C1/C2 Infomaterial - PASCH-net

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Unterrichtsmaterialien
zur ägyptischen Archäologie
Schrift und Sprache der alten Ägypter:
Sprachstufen, Schreiber, Gelehrte und Textgattungen
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für die:
Sekundarstufe I
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
Die Entzifferung der Hieroglyphen (Lesetext 1)
Gräber, Tempel, Statuen und Papyri – auf fast allen Objekten, die aus dem alten Ägypten
HUKDOWHQ VLQG ¿QGHQ VLFK 6FKULIW]HLFKHQ GHU 3KDUDRQHQ]HLW LQ GHU HLQHQ RGHU DQGHUHQ )RUP
Die großformatigen Monumente des Nillandes wurden überwiegend mit Hieroglyphen beschriftet.
Die alltägliche Korrespondenz fand dagegen auf Kalksteinsplittern, Keramikscherben (sog.
Ostraka, Sg. Ostrakon, griech. „Tonscherbe“, Abbildung 6) oder sogar ganzen Gefäßen statt.
Hier QXW]WHPDQKlX¿JHUGLH6FKUHLEVFKULIWIRUPGHU+LHURJO\SKHQ]HLFKHQGDV+LHUDWLVFKHVRZLH
später das Demotische. Die Übersetzung und Interpretation vieler der so überlieferten Texte ist
bis heute nicht abgeschlossen. Dennoch gewähren die bereits bekannten Schriftstücke – zusätzlich zu den Funden aus Ausgrabungen – umfangreiche Einblicke in das Alltagsleben und die
Glaubensvorstellungen der ägyptischen Oberschicht.
Jahrhundertelang versuchten Forscher die Schrift der alten Ägypter zu entziffern, die seit Mitte
des 1. Jahrtausends n. Chr. nicht mehr in Gebrauch war. Zunächst bauten die Bemühungen auf
Werken wie der zweibändigen „Hieroglyphica des Niloten Horapollon“ (5. Jh. n. Chr.) auf. Diese
griechisch verfasste Ausdeutung der Hieroglyphen wurde 1419 in Griechenland entdeckt und in
den folgenden Jahrhunderten mehrfach kopiert und übersetzt. Ob der Verfasser Horapollon, der
als historische Figur und Grammatiker tatsächlich belegt ist, oder der ebenfalls im Titel des Werks
genannte Philippos, der gänzlich unbekannt ist, tatsächlich noch Hieroglyphen lesen konnten, ist
DOOHUGLQJV IUDJOLFK (V ZHUGHQ VRZRKO ÃULFKWLJHµ DOV DXFK YROONRPPHQ ¿NWLYH 6FKULIW]HLFKHQ XQG
Deutungen angeführt.
'HU8QLYHUVDOJHOHKUWH$WKDQDVLXV.LUFKHU±$EELOGXQJDUJXPHQWLHUWHDXIGrundlage
der Hieroglyphica einerseits, dass die altägyptische Sprache von Adam und Eva gesprochen worden
war und aus geheimnisvollen Symbolen bestünde, deren Bedeutung nur Eingeweihten bekannt
sei. Andererseits überlegte er bereits korrekt, dass die Hieroglyphenschrift ein alphabetisches
System habe und dem griechischen Alphabet gleichgesetzt werden könne. Außerdem erkannte
Abbildung 1:
Athanasius Kircher (mit Erlaubnis
der Smithsonian Institution
Libraries, Washington, D.C.).
Abbildung 2: Thomas Young
(mit Erlaubnis der Smithsonian
Institution Libraries,
Washington, D.C.)
Abbildung 3:
Jean-François Champollion (aus
H. Hartleben, Champollion II,
Bibliothèque Égyptologique 31,
Paris 1909).
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
er das Koptische, das griechische Schriftzeichen verwendet und in einem Dialekt bis
heute in koptischen Kirchen geschrieben
und gesprochen wird, als die letzte Sprachstufe des Altägyptischen.
Der Durchbruch in der Entschlüsselung der
Hieroglyphen gelang schließlich nach der
Entdeckung des sog. Steins von Rosette
%ULWLVK0XVHXP/RQGRQ($$EELOGXQJ
HLQH.RSLHZLUGLPbJ\SWLVFKHQ Museum
in Kairo in der Eingangshalle ausgestellt)
im Jahr 1799 durch einen Soldaten der
napoleonischen Armee in der Nähe des
Deltaorts Rosette (arab. „Raschid“). Auf der
Stele ist dreisprachig – in Hieroglyphen,
Demotisch und Griechisch – ein Priesterdekret aus der Zeit Ptolemaios‘ V. – im Text
datiert auf das Jahr 196 v. Chr. – niedergelegt.
Johan David Åkerblad (1763–1819)
fand heraus, dass das Demotische unter
anderem ein phonetisches Alphabet nutzt
und konnte schließlich alle im griechischen
Text vorkommenden Eigennamen denen in
der demotischen Fassung zuordnen.
7KRPDV <RXQJ ± $EELOGXQJ erweiterte diese Erkenntnisse um die FestAbbildung 4: Der Stein von Rosette (mit Erlaubnis der
stellung, dass die Hieroglyphenschrift eine
Trustees of the British Museum, London; EA 24)
Mischung aus Laut- und Wortzeichen verwendet. Er entdeckte, dass die Namen der
genannten Mitglieder der Königsfamilie von langgezogenen, ovalen Ringen – sog. Kartuschen –
umgeben waren. Es gelang ihm, diese Eigennamen sowohl auf dem Stein von Rosette als auch
auf anderen Monumenten der Ptolemäerzeit zu entziffern.
Die Geburtsstunde der Ägyptologie läutete schließlich zwei Jahre nach Youngs Entdeckung
-HDQ)UDQoRLV &KDPSROOLRQ ± $EELOGXQJ HLQ hEHU GLH .|QLJVQDPHQ KLnaus entschlüsselte er weitere Wörter und rekonstruierte schließlich sogar die dem hieroglyphischen und demotischen Text innewohnende Grammatik bis hin zum Satzbau. Seither haben
zahlreiche Forscher das grammatikalische Verständnis vertieft und das Vokabular der verschiedenen
Abschnitte der pharaonischen Geschichte immer weiter erschlossen.
