„Psychiatrie und Rehabilitation“ - Dr. Wolfgang Ruf

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DualeHochschuleVS-Schwenningen–FakultätSozialwesen
2.Semester
Modul8–Sommersemester
GesundheitswissenschaftenfürdieSozialeArbeitI
Vorlesung:
„PsychiatrieundRehabilitation“
Dozent:Dr.WolfgangRuf-Ballauf
www.ruf-ballauf.de
VersionApril2017
Inhalt
1. Einführung
a. Historisches
b. Fachgebiete
c. Behandlungsoptionen
d. UnterbringungnachdemPsychKG
2. PsychiatrischeBegriffeundSymptome
3. PsychiatrischeKrankheitsbilder
a. Demenz
b. SchizophrenePsychosen
c. Depression,AngstundZwangserkrankungen
d. BipolareStörungen
e. Persönlichkeitsstörungen
f. ADHS
4. Notfälleeinschl.Suizidalität
a. PsychiatrischeNotfallsituationen
b. Suizidalität
5. PsychiatrieundSozialeArbeit
a. Klienten-bezogeneArbeit
b. UnterstützungundHilfeninwichtigenLebensbereichen
6. RehabilitationpsychischErkrankter
a. PsychischeStörungenundBehinderung
b. RehabilitationszieleundRehabilitationsfähigkeit
c. HilfenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen
Literatur(Bücher)
Anhang(Fragenkatalog:Erkrankung/BehinderungundHilfebedarfI
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1.
Einführung
a.
GeschichtederPsychiatrieinDeutschland
SeitdemAltertumwurdenkörperlichewiepsychischeKrankheitendurchkörperlicheEingriffe
behandelt,vorallemdurchReinigungdervierKörpersäfteBlut,Schleim,GelbeundSchwarze
Galle.RegelnfürdenUmgangmitpsychischKrankenwurdenerstmalsdurchdenrömischenAutorCelsusim1.JahrhundertnachChristusformuliert.ErbeschreibtverschiedeneMöglichkeiten
derpsychischenBeeinflussung,z.B.dieheilsameLüge,denheilsamenSchmerz,denheilsame
Schrecken,dieheilsameAblenkungundvorallemdasheilsameGespräch,daseinfühlendeEingehenaufdiePatienten.
DaschristlicheMittelalterentwickelteandereFormenderpsychischenBeeinflussung.Neben
demExorzismuswardiesvorallemderGlaubeanwundertätigeReliquien
InFrankreichundDeutschlandwurdeimspätenMittelaltermitdemBauvonDomspitälernbegonnen,indenennebenArmenundanderweitigHilfsbedürftigenauchGeisteskrankeaufgenommenwurden.VonbesondererBedeutungfürdieEntwicklungdeskirchlichenVersorgungssystemswardieTätigkeiteinigerOrdensgemeinschaften(AlexianerimheutigenNordrheinWestfalen,"BarmherzigeBrüder"inPolen,Italien,ÖsterreichundBayern).
ParallelzudenkirchlichenentwickeltensichseitdemSpätmittelalterweltlicheFormenderIrrenfürsorge.DiesozialenVerpflichtungenderfreienReichsstädteinDeutschlandführtevielerorts
zurGründungvonStädtischenBürgerhospitälern,indenennebenArmenundAltenauch"harmloseIrre"aufgenommenwurden.UnruhigeundaggressiveKrankewurdenallerdingsindieStadttoregesperrtodervordieStadtineigensdafüraufgestellteHolzkistenverbracht.
ZuBeginndes17.JahrhundertsentstandinFrankreicheingegliedertesVersorgungssystem.Akut
KrankewurdenzueinermehrwöchigeBehandlungindas"Hôtel-Dieu"verbracht.Wernichtgesundwurde,wechselteindas"Hôpitalgénéral”,bestehendausdem"HôpitaldeBicètre"für
Männerunddem"HôpitaldelaSalpétrière"fürFrauen.BeideHäuserbeherbergtengroßeAbteilungenfürpsychischKranke.InDeutschlandentstandeninAbwandlungdiesesVorbildsZucht-
undTollhäuser.GewaltgegenPatientenoderunterdenPatientenwaranderTagesordnung.Die
unruhigenundgefährlichenPatientenwurdeninKettengelegtundgeprügelt.
DieWendevom18.zum19.JahrhundertbrachteersteBemühungenummenschenwürdigeBehandlungpsychischKrankermitsich.BedeutsamfürdieEntwicklungderpsychosozialenVersorgungwarderneuetherapeutischeOptimismus.DieWurzelndiesesUmdenkensliegenvorallem
inEngland.Eswurdenländliche„Retreats“gegründet,indenenaufPrügel,KettenundZwangsjackenweitgehendverzichtetwerdenkonnte.BesucherwarenvonderfreundlichenAtmosphäre
beeindruckt.GeradeauchdeshalbbeeinflusstedasIdealderheilsamenländlichenEinsamkeitdie
ZielvorstellungenderReformpsychiaterdes19.Jahrhundertsnachhaltig.
DieDeutschePsychiatriezuBeginndes19.Jahrhunderts:
Um1800herrschtenunerträglicheZuständeindendamaligenDeutschenZucht-undTollhäusern.WilhelmGriesinger(1817-1868)wareinerdererstenDeutschenPsychiater,diesicherfolgreichfürdiegewaltfreieBehandlungpsychischKrankereinsetzten.BiszurMittedes19.JahrhundertswarentrotzeinzelnerAusnahmenZwangundGewaltbeiderBehandlungundUnterbrin2
gungpsychischKrankeranderTagesordnung.SchlägemitRuten,StöckenundPeitschengehörtenebensozudenüblichenMaßnahmenwieDrehstühle,SturzbädermitkaltemWasser,
ZwangsstehenoderschmerzhafteEinreibungenderKopfhaut.1861hieltsichGriesingerinEnglandaufundlerntedortdieBehandlungohneZwangsmittelkennen.EinegrößereAnzahlvon
PsychiaternschlosssichnacheinemBerichtGriesingersdessenForderungnachEinführungder
zwangfreienBehandlungan.GriesingerfordertezusätzlichdieErrichtungvon"Stadt-Asylen"zur
kurzfristigenwohnortnahenstationärenBehandlung.NurunruhigeundgefährlichePatienten
solltenweiterhininPflegeanstaltenaufdemLandversorgtwerden.
NachdenVorstellungenGriesingersentstandenindenfolgendenJahrenanvielenOrtenneue
Stadtasyle,fastimmerinFormvonUniversitätskliniken(z.B.Heidelberg1878,Freiburg1887).An
diesenEinrichtungenundandenbereitsbestehendenKlinikenwurdendannauchwiederStudentenunterrichtet.DieAusbildungderÄrztegingteilweisewiederindieHändederUniversitätenüber.DieUniversitätsklinikenwarennatürlichnichtinderLage,diepsychiatrischeVersorgungderBevölkerungalleinsicherzustellen.BevölkerungswachstumundVerstädterungerfordertenimmerhöhereBehandlungskapazitäten.Überallwurdenseitetwa1870neueAnstaltengebaut,dieinallerRegelnochheuteinGebrauchsind.
AlldieseErrungenschaftenwurdendurchdenBeginndes1.Weltkriegszunichtegemacht.Währenddes1.Weltkriegsstarbenetwa140.000MenscheninDeutschenAnstalten.Nachdem1.
WeltkriegerholtesichdieDeutschePsychiatrielangsamwieder.EswarenvorallemzweiPersonen,dieneueImpulsefürdiepsychosozialeVersorgunggaben:HermannSimon(1867-1947)und
die"aktivereKrankenbehandlung"inGüterslohsowieGustavKolb(1870-1938)unddieoffeneIrrenfürsorgeinErlangen.
HermannSimonentwickelteab1914seinKonzeptderaktiverenKrankenbehandlunginGütersloh.DieOrganisationwaraufBeschäftigungallerPatientenausgerichtet.Täglichwurdendiearbeitenden,diekörperlichKrankenunddiewegenderpsychiatrischenSymptomatikunbeschäftigtenPatientennamentlichregistriert.DieserAnteillagbeieinerGesamtbettenzahlvon1350in
derRegelunter1Prozent.GewalthandlungenkameninGüterslohsehrseltenvor,beruhigende
Medikamentemusstenkaumgegebenwerden.
GustavKolbwardererstePsychiater,derGrundzügedergemeindenahenPsychiatrieindieTat
umsetzte.EröffnetedieAnstaltnachaußen,führtediepsychiatrischeFamilienpflegeeinund
bauteinErlangeneinSystemderoffeneFürsorgeauf,dasspätervonfastallenKlinikenübernommenwurde.KolbsorgtefürArbeits-undBeschäftigungsmöglichkeiten.Erbefürworteteden
AufbauvonKinderabteilungen,TrinkerheilstättenundAltenheimen.AlswichtigsteMaßnahme
sahKolbdieOrganisationvonFürsorgemaßnahmenaußerhalbderAnstaltan.ZudenAufgaben
der"offenenFürsorge"gehörtennachseinenVorstellungendieErfassungsowieberuflicheund
sozialeWiedereingliederungderausdenAnstaltenentlassenenPatienten.
PsychiatrieimNationalsozialismus:EugenikundEuthanasie
1920veröffentlichtenderJuristKarlBindingundderPsychiaterAlfredHocheeineSchriftmit
demTitel"DieFreigabederVernichtunglebensunwertenLebens".ZudenMenschenleben,deren
WeiterbestehennachderAuffassungvonBindingundHoche"fürdieLebensträgerwiefürdie
GesellschaftdauerndallenWertverlorenhat..."zählendiedurchKrankheitoderVerwundung
”unrettbarVerlorenen,dieimvollenVerständnisihrerLagedendringendenWunschnachErlö-
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sungbesitzenundinirgendeinerWeisezuerkennengeben”unddie"unheilbarBlödsinnigen...
SiehabenwederdenWillenzuleben,nochzusterben."
DieseIdeologiefandihrenNiederschlagim"GesetzzurVerhütungerbkrankenNachwuchses
(GzVeN)"vom1.1.1934.SterilisiertwerdensolltennachdiesemGesetz"erbkranke"Personenmit
denDiagnosen"angeborenerSchwachsinn,Schizophrenie,zirkuläresIrresein,erblicheFallsucht,
erblicherVeitstanz,erblicheBlindheitoderTaubheit,schwereererbtekörperlicheMissbildung
undschwererAlkoholismus".AlleAngehörigenvonHeilberufenmussten"Erbkranke"beim
Amtsarztanzeigen.Zuwiderhandlungenwurdenstrafrechtlichverfolgt.DerAmtsarztbeantragt
beim"Erbgesundheitsgericht"imBedarfsfalldieSterilisierung.ManbefürchteteeineexplosionsartigeVermehrungvon"Ballastexistenzen",durchwelchedie"Volksgesundheit"gefährdetund
dasVolksvermögenbelastetwerde.
AusgerechnetindieserZeitwurdendieerstenwirksamenbiologischenBehandlungsverfahren
entwickeltwurden:dieInsulinkomatherapie(Sakel1933),dieCardiazolkrampftherapie(Meduna
1935)unddieElektrokrampftherapie(Bini,Cerletti1937).DieErfolgederneuenTherapieverfahrenwurdeninDeutschlandalsArgumentfüreineWeiterführungder"erbbiologischenMaßnahmen"insFeldgeführt.
DieTötungpsychischKrankerundgeistigBehinderterwurde1939nichtdurcheinGesetz,sonderndurcheinen"GeheimenFührererlaß"eingeleitet.DieAktionwurdemitHilfevonvierTarnorganisationendurchgeführt:Die"ReichsarbeitsgemeinschaftHeil-undPflegeanstalten"übernahmdieAuswahlderPatienten,die"GemeinnützigeKrankentransportgesellschaft"dieTransporteindieTötungsanstalten.Die"GemeinnützigeStiftungfürAnstaltspflege"unddie"ZentralverrechnungsstelleHeil-undPflegeanstalten"warenfürdieverwaltungsmäßigeAbwicklungzuständig.DiePatientenwurdeninsechsTötungsanstalten(SchlossGrafeneck,KreisMünsingen,
SchlossHartheimbeiLinz,ehemaligesZuchthaus,Brandenburg/Havel,Bernburg/Saale,SonnensteinbeiPirnaundHadamarbeiLimburgverbracht.Bis1941wurden70.253Patientendurch
Kohlenmonoxidgasumgebracht.
BiszumKriegsendewurdenzusätzlichinvielenAnstalten"dezentraleEuthanasien"durchInjektionenmitScopolaminoderLuminaldurchgeführt.AnderePatientenstarbendurch"Hungerkuren".Insgesamtwurdenbis1945wurdenmehrals150.000psychischKrankeermordet.
DiePsychiatrienachdem2.Weltkrieg:
InderNachkriegszeitwarniemandsorechtanderAufarbeitungderNazi-Verbrecheninteressiert.ZwarwurdendurchdenNürnbergerÄrzteprozeß1946-1947unddurchmehrals40Euthanasieprozessebisca.1965diewesentlichenFaktenderVernichtungsaktionenallgemeinbekannt.
TrotzdemfandenbiszumEndeder70erJahreBücherüberdiePsychiatrieimNationalsozialismus
keineBeachtung.ÜberhauptwurdedieSituationpsychischKrankervonPolitikundÖffentlichkeit
kaumzurKenntnisgenommen.
1970wiesderMannheimerPsychiaterH.HäfneraufgravierendeMängelderpsychiatrischen
Versorgunghin.1971erteiltederDeutscheBundestagseinerExpertenkommissiondenAuftrag,
einenBerichtzurLagederPsychiatrieanzufertigen.EineersteErhebungkamzudenerwarteten
alarmierendenErgebnissen.DiestationärepsychiatrischeVersorgungwurdegrößtenteilsdurch
68PsychiatrischeLandes-oderBezirkskrankenhäusersichergestellt.DiedurchschnittlicheGröße
von1200,dasArzt-Patientenverhältnisvon1:64(alleÄrzte)bzw.1:87(nurAssistenzärzte)zeigte
diepersonellenMängelauf.ZudemwarendiebaulichenMängelderveraltetenAnstaltengravierend.Beimehrals70%allerPatientenwurdedieBehandlunggegendenWillenderBetroffenen
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durchgeführt.PositiveAusnahmewarlediglichdasLandBaden-Württembergmitca.10Prozent
Zwangsbehandlungen.Bei80%derPatientenerfolgtedieBehandlungaufgeschlossenenStationen.Esgablediglich1200niedergelasseneNervenärztedieproPatientwenigerals15minmonatlichaufwendeten.
DieKommissionerhobeineReihevonForderungen:SofortmaßnahmenzurBefriedigungvon
Grundbedürfnissen,GleichstellungvonpsychischundkörperlichKranken,Verkleinerungder
Großkrankenhäusermitwenigerals600BettenunddieSchaffungpsychiatrischerAbteilungenan
AllgemeinkrankenhäusernmiteinerMindestgrößevon200Betten,dieBildungkleinererVersorgungsgebieteunddieSpezialisierungderstationärenEinrichtungen.ImAbschlussberichtder
Sachverständigenkommissionvon1975wurdenVorschlägezurPersonalentwicklungunterbreitet:VerbesserungderRelationArzt-PatientenundPflegepersonal/Patienten,Einstellungvom
MitarbeiternanderertherapeutischerBerufsgruppenwieDiplompsychologen,Sozialarbeitern
undErgotherapeuten.
DasSystemderpsychiatrischenVersorgungheute:
Seit1975hatsichvielverändert.DasSystemderpsychiatrischenVersorgungwurdeimmerweiterdifferenziert.EsumfasstdieBereichederstationärenundteilstationärenBehandlung,der
ambulantenBehandlungundBeratungundderkomplementärenEinrichtungen.Diestationäre
undteilstationäreBehandlungwirdvondengroßenpsychiatrischenKliniken,denUniversitätskliniken,denAbteilungenanAllgemeinkrankenhäusernunddenautonomenoderineinKrankenhausintegriertenTagesklinikensichergestellt.DieAmbulanteBehandlungundBeratungerfolgt
durchNiedergelasseneNervenärzte,PsychiaterundPsychotherapeuten,durchInstitutsambulanzenundPoliklinikenunddurchSozialpsychiatrischeDienste,dieinmanchenBundesländerneine
ausschließlichberatendeFunktion,inanderendurchAnbindungandieGesundheitsämterzusätzlicheineKontrollfunktionwahrnehmen.DarüberhinausbestehenjenachBundeslandweitere
beratendeDienste.ZudenkomplementärenEinrichtungenzählendieEinrichtungendesbetreutesWohnens(Wohngemeinschaften,betreutesEinzel-oderPaarwohnenundHeime)unddieHilfenamArbeitsplatz(DienstezurWiedereingliederungderPatientenamaltenArbeitsplatz,RehabilitationseinrichtungenfürpsychischKranke(RPK),WerkstättenfürpsychischBehinderte(WfB)
undFirmenfürpsychischBehinderte(Selbsthilfefirmen).
DieEntwicklungmodernerPsychopharmakawarmaßgeblichdaranbeteiligt,dassdieHäufigkeit
stationärerAufenthalte–auchaufgeschlossenenStationen–deutlichverringertwerdenkonnte.
Psychotherapie,PsychoedukationundAngehörigenarbeit:
EinenweiterenFortschrittbedeutetedieIntegrationderPsychotherapieindiePsychiatrie.Seit
1994isteinefundiertepsychotherapeutischeAusbildungBestandteildesneugeschaffenen
FacharztesfürPsychiatrieundPsychotherapie.EineSonderformderPsychotherapie,diePsychoedukationvermitteltdenPatientennotwendigeundhilfreicheInformationenundhilftihnenbei
derAuseinandersetzungmitihrerKrankheit.Patientengruppenwerdenheute-ebensowieAngehörigengruppen-invielenpsychiatrischenKlinikenangeboten.WeitereTherapieverfahren
sind:TrainierendeundtagesstrukturierendeVerfahren(Beschäftigungstherapie,gezieltesTraininggeistigerFähigkeitenundArbeitstherapie),KörperorientierteundkreativitätsförderndeVerfahren(Bewegungstherapie,Tanztherapie,KunsttherapieundMusiktherapie)ergänzenvorallen
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DingenimRahmenstationärerundteilstationärerBehandlungendiePsychopharmako-undPsychotherapie.DiepsychosozialeBeratungebnetdenPatientendenWegausderKlinik.
b.
Fachgebiete
Kinder-undJugendpsychiatrieund–psychotherapie
DasGebietKinder-undJugendpsychiatrieund–psychotherapieumfasstdieErkennung,Behandlung,PräventionundRehabilitationbeipsychischen,psychosomatischen,entwicklungsbedingtenundneurologischenErkrankungen
oderStörungensowiebeipsychischenundsozialenVerhaltensauffälligkeitenimSäuglings-,
Kindes-undJugendalterundbeiHeranwachsendenauchunterBeachtungihrerEinbindungin
dasfamiliäreundsozialeLebensumfeld.
PsychiatrieundPsychotherapie(allgemein)
DasGebietPsychiatrieundPsychotherapieumfasstdieVorbeugung,Erkennungundsomatotherapeutische,psychotherapeutischesowiesozial-psychiatrischeBehandlungundRehabilitationprimärerpsychischerErkrankungenundStörungeninZusammenhangmitkörperlichenErkrankungenundtoxischenSchädigungeneinschließlichihrersozialenAnteile,
psychosomatischenBezügeundforensischenAspekte.
Gerontopsychiatrie
GerontopsychiatrieistkeineigenesFachgebiet.DadasSpektrumpsychischerErkrankungen
ältererMenschenjedocheinanderesist,gibtesinvielenEinrichtungeneigeneAbteilungen
fürGerontopsychiatrie.WichtigerSchwerpunktsindMaßnahmenderpsychosozialenBetreuung.
ForensischePsychiatrie
SchwerpunktistdiepsychiatrischeBegutachtungundBetreuungvonStraftätern,derenStraftatenimZusammenhangmiteinerpsychischenErkrankungbegangenwurden.DieFrageder
SozialprognosevorEntlassungoderdieFragederSicherungsverwahrungspielendabeieine
wichtigeRolle.
Suchtmedizin
HierhandeltessichumeineZusatzweiterbildung,dienichtnurPsychiaterdurchlaufenkönnen.DieZusatzweiterbildungSuchtmedizinumfasstinErgänzungzueinerFacharztkompetenzdieVorbeugung,Erkennung,BehandlungundRehabilitationvonKrankheitsbildernim
ZusammenhangmitdemschädlichenGebrauchsuchterzeugenderStoffeundnichtstoffgebundenerSuchterkrankungen.
c.
Behandlungsoptionen
ImFolgendensolleinÜberblicküberdieheuteüblichenBehandlungsmöglichkeiteninderPsychiatriegegebenwerden.ImDetailwirddieBehandlungbeideneinzelnenStörungsbildernbesprochenund,soweitpsychotherapeutischeMaßnahmenerfolgen,inderVorlesung„Psychotherapie“imWintersemesterausgeführt.
Behandlungsrahmen(„setting“)
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ambulant
durchFachärzteinPraxen,PoliklinikenderUniversitätsklinikenoderInstitutsambulanzen
teilstationär
inTageskliniken,dieKlinikenoderInstitutenangeschlossensind
stationär
inFachabteilungenderUniversitätskliniken,ZentrenfürPsychiatrieundanderenKliniken
ingeschlossenenStationen(beiEigen-oderFremdgefährdung)oderoffenenStationen
WelcheBehandlungsforminFragekommt,hängtvomKrankheitsbildabundvorallemvonden
Krankheitsfolgen(EinschränkungenderAktivitätenundTeilhabe).
Therapieformen(Übersicht):
MedikamentöseTherapie:Psychopharmaka-Überblick
1.Beruhigungsmittel(sog.Tranquilizer–meistausderStoffgruppederBenzodiazepine)
(z.B.Valium,Tavor…)werdenbeiUnruhe,AngstundErregunggegeben.DieAnwendung
solltestetszeitlichbegrenztsein,einelängerfristigeBehandlungiststetsmitderGefahr
derAbhängigkeitverbunden,eineDauerbehandlungverbietetsich.DieMitteleignensich
eheralsBedarfsmedikationinbestimmtenSituationenwiez.B.Panikattacken.
2.Schlafmittel(Hypnotika)
werdenbeiEinschlafstörungen(kurzwirkendeMittel)oderDurchschlafstörungen(langwirkendeMittel)verabreicht.EbenfallsMedikamentemithohemAbhängigkeits-bzw.
Suchtpotenzial.EineDauerbehandlungmitdiesenMedikamentensolltenichterfolgen,
dieBehandlungsollteaufbestimmtePhaseneinesKrankheitsverlaufesbeschränktsein,
wennderSchlafsichnichtdurchandereMaßnahmenverbessernlässt.
3.Antidepressiva
sindbeiDepressionen,teilweiseauchalsergänzendeMittelbeiSchmerzkrankheit,sinnvoll.DieseMedikamentebesitzenkeinSuchtpotenzial!DerWirkungseintrittistverzögert,
biszurvollenWirkungvergehenmeist2-4Wochen.DahererfordertdieBehandlung
ebensoErfahrungseitensdesArzteswieDurchhaltevermögenseitensdesPatienten.Eine
Dauerbehandlungistmöglichunddannnotwendig,wennrezidivierende(wiederkehrende)Depressionenbestehen.DieMitteldürfenkeinesfallseigenmächtigabgesetztwerden;
esbestehtdieGefahrderSuizidalität,dieoftersteinigeWochennachabsetzenauftritt.
4.SpezielleMedikamente(z.B.PhasenprophylaktikawieLithium)
werden(nur!)vomFachmannbeisog.bipolarenStörungeneingesetzt.Lithiummussin
derDosierungmittelsBlutspiegelkontrollengenauangepasstwerden,dannistesdaseffektivsteMittelzurVermeidungvonmanischenPhasen(aberauchdepressivePhasenim
RahmeneinerbipolarenStörungwerdenverhindert–nichtdepressivePhasenimRahmen
einerdepressivenStörung).DieMedikamentedieserKategoriebesitzenkeinAbhängigkeitspotenzial,müsseninderRegeljedochdauerhafteingenommenwerden.
5.DämpfendeMittel(Antipsychotikabzw.Neuroleptika)
dämpfenalleErregungszuständebeipsychischenErkrankungen.DurchdieseMedikamentesindentsprechendeKrankheitsphasenschnellerwiederindenGriffzubekommen,der
stationäreAufenthaltverkürztsichundbeikonsequenterAnwendunglassensicherneute
stationäreAufenthalteggf.mit„Zwangseinweisung“auchverhindern.
DieMittelwerdeneingeteiltnachihrerWirkstärke(Wirkstärkeniedrig,mittelundhoch),
wasparallelgehtmitderStärkebzw.HäufigkeitvonNebenwirkungen.
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DieWirkungbestehtdarin,dassdieseMedikamenteanbestimmteRezeptorenderNervenzellengebundenwerdenundaufdieseWeisedieSignalübertragungblockieren.BetroffensindRezeptorenfürDopamin,Serotonin,Azetylcholin,MuskarinundNoradrenalin.
DasichdieseRezeptorenanvielenStellenimZentralnervensystemundteilweiseauchin
anderenOrganen(Herz,Blutgefäße,weitereOrgane)finden,könnenunerwünschteWirkungenauftreten,dieevtl.zumWechseldesMedikamentszwingen.Auchhiergilt:nur
derFachmannsolltedarüberentscheiden,keinesfallsdarfeineÄnderungeigenmächtig
vorgenommenwerden.
DieseMittelhabenkeinSucht-bzw.Abhängigkeitspotenzialundeigenensich–beiguter
Verträglichkeit–auchzurLangzeitbehandlung.AllerdingssteigtbeihochwirksamenMedikamentendannauchdieGefahrder„Spätsdyskinesie“(krampfartigeBewegungsstörung
alsunerwünschteWirkung).
Anmerkung:normalerweisetretenNebenwirkungenbaldnachEinnahmeeinesMedikamentsauf.WennmaneinMittelgutverträgt,verträgtmanesüblicherweiseauchlangfristig.BeihochwirksamenNeuroleptikakanndiesjedochanderssein.
ApparativeBehandlungsformen
Magnetstimulation
BeidieserTherapieartwirdeinkleinerBereichdervorderenlinkenHirnhälfteeinemMagnetfeldausgesetzt.DiesesMagnetfeldhateinesehrhoheEnergie,ungefährvergleichbar
mitdereinesKernspintomographen.DieseArtderTherapieerwiessichinmanchenFällen
alshilfreich,manchmalsogardann,wennalleanderenTherapiennichtangeschlagenhaben.DieMagnetstimulationwirktbesondersgutbeijüngerenPatientenmitleichtenoder
mittlerenDepressionenwirkt.
DieMagnetstimulationregtdasGehirndazuan,vermehrtBotenstoffeauszuschüttenund
erhöhtdenSauerstoffgehaltunddenGlukosestoffwechsel.
Elektro-Krampftherapie
DieElektrokrampftherapie(EKT)beruhtimWesentlichendarauf,dassinNarkoseundunterMuskelentspannungdurcheinekurzeelektrischeReizungdesGehirnseingeneralisierterKrampfanfallausgelöstwird.NachheutigemKenntnisstandistdieWirkungderEKTauf
neurochemischeVeränderungenverschiedenerNeurotransmittersystemezurückzuführen.DieBehandlungistnurangezeigt,wenn
• eineNotwendigkeitfüreineschnelle,definitiveVerbesserungaufgrundderSchwereder
psychiatrischenErkrankungbesteht,
• dieRisikenderEKTgeringersindalsdieandererBehandlungen,
• ausderVorgeschichteeinschlechtesAnsprechenaufPsychopharmaka(Therapieresistenz)odereingutesAnsprechenaufEKTbeifrüherenErkrankungsepisodenbekanntist,
• UnverträglichkeitodererheblicheNebenwirkungenderPharmakotherapieaufgetreten
sind.
PsychotherapiealsEinzel-oderGruppenbehandlung
ÜberPsychotherapeutischeVerfahrenwirdimModul13informiert.
InnerhalbderPsychiatriehatsichPsychotherapieerstindenletzten25Jahrenetabliert.
DurchPsychotherapiewirdeinepsychiatrischeErkrankunginderRegelnichtgeheilt.
DennochkannPsychotherapieeinewesentlicheHilfedarstellen.DieZielesindallerdings
andere,alsbeineurotischenStörungen(auch:neurotischeDepressionen).Währendesbei
neurotischenStörungenumdieAufdeckungundBearbeitungzuGrundeliegenderKonflikteundBelastungensowiedieErarbeitungundEinübungvonVerhaltensalternativengeht,
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sinddieZielevonPsychotherapiebeipsychiatrischenPatientenimwesentlichenKrankheitsbewältigung,AkzeptanzderErkrankung,UmgangmitderKrankheit,stützendeund
vertrauensvolleBegleitung,HilfeinschwierigenSituationen,BewältigungvonAlltagsproblemen,VermittlungvonHoffnung,Motivationusw.
EsgibtKrankheitsphasen(z.B.manischePhasen,SchubeinerSchizophrenie,schwerste
Depression),indenenPsychotherapienichtmöglichist.ErstnachAbklingenderakuten
SymptomatiknachGabevonPsychopharmakaistmanchmaleinpsychotherapeutischer
Zugangmöglich.
Psychoedukation(Aufklärung,TrainingvonAlltagsfertigkeiten)
PädagogischerAnsatzinderPsychotherapie.DurchInformation,Aufklärung,Motivation,
Begleitungusw.wirdversucht,demPatientenundseinenAngehörigendasVerständnis
derErkrankungzuermöglichen,imAlltageinenUmgangmitdenAuswirkungenderErkrankungzufinden.MotivationundCompliance(ZuverlässigkeitseitensdesPatientenin
derTherapieinsbesondereinderMedikamenteneinnahme)werdenverbessert.Dortwo
eigentlichePsychotherapienichtdurchführbarist,könnenpsychoedukativeMaßnahmen
eineguteAlternativesein.
Kreativtherapie:Kunst-undMusiktherapie
FördertverbliebeneRessourcen,fördertKreativität,aktiviert,vermitteltErfolgserlebnisse,fördertsozialenKontaktundKommunikation.Kannauchbeisprachgestörtenoder–
gehemmtenPatientendurchgeführtwerden.
Arbeitstherapie(WerkstättenfürBehinderte)
AlternativezurArbeitslosigkeitundAusgrenzungausdemErwerbsleben.OftbleibtchronischpsychischKrankennurderRentenantrag.DieBetreuungim„zweitenArbeitsmarkt“
hatsichalswichtigeIntegrationshilfeerwiesen.DieWerkstättensindentwederTeilpsychiatrischerKlinikenoderbestehenalseigeneInstitutionen,häufiginZusammenhangmit
WohneinrichtungenfürpsychischKranke(betreutesWohnen,Wohngemeinschaften).Arbeitstherapieheißt,verbliebeneRessourceundFähigkeitenzunutzenunddenBetroffenendasGefühlgeben,dasssienoch„nützlich“sind.DiesfördertdasSelbstwertgefühlund
Bewältigungsverhalten.
