150 WISSENSCHAFT WISSENSCHAFT OA Dr. Gabor Kovacs, Univ.Prof. Dr. Horst Olschewski Medizinische Universität Graz, Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Ludwig Boltzmann Institut für Lungengefäßforschung, [email protected], [email protected] Abb. 1 und Abb. 2: Thoraxröntgen-Aufnahmen a.p. und seitlich einer 26-jährigen Patientin mit schwerer pulmonaler Hypertonie. Auffallend sind das prominente Pulmonalissegment, die erweiterte rechte Unterlappenarterie, sowie die verlängerte retrosternale Kontaktfläche des Herzens in der seitlichen Aufnahme. Diagnostik und Therapie der pulmonalen Hypertonie Die Diagnostik und die Therapie der pulmonalen Hypertonie (PH) sind komplexe medizinische Aufgaben. In den vergangenen 10 Jahren haben wir durch groß angelegte internationale Forschungsanstrengungen große Fortschritte bei der Epidemiologie und Diagnostik und eine dramatische Entwicklung bei der Therapie erlebt. Viele Kollegen konnten dieser Entwicklung nicht im vollen Umfang folgen und fühlen sich unsicher, was aktuell das empfohlene Vorgehen ist. ie diagnostische Klassifikation unterscheidet 5 Krankheitsgruppen, die über verschiedene Pathomechanismen zu einer PH führen. Nur für die Gruppe I, die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) gibt es zugelassene Therapieoptionen. Für die anderen Gruppen steht die Therapie der Grundkrankheit absolut im Vordergrund. Bei der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) ist die pulmonale Endarterektomie die Therapie der Wahl. D Definition und Klassifizierung Die pulmonale Hypertonie (PH) ist durch eine Erhöhung des pulmonal arteriellen Drucks gekennzeichnet, welche durch unterschiedliche Ursachen zu Stande kommen kann. Die PH wird in den aktuellen Leitlinien durch einen mittleren pulmonal arteriellen Druck (mPAP) ≥ 25 mmHg in Ruhe definiert [1, 2]. Der früher verwendete „Belastungs-Teil der hämodynamischen Definition wurde beim letzten PAH-Weltkongress in Dana Point (2008) entfernt. Als normal wird der mPAP in Ruhe zwischen 8 und 20 mmHg betrachtet [3], die klinische Bedeutung von mPAP-Werten zwischen 20 und 25 mmHg ist nicht völlig geklärt. Die diagnostische Klassifikation der PH unterscheidet grundsätzlich 5 Krankheitsgruppen, die über verschiedene Pathomechanismen zu einer PH führen. Entsprechend unterscheiden sich die therapeutischen Optionen. Die Gruppe I (pulmonal arterielle Hypertonie, PAH) hebt sich von allen anderen Gruppen der ARZT & PRAXIS PH dadurch ab, dass es zugelassene gezielte Medikamente gibt. Zur diesen Gruppe gehören die idiopathische und erbliche Form der PAH, sowie die PAH assoziiert mit gewissen Erkrankungen. Die PAH ist eine seltene Erkrankung mit einer Prävalenz von 15-60/Million. Die idiopathische PAH ist die „klassische“ pulmonale Hypertonie, welche bei Diagnose meistens bereits zu einer schweren pulmonalen Druckund Widerstandserhöhung geführt hat und unbehandelt zur Rechtsherzdekompensation und zum Tode führt. Die Prognose der idiopathischen PAH ist entsprechend schlecht. Das 1-, 3- und 5-Jahres-Überleben beträgt unbehandelt lediglich 68, 48 und 34% [4]. Zur PAH gehören auch die assoziierten Erkrankungen (APAH), z.B. bei Kollagenosen, Leberzirrhose, HIV etc.. Die häufigste APAH findet sich bei systemischer Sklerodermie (SSc). Die pulmonale Beteiligung stellt heute bei der SSc die häufigste Todesursache dar und