Diagnostik und Therapie der Autoimmunthyreoiditis Roland Gärtner Definition und Epidemiologie Die Autoimmunthyreoiditis (AIT) ist eine langsam chronisch verlaufende, schmerzlose lymphozytäre Thyreoiditis, ohne systemische Entzündungszeichen, in deren Verlauf es zu einer Hypothyreose kommen kann. Erst wenn es zu einer manifesten Hypothyreose kommt, dann sollte die Diagnose „Hashimoto-Thyreoiditis“ gestellt werden, bei nur erhöhten Schilddrüsen-spezifischen Antikörpern und normaler Funktion lautet die Diagnose: „Autoimmunthyreoiditis mit Euthyreose“. Selten ist ein akuter Beginn, der dann auch mit schmerzhafter Schwellung der Schilddrüse einhergehen kann und einer transienten Hyperthyreose, gefolgt von einer rasch einsetzenden Hypothyreose. Diese Verlaufsform wird von einigen Autoren als „Hashitoxikosis“ bezeichnet. Die AIT ist die häufigste organspezifische Autoimmunerkrankung. Die Manifestation bereits im Kindesalter ist selten, häufiger tritt sie nach Entbindungen, in der Perimenopause oder nach intensivem Stress auf. Sie tritt familiär gehäuft auf und ist assoziiert mit anderen organspezifischen Autoimmunerkrankungen insbesondere der Vitiligo und der perniziösen Anämie, aber auch anderen selteneren Manifestationsformen Bei etwa 10-20 % der Gesamtbevölkerung lassen sich erhöhte TPOAk und/oder TgAk Konzentrationen im Serum nachweisen, Frauen sind etwa 8-10 mal häufiger betroffen als Männer. Etwa 7,5% haben erhöhte TSH – Werte bei noch normalen Schilddrüsenhormonen (subklinische Hypothyreose) und etwa 2% eine manifeste Hypothyreose. Mit höherem Alter steigt die Prävalenz der subklinischen Hypothyreose infolge einer AIT auf über 10% an. Etwa ein Viertel der Kinder, von denen ein Elternteil an einer AIT leidet haben erhöhte Autoantikörper. Etwa 5% der Frauen mit positiven TPO-AK und erhöhten TSH – Spiegeln werden innerhalb eines Jahres manifest hypothyreot, und 4/1000 Einwohner entwickeln spontan eine Hypothyreose infolge einer AIT. Pathophysiologie Die genetische Prädisposition ist die kausale Ursache der AIT. Bei Personen mit bestimmten HLA-DR3 und DR5 Subtypen kommt es im Lauf des Lebens zu einer höheren. Wie sich aber in einer Zwillingsstudie zeigen ließ, sind offenbar zusätzliche Faktoren notwendig, die bei entsprechender genetischer Disposition eine AIT auslösen können. Hierzu gehören virale Infektionen, Jod in hohen Dosen, Sexualhormone oder auch Stress. Vitamin D Mangel oder Polymorphismen im Vitamin D Rezeptor sind offenbar ebenso an der Genese einer AIT beteiligt. Selenmangel kann zur oxidativen Schädigung von Thyreozyten und Auslösung einer AIT beitragen. Auslösende Faktoren können auch immun-stimmulierende Medikamente wie Interferon-a oder Interleukin-2 sein. Junge Patientinnen mit polycystischem Ovar -Syndrom (PCO) oder Turner-Syndrom entwickeln signifikant häufiger eine AIT als altersgleiche Normalpersonen. Etwa 10% der Kinder mit Down – Syndrom erkranken an einer subklinischen oder manifesten Hypothyreose infolge einer AIT, die Ursache hierfür ist unklar. Diagnostik Bei der Häufigkeit von Schilddrüsenerkrankungen gehört zu jeder eingehenden internistischen Untersuchung auch die Abklärung der Schilddrüsenfunktion. Insbesondere bei positiver Familienanamnese hinsichtlich organspezifischer Autoimmunerkrankungen sollte immer die Schilddrüsenfunktion mit abgeklärt werden. Nahezu alle Patienten mit Vitiligo entwickeln früher oder später auch eine AIT, und ein Viertel aller Typ I Diabetiker. Bei Frauen nach dem 50.Lebensjahr sollte mindestens einmal alle 5-10 Jahre die Schilddrüsenfunktion abgeklärt werden, insbesondere bei entsprechender Familienanamnese. In der Anamneseerhebung ist vor allem auf die Familienanamnese Wert zu legen. Die AIT verursacht keine spezifischen Symptome, es sei denn, es besteht bereits eine subklinische oder manifeste Hypothyreose. Die entsprechenden Symptome und der klinische Befund müssen bei Verdacht auf eine AIT erhoben werden. Laborchemisch sollte neben dem basalen TSH, die TPO-Ak mit bestimmt werden, die Bestimmung der TgAK ist weniger spezifisch, da diese auch bei anderen Erkrankungen der Schilddrüse erhöht sein können. Wegweisend ist die sonographische Untersuchung der Schilddrüse, bei der sich regelhaft eine entweder homogen echoarme Schilddrüse bzw. multiple, fokal echoarme Infiltrate zeigen. In der Duplex-Sonographie findet man eine gesteigerte Perfusion. Eine Szintigraphie ist nur bei sonographisch nachweisbaren Knoten (>1 cm) indiziert. Eine Feinnadel-Zytologie zur Diagnostik der AIT ist nicht erforderlich. Therapie Eine kausale Therapie der AIT ist nicht möglich, da es sich ja um eine genetische Disposition handelt. Es kann also nur die Funktionsstörung durch Substitution mit L-Thyroxin behandelt werden. Eine „prophylaktische“ Substitution mit Schilddrüsenhormon bei noch Euthyreose ist nicht sinnvoll. Eine Therapiekontrolle etwa einmal pro Jahr ist üblicherweise ausreichend. Als neuer möglicher Therapieansatz steht eine Substitution mit Selen zur Verfügung. Durch eine Substitution von 200 µg Selen pro Tag kann die entzündliche Aktivität in der Schilddrüse reduziert werden, allerdings kann hiermit keine Heilung erzielt werden. Der Verlauf einer AIT kann aber verzögert, und das Wohlbefinden der Patienten gebessert werden. Prof. Roland Gärtner Medizinische Klinik Campus Innenstadt der LMU Ziemssenstr. 1 80336 München e-mail: [email protected]