Soziotherapie(Sozialberatung,betreutesWohnen,Wohngruppen,Angehörigenarbeit,Wiedereingliederungshilfen)
SoziotherapiesolldenPatientInnenalszentralerBausteineinesintegriertenBetreuungs-und
BehandlungsprogrammsdieAufnahmeoderauchFortsetzungdermedizinischenBehandlung
ermöglichen.SiesolldenPatientInnendurchMotivationsarbeitundstrukturierteTrainingsmaßnahmenhelfen,psychosozialeDefiziteabzubauen.
AngestrebtwirdeineStärkungderSelbsthilfeinderGesundheitsförderungderPatientInnen
BedeutendeEckpfeilerderArbeitsindKooperation,TransparenzundVerbindlichkeit.Die
EinbeziehungvonBetroffenenundderenAngehörigenistBestandteilderZusammenarbeit.
FürdenBereichdergesetzlichenKrankenversicherungexistierenRichtlinienfürdieSoziotherapie(Download:http://www.g-ba.de/downloads/62-492-5/RL_Soziotherapie_2001-0823.pdf)
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d.
UnterbringungnachdemUnterbringungsgesetz(PsychKG)
PsychiatrieistimVolksmundnochhäufigmitderVorstellung„Zwangseinweisung“(indie
„Klapsmühle“)verbunden.InderTatliegtesinderNaturvielerStörungen,dassKrankheitseinsichtnichtbestehtundKontrollverlustzueinereigenenGefährdungoderGefährdunganderer
führt.Jederhatz.B.dieFreiheit,sichzusuizidieren(SuizidistkeinStraftatbestand).Wennerdies
jedochaufGrundeinerKrankheitmöchte,istdiePflichtdesStaates–letztlichimGrundgesetz
verankert–ihndavorzubewahren.
ImPsychKHwirddie"Zwangseinweisung"gereglt.NotwendigeVorrausetzungensind,1)derPatientmusspsychischkranksein.PsychischkrankimSinnedesUnterbringungsgesetzessindPersonen,beideneneinegeistigeoderseelischeKrankheit,BehinderungoderStörungvonerheblichemAusmaßeinschließlicheinerphysischenoderpsychischenAbhängigkeitvonRauschmitteln
oderMedikamentenvorliegt.2.)DerPatientmussunterbringungsbedürftigsein.UnterbringungsbedürftigsindpsychischKranke,dieinfolgeihrerKrankheitihrLebenoderihreGesundheit
erheblichgefährdenodereineerheblichegegenwärtigeGefahrfürRechtsgüterAndererdarstellen,wenndieGefährdungoderGefahrnichtaufandereWeiseabgewendetwerdenkann.
DieAusübungvonZwanggegenpsychischKrankeisteinerheblicherEingriffundsolltesoselten
wiemöglichnotwendigwerden.AufgrunddertotalitärenDiktaturerfahrungenwirdinDeutschlanddemSchutzindividuellerGrundrechteeinsehrhoherStellenwerteingeräumt.FürdieunfreiwilligeUnterbringungexistierteinjuristischesEntscheidungsmonopol;dieärztlicheStellungnahmedientlediglichalsEntscheidungshilfe.DieEinweisungwirdaufAntragderörtlichenOrdnungsbehördevomAmtsgerichtangeordnet.BeiakuterGefahrkanndasOrdnungsamtdieUnterbringungohnevorherigegerichtlicheEntscheidungvornehmenbiszumAblaufdesTages,der
demBeginndesFreiheitsentzugesfolgt,mussjedochdierichterlicheEntscheidungeingeholt
werden.DerArztselbstdarfdiezwangsweiseVerbringungnichtanordnen.Erdarfsiebeider
Ortspolizeibehörde(Ordnungsamt)oderdemPolizeivollzugsdienstnuranregen.Alleindiesesind
fürdasVerbringeneinesUnterbringungsbedürftigenzuständig.ObwohlderArztwederdenAntragaufeineUnterbringungstellenkannnochdirektdieEntscheidungfällt,sondernlediglichindirektaufdasGescheheneinwirkenkann,istseinEinflusssehrweitreichend:Ausdemärztlichen
GutachtenziehendieanderenInstitutionenwesentlicheInformationen,diezuihrerEntscheidungsfindungführen.
JedesLandhateineigenesPsychKG.FürBaden-WürttembergkannderGesetzestextdowngeloadedwerdenunterhttp://dejure.org/gesetze/UBG
EinMerkblattzurUnterbringunghatdieÄrztekammerBaden-Württembergverfasst:
http://www.aerztekammer-bw.de/20/merkblaetter/unterbringung.pdf
10
2.
PsychiatrischeBegriffeundSymptome
ÜberblicküberdiewichtigstenBegriffeundSymptome:
Ø Bewusstsein/Bewusstseinsstörungen
Ø Orientierung/Orientierungsstörungen
Ø Auffassung/Auffassungsstörungen
Ø AufmerksamkeitundKonzentration
Ø Gedächtnis
Ø Denken
Ø Sinnestäuschungen(Illusionen,Halluzinationen)
Ø Wahn
Ø Ich-Störungen
Ø Affektivität
Ø Antrieb/Psychomotorik
DieBeschreibungdergenanntengeistig-seelischenFunktionenbzw.FunktionsstörungenistAufgabedesPsychiaters,inihrerGesamtheitnenntmandieBeschreibungdenPsychopathologischenBefund.
DieFunktionenundihreStörungenimDetail:
Bewusstsein
AlsBewusstseinkönntemandieaktuellePräsenzundderen„bewusste“Wahrnehmungbezeichnen.BewusstseinsstörungenspieleninderPsychiatrieeinewichtigeRolle.SiesindmeistAusdruckeinerStörungorganischerHirnfunktionen,daBewusstseinauchanWachheitgebundenist
unddas„Wachzentrum“imHirnstammlokalisiertist.BewusstseinistjedochmehralsnurWachheit(WachheitistjedochdieVoraussetzungfürbewussteWahrnehmung).ZumBewusstsein
könnennurVorgängegelangen,dieihrenNiederschlagimGroßhirnfinden.
BewusstseinsstörungensinddasLeit-Symptom(dasführendeSymptom)beiakutenFunktionsstörungendesGehirnsz.B.durchSchädel-Hirn-Trauma,Infektion,Intoxikation(Vergiftung)oder
akuterStörungenderDurchblutung.
BewusstseinsstörungenwerdenunterteilinquantitativeundqualitativeStörungen.
QuantitativeBewusstseinsstörungen
–StörungenderWachheitwieBenommenheit,Somnolenz(Schläfrigkeit),Koma
z.B.beiVergiftungen
QualitativeBewusstseinsstörungen
–Bewusstseinstrübung
DieFähigkeitistgestört,verschiedeneAspektedereigenenPerson,derLebenswirklichkeit
undderUmweltzuverstehenundsiesinnvollmiteinanderzuverbinden–z.B.beiPsychosen
–Bewusstseinseinengung
FokussierungdesDenkens,FühlensaufwenigeThemen,verminderteAnsprechbarkeitauf
Außenreize-z.B.beiHypnose,starkerKonzentration,Psycho-Trauma
–Bewusstseinsverschiebung
SubjektivesErlebenerweitertenBewusstseins,SteigerungvonWachheitundSinnesempfindungen–z.B.beiDrogeneinnahmeoderPsychosenmitHalluzinationenoderWahnbildung
11
Orientierung
OrientierungistebenfallseinedergeistigenBasisfunktionen.SiesetztWachheitvoraus.ManunterteildieOrientierunginverschiedeneQualitäten-auchdeshalb,weilnichtimmeralleQualitätengleichzeitigodergleichermaßenbeeinträchtigtsind.
Orientierungwirdunterteiltin
- ZeitlicheOrientierung
Datum,Tag,Tageszeit,Monat,Jahr,Jahreszeitwerdengewusst
- ÖrtlicheOrientierung
gegenwärtigerAufenthaltsortistbewusst
- zurSituation
ErfassungderaktuellenSituationimBedeutungs-undSinnzusammenhangfürdieeigene
Person(„Wasgeschiehtmitmirgerade?“)
- zurPerson
Persönliche,lebensgeschichtlicheSituation(Biographie)wirdgewusstbzw.erinnert;hierzugehöreneineReihevonBasisdaten(Geburtstag,Alter,Name,AnzahlundNameder
Kinder,NamedesPartners).
StörungenderOrientierungkommenvorallembeiDemenzundDelirvor,auchbeiVergiftungen
undPsychosen.
Auffassung
Auffassungbedeutet,Wahrnehmungenrichtigeinordnenzukönnen.EineungestörteWahrnehmungistdaherVoraussetzungeinerrichtigenAuffassung.DabeideFunktionennichtleichtzu
trennensind,istdiePrüfungderAuffassungauchschwierig.DieFähigkeitzurkorrektenAuffassungistgegeben,wennderBetreffende
denallgemeinenGesprächskontexteserfassenkann,
FabelnoderBildgeschichtenoffensichtlichverstehtund
inderLageist,GemeinsamkeitenundUnterschiedenzwischenPersonen/Situationenfestzustellen.
StörungenderAuffassungsindhäufig,jedochunspezifisch(d.h.nichttypischfüreinbestimmtes
Krankheitsbild).Manunterscheidetverlangsamte,falscheoderfehlendeAuffassung.
AufmerksamkeitundKonzentration
Aufmerksamseinbedeutet,denFokusgezieltaufeineSache/Situation/Personrichtenzukönnen.VoraussetzungisterhaltenesBewusstsein.IndiesemSinneistAufmerksamkeitdieFähigkeit
zurselektivenAusrichtungdesBewusstseins.Konzentrationist„versammeltesDabeibleiben“oderdieFähigkeit,dieAufmerksamkeitübereinenlängerenZeitraumaufrechterhaltenzukönnen.AufmerksamkeitundKonzentrationsindelementareFunktionen,diestetsgeprüftwerden
sollten.HierzugibteseineReihevoneinfachenTests;BeispielemitsteigenderSchwierigkeit:
Monatsnamenvorwärts
Monatsnamenrückwärts
von100immer5abziehen
von100immer7abziehen.
EinschwierigererTestistbspw.DerStroop-Test(s.VorlesungsfolieNr.19).
StörungenderAufmerksamkeitundKonzentrationkommenhäufigvorundsindebenfallsunspezifisch.FastallepsychiatrischenKrankheitsbildergehenmitKonzentrationsstörungeneinher.
12
Gedächtnis
GedächtnisistdieFähigkeitzurBewahrungvonInformationen,Kenntnissenund
Fertigkeiten.DabeiwerdenProzesseder
Speicherung,derKonsolidierungdesGespeichertenunddesAbrufens(Erinnern,
Wiedererkennen)unterschieden.DieEinteilunginKurz-undLangzeitgedächtnis
kanndurch
eineMehrspeichermodellerweitertwerden:
DiesensorischenSpeicherunddasArbeitsgedächtnishabenbegrenzteKapazitäten.Das(unbegrenzte)LangzeitgedächtniswirdineinendeklarativenundeinennichtdeklarativenTypunterschieden.DasdeklarativeGedächtnisbeinhaltetpersonenbezogene,situativ,zeitlichundräumlichgebundeneInformationendespersönlichenLebens(episodischesoderbiographischesGedächtnis),aberauchFakten,Ereignisse,Regeln,Normen,Wissen,Fertigkeiten,Erkenntnisse(semantischesGedächtnis).DasnichtdeklarativeGedächtniskannindreiSubsystemeunterteilt
werden,dieeinebreiteVielfaltvonerworbenenFähigkeitenundkognitivenOperationenumfassen.DieseGedächtnisinhaltesindnichtmitbewusstenundverbalisierbarenErinnerungenverbunden.
DieGedächtnisleistungisteinkomplexerVorgang.Wiegutmansicherinnert,hängtz.B.auch
vomemotionalenGehaltderErinnerungab.Soneigtmandazu,Negativesschnellerzuvergessen.ÜberdieaktuelleErinnerungsfähigkeitentscheidenauchBewusstseinslage,innereEinstellung,Interesseusw.
GedächtnisstörungensinddasführendeSymptombeiDemenz!Manchmalistesschwerzwischen
Konzentrations-undGedächtnisstörungenzuunterscheiden,dadieAufnahmevonInformation
vonderKonzentrationabhängt.Wasnichtaufgenommenwerdenkann,kannauchnichtabgespeichertwerden.
DasLangzeitgedächtniswirddurchAbfragenautobiographischerDatenoderdurchallgemeinbekanntehistorischeDatengeprüft.DasKurzzeitgedächtniskannz.B.durchNennungvon5Begriffengeprüftwerden.ManbittetdiePerson,sichdieseBegriffezumerkenundfrägtbeiGesprächsendedieBegriffeab.Bei(beginnender)Demenzistcharakteristischerweisezunächstdas
Kurzzeitgedächtnisbetroffen.
ZeitlichbegrenzteErinnerungslückennenntmanAmnesie.BezogenaufdenzeitlichenAblauf
sprichtmanvonretrograderAmnesie(vomgeprüftenZeitpunktoderEreignisanrückwärtsbetrachtet)undanterogradeAmnesie(vomEreignisnachvornebetrachtet).
Nebeneinem„zuwenig“anErinnerungsvermögen,gibtesauchein„zuviel“bzw.VerfälschungendesGedächtnisinhaltes.DasGefühl,etwasschoneinmalerlebtzuhaben(„déjavu“)isthäufigundfürsichgenommennichtkrankhaft;demliegentatsächlicherlebte,ähnlicheInhaltezu
Grunde.Manchmalkommtesauchzu„Konfabulationen“,d.h.lügenhaftausgeschmückteErinnerungen,diejedochfürdenBetreffendenRealitätsind(imUnterschiedzubewusstemLügen).Bei
Kindernkommtdieshäufigervor.
SchließlichkönnenPseudo-Erinnerungen(Scheinerinnerungen)z.B.beischizophrenenPsychosen
alsAusdruckvonWahnideenvorkommen.
13
Denken
DenkenalswesentlichekognitiveFunktionumfasstdenformalgeordnetenundinhaltlichschlüssigenAblaufderGedankengänge.DabeigibtesbeträchtlicheindividuelleUnterschiedehinsichtlichStruktur,Zielgerichtetheit,Assoziationusw.Entscheidendist,wieweitbeiBetroffeneneine
VeränderungformalenoderinhaltlichenDenkensfeststellbarist.
BeiderBeurteilungdesDenkvermögensiststetszuprüfen,obdieSprache(Sprachverständnis,
Sprach-undSprechvermögen)beeinträchtigtist,daErgebnissevonDenkvorgängeninderRegel
verbalisiertwerden.
DenkstörungenwerdeninformaleundinhaltlicheDenkstörungenunterteilt.
FormaleDenkstörungensindindenDimensionenSchnelligkeitundGeradlinigkeitzubetrachten.
DasDenkenkannverlangsamt(z.B.Depression)oderbeschleunigt(z.B.beiManie)sein.DieVerlangsamungkannbiszurDenkhemmungreichen.
DieGeradlinigkeitkannimSinnevon
- umständlich(vielNebensächliches,
verändertsein.
kommtnichtaufdenPunkt)
SchemafürumständlichesDenken:
- perseverierend(haftenbleibend,
kommtnichtweiter)
- grübelnd(Gedankenkreise,denkt
immerdasselbe)
- ideenflüchtig(assoziativ,verliert
sich,vom100stenins1000ende)
- gesperrt(Gedankenabreissen,der
Gedankeistwieweggeblasen)
InhaltlicheDenkstörungenzeichnensichdurchfehlendenlogischenodergefühlsmäßigenZusammenhangaus.WeildasDenkenzusammenhangslosist,istesauchdieSprache.Vorallem
WahnbildungenbeischizophrenenPsychosensindsolcheDenkstörungen.InderRegelsinddiese
Störungensofortersichtlich.InderFachsprachewerdenverschiedeneFormeninhaltlicherDenkstörungenbeschrieben:
Paralogik-unlogischesDenkenmiterhaltenemSatzbau
Paragrammatismus-gestörterSatzbau
Sprachzerfall,Schizophasie-sinnlosesWort-undSilbengemisch–Wortsalat(„Seele,mankannschön
lebenundschaffenabermangehtkaputt.EsistauchwieSequestrierung,diederliebeGottdannheilt
mitSalbenundMaschineninsHerzgetan“)
Kontamination-VerschmelzungheterogenerSachverhalte(„DieBibelhabeichauchgelesen,ichverwechsleesimmer,weilichperfektfranzösischspreche“)
Verdichtung-ZusammenziehenvonmehrerenIdeenineiner(„Manbade,seinichtfade,badeund
balde“)
Sinnestäuschungen(Illusionen,Halluzinationen)
IllusionensindVerkennungen.EsliegteinphysikalischerReizvor,derjedochFehlgedeutetwird,
weildieRealitätskontrollereduziertoderaufgehobenist.Beispiel:einängstlichesKindverkennt
imDunkelnGegenständealsdrohendeGestalten.BeiFieberzuständenkommtdiesleichtervor
(vgl.dasGedicht„DerErlkönig“).
BeiHalluzinationenliegtkeinephysikalischeReizquellevor.SiesindtypischfürDelirundSchizophrenie.HalluzinationenkönnennachunterschiedlichenGesichtspunktenaufgegliedertwerden:
EinteilungnachihrerKomplexität:
14
Einfache(elementare)Halluzinationen
–Klopfen,Klicken,Blitze,Lichter,usw.
KomplexeHalluzinationen
–Bilder,Personen,Stimmen
SzenischeHalluzinationen
–Theaterstücke,Musikstücke,Dialoge
EinteilungnachdemSinnesgebiet:
Akustisch
–Stimmenhören(Phoneme)
–AndereakustischeHalluzinationenwieKnallen,Zischen,Pfeifen(sog.Akoasmen:„EsmachtimmerKlickimKopf,undjedesmalwerdeichintelligenter.“)
Optisch(Blitze,Muster,Gegenstände,Personen,Szenen;z.B.„DerganzeRaumwarmitLichtblitzen
undbuntenViereckenangefüllt.“)
Körper
–Taktil/haptisch(z.B.„Dahabeichgespürt,wiesicheinekalte,behaarteHandaufmeinenKörper
legte;ganzdeutlichhabeichdiefünfFingergespürt.“„PlötzlichistmireiskaltesWasserüber
denRückengelaufen.Alsichnachgesehenhabe,wardieHautaberganztrocken.“)
–Leibempfinden:Qualitativabnorme,neu-undfremdartigeLeibempfindungen(z.B.„Elektrischer
StromfliesstdurchmeinenBauch,dasHerzundderDarmziehensichzusammen.Inmeinem
KopfschwapptdasGehirnhinundher.“)
Olfaktorisch(Geruch)(z.B.„PlötzlichhatesnachGasgerochen,eswarganzmerkwürdig,weilessonst
keinergemerkthat.“
Gustatorisch(Geschmack)(z.B.„AufeinmalhatteicheinenrichtigfauligenGeschmackimMund.“)
StimmenhörenisteinSymptomerstenRangesfürSchizophrenie.DieStimmenkönnenDialoge
führen(mehrereStimmen)oderdaseigeneHandeln(moralisch)kommentieren(„Ichhabedie
StimmemeinertotenMuttergehört.Siehatmichimmergelobtodergetadelt,jenachdemwas
ichgemachthabe“).FernergibtesimperativeStimmen.SolchebefehlendeStimmenkönnengefährlichsein:z.B.derBefehlsichoderandereumzubringen.
Wahn
Wahnvorstellungensindobjektivfalsch,jedochsubjektiveGewissheit.FürAußenstehendewird
Wahnunmittelbarevident,fürdenBetroffenensinddieVorstellungenjedochnichtkorrigierbar,
dasiefürRealitätgehaltenwerden.
WahnbildungenkommenvorbeiSchizophrenieundManie,jedochauchbeischwererDepression.
DieAusprägungvonWahnkannunterschiedlichsein,gemessenamVerhältniszurRealität:
o WahnwirklichkeitistdieeinzigeWirklichkeit
o Wahnwirklichkeitistdiebeherrschende,abernichtdieeinzigeWirklichkeit
o WahnwirklichkeitundRealitätbestehennebeneinanderin„doppelterBuchführung“(für
denBetroffenensinddieszweiRealitäten)
o WahnwirklichkeitundRealitätfließennichtunterscheidbarineinander,vermischensich
DieWahn-InhaltelassenkeineRückschlüssezu.EsgibtjedochcharakteristischeThemenbeiManie(Größenwahn),Depression(Verarmungs-undVersündigungswahn)undSchizophrenie(Verfolgungswahn).WeiterhäufigeWahninhaltesindEifersuchtswahnundhypochondrischerWahn
(Gewissheit,aneinerKrankheitzuleiden–beiderHypochondriebestehtlediglicheineentsprechendeBefürchtung).
AusdemWahninhaltkannnichtaufdieArtderStörunggeschlossenwerden!
BesondereFormenodernichtvollausgeprägteFormenvonWahnbildungensind:
15
Wahnstimmung
DieeigenePersonoderdieWeltwerdenveränderterlebt.BedeutungszumessenundInbeziehungsetzen,dasvonGesundennichtnachvollzogenwerdenkann(z.B.„EsliegtetwasinderLuft,allesummich
herumistmerkwürdigverändert,allessoseltsam;dieLeutemachensoeinbösesGesicht,damuß
dochetwaspassiertsein,oder?“).
Wahnwahrnehmung
WahnhafteFehlinterpretationeineransichrichtigenWahrnehmung(z.B.„InderBeizkameingroßer
Mannherein.Dahabeichgewusst,dassdasderTeufelist“).
Wahneinfall
DasplötzlichundunvermittelteAuftretenvonwahnhaftenVorstellungenundÜberzeugungen(z.B.
„Gesternistmirplötzlichaufgegangen,dassichdenFriedensnobelpreiserhalte,weilichdieSupermächtetelepathischausgesöhnthabe“).
Beziehungswahn
PatientfühltsichimMittelpunktdergezieltenAufmerksamkeitseinerUmwelt.Ausunbedeutenden
EreignissenentnimmterSignale,dieihninganzbesondererWeiseangehen(z.B.„Siewerdenesnicht
glauben,HerrDoktor,dieNummernschildervonallenAutoswarenaufmichumgestellt:überallBwie
Beate“)
Ich-Störungen
EinewichtigeIch-FunktionistdieWahrnehmungderRealitätbzw.die(automatischerfolgende)
PrüfungderRealität.HierbeigibteszweicharakteristischeStörungsmöglichkeiten:Derealisation
undDepersonalisation.
Derealisation
AnderePersonenoderUmwelterscheinenunwirklich,fremdartig,räumlichverändert(z.B.
„Allesistsoweitweg“oder„alleHäusersindkleiner,Straßenenger“),dieRealitäterscheint
unwirklich,wirdabernochwahrgenommen.KannbeizahlreichenpsychischenStörungen
vorkommen,nichtnurbeipsychiatrischenKrankheitsbildern.IstimextremenStressoderbei
Trauma(Verkehrsunfallu.a.)ebenfallsmöglich.
Depersonalisation
DieeigenePersonkommtsichselbstfremdvor,unwirklich,unmittelbarverändert(z.B.„währendderAngstattackenspüreichmeinenKörpernichtmehr,ergehörtnichtmehrzumir“
oder„DerArm,deranmirhängtisttot,esistnichtmeiner“).
AuchdieVorstellung,dassAndereEinflussausüben,gehörtzudenIch-Störungen.Diesbezieht
sichaufeigeneGedanken,GefühleoderHandlungen,dievonAnderen„manipuliert“werden.
DieseSymptometretenhäufigbeiSchizophrenieauf.Beeinflussungsideenkommenauchbei(paranoiden)Persönlichkeitsstörungenvor.
Gedankenausbreitung
DieGedankengehörennichtmehrdemPatientenalleine,anderehabendaranAnteilundwissen,was
erdenkt(Gedankenlesen,Gedankenlautwerden:„Allewissen,wasinmeinemKopfvorgeht“oder„Der
ArztkannmeineGedankenmithören“).
Gedankenentzug
DemPatientenwerdendieGedankenweggenommen,ausdemKopfabgezogen(z.B.„ichkannnicht
mehrmeineGedankendenken,diehatmanmirabgezogen,dafürmussichdieGedankenvonanderen
denken“).
Gedankeneingeben
Gedankenwerdenvonaußenbeeinflusst,odereingegeben(z.B.„Ichweiß,dassichsolcheGedanken
nichtdenkenkann,essinddieGedankenvonanderen,diesiemirimplantierthaben“).
AndereFremdbeeinflussungen
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Fühlen,Streben,WollenoderHandelnwerdenalsvonaußengemachterlebt(z.B.„Diemachen,dass
ichschreie“).
Affektivität
AffektesindstarkeGefühlemitHandlungsimpuls.SiesindinderRegelvonkurzerDauer(Gefühle
undStimmungensindinderRegellängerdauernd).Affektesindsituativbedingt,d.h.siesind
normalerweisederSituationangemessen(inderSituationderTrauerlachtmanbeispielsweise
nicht).DieBeurteilungderAffektivitätisteinwichtigespsychopathologischesKriterium.
GestörteAffektivitätkannsichäußernals
Affektarmut(wenigAffekte)
Affektstarrheit(keineAffekte)
GefühlderGefühllosigkeit(subjektiveGefühllosigkeit)
KlagsamerAffekt
AmbivalenterAffekt(sichwidersprechendeAffektezugleich)
ParathymerAffekt(derSituationgegenläufigerAffekt)
Affektlabilität(InstabilitätderAffekte)
Affektinkontinenz(leichtesDurchbrechenvonAffekten)
StörungenderAffektivitätkönnenbeivielenpsychischenStörungenvorkommen,nehgativeoder
eingeschränkteAffektivitätistz.B.typischfürDepressionen,gesteigerteoderenthemmteAffektivitätfürManieoderSchizophrenie.
InabgemilderterFormkommenVariationenderAffektivitätauchpersönlichkeitsspezifischvor.
Antrieb/Psychomotorik
PsychomotorikistdasErgebnisderVerknüpfungvonseelischerBefindlichkeit(Emotionen,Affekte,Verwirrungu.a.)undmotorischemSystem.DasbeobachtbareVerhaltenerlaubtumgekehrt
(oft,abernichtimmer)einenRückschlussaufdieaktuelleGefühlslage.DasdieseelischeBefindlichkeitbeipsychischenStörungenvorrangiggestörtist,istesauchdiePsychomotorik.
InderBeschreibungeinergestörtenPsychomotorikwirdhäufigfolgendeBegrifflichkeitverwendet:
o antriebsarm
o antriebsgehemmt
o antriebsgesteigert
o motorischunruhig
gesteigerteundungerichtetemotorischeEnergie
o
mutistisch
WortkargheitbishinzumNichtsprechen
o
maniriert/bizarr
BewegungenundHandlungenverschroben,verschnörkelt.
o theatralisch
WeiterePhänomenegestörterPsychomotoriksind:
o Parakinesen
– Qualitativabnorme,komplexeBewegungen,dieGestik,MimikundauchdieSprache
betreffen
o
Stereotypien
– SprachlicheundmotorischeÄußerungen,dielängereZeitinimmergleicherForm
wiederholtzuwerden
Verbigerationen(Wortstereotypien)
Katalepsie(Haltungsstereotypien)
17
ParakinesienundStereotypientretenhäufigals„Defektzustände“nachSchübeneinerschizophrenenPsychoseauf.
3.
Haltungsstereotypien
PsychiatrischeKrankheitsbilder
a.
Demenz
Fallbeispiel:
Der68-jährigeSteuerberaterW.H.kommtindieGedächtnissprechstundezurambulantenUntersuchung.
ErseiseitetwaeinemJahrsehrvergesslichgeworden,diesbeträfebesonderskurzzurückliegendeEreignissesowieauchNamen.ImmeröfterwürdenihmAufträgeentfallen,dieihmseineFrauimHaushaltaufgegebenhabe.ErschreibesichallesWichtigeauf,weilerAngsthabe,sonstzuvielzuvergessen.GelegentlichwürdenihmauchdieBezeichnungenvonvertrautenAlltagsgegenständennichtmehreinfallen,diessei
ihmpeinlich,erhabesichdeswegenvonFreundenundBekanntenzurückgezogenundseiinsgesamtwenigeraktiv.MitseinerFraugebeesinletzterZeithäufigerStreit,weildieseseineZerstreutheitundVergesslichkeitaufrege.DeswegenkommeerjetztzurUntersuchung;erseihierzumitseinemAutozurKlinikgefahren.
Epidemiologie
ZurzeitlebeninDeutschlandca.1,5MillionenPersonenmitDemenz(Prävalenz).BiszumJahr
2050wirdsichdieAnzahlverdoppeln.DieseZunahmeerklärtsichausdemdemographischen
WandelmiteinesteigendenAnteilältererMenscheninunsererGesellschaft.Diesistauchder
Grund,dass2/3allerDemenzkrankenFrauensind–weilsieebendiegrößereLebenserwartung
haben,nichtweilDemenzbeiFrauenhäufigerwäre.
DemenznimmtalsomitdemLebensalterüber65Jahrestarkzu.DiefolgendenTabellenzeigen
alterskorrigierteInzidenzraten(in2012)undPrognosenderPrävalenzbis2050:
18
Geschätzte Zahl
der NeuerMittlere Inzidenzrate
krankungen in
Altersgruppe
pro Jahr (%)
Deutschland im
Jahr 2013
Jahr
Geschätzte
Anzahl von
über 65Jährigen in
Millionen
Geschätzte
Krankenzahl
65-69
0,4
15.500
70-74
0,9
42.000
2010
16,8
1.450.000
75-79
1,9
63.800
2020
18,7
1.820.000
80-84
4,1
80.500
2030
22,3
2.150.000
85-89
6,5
65.600
2040
23,9
2.580.000
90 und älter
10,1
37.400
2050
23,4
3.020.000
1,9
304.800
TypischeSymptome
DemenzimFrühstadium:
DieAlltagsbewältigungistrelativunbeeinträchtigt,VergesslichkeitstehtimVordergrund.Das
eingeschränkteErinnerungsvermögenbeziehtsichzunächstaufdasKurzzeitgedächtnis.Die
Symptomesind„Schusseligkeit“,Konzentrations-undAufmerksamkeitsstörungen,unspezifische
Beschwerden(z.B.Müdigkeit,Schlafstörungen,depressiveVerstimmung).AntriebundInitaitive
sindreduziert.
