2013-1-20-090 Meister - Infektionen.indd - Gastroenterologie

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Durchfall mit
infektiösen Ursachen
und seine Bedeutung
für CED-Patienten
Volker Meister
Durchfall durch Infektionen
Die häufigsten Ursachen für Durchfall sind
Infektionen durch Bakterien und Viren. In
der Bevölkerung bekannt sind vor allen
Dingen Bakterien wie die Salmonellen
oder seit der EHEC-Epidemie in 2011 auch
das Bakterium E. coli. Im Rahmen dieser
bundesweiten Epidemie ist der breiten
Bevölkerung bewusst geworden, dass
Bakterien und Viren überall lauern und
gesunde Menschen im Rahmen einer
Durchfallerkrankung manchmal auch
lebensgefährlich erkranken können.
Der weltweit bedeutendste bakterielle
Durchfallerreger ist der Erreger der Cholera (Vibrio cholerae), an der weltweit
jährlich 6.000.000 Menschen erkranken.
Hierzulande kommt die Cholera kaum
vor.
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Durchfall und CED
In Deutschland werden die Infektionen statistisch am häufigsten durch das
Norovirus und bei Kindern durch das Rotavirus verursacht. Bei den Bakterien führen die Salmonellen. Sind hier die Erreger selbst das Problem, so werden viele
Durchfälle indirekt hervorgerufen, wobei
das eigentliche Problem die Giftstoffe
(Toxine) darstellen, die die Bakterien bilden, was landläufig dann als Lebensmittelvergiftung bezeichnet wird. Vertreter dieser Bakterien sind z.B. Clostridium
perfringens, Bacillus cereus und Staphylokokkus aureus. Ungenügende Hygiene
bei der Zubereitung in der Küche und zu
warme Lagerung fördert die Vermehrung
dieser Bakterien, welche wiederum darmschädigende Gifte, sogenannte Enterotoxine, bilden, die zum Teil schwerste Durchfälle verursachen.
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Info
Ein besonderes Problem für Europäer die persönliche Hygiene, effiziente Hänspielt der Reisedurchfall, in der Bevölke- dehygiene, Toilettenhygiene, Küchenhyrung manchmal auch als „Montezumas giene, in südlichen Ländern auch TrinkRache“ bekannt. Die höchsten Infektions- wasserhygiene maßgeblich. Ferner sollrisiken bestehen auf Reisen nach Latein- ten Lebensmittel vermieden werden wie
amerika, Afrika und Asien. 30 bis 50 Pro- z.B. ungewaschenes Obst oder kopfgezent der Reisenden bekommen inner- düngte Salate.
halb weniger Stunden nach Infektion
eine akute Durchfallerkrankung mit einer
mittleren Krankheitsdauer von drei bis Infektionen bei CED
fünf Tagen. Nur wenige Betroffene entwickeln eine chronische Durchfallerkran- Patienten mit chronisch entzündlichen
kung, die mehr als vier Wochen besteht Darmerkrankungen (CED), geschwächund dann nach Rückkehr in der Heimat tem Immunsystem, Kinder und ältere Perabgeklärt werden muss. Häufigster Erre- sonen erkranken oft schwerer als andere
ger sind hier die Lamblien (Giardia lam- und sind besonders gefährdet. Während
blia).
die kurzzeitigen, akuten Magen/DarmAll diesen Infektionskrankheiten ist infekte (Gastroenteritiden) bei Patienten
gemeinsam, dass durch eigene Verhal- mit einer CED von einem akuten Schub
tensweisen die Infektionsrisiken sehr noch halbwegs gut unterscheidbar sind,
deutlich reduziert werden können. So ist so wird es bei den chronischen Verläu-
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Die häufigsten Ursachen für Durchfall sind Infektionen
durch Bakterien und Viren, In Deutschland am häufigsten
durch Salmonellen bzw. Noroviren (bei Kindern durch Rotaviren)
verursacht. Ein Problem für Europäer ist auch der Reisedurchfall.
Bei Immunsupprimierten und CED-Patienten erkranken oft
schwerer als andere und sind besonders gefährdet. Oft ist es
schwierig, zwischen der Infektion und einem erneuten Schub
bzw. einer chronischen Aktivität der CED zu unterscheiden.
Drei Erreger werden dabei wegen ihrer Bedeutung für CED
Patienten im Artikel besonders betrachtet: Die Yersinien,
die Clostridien und das Cytomegalievirus (CMV).
Durchfall und CED
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Kommt es zu immunpathologischen
fen schon schwieriger, zwischen der Infektion und einem erneuten Schub bzw. einer Komplikationen (durch fehlende, fehlchronischen Aktivität der CED zu unter- geleitete oder überschießende Immunreaktionen) oder chronischen Verläufen,
scheiden.
