Prof. Dr. K. Kassner Kosmologie (WPF Vertiefungsrichtung) Blatt 2 SS 2017 13. 04. 2017 3. Stabilität von Sternen 4 Pkt. Unsere Sonne bezieht ihre Energie aus der Fusion von Wasserstoff. Warum explodiert sie nicht wie eine Wasserstoffbombe? Man sollte doch erwarten, dass eine positive Energiefluktuation zu einer Erhöhung ihrer Zentraltemperatur und damit noch höherer Energieproduktion führt? Das wäre eine Instabilität. Andererseits: Warum bricht die Kernfusion nicht zusammen? Eine spontane negative Fluktuation in der Energieerzeugung sollte doch zu einer niedrigeren Temperatur und einem weiteren Nachlassen der Energieproduktion führen (dieselbe Instabilität). Hinweis: In der Argumentation ist das Virialtheorem nützlich (Epot = −2Ekin ). Überlegen Sie sich, wie die innere Energie mit der (mittleren) Temperatur variiert. Was kann man über die spezifische Wärme eines Sterns aussagen? Lösung: Zur Erinnerung: das Virial der Kräfte in einem Vielteilchensystem ist nach Clausius der Ausdruck − 12 ∑iN=1 r i · F i , wobei der Überstrich einen Mittelwert darstellt, ursprünglich einen Zeitmittelwert, in der Statistik dann aber auch einen Ensemblemittelwert. Der Virialsatz folgt aus dem newtonschen Kraftgesetz mittels einer kleinen Rechnung mi r̈ i = F i ⇒ N N i =1 i =1 ∑ mi ri · r̈i = ∑ mi N d 2 (r i · ṙ i ) − ṙ i = ∑ r i · F i . dt i =1 Integrieren wir das über eine hinreichend lange Zeit τ, so erhalten wir 1 τ N Z τ 1 Z τ N 1 τ N 2 m r · ṙ m ṙ dt = r i · F i dt . − i i i i ∑ i τ 0 i∑ τ 0 i∑ 0 i =1 =1 =1 Bleibt die Bewegung der Teilchen auf ein endliches Raumgebiet beschränkt (das ist eine der Voraussetzungen des Satzes), dann verschwindet bei hinreichend großem τ (also hinreichend langer Mittelung) der erste Term. Der zweite ist minus das Doppelte des zeitlichen Mittelwerts der kinetischen Energie, der dritte das Negative des doppelten Virials, also ist die mittlere kinetische Energie gerade gleich dem Virial: Ekin = − 1 N ri · F i . 2 i∑ =1 Kommt die Kraft nun aus einem Potential, das in den Koordinaten homogen vom Grad α ist, für das also gilt V ({λr i }) = λα V ({r i }), dann besagt das Euler-Theorem für positiv homogene Funktionen, dass N ∑ ri · ∇i V ({ri }) = αV ({ri }) ⇒ i =1 und schließlich Ekin = − α 1 N r i · F i = V ({r i }) ∑ 2 i =1 2 α α V ({r i }) = Epot . 2 2 Für das newtonsche Gravitationspotential ist α = −1 und daher Epot = −2Ekin . Abgabe: 27. 04. 2017 (3.1) 1 Kosmologie SS 2017 In der Aufgabenstellung wurde davon ausgegangen, dass die relativen statistischen Fluktuationen dieser Größen bei einem makroskopischen Objekt wie einem Stern vernachlässigbar sind und deshalb die Mittelung weggelassen werden kann. Damit folgt aus (3.1) für die Gesamtenergie E = Ekin + Epot = − Ekin . (3.2) Da die Gesamtenergie nur sehr langsam abnimmt, kann für sie auf jeden Fall die Zeitmittelung weggelassen werden (selbst wenn man diese bei der kinetischen Energie noch beibehält). Die Temperatur ist über den Gleichverteilungssatz mit der mittleren kinetischen Energie der Teilchen verknüpft * 2+ 2 pi ∂H 1 pj 2 pi = = = hekin i = k B T , (3.3) ∂pi m 3 m 3 wobei wir ein kleines e für die kinetische Energie eines Teilchens geschrieben haben. Setzen wir nun Zeit- und Scharmittelwert gleich, so erhalten wir für die innere Energie des Sterns 3 U = h Ei = − h Ekin i = − Nk B h T i . 