DemenzinmittlerenStadien:
DieAlltagsbewältigungistdeutlicheingeschränkt,.EsbestehenunmittelbarauffälligeGedachtnisstörungen(auchLangzeitgedächtnis),Konzentrations-undAufmerksamkeitsstörungen,Orientierungsstörungen(zuZeit,Ort,undzuletztzurPerson),zunehmenkommteszuApraxie(StörungenderWillkürmotorik),Aphasie(Sprache)undAgnosie(Erkennen).AuffälligsindfernerKritikminderungundweitereVerhaltensauffälligkeiten.DiePatientensindhilfebedürftig,kommen
nichtmehralleinzurecht.
ImweiterenVerlauftretenauchVeränderungenderPersönlichkeitauf.
Diagnose
NachdenKriteriendesICD-10wirddieDiagnosewiefolgtbegründet:
Ø AbnahmevonKurz-undLangzeitgedächtnis
Ø AbnahmedesabstraktenDenkvermögens,
Ø AbnahmevonUrteilsvermögen,
Ø AbnahmevonPlanungs-undOrganisationsvermögens
Ø andereStörungenhöhererkortikalerFunktionen,wieAphasieundAgnosie
Ø BeeinträchtigungderAffektkontrolle,desAntriebsoderdesSozialverhaltens
Ø BeeinträchtigungderAlltagskompetenz
Ø keineStörungderBewusstseinslage(außeralsKomplikation)
DieSymptomebestehenseitmindestens6Monaten
InderRegelbestehenkeineSchwierigkeiten,dieStörungenderkognitivenFunktionen(Gedächtnis,Auffassung,Konzentration,Orientierung,Sprache,Aufmerksamkeit)zuerkennen.Auchim
Frühstadiumwärediesdurchausmöglich,allerdingsversuchendieBetroffenen,ihreDefiziteund
Schwierigkeitenzukaschieren.DaherwirddieDiagnosehäufigerstinfortgeschrittenenStadien
gestellt.Diesbedeutet,dasseinGroßteil(leichterundteilsmittelschwerer)Demenzennichterkanntwird(„Eisberg-Phänomen“).
65 und älter
19
DietestpsychologischeundapparativeDiagnostiklieferteindeutigeErgebnisse.IndenVorlesungsfolienistder„Uhrentest“dargestellt.InderkommendenVorlesung„Psychodiagnostikund
Psychotherapie“(Wintersemester)werdenweitereTestsbesprochen.DieTestsbasierenimPrinzipaufAufmerksamkeitundKonzentrationsowieaufPrüfungdesKurzzeitgedächtnisses.
BildgebendeVerfahren(Magnet-Resonanz-Tomographie–MRT)sicherndieDiagnose.Wennsich
SymptomeeinerDemenzzeigen,sinddiestrukturellenVeränderungenimGehirnbereitssehr
deutlich.DerHauptbefundistdieHirnatrophie(Gehirnschwund,rechtesBild).
BestimmteEiweißstoffe(Beta-AmyloideundTau-Protein–s.u.)könnenimHirnwasser(Rückenmarkspunktion)nachgewiesenwerden.
20
ErgänzendwerdenLaboruntersuchungen,HirnstrommessungenundDurchblutungsmessungen
mitUltraschall(Doppler-Sonographie)gemacht.DieseMethodensichernnichtdieDiagnose,
sondernschließenandereUrsachenauswiez.B.Infektionen,Vitaminmangel,Hormonstörungen
u.a.
FormenundUrsachen
EsgibtverschiedeneFormenvonDemenz:
DemenzvomAlzheimertyp:
Präsenile(vorzeitige)Demenz,diedurchdenAbbauvonNervenverbindungen(Synapsen)undNervenzellenistbestimmtenHirnregionenzustandekommt(s.u.)
VaskuläreDemenz
Vaskulärheißt„gefäßbedingt“.DurchRisikofaktorenkommteszuArteriosklerosederkleinen
SchlagaderndesGehirns,wasletztlichzuregionalenDurchblutungsstörungenundUntergangvon
Nervenzellenführt(häufigbeiDiabetesmellitus,Bluthochdruck,hohenBlutfettwerten,Rauchen…)
MischformAlzheimer-Vaskulär
DemenzvomAlzheimer-Typ,diedurchArteriosklerosebeschleunigtoderkompliziertwird.
SelteneDemenzformen:
Fronto-temporaleDemenz
VererbteStoffwechselstörung,dieaufGrundderLokalisation(Vorderhirn)eherzuPersönlichkeitsveränderungenalszuGedächtnisstörungenführt(auchbekanntalsMorbusPICK).
DemenzbeiM.Parkinson
ImfortgeschrittenenStadiumderParkinsonschenErkrankung(„Schüttellähmung“)kommtes
ebenfallszumIntelligenzabbau.
ChoreaHuntington
MiteinerInzidenzratevon5/100.000auftretendeErbkrankheit,diesichdurchungewollte
BewegungenundimSpätstadiumdurchDemenzauszeichnet(alteBezeichnung:„Veitstanz“)
SekundäreDemenzen(ca.10-20%allerDemenzen)
DamitwerdenDemenzformenbezeichnet,dieinderFolgevonanderenErkrankungenentstehen,
die,z.B.DemenzinderFolgevonAlkoholmissbrauch(sog.Korsakow-Syndrom),Hirntumoren,Infektionen(HIV,Borreliose),schwerenHerzerkrankungen,Lebercirrhoseu.a.
UrsachenderAlzheimer-Demenz:
DieDemenzvomAlzheimer-Typistinzwischenguterforscht.Manweiß,dasssichimLaufederKrankheit
immermehrdasbereitsvonAloisAlzheimerbeschriebeneEiweiß-Abbauprodukt(Beta-Amyloidgenannt)
imGehirnablagert.EinweitererEiweißstoff(dassog.Tau-Protein)lagertsichebenfallsab.DieseEiweißstoffebehinderndieInformationsübertragungzwischendenNervenzellen.DiesesZusammenspielder
NeuronenfindetüberbestimmteBotenstoffe,dieNeurotransmitter,statt.DiesewerdenanSynapsenin
dendazwischenliegendenSpalt(synaptischerSpalt)abgegebenundbindenanbestimmteRezeptoren.
PasstderBotenstoffzumRezeptorwiederSchlüsselineinSchloss,sendetdieNervenzelleeinSignalaus–
dieKommunikationfindetstatt.EsgibtvieleunterschiedlicheNeurotransmitterimGehirn.BeiderAlzheimer-DemenzspielenvorallemGlutamatundAzetylcholineineRolle.BeiAlzheimer-PatientenwirdimLaufeihrerErkrankungimmerwenigerAzetylcholinproduziert.
EinewichtigeRollebeiderEntwicklungeinerDemenzspieltauchderNeurotransmitterGlutamat.Ersteuert70%derNervenzellen.BeimgesundenMenschensorgtGlutamatdafür,dassLern-undGedächtnisvorgängestattfindenkönnen.BeiPatientenmitDemenzistdieGlutamatkonzentrationzwischendenNervenzellenanhaltenderhöht,dieNervenzellenwerdenquasidauererregt.Dadurchkönnen(Lern-)Signalenicht
mehrrichtigerkanntundweitergeleitetwerden.SchließlichkanndieNervenzellederständigenÜberreizungnichtmehrstandhalten,verliertihreFunktionsfähigkeitundstirbtletztlichab.JemehrNervenzellen
21
aufdieseWeisezugrundegehen,destoausgeprägterwerdendiewahrnehmbarengeistigenundalltäglichenDefizite.
Behandlung
BehandlungszielekonzentrierensichaufvierBereiche:
1. Vorbeugung:VerhinderungderKrankheitsentwicklungundÄnderungdesRisikoprofils
DieswärePrimärprävention;bisjetztexistierenallerdingskeineStrategien,daerblicheFaktorennicht
beeinflussbarundRisikofaktorenderKrankheitsentwicklungnochzuwenigerforschtsind.
2. ModifizierungdesVerlaufs
StillstandoderVerzögerungdesVerlaufs(Sekundärprävention).DurchkognitivesTrainingistdiesin
geringemUmfangmöglich.AuchhierbedarfesderEntwicklungweitererStrategien..
3. Symptomatik
BesserungkognitiverDefiziteundderAlltagskompetenz.MöglichstlangerErhaltdernochvorhandenenFunktionen.
4. SystemischeDimension:sozialeAuswirkungenberücksichtigen
MöglichstlangerVerbleibinvertrauterUmgebung,Angehörigenbelastungberücksichtigen,Pflegebedürftigkeitprüfen,Institutionenggf.beteiligen,Palliativversorgungorganisieren(„SterbeninWürde“)
Behandlungsoptionensind:
Medikamente
EinevorbeugendeMedikationgibtesbishernicht.DiemedikamentöseBehandlungkonzentriertsich
aufzweiBereiche:spezifischeMedikationundbegleitendeMedikation.
SpezifischeMedikamente(Antidementiva):
Weilu.a.derÜberträgerstoffAzetylcholinfehlt,werdenMedikamenteeingesetzt,diedenAbbau
vonAzetylcholinhemmen(sog.Azetylcholinesterasehemmer,dieWirkstoffeheißenDonezepil,RivastigminoderGalantamin).NachgewiesenisteineVerlangsamungdesKrankheitsverlaufsbeiDemenzvomAlzheimer-TypundbeiParkinson-Demenz.Umstrittenist,obdieLebensqualitättatsächlichverbessertwirdundobPflegebedürftigkeitgeringerwird.ZudemhabendieseMittelhäufig
Nebenwirkungen(Herzrhythmusstörungen,Durchfall,Erbrechen,Muskelkrämpfe).
EinweitererWirkstoffistMemantine(einsog.NMDA-Rezeptorantagonist),vergleichsweiseteuer,
jedochmitnachgewiesenerWirkungbeimittelschwererAlzheimer-Demenz.DieNebenwirksungsrateistgeringer.
DanebenwerdenpflanzlichePräparatewieGingkooderanderes(Knoblauch,VitaminEu.a.)angeboten,derenWirkungnichtnachgewiesenistunddievondenKrankenkassennichtbezahltwerden.
Begleitmedikation(symptomatischeMedikation)
DieseBehandlungzieltdaraufab,begleitendeErkrankungenzuBehandelnbzw.derenSymptome
zureduzieren.Beispiel:häufigbestehenanfangsauchDepressionen,diedannmedikamentösbehandeltwerdenmüssen.AuchbeiextremerUnruhemüssenmanchmalBeruhigungsmittelgegeben
werden.
DieProblemederBehandlungmitAntidementivasindvielfältig:dieWirkungwirdoftangezweifelt,teilweisehandeltessichumsehrteureMedikamente,dieWirkungwirdsubjektivnichterlebt,Nebenwirkungensindhäufig,diesinnvolleDauerderTherapieistungeklärt,derEffektauf
dieLebensqualitätistumstritten.
PsychologischeTherapienundBeratung
PsychotherapieistimAnfangsstadiumdannsinnvoll,wennKrankheitsbewältigungundKrankheitsverarbeitungunterstütztwerdensollen.AuchdiepsychotherapeutischeBetreuungvonAngehörigenist
häufigererforderlich.
22
WeiterepsychologischeTherapiensindz.B.kognitivesTraining,Kreativtherapie,Bewegungstherapie
(psychologischbegleitet)–aberauchAngehörigengruppen.
MedizinischeBeratung,AufklärungundBeratungderFamilieundAngehörigen
SoziotherapieundErgotherapie
Einbindunginambulanteund(teil-)stationäreVersorgungsstrukturen,z.B.Gedächtnissprechstunde),
Sozialberatung(rechtlicheFragen,finanzielleAspekte,Pflegestufenu.a.VermittlunginSelbsthilfegruppenundspezifischeBeratungsangebote.MilieutherapeutischeMaßnahmen(Gestaltungder
Wohn-undFreizeitsituation).Beschäftigungs-undArbeitstherapie.PrüfungvonMaßnahmenzurTeilhabe.
Pflege
durchambulantePflegedienstoderinteilstationärenundstationärenEinrichtungen.DieAngehörigen
solltensoweitmöglicheingebundensein.Esistwichtig,denKreisderPersonenaufeinüberschaubaresMaßzubegrenzen(soweitmöglich).
DieEinstufungderPflegestufenrichtetsichnachdengesetzlichenVorgaben,wobeieinerhöhterPflegeaufwandbeifortgeschrittenerDemenzinzwischenanerkanntwird.
BehandlungsproblemetretensehrhäufigdurcheinegleichzeitigbestehendeDepressionauf(betrifftetwadieHälftederDemenz-Patienten).DieSymptomewerdenoftverwechseltoderübersehen,daz.B.AntriebsarmutbeibeidenKrankheitsbildernvorkommt.ÄltereMenschendie
(erstmals)eineDepressionbekommen,solltenstetsaufeinemöglicheDemenzhinuntersucht
werden.
EinweiteresProblemstellenVerhaltensauffälligkeitendar,diebeiDemenzwegenparanoider
IdeenbishinzumWahnvorkommenkönnen.OftwerdenAngehörigeundPflegepersonendes
DiebstahlsundderUntreueverdächtigt.AusErinnerungslückenentstehtUnsicherheitundein
allgemeinesMisstrauen.GelegentlichkommtesdeshalbzuAggressivitätundGewalt.
GrundprinzipienimKrankheitsmanagement:
• OhneguteDiagnostikkeineTherapie:DifferentialdiagnostikistVoraussetzung(Ausschluss
sekundärerDemenzendurchz.B.BluthochdruckoderDiabetes)
• MedikamentöseTherapiegegenkognitiveStörungenundnicht-kognitiveStörungen(Depression,Wahn,Agitation),evtl.alsKombinationstherapie,Stadien-undStörungsspezifischeAnpassungderMedikation,„Einstellung“internistischerKomorbidität(Diabetes,
Bluthochdrucku.a.).KomorbiditätmeintBegleiterkrankkungen.
• Nicht-medikamentöseInterventionen(z.B.kognitivesTraining,Kreativtherapie)beiBegleitstörungen(Depression,Wahn,Verhaltensstörungen),BeratungvonPatientenund
Angehörigen(Copingstrategien,PsychoedukativeGruppenfürAngehörige)
• AnpassungderLebenssituation,Institutionsberatung(Alten-undPflegeheime),finanzielle
undrechtlicheBeratungderAngehörigen,Care-Management.
b.
SchizophrenePsychosen
Fallbeispiel:
FrauK.wohntalleineineinerWohnungdiesiemitihremEhemannvor18Jahrengekaufthaben.IhrEhemannistseit8Jahrentot.AusderEhehatsie2Kinderdiesieregelmäßigbesuchen.FrauK.istineinem
gepflegtenZustand,dasiesehraufihrÄußeresachtet.
InderVergangenheitarbeitetesiealsSachbearbeiterinimStraßenverkehrsamtundhatgutfürihrAlter
vorgesorgt,sodasssiesichnunkeineSorgenüberfinanzielleAngelegenheitenmachenmuss.Insgesamtist
FrauK.einlebenslustigerMenschundliebtdieGesellschaft.
23
InletzteZeitwurdeFrauK.immervergesslicher,verlegteDingeundbeklagesichüberGedächtnisstörungen.VorkurzemfingsieanGestaltenzusehenundvermuteEinbrecherinihremHaus.Spätermeintesie
eswürdenachtsjemandinIhremBettliegen.
NachdemdieTochterbeieinemBesuchdasmerkwürdigeVerhaltenfeststellte,begabsiesichmitihrer
MutterineinePsychiatrischeKlinik.
Epidemiologie
DieLebenszeit-Prävalenzliegtum0,6–1%,diePunktprävalenzbei200-600pro100.000,dieInzidenzratenum0,05%.InEuropasinddieZahlenfürSchwedenundIrlandetwasniedriger.
MännerundFrauensindgleichermaßenbetroffen,wobeiderErkrankungsbeginnbeiMännern
ca.5Jahrefrüherliegt.DasHaupterkrankungsalterliegtzwischenPubertätunddem30.Lebensjahr.DiescheinbareHäufigkeitszunahmeinunterensozialenSchichtenisteherFolgederErkrankung(->sozialerAbstieg,sog.„Drift-Theorie“).DieSterblichkeit(Mortalität)istdoppeltsohoch
alsinderAllgemeinbevölkerung,dieLebenserwartungum10Jahregeringer.
EsgibtkeinewesentlichenkulturellenUnterschiedeinderPrävalenz.
ErkrankungsbeginnnachLebensalter(Häfner,2000).
KrankheitsbildundEinteilung
KennzeichnendsindtiefgreifendeStörungenvonWahrnehmungundDenkensowieVeränderungendesAffekts(abgeflachtoderinadäquat).DieBewusstseinsklarheitundintellektuellenFähigkeitensindinderRegelnichtbeeinträchtigt,obwohlsichimLaufederZeitgewissekognitiveDefiziteentwickelnkönnen.DiewichtigstenpsychopathologischenPhänomenesindGedankenlautwerden,GedankeneingebungoderGedankenentzug,Gedankenausbreitung,Wahnwahrnehmung,Kontrollwahn,BeeinflussungswahnoderdasGefühldesGemachten,Stimmen,dieinder
24
drittenPersondenPatientenkommentierenoderüberihnsprechen,DenkstörungenundNegativsymptome.
DasklassischeKonzept(K.Schneider)unterscheidetSymptomeerstenRanges(Gedankenlautwerden,Gedankeneingebung,Kontrollwahn,GefühldesGemachten,kommentierendeoderdialogischeStimmenundanhaltendeWahnideen)undSymptomezweitenRanges(anhaltendeHalluzinationen,formaleDenkstörungenz.B.Gedankenabreißen,katatoneSymptomewieMutismus,negativeSymptomewieApathie).
DieSymptomewerdenhäufigauchunterschiedeninPositivsymptomatikundNegativsymptomatik,wasprognostischbedeutsamist(schlechterePrognosebeiNegativsymptomatik).
Positivsymptomatik:
Halluzinationen,Wahn,bizarresVerhalten,positive(=zuviel)formaleDenkstörungen,psychomotorische
Symptome
Negativsymptomatik:
Affektverflachung;Alogie(Pat.sprichtnicht),Apathie,Anhedonie(GefühlderGefühllosigkeit),sozialer
Rückzug,Aufmerksamkeitsstörungen
HäufiggehtdersichtbarenErkrankungeinVorstadiumvoraus,welchesjedochsounspezifische
Symptomezeigt,dassmandarausaufkeinenFallaufeinebeginnendeschizophreneErkrankung
schließenkann.OftsinddieseVorboten-Symptomenurrückblickenderkennbar.DasVorstadium
kannsichüberJahreerstrecken.
VorbotenderErkrankungkönnensein:
Affekt:Depressivität,Affektlabilität,
Energieverlust,AbnahmevonInitiativen
VegetativeFunktionen:Schlafstörungen,Appetit,Sexualfunktiongestört
Kognition:AbnahmederLeistungsfähigkeit,biographischer„Knick“
SozialesVerhalten:Rückzug,ReduktionderKommunikation,besondereInteressen
NachdemICD-10werdendieschizophrenenPsychoseninfolgendeUntergruppeneingeteilt:
Schizophrenie
ParanoideSchizophrenie
DieparanoideSchizophrenieistdurchbeständige,häufigparanoideWahnvorstellungengekennzeichnet,meistbegleitetvonakustischenHalluzinationenundanderenWahrnehmungsstörungen.
StörungenderStimmung,desAntriebsundderSprache.„Klassische“FormderSchizophrenie.
HebephreneSchizophrenie
EineFormderSchizophrenie,beiderdieaffektivenVeränderungenimVordergrundstehen,
WahnvorstellungenundHalluzinationenflüchtigundbruchstückhaftauftreten,dasVerhaltenverantwortungslosundunvorhersehbaristundManierismen(Haltungsstereotypien)häufigsind.Die
Stimmungistflachundunangemessen.DasDenkenistdesorganisiert,dieSprachezerfahren.Der
Krankeneigtdazu,sichsozialzuisolieren.WegenderschnellenEntwicklungderMinussymptomatik,besondersvonAffektverflachungundAntriebsverlust,istdiePrognosezumeistschlecht.Eine
HebephreniesollinallerRegelnurbeiJugendlichenoderjungenErwachsenendiagnostiziertwerden.
KatatoneSchizophrenie
DiekatatoneSchizophrenieistgekennzeichnetvondenimVordergrundstehendenpsychomotorischenStörungen,diezwischenExtremenwieErregungundStuporsowieBefehlsautomatismus
undNegativismusabwechselnkönnen.Zwangshaltungenund-stellungenkönnenlangeZeitbeibehaltenwerden.EpisodenhafteschwereErregungszuständekönneneinCharakteristikumdieses
Krankheitsbildessein.
SchizotypeStörung
25
EineStörungmitexzentrischemVerhaltenundAnomaliendesDenkensundderStimmung,dieschizophrenwirken,obwohlnieeindeutigeundcharakteristischeschizophreneSymptomeaufgetretensind.
AnhaltendewahnhafteStörungen
EinlangandauernderWahnodereinWahnsystemistdaswesentlicheSymptom,anderetypische
SymptomederSchizophreniefehlen.
AkutevorübergehendepsychotischeStörungen
RascheEntwicklungvielfältigerSymptomewiebeieinerSchizophrenie,diejedochraschundvollständigwiederverschwinden.
SchizoaffektiveStörungen
EpisodischeStörungen,beidenensowohlaffektivealsauchschizophreneSymptomeauftreten,aber
diewederdieKriterienfürSchizophrenienochfüreinedepressiveodermanischeEpisodeerfüllen
Diagnose
DieSymptomevonschizophenenErkrankungenwurdenausführlichdargestellt.ImICD-10ist
festgelegt,dasssolcheSymptomemindestens4Wochenvorliegenmüssen,umdieDiagnosezu
rechtfertigen(imDSM-IVsogar6Monate!).HierbeiwerdendieSymptomeinzweiGruppeneingeteilt(s.SymptmeerstenundzweitenRanges),imDetail:
1. Gedankenlautwerden,-eingebung,-entzug,-ausbreitung
2. Kontroll-,Beeinflussungswahn,GefühldesGemachten,Wahnwahrnehmung
3. KommentierendeoderdialogischeStimmen
4. Anhaltender,kulturellunangemessener,bizarrerWahn
5. AnhaltendeHalluzinationenjederSinnesmodalität
6. GedankenabreißenoderGedankeninterferenzmit„Zerfahrenheit“,Danebenredenoder
Wortneuschöpfungen
7. KatatoneSymptome(Erregung,Haltungs-oderBewegungsstereotypien,Starre)
8. „negativeSymptome“wieApathie,Sprachverarmung,verflachteoderinadäquateAffekte
DieDiagnosewirdgestellt,wennmindestens1SymptomderGruppe1-4oder2Symptomeder
Gruppe5-8währenddermeistenZeiteinesMonatsoderwährendeinigerZeitandenmeisten
Tagenbestehen.
DieDiagnoseeinerSchizophreniedarfnurgestelltwerden,wennfolgendeErkrankungenausgeschlossenwurden:
KörperlicheErkrankungen(3%)
Stoffwechselstörungen,
Infektionen,
Hormonstörungen(z.B.Schilddrüsenüberfunktion)
NebenwirkungeneinesMedikaments
ErkrankungendesZentralnervensystems(8%)
Hirnentzündungen(Enzephalitis)
Epilepsie(Krampfleiden)
Hirntumor
HIV/AIDS
Drogen(Halluzinogene)
Ursachen
GenetischeFaktoren:EinefamiliäreHäufungistbekannt,60-80%desRisikosgiltalsgenetisch
bedingt.DaseigeneRisikobeträgt
26
wennGeschwisterodereinElternteilkranksind:
16%
einGeschwisterkrank,jedocheinElternteilgesundist:
9%
Kindererkranktsind:
13%
BeiErkrankungenvonAngehörigen2.Grades:
2-4%
BeiErkrankungenvonAngehörigen3.Grades:
2%
eineiige/zweieiigeZwillinge
46%/16%
FernerwerdeneineReihebegünstigenderFaktorengenannt:
- Vorgeburtlich:IndenWintermonatensindüberproportionalvieleschizophrenErkrankte
geboren.AlsUrsachenwerdendiskutiert:Temperaturminderungen,Ernährungsdefizite
undInfektionenimletztenSchwangerschaftsdrittel
- unterderGeburt(Sauerstoffmangel)
- Cannabiskonsum,Migration;nichtbewiesensind:Stadt(ReizüberflutungalsFolgeder
„Urbanisierung“)undIndustrialisierung
- SozialeFaktoren:AlleinstehendePersonenweiseneinehöhereSchizophrenie-Prävalenz
aufalsVerheiratete.Allerdingskönntediesauchdadurchbedingtsein,dassMenschen
mitschizophrenenStörungen(auchschonimVorstadium)nichtsohäufigheiraten.
- HoheStressbelastungbeierhöhterVulnerabilität(s.Stress-Vulnerabilitätskonzept)
HinweisefüreineHirnreifungsstörungergebensichausfolgendenBefunden:
- geringgradigeneurologischeAuffälligkeiteninderKindheit
- oftherabgesetzteLese-undSprechfertigkeitenalsKind
- frühzeitigProblemedersozialenInteraktion
- geringeHemisphärenspezialisierungdesGehirns
Verlauf
VerschiedeneVerlaufsformensindbekannt:
Verlaufsform
Häufigkeit
MöglicheVerlaufsformensind(vgl.Grafik-vonobennachunten):
- einzelnerSchubmitvollständigerRemission,
- schubweiserVerlaufmitjeweilsvollständigerRemissionzwischendenSchüben
- schubweiserVerlaufmitstabilenRestsymtptomen(„Defekt“)zwischendenSchüben
27
- schubweiserVerlaufmitZunahmedesDefektszwischendenSchüben
WelcheVerlaufsformvorliegt,kannbeimerstenKrankheitsschubnichtvorhergesagtwerden.
RestsymptomezwischendenSchübenkönnensein:kognitiveStörungen,körperlicheundgeistige
Erschöpfbarkeit,StörungdesAllgemeinbefindens,Leistungsschwäche,EinbußenanSpannkraft,
Energie,Ausdauer,Geduld,Kontaktstörungen,ErhöhteErregbarkeit,Irritierbarkeit,Intoleranz
gegenStress,EmpfindlichkeitgegenWitterungundGeräusche,Schlafstörungen,Verstimmung.
EsgibtErfahrungswerte,obdieAussichten(Prognose)ehergutoderschlechtsind.
SchlechtePrognose
ehergutePrognose
soziodemographischeundfamilienbezogeneDaten
ledig,geschieden,getrennt
verheiratet
hoheEE-Werte*
niedrigeEE-Werte*
prämorbidePersönlichkeitundAnpassung
schizoidePersönlichkeit
extrovertiertePersönlichkeit
sozialeIsolation
guteAnpassungimArbeits-und
Freizeitbereich
vorausgegangeneKrankheitsperioden
häufigerundvonlängererDauer
seltenerundvonkürzererDauer
ArtdesKrankheitsbeginns
Schleichend
akut
langeLatenzbisBehandlungsbeginn
sofortigeneuroleptischeMedikation
AnfänglichesKrankheitsbild
Negativsymptomatik
affektiveAuffälligkeiten
andereVariablen
abnormesMRT,HirnschwundimCCT
Drogenkonsum(Cannabis)
*EE-Konzept(EE=expressedemotion):EE-WertesinderhöhtbeifolgendenSituationen:kritischeund
feindseligeÄußerungeninderFamilieüberdenPatienten,überprotektiveÄußerungenundVerhaltensweisen,besondersenge,distanzgeminderteBeziehungen;diesführtzuerhöhteremotionalerSpannungund
Überforderung,insbesonderewennkeineRückzugsmöglichkeitenbestehen;ferneristdasRezidivrisikoerhöht.
Behandlung
Medikamente
MedikamentedererstenWahlsinddieNeuroleptika(Synonym:Antipsychotika–vgl.auchS.
7-8).DieMittelwerdennachchemischenKlassenundihrerWirksamkeit(ingering,mittelstarkundstarkwirkendeNeuroleptika)unterschieden.DieseEinteilungbeziehtsichaufdie
antipsychotischeWirkung,nichtsosehraufdiedämpfendeWirkung.Geringantipsychotisch
wirkendeNeuroleptikawirkeneherdämpfend,habenwenigerBewegungsstörungenalsNebenwirkung.SstarkantipsychotischwirkendeNeuroleptikawirkenwenigersedierend,dieRatevonBewegungsstörungenistjedochdeutlichhöher.DieWirkungentfaltenalleNeuroleptikadurchBeeinflussungderSignalübertragunganbestimmtenRezeptoren(Dopamin-,Azetylcholin-,Serotonin-,alpha1-undHistaminrezeptoren).NebenwirkungenderNeuroleptika
sind
-
Bewegungsstörungen(sog.Dyskinesien,d.h.unwillkürlichekomplexeBewegungendurchdas
sog.extrapyramidalemotorischeSystem;manunterscheidetFrühdykinesien,diebaldnach
Einnahmeauftreten,undSpätdyskinesien,dieu.U.erstnachJahrenauftreten);
28
-
Parkinsonoid:diessindBewegungsstörungen,wiesiebeiParkinson-Erkrankungvorkommen
(Zittern,kleinschrittigerGang,erhöhteMuskelspannung)
WeitereNebenwirkungenkönnensein:Gewichtszunahme,Hormonstörungen(z.B.kanndas
milch-förderndeProlaktinerhöhtsein),sexuelleFunktionsstörungen,Müdigkeit,Dysphorie
(missmutige-gereizteStimmung),seltenauchHerzrhythmusstörungen
DieAuswahldesgeeignetenMedikamentsistSachedesFacharztes.DieDauerderBehandlungwirdbeieinererstenEpisode(1.SchizophrenerSchub)über2Jahre,beimehrerenEpisodenübermindestens5Jahreempfohlen.WenneinMitteldefinitivnichtwirkt,mussauf
einanderesumgestelltwerden–frühestensnach6Wochen.
BeigeringerCompliance(Patientenzuverlässigkeitund–mitarbeit)gibtesMittel,diealssog.
Depot-Spritzeverabreichtwerdenkönnen.
ApparativeBehandlung
EKT(Elektrokrampftherapie)–vgl.S.8
WirdbeiSchizophrenieangewandt,wennandereBehandlungennichtwirkenundeineBehandlungdringlichist.BesondersbeiderkatatonenSchizophrenie(maximaleinnereErregungbeiäußererStarreundAnspannung–evtl.einlebensbedrohlicherZustand)istdieIndikationgegeben.WirdheutenurinKurznarkosemitMuskelrelaxationdurchgeführt.
TKMS(transkranielleMagnetstimulation)–vgl.S.8
DurchMagnetimpulsesollengestörteHirnfunktionenverändertwerden;alsIndikationgelten
andauerndeHalluzinationen.