Stele:
In der Ägyptologie werden freistehende/verbaute/
eingemeißelte/aufgemalte Stein- oder Holztafeln
(mit abgerundetem oberen Ende) als Stelen bezeichnet. Sie können Abbildungen und/oder Texte
enthalten oder unbeschriftet sein.
2
Priesterdekret von Rosette:
Das Dekret ist eine in Hieroglyphen (der heiligen
Schrift), Griechisch (der internationalen Verständigungssprache) und Demotisch (der ägyptischen
Amtssprache) verzeichnete Anerkennung des
DPWLHUHQGHQ3KDUDRXQGVHLQHU(UOlVVH3ÀLFKWHQ
zugunsten der Priester verschiedener Tempel.
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
$EELOGXQJ3DS\UXVSÀDQ]HQGLckicht in Ägypten (Foto: C. Römer,
DAIK)
Abbildung 6: Ostraka mit Schülerübungen
zum koptischen Alphabet (aus Dra Abu elNaga, Luxor; Fotos: G. Burkard)
Abbildung 7: altägyptische
Schreibutensilien (mit
Erlaubnis des RömerPelizäus-Museums,
Hildesheim; Inv.nr. 1598,
Foto: S. Shalchi)
Schreibmaterialien (Lesetext 2, Bastelanleitung)
Papyrus ist das Material, das jedem Ägypteninteressierten am ehesten vor Augen steht als
Papieräquivalent des Nillandes. Tatsächlich sind dank des trockenen Klimas viele beschriftete
XQGEHPDOWH3DS\ULHUKDOWHQ+HUJHVWHOOWZXUGHQVLHDXVGHU3DS\UXVSÀDQ]HCyperus papyrus;
Abbildung 5), die früher große Teile des Nilufers säumte und überall im Delta vorkam. Diese
wurde in dünne, gleichlange Streifen geschnitten, kreuzweise übereinandergelegt und gepresst.
'XUFK GHQ 'UXFN GHQ 3ÀDQ]HQVDIW XQG GHQ 7URFNQXQJVYRUJDQJ KDIWHWHQ GLH 3DS\UXVVWUHLIHQ
aneinander. Die so entstandenen Blätter wurden zusammengeklebt und der fertige, 16–20cm
(max. um 50cm) hohe und 1,5–2m (max. um 20m) lange Papyrus zur Aufbewahrung gerollt.
Lederbehälter, Holzkisten und Tongefäße schützten die gelagerten Rollen.
Die Beschriftung erfolgte normalerweise nicht über die gesamte Länge einer Rolle, sondern
in Blöcken (Abbildung 8), so dass jeweils nur ein Teil des Papyrus aufgerollt werden musste
(Abbildung 9). Da Papyrus ein aufwendig herzustellendes und teures Schreibmaterial war, wurden
bereits beschriftete oder bemalte Papyrusseiten oft wiederverwendet (eine Ausnahme sind z.B.
die auf Papyrus verfassten Totenbücher des Neuen Reichs, die dem Toten ins Grab mitgegeben
wurden und daher nicht mehr zugänglich waren). Außerdem nutzte man Papyrus vorwiegend für
ZLFKWLJHDGPLQLVWUDWLYHOLWHUDULVFKHXQGKlX¿JUHOLJL|VH7H[WH)UGLHDOOWlJOLFKH.RUUHVSRQGHQ]
für die Schreiberausbildung, als Notizzettel und ähnliches wurden Ostraka (Abbildung 6) herangezogen.
Des Weiteren beschriftete man Leder und das aus Tierhaut hergestellte Pergament sowie Holz.
All diese Textträger wurden bis in das islamische Mittelalter hinein genutzt, lediglich die Sprache
änderte sich.
Abgesehen von diesen tragbaren Medien wurden Tempel- und Grabwände sowie Statuen durch
Reliefs und Bilder in einer Fülle von Farben und Techniken beschriftet und bemalt. Auch sie dürfen
als Informationsquelle nicht vergessen, müssen jedoch aufgrund ihres vorwiegend religiösen und
idealisierten Inhalts kritisch betrachtet werden. Die Verwendung und Ausführung vieler Bilder und
Rundplastiken zeigt, dass sie ähnlich einer zwei- oder dreidimensionalen Kalligraphie sowohl
als Bild als auch als Text verstanden werden können. Dabei spielte der Anbringungs- oder
Aufstellungsort, also das gesamte Umfeld, eine Rolle für die ‚Lesung‘ der Objekte.
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
Die Schreibutensilien für die Beschriftung der tragbaren Textträger bestanden
aus einem Stück Schilfrohr, (mindestens) zwei Blöcken von Farbpigment (rot
für Überschriften und wichtige Worte, schwarz für den normalen Text) und einer
Palette zum Anmischen der Farben (Abbildung 7). Sie wurden mit einem Stück
Schnur aneinandergebunden oder bestanden aus einem Stück und konnten
so leicht transportiert werden. Dieses mit einer Schnur zusammengebundene
Ensemble wurde in das Repertoire der Hieroglyphen als eigenes Zeichen für
den Lautwert sXA und Wörter, die mit Schreiber und Schreiben zu tun haben,
eingegliedert.
Hieroglyphe ‚sXA‘.
Die Schreibbinse bestand aus einem dünnen Schilfrohr, dessen eines Ende zum Schreiben
gerade abgeschnitten wurde. Unter den archäologischen Fundstücken kommen einige vor, deren
anderes Ende pinselartig ausgefranst ist. Es wurde überlegt, ob auch dieses zum Zeichnen oder
Schreiben genutzt wurde. Wahrscheinlich entstand es jedoch einfach durch das Herumkauen auf
dem Schreibgerät beim Nachdenken.