2 (3.4) Der Temperaturmittelwert rechts ist ein Mittelwert über alle Teilchen des Sterns, der innen nicht dieselbe Temperatur hat wie an der Oberfläche. Betrachten wir nun eine positive Fluktuation der Energie. Wird h Ei größer, so muss die mittlere Temperatur h T i gemäß Gleichung (3.4) sinken. Diese Abkühlung bremst also eine mögliche Explosion. Betrachten wir eine negative Fluktuation der Energie. Wird h Ei kleiner, so muss die mittlere Temperatur h T i gemäß Gleichung (3.4) steigen. Diese Erwärmung wirkt einem möglichen Kollaps entgegen. Wenn wir in erster Näherung die Temperatur des Sterns als überall gleich ansehen, dann können wir seine Wärmekapazität berechnen: C= ∂U 3 = − Nk B . ∂T 2 Das ist negativ! Sterne haben also ein eigenartiges thermodynamisches Verhalten: aufgrund ihrer nicht vernachlässigbaren Gravitation wird ihre spezifische Wärme negativ. Mit negativer spezifischer Wärme assoziiert man normalerweise eine thermodynamische Instabilität. Wir scheinen also eine Stabilisierung des Sterns durch eine thermodynamische Instabilität zu haben! Allerdings ist die in der Thermodynamik betrachtete Wärmekapazität, die positiv bleiben muss (weil sie dem Quadrat der Energieschwankungen direkt proportional ist) die Wärmekapazität bei konstantem Volumen. Wäre sie negativ, also ∂U ∂S CV = =T < 0, (?) ∂T V ∂T V Abgabe: 27. 04. 2017 2 Kosmologie SS 2017 so würde die Temperatur des Systems bei Wärmeaufnahme aus der Umgebung abnehmen (wenn weder Arbeit geleistet noch verbraucht wird, also ∆V = 0 ist) und bei Wärmeabgabe zunehmen. Kann das System Wärme mit einem Reservoir R austauschen, dessen Wärmekapazität CR dem Betrag nach größer ist als seine eigene, so führt das zur Instabilität: • Gibt das System eine Wärmemenge |δQ| an R ab, so steigt seine Temperatur um |δQ| / |CV | und die von R um |δQ| /CR , aber der letztere Temperaturanstieg ist geringer als der des Systems. War die Temperaturdifferenz anfänglich null, so wächst sie durch den Wärmeaustausch und der vom System nach R gerichtete Wärmestrom nimmt zu. Damit steigt die Temperatur des Systems noch weiter, die von R bleibt noch weiter zurück, die Amplitude des Temperaturanstiegs nimmt zu. • Nimmt das System eine Wärmemenge |δQ| von R auf, so sinkt seine Temperatur um |δQ| / |CV | und die von R um |δQ| /CR , aber der letztere Temperaturabsenkung ist geringer als der des Systems. War die Temperaturdifferenz anfänglich null, so wächst sie durch den Wärmeaustausch und der vom R in das System gerichtete Wärmestrom nimmt zu. Damit sinkt die Temperatur des Systems noch weiter, die von R sinkt langsamer, die Amplitude des Temperaturabfalls nimmt zu. Offensichtlich kann ein System mit CV < 0 nicht im thermodynamischen