42 Marketing Servicequalität Kundenbindung beginnt am Telefon Eine Untersuchung zur Servicequalität am Telefon zeigt: Grundlegende Kommunikationsregeln werden beim Erstkontakt häufig missachtet. Dadurch können dem Heim potenzielle Kunden verloren gehen. Von Oliver Roesler D ie Telefonservicequalität prägt den ersten Eindruck, den sich potentielle Interessenten von einer Einrichtung machen. Ziel sollte daher sein, schon am Telefon mittels detaillierter Informationen und Verständnis für den Anrufer, die Kundenzufriedenheit und damit eine erste Bindung an das Haus sicherzustellen. Wettbewerbsvorteile und ein positiver Beitrag zur Rentabilitätssicherung sind logische Folgen aus unternehmerischer Sicht. Dies gilt insbesondere für Pflegeeinrichtungen, denn der Kunde hat die freie Wahl und damit die Möglichkeit, Angebote kritisch zu hinterfragen. Professionelles Marketing entwickelt sich daher zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. Raumausstattungen, Lage, Reputation des Betreibers usw. sind und bleiben wichtige Elemente der er- Verbesserungen sind ohne große Investitionen möglich folgreichen Positionierung. Jedoch muss auch die Kundenbindung, die sich insbesondere über Kundenzufriedenheit herstellen lässt, als der entscheidende Wettbewerbsfaktor angesehen werden. Die positive Entwicklung der Servicequalität in der Hotellerie kann hier als Orientierungshilfe herangezogen werden. Einrichtungen, die sich nicht dem neuen Serviceniveau verschreiben, sind mittelfristig existenziell gefährdet. Die Servicequalität am Telefon otpimieren w • Benennen Sie mehrere Ansprechpartner für potentielle Interessenten. • Alle Mitarbeiter mit Telefonkontakt sollten entsprechend geschult sein. • Erfassen Sie die Adresse und Telefonnummer der Anrufer. • Bieten Sie einen Rückruf an. • Die Positionierung gegenüber dem Wettbewerb sollte allen Mitarbeitern bekannt sein. Die Unternehmensberatung Adveris prüfte 2008 im Rahmen des „Mystery-Call-Check Altenhilfe Bundesrepublik“ bei über 100 Einrichtungen die Telefonservicequalität. Dabei wurden konfessionelle Einrichtungen, freigemeinnützige Träger sowie Einrichtungen privater Anbieter getestet. Die Einrichtungen wurden mehrfach im Abstand von Wochen zu unterschiedlichen Tageszeiten angerufen, um so eine unverfälschte Untersuchung zu gewährleisten. Die geschulten Testanrufer simulierten eine Ernstfallsituation. Bei der telefonischen Ansprache bedarf es der besonderen Einfühlung in das Gegenüber, um keine Ängste und Sorgen hervorzurufen oder zu verstärken. Darüber hinaus kann mit einer einfühlsamen und individuellen Ansprache ein guter Kontakt hergestellt werden. Gerade Menschen in schwierigen Lebenssituationen reagieren dankbar auf Verständnis und gehen offener auf das Dienstleistungsangebot der Einrichtung zu. Umso entscheidender ist es, dass die Mitarbeiter diese Situationen realisieren und bewusst gestalten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mitarbeiter teilweise hoch motiviert und sehr freundlich sind, jedoch nur sehr wenig informieren können. Ihnen ist offenbar nicht bewusst, mit welchen Erwartungshorizonten die Anrufer auf sie zukommen und welche Informationen grundsätzlich in einem Kundengespräch genannt werden sollten. Zum Teil treten sie auch entnervt auf, geben dem Anrufer das Gefühl, zu stören, präsentieren aber auf der inhaltlichen Ebene relativ präzise die Angebotspalette ihres Hauses und weisen auf Vorteile gegenüber der Konkurrenz hin. Schwachpunkt vieler Einrichtungen scheint zu sein, dass es nur eine kompetente Ansprechperson gibt, die Auskunft geben kann. Das hat zur Konsequenz, dass auf diese Person verwiesen wird und der Kunde öfter anrufen muss, bis er den richtigen Gesprächspartner erreicht. Teilweise ist niemand zu sprechen, oder bei einer Anrufzeit um zehn Altenheim 10|2009 43 Brauchbarkeit der gebotenen Informationen 5,56 % Uhr ist ein Anrufbeantworter zu hören, der einem mitteilt, dass man in der Zeit zwischen 9 und 17 Uhr anrufen solle. Häufig wird nicht die emotionale schwierige Lage berücksichtigt, in der sich Angehörige befinden. Damit versäumen Mitarbeiter in diesem Moment die beste Chance, dem Angehörigen zu helfen und ihn so erfolgreich für die eigene Einrichtung zu interessieren. Die fast schon durchschnittlich anzutreffende Gehetztheit, die dem Anrufer das Gefühl von Bedrängtheit gibt, hinterlässt ein deutliches Unwohlsein. Auf die Frage, was die eigene Einrichtung von anderen abhebe, kamen Antworten wie: „Ich kann nicht sagen, dass wir besser sind als andere“, oder „Wir können nicht sagen, ob sich Ihre Mutter bei uns wohl fühlt.