ist, wenn man APAH und Lungenfibrose zusammennimmt, für über 60% der Todesfälle verantwortlich. Bei ca. 10% der SSc-Patienten wird eine APAH diagnostiziert. Sklerodermie und PH scheinen eine besonders gefährliche Kombination mit einer schlechteren Prognose als bei der idiopatischen pulmonal arteriellen Hypertonie zu sein. Die pulmonale veno-okklusive Erkrankung und die pulmonale kapilläre Hämangiomatose teilen viele Eigenschaften mit der PAH, zeigen aber auch Unterschiede und wurden deswegen einer eigenen Gruppe (Gruppe I’) zugeordnet. Zur Gruppe II gehören die Patienten mit einer PH bei Linksherzerkrankungen. In solchen Fällen ist eine pulmonal arterielle Druckerhöhung die Folge einer linkskardialen Erkrankung (systolische, diastolische Dysfunktion, Vitium an Mitral- oder Aortenklappe) und der damit verbundenen pulmonal venösen Druckerhöhung. Die Höhe des pulmonal arteriellen Drucks ist bei diesen Patienten prognostisch höchst relevant, es ist aber bisher keine gezielte Therapie etabliert. In der Gruppe III werden Patienten mit einer PH bei Lungenerkrankungen bzw. assoziiert mit Hypoxie zusammengefasst. Viele dieser Patienten zeigen klinisch ein Cor pulmonale. Interessanterweise erfüllen aber nur ca. 50% der Patienten mit Cor pulmonale die Definition einer pulmonalen Hypertonie. Die häufigsten Ursachen sind COPD, Lungenfibrose, Schlafapnoesyndrom und Hypoventilationssyndrome. Die PH bei Linksherz- und bei Lungenerkrankungen sind die häufigsten Formen der PH. Bei diesen Fällen ist der pulmonale Druck in der Regel leicht erhöht und hat prognostische, aber bisher keine therapeutische Relevanz. Gruppe IV ist die chronisch thromboembolische PH (CTEPH). Dies kann eine späte Komplikation der akuten Lungenembolie sein, die in 0,5 bis 4% der Fälle vorkommt, oder sie entwickelt sich protrahiert durch multiple unbemerkte thromboembolische Ereignisse. Die betroffenen Lungenarterien sind mit organisiertem Thrombusmaterial gefüllt. Die wesentliche Therapieoption ist die Pulmonalisendarterektomie. Jahrgang 65 / 975 / 2011 Zur Gruppe V gehören Patienten mit einer PH unklarer bzw. multifaktorieller Ursache. Die Gruppe ist heterogen und besteht aus Patienten mit einem erhöhten Risiko für PH -wie etwa solche mit myeloproliferativen Erkrankungen, Sarkoidose, chronischer Niereninsuffizienz und Dialyse - aber unterschiedlichsten zum Teil unklaren zum Teil multikausalen Pathomechanismen. Nicht-invasive diagnostische Verfahren Das Ziel unserer diagnostischen Verfahren bei vermuteter PH ist dreifach und besteht aus der Bestätigung der Diagnose, der klinischen Zuordnung der Erkrankung und der Einschätzung des funktionellen und hämodynamischen Schweregrades. Die wichtigsten Untersuchungsverfahren werden im Rahmen eines diagnostischen Algorithmus eingesetzt. Vor Durchführung des Gold-Standards – einer Rechtsherzkatheteruntersuchung – werden nicht-invasive Untersuchungen verwendet. Diese können das Vorliegen der Erkrankung nicht eindeutig beweisen, können aber die Wahrscheinlichkeit einer PH besser einschätzen lassen und ermöglichen wichtige differenzialdiagnostische Aussagen. Anhand dieser Untersuchungen muss entschieden werden, ob eine PH mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann oder ob eine Verlaufskontrolle bzw. ein Rechtsherzkatheter notwendig sind. Körperliche Untersuchung Die Beschwerden von PH-Patienten sind