Ergänzungsfuttermittel

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Fotos:Frank Hafemann| fotolia.de
Vitamine und Mineralstoffe
sind wichtig, das weiß jeder.
Aber wieviel davon braucht
das Pferd? Sicher ist, dass Heu
allein in den meisten Fällen
nicht ausreicht, um den Bedarf
eines Pferdes zu decken.
Ergänzungsfuttermittel: Pellets und Pülverchen
Was braucht das Pferd wirklich?
Ob Muskelverspannungen, Gelenkprobleme, glanzloses Fell oder schwache Nerven –
gegen jedes Problem, so scheint es, gibt es irgendein Pülverchen. Aber was bringen
Ergänzungsfuttermittel eigentlich?
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„D
ie meisten Pferdebesitzer machen sich
zu wenig Gedanken darum, was sie ihrem Pferd eigentlich füttern“, findet Anita
Schwarz, die in München-Riem angehende
Pferdewirte in Sachen Fütterung fit macht.
„Sie müssten sich überlegen, warum sie was
füttern und welche Ration für das Pferd angemessen ist.“ Ein roter Faden zieht sich dabei durch: Unsere Pferde sind heutzutage
eher über- als unterversorgt. Die meisten
Vierbeiner sind schlichtweg zu dick.
Von Müsli hält die Pferdezüchterin deshalb nichts: zu viel Zucker und zu viel Energie. „Wichtig ist gutes Grundfutter, also Heu,
Stroh oder Silagen, sowie pferdegerechtes
Getreide, nämlich Hafer, Gerste oder Mais.“
Um Mangelerscheinungen vorzubeugen,
sollte außerdem ein Salzleckstein zur Verfügung stehen und Mineralfutter gefüttert
werden, um mit allen wichtigen Vitaminen
und Mineralstoffen zu versorgen. Schwitzen Pferde, verlieren sie sehr viele Elektrolyte – deshalb schäumt ihr Schweiß auch so.
Aus diesem Grund enthalten manche Mineralfutter auch Elektrolyte. Für Pferde, die
gerade zur Turniersaison im Sommer häufig trainiert werden, sind diese auf jeden
Fall wichtig. „Ein schwerfuttriges, nerviges
Pferd kann man mit energiereichem Futter
wie Ölen oder Mais nicht nur dicker, sondern
auch ruhiger machen“, sagt Schwarz und ermutigt alle Pferdebesitzer, sich mehr Gedanken zum Thema Fütterung zu machen. Eine
gute Möglichkeit, die richtige Ration für das
eigene Pferd zu errechnen, ist etwa das Computer-Programm „WINration“.
Foto: Michael Brandel | HiM
Schwitzende Pferde verlieren Elektrolyte und müssen mit zusätzlichen Vitaminen und Mineralstoffen
versorgt werden.
Foto: Lafrentz
Problemen vorbeugen
Viele Probleme könnten durch richtiges Training und artgerechte Haltung vermieden
werden, ist die Futterexpertin überzeugt.
„Das tägliche Training muss vernünftig erfolgen“, mahnt sie deshalb. „Ideal wäre es, ein
Pferd zwei bis drei Mal täglich 20 Minuten
lang zu arbeiten, anstatt einmal am Tag eine Stunde“, sagt sie. Das ist kaum umsetzbar. Aber: „Wenn ich von einem untrainierten Pferd 60 Minuten lang Leistung fordere,
ist der Muskelkater vorprogrammiert. Diesen dann mit Pülverchen wieder weg zu füttern, ist Blödsinn“, sagt Schwarz. Lieber sollten sich die Reiter mehr Zeit für die Ausbildung ihrer Pferde nehmen.
Der zweite wichtige Punkt zur Problemvermeidung ist für Schwarz eine pferdegerechte Haltung. „Würden die Pferde besser ge-
Der Muskelaufbau kann durch verschiedene Zusatzstoffe wie Algenmehl oder Magnesium unterstützt
werden, doch das Ergänzungsfutter kann ein gezieltes Training nicht ersetzen.
halten, hätten sie viele Probleme gar nicht“, mit Überfütterung, ist Gift für die Pferde.
sagt sie. Das Wichtigste: „Möglichst viel freie Diese Schäden können Sie auch mit ErgänBewegung in der Herde!“ Das hält Muskeln, zungsfuttermitteln nicht wieder beheben.“
Gelenke und Knorpel gesund und ist auch
wichtig für die Psyche. „Stellt man ein nerWann sind Ergänzungsfuttermittel
viges Pferd in einer Gruppe auf die Koppel,
sinnvoll?
erledigt sich das Problem meist von selbst“,
sagt sie.