Ab der römischen Eroberung setzte man statt der Binse den sog. Calamus ein. Dieser wurde
aus härterem, leicht auszuhöhlendem Schilfrohr (Fragmites aegyptiaca) hergestellt. Das Rohrstück wurde im schrägen Winkel abgeschnitten, konnte wie ein Füller eine größere Menge Tinte
aufnehmen und war zum Schreiben von feinen Strichen geeignet.
Schriftkundige und Lehre (Lesetext 3, Arbeitsblatt 3)
Nach den Inhalten der erhaltenen Texte und den Berufen der darin genannten Personen
(Beamte, Priester, hohe Militärs) zu schließen, stammen alle erhaltenen Schriftstücke aus dem
pharaonischen Ägypten aus der Feder von hohen Beamten und Mitgliedern des Königshauses
sowie von Priestern. Aus dem 1. Jahrtausend n. Chr. sind Schriftstücke von Privatpersonen,
besonders aber solche aus Klöstern oder Einsiedeleien bekannt. Sicherlich konnte durch die
gesamten, rund 4000 Jahre ägyptischer Geschichte jeweils nur ein äußerst geringer Teil der
ägyptischen Bevölkerung überhaupt lesen und schreiben: Schätzungen gehen von rund 1%, der
bis in die griechische Zeit nur etwa eine Millionen Einwohner des Niltals aus.
Jeder (höhere) Beamte des alten Ägyptens musste lesen, schreiben und rechnen können (zu
Letzterem siehe das Unterrichtsmaterial „Zahlen und Zahlensystem“, 2013): Seine Aufgaben umIDVVWHQ EHLVSLHOVZHLVH GDV 1DFK]lKOHQ XQG$XÀLVWHQ YRQ 9LHKEHVWlQGHQ XQG .XOWXUSÀDQ]HQerträgen, deren Verteilung je nach sozialem Status und Aufgabe des Empfängers, die Kontrolle
über die Anwesenheit von Arbeitskräften auf Baustellen und Feldern, die Korrespondenz mit dem
Königshof etc. Obwohl die meisten dieser Beamten aus sozial hoch stehenden Familien stammten,
zeigen einige Texte, dass es grundsätzlich die Möglichkeit gab, sich auch aus niedrigeren Ständen
hochzuarbeiten. Lese- und Schreibkenntnisse öffneten somit Türen zum sozialem Aufstieg bis hin
zur Eingliederung in die höchsten Kreise des Königshofs.
Auch Frauen stand es offen lesen und schreiben zu lernen. Briefe und Testamente beweisen ihre
Eigenständigkeit und Wichtigkeit im alltäglichen Familienleben und in der Verwaltung privater
Güter, sowie im Götterkult (Baines/Eyre, 2007, 83–89)
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
Die Schreiberausbildung fand in den Jahrtausenden v. Chr. sowohl als Einzelunterricht als
auch – ab dem Mittleren Reich (ca. 1980–1750 v. Chr.) – in Schreibschulen statt. Durch das
Kopieren vorgegebener Texte, zu denen religiöse Schriften, Briefe, erzählende Literaturwerke
und manchmal alte Akten gehörten, lernte der Schreibschüler ganze Wortbilder und nicht etwa
HLQ]HOQH =HLFKHQ ± HLQH 0HWKRGH GLH DXFK LP PRGHUQHQ 8QWHUULFKW QRFK$QZHQGXQJ ¿QGHW
Erkennbar ist dies an immer wiederkehrenden Fehlern, die bei der Einzelbuchstabenmethode
in anderer Form auftauchen würden. Neben realen Schriftstücken wurden spätestens ab Beginn
des Mittleren Reiches explizite Lehrtexte (Musterbriefe, Rechenaufgaben inkl. Lösungsweg usw.)
verfasst. Einige von ihnen sind im Original, die meisten jedoch in Form der zahlreichen, mehr
oder weniger fehlerhaften Schülerübungen erhalten (Abbildung 6).
Einer dieser Mustertexte, auf den in einigen pharaonischen Werken namentlich hingewiesen wird
und der in Schülerübungen über lange Zeit hinweg belegt ist, ist die Kemit (dieser Name ist nur
aus den Text zitierenden Werken überliefert, nicht aus dem Original oder seinen Abschriften). Sie
wird heute als erstes Schulbuch der Ägypter bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich um einen
Musterbrief, in dem verschiedene feste Phrasen im Rahmen des Textinhalts zusammengefasst
werden. Die einleitenden Briefformeln und die Zitate in anderen literarischen Werken ermöglichen
die Datierung des Textes etwa auf die erste Zwischenzeit oder das frühe Mittlere Reich (ca.
±Y&KU$EVFKULIWHQ¿QGHQVLFKELV]XP(QGHGHV1HXHQ5HLFKVFDY&KU
Ein weiterer oft belegter Übungstext ist die Geschichte des Sinuhe (Abbildung 9). Der Autor
VFKLOGHUW LQ GHU 3HUVRQ 6LQJXODU GHQ ZRKO ¿NWLYHQ /HEHQVZHJ GHV +RIEHDPWHQ 6LQXKH GHU
nach dem Mord an Pharao Amenemhet I. (die zugehörige Intrige ist bisher nicht zu beweisen) in
3DQLNDXVbJ\SWHQÀLHKWVLFKLP5DXP3DOlVWLQDQLHGHUOlVVWXQGQDFK-DKUHQGHV([LOV(UIROJV
und Heimwehs vom Sohn und Nachfolger des Pharao, Sesostris I., von allen Vorwürfen entlastet
wird und in Ehren nach Ägypten zurückkehrt. Ihr Inhalt ermöglicht eine Datierung der Geschichte
auf frühestens 1920–1875 v. Chr. Die ersten schriftlichen Belege sind jedoch rund 100–150 Jahre
jünger. Obwohl explizite Abschriften des Textes nur bis ins Neue Reich belegt sind, könnte er –
nach Anspielungen in jüngeren Texten zu urteilen – noch bis in die Spätzeit (772–332 v. Chr.)
inhaltlich bekannt gewesen sein.
