konnten. Willy Brandt mit seiner Ostpolitik
in Deutschland etwa, Kennedy in den USA
usw. Die haben unglaublich viel Visionäres
eingebracht, konnten es aber nicht mehr
selbst verwirklichen. Das sind Ideengeber,
die werden am Ende von der Gesellschaft
geschluckt. Auf das Modellhafte des Vorgangs deutet für mich auch die Fuge als
objektive musikalische Form hin. Der Mechanismus ist klar: Eine Gesellschaft wird
exponiert, dann gibt es ein Interregnum,
das sind Lord und Lady Macbeth, und dann
kommt wieder sehr modellhaft die Restauration. Es ist bezeichnend, dass Verdi gerade an dieser Stelle Shakespeares Figuren
Macduff und Malcolm zu Masken entindividualisiert. Es geht um eine Zeitenwende.
Warum wird die Frau wahnsinnig?
Sie wird nicht wahnsinnig, sondern schlafwandelt. Für mich sieht sie sehr klar, was
los ist. Sie scheitert daran, dass ihr Mann
wahnhaft wird. Er empfindet die Prophezeiung der Hexen als Auftrag, als Mission. Er
will etwas bewirken und kommt an einen
Punkt, wo er über sein Ziel hinausschießt
und ihr verloren geht. Daran scheitert sie.
Sie sieht sehr klar, dass man vor dem Hintergrund dieser Gesellschaft Liebe nicht
zustande kriegt. Man kriegt immer nur
Machtverhältnisse zustande. Und das sind
ja auch die Partikel, die durch ihre Arie
geistern.
Was passiert am Ende mit den Beiden?
Sie gehen ab, weil es sich nicht um ein persönliches Schicksal handelt, sondern um
eine symbolische Handlung. Ein bestimm-
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Und diese Zeitenwende zeigt Ihr, indem
die Frauen, die anfangs im Smoking auftraten, nun mit Hochzeitskleidern zu Prinzessinnen am Herd gemacht werden?
Genau. Das hat was Restauratives, was
den Menschen über die Form Halt und
Sicherheit gibt. Und darin ist auch ein
Gewaltmoment inbegriffen. Die Frauen
geben ihre Selbständigkeit ein Stück weit
auf und ordnen sich wieder in die alte
Geschlechterhierarchie ein. Das ist sehr
schlaglichtartig gemacht, entspricht aber,
glaube ich, Verdi, der Shakespeare auch
sehr schlaglichtartig komprimiert. Er zeigt
exemplarische Stationen und streicht die
Entwicklung. Wir sehen darin einen Kreislauf, wo sich Frauen emanzipieren und die
Emanzipation wieder geschluckt wird von
der Macht, von immer denen, die nicht die
Liebenden sind.
Jesus Garcia, Damen des Badischen Staatsopernchores und Extrachores
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JOHANNES WILLIG Dirigent
DANIELE SQUEO Nachdirigat
Nach dem Studium an den Hochschulen
seiner Heimatstadt Freiburg i.B. und Wiens
begann der DAAD-Stipendiat seine berufliche Laufbahn am Theater Biel / Solothurn.
Im Januar 2000 wechselte Willig als 2. Kapellmeister und Assistent des GMD an das
STAATSTHEATER KARLSRUHE, drei Jahre
später als 1. Kapellmeister und stellvertretender GMD an die Oper Kiel. Gastspiele
führten ihn an die Opernhäuser von Neapel,
Bologna, Wiesbaden, Freiburg i.B., Lyon
sowie an die Deutsche Oper Berlin. Sein
Opernrepertoire erstreckt sich von Werken
Mozarts, Verdis und Puccinis über Richard
Strauss bis hin zur Moderne. Seit 2011/12
ist Willig 1. Kapellmeister und Stellvertretender Generalmusikdirektor am STAATSTHEATER KARLSRUHE. Hier dirigierte er
u. a. Ein Maskenball, Tosca, La Traviata
und Doctor Atomic. 2015/16 leitet er die
Neuproduktionen Der Prophet und Macbeth
sowie das 6. Sinfoniekonzert mit Werken
von Adams, Ligeti, Tomasi und Strauss.