PsychologischeBehandlung
Verhaltenstherapie(SchwerpunktpsychotherapeutischerVerfahren)
Psychoedukation,TrainingsozialerFertigkeiten,sozialesKompetenztraining(s.u.),TrainingkognitiverFunktionen,kognitiveVerhaltenstherapie,Angehörigenarbeit
PsychodynamischeVerfahren
Krankheitsbewältigung,KonfliktlösungimAlltag,Unterstützung,Bearbeitungproblematischerund
konflikthafterSituationen
Gesprächstherapie
Ergotherapie
andereFachtherapienz.B.Ergotherapie
Kreativtherapie,Beschäftigungs-undArbeitstherapie,Milieutherapie
BeispielsozialeKompetenz:Kontaktearrangieren,aufrechterhalten,beenden;Gesprächebeginnen,
führen,beenden-Unterbrechungenunterbinden;Sichentschuldigen,Schwächeneingestehen;Gefühleoffenzeigen;PersönlicheWünscheundBedürfnisseäußern-Nein-Sagen,wennmanneinmeint;Auf
Kritikreagieren,Konfliktelösen;Komplimentemachenundakzeptieren.
Soziotherapie
StrukturierungderUmgebung,InitiierungvonAngehörigengruppen,OrganisationderWohnsituation(betreutesWohnen,Übergangswohnheim,Langzeitwohnheim),Rechtsberatungin
sozialrechtlichenFragen(Erwerbsminderung,Schwerbehinderungu.a.),EinleitungvonRehabilitationsmaßnahmen-LeistungenzurTeilhabe(z.B.amArbeitsleben:Berufstrainingsmaßnahme,Umschulung,VermittlunginspezielleFirmen,geschützteWerkstatt).
AusführlicherimKapitel„PsychiatrieundsozialeArbeit“und„Rehabilitation“.
Behandlungsprobleme
DieCompliance(Patientenzuverlässigkeitund–mitarbeit)isthäufigeingeschränktwegen
mangelnderKrankheitseinsicht.DiestationäreWiederaufnahmeistoftFolgedeseigenmächtigenWeglassensderMedikation.
29
EinhäufigesBehandlungsproblemsindbegleitendeSuchterkrankungen.MissbrauchvonAlkohol(bei57%männlicherPatienten),Psychostimulantien,Benzodiazepinen,KaffeeundNikotinsowieHalluzinogenen(ca.1/3konsumierenillegaleRauschmittel).
Hauptursachederum1oJahrekürzerenLebenserwartungsindSuizide(ca.10%derErkrankten).BesondersbetroffensindmännlichePatientenjüngerenAlters.EinebesondereGefährdungbestehtkurznachderEntlassungausderstationärenBehandlung,wenndiePatienten
imRahmeneinerpostschizophrenenDepressionihreeigenenDefizitebesondersdeutlich
wahrnehmenundHoffnungslosigkeitverspüren.
ZwangsunterbringungensindebenfallseinhäufigeresBehandlungsproblemundverschlechterndiePrognose.IndiesemZusammenhangseiaufdieGrundsätzeimUmgangmiterregten
Patientenverwiesen(vgl.Folie54).
SozialeFolgen
DiesozialenFolgeneinerErkrankungausdemschizophrenenFormenkreissinderheblich.Die
StigmatisierungpsychischKrankenführtzusozialerIsolation,Arbeitsplatzverlustundsozialem
Abstieg.
InderfolgendenTabellewerdenPatientenmitSchizophreniemiteinerBevölkerungsgruppeohneSchizophrenieverglichenhinsichtlichsozialerParameter.
AusdiesenZahlenlassensichZieleundHandlungsfeldersoziotherapeutischerMaßnahmenableiten.
DasFührenvonKraftfahrzeugenistinderRegelbeidiesenKrankheitsbildernnichterlaubt,teilweiseauchwegenderMedikationswirkungen(„DieFahrerlaubnisistzuverweigernbeiPersonen,derenRealitätsurteilerheblichbeeinträchtigtoderderenallgemeineLeistungsfähigkeitunterdaserforderlicheMaßherabgesetztist“).
30
c.
Depression,AngstundZwangserkrankungen
Fallbeispiel:
Ein53-jährigerPatientkommtindiehausärztlicheSprechstundeundberichtetüberwiederholtauftretendeSchlafstörungen.DerPatientistVerwaltungsangestellterinderZentralstelleeinesSpeditionsunternehmens.EristverheiratetundhatzweiKinder,dieallerdingsschonnichtmehrimgemeinsamenHaushaltleben.SeineEhefrauistnichtberufstätig.
ImVerlaufeinesvorangegangenenGesprächeswirddeutlich,dassersichkaumnochüberEreignisseim
alltäglichenLebenfreuenkönne,unddassseinInteresseanDingen,dieihmfrüherFreudegemachthaben,
nachgelassenhabe.SeineEhefrauhabeihnauchschondaraufaufmerksamgemacht,dasserhäufig
schlechterStimmungsei.ImdarauffolgendenGesprächwerdendeutlicheBeeinträchtigungenderKonzentrationundeinerkennbaresNachlassendesAppetitsberichtet.DerPatientgibtüberdieseEinzelheiten
inleiserundweinerlichklingenderStimmeAuskunft.AufdieFrage,seitwannerdieseBeschwerdenindieserFormbemerke,gibtderPatientdenZeitraumvonetwa3bis4Wochenan.
Epidemiologie
Depression
Angststörungen
Zwangskrankheit
Punktprävalenz
7%
7-9%
?
Lebenszeitprävalenz
15-25%
15%
1-3%
Inzidenz(jährlich)
2%
?
?
DieAngabenschwankeninderLiteraturstark.Beiüber65-JährigenistdiePrävalenzfürDepressionenmit25%deutlichhöher.InSeniorenheimenschätztmandieHäufigkeitaufbiszu40%.
Frauenerkrankendoppeltsohäufig,ebensobeiAngststörungen.DiemeistenDepressionenbeginnenzwischendem30.Und40.Lebensjahr,einzweiterHäufigkeitsgipfelliegtjenseitsdes60.
Lebensjahres(Altersdepression).
BeiAngststörungenistdieHäufigkeitunterschiedlichentsprechendderArtderStörung(Panikstörungca.3,6%,einfachePhobieca.9%,sozialePhobiebis16%-Lebenszeitprävalenzen).StatistikenfürdieUSAweiseneineLebenszeitprävalenzbiszu25%aus.EinendifferenziertenÜberblick
erhältmanunter:http://www.panikattacken.at/angst-daten/angst-daten.htm.
Zwangsstörungensindseltener,derErkrankungsbeginnliegtfrüher,bei2/3lassensichretrospektivbereitsinderPubertätleichteZwangssymptomenachweisen.EpidemiologischeAngaben
beiZwangsstörungensindunsicher.EineZwanghaftePersönlichkeit(„Zwangscharakter“)disponiertnichtzurZwangsstörung!
DEPRESSION
KrankheitsbildundEinteilung
DieDepressionalsKrankheitsbildzeichnetsichdurchdieUnfähigkeitaus,GefühlewieTraueroderFreudeüberhauptempfindenzukönnenundaufZuwendung,Anregung,Aufmunterungoder
Kontaktvonaußenpositivreagierenzukönnen,fernerauchdurchdasGefühlderinnerenErstarrtheitunddurchdieErschwernisbzw.dieUnfähigkeit,denüblichenLebensvollzügennachkommenzukönnen.TraurigkeitisthäufigeinTeileinesdepressivenZustandsbildes,typischerist
jedochdiequälendeinnereHerabgestimmtheit,einhergehendmitFreudlosigkeit,NiedergeschlagenheitundBedrücktheit.HinsichtlichseinesDenkensunterscheidetsichderdepressiv
KrankevomgesundenMenschenimWesentlichendurcheineEinengungaufnegativeErlebensaspekte,nämlichaufGedankenvonLeistungsunfähigkeit,Wertlosigkeit,Versagen,Sinnlosigkeit,
31
VerlustderkörperlichenGesundheitundIntegrität.DieseDenkinhaltekönnensichimEinzelfall
zurwahnhaft-depressiven,unkorrigierbarenÜberzeugungsteigern,nämlichderschuldigste,
schlechteste,unfähigste,sündhaftesteoderkränkesteMenschüberhauptzusein:“Ichkann
nichts,ichbinnichts,keinermagmich,daswarschonimmerso,daswirdsichniemehrändern,
eshatgarkeinenSinn,dassichmichbemühe,wennesmichnichtmehrgibt,fälltesgarnicht
auf,dasBesteist,ichbringemichum”.
HinzukommenMerk-undKonzentrationsstörungen,diekeinenHinweisaufhirnorganische
ErkrankungdarstellenundhäufigmiteinemlangsamenundmühsamenDenken,einem
HängenbleibenanGedanken,dieimmerumdiegleicheThematikkreisenundmitder
UnfähigkeitzurEntscheidungverbundensind.GedankenvonHoffnungs-undHilflosigkeit,führen
überdenWunschnachRuhe,nachPauseimLeben,überTodeswünschehinzukonkretenSuizidideenund-absichten.
HinsichtlichderkörperlichenVitalitätbeschreibensichDepressivealsenergie-undkraftlos,
raschermüd-underschöpfbar,wobeioftmalsüberStörungenderLeibgefühle,alsoder
EmpfindungenfürdeneigenenKörper,geklagtwird,z.B.Kopfdruck,DruckhinterdenAugen,
DruckimBrustkorbwievoneinemschwerenStein,EngegefühlewievoneinemReifenoderdiffuseSchweregefühle.FastimmersindSchlafstörungenvorhanden,neben
EinschlafstörungenauchderzerhackteoderderverkürzteSchlafmitdemmorgendlichen
FrüherwachenohnedasGefühldesErholtseins.WeitereKennzeichensindAppetitlosigkeitund
Gewichtsverlust,LibidostörungenundsexuelleStörungen.
Lust-undAntriebslosigkeitsindmeistmiteinersichtbarenStörungderPsychomotorik
verbunden,derPatientwirktverlangsamt,zeigtwenigMimikundGestikbishinzurvölligenErstarrtheit.BeideragitiertenDepressionkommteszumGegenteil:eineäußere
UmtriebigkeitundziellosesUmherlaufenistmeistverbundenmitinnererUnruheundAngst.
StimmungundAntriebsindhäufigindenMorgenstundenschlechteralsimweiterenTagesverlauf.
Diagnose
VoneinerDepressionsprichtman,wenn2derfolgendenHauptsymptomeundmindestens1weiteresSymptomüber2Wochenkonstantvorhandensind.
Hauptsymtpome:
1. GedrückteStimmung
2. Interessenverlust/Freudlosigkeit
3. VerminderungdesAntriebs
WeitereSymptome
4. Konzentration/Aufmerksamkeitsverlust
5. VerlustvonSelbstwertgefühl/-vertrauen
6. GefühlvonSchuld/Wertlosigkeit
7. Negative/PessimistischePerspektive
8. Suizidgedanken/-handlungen
9. Schlafstörung
10. VerminderterAppetit
Häufige,jedochunspezifischeSymptome
11. Libidominderung(sexuellesDesinteresse)
12. Insuffizienzerleben/Angst
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13. psychomotorischeStörungen
14. körperlicheSymptome
FormenundUrsachen
DepressiveEpisodenwerdennachICD-10inleichte,mittelschwereundschwereEpisodenaufgeteilt(imDSM-IVteiltmanin„minordepression“und„majordepression“auf).
WenneinerdepressivenEpisodebereitseinmalimLebeneinesolcheEpisodevorausgegangen
ist,sprichtmanvonrezidiverender(wiederkehrender)depressiverStörung.
DieepisodenhafteDepressionistdiehäufigsteForm.DanebengibtesdieüberJahrehinwegzunehmendedepressiv-mürrischeVerstimmtheit,diemanalsDysthymiebezeichnet.Fürdiese
Form(früherauchalsneurotischeDepressionbezeichnet)machtmankonflikthafteLebenssituationenverantwortlich,dieFolgeinnererWidersprüchlichkeitensind.
DepressionenimRahmeneinerbipolarenStörungsindursächlichvondenübrigendepressiven
Störungenzutrennen.BeidenbipolarenStörungenwechselnsichmanischeunddepressivePhasenab.DieseStörungensindvorwiegenderblichbedingt.DieBehandlungderbipolarenStörung
unterscheidetsichvonderBehandlungder„reinen“Depressionen(vgl.auchAbschnittd.).
FürdieepisodenhafteDepressionwirdeinmultifaktoriellesUrsachenmodellbetrachtet:
EineerhöhteAnfälligkeitfürDepressionenentstehtdurchdievererbte
Neigung,frühePrägunginderFamilie(Erziehungsstil)undVerlusterfahrungeninfrühenLebensjahren.
DieAuslösereinerDepressionsind
dannaktuelleBelastungen(Krankheit,Überforderung,Stress)oder
chronischeBelastungen(berufliche
oderfamiliäre/privateSituation).
AuchbelastendeLebensereignisse
(„lifeevents“)sindalsAuslöserhäufig.
DasModellbasiertaufdemVulnerabilitäts-Stress-ModellderStressforschung.
RisikofaktorenimSinnediesesModellssindfolgendeSituationen:
•FrüheredepressiveEpisoden
•Substanzmissbrauch
•BelastendeLebensereignisse,Traumata
•KörperlicheErkrankungen
•Single
•FehlendesozialeUnterstützung
•AngstinderVorgeschichte,besondersVerlustängste
•hormonell:WochenbettunddieZeitdanach,Klimakterium
•HöheresAlter
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•NiedrigesozialeSchicht
•WeiblichesGeschlecht
•VerlusteinesElternteilsvordem10.LebensjahrundandereBelastungeninderKindheit
InderDepressionsinddieÜberträgerstoffeSerotoninundNoradrenalininbestimmtenRegionen
desGehirnsvermindert.DiesistjedocheherFolgeundnichtUrsacheeinerDepression.AusdieserErkenntnisergibtsichdennochderBehandlungsansatzmitneuerenAntidepressiva(densog.
Serotonin-bzw.Noradrenalinwiederaufnahme-Hemmern).
BehandlungundVerlauf
DiemeistendepressivenEpisodenklingenauchohneBehandlungab.AllerdingsdauertdiesunwägbarlangeunddieGefahrderSuizidalitätsteigt–abgesehenvomLeidenderBetroffenen.Die
RückbildungeinerDepressiondauertinderHälftederFällebiszu6Monate,in25-30%derFälle
biszueinemJahrundimRestderFällelängeralseinJahr.Beietwa10%derBetroffenenbesteht
dieDepressionübermehrereJahrefort.
DepressionsbehandlunghatdasZiel,depressivePhasenabzukürzenunderneutePhasenzuverhindern.FerneristSuizidprophylaxeeinwesentlichesZiel.
DasBehandlungskonzeptumfasst:eigeneAktivitäten,Psychotherapie,Medikamente
Ø beileichterEpisodemeistkeineMedikamenteerforderlich,
Psychotherapiemeistsinnvoll
-Hausarzt,Psychotherapeut,Reha
Ø beimittlererundschwererD.medikamentöseBehandlungerforderlichggf.zusätzlich
Psychotherapie
-Facharzt,Psychotherapeut,Reha
Ø beischwersterD.oderakuterSuizidgefährdungstationäreBehandlungerforderlich
-psychiatrischeBehandlung
NachBesserung:EntscheidungüberdieweitereBehandlung(Medikamente,Psychotherapie)und
UmsetzungvorbeugenderStrategien.
EigeneAktivitäten
körperlicheAktivitäten
Sport,Ausdauertraining
sozialeKontakteundUnterstützung
Freunde,Verein,Gespräche,Aufgaben,
Partner,Angehörige
gedanklicheStrategien
DurchbrechennegativerGedankenzirkel
positiveBewertungkleinerSchritte
korrigierennegativerVerallgemeinerungen
kein„Alles-oder-Nichts-Denken!“
strukturieren
z.B.durchWochenpläne
Eintragungvon(kleinen)Erfolgen
undVergnügen
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Psychotherapie
Formen,ZieleundStrategien:
Einzel-oderGruppentherapie
VorteilederGruppentherapie:sozialeUnterstützung,Erfahrung,dassmannichtalleinsteht
ErkennenvonKonflikten,Enttäuschungen,Kränkungen,Verlusten
ErarbeitenvonProblemlösungen
VerbesserungenderSelbstwahrnehmung,Selbsterkenntnis
ErkennennegativerDenkmuster,EntwicklungalternativerDenk-undHandlungsmuster
AnalyseundVerständnisderaktuellenLebenssituationvordemHintergrunddereigenenLebensgeschichte
AktivierungundStrukturierung
vertrauensvolleBegleitungdurchTherapeutundGruppe
Medikamente(Antidepressiva)
„klassische“AD(sog.trizyklischeAD)
Saroten,Aponal,Stangyl,Equilibrin,Sinquan
neuereAD:Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer
Fluctin(=Fluoxetin),Cipramil,Sepram,Fevarin,Fluvohexal,Seroxat,Tagonis
neuereAD:Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
Edronax
neuereAD:SerotoninundNoradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
Trevilor,Remergil
andereAntidepressiva
Dogmatil,Meresa,Neogama,Johanniskraut(Jarsin,Laif,Neuroplant,Remotivu.a.)
BehandlungsgrundsätzemitAntidepressiva:
- NurderArzt(Facharzt)kannentscheiden,welchesMedikamenteingesetztwerden
sollte.
- LangsameDosissteigerungbiszumEintritteinerausreichendenWirkung,dievolle
Wirkungsetzterstnach3-6Wochenein.
- AuchbeieinerDosisänderungkannderEffekterstnacheinigenWochenabgeschätzt
werden.
- Wennnach6WochenkeineausreichendeWirkungeintritt:EntscheidungdesArztes,
obdasPräparatgewechseltwerdenmuss.
- BeiausreichenderWirkung:FortführungderBehandlungmindestensfür6Monate.
- NieeigenmächtigdieDosisändern,dieskannnochWochenspäterzuRückschlägen
führen!
- BeiBesserung:aufkeinenFalldasMedikamentunvermitteltabsetzen!
- BeiBedenkengegendieBehandlungunbedingtmitdemArztsprechen.
- BeieinerVorgeschichtewiederkehrenderDepressionenFortführungderBehandlung
übermehrereJahre.
MöglicheNebenwirkungen:Mundtrockenheit,Übelkeit,Kopfschmerzen,SchläfrigkeitamTage,
VerstopfungoderDurchfall,verschwommenesSehen,ProblemebeimWasserlassen,sexuelle
Funktionsstörungen,Gewichtsschwankungen(Zu-oderAbnahmemöglich).
AlleNebenwirkungenklingennachAbsetzenderMittelwiederab!
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WeitereBehandlungsoptionen
Schlafentzug:wirksameBehandlungsmethode,allerdingsklingtderEffektklingtraschwiederab,
wenndieMethodenichtdurchgehaltenwird;sieistambulantkaumpraktikabel.
Elektrokrampftherapie:istnurbeischwerstenDepressionenmitWahnvorstellungenangezeigt,
dannjedochsehreffektiv(DurchführungnurinNarkose!)
TranskranielleMagnetstimulation:bisherwenigerprobtesVerfahren,offensichtlicheffektiv,
anwendbarbeischwerenundschwerstenDepressionen.
Lichttherapie:nursinnvollbeisaisonalen(lichtabhängigen)Depressionen,beitäglicherAnwendungdanneffektiv.
Behandlungsprobleme
SuizidalitätistdasHauptproblem.Dieswirdausführlicherweiterunten(PsychiatrischeNotfälle
undSuizidalität)erläutert.DasRisikofürSuizidsteigtbeiDepressionenunterfolgendenBedingungen:
starkeAngst,anhaltendeSchlaflosigkeit,Unfähigkeit,Freudezuempfinden,Hilf-undHoffnungslosigkeit,Impulsivität,Substanzmissbrauch(z.B.Alkohol),höheresAlter,frühereSuizidversuche,Häufung
vonSuizidenundSuizidversucheninderFamiliedesDepressiven,Partnertrennung.
AbhängigkeitundSuchtkommenhäufigervor.SiesindmeistdasErgebnisvonSelbstbehandlungsversuchenmitAlkoholoderBeruhigungsmitteln.
Complianceprobleme:dashäufigsteBehandlungsproblemistdaszufrühe(eigenmächtige)WeglassenderMedikation.VielePatientendenken,wennesIhnenwieder(einigermaßen)gutgeht,
siebenötigtendieMedikamentenichtmehr.DaAntidepressivalängereZeitbiszumvollenWirkungseintrittbenötigen,klingtauchderenWirkungnurlangsamab.NachWeglassenderMedikamentegehtzunächstallesgut,nach4-6WochenkommtdieDepressionjedochzurück,oftso
heftig,dassderSuizidfolgt.ÜberdaslangsameAbsetzenderMedikationsolltestetsmitdem
Facharztgesprochenwerden.InjedemFallmussdieMedikationnocheinigeZeitfortgesetzt
werden,wennBesserungeingetretenist.
ANGSTSTÖRUNGEN
Fallbeispiel:generalisierteAngststörung
FrauH.,37Jahrealt,verheiratetmiteinemAußendienstmitarbeiter,MuttervonzweiVorschulkindernund
seiteinemJahrhalbtagsberufstätig,machtsichständigwechselndeSorgen:obsieHaushalt,KinderbetreuungundBerufaufDauerohneÜberforderungbewältigenkönne;obdemGattenbeiseinentäglichen,
beruflichveranlasstenReisennichtdocheinmaletwaspassierenkönnteoderihmseineungesundeund
unregelmäßigeErnährungnichteinmalschadenkönnte;obdieKinderwährendihrerArbeitszeitvonihrer
Mutterwirklichausreichendbetreutwerden;obsienichtimFalleeinerGrippederKinderdurcheinennötigenPflegeurlaubvonderKündigungbedrohtseinkönnte;obsiebeiihrenSchlafstörungennichteinmal
ausKonzentrationsmangeleinengröberenFehlerinderArbeitmachenkönnte;obsienichtwegendes
starkenVerkehrsöfterverspätetindieArbeitkommenkönnteunddannmitKritikvonseitenihresChefs
rechnenmüsste;obtatsächlichgenugGeldvorhandenist,umnachdenVorstellungendesGatteneinen
Hausbauzuwagen;obsiesichdanebenwirklichauchnocheinAutofürdieFahrtzurArbeit,einebessere
WaschmaschineundeinenneuenOfenleistenkönne;obihrgeliebterherzkrankerVaternichtbaldsterben
könnte,weilerzuletztöfterimKrankenhauswar.
Fallbeispiel:Panikattacken
KarinS.saßinderU-Bahn,alsdiePaniksiezumerstenMalüberfiel:„NachdemdieTürzuging,fingmein
Herzanzurasen.MeinPulsstiegsofortindieHöhe.IchbekamkeineLuftmehr.Ichhabegedacht,icher-
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sticke.AmganzenKörperliefmirderSchweißrunter,abergleichzeitighabeichgefroren.Ichwussteüberhauptnicht,wasmitmirloswar.IchwolltenurnochrausausderUBahn.“
Fallbeispiel:sozialePhobie
HerrM.,ca.40Jahrealt,zeigtFurchtvornichtkontrollierbarenGruppensituationen.DieSymptomedafür
tretenbeiihminderAdoleszenzauf,ca.mit16Jahren.ErvermeidetbestimmteSituationen,speziellsozialeSituationen,wiez.B.spontaneAusflügemitdenKollegenoderirgendwelche„Partyspiele“.Schonlange
imVorausgrautesihmvorsolchenAnlässen.MartinöffnetsichlediglichinseinemvertrautenUmfeld.
Fallbeispiel:Prüfungsangst
BeiFrank,15Jahre,trittdiePrüfungsangstbereitsinderGrundschuleauf,inder7.Klassehatererstmals
körperlicheBeschwerden.ErkanntagelangvorPrüfungennichtschlafenundlernen,wasdazuführt,dass
ernichtvorbereitetist(Teufelskreis).HinzukommtÜbelkeit,erisstkaumnochwasundamTagderPrüfungbleibterwegenKrankheitzuHause.
KrankheitsbildundEinteilung
AngstgehörtzumnormalenRepertoiremenschlicherGefühle,siehateineSchutzfunktionund
warntunsvorGefahren.WennwirkeineAngstempfindenwürden,würdenwirunsständigverletzenundinGefahrbringen.Die„normaleAngst“nenntmanauchRealangst.Dasbedeutet,
dassdasAusmaßderAngstdemAnlassentspricht,dasAngstgefühlistangemessenundfürjeden
nachvollziehbar.
EindemAnlassnichtmehrentsprechendes,gesteigertesAngstgefühlnenntmanPathologische
Angst.Sieerscheintals„übertriebeneAngst“,dieunangemessend.h.übertriebenstarkauftritt.
PathologischeAngstkannauchohnesichtbarenäußerenAnlassauftreten.DannistesofteininnererAnlass,derauchunbewusstseinkann,welchesAngstoderAngstphantasienauslöst.
EinallgemeinesAngstgefühlisthäufigungerichtet,essignalisiertebenGefahrundlösteine
Alarmbereitschaftaus.
OftrichtetsichAngstauchgegenetwasganzKonkretes,diesnenntmanFurcht.Diesistzunächst
ebenfallsetwasNormales(dieFurchtvoreinembissigenHundistsehrsinnvoll!).EineFurcht,die
inihremAusmaßdemAnlassnichtangemessenerscheint,heißtdannPhobie.MitanderenWorten:einePhobieistgerichtetepathologischeAngst.PhobienbestehenvorkonkretenSituationen
oderPersonen;objektivgesehenbestehtjedochkeinGrundzurFurcht.DieBetroffenenwissen
dieseigentlich,könnenesjedochnichtkontrollierenundentwickelneinVermeidungsverhalten.
OftistdasVermeidungsverhaltendaseigentlicheProblem.ObeinePhobiebehandeltwerden
muss,richtetsichnachdenausdemVermeidungsverhaltenresultierendenEinschränkungenund
demdamitverbundenenLeidensdruck.
PanikattackensindanfallsartigauftretendeÄngste,diesich(manchmalausschließlich)inkörperlichenSymptomenäußern,diealsbedrohlicherlebtwerden(Herzversagen,Erstickung…).Esist
selten–meistnurbeiBeginnderStörung–einäußererAnlasszuerkennen,meisttrittdiePanikattacke„ausheiteremHimmel“auf.ManchmalwirddieAngstalssolchegarnichtgespürt,im
VordergrundstehendannkörperlicheSymptomewieHerzjagenundsubjektivempfundeneLuftnot.Letzterekannaucheine„Hyperventilation“(zustarkeAtmung)auslösen,wasweitereSymptomezurFolgehat:KribbelnumdieLippenundindenExtremitäten,SchwindelundÜbelkeit,
VerkrampfungenderMuskulatur.DieseSymptomekönnenalssobedrohlicherlebtwerden,dass
häufigderNotarztoderdieNotaufnahmedesKrankenhausesinAnspruchgenommenwird.Die
DauereinerPanikattackekannvonwenigenMinutenbiszueinerhalbenStundegehen(längerist
selten!).
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GeneralisierteÄngste:durchgängigvorhandene(pathologische)Ängste,dieentwederumkonkrete,oftwechselnde,abernichtbegründeteBefürchtungenkreisenoderalsdiffusesAngstgefühlkaumfassbarsind(„freiflottierendeÄngste“).Diffuse,generalisierteÄngsteführenstetszu
starkenEinschränkungenimAlltagsvollzug.
Diagnose
DieDiagnosevonAngststörungenbereitetinderRegelkeineProbleme.Gelegentlichistunklar,
wodieGrenzevonRealangstzupathologischerAngstliegt.AuchgibtesMenschen,dievomCharakterher„übertrieben“ängstlichsind.InwieweitÄngsteunangemessengroßsind,lässtsichan
evtl.EinschränkungenimAlltagerkennen.
Panikattackenwerdenallerdingshäufigverkannt,wennkörperlicheSymptomeganzimVordergrundstehen.NichtseltenführtdieszurAbklärungbeimKardiologen(Herzspezialist).Phobien
werdenmanchmalverheimlicht,weilesdenBetroffenenpeinlichist,weilsiediePhobieals
Schwächeoder„Macke“empfinden.DabeisindPhobienausgeprochenhäufig.DiemeistenPhobienmüssennichtbehandeltwerden(s.u.).
AnsonstenwerdenÄngstemeistohneHemmungundausführlichgeschildert.DieNaturder
Angstbringtesmitsich,dassdieMenschendarüberreden(wollen).
Angststörungensindabzugrenzenvonder„Ängstlich-vermeidendenPersönlichkeitsstörung“,bei
derGefühlevonAnspannungundBesorgtheit,UnsicherheitundMinderwertigkeitcharakteristischsind.AuchbestehteineÜberempfindlichkeitgegenüberZurückweisungundKritik(vgl.auch
Persönlichkeitsstörungenweiterunten).
CharakteristischfürAngststörungenistsehrhäufigeinTeufelskreisausAngst,körperlichenSymptomenundVermeidungsverhalten.
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DurchdiesenTeufelskreisverstärkensichkörperlicheundseelischeSymptomegegenseitig.Ein
besonderesProblemstelltdie„AngstvorderAngst“dar,diebeiPanikattackenauftritt.Diedurch
körperlicheSymptomeverstärkteAngstwirdzurErwartungsangst:nichteinemöglichePanikattackeselbstistdanndasProblem,sonderndieängstlicheErwartung,wannwohldienächsteAttackeauftretenwird.
Panikstörung– Teufelskreis
Panikattackenwerdenkörperlichalssehrbedrohlicherlebt.In
derFolgebeherrschtnichtdieursprünglicheAngst,sonderndie
AngstvordernächstenAttackedieBetroffenen:dieANGSTvor
derANGST.
es entsteht die Angst
davor, wieder eine Attacke
zu erleiden
Erwartungsangst
Körpersymptome
„Angst vor der Angst“
Körpersymptome werden
als bedrohlich erlebt und
verstärken die Angst
FormenundUrsachen
DieverschiedenenAngstformenwurdenbereitserwähnt.HierwirddieSystematikdesICD-10
dargestellt:
PhobischeStörungen
sindeineGruppevonStörungen,beiderAngstausschließlichoderüberwiegenddurcheindeutigdefinierte,eigentlichungefährlicheSituationenhervorgerufenwird.InderFolgewerdendieseSituationentypischerweisevermiedenodermitFurchtertragen.DieBefürchtungendesPatientenkönnensichaufEinzelsymptomewieHerzklopfenoderSchwächegefühlbeziehen,häufiggemeinsammitsekundärenÄngsten
vordemSterben,KontrollverlustoderdemGefühl,wahnsinnigzuwerden.AlleindieVorstellung,dassdie
phobischeSituationeintretenkönnte,erzeugtmeistschonErwartungsangst.