Es gibt aber auch Fälle, in denen Schwarz
Schonendes Training in Verbindung mit viel Ergänzungsfuttermittel für sinnvoll hält.
freier Bewegung sei gerade für junge Pferde „Junge Pferde im Wachstum oder Hengste,
wichtig. „Steht ein junges Pferd in der Box die auf die Körung vorbereitet werden und
und wird dann eine Stunde lang trainiert, dadurch einem besonderen Leistungsdruck
schädigen Sie damit langfristig Knorpel und ausgesetzt sind, können durch ErgänzungsGelenke“, sagt Schwarz. „Dieser Stop-and- futtermittel gut unterstützt werden. Oder
Go-Betrieb, vielleicht noch in Verbindung Zuchtstuten, die Milch produzieren, sowie
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Das soll helfen!
Hier einige Beispiele von gesundheitlichen Problemen und den entsprechenden Inhaltsstoffen, die
unterstützend wirken können:
Husten- und Atembeschwerden:
Boxhornkleesamen (gegen Atemwegserkrankungen allgemein), Echinacea (gut für die Lunge), Thymian (schleimlösend), Süßholzwurzel (entzündungshemmend), Spitzwegerich (gegen Husten).
Verdauung und Stoffwechsel:
Bierhefe (gut für die Darmflora), Leinsamen (regt die Verdauung an), Flohsamen (reinigt den Darm), Topinambur (gut
gegen Kotwasser), Kieselgur (entgiftet den Verdauungstrakt), Mönchspfeffer (reguliert den Hormonhaushalt, hilft
bei Cushing), Weißdorn (gut fürs Herz, hilft bei angelaufenen Beinen), Mariendistel (verbessert die Leberfunktion).
Haut, Fell und Hufe:
Omega-3-Fettsäuren in Ölen (gut für Zellschutz und Blutgefäße), Zink (entzündungshemmend, stärkt Haut und
Horn), Biotin (stärkt Haut und Horn), Kieselgur (stärkt das Bindegewebe und kräftigt die Hufe).
Immunsystem:
Schwarzkümmel (stärkt das Immunsystem, entzündungshemmend), Ingwer (stimuliert das Immunsystem), Zink
(unterstützt die Produktion von Antikörpern), Vitamin C (Radikalenfänger), Selen (Radikalenfänger), Eisen (bekämpft Krankheitserreger).
Sehnen- und Gelenkprobleme:
Teufelskralle (schmerzlindernd und entzündungshemmend), Ingwer (hilft gegen Arthrose), MSM (Methylsylfonylmethionin = organischer Schwefel, unterstützt den Knorpelaufbau), Collagenpräparate (fördern Knorpelaufbau),
GAG (Glykosaminoglykane = Wirkstoff aus der neuseeländischen Grünlippmuschel, unterstützt Knorpelaufbau).
Nervenstärke und Ausgeglichenheit:
Magnesium (gegen Nervosität), Baldrian (wirkt beruhigend), Tryptophan (senkt den Wert des Stresshormons Cortisol).
Leistung und Muskulatur:
Algenmehl (enthält viele wichtige Aminosäuren), L-Carnitin (natürlich vorkommende Verbindung der Aminosäuren
Lysin, Methionin und Tryptophan), Magnesium (gegen Verspannungen), Vitamin E (stärkt Muskeln und Nervenzellen),
Selen (unterstützt den Muskelstoffwechsel), Gamma-Oryzanol (unterstützt den Muskelaufbau).
Erschöpfung und Rekonvaleszenz:
Folsäure (hilft bei Erschöpfung, Abgeschlagenheit und Depression), Vitamin-B-Komplexe (hilft bei Erschöpfung,
Abgeschlagenheit und Depression)
Quelle: Pferdepraxis Karlsfeld
Hat das Pferd ein Problem,
lockt der Griff zum
Ergänzungsfuttermittel –
das Angebot ist riesengroß.
Worauf muss man bei der
Auswahl des richtigen
Zusatzfutters achten?