Gleichgewicht mit einer Umgebung positiver Wärmekapazität sein. Die hier abgeschätzte Wärmekapazität entspricht aber gerade nicht einer spezifischen Wärme bei konstantem Volumen, denn erhöht man die innere Energie des Sterns, so dehnt er sich aus, seine Oberfläche kühlt sich ab, damit sinkt die mittlere Temperatur bei wachsendem Volumen. Erniedrigt man die innere Energie, so schrumpft er und die Oberfläche heizt sich auf. Des Weiteren ist ein Stern nicht homogen, seine Dichte ist im Innern deutlich größer als an der Oberfläche. Damit würde man ihn nach gewöhnlichen Maßstäben als nicht im thermodynamischen Gleichgewicht befindlich ansehen, denn der Gleichgewichtszustand ist normalerweise homogen. Dies ist allerdings in Gegenwart von Gravitation nicht mehr selbstverständlich. Selbstgravitierende Systeme können spontan Klumpen bilden, was nahelegt, dass das Gleichgewicht eher inhomogen als homogen ist. Abgabe: 27. 04. 2017 3 Kosmologie SS 2017 ohne Arbeitsleistung (oder Arbeitsaufnahme)ohne Arbeitsleistung (oder Arbeitsaufnahme) 4. Cepheiden 5 Pkt. (a) Die Abbildung zeigt die Lichtkurven verschiedener etwa gleich weit von uns ent- (2 Pkt.) fernten Cepheiden. Messen Sie die Länge der Perioden und tragen die Maxima und Minima der Helligkeit gegen diese auf (Zeitachse logarithmisch). Zeigt sich eine Regelmäßigkeit? (b) Warum wäre Henrietta Leavitts Entdeckung der Perioden-Leuchtkraft-Beziehung mit (1 Pkt.) Cepheiden aus der Milchstraße nicht ohne Weiteres möglich gewesen? (c) Mit dem Hubble-Weltraumteleskop kann man Sterne bis herab zu einer scheinbaren (2 Pkt.) Helligkeit von m = 30 mag erkennen. Welches ist die maximale Entfernung, die man mit der Cepheiden-Methode noch bestimmen kann, wenn die absolute Helligkeit der leuchtkräftigsten Cepheiden um einen Mittelwert von etwa M = −5 mag oszilliert? Lösung: (a) Dem Bild entnehmen wir durch Messung mit einem Lineal folgende Tabelle Periode/[d] 42 28.5 14 11.5 max. Helligkeit 12.65 13.05 14.25 14.1 min. Helligkeit 13.7 14.0 15.3 14.8 lg T/[d] 1.62 1.45 1.15 1.06 Tragen wir dies in ein Diagramm ein und fitten Maxima und Minima an Funktionen P( T ) = a lg T + b, so ergibt sich das dargestelle Bild: Abgabe: 27. 04. 2017 4 Kosmologie SS 2017 16 Maxima fit mit -2.95 lg(x)+17.46 Minima fit mit -2.55 lg(x)+17.84 15 Leuchtkraft 14 13 12 11 10 10 100 Periodendauer in Tagen Der Mittelwert der Steigungen ist a = −2.75. Der Absolutwert b hat keine allgemeine Bedeutung, weil hier ja scheinbare Helligkeiten aufgetragen werden. Kennt man allerdings den entsprechenden Wert für die absoluten Helligkeiten der Cepheiden, kann man daraus den Entfernungsmodul bestimmen. Der aktuelle Literaturwert für die Steigung ist laut Wikipedia („Cepheiden“, nachgeschlagen am 27.04.2017) a = −2.81, die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung lautet M = −2.81 lg( P/[d] − 1.43 . Damit ergibt sich ein Entfernungsmodul von µ = 19.08, wenn für b der Mittelwert aus dem Fit an die Minima und Maxima genommen wird. Das entspricht einer