Drei Erreger sollen wegen ihrer beson- so wird auch eine Entzündung im letzten
deren Bedeutung für CED Patienten her- Abschnitt des Dünndarms, dem terminavorgehoben werden: Die Yersinien, die len Ileum, endoskopisch diagnostiziert,
Clostridien und das Cytomegalievirus die vom Schleimhautbild nicht von einem
Morbus Crohn zu unterscheiden ist. Auf(CMV).
klärung geben hier die Gewebeproben
aus dem Dünndarmabschnitt, UntersuYersinien
Yersinien (Yersinia enterocolitica) haben chung des Serums auf Antikörper sowie
eine besondere Bedeutung, da sie im aufmerksame Verlaufskontrollen.
Während eine Yersinieninfektion bei
Rahmen der Infektion ein Erscheinungsbild wie das eines Morbus Crohn imitie- schwereren Verläufen mit einem Antibioren können. Die Infektion wird über kon- tikum therapiert wird (z.B. Cotrimoxazol),
taminierte Lebensmittel vorwiegend tieri- so wäre dies bei einem Morbus Crohn
scher Herkunft oder kontaminiertes Trink- nicht angeraten.
Glaubt der Arzt, dass ein Schub eines
wasser hervorgerufen. Das Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch Durch- Morbus Crohn vorliegt und verabreicht
fälle, in deren Folge es oft zu Gelenk- Medikamente zur Therapie des Morbus
entzündungen oder auch Entzündung Crohn, die das Immunsystem beeinflusdes Unterhautfettgewebes (Erythema sen z.B. Kortisonpräparate, so wäre dies
nodosum) kommen kann – auch mög- im Falle einer Yersinien-Infektion eine falliche extraintestinale Manifestatio- sche Maßnahme, da es den Keimen eher
nen des Morbus Crohn. Immerhin wer- günstige Bedingungen bereitet und die
den pro Jahr in Deutschland über 3.000 Infektion schwerer verlaufen kann.
Eine weitere Besonderheit besteht, wenn
Erkrankungen gemeldet. Die Dunkelziffer
ist ausgesprochen hoch. Die häufigste im Rahmen einer Yersineninfektion auch
Übertragung auf den Menschen findet Gelenkentzündungen zu beobachten sind.
durch ungenügend gegartes Schweine- Diese würden therapeutisch mit sogenannfleisch statt. Die Infektion findet sich am ten NSAR (nicht-steroidalen Antirheumahäufigsten im Kinder- und Jugendalter. tika/-phlogistika) wie Diclofenac oder IbuIm Rahmen der Infektion kommt es zu profen therapiert werden. Handelt es sich
einem 1 bis 11 Tage andauernden Krank- bei dem Auslöser jedoch in Wirklichkeit um
heitsbild mit einer akuten Gastroenteritis, einen Morbus Crohn bzw. eine mit einem
Bauchschmerzen und manchmal auch Morbus Crohn verbundene GelenkentzünFieber. Die Lymphknoten im Bauchraum dung (Arthritis), so wäre der Einsatz der NSAR
schwellen an, manchmal kommt es zu falsch, da diese über ihren die Schleimhaut
einem Krankheitsbild, das auch mit einer schädigenden Mechanismus die DarmentBlinddarmentzündung verwechselt wer- zündung ungünstig beeinflussen, ja sogar
schwere Schübe auslösten können.
den kann (Pseudoappendizitis).
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Durchfall und CED
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Bild 1: Schwere
Pseudomembranöse Colitis.
kaeinsatz oder aber auch durch anderClostridien
Ein weiteres Bakterium ist für Patienten weitige günstige Bedingungen wie eine
mit einer CED bedeutsam. Das Bakterium gestörte Bakterienabwehr bei entzündeClostridium difficile ist in Deutschland zu ten Därmen von CED-Patienten zu einer
einem regelrechten Problemkeim gewor- zahlenmäßigen Vervielfältigung der Bakden. Seit einigen Jahren wird ein erheb- terien, die dann wiederum bei CED-Patilicher Anstieg der Durchfallerkrankungen enten die Entzündung der Darmschleimdurch diesen Keim berichtet. Hier trifft es haut trotz Einsatz effektiver Medikamente
nicht so sehr junge Patienten sondern nicht abheilen lässt.
Aufgrund dessen ist bei „therapiereüberproportional ältere Patienten. Dieses
Bakterium zeichnet sich durch die Produk- fraktären Verläufen“, d.h. wenn die CEDtion eines den Darm schädigenden Gif- Therapie nicht so läuft wie kalkuliert, nottes aus. Eine Untergruppe dieser Bakte- wendig, mittels Stuhltest eine Infektion mit
rien produziert einen so problematischen Clostridium difficile auszuschließen.
