Objekt: HOMD - Ausgabennummer: 202 - Seite: X001/ 1 - Datum: 31.05.10 - Uhrzeit: 11:53’13’’ - Belichter: DFVINTERN- Farbigkeit: CMYK- Weitere Auszüge: Diese Farbe: Cyan Black Yellow Magenta dialog Das Magazin für Direktmarketing Deutscher Dialogmarketing Verband e. V. www.ddv.de Juni 2010 Neuland Kulturwandel Blick in die Zukunft In sozialen Netzwerken hat das Vertrauen der Nutzer oberste Priorität SEITE 6 Marketing im Mitmachnetz setzt radikale Kundenorientierung voraus SEITE 12 Die Mailingtage in Nürnberg befassen sich auch mit dem Internet der Dinge SEITE 24 ROUND TABLE SOCIAL MEDIA MARKETING Objekt: HOMD - Ausgabennummer: 202 - Seite: X006/ 6 - Datum: 01.06.10 - Uhrzeit: 15:37’03’’ - Belichter: DFVINTERN- Farbigkeit: CMYK- Weitere Auszüge: Diese Farbe: Cyan Black Yellow Magenta 6 DIALOG SPECIAL 7 Roundtable zum Mitmachnetz „Soziale Netzwerke sind Kommunikationsräume“ „Niemand wird Mitglied in einem sozialen Netzwerk, um sich über Produkte zu informieren oder Marketern etwas über sich zu erzählen. Es geht um den Austausch mit Gleichgesinnten, Freunden und Bekannten.“ MAIK HOFMANN, ARGONAUTEN G2 Fotos: Hans-Jürgen Herrmann, Offenbach Andreas Haderlein 쎲 쎲 Das Internet hat einen neuen Shooting-Star: das „soziale Netzwerk“ Facebook. Es hat innerhalb von sechs Jahren weltweit 400 Millionen Nutzer gewonnen, wächst in atemberaubendem Tempo weiter, und ist drauf und dran, das Internet umzukrempeln. Denn über seinen „Gefällt mir“-Button können Nutzer Beiträge auf anderen Websites ihren Facebook-„Freunden“ empfehlen. So wird das gesamte Internet zum Facebook-Kosmos und zum „sozialen“ Netz – potenziell zumindest. DIALOG hat vier Experten zum Gespräch gebeten. Sie diskutieren über die Chancen und Grenzen des Mitmachnetzes für Marketer, Fragen des Datenschutzes und den Sinn des Targetings. Die Ära der Privatsphäre sei vorbei, behauptet Mark Zuckerberg, Gründer und DDV dialog Juni 2010 Bernd Nauen Maik Hofmann Chef von Facebook. Spricht er nur pro domo, weil das Geschäftsmodell von Facebook anders nicht funktionieren würde, oder ist da wirklich etwas dran? Andreas Haderlein: Zuckerberg zeigt sich als Zeitdiagnostiker. Denn er urteilt hier weniger aus unternehmerischer oder technischer Sicht, sondern beschreibt das Nutzerverhalten. Wir befinden uns nicht mehr in den 80er Jahren – Stichwort: Volkszählung –, sondern sind in der Ära von Social Media angekommen. Unsere Art und Weise, wie wir mit Daten umgehen, hat sich grundlegend gewandelt. Wir hinterlassen heute überall Datenspuren – und man kann nicht an jeder Ecke Warnschilder aufstellen. Hat sich unser Umgang mit Daten verändert, seit das Internet zum Massenmedium geworden ist? Maik Hofmann: Das Internet erlaubt es inzwischen allen Nutzern, sich selbst darzustellen – so, wie sie tatsächlich sind, und so, wie sie gern gesehen werden möchten. Selbstdarstellung an sich gibt es ja schon immer: Wir erleben sie etwa auf dem Pausenhof in der Schule genauso wie auf dem Klassentreffen nach zwanzig Jahren. Neu ist, dass wir das jetzt auch online tun können. Wer mit dem Internet aufgewachsen ist, macht das eher unbekümmert – und unbedarft. Im realen Leben werden Freund und Feind auseinandergehalten: Einem Freund erzähle ich intimere Dinge als jemandem, den ich nicht kenne. Dieser Unterschied wird von vielen im Netz nicht mehr gemacht. Hofmann: Ja, die Sensibilität für den mög- lichen Missbrauch der eigenen Daten ist unterentwickelt. Noch vor sechs Jahren, als Facebook gegründet wurde, hätte es niemand für möglich gehalten, dass die Internetnutzer so viel von sich preisgeben. Ist das nur auf Naivität zurückzuführen oder auch darauf, dass es im Internet schwieriger ist, zwischen privat und öffentlich zu trennen? Julian Simons: Es geht um unterschiedliche Formen der Kommunikation, die sich in den verschiedenen Generationen entwickelt haben. Für