Abbildung 8: Die Lebensgeschichte des Sinuhe (mit Erlaubnis des Ägyptischen Museum und Papyrussammlung,
Berlin; Inv.nr. P 3022, ca. 1800 v. Chr.).
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
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1HEHQ VROFKHQ DOV DOOJHPHLQH 3ÀLFKWOHNWUH EHWUDFKWHWHQ /HKUWH[WHQ ZXUGHQ GHQ
Schülern je nach ihrer angestrebten (oder durch ihre familiären Voraussetzungen vorge
gebenen) Karriere spezielle Ausbildungen zuteil. So wurden Priesteranwärter je nach Rang in
Riten, Zaubersprüchen, Medizin (inkl. Balsamierungstechniken und -riten) und tempel- bzw. ritual
VSH]L¿VFKHP :LVVHQ geschult. Verwaltungsbeamte erhielten spezielle Informationen zu dem
ihnen unterstellten Bezirk. Militärangehörige und Architekten wurden in Planung und Durch
führung von Feldzügen und Bauprojekten unterrichtet uvm. Für das weitere Studium standen an
die Tempel angegliederte ‚Lebenshäuser‘ bereit. Diese Institutionen beschäftigten sich mit der
Erstellung, Tradition und Aufbewahrung wissenschaftlicher und religiöser Werke und waren wohl
nur eingeschränkt zugänglich. Daneben scheinen einige höhere Beamte private Bibliotheken
geführt zu haben, die über Generationen vererbt und ergänzt wurden. Die berühmte Bibliothek
von Alexandria entstand nicht mehr in pharaonischer, sondern in griechischer Tradition. Hier wurden vermutlich dennoch, neben klassischen Werken der griechischen und römischen Denker und
Philosophen, eine Fülle von Texten aus den früheren Jahrtausenden gelagert. Diese Sammlung
ist wahrscheinlich durch den Brand im Zuge des Einmarsches Julius Caesars in die Stadt (48
v. Chr.) und die Umverteilung der Schriften auf andere Bibliotheken im Mittelmeerraum heute
verloren.
Die Schreiberausbildung stand in frühchristlicher Zeit besonders denen offen,
die sich einem Kloster anschlossen.
Aber auch aus häuslichem/städtischen
Umfeld sind sowohl von Männern als
auch Frauen Schriftstücke in jeder Form
überliefert. Neben Schülerübungen und
Briefen – wieder in Formularen und
durch Kopieren gelehrt – sind ganze
Kodizes zu biblischen Texten, typische
Lebensgeschichten
Ortsheiliger
in
Schönschrift sowie magische und
gnostische Texte erhalten (unter dem
Begriff Gnosis laufen verschiedene sich
im 1. Jahrtausend entwickelnde religiöse
Gruppierungen, die sich teils phara
onisches, teils christliches Gedankengut
zu eigen machen und uminterpretieren).
Kodex (Pl. Kodizes):
Das lateinische Wort codex (Pl. codices; dt. auch Kodex/
Kodizes) bedeutet ursprünglich „Baustamm“ oder „Holzklotz“. Tatsächlich bezeichnete man zunächst Stapel von
beschrifteten Holztafeln als Kodex. Diese fanden bis in
das 8. Jahrhundert n. Chr. im gesamten Mittelmeerraum
inklusive Ägypten Verwendung.
Neben Holztafeln wurden Keramikscherben sowie Papyrusund Pergamentrollen als Schreibmaterialien genutzt. Erst
ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. fertigte man aus Papyrus
und Pergament glatte Seiten an, die dann wiederum
gesammelt und gebunden werden konnten. Auch diese
‚Bücher‘ wurden bis ins Mittelalter hinein noch als Kodizes
bezeichnet. In der Archäologie wird der Begriff bis heute
für gebundene Schriftensammlungen aus römischen und
mittelalterlichen Fundzusammenhängen verwendet.
Die Fülle der Textgattungen, die sich aus dem alten Ägypten erhalten haben, steht der heutigen
im Grunde in nichts nach. Von administrativen (Zählung von Viehherden, Tempeleinnahmen,
$EUHFKQXQJHQ XQG 9HUKDOWHQVYRUVFKULIWHQ YRQ .O|VWHUQ +|KH GHU MlKUOLFKHQ 1LOÀXW HWF XQG
rechtlichen Dokumenten (Erlasse, Testamente, Gerichtsprotokolle usw.) über literarische Werke
(‚Märchen‘, Prosa, Gedichte) bis hin zu religiösen Schriften (Pyramidentexte, Sargtexte, Totenbücher, Ritualtexte auf den Tempelwänden, Mythen, Heiligenlegenden, Bibeltexten etc.) sind alle
Arten von Texten überliefert. Viele der hier getrennt gelisteten Genres gehen nahtlos ineinander
über bzw. können auch in mehrere Kategorien eingeordnet werden.
Abgesehen von diesen mit mehr oder weniger großer Sorgfalt gefertigten Dokumenten hinterOLH‰HQ YLHOH GHU 1LOWDOEHZRKHU XQG 5HLVHQGHQ GHU DOWHQ =HLW %HVXFKHULQVFKULIWHQ XQG *UDI¿WL
wie sie bis heute an Aussichtpunkten oder Orten mit historischer oder legendärer Bedeutung
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
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reichen von Namensnennungen über Flüche und Verwünschungen bis hin zu Anrufungen von
Göttern, Umwidmungen von Tempeln zu Kirchen und persönlichen Wünschen. Auch bildliche
+LQWHUODVVHQVFKDIWHQGLHVHU$UWVLQGKlX¿J]X¿QGHQ
Die ägyptische Sprachgeschichte und einige Anmerkungen zur Grammatik* (Hieroglyphenkatalog, Arbeitsblätter 1–4)
Die Hieroglyphenschrift entstand wohl wie fast alle Schriften zunächst aus wirtschaftlich motivierten
Beweggründen: Waren mussten bezeichnet, Eigentümer genannt und Korrespondenz geführt
werden. Der Ägypter erklärte sich die Herkunft dieser wichtigen Kulturleistung jedoch auf andere
Weise: Sie sei ein Geschenk der Götter, heißt es in der altägyptischen Mythologie. Der paviansRGHU LELVN|S¿JI|UPLJ GDUJHVWHOOWH *RWW 7KRW ZDU LQ GHU lJ\SWLVFKHQ *|WWHUZHOW IU GLH =HLW
rechnung und alles, was wir heute als Wissenschaften bezeichnen würden, zuständig, darunter
natürlich auch die Schrift. Die Ägypter nannten ihre Schrift Medu-netscher (dt. „Gottesworte“).