Squeo studierte Klavier, Chor- und Orchesterleitung in seiner Heimat Apulien sowie
an der Weimarer Musikhochschule „Franz
Liszt“ und war Stipendiat des Deutschen
Musikrates. Im Rahmen der Ruhr Akademie arbeitete er mit Steven Sloane, Sir
Roger Norrington und Sylvain Cambreling
zusammen. Praxis erwarb sich der Preisträger internationaler Wettbewerbe an der
Spitze der Orchester von Jena, Spoleto,
Teplice, Karlsbad, Nürnberg, Bochum, Essen sowie 2010–2013 als Chefdirigent des
Akademischen Orchesters der TU Ilmenau.
Nach einem Jahr als Studienleiter und Kapellmeister am Theater Nordhausen kam
Squeo 2014/15 als 2. Kapellmeister an das
STAATSTHEATER KARLSRUHE. Hier hat er
zahlreiche Opern- und Ballettproduktionen
geleitet, in dieser Spielzeit u.a. die Premiere der Terence-Kohler-Choreografie das
kleine schwarze / the riot of spring. Im Juni
wird er Bellinis I Capuletti e i Montecchi
einstudieren.
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HOLGER MÜLLER-BRANDES Inszenierung
PHILIPP FÜRHOFER Ausstattung
Holger Müller-Brandes studierte Musiktheater-Regie in Hamburg. Seine Lehrer waren
Götz Friedrich sowie die Schauspielregisseurin Elke Lang. Gemeinsam mit Katrin Lea
Tag ist er Erster Preisträger des Ring Award
1998. Er ist als Opern- und Schauspielregisseur aktiv. Neben dem klassischen
Repertoire hat sich Holger Müller-Brandes
im Bereich von Uraufführungen, Neuentdeckungen und Projektentwicklungen einen
Namen gemacht. Am STAATSTHEATER
KARLSRUHE brachte er 2013 mit Philipp
Fürhofer als Ausstatter die Deutsche Erstaufführung von Mieczyslaw Weinbergs
Auschwitz-Oper Die Passagierin mit großem Erfolg heraus. 2015 inszenierte Holger
Müller-Brandes u.a. die viel beachtete Wiederentdeckung der Oper Irrelohe von Franz
Schreker am Pfalztheater Kaiserslautern.
In der kommenden Spielzeit wird er für die
Königliche Oper Kopenhagen Dead Man
Walking von Jake Heggie im Bühnenbild
von Katrin Lea Tag in Szene setzen.
Der gebürtige Augsburger ist eine musikalisch-bildkünstlerische Doppelbegabung.
2002 nahm er sein Studium der Bildenden
Kunst an der Berliner Universität der Künste bei Hans Jürgen Diehl auf, das er 2008
mit dem Master abschloss. Seit 2007 stellen
Galerien in Deutschland, Österreich, Italien,
der Schweiz, Norwegen und Australien
die Arbeiten des vielfach ausgezeichneten Künstlers aus. Seine Installationen
beziehen oft Elemente des Theaters wie
historische Dekorationen, trompe-l‘œilMalerei, Licht und Illusionismus mit ein.
Als Ausstatter für Regisseure wie Stefan
Herheim, Holger Müller-Brandes, Nadja
Loschky und Kasper Holten verbindet er
seine Leidenschaft für Bild- und Tonkunst.
In Karlsruhe hat er mit Mieczyslaw Weinbergs Passagierin Aufsehen erregt. Außerdem arbeitete er bei Ariadne auf Naxos
in Luzern mit Müller-Brandes zusammen.
Seine Arbeiten für Stefan Herheim sind auf
DVD erschienen.
Folgeseiten Jesus Garcia, Seung-Gi Jung, Agnieszka Tomaszewska, Ks. Barbara Dobrzanska,
Ks. Konstantin Gorny, Ks. Klaus Schneider, Badischer Staatsopern- und Extrachor
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SEUNG-GI JUNG Macbeth
Der koreanische Bariton studierte in Seoul und Karlsruhe. Engagements
führten ihn nach Bern, Augsburg, Gstaad und Toulouse. 2011 debütierte er
als Marcello und Vater Germont am Teatro La Fenice in Venedig. 2014/15
gab er in Karlsruhe sein gefeiertes Debüt als Ford in Falstaff. 2015/16 ist er
hier auch als Kurwenal in Tristan und Donner in Rheingold zu erleben.