Entfernung von D = 100.2µ+1 pc = 65464 pc. (b) Cepheiden in der Milchstraße wären alle unterschiedlich weit vom Sonnensystem entfernt. Man wüsste nicht, ob Helligkeitsunterschiede real wären oder aufgrund unterschiedlicher Entfernungen zu Stande kämen. Eine Kalibrierung der Beziehung zwischen Leuchtkraft und Periode wäre damit erschwert. Die von Frau Leavitt in der kleinen magellanschen Wolke entdeckten Cepheiden haben alle ungefähr die gleiche Entfernung zum Sonnensystem, denn die Ausdehnung der Wolke ist im Vergleich zu ihrer Entfernung klein (Entfernung rund 64 kpc, Durchmesser rund 3.1 kpc). Unterschiede in der Leuchtkraft bei verschiedenen Perioden mussten also real sein. Sobald dann die absolute Helligkeite eines dieser Sterne bekannt war (oder seine Entfernung bestimmt war, dies gelang Ejnar Hertzsprung 1913 für einige Cepheiden in der Milchstraße) konnte die Entfernungsskala geeicht werden. (c) In einer früheren Formulierung der Aufgabe konnte das Missverständnis auftreten, dass es sich bei den 5 Magnituden um die Schwankungsamplitude der Cepheidenhelligkeit handelt. Deshalb ist es nützlich, sich zunächst klar zu machen, dass ein Helligkeitsunterschied von 5 Magnituden zwischen Maximum und Minimum keine Information über die Entfernung liefert, weil er im logarithmischen Abgabe: 27. 04. 2017 5 Kosmologie SS 2017 Helligkeitsmaß entfernungsunabhängig ist: D [10 pc] D = Mmin + 5 lg [10 pc] = Mmax − Mmin mmax = Mmax + 5 lg mmin ⇒ mmax − mmin M = −5 ist also die (mittlere) absolute Helligkeit der leuchtstärksten Cepheiden. (Die Schwankung von deren Helligkeit liegt zwischen ein und zwei Magnituden, wie es Teilaufgabe (a) auch nahelegt.) Da das Hubble-Space-Teleskop Sterne mit scheinbaren Helligkeiten von bis zu m = 30 sichtbar macht, ist ein Entfernungsmodul von µ = m − M ≈ 35 für Cepheiden erreichbar. Das entspricht einer Entfernung von D = 100.2µ+1 pc = 108 pc, also 326 Millionen Lichtjahren. Diese Entfernung liegt im Bereich weniger Prozent des Radius des sichtbaren Kosmos (je nach Definition – wenn man als maximale look-back-Distanz 13.7 Milliarden Lichtjahre annimmt, sind wir bei etwa 2.4% des Radius des Kosmos; nehmen wir stattdessen den Teilchenhorizont von 46 Milliarden Lichtjahren an, sind es entsprechend weniger, aber dann müsste man auch berücksichtigen, dass der Cepheid selbst sich in den letzten 326 Millionen Jahren von uns entfernt hat). 5. Chandrasekhar-Masse 14 Pkt. Wenn ein Stern seinen nuklearen Brennstoff erschöpft hat, bleibt ihm als einzige Möglichkeit, den durch die Gravitation erzeugten Druck auszugleichen, der Widerstand, den ein Fermigas aufgrund des paulischen Ausschließungsprinzips seiner Kompression entgegensetzt. Ein entartetes Fermigas hat selbst bei verschwindender Temperatur noch einen endlichen Druck. Wie Chandrasekhar zeigte, reicht dieser Gegendruck nicht aus, den Stern zu stabilisieren, wenn seine Masse einen gewissen Grenzwert überschreitet. Unterhalb dieser Grenzmasse ist das Endstadium des Lebens eines Sterns die Existenz