Diese Bedeutung wiederum ist der Übersetzung der viel später entstandenen griechischen
Bezeichnung hieroglyphika (dt. „heilige Zeichen“) sehr ähnlich. Tatsächlich wurde letzterer Begriff
erstmals verwendet, als Hieroglyphen nur noch im Zusammenhang mit Religion Verwendung
fanden.
Die Hieroglyphenschrift bezieht ihre Zeichen aus allen Bereichen des alltäglichen Lebens der
alten Ägypter. Von Menschen in unterschiedlichen Haltungen oder Bekleidungen, Tieren und
7LHUWHLOHQ0LVFKJHVWDOWHQ3ÀDQ]HQXQG$EELOGXQJHQYRQ1DWXUEHU$UFKLWHNWXUEHVWDQGWHLOHXQG
Haushaltsgegenstände wie Körbe, Krüge, Seile und Stäbe zu abstrakten Zeichen wie Strichen
oder Punkten ist fast alles im Repertoire vorhanden.
Abbildung 9: Statue des Schreibers Nebmerutef
neben dem paviangestaltigen Thot (mit Erlaubnis
des Louvre, Paris; Inv.nr. E 11154).
Abbildung 10: Schreibermönch aus Nag Hammadi
(mit Erlaubnis des Coptic Museum, Cairo; Inv.nr.
8796).
* Eine Einführung in Tempora und die verschiedenen grammatikalischen Formen würde hier zu weit führen.
Dies ist die Basis jedes deutschen Ägyptologiestudiums und wird dort über viele Semester gelehrt und eingeübt.
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
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Hieroglyphen stellen sowohl Laut- als auch Wortzeichen dar. Im Vordergrund steht ihr rein
konsonantischer Lautwert. Lediglich drei Konsonanten werden heute nach ihrer Verwendung in
griechisch-römischer Zeit in ägyptologischen Übersetzungen als Scheinvokale verstanden: ‚w‘
steht auch für ‚u‘, ‚j‘ für ‚i‘ und die arabischen Konsonaten Aleph ‚A‘ und Aijen ‚a‘ für ‚a‘. Einzelne
Hieroglyphen umfassen einen, zwei, drei, seltener vier oder fünf Konsonanten als Lautwert. In
der Kombination der Zeichen ergibt sich der Lautwert des gesamten Wortes, wobei es teils zu
Wiederholungen einzelner Konsonanten kommt, ohne, dass diese wirklich doppelt ausgesprochen
wurden (in ägyptologischer Fachsprache als ‚Komplementierung‘ bezeichnet).
'LH%HGHXWXQJGHU:|UWHUZLUGQlKHUGH¿QLHUWGXUFKGDVLQYLHOHQ)lOOHQMHGRFKQLFKWLPPHU
dem Wort nachgestellte Determinativ. Dies ist ein Zeichen oder eine Zeichengruppe, die das
vorausgehende Wort inhaltlich bestimmt. Beispielsweise kann hinter einem Männernamen ein
VLW]HQGHU 0DQQ DEJHELOGHW VHLQ XQG VR GHQ 1DPHQ DOV PlQQOLFK LGHQWL¿]LHUHQ (LQ DQGHUHV
Beispiel ist ein Krug hinter dem Wort für ein Getränk oder eine Flüssigkeit, ebenso wie das dreifache Wasserzeichen hinter Bezeichnungen für Gewässer.
Wörter im Plural werden in vielen Fällen mit sog. Pluralstrichen – drei parallelen horizontal oder
vertikal nebeneinander angeordneten kurzen Strichen – oder durch drei ‚Körner‘ bei körnigen
Substanzen wie Pigmenten gekennzeichnet. Auch die Verdreifachung des Determinativs oder
sogar des Zeichens, das ein ganzes Wort wiedergibt, kommt vor. Neben dem Plural kennt das
ältere Ägyptische wie das Hocharabische den Dual, sprich die Verdoppelung von Dingen (in der
Übersetzung „die zwei/beiden XY“).
Feminine Wörter enden auch wie in der arabischen Sprache eigentlich auf ‚t‘. Oft wird dieses
jedoch nicht geschrieben.*Seite 7
Wie alle Sprachen der Welt hat auch das Ägyptische innerhalb seiner über 4000 Jahre langen
Geschichte eine Vielzahl von Wandlungen durchlebt. Nicht alle seine Entwicklungsstufen sind
GXUFK XPIDQJUHLFKH 4XHOOHQ EHOHJW 'HU 6SUDFKZLVVHQVFKDIWOHU LVW VRPLW KlX¿J DXI NOHLQVWH
Hinweise und Fragmente für seine Studien angewiesen.
Sprachstufen werden anhand grammatikalischer und sprachlicher Unterschiede getrennt. Da sich
die Schriftsprache im Verhältnis zur gesprochenen Sprache langsamer entwickelt, die Umstellung
nie abrupt, sondern graduell geschieht und aus pharaonischer Zeit lediglich auf textliche Belege
für ihre Rekonstruktion zurückgegriffen werden kann, werden Sprachstufenwechsel erst für einen
deutlich späteren Zeitpunkt festgestellt, als sie möglicherweise in Wirklichkeit stattgefunden
haben. Wörter und grammatikalische Formen werden zunächst von einigen wenigen Menschen
XPJDQJVVSUDFKOLFKYHUZHQGHWEHYRUVLHYRQGHU*HVHOOVFKDIWDXIJHQRPPHQRI¿]LHOODQHUNDQQW
und schließlich auch schriftlich genutzt werden. Als ein modernes Beispiel für diesen Prozess
kann das Wort „googlen“ herangezogen werden, das eine deutsche Verbbildung eines englischen
Produktnamens ist. Es steht seit 2004 im Duden, wurde jedoch schon lang vorher benutzt.