JACO VENTER Macbeth
Der südafrikanische Bariton studierte in seiner Heimat und San Francisco,
besuchte Meisterklassen u .a. bei Thomas Hampson, Ruth Ann Swenson
und Patricia Craig. Seit 2011/12 ist er Ensemblemitglied am STAATSTHEATER
KARLSRUHE. 2014/15 sang er hier Giorgio Germont, Scarpia, Klingsor. 2015/16
steht außer Falstaff und Macbeth demnächst Alberich auf seinem Programm.
Ks. BARBARA DOBRZANSKA Lady Macbeth
Die Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe machte Aufnahmen für Rundfunk und Fernsehen. Seit 2002 ist sie Ensemblemitglied am STAATSTHEATER KARLSRUHE, wo sie neben internationalen Gastauftritten u. a. alle
großen Verdi-, Puccini- und Verismo-Heroinen verkörperte. 2011 wurde sie
zur Kammersängerin ernannt. Mit der Lady gibt sie hier ihr Rollendebüt.
RACHEL NICHOLLS a. G. Lady Macbeth
Die britische Sopranistin startete eine steile Karriere als Barocksolistin
u. a. in Masaaki Suzukis gefeiertem Bach-Projekt, aber auch mit Hauptrollen in Opern von Monteverdi bis Mozart. 2012 wechselte sie mit der
Götterdämmerungs-Brünnhilde ins dramatische Fach. In Karlsruhe war sie
2014 die Eva in den Meistersingern. Im neuen Tristan singt sie die Isolde.
Ks. KONSTANTIN GORNY Banco
Mit seinem Debüt bei den Bregenzer Festspielen 1993 startete der russische Bass seine Weltkarriere, die ihn an der Seite Anna Netrebkos an die
Wiener Staatsoper, nach Tokio, Sydney, Paris, Verona und an viele wichtige Bühnen der Welt führte. Seit 1997 ist er Mitglied des STAATSTHEATERS
KARLSRUHE, seit 2006 Kammersänger. 2016 ist er Marke im neuen Tristan.
AVTANDIL KASPELI Banco
Der georgische Bass studierte u. a. in München, wo er als Sparafucile in
Rigoletto debütierte. Am Prinzregententheater war er der Komtur in Don
Giovanni. Seit 2011/12 ist er am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert.
Hier sang er Pimen in Boris Godunow, Colline, Sarastro, Zacharias in Der
Prophet. Neu kommen Lorenzo in Bellinis Capuletti und Fafner hinzu.
RENATUS MESZAR Banco
Der studierte Kirchenmusiker gab 1990 bei der Münchner Biennale sein
Operndebüt. Über Braunschweig, Weimar, Bonn kam er 2012 ans STAATSTHEATER KARLSRUHE, wo er die großen Wagner-Partien, aber auch Eichmann in Wallenberg und Groves in Doctor Atomic sang. Gastpiele führten
ihn zuletzt als Kaspar nach Darmstadt und Wotan nach Minden.
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JESUS GARCIA Macduff
Der Amerikaner erhielt etliche Auszeichnungen, z. B. den Tony Award als
Rodolfo in Baz Luhrmans Broadway-Produktion von La Bohème. Gastengagements führten ihn an renommierte Häuser in ganz Europa und den USA. In
Karlsruhe stellte er sich 2015 als Rodolfo und Pylades in Iphigenie auf Tauris
vor. Seit 2015/16 gehört er fest zum Ensemble des STAATSTHEATERS.
JAMES EDGAR KNIGHT Macduff
Der Australier ist seit dieser Spielzeit Ensemblemitglied des STAATSTHEATERS KARLSRUHE. Hier stellte sich der Absolvent der New Yorker Juilliard
School und Stipentiat des Metropolitan Opera Development Programs als
Fenton in der Neuproduktion von Falstaff vor. Außerdem singt er Jonas in
Der Prophet, Freddy in My Fair Lady und Froh in Das Rheingold.
CAMERON BECKER Malcolm
Der amerikanische Tenor wurde an der Arizona State University und am
Salzburger Mozarteum ausgebildet. Bevor er 2015/16 ans STAATSTHEATER wechselte, war er am Theater Regensburg engagiert. In Karlsruhe ist
er u. a. als Tamino in Die Zauberflöte, Pedrillo in Die Entführung aus dem
Serail, Freddy in My Fair Lady und Bardolfo in Falstaff zu erleben.