“ Dies weist auf Defizite mit solchen Gesprächssituationen hin. Auch bezüglich der Verbindlichkeit zeigten sich erhebliche Mängel. Keine Aufnahme von Telefonnummer, Adresse oder E-mail; kein Angebot eines Rückrufes oder einer Warteliste, obwohl diese häufig vorhanden ist. Insgesamt ist es dem überwiegenden Teil der getesteten Einrichtungen nicht gelungen, ein einheitliches, positives Bild der eigenen Einrichtung zu vermitteln. Dieser Umstand erscheint umso problematischer, als dass die Einrichtungen oftmals über hoch motiviertes Personal verfügen und bei den Betreffenden eigentlich nur das elementare Wissen über den Verkauf der eigenen Leistungen und über den Einsatz entsprechender Kommunikationsmittel fehlt. Darüber hinaus besteht offenbar nur ein sehr geringes Bewusstsein dafür, dass sich die eigene Einrichtung in einer zunehmenden Konkurrenzsituation im Markt befindet und sich dementsprechend positiv abheben und positionieren muss. Beim telefonischen Erstkontakt ein positives Bild der eigenen Einrichtung vermitteln Das Verständnis, dass das Image einer Einrichtung durch jeden einzelnen Mitarbeiter geprägt wird, ist leider nur in Ausnahmefällen feststellbar. Pflegeeinrichtungen sollten ihren Kunden das Gefühl von Vertrauen und Sicherheit geben, schließlich wird ein sehr empfindliches Thema behandelt: Viele Angehörige haben ein schlechtes Gewissen, ihre Eltern in einer stationären Einrichtung unterzubringen. Sie sorgen sich, können aber selbst nicht den Einsatz leisten, der zur Versorgung erforderlich ist. Gerade in dieser Situation sollte es der zentrale Ansatz sein, beim Kunden mit Hilfe, Fürsorge und Verständnis aufzutreten, ihm ein Gefühl der ­Sicherheit zu geben und schließlich eine individuelle Lösung für seine Anforderungen anzubieten. Altenheim 10|2009 n Sehr gut 29,26 % 18,15 % n Gut n Befriedigend n Ausreichend n Mangelhaft 18,15 % 28,89 % Bei über 55 Prozent der getesteten Einrichtungen wird die Qualität der Informationen als unbefriedigend bewertet. Der potenzielle Kunde hat also nicht die notwendigen Informationen erhalten. Grafik: adveris Erfreulich ist, dass ohne große Investitionen sowohl das Image der Einrichtung als auch deren Belegung verbessert werden kann. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Ursachen für Fehlverhalten in der Kommunikation oft darin liegen, dass die eigenen Verhaltensweisen und deren Wirkung wenig reflektiert werden. Bei vielen Kunden das Gefühl der Sicherheit geben und Lösungen anbieten Mitarbeitern war das Gefühl der unzureichenden Wertschätzung ihrer Leistung zu erkennen. Anerkennungs- und Sanktionierungsmechanismen scheinen unzureichend kultiviert zu sein, obwohl eben diese verlässliche Steuerungselemente der Personalmotivation darstellen. Die Verantwortlichen einer Einrichtung müssen erkennen, dass sich das Potenzial effizienter Kommunikation selten von alleine entfaltet. Die Kombination aus einer unabhängigen Messung der Servicequalität sowie der Befähigung der Mitarbeiter zum empathischen und informativen Kommunikationsverhalten verspricht die größten Erfolgschancen. Insbesondere die Möglichkeiten des Vergleiches mehrerer Einrichtungen ermöglicht es den Führungskräften, auf direktive Anweisungen zu verzichten und alternativ auf Basis von erarbeiteten Standards, die Qualitätsentwicklung als gemeinsame Aufgabe zur nachhaltigen Sicherung der Arbeitsplätze zu moderieren. ¬ > www.adveris.de, E-mail: [email protected] Oliver Roesler ist Berater mit dem Schwerpunkt Strategisches Marketing bei der Adveris Unternehmensberatung GmbH mit Hauptsitz in Münster.