Agoraphobie
KennzeichnendsindBefürchtungen,dasHauszuverlassen,Geschäftezubetreten,inMenschenmengenundauföffentlichenPlätzenzusein,alleinemitBahn,BusoderFlugzeugzureisen.EinePanikstörungkommtalszusätzlichesMerkmalhäufigervor.DepressiveundzwanghafteSymptomesowiesozialePhobiensindalsweitereMerkmaleebenfallshäufigvorhanden.DieVermeidungderphobischen
SituationstehtoftimVordergrund,undeinigeAgoraphobikererlebennurwenigAngst,dasiedie
phobischenSituationenmeidenkönnen.
SozialePhobien
FurchtvorprüfenderBetrachtungdurchandereMenschen,diezuVermeidungsozialerSituationen
führt.UmfassenderesozialePhobiensindinderRegelmitniedrigemSelbstwertgefühlundFurchtvor
Kritikverbunden.SiekönnensichinBeschwerdenwieErröten,Händezittern,ÜbelkeitoderDrangzum
Wasserlassenäußern.DabeimeintdiebetreffendePersonmanchmal,dasseinesdieserFolgesymptomederAngstdasprimäreProblemdarstellt.DieSymptomekönnensichbiszuPanikattackensteigern.
39
Spezifische(isolierte)Phobien
Phobien,dieaufengumschriebeneSituationenwieNähevonbestimmtenTieren,Höhen,Donner,
Dunkelheit,Fliegen,geschlosseneRäume,UrinierenoderDefäkierenauföffentlichenToiletten,GenussbestimmterSpeisen,ZahnarztbesuchoderaufdenAnblickvonBlutoderVerletzungenbeschränkt
sind.ObwohldieauslösendeSituationstrengbegrenztist,kannsiePanikzuständewiebeiAgoraphobie
odersozialerPhobiehervorrufen.
AndereAngststörungen
BeidiesenStörungenistdasHauptsymptome„Angst“nichtaufeinebestimmteUmgebungssituationbezogen.DepressiveundZwangssymptome,sogareinigeElementephobischerAngstkönnenvorhandensein,
vorausgesetzt,siesindeindeutigsekundäroderwenigerausgeprägt.
Panikstörung(Angstanfälle)
DaswesentlicheKennzeichensindwiederkehrendeschwereAngstattacken(Panik),diesichnichtauf
einespezifischeSituationoderbesondereUmständebeschränkenunddeshalbauchnichtvorhersehbarsind.WiebeianderenAngsterkrankungenzählenzudenwesentlichenSymptomenplötzlichauftretendesHerzklopfen,Brustschmerz,Erstickungsgefühle,SchwindelundEntfremdungsgefühle(DepersonalisationoderDerealisation).OftentstehtsekundärauchdieFurchtzusterben,vorKontrollverlustoderdieAngst,wahnsinnigzuwerden.
WenngleichzeitigeineDepressionvorliegt,könnenPanikattackensekundäreFolgederDepression
sein.
GeneralisierteAngststörung
DieAngstistgeneralisiertundanhaltend.SieistnichtaufbestimmteUmgebungsbedingungenbeschränkt,oderauchnurbesondersbetontinsolchenSituationen,sieistvielmehr"freiflottierend".Die
wesentlichenSymptomesindvariabel,BeschwerdenwieständigeNervosität,Zittern,Muskelspannung,Schwitzen,Benommenheit,Herzklopfen,SchwindelgefühleoderOberbauchbeschwerdengehörenzudiesemBild.HäufigwirddieBefürchtunggeäußert,derPatientselbstodereinAngehöriger
könntendemnächsterkrankenodereinenUnfallhaben.
AngstunddepressiveStörung,gemischt
NichtseltenbestehenvonAngstundDepressiongleichzeitig,ohnedasseinederbeidenStörungen
eindeutigvorherrscht.IneinemsolchenFallstelltmandiese„Mischdiagnose“.
DieUrsachenvonAngststörungenliegeninderRegelinfrühkindlichenPrägungenundEreignissenderLebensgeschichte.AuchkörperlicheKrankheitenkönnenursächlichsein.Vererbung
spielteineuntergeordneteRolle.
FrühkindlichePrägung
ängstlicheBezugspersonen:
wennBezugspersonenübertriebenängstlichsind,werdenderenVerhaltensweisenoftunmerklich
aufdasKindübertragen;dasKind„verinnerlicht“EigenschaftenderBezugspersonen.
-
ErlernenvonangstverstärkendenVerhaltensmusterninderUrsprungsfamilie
frühesErlernenvonVermeidungsverhalten,SanktionenbeirisikofreudigemVerhalten,Belohnung
einesangepasstenund„folgsamen“Verhaltensusw.
-
fehlendesErlernenderBewältigungvonKonfliktenoderschwierigenLebenssituationen:
KonfliktvermeidungundfehlendeKonfliktlösungen,„Verinnerlichung“vonKonfliktenmitBezugspersonen(z.B.restriktivesVerhalteninder„Trotzphase“desKindes),keineUnterstützunginder
BewältigungschwierigerLebenssituationen(z.B.SchwellensituationenwieKindergarten-oder
Schuleintritt),keinebeispielhaftenKonfliktlösungenbeiKonfliktenmitAußenstehenden.
Lebensereignisse
Traumatisierungen
seelischeund/oderkörperlicheVerletzungen,Missbrauch,Gewalterfahrungen
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-
Trennungserlebnisse
VerlustvonSicherheitgebendenPersonenoderSituationen
-
Überforderung,Anpassungsprobleme
häufigeUmzüge,unsichereWohnverhältnisse,ökonomischeBedrohungusw.
körperlicheAuslöser
Hormonstörungen
z.B.Schilddrüsenüberfunktion
BehandlungundVerlauf
AnersterStellestehenpsychotherapeutischeBehandlungsoptioneninFormdertiefenpsychologischfundiertenPsychotherapie(bzw.Psychoanalyse)oderderVerhaltenstherapie.
TiefenpsychologischePsychotherapie
Istdannangezeigt,wenn(ungelöste)KonfliktsituationenimSinneneurotischerKonflikteAuslöser
derStörungsind.DieKonflikttheoriederTiefenpsychologiebesagtzusammengefasstfolgendes:
UrsprünglicheKonfliktemitfrühenBezugspersonenwerdendurchWiederholungbzw.Unlösbarkeitverinnerlicht,siewerdenzuinnerenKonflikten.InnereKonfliktesindzumeistsog.Ambivalenzkonflikte,d.h.eininneresHin-und-her-gerissenseinzwischenzweigegensätzlichenWünschenoderBedürfnissen.WennhintereinemdieserKonfliktpoleeinalsunangemessenerlebter
Wunschsteht,wirddieserverdrängt.DurchVerdrängungentstehtderneurotischeKonflikt.
WennimweiterenLebeneineSituationeintritt,dieandiedamaligeSituationerinnert,inderein
TeildesKonfliktsverdrängtwurde,sprichtmanvonReaktivierungdesKonflikts.DiedemKonflikt
innewohnendeSpannungführtdannzurSymptombildung.
ZieltiefenpsychologischerPsychotherapieistes,denverdrängtenKonfliktzuentdecken,ihn
sichtbarzumachen,d.h.demBewusstseinseinzugänglichzumachenundeine„reife“Konfliktlösungzuerarbeiten.Sobalddieserreichtist,verschwindetdieAngstodergehtstarkzurück.
Verhaltenstherapie(VT)
DiefolgendeTabellegibteinenÜberblicküberMethodenderVerhaltenstherapie:
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Wennerlernte(angstbesetzte)Verhaltensmusterbzw.frühkindlichePrägungenalsUrsachein
Fragekommen,sindverhaltenstherapeutischeTechnikenerfolgversprechend.BewährteTechnikensindz.B.kognitiv-behavioraleVT,Desensibilisierung,Reizkonfrontation.EineÜbersichtzeigt
dieobigeTabelle(GAS=generalisierteAngststörung).
→ ZuEinzelheitenderpsychotherapeutischenVerfahrenseiAufdieVorlesung„PsychodiagnostikundPsychotherapie“desWintersemestersverwiesen.
Medikamente
Spezifische„Angstmedikamente“existierennicht.BeiAngstattackenwerdenmeistBeruhigungsmittel(Tranquillizer)vomTypderBenzodiazepine(Beispiel:Valium,Tavor)gegeben,die
durchallgemeineBeruhigungauchAngstgefühlereduzieren.Wieobenbereitsdargestellt,haben
dieseMitteleinerheblichesSucht-undAbhängigkeitspotential.Manchmalgenügtesauch,wenn
PatientenfürdenNotfalleine„Pille“inderTaschehaben.AlleindiesberuhigtoftunddieHäufigkeitvonPanikattackennimmtab,weildie„AngstvorderAngst“dadurchgeringerwird.
Beischweren,längerbestehendenAngststörungenkommenMedikamenteinFrage,dieauchbei
Depressioneneingesetztwerden.DiessindjedochnichtdieklassischenAntidepressiva,sondern
neuereSubstanzen,diesowohlantidepressivwieauchAngstlösendwirken(Wirkstoffbeispiele:
Citalopram,Doxepin,Opipramol,Venlafaxin).EinAbhängigkeitspotentialbestehtnicht.DieBehandlungmussvoneinemerfahrenenFacharztüberwachtwerden.DieseMedikamentesindbesondersdannsinnvoll,wenngleichzeitigeineDepressionbesteht–wasnichtseltenderFallist!-,
odereinegemischteStörung(AngstundDepression,gemischt–s.o.,ICD-10)vorliegt.
Entspannungsverfahren
EntspannunglöstAngst.AllerdingskönnensuggestiveVerfahren(Beispiel:autogenesTraining)
beidafürempfänglichenMenschenauchÄngsteverstärken.ImautogenenTrainingistdieInnenwahrnehmunggesteigert,wasgelegentlichKörpersymptomeundfolgendÄngstestärkererscheinenlässt.
IndiesemFallwärealsEntspannungsverfahrendieProgressiveMuskelrelaxationnachJacobson
zuempfehlen.
AndereEntspannungsverfahren(z.B.Imaginationsübungen)könnenebenfallsangewandtwerden.
TippsfürBetroffene
SowieeigeneAktivitätenbeiDepressioneneinwichtigesBehandlungselementsind,sosinddie
folgenden10TippsfürPatientenmitAngststörungenofthilfreich:
1. AngstgefühleunddabeiauftretendekörperlicheSymptomesindverstärktenormale
Stressreaktionen
2. AngstreaktionensindnichtschädlichfürdieGesundheit
3. VerstärkenSieAngstreaktionennichtdurchfurchterregendePhantasievorstellungen
4. BleibenSieinderRealität;beobachtenundbeschreibenSieinnerlich,wasumSieherum
wirklichgeschieht
5. BleibenSieinderSituation,bisdieAngstvorübergeht
6. BeobachtenSie,wiedieAngstvonalleinewiederabnimmt
7. VermeidenSiedieAngstsituationennicht!
8. SetzenSiesichbewusstSituationenaus,dieIhnenAngstmachen:dosiertundinkleinen
Schritten
9. SeienSiestolzaufErfolge,auchaufdiekleinenErfolge!
10. NehmenSiesichinAngstsituationenZeit
42
Behandlungsprobleme
DieBehandlungserfolgesindgut:10-30%werdenvollkommengesund,50-80%erlebeneine
deutlicheBesserung.
BehandlungsproblemeergebensichoftausdemVermeidungsverhalten,welcheshäufigzusozialemRückzugführt.WenngleichzeitigeineDepressionbesteht,wirddiesehierdurchverstärkt
undesbestehtdieGefahrvonSuizidalität.
NebeneinerDepressionalsBegleiterkrankungbestehthäufigdanneineSuchtgefährdung,wenn
häufigerBenzodiazepineeingenommenwerden.
ZWANGSSTÖRUNGEN
Fallbeispiel
Eine21-jährigePatientinstelltsichinBegleitungihrerMutterinderAmbulanzeinerKlinikfürPsychiatrie
undPsychotherapievor.DerPatientinistesoffensichtlichsehrunangenehm,überihreBeschwerdenzu
berichten.Zögerlich,denBlickaufdenBodengerichtetäußertsieschließlich,dasssieseitetwasechsMonatenkaumnochaußerHausgehe,weilsiebefürchte,sichmitdemHI-Viruszuinfizierenbzw.infiziertzu
haben.AusAngstvorAIDSkönnesieauchniemandenindieWohnunghereinlassenundmüssemehrmals
täglichduschen,umsichzureinigen.Siewisseaberandererseitsgenau,dassdieseAngstunbegründetsei
undihreHandlungenerscheinenihrunsinnig.SogardieMuttermüssesichduschenundumziehen,wenn
diesevondraußenkomme.WennsieselbstaußerhalbderWohnunggewesensei,müssesiesichgründlich
vonKopfbisFußdesinfizieren,wasbiszuzweiStundeninAnspruchnehme.AuchGegenstände,dieandere
berührthaben,müssesiegenauestensreinigen.IndenletztenzweiMonatenhabesiepraktischnurnoch
ihreigenesZimmerbenutzt(auchzumEssen),weilsiediesesfüreinigermaßensauberhalte.InderWohnungtragesieeinespezielle,„reine“Bekleidung.IhreMutterhabesiesoweitgebracht,ihrpraktischalles
abzunehmen.DasGanzehabevordreiJahrenbegonnen,zunächstmitÄngsten,sichzuinfizieren.Vorzwei
Jahrenhabesieangefangen,sichzuwaschen,seiteinemJahrseiesganzschlimm.KurzvorBeginndererstenSymptomehabesieerfahren,dasssicheinehemaligerSchulkameradmitHIVinfizierthabe.
KrankheitsbildundEinteilung
PatientenmüssengegenihrenWillenundihreÜberzeugungZwängedurchführen,siekönnen
dieswillentlichnichtodernurkurzunterdrücken.Manunterteiltin
Zwangsgedanken,dassindwiederkehrende,unkontrollierbare,intrusive(sichaufdrängende,
nichtsteuerbare)Gedanken,dieinitialalssinnloserlebtwerdenund
ZwangshandlungenalswiederkehrendeVerhaltensweisen/Rituale
TypischenZwangsgedankenund–handlungensindz.B.
Problem(Gedanken)
Handlungen
•Verschmutzung
->Putzen/Händewaschen
•Zweifel
->Kontrollieren/wiederholen
•Ordentlichkeit
->Ordnen
•AggressiveImpulse
->Kontrollieren/vermeiden
•SexuelleVorstellungen
->Waschen
•Katastrophen
->Rückversicherungeinholen
FrüherwurdenZwangsstörungenalseigenständigeErkrankunggesehen,heutereihtmansieunterdieAngststörungenein,weilAngstdietreibendeKraftfürZwängedarstellt.DerZusammenhangvonAngstundZwangistderart,dassZwangsgedankenAngstauslösenundZwangshand43
lungendieAngstdannmindern.WennZwangshandlungenunterdrücktwerden,steigtdasAngstniveaudeutlichanundlöststarkeUnruheundUnwohlseinaus.
Diagnose
BeioffenerSchilderungderSymptomatikkanndieDiagnoseohneSchwierigkeitengestelltwerden.DaseigentlicheProblemist,dassdiePatienteneineZwangssymptomatikalsausgesprochen
schambesetzterleben(sieheFallbeispiel!)undvonsichauskaumdarüberberichten.Oftbesteht
dieSymptomatikseitJahren,bisHilfegesuchtwird–meistensdann,wenndieAlltagsbewältigungstarkeingeschränktist.Diesistz.B.derFall,wennbeiGrübelzwangkeineEntscheidungen
mehrgetroffenwerdenkönnenoderwennbeiKontrollzwang(imHaushalt)dieWohnungnicht
mehrverlassenwerdenkann.
WennZwängeimRahmenandererErkrankungenauftreten(ZwangsgrübelnbeiDepression,
ZwängebeiSchizophrenie)istdiesnichtalseigenständigeZwangsstörungzudiagnostizieren.
AbzugrenzenvoneinerZwangsstörungistdie„zwanghaftePersönlichkeit“,d.h.Charaktereigenschaften,diezwanghaftwirken.DiesbetrifftbeispielsweiseMenschenmitextrememOrdnungssinn,pedantischemVerhalten,kontrollierendemVerhaltenusw.DieseEigenschaftenwerdenjedochalssinnvollerlebtunddargestelltundmüssennicht„widerWillen“ausgeführtwerden.
AuchinderextremenAusprägungderzwanghaftenPersönlichkeitinFormderzwanghaftenPersönlichkeitsstörungbestehtimGegensatzzurZwangsstörungkeinodernurgeringerLeidensdruck.HieristeherdieUmwelt„genervt“vomVerhaltendesBetroffenenundnichtderBetroffeneselbst.
FormenundUrsachen
Zwangsstörung(allgemein)–SystematiknachICD-10:
WesentlicheKennzeichensindwiederkehrendeZwangsgedankenundZwangshandlungen.ZwangsgedankensindIdeen,VorstellungenoderImpulse,diedenPatientenimmerwiederingleicherWeisebeschäftigen.Siesindfastimmerquälend,derPatientversuchthäufigerfolglos,Widerstandzuleisten.DieGedankenwerdenalszureigenenPersongehörigerlebt,selbstwennsiealsunwillkürlichundhäufigabstoßend
empfundenwerden.Zwangshandlungenoder-ritualesindStereotypien,dieständigwiederholtwerden.
Siewerdenwederalsangenehmempfunden,nochdienensiedazu,ansichnützlicheAufgabenzuerfüllen.
DerPatienterlebtsieoftalsVorbeugunggegeneinobjektivunwahrscheinlichesEreignis,dasihmSchaden
bringenoderbeidemerselbstUnheilanrichtenkönnte.ImAllgemeinenwirddiesesVerhaltenalssinnlos
undineffektiverlebt,eswirdimmerwiederversucht,dagegenanzugehen.Angstistmeistständigvorhanden.WerdenZwangshandlungenunterdrückt,verstärktsichdieAngstdeutlich.
-
VorwiegendZwangsgedankenoderGrübelzwang
DiesekönnendieFormvonzwanghaftenIdeen,bildhaftenVorstellungenoderZwangsimpulsen
annehmen,diefastimmerfürdiebetreffendePersonquälendsind.ManchmalsinddieseIdeen
eineendloseÜberlegungunwägbarerAlternativen,häufigverbundenmitderUnfähigkeit,einfache,abernotwendigeEntscheidungendestäglichenLebenszutreffen.Grübelzwängekommen
auchbeiDepressionvorundsindindiesemRahmennichtalsZwangsstörungzuwerten..
-
VorwiegendZwangshandlungen[Zwangsrituale]
DiemeistenZwangshandlungenbeziehensichaufReinlichkeit(besondersHändewaschen),wiederholteKontrollen,diegarantieren,dasssicheinemöglicherweisegefährlicheSituationnicht
entwickelnkannoderübertriebeneOrdnungundSauberkeit.DiesemVerhaltenliegtdieFurcht
voreinerGefahrzugrunde,diedenPatientenbedrohtodervonihmausgeht;dasRitualistein
wirkungsloserodersymbolischerVersuch,dieseGefahrabzuwenden.
44
UrsachenvonZwangsstörungen
EinegenetischeVeranlagungistmeistvorhanden.EingehäuftesAuftreteninbetroffenenFamilienundZwillingsstudiensindeinHinweis.EineerblicheBelastungbedeutetjedochnicht,dass
dieKrankheitauchtatsächlichausbricht.SieerhöhtaberdieWahrscheinlichkeitfürdieEntwicklungeinerZwangserkrankung.EinewichtigeRollespielenEmotionen,vorallemGefühlevonUnsicherheit,ZweifelsowieAngstvorFehlernundKontrollverlust.DieseÄngsteverstärkensichin
Situationen,diealsbedrohlichempfundenwerden.WennderUmgangmitsolchenGefühlssituationennichterlerntwurde,könnenZwangsgedankenund-handlungenderVersuchsein,diebedrohlichenGefühlezuverringernoderzuvermeiden.
WiebeidenmeistenpsychischenStörungenbrichtauchhiereineentsprechendeAnlageumso
eheraus,jegrößerdiepsychischeBelastungist.TraumatisierendeErlebnisseinderKindheiterhöhendasErkrankungsrisikoebensowieLebenskrisenundFrustrationen(Enttäuschungen,Misserfolge)zueinemspäterenZeitpunkt.
BehandlungundVerlauf
ZwangsstörungenwerdeninderRegelimmerineinerKombinationvonVerhaltenstherapieund
Medikamentenbehandelt.
Verhaltenstherapie
Beispielhaftseidie„Expositionsmethode“kurzdargestellt:
ZielistdiebewussteVerhinderungderZwangshandlungen.DabeiwirdderPatientnachausführlicherInformationundAufklärungüberdieZwangsstörungdazuangeleitetnichtseinesonstüblichenRitualebzw.
Zwangshandlungenzuvollziehen(z.B.Wasch-oderKontrollzwänge),sondernvielmehrdieentstehenden
GedankenundÄngstebzw.BefürchtungenzubenennenundsichderentstehendenAngstauszusetzen
(Exposition).ObwohldiesauffreiwilligerGrundlagegeschieht,istesfürdiePatientenzunächsteine
schrecklicheVorstellung,dasiejakatastrophaleFolgen(z.B.KrankheitvonAngehörigen,schlimmeEreignisse)befürchten.Daheristeszunächsterforderlich,dassgemeinsammiteinemTherapeutenodereiner
entsprechendgeschultenPersonbestimmteSituationindenensonstdieZwangshandlungendurchgeführt
werden,aufgesuchtwerden.StattnuneineZwangshandlungdurchzuführenwirddiesdurchdenTherapeutenverhindert,derPatientabergedanklichundemotionalstarkmitseinenÄngstenkonfrontiert.Er
wirddieErfahrungmachen,dassdieszwarunangenehmimSinnevonAnspannung,UnruheundAngstist,
aberimVerlaufderExpositioneinNachlassenderAnspannungzuverzeichnenist.Wichtigistdabeiauch
dieErfahrung,dassebennichtdiebefürchtetenkatastrophalenAuswirkungeneintreten,essichalso„nur“
umgedanklichePhänomenehandelt.
Medikamente
MittelderWahlsindsog.serotonergeAntidepressiva(SSRI=selektiveSerotoninWiederaufnahmeHemmer)–sieheAntidepressivaaufS.7undS.35.
Behandlungsprobleme
WeilZwangsstörungenfürdieBetroffenenoftschambesetztsind,kommendiemeistenPatientenerstsehrspätindieTherapie.MitanderenWorten:dieStörungistbeieinemGroßteilder
Fällebereitschronifiziert(etwabei2/3).HieristeineBeseitigungderSymptomatikkaumzuerwarten,jedochbeikonsequenterBehandlungeineBesserungingut60%.OhneBehandlung
schreitetdieErkrankungindiesenFällenfortundführtzuschwerenEinschränkungen.
SuizidalitättrittimRahmenvonsuizidalenZwangsgedankenaufundinsbesonderebeizusätzlichendepressivenEpisoden.
45
d.
BipolareStörungen
Fallbeispiel:
EinjungerAutoverkäufer,Anfang20,dersonstverschlossenundzurückhaltendist,wirdübermehrere
Wochengesprächiger,erfolgreicherbeimVerkaufundseinSelbstwertgefühlsteigt.Abendsgehteranders
alssonstaus,trinktdeutlichmehrAlkohol,schläftweniger,ohnesichspätermüdezufühlen.Erspricht
vermehrtFrauenanundfindeteineFreundin.SeineStimmungistgutundoptimistisch,auchwennereinmalwenigerErfolgbeimVerkaufhat.Spätersagter,daßdiesePhasediebesteseinesLebenswar.
EinigeWochenspäterkannerdannaberkaumnocheinschlafenundschläftnurnoch1-2StundenamTag.
Um5Uhrbeginnterbereitszuarbeiten,redetständigundwirdaggressiv,wennerunterbrochenwirdoderjemandseinenPlänenwiderspricht.Ersagtvonsichöfter,dasserderbesteVerkäuferderWeltistund
plant,sichselbständigzumachen.DafürverschuldetersichbeimehrerenBanken.Eskommtdazu,dasser
AutosverkauftunddasGeldfürsichbehält,sodassermitdemChefStreitbekommt.ErdrohtdemChef,
ihnzuvernichtenundschlägtdieBüroeinrichtungkurzundklein.DannbringenihnAngehörigeindieKlinik,weilerschreienddurchdieGegendrenntundlauthalsaufderStraßeüberdiewirtschaftlicheSituation
desLandesredet.InderKliniksprichterfastohneUnterbrechung,beantwortetFrageninfastnichtzuverstehenderWeiseunderzähltimmerwiedervonGeschäftsplänenundWirtschaftstheorien…
Epidemiologie
Mindestens2MillionenMenschensindinDeutschlandbetroffen,diePunktprävalenzwirdmit
ca.2,5%angegeben,diePrävalenzweltweitbeträgt0,6–1,5%.FrauenundMännersindetwa
gleichhäufigbetroffen,dasmittlereAlterbeiKrankheitsbeginnistimDurchschnitt25Jahre.
GemäßWHO–Report2000gehörtbipolareStörungenzuden10Erkrankungen,dieweltweitam
häufigstenzuandauernderBehinderungführen.
ImVerlaufstelltSuizidalitäteinwesentlichenProblemdar:Mindestens20%derBetroffenen
unternehmeneinenSuizidversuch,15%versterbenamSuizid.AusdiesemundweiterenGründenliegtdieMortalitätsrateinsgesamt2–3malhöheralsimBevölkerungsdurchschnitt.
KrankheitsbildundEinteilung
EshandeltsichumeinepsychischeStörung,diedurcheinekrankhaftePolaritätvonAffektivität
undAntriebcharakterisiertist.TypischerweisewechselnsichPhasenvonkrankhaftgesteigerter
Aktivität(manischePhase)mitPhasengehemmterAktivität(depressivePhase)ab,esgibtjedoch
auchandereVerläufe(s.u.).TypischeSymptomeeinermanischenPhasesindinfolgendenFunktionsbereichenzufinden:
Affektivität:euphorischeStimmung,„Allesisterfreulichundaufregend“,Allmachtsgefühle(„Ichhebedie
WeltausdenAngeln“),häufiges,lautesLachen,derSituationnichtangemessen,auchschnellerStimmungswechselzudepressivoderaggressivmöglich.
Antrieb:übersteigerterAntrieb,exzessiveBewegungsaktivität–auchaggressiverNatur,
Willen,ungehemmte,intensivesozialeInteraktion,gesteigertesexuelleAktivität,Geldverschwendung
(Schulden!).
Empfinden,FühlenundWahrnehmungsindgesteigert.
DenkenundanderekognitiveFunktionen:anfangssinddieGedankennochgeordnet,nurschneller;
späterIdeenflucht,Sprunghaftigkeit,vomhundertsteninstausendste,chaotisch,desorganisiert.DasinhaltlicheDenkenbeziehtsichaufGrößenvorstellungenundOmnipotenz.DeutlicheSelbstüberschätzung
(„Alles,wasichanpacke,hatpositiveKonsequenzen“,„Alles,wasichmache,hatSinnundZweck“).Esent-
46
wickelnsichhäufigWahnideenund–vorstellungen,dieumMacht,Geld,Fähigkeiten,sexuelle,religiöse
oderpolitischeAllmachtkreisen.
GedächtnisundKonzentrationsindbeeinträchtigt,beziehensichaufgrandioseIdeenundInhalte.
AusdruckundKommunikation:Non-verbalerAusdruckoftnichtzurSituationpassend,bizarr;starker
RededrangmitendlosenArgumentations-bzw.Assoziationsketten,verletzendeÄußerungen,Beleidigungen
vegetativesNervensystemundSchlaf:deutlichereduziertesSchlafbedürfnisundwenigSchlaf,derausreicht,gelegentlichbiszu36StundenohneSchlaf.GesteigerterAppetit,dennochGewichtsabnahme.
Nebenden„klassischen“manischenPhasenkommengeringerausgeprägteEpisodenvor,die
mandannhypomaneEpisodenennt.
DieSymptomeeinerdepressivenPhasesinddieselben,wiebeiDepressionenanderenUrsprungs
(s.o.).
ZusammengefasstkannmandepressiveundmanischePhasensocharakterisieren:
DepressiveEpisode
ManischeEpisode
•Denkhemmung
•„Denkerregung“:
sogenannteIdeenflucht
•PsychomotorischeHemmung
•PsychomotorischeErregung
1
•Sog.Vitalstörungen •GehobenheitderVitalgefühle
•VegetativeStörungen
•VegetativeSymptome
•DepressiverWahneinfall
•ManischerWahneinfall
•DepressiveVerstimmung
•ManischeVerstimmung
PsychotischeSymptomesindnichtimmervorhanden.SolcheSymptomewärenz.B.wahnhaftes
Denken,unrealistischeGrößenideen,Verfolgungsideen,IdeenfluchtbiszurvölligenUnverständlichkeit,Halluzinationen(selten,kommenabervor).
Ø BeiVorhandenseinpsychotischerSymptomeistdieRückfallrate2-3malhöheralsbeiPatientenohnepsychotischeSymptome.
Diagnose
Schätzungsweisewirdbeiwenigerals50%derBetroffenenjediekorrekteDiagnosegestelltund
eineBehandlungeingeleitet.ImSchnittvergehen10JahrezwischenersterKrankheitsepisode,
korrekterDiagnoseundBeginneineradäquatenTherapie.GründefürdiesekatastrophalenZahlenliegenimWesentlicheninderNaturmanischerEpisoden:
- dieBetroffenenhaltensichnichtfürkrankundlehnenjedeHilfeab,
- beiwenigerstarkausgeprägtenPhasen(hypomaneEpisoden)erscheintdasLeistungsvermögenimAlltagnichteingeschränkt,imGegenteil,oftentstehtderEindruckbesondererLeistungsfähigkeit.
EinemanischeEpisodewirddiagnostiziert,wennfolgendeSymptomemindestenseineWoche
vorhandensind:
- situationsinadäquatgehobeneStimmung
- vermehrterAntrieb,RededrangundÜberaktivität
- VermindertesSchlafbedürfnis
- starkeAblenkbarkeit
- GrößenideenundübertriebenerOptimismus
- evtl.psychotischeSymptome(s.o.)
1
VitalstörungensindStörungenvitalerFunktionenwieSchlaf,Appetit,Gewichtsveränderungenu.a.
47
FormenundUrsachen
NachdemICD-10gehörtdiebipolareStörungzudenaffektivenStörungen.BeidieserStörungsgruppeunterscheidetmanverschiedeneFormen:
BiopolareStörungen:manischePhasenunddepressivePhasenwechselnsichab
MonopolareStörungen:esliegenentwedernurmanischeodernurdepressivePhasenvor
(letzteresistdierezidivierendedepressiveStörungundwurdeobenbereitsbesprochen).