Wird Clostridium difficile bei einem
Giftstoff, dass es zu besonders schweren
Krankheitsverläufen und auch Todesfäl- CED-Patienten im Stuhl diagnostiziert, so
empfiehlt sich die Therapie mit dem in
len infolge der Infektion kommt.
Ursache für die zunehmende Anzahl der Regel gut wirkenden Standardmedivon Clostridien ist z.B. der unkritische Ein- kament Metronidazol über 10 Tage. Nachsatz von Antibiotika. Nahezu jede Anti- folgend wird man oft feststellen, dass die
biotika-Therapie kann dazu führen, dass ursprüngliche antientzündliche Therapie
Darmbakterien so selektiert werden, dass des Morbus Crohn wieder funktioniert
Clostridium difficile im Darm überbleibt und die Therapie nicht verstärkt (eskaund in schwersten Fällen Pseudomemb- liert) werden muss.
ranen (weißliche Beläge) auf der DarmCytomegalievirus
schleimhaut bilden (Bild 1).
Da Clostridium difficile in mengen- Ein Problem, was insbesondere Patienten
mäßig kleinen Anteilen auch Bestand- mit Colitis ulcerosa betrifft, ist hingegen
teil der normalen Darmflora gesunder die Infektion mit einem Virus, dem CytoPatienten ist, kommt es durch Antibioti- megalievirus (CMV).
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Bild 2: Patientin mit therapierefraktärer
Colitis ulcerosa und schwerer
CMV-Infektion.
Bild 3:
Quantifizierung des Cytomegalievirus.
Dieses Virus ist in der Bevölkerung weit sen. Gegenstand intensiver Forschung ist
verbreitet. Bis zu 70 Prozent der Bevölke- jedoch die heute noch nicht klar beantrung in Deutschland sind mit CMV infi- wortete Frage, ob ein Cytomegalievirus
ziert. Die Cytomegalieviren überdauern nur in der Darmschleimhaut nachzuweinach Erstinfektion lebenslang im Kör- sen ist oder ab welcher Infektionsdichte es
per, wie es z.B. auch andere Herpes-Vi- auch in den Krankheitsverlauf der Colitis
ren (Lippenherpes) tun. Bei Kindern und ulcerosa eingreift und den Verlauf negajungen Menschen verlaufen Infektionen tiv beeinflusst.
Die Pathologen, die die Biopsien aus
im Allgemeinen ohne Krankheitszeichen.
Schwerwiegende Auswirkungen hat CMV dem Dickdarm von Colitis-Patienten anajedoch auf Neugeborene, deren Mütter lysieren müssen, kennen schon lange die
sich während der Schwangerschaft erst- Techniken die es gestatten, den qualitatimalig anstecken, aber auch auf Patien- ven Nachweis (Virus vorhanden ja oder
ten mit Colitis ulcerosa, insbesondere die nein) zu führen. Neuere Techniken führen
die unter einer immunmodulierenden auch zu einer Mengenerfassung (QuanThera­pie stehen (z.B. mit Azathioprin, TNF- tifizierung) des Virus (Bild 3).
Dies gelingt mit der sogenannten PCRalpha-Inhibitoren…).
Das Virus wird von Mensch zu Mensch Methode, mit der zur besseren Unterdurch Schmier- und Tröpfcheninfektion suchbarkeit die Erbsubstanz vervielfältigt
wird. Hierüber kann eine Abschätzung
übertragen.
Prinzipiell muss man zwischen einer geführt werden, wie viel Viren pro Zelle
CMV-Infektion und einer CMV-Erkran- vorhanden sind. Sehr hohe Werte unterkung differenzieren. Komplizierte mole- stützen den Arzt in der Einschätzung, dass
kularbiologische Techniken können das womöglich die therapierefraktäre Colitis
Virus in der Darmschleimhaut nachwei- ulcerosa nicht abheilen will, da die CytoLiteraturangaben unter www.dccv.de/BR2013-1
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Durchfall und CED
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megalievirusinfektion dies behindert. In
diesen Fällen hat der Arzt die Option, das
Virus über ein intravenös zu verabreichendes Mittel (Ganciclovir) zu therapieren. In
der Regel muss dann für vier bis acht
Wochen noch das gleiche Medikament
zum Vorbeugen eines Rückfalls (Rezidivprophylaxe) in Tablettenform eingenommen werden (Valganciclovir). In günstigen
Fällen kommt es alleine durch die antivirale Behandlung zu einer Besserung der
entzündlichen Darmerkrankung. Oft kann
so erst rückwirkend geschlossen werden,
dass als Ursache des therapierefraktären Verlaufs das Cytomegalievirus wirklich entscheidend war. 
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Dr. med. Volker Meister
ist Chefarzt der Abteilungen für
Gastroenterologie und Viszeralmedizin
am St. Marienhospital Vechta (Niedersachsen).
E-Mail:
[email protected]
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