Frühägyptisch:
Als Frühägyptisch werden die ersten Schriftzeugnisse aus dem alten
Ägypten bezeichnet. Sie sind auf Etiketten von Grabbeigaben, z.B.
von Gefäßen aus dem Grab U-j – ca. 3200 v. Chr. – in Abydos belegt. Sie nennen einzelne Personen- und Ortsnamen, Institutionen
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Umzeichnung
einer frühägyptische
Inschrift (siehe
Zeitstrahl S. 35).
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Schrift und Sprache der alten Ägypter
und Titel bzw. Berufsbezeichnungen, meist jedoch den Inhalt des Gefäßes, Mengenangaben u.ä.
Vollständige Sätze sind nicht belegt. Viele der Lesungen und Bedeutungen bleiben unklar. Eine Rekon
struktion der gesprochenen Sprache oder der Grammatik ist für diese Zeit noch nicht möglich.
Erzählungen und Legenden wurden wohl nur mündlich weitergegeben oder die einst vorhandenen Dokumente wurden bisher nicht gefunden bzw. haben sich nicht erhalten.
Altägyptisch:
Die ersten zusammenhängenden Texte aus dem
pharaonischen Ägypten tauchen ab der 4. Dynastie (ca.
2540–2430 v. Chr.) auf. Am bekanntesten unter ihnen sind
die sog. Pyramidentexte aus den Königspyramiden der
späten 5. Dynastie (ca. 2430–2300 v. Chr.) in Saqqara.
Neben den Pyramidentexten ist das Altägyptische aus
$XWRELRJUD¿HQ XQG DQGHUHQ +LQWHUODVVHQVFKDIWHQ YRQ
Privatpersonen bekannt, die auf ihren Grabwänden,
beispielsweise in den Mastaben von Saqqara, bildlich
und schriftlich festgehalten wurden (siehe Vorschläge für
.ODVVHQDXVÀJH
Abschrift eines Satzes aus den
Pyramidentexten der Unaspyramide,
Saqqara (siehe Zeitstrahl S. 35).
Umzeichnung einer hieratische Handschrift
aus dem Mittleren Reich (siehe Zeitstrahl
S. 35).
Daraus wird ersichtlich, dass Schreiben – zumindest in
einigen sozialen Schichten – schon lange Zeit vor den
Pyramidentexten in Ägypten üblich war. Tatsächlich wären Bauprojekte wie die Pyramiden
von Gizeh ohne umfangreiche schriftliche Planungen (z. B. Berechnungen zu Baumaterial,
die )KUXQJ YRQ $UEHLWHUOLVWHQ XQG EULHÀLFKH .RUUHVSRQGHQ] XQP|JOLFK ]X EHZHUNVWHOOLJHQ
gewesen. Erst vor Kurzem wurden beschriftete Papyri aus der Zeit des Cheops (4. Dynastie) am
Roten Meer gefunden, die die Existenz von Texten vergleichbaren Inhalts bestätigen. Weitere
Schriftstücke könnten somit in Zukunft noch gefunden werden.
Die Texte überliefern ein voll entwickeltes Schriftsystem und reiches Vokabular. Die heutigen
grammatikalischen Kenntnisse zu dieser Sprachstufe – wie auch zu den folgenden – beruhen
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der pharaonischen Zeit selbst sind nicht erhalten.
Aus dem Alten Reich sind neben hieroglyphischen Schriftstücken die ersten sog. hieratischen
Texte belegt. Hieroglyphen können als die Druckschrift der
alten Ägypter bezeichnet werden. Sie können von oben nach
unten, rechts nach links und links nach rechts geschrieben werden (an der Blickrichtung der Tier- und Menschenzeichen ist die
Schriftrichtung erkennbar: Sie blicken in Richtung Zeilen-/Satz-/
Wortanfang). Das Hieratische ist dagegen die Schreibschrift, die
für Notizen, administrative Dokumente u.ä. verwendet wurde.
Es wurde zunächst in Spalten geschrieben, ab dem Übergang
zum Mittleren Reich jedoch immer öfter in Zeilen von rechts
Abbildung 11: Mögliche Schriftnach links. Diese Zeilen (oder Spalten) wurden in Textblöcken
richtungen hieroglyphischer und
zusammengefasst. Hieroglyphen werden im Hieratischen
hieratischer Texte in Zeilen und
Spalten/Kolumnen am Beispiel
des Wortes sbA (dt. „Stern“).
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stark vereinfacht und miteinander verbunden (in ägyptologischer Fachsprache als ‚Ligaturen‘
bezeichnet). Je nach ‚Sauklaue‘ des Verfassers, bereiten solche Texte dem Ägyptologen mitunter
große Schwierigkeiten in der Lesung.
Mittelägyptisch:
Zwischen dem Alt- und dem Mittelägyptischen
gibt es keinen allzu großen Unterschied in der
Grammatik. Mittelägyptisch wurde spätestens
Abschrift eines Mittelägyptischen Satzes aus den Sargab Beginn des Mittleren Reichs (ca. 1980 v.
texten (siehe Zeitstrahl S. 35).
Chr.) geschrieben. Die zahlreichen erhaltenen
Texte decken eine große Bandbreite an Genres ab. Neben den Jenseitstexten (Pyramiden- und
sog. Sargtexte) entstanden literarische Werke (sog. ‚Märchen‘, Erzählungen, Dialoge, Satiren,
etc.), Wirtschaftstexte, Briefe etc.