diejenigen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, die sogenannten Digital Natives, sind die sozialen Netzwerke der bevorzugte Kommunikationskanal. Im Gegensatz zu den älteren Generationen stellen sie die Preisgabe von Informa- Julian Simons tionen dort gar nicht infrage – es gehört für sie einfach dazu, ihre Daten freizugeben. Die ältere Generation ist in diesem Punkt restriktiver. Die Jüngeren lässt unsere Diskussion aber kalt. Müssen wir „privat“ und „öffentlich“ heute anders definieren als vor dreißig Jahren? Haderlein: Die beiden Bereiche überlappen sich heute viel stärker – besonders in den sozialen Netzwerken. Den Datenschutzklauseln dort wird in der Regel per Klick zugestimmt, ohne dass sie zuvor gelesen wurden – ihr Studium würde zu lange aufhalten. Ist das nicht genauso wie mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ja auch kein Mensch liest? Bernd Nauen: Ob AGB und Nutzungsbedingungen von niemandem gelesen werden, ist fraglich – nicht aber, dass sich ihre Regeln und die Unternehmenspraxis an den geltenden Gesetzen messen lassen müssen. Ich möchte noch mal auf Zuckerberg zurückkommen. Die zitierte Aussage ist juristisch nicht verwertbar. Und sie ist auch politisch nicht gerade klug, weil sie von demjenigen stammt, dessen Geschäftsmodell auf ein vermeintliches Ende der Privatsphäre und einen eher laxen Umgang der Nutzer mit ihren Daten setzt. Darüber wird auf politischer Ebene noch zu diskutieren und zu entscheiden sein. Sie meinen, der Datenschutz hat nach wie vor eine große Bedeutung? Nauen: Das ist gar nicht zu leugnen. Man sieht es schon daran, dass wir gerade eine DDV dialog Juni 2010 D Objekt: HOMD - Ausgabennummer: 202 - Seite: X008/ 8 - Datum: 01.06.10 - Uhrzeit: 15:37’56’’ - Belichter: DFVINTERN- Farbigkeit: CMYK- Weitere Auszüge: Diese Farbe: Cyan Black Yellow Magenta 8 DIALOG SPECIAL 9 „In den sozialen Netzwerken geht es nicht um den Bau von Markentempeln, sondern um die Kommunikation auf Augenhöhe.“ MAIK HOFMANN, gesellschaftliche Debatte darüber führen. Und die verläuft nicht nur entlang der Generationengrenzen. Auch in den sozialen Netzwerken gibt es sehr differenzierte Verhaltensweisen, was wann wo preisgegeben wird. Der Konflikt besteht zum Teil doch darin, dass es gesetzliche Bestimmungen gibt, deren Leitvorstellungen von zahlreichen Internetnutzern und manchen Geschäftsmodellen aus Übersee nicht mehr vollauf geteilt werden. Haderlein: Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass uns Facebook vieles leichter macht. Ich kann mit ihm diverse Dienste so verknüpfen, dass ich sie nicht mehr einzeln aufrufen und beschicken muss – ich aktualisiere sie auf einen Schlag. Statt zehn Maschinen muss ich nur noch eine benutzen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Denn Datenschutzfragen blendet man dann aus Gründen der Bequemlichkeit leichtfertig aus. Die Technik verstehe ich als normaler Nutzer sowieso nicht. Also schenke ich notgedrungen Facebook mein Vertrauen. Zumal es eine große Nähe zu meinen „Freunden“ und zu Unternehmen und Marken schafft. Das Internet fasziniert auch wegen seiner Schnelligkeit und Bequemlichkeit. Datenschutz jedoch macht Arbeit. Passt er darum so schlecht zum Netz? Simons: Nein. Es geht immer um die konkrete Nutzungssituation. Beim Online-Banking etwa bin ich bereit, einen höheren Aufwand zu treiben, um meine Daten zu schützen. Bei Facebook geht es um die einfache Vernetzung mit anderen, da denke ich nicht von vornherein darüber nach, ob mit meinen Daten vielleicht Schindluder getrieben wird. Nauen: Vielen scheint nicht bewusst zu sein, dass Daten auf Facebook zu verschieDDV dialog Juni 2010 denen Zwecken genutzt werden können. Die Voraussetzung für eine bewusste Entscheidung ist Information und Transparenz. Und da ist noch Luft nach oben – nicht nur auf Facebook. Haderlein: Die Usability, also die Benutzerfreundlichkeit, von