zwar unspezifisch, es ergibt sich aber ein charakteristisches Muster. Am häufigsten wird über eine Belastungsdyspnoe geklagt. Dies ist oft das erste Symptom und wird in frühen Stadien der Erkrankung in erster Linie beim Bergaufgehen oder beim Treppensteigen beobachtet. Zum Zeitpunkt der Diagnose haben praktisch alle PHPatienten Belastungsdyspnoe. Als häufiges Zeichen einer PH zählt bei der körperlichen Untersuchung ein betonter zweiter Herzton. Vielfach Jahrgang 65 / 975 / 2011 ist auch ein holosystolisches Herzgeräusch auskultierbar, das durch eine Trikuspidalklappeninsuffizienz entsteht. Zeichen der kardialen Dekompensation, wie periphere Ödeme, gestaute Halsvenen oder ein tastbarer Leberpuls gelten als Spätzeichen der Erkrankung. EKG Häufig werden bei PH-Patienten ein Rechtstyp, sowie ein inkompletter oder kompletter Rechtsschenkelblock und Erregungsrückbildungsstörungen in den Vorderwandableitungen beobachtet (s. Abb. 3). Die Abwesenheit dieser Zeichen schließt eine PH allerdings nicht aus. Thoraxröntgen Zu den wichtigsten radiologischen Zeichen einer PH gehört die Darstellung erweiterter Pulmonalarterien. Oft sind die Erweiterung der rechten Unterlappenarterie bzw. ein prominentes Pulmonalissegment zu beobachten (s. Abb. 1 und 2). Die Verlängerung der retrosternalen Kontaktfläche des Herzens in der seitlichen Aufnahme zeigt eine Hypertrophie bzw. Dilatation des rechten Ventrikels an. Obwohl zum Zeitpunkt der Diagnose einer PH die Thoraxröntgen-Aufnahme fast immer pathologisch ist, schließt ein normales Bild die PH nicht aus. Lungenfunktion Oft werden bei der PH eine diskrete Obstruktion der peripheren Atemwege und eine leicht eingeschränkte Diffusionskapazität beobachtet. Die Untersuchung ist unabdingbar, um eventuell zugrunde liegende Atemwegs- oder Lungenparenchymerkrankungen auszuschließen. Echokardiographie Die Echokardiographie gilt als wichtigste Screeningmethode für eine PH. Mittels Echokardiographie kann der systolische pulmonal arterielle Druck durch die Messung der maximalen trikuspidalen Regurgitationsgeschwindigkeit (TRG) und Verwendung der modifizier- ten Bernoulli-Gleichung (SPAP = 4 x TRG2 + RAP) abgeschätzt werden (s. Abb. 4). Der rechtsatriale Druck (RAP) wird anhand der Weite und Atemvariabilität der Vena cava inferior geschätzt. Zusätzlich bietet die Echokardiographie weitere Hinweise auf PH anhand von pulmonaler Akzelerationszeit, rechtsventrikulärer Dilatation, Hypertrophie der rechtsventrikulären Wand, erweiterter zentraler Pulmonalarterie und eingeschränkter rechtsventrikulärer Funktion. Anhand dieser Parameter und des geschätzten SPAPs kann die PH als unwahrscheinlich, möglich oder wahrscheinlich eingestuft werden. Die nicht-invasive Abschätzung des pulmonalen Drucks hat Limitierungen – in einem wesentlichen Teil der Untersuchungen wird der PAP über- oder unterschätzt. Zusätzlich können mittels Echokardiographie die linksventrikuläre systolische und diastolische Funktion sowie der Zustand der Herzklappen beurteilt werden. Es ist sehr wichtig zu betonen, dass die Diagnose einer PH nicht allein auf der Echokardiographie beruhen darf und dass keinesfalls eine PAH-Therapie ohne invasive Diagnostik eingeleitet werden sollte. Ventilations-Perfusionsszintigraphie Zum Ausschluss einer CTEPH soll bei allen PHPatienten eine Lungenperfusionsszintigraphie durchgeführt