Ks. KLAUS SCHNEIDER Malcolm
Der Rheinländer debütierte 1989 an der Opéra National de Paris und gehört
seit 1990 dem Ensemble des STAATSTHEATERS KARLSRUHE an. Hier sang er
die großen Mozart-, ausgewählte Wagner-Partien sowie u. a. Max im Freischütz, Blaubart, Hoffmann, Werther, Peter Grimes. 2003 wurde ihm der Kammersänger-Titel verliehen. 2015/16 ist er u. a. als Mime und Melot zu erleben.
CONSTANZE KIRSCH Kammerfrau
Die Sopranistin studierte 2006 bis 2010 bei Marga Schiml an der Hochschule für Musik Karlsruhe und anschließend am Institut für Musiktheater bei
Christiane Libor. Sie gastierte 2013 bei den Osterfestspielen in BadenBaden und 2014 am Nationaltheater Mannheim. Seit 2014/15 ist sie Mitglied
des OPERNSTUDIOS und singt u. a. Eine Griechin in Iphigenie auf Tauris.
AGNIESZKA TOMASZEWSKA Kammerfrau
Die polnische Sopranistin studierte in Danzig und Wien. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE gastierte sie als Susanna in Figaros Hochzeit und Katja
in Die Passagierin bevor sie 2014 fest ins Ensemble eintrat. Hier machte
sie als Sina in Verlobung im Traum, Mimì, Fiordiligi und Berthe im Propheten von sich reden. Demnächst ist sie als Micaela in Carmen zu erleben.
MEHMET ALTIPARMAK Ein Arzt / Ein Mörder
Der junge Bariton studierte an der Mimar-Sinan-Universität in Istanbul bei
Payam Koryak. Meisterkurse bei Elena Filipova, Amelia Felle und Christa
Ludwig ergänzten seine Ausbildung. 2014 ging er als Gewinner aus dem
14. Siemens Gesangswettbewerb in Istanbul hervor und gehört somit seit
2014/15 dem OPERNSTUDIO am STAATSTHEATER an.
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LUIZ MOLZ Ein Arzt
Der Brasilianer ist nach Engagements in Stuttgart und Freiburg seit 2001
am STAATSTHEATER KARLSRUHE. Hier war er in über 80 Partien zu erleben. Gastspiele führten ihn durch ganz Europa, nach Südkorea und Brasilien, wo er regelmäßig auf Musikfestivals unterrichtet. In Karlsruhe war er
zuletzt als Colline in La Bohème und Zacharias in Der Prophet zu erleben.
MARCELO ANGULO Ein Diener
Der Bass begann seine Karriere als Solist in seiner Heimat Ecuador. Nach
Abschluss seines Studiums in Deutschland war er neben zahlreichen Soloauftritten zunächst Chormitglied im Theater Lübeck. Seit 2001 ist er Mitglied
des BADISCHEN STAATSOPERNCHORES. Hier übernimmt er auch zahlreiche Solopartien, aktuell in Der Prophet, La Bohème und Macbeth.
ALEXANDER HUCK Ein Diener
Nach seiner Gesangsausbildung und Abschluss der Opernschule in Karlsruhe kam der gebürtige Schwarzwälder 2000 in den BADISCHEN STAATSOPERNCHOR. Seit 2004 ist er hier in vielen solistischen Partien zu hören,
beispielsweise als Sciarrone in Tosca sowie aktuell als Wiedertäufer und
Bürger in Der Prophet und Lord Boxington in My Fair Lady.
LUKASZ ZIOLKIEWICZ Ein Mörder
Der polnische Bassist studierte in seiner Heimatstadt Posen Sologesang
und sang im Extrachor des Teatr Wielki. Nach einem Engagement in Kiel
wechselte er ans Theater Nordhausen, wo er in verschiedenen Solopartien auf der Bühne stand. Seit Juni 2014 ist er Mitglied im BADISCHEN
STAATSOPERNCHOR und war u. a. als Zöllner in La Bohème zu hören.