als Weißer Zwerg, dessen mechanisches Gleichgewicht durch die Entartung des Elektronengases aufrecht erhalten wird. Liegt die Masse des Sterns oberhalb der Grenzmasse, so kann durch Rekombination von Elektronen und Protonen zu Neutronen aus dem Weißen Zwerg ein Neutronenstern mit mehr als milliardenfach höherer Dichte entstehen, stabilisiert durch den Entartungsdruck der Neutronen. Ist jedoch die Masse zu hoch, so reicht auch dieser Druck nicht zur Stabilisierung des Sterns und es entsteht ein schwarzes Loch. Wir wollen in dieser Aufgabe einige der Überlegungen nachvollziehen, die die Existenz einer Grenzmasse zeigen und diese auch abschätzen. (a) Begründen Sie, dass für mechanisches Gleichgewicht einer kugelsymmetrischen Mas- (2 Pkt.) senverteilung unter ihrer Eigengravitation gelten muss m (r ) ρ (r ) dp = −G , (5.1) dr r2 wo p(r ) der Druck im Abstand r vom Zentrum, m(r ) die in der Kugel vom Radius r eingeschlossenen Teilmasse und ρ(r ) die lokale Dichte beim Abstand r ist. G ist die Gravitationskonstante. Abgabe: 27. 04. 2017 6 Kosmologie SS 2017 Hinweis: Betrachten Sie die Kräfte auf ein Volumenelement dA dr zwischen den Orten r und r + dr. (b) Zeigen Sie dann dp m (r ) . = −G dm 4πr4 (1 Pkt.) (5.2) Hinweis: Was ist dm/dr für eine Kugelschale? (c) Zeigen Sie, dass der Ausdruck p̃ = p + Gm2 (r ) 8πr4 (3 Pkt.) (5.3) eine (streng) monoton fallende Funktion von r ist. Benützen Sie das, um zu zeigen, dass für den Druck p Z im Zentrum des Sterns gelten muss pZ > GM2 , 8πR4 (5.4) wobei M und R Gesamtmasse und -radius des Sterns sind. Hinweis: Überlegen Sie sich, dass limr→0 m(r )/r2 = 0. (d) Der Entartungsdruck eines nichtrelativistischen Elektronengases ist 2/3 2 3 h 5/3 1 n , pE = 20 π me (3 Pkt.) (5.5) wobei me = 9.11 × 10−31 kg die Elektronenmasse und n die lokale Anzahldichte der Elektronen ist. [Eine grobe Näherung wäre n = ρ/(me + m p ) mit m p der (bekannten) Protonenmasse.] h = 6.62 × 10−34 Js ist das plancksche Wirkungsquantum. Ersetzen Sie n durch die mittlere Anzahldichte des Sterns und berechnen Sie den Radius, den der Stern nicht überschreiten darf, damit der Entartungsdruck (5.5) dem Gravitationsdruck (5.4) die Waage halten kann. Nehmen Sie zwecks Erhalt eines Zahlenwerts M = M an. (e) Es zeigt sich, dass die benötigten Dichten so groß werden, dass die Elektronen auf- (5 Pkt.) grund der Heisenbergschen Unschärferelation relativistische Geschwindigkeiten erreichen. Dann gilt aber nicht mehr die Zustandsgleichung (5.5) sondern stattdessen die relativistische Gleichung 1/3 1 3 pE = hcn4/3 . (5.6) 16 π (Warum tritt hierin wohl die Elektronenmasse nicht mehr auf?) Wieso kann der Stern nun den Gravitationsdruck (5.4) nicht mehr durch Verkleinerung seines Radius ausgleichen? Wie groß ist die Masse, oberhalb derer p den Wert p Z nicht mehr erreichen kann? Wieviele Sonnenmassen M sind das? Unser Ergebnis ist natürlich nur eine Näherung. Wie könnte man es im Prinzip verbessern? Lösung: (a) ein Volumenelement, das sich vom Radius r zur Radius r + dr erstreckt im Kräftegleichgewicht. dV = dA dr, dm = ρ dV. Wirkende Kräfte: Abgabe: 27. 