Foto: Castronovo
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ältere Pferde, die vielleicht schon Gebissprobleme haben und ihr Raufutter nicht mehr
so gut zerkauen können. Auch im Fellwechsel, der im Grunde eine Stoffwechsel-Überbeanspruchung ist, kann man das Pferd
sinnvoll unterstützen.“
So viel zur Theorie. Der Alltag sieht jedoch
oft anders aus: Hat das Pferd irgendein Problem, lockt der Griff zum Futterzusatz. Das
Angebot der Ergänzungsfuttermittel ist riesengroß – von glanzlosem Fell über Verdauungsprobleme bis hin zu Gelenkbeschwerden, für jedes Problem gibt es irgendein Pülverchen, meist für relativ wenig Geld auch
freiverkäuflich zu haben. Was viele Pferdebesitzer nicht wissen: Die Produkte, die der
Tierarzt verkauft, sind meist auch nicht viel
teurer als Ergänzungsfuttermittel aus dem
Reitsportladen, aber oft effektiver. Der entscheidende Vorteil ist aber: „Der Tierarzt
kennt Ihr Pferd und sein Problem und kann
Sie entsprechend beraten“, sagt Tierärztin
Dr. Anna Braunert aus Karlsfeld.
Erstmal den Tierarzt fragen
Grundsätzlich gilt für die Tierärztin: „Ergänzungsfuttermittel sollen immer nur eine Unterstützung sein – und zeitlich begrenzt gefüttert werden. Denn halten Beschwerden
an, liegt in der Regel ein ernsthaftes Problem vor, das gelöst werden muss – da hilft es
nichts, nur die Symptome abzumildern.“ Das
können zum Beispiel Haltungsfehler beim
dauerhaft nervösen Pferd sein oder ernsthafte Erkrankungen, die hinter einem Verdauungsproblem stecken. „Pferde reagieren
sehr individuell auf Fütterung – was bei swm
einem Pferd zu Durchfall führt, macht dem
anderen mitunter nichts aus.“ Dazu kommt:
Verdauungsstörungen können ihre Ursache
auch in Leber-, Nieren- oder Magenproblemen haben – oder stressbedingt sein. Geht
es wirklich nur darum, die Verdauung zu unterstützen, empfiehlt Braunert, im Frühjahr
und Herbst Flohsamen zuzufüttern, um den
Darm zu reinigen. Gegen Kotwasser hilft die
Knolle Topinambur und auch Bierhefe und
Leinsamen fördern eine gesunde Verdauung.
Soll ein Pferd jedoch Muskeln aufbauen,
muss es in erster Linie trainiert werden. Hier
kann ein Ergänzungsfuttermittel zwar gut
unterstützen, aber das gezielte Training
nicht ersetzen. „Muskulatur ist aus Proteinen aufgebaut“, erklärt Braunert. „Und die
bestehen aus Abertausenden von Aminosäuren.“ Algenmehl ist beispielsweise ein
guter Lieferant für viele wichtige Aminosäuren und kann den Muskelaufbau gut unterstützen. Außerdem braucht sich aufbauende Muskulatur vermehrt Eiweiß.
Den Stoffwechsel unterstützen hingegen
Mönchspfeffer (reguliert den Hormonhaushalt, hilft bei Cushing), Mariendistel (verbessert die Leberfunktion) oder Weißdorn (gut
fürs Herz, hilft bei angelaufenen Beinen). Das
sind nur einige Beispiele (siehe Kasten, S. 52).
Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt eine
Blutuntersuchung machen. Dabei kann auch
festgestellt werden, ob ein Magnesium-Mangel vorliegt. „Magnesium wird gerne zur Nervenberuhigung und zur Muskelentkrampfung eingesetzt“, erklärt Braunert. „Es funktioniert aber nur, wenn auch wirklich ein
Mangel vorliegt.“ Ein Zuviel an Magnesium
wird nämlich einfach wieder ausgeschieden
und bleibt völlig wirkungslos.
Foto: Lafrentz
Auch die Gabe von Ergänzungsfuttermitteln sollte mit dem Tierarzt abgesprochen werden, da hinter
vermeintlich harmlosen Beschwerden ernsthafte Erkrankungen schlummern können.