WiebeidenmeistenpsychischenStörungenistnichteineeinzelneUrsachevorliegend,sondern
eineMischungausbiologischenBedingungen(Vererbung)undRisikofaktorenbzw.Auslösern.
DiesemultifaktorielleEntstehungentsprichtdemVulnerabilitätskonzept,wieindenGesundheitswissenschaftenamBeispielStress-Vulnerabilitäsmodellerläutertwurde.
EinegenetischeDispositionistaufGrundfamiliärerHäufungunddesfrühenErkrankungsbeginns
sehrwahrscheinlich.AuslösesituationensindoftPhasengrößererAnspannung,Stress,übermäßigerArbeitsanfall,Reizüberflutung,Konflikte,Mobbing,Trennungen.AucheinbelastenderLebensstilkannAuslösefunktionhaben(wieSchichtarbeit,Schlafmangel,Substanzmissbrauch),wie
auchtraumatischeErlebnisse(Unfall,Misshandlung,Todesfälle).BeispäterenEpisodenverlieren
dieAuslöseranBedeutung.DieEpisodenscheinendannohneerkennbarenAnlassaufzutreten.
HeutewerdenStörungenderSignalübertragunginbestimmtenRegionendesGehirnsalsUrsache
vermutet.DieAusreifungderNervenscheidensoll(genetischbedingt)gestörtsein.DerÜberträgerstoffeSerotoninundNoradrenalinsindinderManieerhöht,inderDepressionerniedrigt.
BehandlungundVerlauf
EslassensichverschiedeneVerlaufsformenderaffektivenStörungenunterscheiden:
DieMarkierungerstrecktsichaufdiebipolarenodermonopolar-manischenVerlaufsformen.
48
DieBehandlunggliedertsichinmedikamentöseundnicht-medikamentöseMöglichkeiten.Da
meisteinchronischerVerlaufvorliegt,bedeutetdiesoftlebenslangeBehandlung!
DiemedikamentösenBehandlungsoptionensindinderÜbersichtdargestellt:
Neuroleptika(Antipsychotika)
NeuroleptikasieheschizophrenePsychosen
Ø Phasenprophylaktika:Lithium(z.B.Quilonum)
WichtigsteundeffektivsteBehandlungzurRezidivprophylaxe(VermeidungvonvorwiegendmanischenPhasen).BehandlungnurdurchdenFachmannmitregelmäßigerKontrolledesLithiumspiegels!
Antiepileptika
Dassindkrampflösendebzw.KrämpfeverhinderndeMedikamente.WirkstoffeheißenCarbamazepinoderValproinsäure.MedikamenteeffektivbeioderzurProphylaxemanischerEpisoden.
Benzodiazepine
SindBeruhigungsmittel(Tranquillizer),diebeiAngst-undSpannungszuständensowievegetativen
Störungen(z.B.Schlafstörungen)zusätzlichgegebenwerden.VorsichtAbhängigkeit(Suchtpotenzial)!
Antidepressiva
WurdenbeiDepressionenbesprochen;vorzugsweisewerdendiesog.SSRIeingesetzt.
Diesog.PhasenprophylaktikawieLithiumsindeinespezifischeundeffektiveBehandlungsoption
beibipolarenStörungen.
Dienicht-medikamentöseTherapieumfasstPsychoedukationundPsychotherapie.
Psychoedukation
Ziele:
- InformationundAufklärungüberdieKrankheit(„DieKrankheitverstehenlernen“)
- FreundeundFamiliealsUnterstützungsichern
- PsychoedukationsolldieMitarbeitundZuverlässigkeitdesPatienten(Compliance)verbessern
- Selbstbeobachtungverbessern
Psychotherapie
- PsychotherapeutischeBehandlungkonzentriertsichauf
HilfezurAlltagsbewältigung
- dieKrankheitsbewältigunginsgesamt
- BeratungbeiAlltagsproblemen(Problemlösungen)
- diezuverlässigeMitarbeit(Compliance)
- VermeidungoderLinderungenvonKrankheitsfolgen
ErgänzendkönnenFamilienhilfe(Nachbetreuung),Sozialberatung(z.B.Schuldnerberatung)und
Selbsthilfegruppenförderlichsein.
Behandlungsprobleme
ImVerlaufstelltSuizidalitäteinwesentlichenProblemdar:Mindestens20%derBetroffenenunternehmeneinenSuizidversuch,15%versterbenamSuizid.SuizidalitätentstehtmeistindepressivenPhasen,kommtaberauchbeimanischenEpisodenvor.SuizideindiesenPhasensindmeist
durchradikaleMethodengekennzeichnetunddaherhäufig„erfolgreich“.
FehlendeKrankheitseinsicht:InmanischenPhasenbestehtwegendereuphorisch-gereizten
StimmungmeistkeinerleiKrankheitseinsicht;dieBetroffenensindkaumzuüberzeugen,sichbehandelnzulassen.
49
Risikoverhalten:InmanischenPhasenwirdoftunfallträchtigesVerhaltenpraktiziert(Selbstüberschätzung)mitderFolgevon(Verkehrs-)Unfällen.
AggressivesVerhalten:InderManiegeratendieBetroffenenoftinStreitdurchprovozierendes
Verhalten.DiesendethäufiginKörperverletzung(Schlägereien).
Verhaltenskonsequenzen:HäufigwerdenwährendderManieteureAnschaffungengetätigtund
hoheSchuldenaufgetürmt.GesteigertesexuelleAktivitätführtzuÜbergriffigkeit,Heiratsversprechen,Schwangerschaften…
MangelndeCompliance:HauptproblemistdaseigenmächtigeAbsetzenderMedikationinPhasen
relativenWohlbefindens.InderManiebestehtdannkeinerleiEinsichtmehr.
e.
Persönlichkeitsstörungen
Fallbeispiele
Beispiel1 - schizoidePersönlichkeitsstörung
HerrS.istein38jährigerunverheirateterLabortechniker.Währendderletzten5JahrehatHerrS.ineinem
ForschungslabormehroderwenigeralleineaneinemProjektgearbeitet,wobeiersehrerfolgreichwar.
DerArbeitgebervonHerrnS.erhieltjetzteineVerlängerungvonForschungsgeldern,wasdieWeiterbeschäftigungvonHerrnS.undeineerheblicheAusweitungesProjektsermöglicht.DerWissenschaftlerstelltedahereinigeneueBeschäftigefürdieArbeitimLaboreinunderwartetevonHerrnS.,dassdiesersie
einarbeitete.
EinigederneuenAngestelltenkündigteninnerhalbvondreiWochenundgabenan,vonHerrnS.könne
manwederetwaslernen,nochkönnemanmitihmzusammenarbeiten.Siebeklagtensich,erhabesiein
keinerWeiseangeleitetundseiunfreundlichundarrogant.AlsderWissenschaftlerHerrnS.nachderdrittenKündigungmitdiesenBeschwerdenkonfrontierte,erschiendieserverwundertundüberrascht.Ergab
an,erhabeseinBestesversuchtundkönnedieBeschwerdennichtverstehen.
AusderBiographiewirddeutlich,dassHerrS.immereinEinzelgängergewesenist,derkeineengenFreunde,auchniePartnerbeziehungenbzw.sexuelleKontaktegehabthabe.ErverneinteentsprechendeWünsche.InderFreizeitmacheeramliebstenComputerspiele.
Beispiel2- Borderline-Persönlichkeitsstörung
Eine35-jährigeKrankenschwesterstelltsichzurAufnahmeineinPsychotherapieprogrammvor,sieberichtetoffenüberihreProblemeundistsehrraschgutimKontakt.IhregrößtenProblemeseienextremeAnspannungszuständeundstarkerSelbsthass,diemeistgleichzeitigundvonihrunvorhersehbaraufträten.
DieseProblemebestünden,seitsieinihrerKindheitübereinenlangenZeitraumvoneinemVerwandten
regelmäßigsexuellmissbrauchtwordensei.UmihreAnspannungzuregulieren,schneidesiesichinbeide
ArmeundmissbraucheAlkoholundMedikamente.SiehabeeinenkleinenBekanntenkreis,diemeistenBeziehungenverliefenwechselhaftundkompliziert,nichtswünschesiesichsehnlicheralseinefestePartnerschaft.HäufigeKonflikteaufderStationentstehen,weilsichdiePatientinsichsehrschnellzurückgewiesen
undungeliebtfühlt.
Beispiel3– selbstunsicherePersönlichkeitsstörung
Die26-jährigeFrauP.mussalsgelernteGärtnerinimVerkaufauchKundenberaten.Diesfalleihrextrem
schwer,siehabeAngstsichlächerlichzumachen,meldesichdeshalbauchhäufigkrankundhabedaher
immerwiederÄrgermitihrerChefin.Auchprivatseisieextremschüchtern,fühlesichAltersgenossenunterlegen,trauesichnicht,ihrwenigbekanntePersonenanzusprechenundfühlesichmeistenstapsigund
unbeholfen.
50
CharakteristikaundSymptome
BesondereAusprägungenderPersönlichkeitundPersönlichkeitsstörungsindoftschwerzutrennenbzw.zeigeneinenfließendenÜbergang.
DiePersönlichkeit(gleichbedeutendmitCharakter,Temperament,persönlicherStil)lässtsichso
definieren:
PersönlichkeitistdieGesamtheitderindividuellenPersönlichkeitseigenschaften,wodurchein
einmaligesMustercharakteristischerVerhaltensweisenentsteht.PersönlichkeitseigenschaftenergebensichausdernormalenVarianzmenschlichenVerhaltens.„Normal“entsprichdabeigesellschaftlichenundkulturellenNormen.
Persönlichkeitsstörungenwerdenwiefolgtbeschrieben:
KennzeichnendsindabweichendeVerhaltensmuster,dienichtdensozio-kulturellenErwartungenentsprechen.InwieweitsolcheVerhaltensmusterals„Störung“oderalstolerableVerhaltensbesonderheitaufgefasstwerdenkönnen,entscheidetsichdanach,obdasVerhaltenin
zahlreichensozialenSituationenbesteht,alsonichtnursituativbedingtist,vonAußenstehendeneinhelligalsunangemessenerlebtwirdundggf.dieEinsichtsfähigkeitindieUnangemessenheitfehlt,dieGestaltungvonBeziehungunddieErledigungvonAufgabendarunter
leidetunddasVerhaltenseitvielenJahrennahezuunverändertbesteht.
PersönlichkeitsstörungensinddieextremenundnegativenAusprägungenbestimmterPersönlichkeitsstile(dieteilweiseauchalserwünschtgelten).
DieSymptomerichtensichnachderArtderPersönlichkeitsstörungundwerdenweiterunten
(Systematik)erläutert.Hierbeigehtesnicht(oderselten)umspeziellekörperlicheoderseelische
Erscheinungen,sondernumtypischeVerhaltensweisen.DasVerhaltenwirdvonAußenstehenden
eindeutigalsunangemessenerlebt,vomBetroffenenmeistensnicht.Das„Leiden“ergibtsich
nichtsosehrausderStörungselbst,sondernausdenVerhaltenskonsequenzenz.B.durchSanktionendesUmfeldes(z.B.Ausgrenzung,Kündigungen,interpersonelleKonflikte,Gerichtsverfahren
u.a.).
BeibestimmtenPersönlichkeitsstörungen(s.Fallbeispiele2und3)liegtnatürlicheinsubjektiver
Leidensdruckvor.BeianderenStörungenfehltdieserjedochundentstehteherausdenVerhaltenskonsequenzen(s.o.).
Diagnose
DieDiagnose-DefinitionnachICD-10lautet:
- EinePersönlichkeitsstörungkanndiagnostiziertwerden,wenneinüberdauerndesMustervon
inneremErlebenundVerhaltenbesteht,dasmerklichvondenErwartungendersoziokulturel51
lenUmgebungabweicht.DiesesMustermanifestiertsichinmindestenszweiderfolgenden
vierBereiche:
(1)Kognition(alsodieArt,sichselbst,andereMenschenundEreignissewahrzunehmen
undzuinterpretieren),
(2)Affektivität(alsodieVariationsbreite,dieIntensität,dieLabilitätundAngemessenheit
emotionalerReaktionen),
(3)GestaltungzwischenmenschlicherBeziehungen,
(4)Impulskontrolle.
- DasüberdauerndeMusteristunflexibelundtiefgreifendineinemweitenBereichpersönlicher
undsozialerSituationen.
- DasMusterführtinklinischbedeutsamerWeisezuLeidenoderBeeinträchtigungeninsozialen,
beruflichenoderanderenwichtigenFunktionsbereichen.
- DasMusteriststabilundlangdauernd,undseinBeginnistzumindestbisindieAdoleszenzoderinsfrüheErwachsenenalterzurückzuverfolgen.
SoweitanderepsychischeStörungenvorliegen,erklärensienichtdasVerhaltensmuster.AuszuschließensindauchDrogenkonsumoderMedikamenten-Effekte.
Systematik–nachICD-10
ParanoidePersönlichkeitsstörung
istdurchübertriebeneEmpfindlichkeitgegenüberZurückweisung,NachtragenvonKränkungen,durch
Misstrauen,sowieeineNeigung,Erlebteszuverdrehengekennzeichnet,indemneutraleoderfreundlicheHandlungenandereralsfeindlichoderverächtlichmissgedeutetwerden,wiederkehrendeunberechtigteVerdächtigungenhinsichtlichdersexuellenTreuedesEhegattenoderSexualpartners,
schließlichdurchstreitsüchtigesundbeharrlichesBestehenaufeigenenRechten.DiesePersonenkönnenzuüberhöhtemSelbstwertgefühlundhäufiger,übertriebenerSelbstbezogenheitneigen.
SchizoidePersönlichkeitsstörung
EinePersönlichkeitsstörung,diedurcheinenRückzugvonaffektiven,sozialenundanderenKontakten
mitübermäßigerVorliebefürPhantasie,einzelgängerischesVerhaltenundinsichgekehrteZurückhaltunggekennzeichnetist.EsbestehtnureinbegrenztesVermögen,GefühleauszudrückenundFreude
zuerleben.
DissozialePersönlichkeitsstörung
SieistdurcheineMissachtungsozialerVerpflichtungenundherzlosesUnbeteiligtseinanGefühlenfür
anderegekennzeichnet.ZwischendemVerhaltenunddenherrschendensozialenNormenbestehteineerheblicheDiskrepanz.DasVerhaltenerscheintdurchnachteiligeErlebnisse,einschließlichBestrafung,nichtänderungsfähig.EsbestehteinegeringeFrustrationstoleranzundeineniedrigeSchwellefür
aggressives,auchgewalttätigesVerhalten,eineNeigung,anderezubeschuldigenodervordergründige
RationalisierungenfürdasVerhaltenanzubieten,durchdasderbetreffendePatientineinenKonflikt
mitderGesellschaftgeratenist.
EmotionalinstabilePersönlichkeitsstörung
EinePersönlichkeitsstörungmitdeutlicherTendenz,ImpulseohneBerücksichtigungvonKonsequenzenauszuagieren,verbundenmitunvorhersehbarerundlaunenhafterStimmung.EsbestehteineNeigungzuemotionalenAusbrüchenundeineUnfähigkeit,impulshaftesVerhaltenzukontrollieren.FernerbestehteineTendenzzustreitsüchtigemVerhaltenundzuKonfliktenmitanderen,insbesondere
wennimpulsiveHandlungendurchkreuztoderbehindertwerden.ZweiErscheinungsformenkönnen
unterschiedenwerden:EinimpulsiverTypus,vorwiegendgekennzeichnetdurchemotionaleInstabilitätundmangelndeImpulskontrolle;undeinBorderline-Typus,zusätzlichgekennzeichnetdurchStörungendesSelbstbildes,derZieleundderinnerenPräferenzen,durcheinchronischesGefühlvonLee-
52
re,durchintensive,aberunbeständigeBeziehungenundeineNeigungzuselbstdestruktivemVerhaltenmitparasuizidalenHandlungenundSuizidversuchen.
ImpulsiverTyp:vorwiegendgekennzeichnetdurchemotionaleInstabilitätundmangelndeImpulskontrolle,Launenhaftigkeit,Streitsuch,Konflikte…
Borderline-Typ:zusätzlichgekennzeichnetdurchStörungendesSelbstbildes,derZiele,durch
einchronischesGefühlvonLeere,durchintensive,aberunbeständigeBeziehungenundeine
NeigungzuselbstdestruktivemVerhaltenmitparasuizidalenHandlungenundSuizidversuchen.
HistrionischePersönlichkeitsstörung
DiesePersönlichkeitsstörung,diedurchoberflächlicheundlabileAffektivität,Dramatisierung,einen
theatralischen,übertriebenenAusdruckvonGefühlen,durchSuggestibilität,Egozentrik,Genusssucht,
MangelanRücksichtnahme,erhöhteKränkbarkeitundeindauerndesVerlangennachAnerkennung,
äußerenReizenundAufmerksamkeitgekennzeichnet.Früherverwendetemanstatt„histrionisch“den
Begriff„hysterisch“.
Anankastische[zwanghafte]Persönlichkeitsstörung
CharakteristischsindGefühlevonZweifel,Perfektionismus,übertriebenerGewissenhaftigkeit,ständigenKontrollen,Halsstarrigkeit,VorsichtundStarrheit.EskönnenbeharrlicheundunerwünschteGedankenoderImpulseauftreten,dienichtdieSchwereeinerZwangsstörungerreichen.
Ängstliche(vermeidende)Persönlichkeitsstörung
EinePersönlichkeitsstörung,diedurchGefühlevonAnspannungundBesorgtheit,Unsicherheitund
Minderwertigkeitgekennzeichnetist.EsbestehteineandauerndeSehnsuchtnachZuneigungundAkzeptiertwerden,eineÜberempfindlichkeitgegenüberZurückweisungundKritikmiteingeschränkter
Beziehungsfähigkeit.DiebetreffendePersonneigtzurÜberbetonungpotentiellerGefahrenoderRisikenalltäglicherSituationenbiszurVermeidungbestimmterAktivitäten.
AbhängigePersönlichkeitsstörung
PersonenmitdieserPersönlichkeitsstörungverlassensichbeikleinerenodergrößerenLebensentscheidungenpassivaufandereMenschen.DieStörungistfernerdurchgroßeTrennungsangst,Gefühle
vonHilflosigkeitundInkompetenz,durcheineNeigung,sichdenWünschenältererundandererunterzuordnensowiedurcheinVersagengegenüberdenAnforderungendestäglichenLebensgekennzeichnet.DieKraftlosigkeitkannsichimintellektuellenemotionalenBereichzeigen;beiSchwierigkeitenbestehtdieTendenz,dieVerantwortunganderenzuzuschieben.
NarzisstischePersönlichkeitsstörung–nurimDSM-IV(nichtICD-10)
DienarzisstischePersönlichkeitsstörungzeichnetsichausdurchmangelndesSelbstbewusstseinund
AblehnungdereigenenPersonnachinnen,wechselndmitübertriebenemundsehrausgeprägtem
Selbstbewusstseinnachaußen.DahersinddiesePersonenimmeraufderSuchenachBewunderung
undAnerkennung,wobeisieanderenMenschenwenigechteAufmerksamkeitschenken.Siehabenein
übertriebenesGefühlvonWichtigkeit,hoffeneineSonderstellungeinzunehmenundzuverdienen.Sie
zeigenausbeutendesVerhaltenundeinenMangelanEmpathie.EskönnenwahnhafteStörungenmit
Größenideenauftreten.ZudemzeigenBetroffeneeineauffälligeEmpfindlichkeitgegenüberKritik,die
sienichtseltenglobalverstehen,wasinihnenGefühlederWut,SchamoderDemütigunghervorruft.
HäufigisteinenarzisstischePersönlichkeitsstörungvoneinerBorderline-Persönlichkeitsstörung
schwerzuunterscheiden.
Behandlung
Psychotherapie
Kognitiv-behavioralePsychotherapie(Verhaltenstherapie)undPsychoanalyse/tiefenpsychologischfundiertePsychotherapiesindwirksam.InderRegelbedarfeseinerlangfristigenTherapie,teilweiseübermehrereJahre.
ProblemeinderPsychotherapievonPersönlichkeitsstörungensind
53
-
oftgeringerLeidensdruckunddahergeringeMotivationdesBetroffenen(esleidet
manchmalmehrdieUmgebungalsderBetroffeneselbst:„dieanderenhabenein
Problem…“,„Schuldsinddieanderen…“usw.)
- geringeEinsichtsfähigkeitindenStörungscharakterdesVerhaltens,daseigeneVerhaltenwirdalsnormalempfunden
- Schwierigkeiten,einetragfähigetherapeutischeBeziehungzuetablieren,weilunrealistischeBeziehungsgestaltungund–erwartungenoftTeilderStörungsind(z.B.AbwertungdesTherapeuten,Misstrauen,Kritikintoleranzu.a.)
- KomplikationenimVerlaufderBehandlung,diestörungsbedingtauftretenkönnen
wieImpulsivität,depressiveEinbrüche,Suizidalität,Substanzmissbrauch
ZielderBehandlungistzumeistnichtdie„Heilung“–dieswäreunrealistisch-,sondernein
Symptomrückgang(z.B.Impulskontrolle,VermeidungvonSuizidalität)undeineVerbesserung
derBelastbarkeitundSozialkompetenz.
Medikamente
sindnurinbesonderenSituationenerforderlichodersinnvoll,z.B.bei
-Suizidalität,erheblicherDepressivität
-Erregungszustände,ausgeprägtevegetativeStörungen
-unerträglicheAnspannungundAngstzustände
-paranoideÄngsteundpräpsychotischeSymptome
-Kontrollverlustfür(schädliche)Impulse,Aggressivität
AnwendungderMedikamenteerfolgtwiebeidenKrankheitsbildern(Depression,Angst,
Zwangusw.)erläutert.
WeitereBehandlung
SoziotherapiewirdbeiPersönlichkeitsstörungenwenigpraktiziert.Inden„SoziotherapieRichtlinien“(§37aSGBV)sindPersönlichkeitsstörungennichtaufgeführt.Beibestimmten
Störungenkönntediesejedochhilfreichsein,um
-die(sozialen)FolgeneinerPersönlichkeitsstörungzumildern
-sozialangemesseneVerhaltensweiseneinzuüben
-stabilisierendaufdiesozialenBeziehungeneinzuwirken
-diesozialeIntegrationzufördern
-AngebotefürProblemzeiten(Suizidalität,Einsamkeit…)bereitzuhalten
f.
ADHS
DasStörungsbildgehörtnichtzuden„klassischen“PsychiatrischenKrankheitsbildern,istjedoch
inderKinder-undJugendpsychiatrieund–psychotherapieeinwichtigerSchwerpunkt.Dasoziale
ArbeitoftinderJugendhilfestattfindet,wirddasStörungsbildindieserVorlesungbehandelt.
ADHSisteineAbkürzungfürADHS=AufmerksamkeitsDefizit-/HyperaktivitätsSyndrom.Esgibt
auchdieVarianteADS,wennkeineauffälligeHyperaktivitätvorliegt(oftbeiMädchen).
Fallbericht(Elternbericht)
„Maxist13Jahrealt.Seitseinem2.Lebensjahristerverhaltensauffällig.ErwarständiginBewegung,turnteüberdieMöbelundsprangvonSchränken.ErhattekeineAngstdavor,sichwehzutun,undseine
Schmerzgrenzelagsehrhoch.DaherwarersehrunfallgefährdetundwirwarenzeitweilighäufigindenUnfallaufnahmenderKrankenhäuser.
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EinganznormalerAlltagmitunseremMaxbeginntmorgensum6UhrmitdemWecken.Daerabendsvor
22UhrniezurRuhekommt,kannermorgensnichtgutwachwerden.OftwirdschondasWeckenzum
KampfunddauertseineZeit.AnschließendgehtesinsBad:JederHandgriffderMorgentoilettemusseinzelnangesagtundeingefordertwerden.DasFratzenziehenvordemSpiegelbeimZähneputzenistinteressanteralsdasZähneputzenselbst!NunkommtdasAnziehen.Stehtnichteinervonunsdabei,sokannes
vorkommen,dassMaximWintermitkurzenHosenundT-ShirtamFrühstückstischerscheint.Esistjetzt
schonwiedersovielZeitvergangen,dassdasFrühstückimEiltempoundnurmitständigemAntreibenunsererseitserfolgenkann.
BereitsimKindergarten,besondersaberinderSchulefälltMaxdadurchauf,dassersichunkonzentriert
undfahrig,übermütigundkörperlichsehrenergischverhältsowieeinsensiblesGerechtigkeitsempfinden
zeigt.DieLehrerInnenklagendarüber,dassunserSohnsehrleichtablenkbarist,denUnterrichtstört,sich
verweigertundArbeitsunterlagenzerstört.BeiThemenjedoch,dieihnsehrinteressieren,arbeiteterkonzentriertundbegeistertmit.AuchfürdieLehrerInnenisteseinimmerwährendesErmahnenundSichbemühen,umMaxdurchdenSchultagzuhelfen.“
Störungsbild
DasBilddes„Zappelphilip“kenntjeder.BereitsalsSäuglingefallendieKinderoftdurchextreme
Unruheundhäufiges,ausdauerndesundschrillesSchreienauf.BeizahlreichenbekanntenPersönlichkeitenwirdvermutet,dasssieADHShatten(z.B.Mozart).
Die3Leitsymptomesind
Ø BeeinträchtigteAufmerksamkeit
Ø Impulsivität
Ø MotorischeÜberaktivität(nichtzwingend)
CharakteristischfüreineAufmerksamkeits-Defizit-Störung(ADS)isteinausgeprägtunaufmerksamesundimpulsivesVerhalten,voralleminGruppensituationen.
BeiderAufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung(ADHS)kommtnochUnruheund
übermäßigerBewegungsdrangdazu.
DieStörungtrittschonimfrühenKindesalteraufundistnichtnurvorübergehend(hältalso
schonmindestenslängeralssechsMonatean).
InDeutschlandsollen3-10%derKinderbetroffensein,Jungenetwa4malhäufigeralsMädchen.
DieAufmerksamkeitsstörungmachtsichbesondersinderSchulebemerkbarundistgekennzeichnetdurch
Träumen"HansGuckindieLuft"
LeichteAblenkbarkeit(imKlassenraumhängenBilderanderWand,derHintermannrascheltmiteinemPapiero.ä.)
hastigerWahrnehmungsstil(bekommteinerseitsschnelletwasmit,aberübersiehtwiederWichtiges)
vergisstseinHeft,Turnzeug,Aufgaben
überhört(schulische)Anweisungen
kontrolliertnichtgenügend(z.B.abgeschriebeneWörter)
Stimmungsschwankungen
Reizoffenheit(springtaufallesNeuean)
Impulsivitätbzw.StörungenderImpulskontrollefallenaufdurch
DasKindsagtwasesdenkt(ohnejedochdieSituationzuberücksichtigen,istmanchmaltaktlos)
"Kaumgedacht,schongetan"
unterbrichtandereoderplatztinsGespräch/Spielhinein
redetzuviel,beachtetdabeisozialeSignale(z.B.obesdemanderenzuvielwird)nicht
renntohnezuschauenüberdieStraße,begibtsichingefährlicheSituationen
drängeltsichvor,kannnichtabwarten
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Jähzorn,Wutanfälle,heftige,plötzlicheGefühlsausbrüche,
Stimmungsschwankungen
Hyperaktivität
PlötzlicheinschießendeBewegungen(Kindschreibt,plötzlichgrabschtesausladendnachdemRadiergummi,dassdieUmsitzendensicherschrecken)
redetmitHändenundFüßen
"HummelnimHintern"
Weitere,jedochunspezifischeHinweisesind:
Einschlafschwierigkeiten,Kaspern/Stören,LernstörungenundSchulschwierigkeiten,geringeFrustrationstoleranz,Ungeschicklichkeit,SchwierigkeitenfremdgestellteAufgabenzutätigen,krakelige
Schrift,verbiegtFedern,brichtBleistifteab,beeinträchtigesSelbstwertgefühl,schlägtöfterüberdie
Stränge,testetpermanentdieGrenzenaus,sozialeBeziehungsstörung,Aggressivität,Angeberei,
Überempfindlichkeit,Entwicklungsverzögerung,Distanzlosigkeit.
DiagnosekriteriennachICD-10
Mindestens3KriterienausdemBereichhäuslicheAktivitätenundAufmerksamkeit:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
KurzeDauerspontanerAktivitäten.
MangelndeAusdauerbeimSpielen.
ÜberhäufigesWechselnzwischenverschiedenenAktivitäten.
StarkbeeinträchtigteAusdauerbeiderBewältigungvonAufgaben,dievonErwachsenengestellt
werden.
UngewöhnlichhoheAblenkbarkeitwährendschulischerArbeitenwieHausaufgabenoderLesen.
StändigemotorischeUnruhe(rennen,hüpfen,Füßewippenetc.).
BemerkenswertausgeprägteZappeligkeitundBewegungsunruhewährendspontanerBeschäftigungen.
BemerkenswertausgeprägteAktivitätinSituationen,dierelativeRuheverlangen(wiez.B.Mahlzeiten,Reisen,Besuche,Gottesdienst).
Schwierigkeiten,sitzenzubleiben,wennesverlangtwird.
Mindestens3KriterienausdemBereichAktivitätenundAufmerksamkeitinKindergartenund
Schule:
AußergewöhnlichgeringeAusdauerbeiderBewältigungvonAufgaben.
AußergewöhnlichhoheAblenkbarkeit,d.h.häufigesZuwendenzuexternenStimuli.
ÜberhäufigerWechselzwischenverschiedenenAktivitäten,wennmehrerezurAuswahlstehen.
ExtremkurzeDauervonspielerischenBeschäftigungen.
BeständigeundexzessivemotorischeUnruhe(Rennen,Hüpfen,Füßewippenetc.)inSituationen,
indenenfreieAktivitäterlaubtist.
• BemerkenswertausgeprägteZappeligkeitundmotorischeUnruheinstrukturiertenSituationen.
• ExtremvielNebenaktivitätenbeiderErledigungvonAufgaben.
• FehlendeFähigkeit,aufdemStuhlsitzenbleibenzukönnen,wennesverlangtwird.
•
•
•
•
•
AuchbeiErwachsenenkommtADHSvor(weilesfrühernichterkanntwurde).DieKriterienwerdenweiteruntenbesprochen.
Ursachenbzw.Entstehung
Vermutlichwirkenbiologische,psychologischeundsozialeFaktorenzusammen.InderDiskussionumdieUrsachenreichendieAnsichtenvon(ausschließlich)neurobiologischerVerursachung
bishinzurEinschätzungalsNormvariantedesVerhaltens.KritikerverweisenaufgesellschaftlicheVeränderungen,diedasKonstruktADHSerstmöglichgemachthätten(Reizüberflutung,
Leistungsdruck,Bewegungsarmut,Sinnentleerung,Vernachlässigung).Hierdurchhabesichder
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ErziehungsstilverändertundprägendeKindheitserfahrungenverursacht,diespätereinalsADHS
bezeichnetesVerhaltensmusterbewirkenwürden.ADHS-KinderhättenauchvielepositiveEigenschaften.