04. 2017 7 Kosmologie SS 2017 i) Gravitationskraft: nur die Masse m(r ) innerhalb der Kugel mit Radius r trägt bei m(r ) ρ(r ) dA dr r2 ii) Druckkraft von innen: Fp = p(r ) dA iii) Druckkraft von außen: Fp′ = − p(r + dr ) dA = − ( p(r ) + dp) dA Fg = − G Gleichgewicht: Fg + Fp + Fp′ = 0 −G (b) Nun m (r ) ρ (r ) dr + ✟ p(✟ r✟ ) −✟ p(✟ r✟ ) − dp = 0 r2 m (r ) ρ (r ) dp = −G , ⇒ dr r2 q.e.d. man die gesamte Kugelschale zwischen r und r + dr y dm = 4πr2 ρdr dm = 4πr2 ρ dr ⇒ dp m (r ) d p dr dp = = dr = − G dm dm dr dm 4πr4 dr (5.7) (c) Vorbemerkung: Das Zielergebnis dieser Teilaufgabe, nämlich, dass der Druck p Z im Zentrum des Sterns erfüllt p Z > GM2 /(8πR4 ) lässt sich sehr viel leichter erhalten als mit der in der Aufgabenstellung vorgeschlagenen Methode. Allerdings ermöglicht die vorgeschlagene Methode, wie wir später sehen werden, eine Verbesserung der Abschätzung, die der hier angegebene kurze Weg nicht liefert. Aus Gleichung (5.7) schließen wir, dass gilt dp m ≤ −G , dm 4πR4 denn r < R und eine Vergrößerung des Nenners verkleinert den Betrag des Bruchs, vergrößert ihn also, weil er negativ ist. Integration über m von der Gesamtmasse M bis null liefert =− Z M 0 Z 0 dp dm dm Z M dp GM2 Gm2 M Gm dm > = dm = dm 4πR4 8πR4 0 8πR4 0 p Z = p (0) = p (0) − p ( M ) = M Lösen wir die Teilaufgabe noch mit dem vorgeschlagenen Trick (den wir unserem Repertoire hinzufügen sollten) Gm2 (r ) 8πr4 d p̃ d p Gm(r ) dm Gm2 (r ) Gm(r ) dm Gm2 (r ) dp = + − = + − dr dr 2πr5 dm dr 2πr5 4πr4 dr 4πr4 | {z } 0 Gm2 (r ) d p̃ =− < 0, (5.8) dr 2πr5 p̃ = p + ⇒ Abgabe: 27. 04. 2017 8 Kosmologie SS 2017 womit gezeigt ist, dass p̃ eine monoton fallende Funktion von r ist. Nun betrachten wir p̃ bei r = 0 und bei r = R. Es gilt p̃(0) = p(0) + lim r →0 Gm2 (r ) Gm2 (r ) = p + lim Z r →0 8πr 4 8πr4 und zur Abschätzung des Grenzwertes können wir die Regel von de l’Hospital anwenden, um zu zeigen m (r ) m ′ (r ) 4πr2 ρ(r ) = lim = lim = 2πρ(0) lim r = 0 . r →0 r 2 r →0 2r r →0 r →0 2r lim Alternativ: m (r ) ∼ ρ (0) 4π 3 r 3 (r → 0) 4π m (r ) = lim ρ(0) r = 0 . 2 r →0 r r →0 3 lim ⇒ (Das korrekte asymptotische Verhalten für kleine r ungleich null liefert nur die zweite Methode.) Damit erhalten wir, dass im Zentrum des Sterns p̃ und p übereinstimmen: p̃(0) = p Z . Bei r = R gilt offenbar p(r ) = 0, denn an der Oberfläche des Sterns grenzt der an das Vakuum (in guter Näherung) und dessen Druck ist null. Damit wird p̃( R) = GM2 Gm2 ( R) = . 8πR4 8πR4 Wegen (5.8) muss dann gelten GM2 , 8πR4 p Z = p̃(0) > p̃( R) = q.e.d. (5.9) Anmerkung: Ausgehend von der Definition von p̃(r ) lässt sich diese Abschätzung leicht verbessern. Wir setzen einfach p̃(0) − p̃( R) = Z 0 d p̃ R dr dr = − Z R d p̃ 0 dr dr = Z R Gm2 (r ) 0 2πr5 dr Rr 2 und schätzen m(r ) = 0 4πρ(r ′ )r ′ dr nach unten ab. Wir gehen davon aus, dass die Massendichte ρ(r ) eine monoton fallende Funktion des Radius ist. Das muss dann auch für die mittlere Dichte ρ̄(r ) ≡ m (r ) 3 = 3 4πr3 /3 r Z r 0 2 ρ(r ′ )r ′ dr des Volumens bis zum Radius r gelten. Man sehe: 3ρ(r ) 3 d ρ̄ = −3 4 dr r r Abgabe: 27. 