Facebook ist grottenschlecht: Man findet sich eigentlich nicht zurecht. Dennoch besitzen Hunderte Millionen Nutzer einen Account. Sie finden sich nur zurecht, indem sie sich auf wenige Grundfunktionen beschränken. Dazu gehören die Statusmeldungen etwa über Twitter sowie die „Daumen hoch“- und „Daumen runter“-Funktion. Das ist die Grundlage seiner Popularität. Die „sozialen Netzwerke“ verzeichnen einen enormen Zulauf, und sie stehen immer wieder wegen Datenschutzmängeln unter Beschuss. Wie sollten sich die „Der Schlüssel für erfolgreiche Werbung in Social Media liegt darin, sich zurückzunehmen, zur Unterhaltung beizutragen und dadurch das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Für meine Begriffe ist das allerdings eher Sponsoring als Werbung.“ ANDREAS HADERLEIN, ZUKUNFTSINSTITUT Marketer in diesem Dilemma verhalten? Nauen: Für die meisten Marketer sind diese Plattformen noch Neuland, geradezu Terra incognita. Sie beschäftigt zunächst einmal die Frage, was sie damit anfangen können, wie sie dort auftreten sollten. Die Datenschutzfragen sind derzeit eher den Plattformbetreibern zu stellen. Hofmann: Bei den Unternehmen herrscht eine große Unsicherheit über den Umgang mit den sozialen Netzwerken – allerdings weniger in puncto Datenschutz. Sie wollen vielmehr wissen, wie sie an den Gesprächen in den Plattformen teilnehmen können. Und wer diese Frage stellt, hat sich schon überdurchschnittlich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Viele fragen noch, wie stelle ich mich dort da? Sie haben noch nicht erkannt, dass es dort nicht um den Bau von Markentempeln geht, sondern um die Kommunikation auf Augenhöhe. Haderlein: Bisher hat Facebook noch keinen großen Datenschutzskandal gehabt. Der wird kommen, sobald dort mehr sensible Daten wie Kreditkartennummern hinterlegt sind und sich die Cyber-Kriminellen auf die Plattform stürzen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat zum Facebook-Boykott aufgerufen, weil das Unternehmen andauernd datenschutzrechtliche Bestimmungen missachte. Können Marketer diese Position ignorieren? Haderlein: Marketer, die auf Facebook aktiv werden wollen, sollten sich zuvor mit dem Justiziar ihres Unternehmens zusammensetzen. Dabei sollte es um Fragen des Datenschutzes gehen, aber auch ums Urheberrecht. Denn es muss klar sein, wem die hochgeladenen Daten – Texte, Bilder, Videos und so weiter – gehören. Und sie ARGONAUTEN G2 müssen natürlich überlegen, was Facebook für sie überhaupt leisten kann. Verraten Sie’s uns! Haderlein: Facebook kann wie die anderen sozialen Netzwerke nur Teil einer Kampagne sein, es kann sie nicht ersetzen. Oft wird es nur die kleine Geige im Orchester spielen. Viel eher eignet es sich für Public Relations, Service-Optimierung, Beschwerde-Management. Und es lässt sich für die Marktforschung nutzen, denn Facebook hat die Hand am Puls des Kunden – zumindest in bestimmten Zielgruppen. Nauen: Man muss sich vor einem Missverständnis hüten: Der Massenansturm auf die sozialen Netzwerke bedeutet nicht, Das Mitmachnetz als Herausforderung: die Teilnehmer der Gesprächsrunde Andreas Haderlein, 36, leitet die Zukunftsakademie des Zukunftsinstituts in Kelkheim bei Frankfurt. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten im Institut gehören Handelsmarketing, E-Commerce und Social Media. Der studierte Kulturanthropologe referiert auf internationalen Kongressen und hat unter anderem zu den Themen „Marketing 2.0“, „Social Commerce“ und „Sales Design“ publiziert. Mit seinem Start-up Soccr.net entwickelt er Informationsdienste für Fußballfans. Maik Hofmann, 36, leitet die Frankfurter Unit der Multichannel-Agentur Argonauten G2 mit Stammsitz in Berlin. Der diplomierte Betriebswirt begann seine Karriere im Ver- trieb des Gerling-Konzerns, wechselte nach fünf Jahren auf Agenturseite und war unter anderem bei 141 worldwide und Bates Germany als Kundenberater tätig. 