ANDREY NETZNER Ein Herold
Der Bass studierte in St. Petersburg Gesang. Beim Bundeswettbewerb
„Jessenins Lieder“ gewann er den 2. Preis. Außerdem war er Stipendiat
des Wagnerstimmen-Wettbewerbs Bayreuth. Vom Theater Detmold wechselte er 2010 in den BADISCHEN STAATSOPERNCHOR. Hier ist er solistisch aktuell in Die Entführung aus dem Serail und La Bohème zu hören.
DMITRIJUS POLESCIUKAS Ein Herold
Nach seinem Gesangsstudium in Vilnius gehörte der litauische Bass dem
Chor des Litauischen Nationaltheaters an. Dort war er auch solistisch u. a.
als Saretzki in Eugen Onegin, als Sergeant in Manon Lescaut, als Herold in
Otello und als Ariodate in Händels Serse zu hören. Anfang 2014 wechselte
er in den BADISCHEN STAATSOPERNCHOR.
WOLFRAM KROHN Erscheinung
Der Bass studierte in Hannover, gehörte dem NDR-Chor Hamburg an und
sang u. a. im Bayreuther Festspielchor. Solo-Engagements führten ihn
nach Ludwigshafen, Braunschweig und Würzburg. Seit 1998 singt und
spielt Krohn im BADISCHEN STAATSOPERNCHOR, wo er auch zahlreiche
Solo-Partien übernimmt, zuletzt u. a. in Der Prophet und in der Zauberflöte.
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THOMAS REBILAS Erscheinung
Der Gewinner mehrere internationaler Gesangswettbewerbe wurde in
den USA geboren. Als Solist war er seit 1978 an Theatern wie Mannheim,
Köln, Wiesbaden, Dortmund, Heidelberg und Würzburg in Rollen wie
Nabucco, Iago, Eugen Onegin, Telramund, Golaud und Orest in Elektra zu
hören. Seit 2011 ist er Mitglied des BADISCHEN STAATSOPERNCHORES.
HÉLÈNE VERRY Traum-Choreografie
Verry studierte an den Konservatorien Dijon und Lyon und erwarb in Paris
ihr Tanzdiplom. Über das Jeune Ballet de France und das Ballet National de Nancy et de Lorraine kam sie zum Ballett des STAATSTHEATERS
KARLSRUHE. Hier tanzte und assistierte sie unter den Ballettchefs Casado, Schmidt und Wyss. 2004 gründete sie das Ballettstudio LA REMISE.
ACHIM GOEBEL Video
Goebel studierte in Karlsruhe und an der Hochschule der Künste, Berlin,
Malerei. Er schloss seine Ausbildung als Meisterschüler von Klaus Fußmann ab. Seither ist er freischaffend u. a. für das ZKM, den SWR und das
STAATSTHEATER KARLSRUHE tätig. Hier realisierte er Das Glasperlenspiel und führte die Live-Kamera in La Bohème und Der Prophet.
VEREHRUNG, RESPEKT,
LIEBE WERDEN DEINEM
GREISENALTER KEINE
BLUMEN STREUEN.
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BILDNACHWEISE
IMPRESSUM
TITELFOTO
Felix Grünschloß
PROBENFOTOS Falk von Traubenberg
HERAUSGEBER
BADISCHES STAATSTHEATER
KARLSRUHE
Foto J. Willig: John Wright
GENERALINTENDANT
Peter Spuhler
KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR
Johannes Graf-Hauber
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
TEXTNACHWEIS
Alle Texte sind Originalbeiträge von
Dr. Boris Kehrmann für dieses Programmheft.
Sämtliche Stückzitate sind in eigener
Übersetzung wiedergegeben.
OPERNDIREKTOR
Michael Fichtenholz
LEITENDER DRAMATURG OPER
Carsten Jenß
REDAKTION
Dr. Boris Kehrmann
KONZEPT
DOUBLE STANDARDS BERLIN
www.doublestandards.net
BADISCHES STAATSTHEATER
KARLSRUHE 2015/16
Programmheft Nr. 294
www.staatstheater.karlsruhe.de
GESTALTUNG
Kristina Schwarz
DRUCK
medialogik GmbH, Karlsruhe
SEI EIN MANN,
MACBETTO!
44
Seung-Gi Jung
ICH MÖCHTE EUCH
FRAUEN NENNEN,
ABER DAS VERBIETET MIR DIESER
DRECKIGE BART.
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