Nicht selbst mischen
Waage, um Futterkomponenten abzuwie- vor einem Turnierstart es abgesetzt werden
gen. Zudem ist in Reinprodukten nicht in je- muss. Eine Liste dopingrelevanter SubstanLiest man die – meist zahlreichen – Inhalts- dem Stück dieselbe Konzentration an Wirk- zen finden Sie auf der Homepage der FN unstoffe auf der Futterdose, von denen man stoffen enthalten.“ Teufelskrallen-Wurzeln ter www.pferd-aktuell.de/fairersport.
selbst vielleicht noch nie gehört hat, drängt können Stück für Stück höchst unterschied- All das sind Gründe, warum Tierärztin Braulich wirken.
nert empfiehlt, lieber fertig gemischte ErAuch beim Spurenelement Selen ist Vorsicht gänzungsfuttermittel zu verwenden. „Die
Foto: Lafrentz
geboten. In manchen Böden kommt wenig Hersteller sind Profis auf ihrem Gebiet, sie
Selen vor, so dass Heu den Bedarf an Selen wissen genau, welche Kombinationen sinnhäufig nicht abdeckt. „Im Mineralfutter ist voll sind, was gut wirkt, ohne Schaden anein bisschen Selen enthalten, in Müsli auch“, zurichten. Dahinter steckt jahrzehntelange
erklärt Braunert. Das kann reichen. „Hat ein Forschung. Außerdem müssen sie bestimmPferd trotzdem einen Selenmangel, müssen te Grenzwerte einhalten und die FuttermitSie ohnehin hochdosiertes Selen vom Tier- tel durchlaufen Qualitätsprüfungen.“
arzt zufüttern. Freiverkäufliche Produkte rei- Worauf soll man also achten, wenn man
Karotten schnippeln, Leinsamen kochen, Mash
chen nicht aus, denn um Vergiftungen zu das richtige Ergänzungsfuttermittel aus
anrühren – kein Problem. Kräuter und Wirkstoffe selbst zusammenmischen, ist aber aufgrund
vermeiden, sind sie in der Regel viel zu nied- dem reichhaltigen Angebot auswählen will?
ungewisser Konzentrationen nicht ratsam.
rig dosiert.“ Zuviel Selen ist nämlich giftig.
„Überlegen Sie sich, welche Komponente für
Auch gut zu wissen: Bestimmte Stoffe kön- Sie am wichtigsten ist, im Falle von Gelenksich unweigerlich die Frage auf: Braucht nen nur mithilfe eines anderen Stoffes auf- schmerzen wäre das die Teufelskralle“, empmein Pferd das wirklich alles? Oder ist es genommen werden. „Wenn man nur Zink zu- fiehlt Braunert. „Dann vergleichen Sie, welschonender für den Geldbeutel, einzelne füttert, wird dieser mit dem Urin wieder aus- ches Ergänzungsfuttermittel gegen GelenkKomponenten zu kaufen und selbst zusam- geschieden“, nennt Braunert ein Beispiel. probleme die größte Menge an Teufelskralle
„Das Pferd benötigt Biotin, um den Zink auf- enthält.“ Prozentangaben seien dabei allermenzumischen?
dings nicht aussagekräftig, sondern nur An„Vorsicht!“, warnt Tierärztin Braunert. „Es zunehmen.“
gaben in Milligramm. Achtung: Manche
gibt einige Futtermittel, die an sich sehr gut
Angaben werden auch in Microgramm gesind, zum Beispiel Teufelskralle bei GelenkAchtung Doping!
macht! „Grundsätzlich kann man den Futterbeschwerden. Füttert man diese allerdings
in ihrem Urzustand, können sie zu schweren Nicht zuletzt ist auch die Doping-Relevanz mittelherstellern vertrauen“, sagt Braunert.
Magenproblemen führen.“ Deshalb sollte von Bedeutung: Einige Futterzusätze dür- „Wie gut ein bestimmtes Präparat dem eigeman immer die Form wählen, die bereits für fen nicht vor Turnierstarts gefüttert werden, nen Pferd mit seinem individuellen Problem
die Pferdefütterung weiterverarbeitet ist – dazu gehören Ingwer, Teufelskralle, Trypto- hilft, muss man ausprobieren. Aber schaden
in diesem Fall flüssig. Auch die Dosierung ist phan oder MSM (Methylsylfonylmethionin). können freiverkäufliche Ergänzungsfutterso eine Sache. „In der Regel wissen Sie nicht Auf der Packung eines Ergänzungsfuttermit- mittel auf keinen Fall.““
genau, wie viel Ihr Pferd genau wiegt, und tels muss angegeben werden, wenn ein Fut- Text: Anna Castronovo
verwenden auch keine Milligramm-genaue termittel dopingrelevant ist und wie lange
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