werden. Kleine, nicht-segmentale Defekte und diffuse Perfusionsinhomogenitäten können auch bei PAH-Patienten vorliegen, nie jedoch typische segmentale Ausfälle. CT-Thorax Die Dünnschicht-CT-Untersuchung erlaubt die Diagnostik unterschiedlicher Lungenparenchymerkrankungen und gibt indirekte Hinweise auf Differentialdiagnosen der IPAH, etwa die PVOD (s. oben). Eine CT-Pulmonalisangiographie dient der weiteren Abklärung einer CTEPH. Eine Pulmonalisangiographie wird meist nur noch als Entscheidungshilfe vor der Pulmonalisendarterektomie durchgeführt. Laboruntersuchungen Neben dem Blutbild und den laborchemischen Routineparametern sollte ein Screening auf Kollagenosen, Schilddrüsen- oder Lebererkrankungen erfolgen und das BNP bzw. NT pro-BNP bestimmt werden. Letzteres spiegelt den Schweregrad der Rechtsherzinsuffizienz wieder und ist daher von prognostischer Bedeutung, allerdings sind die Grenzwerte nicht eindeutig definiert. Belastungsuntersuchungen Belastungsuntersuchungen haben prognostische Relevanz bei PH. Die größte Wertigkeit hat ARZT & PRAXIS 151 152 WISSENSCHAFT dem Medikamente appliziert werden, welche in der gezielten Therapie der PAH eine Rolle spielen und rasche hämodynamische Effekte haben. Das gilt für Sildenafil und Iloprost. Bei der Austestung wird auch das Nebenwirkungsprofil dieser Medikamente getestet. In spezialisierten Zentren kann bei Patienten, die in Ruhe noch keine PH aufweisen, eine Belastung durchgeführt werden. Diese Untersuchung hat zur Zeit keine therapeutische Konsequenz, kann aber besonders bei PAH-Risiko prognostisch relevante Informationen liefern. Therapie der PH Abb. 3: EKG eines 78-jährigen Patienten mit schwerer pulmonaler Hypertonie. Typische Veränderung sind der Rechtstyp, der inkomplette Rechtsschenkelblock und die Repolarisationsstörungen inferior sowie in V2-4. der 6-Minuten-Gehtest, welcher in vielen klinischen Studien als primärer Endpunkt eingesetzt und in den Zulassungsstudien von der EMEA und FDA akzeptiert wird. Die Methode wird oft kritisiert, ist aber einfach und gut standardisiert. Die Spiroergometrie ist eine wichtige Methode, welche die PH-Diagnostik ergänzen kann. Bei frühen Formen der PAH-Erkrankung können bereits diskrete Veränderungen registriert werden, wo der 6-Minuten-Gehtest noch normale Werte ergibt. Eine innovative Methode ist die Stressechokardiographie, welche derzeit in erster Linie für Forschungszwecke eingesetzt wird. Hier wird der pulmonal arterielle Druck unter Belastung abgeschätzt und die Methode dient für die Diagnose früher Veränderungen der pulmonalen Gefäße bei Risikopatienten für PH. Invasive Diagnostik mittels Rechtsherzkatheter Die Gold-Standard-Untersuchung für die Dia- gnose einer PH ist die Rechtsherzkatheteruntersuchung. Sie ist obligatorisch vor Einleiten einer gezielten PAH-Therapie erforderlich. Nur mit dieser Methode kann der pulmonal arterielle Druck zuverlässig gemessen werden. Zusätzlich ermöglicht sie die Messung des Herzminutenvolumens und des rechtsatrialen Drucks sowie des pulmonalen Verschlussdruckes und die Berechnung des pulmonalen Gefäßwiderstandes. Die genaue Klassifizierung erfolgt nach der Untersuchung. Es wird empfohlen, auch gleich eine Vasoreagibilitätstestung anzuschließen. Dabei wird NO inhaliert und Patienten, die einen relevanten Abfall des pulmonalen Drucks zeigen (Abfall des mittleren PAP um mindestens 10 mmHg