2004 heuerte Hofmann bei den Argonauten G2 an und gründete mit dem Geschäftsführer Eugen Kern das Frankfurter Office. Zu den Kunden gehören Leica Camera, Mewa und die Messe Frankfurt. Bernd Nauen, 40, ist Geschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) in Berlin. Nach seiner ersten beruflichen Station beim ZAW leitete er die Rechtsabteilung eines Pharma- und Biotech-Unternehmens in Hamburg. Nauen studierte Jura in Trier und Berlin und pro- movierte im Jahr 2000. Schwerpunkte seiner Tätigkeit als niedergelassener Anwalt sind der gewerbliche Rechtsschutz und das Werberecht. Julian Simons, 37, ist Geschäftsführender Gesellschafter von Mediascale in München. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre startete Simons seinen beruflichen Werdegang bei Plan.Net. Danach war er bei Serviceplan tätig, bevor er 2002 zu Mediascale wechselte. Die Agentur ist ein unabhängiges Spin-off von Serviceplan und bietet erfolgsorientierte Online-Werbung sowie Online-Dialogmarketing an. Zu den Kunden gehören Asstel, „FAZ“, Mirapodo, O2, Sony Music und Thomas Cook. DDV dialog Juni 2010 D Objekt: HOMD - Ausgabennummer: 202 - Seite: X010/ 10 - Datum: 01.06.10 - Uhrzeit: 15:38’44’’ - Belichter: DFVINTERN- Farbigkeit: CMYK- Weitere Auszüge: Diese Farbe: Cyan Black Yellow Magenta 10 D I A L O G S P E C I A L 11 „Der Massenansturm auf die sozialen Netzwerke bedeutet nicht, dass sie Massenmedien wären. Für die Werbewirtschaft sind sie das derzeit nicht.“ „Sobald ich eine Person ansprechen will, brauche ich zuvor ihre Erlaubnis dafür. Wir haben keine Individuen im Visier, sondern spitze Zielgruppen.“ BERND NAUEN, JULIAN SIMONS, MEDIASCALE ZENTRALVERBAND DER DEUTSCHEN WERBEWIRTSCHAFT dass sie Massenmedien wären. Für die Werbewirtschaft sind sie das derzeit nicht. Das kann ja noch kommen. Nauen: Warten wir es ab. Werbungtreibende, Agenturen und Plattformbetreiber sind noch in der Experimentierphase. Hofmann: Niemand wird Mitglied in einem sozialen Netzwerk, um sich über Produkte zu informieren oder Marketern etwas über sich zu erzählen. Es geht um den Austausch mit Gleichgesinnten, Freunden und Bekannten. Man unterhält sich über eine gescheiterte Liebesbeziehung, über den bevorstehenden Arztbesuch und über das neue Smartphone, das nicht hält, was es verspricht. Man will die Meinung von anderen hören und nach Möglichkeit einen Tipp bekommen, der einen weiterbringt. Soziale Netzwerke sind Kommunikationsräume. Welche Rolle können Marketer in diesen Kommunikationsräumen spielen? Simons: Mit klassischer Online-Werbung werden sie hier größere Probleme haben als in klassischen Online-Angeboten wie etwa Nachrichtensites. Push-Werbung funktioniert hier kaum, denn sie stört den Austausch der Nutzer untereinander. Vielmehr geht es darum, sich in den Dialog der Nutzer einzuklinken beziehungsweise einen Dialog über das eigene Produkt zu initiieren. Wird dieser Dialog von den Nutzern als DDV dialog Juni 2010 relevant betrachtet, kann eine Kommunikation von Marken auch in sozialen Netzen sehr wohl funktionieren. Der Weg jedoch ist ein anderer und ein Patentrezept dafür gibt es nicht. Was heißt das, sich auf einen Dialog einlassen? Simons: Man muss eine persönliche Beziehung aufbauen. Genau das ist natürlich das Schwierige. Wenn man in einem sozialen Netzwerk auf tausend, zehntausend oder hunderttausend Menschen trifft, die sich für das eigene Produkt interessieren, braucht man einen Mechanismus, der diese Aufgabe bewältigen kann. Der fehlt den meisten Unternehmen noch. Hofmann: Ich will mal ein praktisches Beispiel geben. Man kann die Nutzer zu einem Spiel einladen, das von einer Marke gebrandet ist, und ihnen bestimmte Möglichkeiten anbieten, sich darüber auszutauschen. So ist die Marke im Gespräch und wird auf unaufdringliche Weise zum Teil des Netzwerks. Das haben wir gerade für