Das Mittelägyptische ist die am längsten tradierte Sprachstufe der pharaonischen Zeit. Es
¿QGHWDXFKQRFK lange nach seiner Ablösung durch spätere Sprachstufen in einigen grammati
kalischen Wendungen und Begriffen in bestimmten Textgattungen Verwendung (vergleichbar
mit der eigentlich veralteten Ausdrucksweise der Bibel oder des Korans). Die letzten textlichen
Belege, die grammatikalisch und vom Wortschatz her Mittelägyptisch sind, stammen aus
Tempeln und Gräbern der Römerzeit. Vermutlich konnten sie nur noch von speziell ausgebildeten Gelehrten gelesen und verstanden werden (siehe dazu auch Ptolemäisch). In der deutsch
sprachigen Ägyptologie wird diese Sprachstufe meist zuerst gelehrt, da sie am ehesten mit
unserem heutigen Verständnis einer ‚Hochsprache‘ (vgl. Hochdeutsch/Hoacharabisch)
vergleichbar ist.
Neuägyptisch:
Das Neuägyptische taucht in geschriebener Form (in Hieroglyphen
Abschrift eines Neuägyptischen Satzes aus der
und Hieratisch) erst im Verlauf des
Qadeschschlacht (siehe Zeitstrahl S. 35).
Neuen Reichs auf. Pharao Echnaton
führte während seiner Regierungszeit eine neue religiöse Ausrichtung ein – weg vom vorher
hauptsächlich im Königshaus verehrten Amun, hin zu einer Erscheinungsform des Sonnengottes,
der Sonnenscheibe Aton – und gründete seine Hauptstadt Achet-Aton (dt. „Horizont des Aton“),
das heutige Tell el-Amarna in Mittelägypten. Erst ab seiner Regierungszeit (ca.1353–1336 v.
Chr.) wurde das Neuägyptische tatsächlich geschrieben, obwohl es klare Indizien in mittelägyptischen Texten gibt, dass es lange Zeit vorher bereits gesprochen wurde. Der Bruch zum Mittel
ägyptischen ist diesmal deutlich in der Grammatik spürbar. Das Neuägyptische wurde jedoch
nicht in allen Textgattungen verwendet. Beispielsweise nutzte man in klassischen Literatur
werken weiterhin das Mittelägyptische. An den in solchen Texten auftauchenden „Fehlern“ lässt
sich erkennen, dass dies manchmal zu Verwirrung führte.
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Demotisch:
Das Demotische stellt eine weitere Schrift- und Sprachstufe dar und
kann wiederum in drei Stufen unterteilt
Umzeichnung eines demotischen Satzes aus der Lehre des
werden. Es entstand um 650 v. Chr. Anchsheshonqi (siehe Zeitstrahl S. 35).
(in der sog. Spätzeit) aus dem Hieratischen, das noch weiter zusammen
gefasst wurde und wird wie sein Vorgänger von rechts nach links geschrieben.
Demotisch ist für rund 1000 Jahre in Schriftzeugnissen belegt. Diese wiederum stammen
aus dem literarischen, administrativen und privaten Bereich. Aus diesem Grund nannte Herodot die Schrift įȘȝȠIJȚNȐ (dt. „profan“). Es stand zu seiner Zeit neben dem als internationaler
Verständigungssprache des Mittelmeerraums etablierten Aramäischen und dem Ptolemäischen,
der ‚Heiligen Schrift‘.
Ptolemäisch:
Grammatikalisch entspricht das Ptolemäische, das
ausschließlich in Tempeln und in kultisch-religiösen
Schriften geschrieben wurde, weitestgehend dem
Mittelägyptischen. Es kamen jedoch eine Vielzahl Abschrift eines ptolemäisches Textes aus
neuer Hieroglyphen zum Bestand hinzu (von rund der Weltschöpfung, Tempel von Esna (siehe
700 steigt deren Zahl auf etwa 8000). Früher fest für Zeitstrahl S. 35).
bestimmte Konsonanten genutzte Zeichen konnten nun, je nach Kontext, unterschiedliche Lautwerte haben. Durch das parallel verwendete
Griechische werden zudem erstmals Lautverschiebungen beispielsweise von ‚r‘ zu ‚l‘ sichtbar. Auch wird eine große Zahl griechischer Fremdwörter in Hieroglyphen wiedergegeben. Das
Ptolemäische stellt somit weniger eine eigene Sprachstufe als ein neues Schriftsystem dar.
Wahrscheinlich wurden Hieroglyphen nur noch von einer kleinen Zahl von Eingeweihten überhaupt verstanden. Ihre Nutzung in rein kultisch-religiösem Kontext und eine zunehmend geheimschriftartige Verwendung erschweren es dem Ägyptologen von heute diese Texte zu lesen.
%HLVSLHOVZHLVHEH¿QGHWVLFKLQGHU(LQJDQJVKDOOHGHV7HPSHOVYRQ(VQD±GHPeinzigen Teil dieses Tempels, der heute noch zu besichtigen ist – eine Inschrift, die ausschließlich aus Variationen
der Krokodilshieroglyphe besteht. Ohne ein gewisses Hintergrundwissen ist dieser Text für niemanden lesbar. Jedoch ist genau dieses Wissen mit den letzten Priestern des Tempels verloren
gegangen.
Die letzte hieroglyphische Inschrift aus Ägypten datiert auf den 24.08.394 n. Chr. Es handelt sich
XPGDV*UDI¿WRHLQHV3ULHVWHUVLP7HPSHOYRQ3KLODHEHL$VZDQ'DVOHW]WHGHPRWLVFKH6FKULIWstück stammt ebenfalls von dieser Insel und aus dem Jahr 452. Als 536 n. Chr. auf Anordnung
Kaiser Justinians I. (484–565 n. Chr.) die ägyptischen Tempel geschlossen und der Götterkult
verboten wurde, war die Kenntnis der Hieroglyphenschrift bereits weitestgehend verloren.