04. 2017 Z r 0 2 ρ(r ′ )r ′ dr = 3 ρ(r ) − ρ̄(r ) < 0, r 9 Kosmologie SS 2017 denn die Dichte am Radius r muss kleiner sein als die mittlere Dichte bis zum Radius r, wenn die Dichte selbst als Funktion des Radius monoton fällt. Sei ρ̄ = ρ̄( R) die mittlere Dichte des gesamten Sterns, dann gilt 4πr3 m (r ) ≥ ρ̄ 3 ⇒ m2 (r ) ≥ ρ̄2 r5 4π 3 2 r und wir erhalten die Abschätzung 2 Z GM2 G R 8π 2 R2 2 4π pZ − G ρ̄ = p̃ ( 0 ) − p̃ ( R ) ≥ ρ̄ r dr = 3 2π 0 9 2 8πR4 2 2 2 4πGR M GM , = = 3 9 4πR /3 4πR4 GM2 GM2 pZ − ≥ , 8πR4 4πR4 3GM2 pZ ≥ . 8πR4 (5.10) Die neue untere Schranke für den Gravitationsdruck im Zentrum ist also dreimal so groß wie die nach der ersten Abschätzung. (d) In der Formel(5.5) für den nichtrelativistischen Entartungsdruck eines Elektronengases sollte die Teilchendichte n der Elektronen durch n= ρ me + m p (5.11) abgeschätzt werden. Dies würde einer chemischen Zusammensetzung des Sterns nur aus Protonen und Elektronen entsprechen. Etwas realistischer wäre wohl die Annahme, dass etwa die Hälfte der Nukleonen Neutronen sind (denn die Hauptmasse eines weißen Zwergs besteht aus Atomkernen des Vorgängersterns, also z.B. Helimukernen, wenn kein Heliumbrennen eintrat, Kohlenstoff- und Stickstoffkernen, wenn kein Neonbrennen eintrat) dann wäre n = ρ/(me + m p + mn ) ≈ ρ/2m p eine vernünftige Abschätzung, also etwa die Hälfte der sich aus (5.11) ergebenden Elektronendichte. Wir setzen n≈ ρ̄ 3M ρ ≈ = . mp mp 4πR3 m p Durch die erste Abschätzung wird n sicher überschätzt, durch die zweite in einem großen Teil des Sterns unterschätzt, da natürlich ρ̄ < ρ(r ) und im Zentrum um einen Faktor der Größenordnung 100 kleiner ist. Der Entartungsdruck p E aus (5.5) nimmt mit diesen Abschätzungen die Form 1 p= 20 2/3 2 5/3 3 3 h M 5/3 1 π me 4π mp R5 an. Der Entartungsdruck muss dem Gravitationsdruck des Sterns das Gleichgewicht halten, was im Zentrum des Sterns zu der Beziehung pE = pZ Abgabe: 27. 04. 2017 ⇒ p = α p̃( R) 10 Kosmologie SS 2017 führt. α ist ein Faktor, von dem wir annehmen, dass er von der Größenordung eins ist. Wäre die linke Seite der exakte Entartungsdruck, wüssten wir, dass α mindestens drei sein muss. Aber p ist ja auch nur eine Näherung (für p E ). Wir erhalten 1 20 2/3 2/3 GM2 3 3 3 h2 M 5/3 1 =α , 5 π 4π 4π me m p R 8πR4 wo die linke Seite mit 1/R5 variiert, die rechte mit 1/R4 . Nach Multiplikation mit R4 bleibt als einzige R-Abhängigkeit ein 1/R links, d.h. wir können leicht nach R auflösen: 1 3 R= α 10 9 4π 2 2/3 h2 1 1 . 