auf ein Druckniveau unter 40 mmHg) werden als „Responder“ eingestuft. Sie können langfristig erfolgreich mit Kalziumantagonisten behandelt werden. Diese Form der Erkrankung wird aber lediglich bei ca. 10% der idiopathischen PAH-Patienten beobachtet. Bei der pharmakologischen Austestung können außer- Die Therapie der PH ist in erster Linie von der zu Grunde liegenden Ursache abhängig, welche sich in der diagnostischen Klassifizierung wiederspiegelt. Bei Patienten mit einer PH als Folge einer Lungen- oder Linksherzerkrankung (Gruppe II, III) muss die entsprechende Grunderkrankung behandelt werden. Das Vorliegen einer von der Grunderkrankung unabhängigen PAH sollte dann in Erwägung gezogen werden, wenn die PH nach optimaler Behandlung der bestehenden Grunderkrankung persistiert oder wenn z.B. bei geringer Lungenkrankheit eine schwere PH vorliegt. Eine gezielte Therapie – wie bei PAH – wird lediglich in sehr seltenen Ausnahmefällen in erfahrenen PH-Zentren in Erwägung gezogen. Die Therapie der Wahl bei CTEPH (Gruppe IV) ist die pulmonale Endarterektomie. Nicht selten führt der Eingriff zur Normalisierung der pulmonalen Druck- und Widerstandswerte und zu einer sehr günstigen Prognose. Die akute Mortalität bei der Operation beträgt allerdings auch in sehr erfahrenen Zentren ca. 4-10% und ist vom allgemeinen Zustand und Schweregrad der Grunderkrankung abhängig. Therapie der PAH Allgemeinmaßnahmen Wegen der Komplexität von Diagnostik und Therapie wird in jeder internationalen Leitlinie betont, dass die Therapie der PAH in einem spezialisierten Zentrum gesteuert werden soll. Zu den Allgemeinmaßnahmen gehören psychosomatische und soziale Betreuung wie bei jeder chronischen Erkrankung. Körperliche Überanstrengungen sollten vermieden werden, aber ein angepasstes Training wird befürwortet. Es wird vorgeschlagen, dass Patienten zum regelmäßigen Training eine Belastung auswählen, welche sie für eine halbe Stunde ohne Atemnot durchhalten können. Eine Schwangerschaft ist wegen des erhöhten Risikos eines Rechtsherzversagens unbedingt zu vermeiden. EbenFachkurzinformationen siehe Seite 177 ARZT & PRAXIS Jahrgang 65 / 975 / 2011 154 WISSENSCHAFT WISSENSCHAFT se hepatotoxisch sind. Deswegen sind regelmäßige Kontrollen der Transaminasen notwendig. Zusätzlich gibt es zahlreiche Medikamenteninteraktionen, welche die Bioverfügbarkeit der Medikamente modifizieren können. Als Nebenwirkung wird häufig das Auftreten eines peripheren Ödems beobachtet. Eine dritte zugelassene Substanz (Sitaxentan) wurde wegen idiosynkratischem Leberversagen Ende 2010 vom Markt genommen. Abb. 4: Farbdoppler-Echokardiographie. Mittels CW-Doppler und Verwendung der vereinfachten BernoulliGleichung ist die Abschätzung des systolischen pulmonal arteriellen Drucks möglich. falls sollten Patienten Aufenthalte in Höhen über 2000 m vermeiden. Regelmäßige Influenza- und Pneumokokkenimpfungen werden empfohlen. Supportive Therapie Zu den supportiven Therapiemaßnahmen gehören die orale Antikoagulation, die diuretische Behandlung, die Langzeitsauerstofftherapie und die Behandlung von Arrhythmien. Die orale Antikoagulation wird bei PAH-Patienten dann empfohlen, wenn keine Kontraindikationen vorliegen. Das gilt selbstverständlich auch für die CTEPH – auch nach erfolgreicher Operation. Der Ziel INR beträgt 2,0 – 3,0. Eine Antikoagulation erfolgt nicht automatisch in