EinerseitsistdieDiagnoseADHSfasteineModediagnosegeworden,dieoftvorschnelletikettiert
wird.DiesbewirktaucheinezugroßzügigundunkritischeAnwendungvonRitalin.
AndererseitsgibtesohneZweifelKinder,dietrotzfürsorglicherundachtsamerErziehungdiese
StörungaufweisenundbeidenenderkritischeEinsatzvonRitalineinewesentlicheBesserung
bewirkt.
Vererbung
WennElternselbstADHShatten(haben),habendieKindereine50%-igeWahrscheinlichkeit,
ebenfallsADHSzubekommen.Zwillingehabenzu80%(eineiigeZ.)bzw.in30%(zweieiigeZ.)
ADHS.Verwandte1.Gradeshabenein5-facherhöhtesRisiko.Esistdaherunstrittig,dassesErbfaktorengibt(vermutlichsindmehrereGeneverändert–sog.polygeneVererbung).DiesebetreffendieSignalübertragungdurchDopamin,SerotoninundNoradrenalininbestimmtenHirnregionen..
BauundFunktioneineshemmendenNeurons
DieneurobiologischeForschungkonnte
bei50%derADHS-Patienteneinen
Defektdessog.Dopamin-Transporters
nachweisen(durchspeziellebildgebendeVerfahren–SPECT).Dopaministder
ÜberträgerstofffürhemmendeNeurone.EineÜberaktivitätdesDopaminTransportersführtzueinemMangelan
DopaminimsynaptischenSpaltund
daherzueinerEnthemmung.Ritalin
blockiertdenDopamin-Transporterund
verstärktsodieHemmwirkung.
Ritalin
PsychosozialeFaktoren
Erziehungsfehleroder„negativeKindheitserfahrungen”wurdenlangediskutiert.Siesindwohl
nichtursächlich,stellenjedocheinezusätzlicheBelastungdarundkönnensichaufdenSchweregrad,denKrankheitsverlaufunddieEntwicklungvonbegleitendenStörungen(z.B.Aggressivität,
Angst)negativauswirken.ZudenpsychosozialenRisikofaktorenzählenz.B.:
Ø unvollständigeFamilie,d.h.AufwachsenmiteinemalleinerziehendenElternteiloderohne
Eltern,
Ø psychischeErkrankungeinesElternteils,vorallemantisozialePersönlichkeitsstörungdes
Vaters,
Ø familiäreInstabilität,ständigerStreitzwischendenEltern,
Ø niedrigesFamilieneinkommen,sehrbeengteWohnverhältnisse,
Ø InkonsequenzinderErziehung,fehlendeRegeln,
Ø häufigeKritikundBestrafungen,
Ø unstrukturierterTagesablauf.
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RisikofaktorenimMutterleib:Nikotin,AlkoholoderandereDrogenwährendderSchwangerschaftsowieeinSauerstoffmangelbeiderGeburterhöhenvermutlichdasRisikodesKindes,
späteranADHSzuerkranken.
Behandlung
DieBehandlungsollteheutewederreinmedikamentösnochreinpsychotherapeutischerfolgen.
Eine„Multimodale“Therapiemitmedizinischen,pädagogischen,psychologischenoderpsychotherapeutischenElementenisterforderlich–abhängigvomAlterdesKindesundderAusprägungderStörung.
Therapie-Bausteinesind
•AufklärungundBeratungderEltern,desKindes/JugendlichenunddesErziehersbeziehungsweisedesKlassenlehrers,
•Elterntraining,Familiemiteinbeziehen(einschließlichFamilientherapie),umdieSymptomatikinderFamiliezuvermindern,
•Kindergarten/Schule:ZusammenarbeitmitErziehernundLehrern,
•KognitiveTherapiedesKindes/Jugendlichen(abdemSchulalter):ImpulsivesundunorganisiertesVerhaltenändern(Selbstinstruktionstraining),AnleitungdesKindes/Jugendlichen,wie
sichdasProblemverhaltenändernlässt,
•TherapiemitentsprechendenMedikamenten(meistAmphetamine),umSymptomeinder
Schule(imKindergarten),inderFamilieoderinanderenUmgebungenzuvermindern(s.u.–
Medikamente).
Verhaltenstraining
DieBeratungderEltern,AngehörigenundanderenBezugspersonengehörtebensozurTherapie
vonADHSwiepsychotherapeutischeundpsychosozialeBehandlungs-undBetreuungsmaßnahmen.MittelseinerPsychotherapielernenADHS-Kinder,mitihrerAblenkbarkeitundGereiztheit
umzugehen.ElterntrainingundVerhaltenstherapiestehenbeiKindernmitADHSvordemsechstenLebensjahranersterStelle.NurwenndieseMaßnahmennichtausreichen,sollteeinezusätzlicheTherapiemitMedikamentenerwogenwerden.
DasElterntrainingistbeiADHSeineguteErgänzungzuprofessionellenTherapieangeboten.Klare
UmgangsregelnsollenesdenElternermöglichen,bessermitihrenhyperaktivenKindernzurechtzukommen.VielebetroffeneElternsuchenauchHilfebeiElterninitiativen.DerAustausch
mitanderenBetroffenenhilftihnenausderIsolationundbewahrtsievorSchuldgefühlen.Oft
schaffenElternvonADHS-KindernerstmitdemRückhaltdieserGruppendenwichtigenSchritt,
ihrhyperaktivesKindsozuakzeptieren,wieesist.
Medikamente
Methylphenidat(Handelsnamen:Ritalin,Concerta,Medikinet)isteinMedikamentderAmphetamingruppe,eigentlichdieWachheitstimulierendeMittel.DurchdieVerbesserungderSignalübertragunganhemmenderDopamin-SynapsenimGehirnwirktesbremsendaufÜberaktivität
(vgl.obigeAbbildung).
DieVerabreichungsetzteinesichereDiagnosevoraus.DieVerschreibungsolltenurvonKinder-
undJugendpsychiaternvorgenommenwerden,nichtetwavonHausärztenoderKinderärzten.
RitalinunterliegtdemBetäubungsmittelgesetz(obwohleskeinesist),umMissbrauchzuverhindern.DieBehandlungistmeistensübermehrereJahreerforderlich,manchmalbisinsErwachsenenlebenhinein.DieDosismusssorgsamangepasstwerde.EinmalimJahrsollte-fachmännisch
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überwacht-einAuslassversucherfolgen,umdieSchweredesStörungsbildesneuzubeurteilen.
BeikorrekterIndikationundAnwendungkönnenvieleKindereinfastnormalesLebenführen.
ÜbermöglicheLangzeitschädenistnichtsbekannt,jedocherfolgteinebreiteAnwendungerst
seit10-15Jahren.Tierversuche,dieaufdieEntwicklungeinerParkinson-ErkrankungbeiRatten
hinweisen,geltenausnichtaussagekräftig.DennochistVorsichtgeboten.
DieAnwendungvonRitalinerfolgtteilweiseunkritisch.DerRitalinverbrauchistinDeutschland
drastischangestiegen(s.SchaubildVorlesungsfolien),indenUSAisternoch5-fachhöher!
Nochmals:eineVerschreibungdurchRitalinsolltebeiklarerIndikationnurdurchKinder-und
JugendpsychiaterundnichtdurchHaus-oderKinderärzteerfolgen!Übrigens:Ritalinwirktbei
MenschenohneADHSgegenteilig,nämlichaufputschend!
Verlauf
DasBeschwerdebildvonADHSbleibtnichtinjederAltersstufegleich,sondernwandeltsichmit
demAlter.ÜberaktivitätundImpulsivitätweichenofteinerallgemeinenLeistungs-undKonzentrationsschwäche.
HäufigtrittdiemotorischeHyperaktivitätalshervorstehendeSymptomatikimKindergarten-
undVorschulalterzuTage.Zwischendem3.Bis6.LebensjahrbessertsichdieSymptomatikbei
ungefährderHälftederKinder.
MitderEinschulungverlagertsichdieProblematikvorallemaufdenLern-undLeistungsbereich.
IndiesemAltersbereichvonsechsbisneunJahrenbehalten2/3derBetroffenendieSymptome.
ImJugendalterunterliegtdieSymptomatikeinemWandel,dadiemotorischeHyperaktivitätin
derRegelnachlässt.BeietwaeinemDrittelergibtsichineineBesserung.DieImpulsivitätund
Aufmerksamkeitsstörungbleibenjedochhäufigerhalten.WeiterhinkönnennebenderSchulleistungsproblematikinzunehmendemMaße(25-50%)StörungendesSozialverhaltensundkriminelleHandlungenauftreten.EinProblemkannauchdieerhöhteGefährdungfürAlkohol-und
Drogenmissbrauchein.
ADHSimErwachsenenalter
EntgegenfrühererAnnahmenerhaltensich(mehralsin50derFälle)einzelneTeilbereichdes
hyperkinetischenSyndromsbisinsErwachsenenalterhinein.ÜberdieHäufigkeit(Prävalenz)der
hyperkinetischenStörungimErwachsenenalterliegensehrunterschiedlicheDatenvor,man
gehtetwavon2bis7%aus.FastalleerwachsenenADHS-Patientenfühlensichinnerlichruhelos
undgetrieben.ImBerufs-undimPrivatlebenerreichensieoftnichtdieZiele,diesiesichursprünglichgesteckthatten.VieleleidenvorallemunterdensozialenFolgenvonADHS.
AusdenErgebnisseneinigerLangzeitstudienwirddeutlich:
WenninderKindheitADHSfestgestelltwurde,beobachtetmanfolgendeAuffälligkeitenbeiErwachsenenhäufiger:
• Drogenmissbrauch,
• StörungenimSozialverhalten
• Angstsymptome,
• Alkoholprobleme
• Strafauffälligkeiten
• ErhöhteUnfallneigung
• SchlechtereberuflichePosition,häufigeStellenwechsel
• HöhereScheidungsrate
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• HäufigeWohnortwechselundUmzüge
DieDiagnosevonADHSbeiErwachsenenkanndurchFragebogen(Selbstbeurteilungsverfahren)
gestütztwerden.Beispiel:
CopyrightWHO2003
EinenetwasausführlicherenFragebogenkannmanansehenunter:
http://www.zentrales-adhsnetz.de/pdfs/material_diag/erw/Selbstbeurteilungs_Skala_zur_Diagnostik_ADHS_im_Erwachsenenalter_
ADHS_SB.pdf
4.Notfälleeinschl.Suizidalität
a.PsychiatrischeNotfallsituationen
PsychiatrischeNotfällesindnichtselten,imärztlichenNotdienstbetreffensieetwa12%allerNotfälle.AlspsychiatrischerNotfallwirddefiniert:„EinimZusammenhangmitpsychopathologischen
SymptomenauftretenderZustand,derzurAbwendungvonLebensgefahroderanderenschwerwiegendenFolgenunverzüglichdersachverständigenBeurteilungundBehandlungbedarf.“
GefährdungenkönnenalsEigen-oderFremdgefährdungauftreten.
GründefürEigengefährdungkönnensein:
-Suizidalität(u.a.beischwererDepression,schizophrenenPsychosen,ZuständengestörterImpulskontrolle,z.B.beimassiverErregungoder/undunterdemEinflussvonDrogen)–über
SuizidalitätsiehefolgendesKapitel
-imRahmenvonPsychosen(Schizophrenie,Manie)
-imRahmenkognitiverDefizite(Delir,Demenz,Intoxikation=Vergiftung)
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-weitereGründe:unzureichendeNahrungs-undFlüssigkeitszufuhr,schwerekörperlicheErkrankungenu.a.
GründefürFremdgefährdungenkönnensein:
-erweiterterSuizid(„Mitnahme“AndererindenTod,z.B.Amokläufe,Selbstmordattentate)
-inFolgekognitiverDefizite(Delir,Demenz,Intoxikation)
-inFolgevonPsychosen(z.B.StimmenbeiSchizophrenie,dieentsprechendeBefehleerteilen)
-inFolgeeinesImpulskontrollverlustes(z.B.inmanischenPhasen)
Erregungszustände
AlleaggressivenpsychomotorischenErregungszuständesindNotfälle.DiehäufigstenGründefürErregungszustände,dieauchohnepsychiatrischeErkrankungauftretenkönnen,sindfolgende:
Ø Alkoholintoxikation(evtl.inVerbindungmiteinerPersönlichkeitsstörung),
Ø akutePsychosen(schizophreneoderbipolarePsychosen),
Ø psychosozialeKonfliktsituationen(ohneprimärepsychiatrischeErkrankung),
Ø MischintoxikationbeiPolytoxikomanie(multipleDrogensucht),
Ø Persönlichkeitsstörung(z.B.Borderline-StörungvomimpulsivenTyp)
FolgendeGrundsätzeimUmgangmitakuterregtenPatienten/Klientenwerdenempfohlen:
- BeiunbekanntenPatientenseelischeundräumlicheDistanzwahren,
- NiealleinmitdemPatientenbleiben-achtenSieaufeinenFluchtweg,Abstandimmermindesten2Armlängen(„2-ArmRegel“),seitlicheBegegnungenwerdenwenigerbedrohlich
empfundenalsfrontale,
- DrohgebärdenoderverbaleDrohungenvermeiden,nichtprovozierenlassen,
- Versuchen,eineverbaleKontaktebenezuetablieren,,
- StellenSiesichvor,SprechenSiedenPatientenmitdemNachnahmenan,
- AufkurzeGesprächsphrasenachten,umdieBelastbarkeitderPatienten/Anwesendennicht
zustrapazieren,
- Ruhigundberuhigendauftreten,takt-undrespektvollesVorgehen,klarer,einfacherunddirektiverGesprächsstil,KeineDeutungengeben,keineVersprechungenmachen,dienicht
einhaltbarsind
- DemPatienten(ohneDrohung)zuverstehengeben,dassSieihnggf.füraggressiveHandlungenverantwortlichmachen.
Delir
DasDeliristeinederhäufigstenpsychiatrischenNotfallsituationen.Esistgekennzeichnetdurcheinequantitative(undqualitative)EinschränkungdesBewusstseins(Bewusstseinstrübung),StörungenderAufmerksamkeit,EinschränkungkognitiverLeistungen(z.B.Gedächtnis,Orientierung,Sprache)oderWahrnehmungsstörungen.DieBeschwerdenentwickelnsichsehrraschinnerhalbvon
StundenoderwenigenTagen.DieStörungistdurchdieAuswirkungeneinerkörperlichenErkrankungaufdasGehirnerklärbar.
AlsweitereSymptomekommenvor:Wahn,Halluzinationen.Depressivität,Ängstlichkeit,Reizbarkeit-StörungenderPsychomotorik,StörungendesSchlaf-Wach-Rhythmus,weiterevegetativeund
allgemeineSymptome.
DiehäufigstenUrsachensind:
- Alkoholentzug/Drogenentzug
- SchwereInfektionen(Lungenentzündung,Hirnhautentzündungu.a.)
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- Stoffwechselentgleisungen(Diabetes-Koma,BlutsalzverschiebungbeiFlüssigkeitsmangel)
- schwereLeber-undNierenfunktionsstörungen
- schwereHerzerkrankungen(z.B.Herzschwäche)
- schwereLungenerkrankungenmitSauerstoffmangel
- erheblicheAustrocknung(z.B.beihohemFieber)
- NebenwirkungvonMedikamenten(selten)
- KrisenhafteHormonstörungen
DashäufigsteDeliristdasAlkoholentzugsdelir,wegendesdabeihäufigauftretendenZitternsauch
„Deliriumtremens“genannt.DerAlkoholentzugistentwederbeabsichtigtoder–wasoftderFallist
–unbeabsichtigt(z.B.kannwegenandererErkrankungmitBettruhekeineAlkoholmehrbesorgt
werden).AnzeichendesAlkoholentzugsdelirssind:
Tremor(Zittern),Kopfschmerzen,Schwitzen,Schlaflosigkeit,Übelkeit,Würgen,allgemeinesKrankheitsgefühl,Erbrechen,Herzrasen,HalluzinationenoderIllusionen,hoherBlutdruck,psychomotorischeUnruhe,zerebraleKrampfanfälle.FürdieDiagnosestellungsindmindestens3dergenannten
Symptomeerforderlich.
DasAlkoholentzugsdeliriststetseinschweresKrankheitsbild,dieBehandlungerfolgtinderRegel
aufeinerIntensivstation.DieLetalitätistrelativhoch.
AndereNotfälle
Intoxikationen:VergiftungenmitMedikamenteninsuizidalerAbsichtoderversehentlich.InderRegelistraschesHandelnmitintensivmedizinischerVersorgungerforderlich.
Panikattacken:wirkenstetsdramatisch,obwohl
keinerealeGefahrbesteht(dieskannmanalsLaie
natürlichnichtwissen).DieärztlicheVersorgungbestehtinderVerabreichungeinesBenzodiazepinPräparateswieValium.BeruhigendesZuredenund
Unterstützungisthilfreich.BeiHyperventilationin
eineTüteatmenlassen(diessolltemanalsLaienur
dannveranlassen,wennmansichsicherist,bzw.
HyperventilationszuständebeidemBetreffenden
bereitsbekanntsind).
Stupor(Starre),wiez.B.beikatatonerSchizophrenie,istebenfallseineNotfallsituation,diemanchmal
nurdurchElektrokrampftherapiebehandelbarist
(s.o.).
b.Suizidalität
UnterSuizidalitätverstehtmanGedankenundHandlungen,diedenWunschnachBeendigungdes
Lebensausdrücken.DieskannteilweiseinversteckterFormerfolgen.Suizidalitätisteinehäufige
KomplikationpsychiatrischerErkrankungen.AmhäufigstentrittSuizidalitätbeiDepressionenauf,
aberauchbeischizophrenenPsychosen,bipolarenStörungenoderPersönlichkeitsstörungen(z.B.
Borderline-Störung).AuchbeiderPTBS(posttraumatischeBelastungsstörung)istSuizidalitäthäufig
vorhanden.DaSuizidediegesteigerteMortalitäteinigerpsychischerErkrankungenbegründen,ist
dasErkennenunddieEinschätzungvonSuizidalitätsehrwichtig.
62
AutoaggressiveHandlungen,z.B.RitzenbeiBorderline-Störungen,erfolgeninderRegelnichtinsuizidalerAbsicht.SiesindSelbstschädigungenohnedieMotivationderSelbsttötung.
ParasuizidaleHandlungensind"suizidaleGesten",oftohnekonkreteTötungsabsichtausgeführt,
dieTodesfolgejedochbilligendinKaufnehmend.
DiePrävalenzvonSuizidversuchenistnichtgenaubekannt,dürfteum100/100.000liegen,Frauen
unternehmendeutlichmehrSuizidversuchealsMänner.VollendeteSuizide(Prävalenz17/100.000)
kommendoppeltsohäufigbeiMännernvor.
BeiallenStörungsbildern,diemitSuizidalitäteinhergehenkönnen,sollteexplizitdanachgefragt
werden!VielePatienten,vorallembeiDepressionen,schämensichihrerSuizidgedankenundverschweigensie,sindjedochdankbar,wennsievomArztoderAnderen(z.B.Sozialarbeiterinnen)daraufangesprochenwerden.DiesentlastetdieBetreffendenundsieredendanndarüber.
DieFragennachSuizidalitätsolltenumfassen:
o DassubjektiveBefinden:“WiegehtesIhnen?”.AusdenAntwortenkannmanbeivorhandenerSuizidalitätfastimmerAndeutungendarübererkennen(z.B.„Esgehtmirnichtgut,ich
wollteichhättemeineRuhe“u.ä.)
o JedeutlicherdieHauptsymptomeeinerDepressionhervortreten,destogrößerdieWahrscheinlichkeitvonSuizidalität.
o FragennachVerzweiflungundHoffnungslosigkeit(„IchhabedenEindruck,Siesindsehrverzweifelt“oder„Siewirkenaufmichziemlichhoffnungslosodertäuscheichmich?“).
o DirekteFragenachlebensüberdrüssigenGedanken(„HabenSieinletzterZeitGedankengehabt,dasLebenseisinnlosundsiewürdenesamliebstenbeenden?“).MankanndieScham
darüberabbauen,wennmandaraufverweist,dasssolcheGedankenz.B.beiDepressionen
„normal“sindundhäufigvorkommen.
o DirekteFragenachSuizidideen/Suizidabsichten(„HabenSieschoneinmaldarübernachgedacht,wieSiesichdasLebennehmenwürden?“,evtl.auch„HabenSieschoneinmalkonkreteVorbereitungengetroffen?“)
Suizidekommennichtunvermittelt!
EsgehteinemehroderwenigerlangeEntwicklungvoraus.Zunächst
kommteszupassivenTodeswünschen(„Ichwärefroh,wennmorgen
allesvorbeiwäre“),danachentwickelnsichmanifesteSuizidgedanken
und–ideen.DieGefahrwächstmit
BeginnvonkonkretenVorbereitungen,dieschließlichindiesuizidale
Handlungmünden.DerinnereProzessgehtvonderErwägungüber
eineAmbivalenzphasezumEnt
NachAlthaus&Hegerl2004
schluss.
ImUmgangmitSuizidalitätwerdenhäufigFehlergemachtoderHinweisenichtbeachtet:
o NichtansprechenvonSuizidgedanken.
o Fehleinschätzungder“RuhevordemSturm”:nachdemEntschlusszumSuizidtrittofteineRuheundAufgeräumtheitauf,dietrügerischist.InWirklichkeithabendieBetreffendenmitdem
Lebenabgeschlossen,derEntschlusszumSuizidisteineArtErlösung.
63
FruchtloseDiskussionenüberdieNotwendigkeiteinerstationärenAufnahme(anStellederErörterungderUrsachenfürdiesuizidaleGefährdung).
o NichterkennenvonBagatellisierungstendenzen:dieBetroffenenspielenihreGefährdungherab.
o ÜbersehenentsprechenderHinweisevonDritten(Freunde,Angehörige).
o NegativeemotionaleReaktion(derÄrzte,Therapeuten,Freundeusw.)aufdasVerhaltendes
Patienten(Schrecken,Angst,moralischeVorhaltungen…).
o VerordnungunnötighoherDosierungennebenwirkungsträchtigerPharmaka.
o UnverbindlicheTherapieempfehlungstattfesterAbsprachenzurweiterenTherapie.
VordereigentlichenSuizidhandlunggibtesdas„präsuizidaleSyndrom“,wasdurcheineauffällige
EinengungimDenken,inderWahrnehmungundinderBeziehungsgestaltunggekennzeichnetist.
WennsichderBlickwinkelz.B.beiDepressionimmermehreinengt,istdiesalsoeinAlarmzeichen!
RisikofaktorenfürSuizidsind:
- SuizidversucheinderVorgeschichte
- Suizide/-versucheinderFamilienanamnese
- PsychiatrischeErkrankungen
- Stationär-psychiatrischeBehandlungwährendderletzten6Monate
- (ältere)Menschenmitschweren(chronischenoderMehrfach-)Erkrankungen
- MenscheninakutenTrennungs-undBelastungssituationen,beiEntwurzelung,Isolation,
schicksalhaftenLebensereignissenoderanderenpsychosozialenKrisen
- WeitereEinflussfaktoren:AlterundGeschlecht(ältereMänner),kulturellesUmfeld,VerfügbarkeitderMethoden,„WertherEffekt“(Nachahmung).
AbschätzungderGefährlichkeiteinesSuizidversuchs:
(+höhereGefährlichkeit-niedrigereGefährlichkeit)
Intention:sollteeinbestimmtesZielserreichtwerden?
-nurschlafenoderRuhehabenwollen
-Kurzschlusshandlung:imAffekt
-DurchsetzungeinesWunsches
+sichselbstdasLebennehmenwollen
Planung:
-keine
+geplant/vorbereitet
+Abschiedsbrief
Methode:
-weich
+hart
Hilfe: -holteselbstHilfe
+wurdeaufgefunden
Gefährdung:
-keinemedizinischeMaßnahmennotwendig
+Magenspülung/medizinischeÜberwachungerforderlich
+stationäreBehandlungerforderlich
+Intensivstation/OP
+bleibendeSchäden
o
64
MaßnahmenundZielederKriseninterventionbeiSuizidalitätundSuizidversuch:
Ø
Ø
Ø
Ø
Ø
Ø
Distanzierung von der akuten Problematik
Perspektivenwechsel / Reframing 2
Ressourcenaktivierung
Beziehungsangebot
Pharmakotherapie
Beschützende Umgebung
Suizidprävention
WaskannimRahmensozialerArbeitgetanwerden?
•Beziehunganbieten:ernsthaftunddirektnachkonkretenSuizidideenoderSuizidhandlungenfragen(SuizidalitätistAusdruckvonNot!)
•AkutenHandlungsdruckerfragen(s.o.–FragenzurSuizidalität)
•Zeit,Zuwendung,FürsorgezurVerfügungstellen
•DieSorgendesBetroffenenernstnehmen
•GeduldigesZuhören
•GegebenenfallszueinerHilfseinrichtung(z.B.Klinik)begleiten
•VermeidenvonVorhaltungen
•VermittelnvonZuversicht
•AngehörigeoderalspositiverlebteBezugspersoneneinbeziehen
•Vermitteln,dassderBetroffenewichtigist
•EigeneGrenzenerkennenundalsHelferUnterstützungsuchen
Wassolltemannichttun?
•MoralischeVorhaltungenmachen
•DenBetroffenenalleinelassen
•AllgemeineRatschlägegeben
•KritikandemWunschdesBetroffenenäußern
•Bagatellisieren(„Dasistdochallesnichtsoschlimm“)
FolgendeInternetseitenwerdenzumThemaempfohlen:
http://www.suizidprophylaxe.de/
http://www.suizidpraevention-deutschland.de
2
DieWahrnehmunghängtunteranderemvomKontext,vom„Rahmen“ab.Bilderwerdenz.B.unterschiedlichwahrgenommen,wennsieinunterschiedlichenRahmenpräsentiertwerden.SoweisenauchmenschlicheDenkmuster,Zuschreibungen,ErwartungeninderRegeleinenRahmen(englisch:frame)auf,eineäußereOrdnung,nachderEreignisseinterpretiertunddannwahrgenommen
werden.EntwederistdasGlashalbvolloderhalbleer.ObwohlscheinbardasGleichebezeichnet
wird,istderAkzentunddieBedeutungjeweilsunterschiedlich,weileinmaleineherpositiverund
dasandereMaleinehernegativerRahmengesetztwird.GelangtmanausderSichtdeshalbleeren
zurSichtdeshalbvollenGlases,sohateinReframing,eineUmdeutung,stattgefunden.Beim
ReframinggehtesalsoumdenPerspektivenwechselvoneinerausschließlichnegativenPerspektive
ineineauchpositiveAspektebeinhaltendePerspektive.
65
5.PsychiatrieundSozialeArbeit
ImFolgendenwirdeineÜbersichtüberdieMöglichkeitensozialerArbeitmitdemSchwerpunktpsychischeErkrankungengegeben.Zielistnicht,einzelneMöglichkeitenoderMethodengenauerdarzustellen.DieDarstellungbeinhaltetjedochbereitsvieleElementevonRehabilitation.
Erstinden70-erJahrendesletztenJahrhundertshabensichdieSozialwissenschaftenintensivermit
derPsychiatriebeschäftigt(Sozialpsychiatrie).Hierbeiwurdezumeinenfestgestellt,dassauchpsychischeErkrankungeneinestarkeSchichtabhängigkeitaufweisen,zumanderenwurdedeutlichgemacht,dassdiePsychiatrieinsbesonderedurchdieInstitution„PsychiatrischeAnstalt“häufigzueinerStigmatisierungunddamitgesellschaftlichenAusgrenzungderKrankenbeitrug.DenStempel
„Psychischkrank“wurdeman–einmalaufgedrückt–nichtmehrlos,sozialeAusgrenzung,Abwertung,EntrechtungundEntmündigungwarenundsinddieFolgen.DieErkenntnissederSozialwissenschaftenhabendurchausEinganggefundenunddiemodernePsychiatriehatsichdemgegenübergewandelt.
SozialpsychiatrischesDenkenhat
Einganggefundeninverschiedene
Ansätze.SowurdederBegriffder
„gemeindenahenPsychiatrie“als
GegengewichtzurAnstaltspsychiatrieentwickelt.Zielistes,möglichst
vieleVersorgungsangeboteinden
ambulantenSektorvorOrtzubringenunddurchvernetzteStruktureneineweitgehendeIntegration
psychischKrankerzuerreichen.
NebenstehendesBildsolldiesverdeutlichen.
(ausdemLehrbuch„SozialeArbeit
inderPsychiatrie“–s.Literaturanhang).
a. Klienten-bezogeneArbeit
Voraussetzungfürklienten-bezogeneArbeitistdieKenntnisderMethodenderGesprächsführung.
BeiklarerRollenverteilungmüssenäußererRahmen,AnlassundZieldesGesprächsfestgelegtwerden.DasErstgesprächdurchläuftbestimmtePhasen(Anfangsphase,Motivierungs-undOrientierungsphasesowieeigentlicheInterviewphasemitBestandsaufnahme).DasErstgesprächistinder
RegeleindiagnostischesGesprächmitunterschiedlicherStruktur:vomeherfreienklinischenInterviewbiszumstandardisiertenInterviewnachLeitfadenbzw.Manual.Einzelheitenwerdeninder
Vorlesung„PsychodiagnostikundPsychotherapie“imkommendenSemesterbesprochen.
66
JenachGesprächsanlassund–zieldienendieerhobenenInformationenderpsychosozialenAnamnese,derbiographischenAnamneseimweiterenSinneodersiesindproblemzentriert.
GeradebeipsychischKrankenistdieRessourcenorientierungeinesGesprächswichtig.Esgilt,„vergessene“FähigkeitenundStärkenwiedernutzbarzumachenfürdieGesundungundStabilisierung
(Salutogenesekonzept).AuchDinge,diebewältigtwerdenkonntenodergelungensind,könnenerfragtundspäterfürdiesozialeArbeitgenutztwerden.
Krisenintervention
EinebesondereFormdesGesprächsistdieKrisenintervention(s.o.„PsychiatrischeNotfallsituationen“,S.60).KrisenkönnenausgelöstwerdendurcheinepsychischeErkrankungselbst(akutePsychosen,DepressionmitSuizidalität,Delirusw.)oderdurchVerlust,TraumaundBedrohung.FolgendeEmpfehlungenkönnengegebenwerden:
1.UnmittelbareOrientierunganderKrisensituation:
-ErmittlungvonArt,GradundAusmaßderReaktionenaufseitenderbetroffenenPersonen
-BeobachtungundDiskussiondergegenwärtigenSituationdesKlienten;seinekörperlicheVerfassung
undSymptome,seinedysfunktionalenGedanken,Gefühle,VerhaltensweisenundsozialenRollen
abklären.