5/3 me m p GM1/3 Der numerische Vorfaktor ist Zahlenwerten führt: 3 10 9 2/3 4π 2 = 0.112, was mit M = M⊙ zu folgenden 2 6.62 × 10−34 kg m2 /s 1 R = × 0.112 × α 9.11 × 10−31 kg 1 1 × − 11 3 2 5/3 1/3 2 (1.66 × 10−27 ) (2 × 1030 ) kg 6.67 × 10 m /(kg s ) 0.112 × 6.622 10−68 1 m = × α 9.11 × 1.665/3 × 21/3 × 6.67 10−31 × 10−45 × 1010 × 10−11 1 = 2.75 × 104 km . α Mit α = 1 ist dieser Radius etwas groß für einen weißen Zwerg, von denen die meisten weniger als den zweifachen Erdradius haben. Mit α = 3 wird das Ergebnis eine recht gute Näherung, denn weiße Zwerge mit einem Radius von 9000 km, also nicht ganz dem anderthalbfachen Erdradius sind bei etwa 60% der Sonnenmasse zu erwarten. Bei Sonnenmasse sollte der Radius etwa einem Erdradius (≈ 6370 km) entsprechen. Das würde man bei α = 4.3 erhalten. (e) Dass die relativistische Formel für den Entartungsdruck die Elektronenmasse nicht mehr enthält, liegt daran, dass für relativistische Elektronen der Beitrag der Masse zur Gesamtenergie vernachlässigbar ist. (Sie wird durch die kinetische Energie dominiert.) Ersetzt man in der relativistischen Formel (5.6) für den Entartungsdruck die Anzahldichte der Elektronen durch die mittlere Massendichte, dividiert durch eine Protonenmasse, so findet man 1 p= 16 1/3 4/3 3 M 4/3 1 3 hc π 4π mp R4 Folgern wir wie gehabt pE = pZ Abgabe: 27. 04. 2017 ⇒ p = α p̃( R) , 11 Kosmologie SS 2017 so erhalten wir diesmal die interessante Beziehung 1 16 9 4π 2 1/3 3 hc 4π M mp 4/3 GM2 1 = α , 4 4 R✚ 8π✚ R✚ ✚ das heißt, in der Gleichgewichtsbedingung tritt der Radius gar nicht mehr auf! Die einzige physikalische Variable des Problems ist noch die Masse. Die Gleichgewichtsbedingung ist also nur mit eine bestimmten Masse erreichbar, sie ist nicht durch Variation des Radius erfüllbar. Mit wachsender Masse steigt die rechte Seite der Gleichung schneller als die linke ⇒ oberhalb einer Grenzmasse ist kein Gleichgewicht mehr möglich. Nach der Formel sieht es so aus, als wäre auch unterhalb der Grenzmasse kein Gleichgewicht möglich; doch unterhalb dieser Masse ist ein Teil des Elektronengases noch nichtrelativistisch; die verbleibende RAbhängigkeit ermöglicht einen Gleichgewichtszustand. Nach der Masse kann aufgelöst werden: 9 1/3 hc 1 4/3 13 M = α 8 4π 2 G mp 3/2 3/2 3 3 hc 1 M= . 8α 2π G m2p 2/3 1/2 ist bis auf einen Zahlenfaktor der Größenordung eins idenDer Ausdruck hc G tisch mit der sogenannten Planck-Masse. Zahlenwerte: 3/2 3/2 1 6.62 × 10−34 kg m2 /s × 3 × 108 m/s M= × 0.1096 × α 6.67 × 10−11 m3 /(kg s2 ) 1 × (1.66 × 10−27 kg)2 = α−3/2 × 6.465 × 1030 kg = 3.23 α−3/2 M⊙ Mit α = 1 wäre diese Masse ein bisschen zu hoch (weil wir den Gravitationsdruck zu niedrig geschätzt haben). Die wirkliche Grenzmasse liegt bei M = 1.44M⊙ , was einem α-Wert von ca. 1.71 entspricht. Tatsächlich haben wir zwei relativ grobe Näherungen gemacht. Einmal haben wir den Gravitationsdruck im Zentrum nur abgeschätzt, wobei Gl. (5.10) zeigt, dass (5.9) nur eine ziemlich ungenaue untere Schranke ist. Zum anderen haben wir die Dichte durch die mittlere Dichte ersetzt. Beides kann verbessert werden, indem die Differentialgleichung (5.1) für den Druck mit einer realistischen Zustandsgleichung gelöst wird, die den relativistischen und den nichtrelativistischen Grenzfall enthält. Es sind insgesamt 23 Punkte zu erreichen. Die Lösungen der Aufgaben sind zum unten genannten Termin abzugeben.. Abgabe: 27. 04. 2017 12