der Gruppe II und III. Diuretika und Sauerstoff werden nach klinischer Indikation (periphere Ödeme, zentralvenöser Druck bzw. schwere Hypoxie) eingesetzt. Als diuretische Therapie werden am häufigsten Aldosteron-Antagonisten verwendet. In den USA wird Digoxin oft routinemäßig bei PAH verschrieben, in Europa wird diese Therapie meistens nur bei tachykarden Vorhofflimmerarrhythmien verwendet. Gezielte PAH-Therapien Kalziumantagonisten Die Kalziumantagonisten werden in hoher Dosierung (z.B. 2 x 10 mg Amlodipin) für Patienten empfohlen, welche die Responder-Kriterien erfüllen. Diese Patienten haben eine vergleichsweise sehr gute Prognose. PAH-Patienten, welche die Responder-Kriterien nicht erfüllen, können mit Präparaten aus drei Substanzgruppen ARZT & PRAXIS (Prostanoide, Endothelin-Rezeptor-Antagonisten, Phosphodiesterase-5-Inhibitoren) behandelt werden. Die Wahl der Therapie hängt vom Schweregrad der Erkrankung sowie von den erwarteten Nebenwirkungen und der bereits bestehenden Therapie ab. Prostanoide Das erste zugelassene gezielte Therapeutikum für die PAH (Epoprostenol) gehört zu dieser Medikamentengruppe und steht seit 1995 in den USA zur Verfügung. Bis heute wurden in Europa drei Substanzen (Epoprostenol, Iloprost, Treprostinil) zugelassen. Der Vorteil dieser Therapie ist die hohe Effektivität (bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Rechtsherzversagen und WHO Klasse IV werden ausdrücklich diese Medikamente empfohlen). Zu den Nachteilen gehören die hohen Kosten, die umständliche Applikation (die kontinuierlich intravenös, subkutan oder inhalativ (6-9 Mal täglich) erfolgt) und das hohe Nebenwirkungspotential (Hypotonie, Schmerzen, Katheterinfektionen und Gasaustauschstörungen). Endothelin-Rezeptor-Antagonisten Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERA) werden relativ häufig bei Patienten mit PAH eingesetzt. Es stehen zwei Substanzen zur Verfügung (Bosentan, Ambrisentan). Als Vorteile gelten die orale Verfügbarkeit und die große Erfahrung mit diesen Medikamenten. Sie sind auch bei frühen Formen (WHO Klasse II) der PAH erfolgreich und dafür zugelassen. Zu den Nachteilen gehört, dass diese Medikamente teilwei- Phosphodiesterase-5-Inhibitoren Aus dieser Gruppe stehen zwei zugelassene Substanzen (Sildenafil, Tadalafil) zur Verfügung. Die Vorteile sind die orale Verfügbarkeit und die vergleichsweise niedrigen Kosten. Patienten mit einer Nitrattherapie sollten diese Medikamente allerdings nicht erhalten. Sodbrennen und Nasenbluten zählen zu den häufig auftretenden Nebenwirkungen. Tadalafil wurde in Österreich für diese Indikation noch nicht eingeführt. Kombinationstherapie Mehrere Studien zeigten, dass die drei Substanzgruppen miteinander gut kombiniert werden können. Dies kann entweder sequentiell oder als initiale Kombinationstherapie erfolgen. Aufgrund der bisher spärlichen Datenlage aus randomisiert kontrollierten Studien wird in der Regel eine sequentielle Behandlung bevorzugt. Die hohen Kosten und das starke Nebenwirkungspotenzial einer Kombinationstherapie sprechen für die Strategie der sequentiellen Behandlung. In fortgeschrittenen Fällen kann eine „Up front“-Kombination der Medikamente in Erwägung gezogen werden. fil gegenüber seinem Vorgänger Bosentan. Die Wirkung eines oralen Prostanoids (Treprostinil) wird ebenfalls in klinischen Studien getestet. Die rezent entwickelte