Fanta realisiert. Eine sechsstellige Zahl an Nutzern hat mitgespielt. Haderlein: Ich glaube, darin liegt der Schlüssel für erfolgreiche Werbung in Social Media: sich zurückzunehmen, zur Unterhaltung beizutragen und dadurch das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Für meine Begriffe ist das allerdings eher Sponsoring als Wer- bung. Social-Commerce-Plattformen wie Polyvore haben das schon gut verstanden: Dort werben nicht die Hersteller oder Händler, sondern die Nutzer für die Produkte. Die „sozialen Netzwerke“ besitzen nicht nur die Profile, sondern auch die Namen ihrer Nutzer und könnten darum ihr Targeting auf konkrete Personen zuschneiden. Ist das nur eine theoretische Möglichkeit oder bricht nun das Zeitalter des Einszu-eins-Marketings an? Nauen: Das ist Theorie. Schon weil neben der Relevanz auch die Reichweite wichtig ist. Zudem dürfen Bestandsdaten nur genutzt werden, wenn eine belastbare Einwilligung vorliegt. Herr Simons, warum hat das verhaltensbasierte Targeting Zielgruppen im Fokus, nicht jedoch den einzelnen Nutzer? Simons: Aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen. Die rechtliche Seite hat Herr Nauen eben benannt: Es wäre illegal, persönliche Daten in der Ansprache zu nutzen. Doch auch, wenn es rechtlich möglich wäre, wäre persönliches Targeting ökonomisch betrachtet für Kunden und Agenturen schlicht irrelevant, weil die Kosten für die Kreation des Werbemittels und die Abwicklung viel zu hoch ausfielen. Dies gilt für Produkte mit breitem wie auch mit spitzem Kundenkreis. Die zu bewältigende Datenflut wäre gigantisch, das ist fern jeder Praktikabilität. Haderlein: Anders ist es doch, wenn ich nicht nur die Vorlieben eines Nutzers kenne, sondern auch weiß, wo er sich gerade aufhält. Immer mehr Internetnutzer geben ihren aktuellen Standort bekannt. Also könnte ich dem Audi-Fan, der sich gerade in der Nähe einer Audi-Niederlassung be- findet, eine auf ihn zugeschnittene Werbung schicken. Simons: Möglich ist das, aber wir dürfen es nicht. Sobald ich eine Person ansprechen will, brauche ich zuvor ihre Erlaubnis dafür. So wie beim E-Mail-Marketing. Aber Targeting ist eben kein E-Mail-Marketing. Wir haben keine Individuen im Visier, sondern spitze Zielgruppen. Das Bundesdatenschutzgesetz gilt nur in Deutschland, das Internet aber ist global. Was würde denn passieren, wenn beispielsweise Facebook auch hierzulande Nutzer mittels Targeting persönlich anspräche? Simons: Ökonomisch würde Facebook der Online-Wirtschaft einen Bärendienst erweisen. Denn die Folge wären möglicherweise gesetzliche Beschränkungen, die nicht nur den Unternehmen, sondern auch den Nutzern schadeten. Angebote, die bisher kostenfrei zugänglich sind, ließen sich unter Umständen nicht mehr durch Werbung finanzieren und würden kostenpflichtig. Die Weiterentwicklung des Mediums wäre um Jahre zurückgeworfen. Nauen: Entscheidend ist, ob Facebook fürs Targeting mit personenbezogenen Daten umgeht. Wenn ich es recht sehe, wird dies von Facebook verneint. Sollte sich das ändern, wird man genau prüfen müssen, ob die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen eingehalten werden. Ihre Relevanz wird zwar zuweilen bestritten. Aber der Einwand, dass technische Einrichtungen, beispielsweise Server, nicht in Deutschland stehen, greift wohl zu kurz. Zumal der europäische wie der nationale Gesetzgeber die Regeln derzeit prüfen und überarbeiten. Hofmann: „Persönliche Ansprache“ in einem sozialen Netzwerk bedeutet nicht unbedingt, dass tatsächlich ich persönlich angesprochen werde. Viele Nutzer sind dort nicht mit ihrer wirklichen Identität unterwegs, sondern pseudonym und mit teilweise erfundenen Eigenschaften und Biographien. Schon von daher stößt die „persönliche Ansprache“ an ihre Grenzen. Nicht alles, was denkbar ist, ist auch realisierbar. MODERATION: JOACHIM THOMMES Anzeige DDV dialog Juni 2010