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Koptisch:
Das Koptische ist die jüngste Stufe der altägyptischen tamio nan Noukoui nar¥in
Sprache. Es entstand etwa 200 n. Chr. (die ersten Abschrift aus den koptischen Apophtegmata
schriftlichen Zeugnisse sind Bibeltexte aus der Zeit um patrum (dt. „Weisungen der Väter“; siehe
300 n. Chr.) und wurde bis ungefähr 1000 n. Chr. als Zeitstrahl S. 35).
Amtssprache neben dem als lingua franca dienenden
Griechischen in Ägypten verwendet. Die meisten koptischen Schriftzeugnisse stammen aus der
spätrömischen Zeit, rund 325–800 n. Chr. Nach der arabischen Eroberung Ägyptens im Jahr 642
wurde das Koptische langsam vom Arabischen abgelöst.
Im Gegensatz zu den früheren Sprachstufen des Ägyptischen verwendet das Koptische keine
Hieroglyphen, sondern griechische Buchstaben sowie sechs aus dem Demotischen abgeleitete Zusatzzeichen. Dadurch werden zum ersten Mal in der Geschichte der ägyptischen Sprache auch Vokale verzeichnet. Außerdem lassen sich so mehr als ein Dutzend Dialekte – wie
heute die ägyptisch-arabischen Dialekte vom Südende des Landes bis hin zum Mittelmeer
verteilen – unterscheiden. Einem ‚Hoch‘-Koptischen am nächsten kommend ist der sahidische
Dialekt (von Said = süd-/oberägyptisch). In der Kirchenliturgie setzte sich das aus dem Westdelta
stammende Bohairisch durch. Das Gebiet, in dem dieser Dialekt gesprochen wurde, lag im
Umfeld des Sitzes des koptischen Papstes (die Abspaltung der koptisch-orthodoxen Kirche von
den übrigen christlichen Kirchen geschah im Verlauf des Konzils von Chalcedon 451 n. Chr.) in
Alexandria. Er wird bis heute in den koptisch-orthodoxen Liturgien verwendet.
Das Koptische nutzt neben altägyptischen Wörtern einen umfangreichen Bestand an griechischem Vokabular. Schriftzeugnisse reichen von Briefen, Gerichtsurkunden und Schülerübungen
auf Ostraka bis hin zu Kodizes. Letztere wurden auf Papyrus- oder Pergamentblättern in Buchform mit Ledereinband gebunden und lösten damit die bisher üblichen gerollten Dokumente ab.
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Aussprache
Eine vollständige Rekonstruktion der Aussprache der altägyptischen Wörter wird nie möglich
sein, denn wie in allen heute gebräuchlichen Sprachen können Wörter je nach Dialekt komplett
unterschiedlich ausgesprochen werden. Auch ist uns die Vokalisation des Altägyptischen nahezu unbekannt. Vergleicht man dieses Fehlen mit anderen rein auf Konsonanten basierenden
Schriften wie dem Arabischen, so zeigt es sich, dass bestimmte Konsonantenkombinationen je
nach eingefügtem Vokal völlig unterschiedliche Bedeutungen erhalten können. Lediglich für das
Ptolemäische kann eine ungefähre Rekonstruktion der Aussprache versucht werden, da man
zum Vergleich die Vokale nutzende, griechische Schrift heranziehen kann.
Der Ägyptologe behilft sich für die Aussprache mit der Umschreibung der Hieroglyphen in Buchstaben, die auch für die Umsetzung des Arabischen in europäische Schrift (weitestgehend
nach dem System der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft) verwendet werden. Die
bereits genannten Scheinvokale, deren Aussprache in der Ägyptologie auf ihre Verwendung in
griechisch-römischer Zeit zurückzuführen ist, ermöglichen die Artikulation vieler Wörter oder Wortteile. Überall dort, wo jedoch ein Vokal nach unserem heutigen Sprachverständnis fehlen würde,
wird in der Ägyptologie ein ‚e‘ eingefügt. Dieses wird in der Umschrift nicht wiedergegeben, kann
aber leicht hinzugedacht werden.
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LITERATUR
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‡ J. BAINES/Ch. EYRE, Four Notes on Literacy, in: J. BAINES (Hrsg.), Visual and Written Culture
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‡ M. COLLIER/W. MANLEY, How to Read Egyptian Hieroglyphs, London, 2003.
‡ R. CRIBIORE, Writing, Teachers, and Students in Graeco-Roman Egypt (American Studies in
Papyrology 36), Atlanta 1996.
‡ C. HOLLER, Das Krokodil und der Pharao, Darmstadt 2012.
‡ J. H. JOHNSON, Thus Wrote Onchsheshonqy: An Introductory Grammar of Demotic (Studies
in Ancient Oriental Civilization 45), Chicago 1986, 1–6.
Siehe auch: http://oi.uchicago.edu/research/pubs/catalog/saoc/saoc45.html.
‡ F. JUNGE, Sprachstufen und Sprachgeschichte (Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Suppl. VI), Stuttgart 1985, 17–34.
Siehe auch: http://oi.uchicago.edu/research/pubs/catalog/saoc/saoc45.html.
‡ B. LAYTON, A Coptic Grammar (Porta Linguarium Orientalium 20), Wiesbaden 2000, 1–4
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‡ R. B. PARKINSON, The Tale of Sinuhe and Other Ancient Egyptian Poems 1940–1640 BC,
Oxford 1998.
‡ E. PETERSMARCK, Die Kemit (Göttinger Miszellen Beihefte 12), Göttingen 2012.
‡ S. QUIRKE/C. ANDREWS, The Rosetta Stone, London 1988.
‡ W. SCHENKEL, Tübinger Einführung in die Klassisch-Ägyptische Sprachwissenschaft,
Tübingen 2012, 17–72.
‡ H. A. SCHLÖGL, Ägyptologie. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, in: H. A. SCHLÖGL/
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‡ H. J. THISSEN, Des Niloten Horapollon Hieroglyphenbuch (Archiv für Papyrusforschung
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‡ S. WIMMER, Die Hieroglyphen – Schrift und Schrifttum, in: R. SCHULZ/M. SEIDEL, Ägypten.
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