Substanz Riociguat wirkt über einen neuartigen Mechanismus. Das Medikament ist ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase. Damit greift es - ähnlich wie Sildenafil – in den NO-Signalweg ein, erreicht aber deutlich höhere intrazelluläre cGMP-Konzentrationen und damit eine stärkere pulmonale Relaxation der Gefäße. Die ersten Studien mit dem Medikament sind positiv verlaufen. Zur Zeit werden gleich mehrere Phase 3 Studien durchgeführt, die das Medikament bei PAH und CTEPH testen (PATENT, PATENT plus, CHEST, LEPHT, DILATE). Mehrere Medikamente, die bereits für eine andere Erkrankung zugelassen sind, aber theoretisch auch bei der Behandlung der PAH nützlich sein könnten werden derzeit bei Patienten mit PH getestet. Das gilt z.B. für TyrosinKinase-Inhibitoren (TKI). Nach positiven Fallberichten zeigte eine Pilotstudie positive vorläufige Ergebnisse für Imatinib. Anhand dieser Ergebnisse wurde die IMPRES-Studie geplant, welche die Wirkung von Imatinib in Kombination mit anderen PAH-Medikamenten beurteilen soll. Ein weiterer TKI, der für die PAH in Betracht kommt, ist Sorafenib. Weitere Beispiele sind Tergurid – ein Serotoninantagonist - und Cicletanin – ein Proteinkinase C Inhibitor. Praxistipp Belastungsdyspnoe ist häufig das erste Symptom der pulmonalen Hypertonie. Das fällt meist erstmals beim Bergaufgehen mit Gleichaltrigen oder beim Treppensteigen auf. Bei Verdacht auf eine PH ist die Echokardiographie die wichtigste nicht-invasive Untersuchung. Mittels Echokardiographie kann der systolische pulmonal arterielle Druck abgeschätzt werden. Die Gold-Standard-Untersuchung für die Diagnose einer PH ist jedoch die Rechtsherzkatheteruntersuchung, welche vor Einleiten einer gezielten PAH-Therapie in jedem Fall erforderlich ist. Die Therapie der PH ist in erster Linie von der zu Grunde liegenden Ursache abhängig, welche sich in der diagnostischen Klassifizierung wiederspiegelt. Die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) hebt sich von allen anderen Arten der PH dadurch ab, dass es zugelassene gezielte Medikamente gibt. Klinische Verlaufskontrollen Bei den klinischen Verlaufskontrollen sollten die prognostisch bedeutsamen Parameter kontrolliert werden. Diese Parameter spiegeln die allgemeine klinische Symptomatik (klinische Zeichen für Rechtsherzversagen, Erkrankungsprogredienz, Synkopen, WHO-Klasse), die Belastbarkeit (Spiroergometrie, 6-Minuten-Gehtest) sowie die kardiale Funktion (BNP, Echokardiographie-, Rechtsherzkatheterdaten) wieder. Anhand dieser Daten sollten die therapeutischen Entscheidungen getroffen werden. 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Eine atriale Septostomie ist ein palliativer Eingriff, welche die Entlastung des rechten Vorhofs erlaubt, aber mit einer Verschlechterung der Oxygenierung verbunden ist. Die Lungentransplantation gilt als Rescue-Therapieoption für geeignete Patienten. Neue Entwicklungen Nachdem die derzeit verfügbaren Medikamente das Fortschreiten der Erkrankung nur verlangsamen, aber die Erkrankung nicht heilen können, wird ständig nach besseren Therapieoptionen gesucht. Ein gewebegängiger dualer ETA- und ETB-Endothelin-Rezeptor-Blocker (Macitentan) wird im Rahmen einer Phase 3 Studie (SERAPHIN) geprüft. Das Medikament verspricht ein vorteilhaftes Nebenwirkungspro- Jahrgang 65 / 975 / 2011 Jahrgang 65 / 975 / 2011 ARZT & PRAXIS 155