-IdentifikationdesAnlassesundAufdeckungderdarauffolgendenEreigniskette(Beispielfragen:KönnenSiesichdaranerinnern,wodurchIhrejetzigeSituationausgelöstwurde?HabenSieetwaserlebt,wodurchsichIhreGefühleveränderthaben?HabenSiedanachnochetwasÄhnlicheserlebt,
wodurchähnlicheGefühlehervorgerufenwurden?)
-ErmittlungderBeschaffenheitundDauerdes»vulnerablestate«,dersubjektivenReaktiondesIndividuumsaufdasursprünglicheEreignissowiederbereitsunternommenenVersuchederProblembewältigung(Beispielfragen:WiehabenSiesichanfangsnachdemEreignisgefühlt?SeitwannbelastetSiediesesEreignissosehr?HabenSieinderFolgezeitschoneineBesserunggespürt?)
2.AnregungenzurkognitivenReflexionderKrise
-DiskussionüberdiegegenwärtigeSituation;VentilationvonVerlustgefühlen,Schuldgefühlen,Furcht
undÄngsten;EinleitenvonTrauerarbeitusw.
-BestimmendersubjektivenBedeutungderSituation;HerauskristallisierendesspezifischenProblems
desKlienten;AufzeigenderBeziehungzufrüherenKonflikten(Beispielfragen:WeshalbhatSiedas
Ereignissoschwergetroffen?WeshalbquälenSiesichso,obwohldieanderendieSachedochgar
nichtalssoschlimmempfinden?HabenSiediesesErlebniszumerstenMalgehabt?)
3.Versuch,dieSituationzuuntergliedernundsichaufeinzelneAusschnittezukonzentrieren
-FormulierungdesProblemsundderBedürfnissedesKlientendurchihnselbst
-EinschätzendergegenwärtigenSituationdurchdenHelfer
-GemeinsamesFestlegendesProblems,dasbearbeitetwerdensoll;DefinitionvonNahzielen;AbsteckendesUmfangsderIntervention;EntscheidungfürdenBeginnderMaßnahme
4.Beginndersozialpädagogisch-psychiatrischenIntervention
-ÜberprüfenvorhandenerundakzeptablerAlternativen;Erstelleneinesspezifischen,zeitlichbegrenztenBeratungs-oderTherapieplans
-ÜberlegungundEntscheidungüberdieEinbeziehungwichtigerKontaktpersonen
-ÜberprüfungweitererRessourceninnerhalbderGemeinde;zusammenfassendeDiskussionüberdie
KriterienderIntervention
Hilfeplanverfahren
FachlichorientierensichHilfeplanverfahrenanzweiZielsetzungen,diezugleicheineAbkehrvon
traditionellenVersorgungsformenbewirken:
• Hilfeformen:nichtdieFrage,inwelcherEinrichtungistderPatient/Klientambestenunterzubringen,sonderndieFrage,inwelchenBereichenwirdHilfebenötigt(Haushalt,Erledigung
67
bürokratischerFragen,GestaltungdesTagesablaufsusw.)stehtimVordergrund.Hierbei
gilt:ambulantvorstationär.
• Hilfebedarf:nichtdieFrage,welcheHilfsangebotewerdenregionalvorgehalten,sonderndie
Frage,welchenkonkretenBedarfhatderPatient/Klient,istentscheidend.ZurFeststellung
desHilfebedarfsgibtesverschiedeneVerfahren(Beispiel:s.Anhang).
InderKonsequenzbedeutetdieseineträger-undinstitutionsübergreifendeArbeit,angefangenvon
derKenntnisnahmedesHilfebedarfs,dieErmittlungdeskonkretenBedarfs,dieBedarfsmeldung
unddieBewilligungdesUmfangsderBetreuungineinerHilfeplankonferenz.AlsBeispielseihier
dasVerfahrenimRheinlanddargestellt:
ErgebnisdesVerfahrensistdieErstellungeinesintegriertenBehandlungs-undRehabilitationsplans
(IBRP),dersichamBehinderungsbegriffderWHOundderBegrifflichkeitderICForientiert.
DadiepsychiatrischeVersorgungLändersacheist,sinddieHilfeplanverfahrenindeneinzelnen
Bundesländern(leider)sehrunterschiedlich.InBaden-WürttembergwirdfürdenstationärenBereichalsErhebungsinstrumentderHMB-W3eingesetzt.FürdenambulantenBereichexistiertkein
einheitlichesVerfahren.
DieTendenzgehtzurAnwendungvonInstrumenten,diesichanderTerminologiederICForientieren(ITP=intergrierteTeilhabeplanungoderTHP=individuelleTeilhabeplanung).
DieDurchführungvonHilfeplänenistinderPsychiatrieandasVorhandenseingemeindenaherPsychiatrie-Verbündegebunden.SolcheVerbündeexistierennochnichtflächendeckend.
BeispielhaftsolldiePlanungimLandkreisEsslingenerwähntwerden(empfohleneInternetseiten:
FürdieBedarfsplanung:http://www.landkreis-esslingen.de/servlet/PB/menu/1306717_l1/index.html
FürdieDurchführungdesHilfeplangesprächshttp://www.landkreisesslingen.de/servlet/PB/show/1224185/Z.Hilfeplangesprch%20Verfahrensregelungen.pdf).
MitderErstellungeinesintegriertenBehandlungs-undRehabilitationsplanswirdnichtnurderfachlicheHilfsumfangfestgelegt,sondernauchderökonomische:ausdemPlanleitetsichz.B.dieAnzahlder„Fachleistungsstunden“fürSozialarbeiterinnenabunddamitdasHonorar.
CaseManagement
HistorischentstandCaseManagementindenUSAundKannadaauseherökonomischenZwängen
herausmitdemZielderRessourceneinsparung.
3
HMB-W=HilfebedarfvonMenschenmitBehinderungen,FragebogenzurErhebungimLebensbereichWohnenundindividuelleLebensgestaltung(entwickeltvonderForschungsstelle„LebensweltenbehinderterMenschen“(Dr.H.Metzler)
68
InDeutschlandbedeutetCaseManagementLotsenfunktion,AuswahlderoptimalenHilfe,BegleitungundÜberprüfungderWirksamkeit–möglichst„ineinerHand“.EsfindetaufzweiEbenen
statt:
- individuelleHandlungsebene:UnterstützungderKlientenbeiderAuswahlbenötigterHilfen,
Hilfeplanverfahren(s.o.),Koordinationevtl.konkurrierenderLeistungsanbieter,Verwaltung
einespersönlichenBudgets,usw.
- Organisations-/Systemebene:SteuerungdesLeistungseinsatzes,Optimierungderfinanziellen
Ressourcen,VernetzungvonSystemenzurErzielungvonSynergieeffekten,Vernetzungan
Nahtstellen(z.B.ÜbergangvonstationärerpsychiatrischerKlinikzurTagesklinikoderambulantenDiensten)u.a.
CaseManagementistimmerdannerforderlich,wennbeichronischenErkrankungenmitBehinderungoderdrohenderBehinderungkomplexeHilfenerforderlichsind.DapsychischeErkrankungen
sehrhäufigzuBehinderungenführen,istCaseManagementindiesemBereichbesonderswichtig.
HandlungsschritteimCaseManagementsind:
- Einschätzung(Assessment):(Vorläufige)FeststellungdesHilfebedarfsdurchdieEinschätzung
derLebenssituationmitdenspezifischenProblemendesKlienten.EinbesonderesAugenmerkliegtaufderQualitätdessozialenNetzes,aufdenSelbsthilfekräftenundvorhandenen
Ressourcen.DieEinbeziehungandererDienstekannerforderlichsein(z.B.sozialpsychiatrischerDienst).DasAssessmentistGrundlagederHilfeplanung(Beispiel:s.Anhang).
- Planung:AufstellungdesHilfeplansnachdenobenbeschriebenenVerfahrenunterEinbeziehungallerBeteiligten.DarinsindHandlungszieleundAufgabensowiedererforderliche
AufwandanPersonal-undSachmittelnverbindlichfestgelegt.Hilfeplänemüssenregelmäßigüberprüftundggf.angepasstwerden.
- Durchführung(Intervention):EinerseitsimKontaktmitdemKlienten,andererseitsmitden
beteiligtenDienstenkoordiniertderCaseManagerdieeinzelnenInterventionen,führtsie
teilweiseselbstdurch(AufklärungundInformation,Begleitung,Verhaltenstraining,Vereinbarungentreffenu.a.).ZielistimmerauchdieStärkungverbliebenerSelbsthilfefähigkeiten.
- Kontrolle(Monitoring):HiermitistsowohlSteuerungalsauchÜberprüfungderFallentwicklunggemeint.DiebeteiligtenDienstesinddemCaseManagerrechenschaftspflichtig.Dieser
achtetaufEffektivität(Qualität)undEffizienz(Wirtschaftlichkeit)desMitteleinsatzes.FernergehörenInformationundBeratungderDiensteebensowieKonfliktlösungen(zwischen
DienstenoderzwischenKlientenundDiensten)zudenAufgaben.
- Bewertung(Evaluation):EineabschließendeBewertungdesgesamtenHilfeprozessesisterforderlich,umdenNutzenfürdenKlientenzuprüfenundumgegenüberdenLeistungsträgern(damitauchderÖffentlichkeit)Rechenschaftabzulegen.GrundlageisteinedifferenzierteDokumentation.DasErgebnissolltevierDimensionenberücksichtigen:
o
o
o
o
Veränderung:washatsichtatsächlichverändert?
Umwelt:sozialeAkzeptanzundPraktikabilitätderProblemlösungen
SubjektiveDimension(„Kundenorientierung“):ZufriedenheitdesKlienten
Zukunft:welcheneuenMöglichkeiten(derLebensgestaltung)wurdenerschlossen?
PsychiatrischesCaseManagement(PCM)orientiertsichzunächstandenallgemeinenPrinzipiendes
CaseManagements,wiesieobendargestelltwurden.EsexistiertnochkeineinheitlichesVorgehen
fürpsychiatrischePatienten/Klienten.EinzelneFunktioneneinesPCMwerdenvonunterschiedlichenInstitutionenundDienstenwahrgenommen:
• BetreuernachdenBetreuungsgesetzen:GesetzlicheBetreuermüssenbeihilflosenPersonennichtnurüberAusübungvonZwangentscheiden,sondernauchdarüber,welche
69
Hilfsmaßnahmengeeignetwären.HerrschendePraxisisteineindividuelle(guteoder
schlechte)EntscheidungspraxisjenachEngagementdesBetreuers.
• PsychiatrischeKliniken:DurchdenZwangzurLiegezeitverkürzung(aufuntersiebenWochen)müssendieKlinikenbereitszuBeginnderstationärenBehandlungdieEntlassPlanungbeginnenunddieweitereVersorgungklären.DiesisteigentlicheinPCMElement.
• SozialpsychiatrischerDienst(SPD):DiesenichtinallenBundesländernverfügbarenDienstehabenalsTeilderöffentlichenGesundheitsdiensteunteranderemdieAufgabe,individuelleHilfeundHilfsangebotezukoordinieren.LeiderfehlenauchhierStandards,weshalbdieeinzelnenSPDsdieseAufgabesehrunterschiedlicherfüllen.
• PsychiatrischeAmbulanzen:Nebendermedizinischen(Langzeit-)Betreuungumfassendie
Aufgabenderseitden80-erJahrenbestehendenAmbulanzenauchdieGesamtbetreuung
mitdemAufgabenspektrumeinesSPD.DamitkämediesenAmbulanzenauchPCMFunktionzu.
• BetreutesEinzelwohnen:SeitMitteder90-erJahrenexistiertdiesesAngebot,welchesrelativgutausgebautistundElementedesPCMaufweist(beispielhaftseiaufdieInformationdesLandschaftsverbandesWestfalen-Lippeverwiesenunter
http://www.lwl.org/spur-download/bag/Berlin_an11.pdf).
• ModellregionenimHilfeplanverfahren:DasVerfahrenwurdeobenbeschrieben.Fürdie
UmsetzungderindividuellenBehandlungs-undRehabilitationspläne(IBRP)werdenindiesenRegionen„KoordinierendeBezugspersonen“benannt,dieimPrinzipPCM-Funktion
haben.InderSchweizwirddasBezugspersonensystemfavorisiert.
ErgebnissedesPCMinModellregionensindermutigend:Sokonntez.B.imVersorgungssektor
München-SüdbeiMenschenmiteinerPsychoseausdemschizophrenenFormenkreisdiestationäre
Behandlungsdauererheblichreduziertwerden,nämlichvon139TagenproJahrauf48Tage.HierbeiwarenIBRPsundFallkonferenzendiewichtigstenElementedesPCM.
Psychoedukation
PsychoedukationalsSonderformvonVerhaltenstherapiekannzwarvonPsychotherapeutInnengeleistetwerden,invielenFällenjedochgenausogutvonanderenProfessionenimsozialenFeld,
wennentsprechendgeschultwurde.InDeutschlandhatsichPsychoedukationdurchSozialarbeiterInnenvoralleminderSuchthilfebewährt.AberauchbeianderenpsychischenErkrankungenist
Psychoedukationhilfreich.ImVordergrundstehenInformationsvermittlung,BewältigungsstrategienundKompetenzerweiterung.DurchAufklärungderBetroffenenundihrerAngehörigenüber
dieKrankheit,denVerlauf,Behandlungsmöglichkeiten,NebenwirkungenvonMedikamentenusw.
wirddasWissenunddamitdieSelbsthilfefähigkeitgestärkt.OftgelingtsodieVermeidungoder
frühzeitigeErkennungvonRückfallkrisenbzw.akutenKrankheitsschüben.AuchsteigtdieZuverlässigkeitderPatienten,wasz.B.dieEinnahmevonMedikamentenbetrifft.
70
DieAbbildunggrenztdieBereichePsychotherapie,PsychoedukationundSozialpädagogikvoneinanderab(ausdemLehrbuch„SozialeArbeitinderPsychiatrie“–s.Literaturliste).
Psychoedukation,diemeistinGruppenstattfindet,nutztdiePrinzipiensozialerGruppenarbeit.Das
VorgehensollteeinemfestenSchemafolgen.Schrittesind:
- PlanungderGruppe(Thema,Zielgruppe,institutionellerRahmenusw.)
- KlärungderVorgehensweise(Methoden,Informations-undArbeitsmaterial,Referenten,
Gruppentyp(offeneodergeschlosseneGruppe),Moderator,Supervisionbzw.fachlicheBegleitung)
- VorbereitungderTeilnehmer(Aufklärung,Arbeitsbündnis,Befürchtungen,Ängste,Informationsblattusw.)
- Durchführung(SchaffungeinerangenehmenAtmosphäre,strukturierteGruppenleitung,
gleichbleibendeAufmerksamkeit)
- Evaluation(FeedbackrundeninderGruppeoderAuswertungenmitdefiniertenInstrumenten)
BeispielzurDurchführungeinerstrukturierten,psychoedukativenGruppefürPatientenundAngehörigebeiPsychosenausdemschizophrenenFormenkreis:
1.Sitzung:VorstellungderTeilnehmer
ErwartungenandieGruppe,aktuelleSituation("Binichhierrichtig?")
2.Sitzung:KrankheitsbegriffundSymptomatik
("IstdasüberhaupteinePsychose?")
3.Sitzung:Ursachen:"SomatischeBrücke"
("WiekannmansichdasZustandekommendieserBeschwerdenerklären?")
4.Sitzung:Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell
("WoherkommtdieseErkrankung?")
5.Sitzung:MedikamenteundNebenwirkungen
("SchadendieseMedikamentenichtmehralssienutzen?")
6.Sitzung:Rückfallschutzbehandlung,FrühwarnzeichenundKrisenplan
("WaskannmanbeidrohendenRückfällenmachen?")
7.Sitzung:PsychotherapieundsoziotherapeutischeMaßnahmen
("KannmandeninnerenKnackpunktfinden?""WelcheUnterstützungsmaßnahmenkommeninFrage?")
8.Sitzung:Wiederholung,offeneFragen,Selbsthilfegruppen,Zukunftsperspektiven
WeitereInformationenz.B.unterhttp://www.psychoedukation.net/(diesisteinegemeinsameInternetseitederCharitéBerlin,desSchattauer-VerlagesundderJanssen-CilagAG)–getrenntnach
InformationenfürPatienten/AngehörigeundFachkreise.
BiographiearbeitamBeispielDemenz
DieBiographieeinesMenschenkannalswichtigeRessourceindersozialenArbeitbetrachtetwerden.BeiMenschenmitDemenzerscheinteinegenaueKenntnisderBiographiewichtig,umVerständnisfürdieBetroffenenzuentwickelnundihrVerhaltenundErlebenzuverstehen.NichtzuletztkanndasSelbstvertrauenalterMenschendurchBiographie-Arbeitgestärktwerden.Eskann
daraussogarneuerElanfreigesetztwerden,umsichmitderGegenwartauseinanderzusetzen.
FernersuchenMenschenmitDemenzhäufignachIdentitätundVertrautheit,dieihnenSicherheit
geben,ineinerWelt,dieihnenaufgrunddernachlassendenErinnerungsfähigkeitimmerfremder
erscheint.Erinnerungen,dieaufdasLangzeitgedächtniszurückgreifen,gebenihnenHalt.Einean
derjeweiligenBiographieorientierteStruktur,dieanGewohnheitenderaltenMenschenanknüpft,
schafftVertrautheit.AnalteVorliebenundGewohnheitenoderHobbyskanngutangeknüpftwer71
den,umaltenMenscheneineAufgabezugeben.ZudemkannBiographiearbeitMenschen,deren
Gedächtnisimmermehrnachlässt,inihrerIdentitätstärken.
AnsätzederBiographiearbeitmitDemenzkrankenkönnensein:
- BiographiebezogeneEinrichtungdesZimmers(Bilder,Gegenstände)
- AnlegeneinesErinnerungsalbums(wennmöglichgemeinsammitAngehörigen)
- Erinnerungspflege:MöglichenThemenreichenvonHeimat,überHobbys,Arbeit,Ausflüge/Reisen,RedewendungenundSprichwörterbishinzuSchulbesuchoderTanztee.
- BesondereStrategienundMethodenanwenden
o
o
o
o
o
o
o
o
o
VertrauteGegenständebetrachtenundbefühlen
FotosundBilderbetrachten(s.a.Erinnerungsalben)
VorlesenvonTextenzurVorbereitung/EinstimmungaufeinThema
InGruppen:reihumfragen
SammlungvonStichpunktenzubestimmtenThemen
Zeitschieneanlegen(z.B.aufeinergroßenPapierrolle)
MusikundTanz(dieErinnerunganLiedertextebleibtbesonderslangeerhalten)
ReimeundRedensarten
AktivitätenausdemAlltag(beiFrauenz.B.KochenundBacken)
ZielederBiographiearbeitmitdementenMenschensindunteranderem:
- VerständnisdesBetroffenenfürseineBiographiefördern
-FörderungdesBewusstseinsdereigenenGeschichteunddamitdesSelbstbewusstseins
(Be)WahrungdereigenenIdentität
-Aufarbeitung/BewältigungderVergangenheit(soweitmöglich)
-BedürfnisseinderGegenwarterkennen
-VerbesserungderindividuellenKommunikation
-ErkennenderlebensgeschichtlichenZusammenhänge
-TagesgestaltungaufindividuelleBedürfnisseundWünscheabstimmen
-möglichstlangeAufrechterhaltungdessozialenBeziehungsgeflechtes
-ZusammenarbeitzwischenKrankenundBetreuernverbessern.
b.
UnterstützungundHilfeninwichtigenLebensbereichen
ImRahmendesVorlesungsthemaswirdaufdieBereicheWohnenundArbeiteingegangen.
ZurSelbsthilfes.abSeite90.
Wohnen
BetreutesWohnen
FrüherwarenvieleMenschenmitpsychischenErkrankungendauerhaftinpsychiatrischenAnstalten
oderinHeimenuntergebracht.DasBemühengehtheutedahin,die„eigenenvierWände“möglichstlangezuerhalten.DemliegtdieErkenntniszuGrunde,dassdieeigeneWohnungoderbesondereWohnformen(Wohngemeinschaften)derpsychischenStabilitätdienen.Menschenin
stabilenWohnverhältnissensindwenigergefährdethinsichtlichRückfällenundKrisen.OberstesZiel
istalso,dasselbstständigeWohnendurchambulanteHilfenmöglichlangezuermöglichen.
DiePatienten/Klientenlebenentwederallein,mitPartnerInoderinWohngemeinschaften.ImSinne
aufsuchenderArbeiterfolgtderregelmäßigeKontaktmitdemBetreuer.IneinemBetreuungsvertragodereinemHilfeplan(s.o.)werdenUmfangundInhaltederBetreuungfestgelegt.DerMietver72
tragistseparaterBestandeil.EntwederdieKlientenwohnenindereigenenWohnung,oderineiner
vomTrägerangemietetenWohnung.
WelcheFormdesbetreutenWohnensinFragekommt,entscheidetsichnachdemWunschdesBetroffenenundnachseinenEinschränkungen.AlleinodermitPartnerInzuwohnen,wahrtdie
größtmöglicheAutonomie,erfordertjedocheinhöheresMaßanAlltagsbewältigung.Geradebei
psychischKrankensindnegativeBeziehungserfahrungenhäufigeinHindernis,inWohngemeinschaftenzuleben.RegelverstößeundKonfliktesinddieFolgen.
FolgendeAufgabenstellungenfürSozialpädagogen/SozialarbeiterimbetreutenWohnensindzuberücksichtigen:
ErhaltdereigenenWohnungalserstePriorität
SicherungderMietzahlungen,Mietschuldenregulieren,Behördenangelegenheitenerledigen,Ordnen
vonPapierenundUnterlagen,WahrnehmungvonGemeinschaftspflichten(Treppenhausreinigung,
Müllentsorgung),Konfliktlösungen(mitHausbewohnern,Vermietern)
Alltagsgestaltung
StrukturierungdesAlltagsalsstabilisierendesElement,Haushaltsführung,Selbstsorge(Ernährung,Gesundheit),Einkaufen,UnterstützungbeiderSuchenacheinerBeschäftigung(Tagesklinik,RehaMaßnahmenzurTeilhabeamArbeitsleben)
FörderungsozialerKontakte
EntlastungderBeziehungzwischenBetroffenenundihrenAngehörigen,ErmutigungneuerKontakte
unterBerücksichtigungevtl.negativerBeziehungserfahrungen,AusgewogenheitvonNäheundDistanz
UmgangmitkrankheitsbedingtenEinschränkungen
AkzeptanzderKrankheitunddendarausresultierendenEinschränkungen,EntwicklungvonBewältigungsstrategien,Überforderungenrechtzeitigerkennen,TeilnahmeanpsychoedukativenGruppenanregen,zuregelmäßigerMedikamenteneinnahmeundFacharztbesuchenmotivieren
UmgangmitKrisen
BeiKrisen(s.PsychiatrischeNotfälleS.60)mussgeprüftwerden,obeinvorübergehenderhöhterBetreuungsaufwandausreicht.AndernfallssindspezielleMaßnahmenderKriseninterventionerforderlich;dieskanndievorübergehendeUnterbringungineiner„Krisenwohnung“erforderlichmachen.Bei
Eigen-oderFremdgefährdungistdiestationäreUnterbringungnachdemPsychKGunvermeidlich.
Wohnheime
DieWohnformenumfassenÜbergangs-undDauerwohnheime.Übergangswohnheimesindinder
Regelaufmax.2Jahrebefristet.FernergibtesWohnheimefürspezifischeKlientengruppen(z.B.für
MüttermitKindern).ModerneHeimstrukturenbeinhaltenkleineWohngruppenindezentralen
HäusernundAppartements.DanebenexistierendieklassischenWohnheimemitmehrerenGroßgruppenineinemGebäude.
DieAufgabenstellungensozialerArbeitineinemWohnheimfürpsychischkrankeMenschenumfassen:
-
GestaltungeinesentwicklungsförderndenMilieus
KontaktundBeziehungsgestaltungzwischenBewohnernundMitarbeitern
UnterstützungundBeratungimUmgangmitderErkrankung
HilfestellungundAnleitungbeiderSelbstsorge(Körperpflege,Ernährung,Kleidung)
AufbaueinerTagesstruktur
AnregungundFörderungvonArbeitsmöglichkeitenundsinnstiftenderTätigkeit
FörderungsozialerKontakteundBeziehungenzuAngehörigen,Bekannten,FreundenundMitbewohnern
StabilitätundHaltinKrisensituationen
UnterstützungundBeratungbeiBehördenangelegenheiten
73
Arbeit–TeilhabeamArbeitsleben/beruflicheRehabilitation
FürdieRehabilitationpsychischKrankeristdieTeilhabeamArbeitslebeneinzentralerBereich.Arbeit
gibteineTagesstruktur,dieMöglichkeitsozialerKontakteunddieChance,sichfüreinegewisseZeit
vonderpsychischenErkrankungzudistanzieren.
ÜbersichtüberZielsetzungenundInstitutionen:
o Arbeitstherapie(AT)alsstabilisierendesAngebot,
o RehabilitationseinrichtungfürpsychischKrankeundBehinderte(RPK),
o beruflichesTrainingszentrum(BTZ),
o Berufsförderungswerk(BFW),
o WerkstättenfürbehinderteMenschen(WfbM),
o begleitendeHilfenimArbeitsleben,
o Integrationsfachdienste,
o Integrationsfirmen.
Arbeitstherapie(AT)
PsychischKrankefür„nützliche“undalssinnvollerlebteArbeiteneinzusetzenstabilisiertdenGesundheitszustand,vermeidetRückfälleunderneuteKrankenhausaufenthalte,erhältdieTagesstrukturundfördertdieRehabilitationsfähigkeit.TypischeArbeitsbereichesindz.B.gärtnerische,hauswirtschaftlicheoderhandwerklicheTätigkeiten(Holz,Metall,Schneiderei)sowieBüro-undEDVArbeiten.ATwirdmeistvonErgotherapeutenbetreut,esgibtaberBerührungspunktezursozialen
Arbeit.ATkanninstationäremRahmen,teilstationäroderambulanterfolgen.SieistTeildes(medizinischen)Behandlungsplanesundwirdärztlichverordnet.DerzeitlicheUmfangwirddenaktuellen
MöglichkeitenangepasstundermöglichtsoeinenniederschwelligenEinstiegindieberuflicheRehabilitation.DiestationärbegonneneATkannteilstationär(WohnenindereigenenWohnung,tägliche
FahrtzurEinrichtung)oderambulantfortgesetztwerden.HierfüristeineBelastbarkeitvonarbeitstäglich4-6StundenVoraussetzung.DieBewilligungsdauerbeträgtbis9Monate(nachjeweils3MonatenVerlängerungsantragmitZwischenberichterforderlich).
DieberuflicheRehabilitationhatdieRückkehraufdenallgemeinenArbeitsmarktzumZiel.VoraussetzungistdasVorliegenvonRehabilitationsfähigkeit,d.h.einegrundsätzlicheStabilisierungund
eineausreichendeBelastbarkeit.BeiderberuflichenRehabilitationhandeltessichimVergleichzur
ArbeitstherapieumeinhöherschwelligesundverbindlicheresAngebot.ImFolgendenwerdendie
Möglichkeitendargestellt.
RehabilitationseinrichtungenfürpsychischKrankeundBehinderte(RPK)
DieseregionalunterschiedlichgutentwickeltenEinrichtungenbietenMenschenmitpsychischerErkrankungoderBehinderungmedizinischeundberuflicheRehabilitationinVerbindungmiteinerbegleitendenpsychosozialenBetreuungan,vorwiegendinfolgendenSituationen:
- NochnichtausreichendStabilisierungnachKrankenhausaufenthalt
- FehlendestabileKontaktezurFamilie,zuFreundenoderzurNachbarschaft.EineselbstständigeLebensführungistnochnichtodernursehreingeschränktmöglich.
- UnterbrechungderSchul-undBerufsausbildungdurchdiepsychischeErkrankung
- ChronifizierungderErkrankung:NachmehrfachenpsychiatrischenKrankenhausaufenthalten
kommtesimmerwiederzuRückfällenunderneutenKlinikunterbringungen.DemKlienten
drohtdersozialeundberuflicheAbstiegbzw.dieErwerbsunfähigkeit.
ZielistdieIntegrationindenallgemeinenArbeitsmarkt,alternativdieErlangungeinesbeschützten
Arbeitsplatzes.DieRPKsverfolgeneinenganzheitlichenAnsatzunterEinbeziehungzahlreicherBe74
rufsgruppenineinmultiprofessionellesTeam(Ärzte,Psychotherapeuten,Ergotherapeuten,Sozialarbeiter,psychiatrischeKrankenschwestern,Krankengymnasten,Beschäftigungstherapeutenund
FachkräftefürberuflicheRehabilitation).DieEinrichtungenstehenunterärztlicherLeitung.
SozialeArbeitbeziehtsichhieraufUnterstützungundBeratungbeiFragenundProblemenausden
BereichenArbeit,FamilieundFreizeit.Sozialarbeiter/SozialpädagogenbietenverschiedeneTrainingsmöglichkeitenimBereichKommunikationundInteraktionanundleistendarüberhinausHilfestellungbeimSchließenkrankheits-oderbehinderungsbedingterBildungslückenundübernehmen
dieBegleitungderRehabilitandenwährendihrerPraktika,siehelfenbeiderErmittlungderpsychischenundphysischenLeistungsbreiteunddersozialenAnpassungsfähigkeit.BeruflicheRehabilitationwirdinKooperationmitregionalenPartnernangebotenz.B.alsBerufsfindung,Arbeitserprobung,
BerufsvorbereitungoderberuflicheAnpassung.
BeruflichesTrainingszentrum(BTZ)
DieberuflichenTrainingszentrensindausschließlichEinrichtungenzurberuflichenRehabilitation.
Menschen,dieanPsychosen,Neurosen,PersönlichkeitsstörungenoderpsychosomatischenStörungenleiden,sinddieZielgruppen.AusschlusskriteriensindgeistigeBehinderungen,SuchterkrankungenoderhirnorganischeSchädigungen.DieKlientenmüssenmindestens4Stundentäglichbelastbar
sein.DasBTZbieteteineVielfaltvonArbeitsplätzenan,diealsTrainingsplätzedenbetrieblichenBedingungenweitestgehendentsprechenunddieAnforderungendeserstenArbeitsmarkteserfüllen.
DieTeilnehmerhabendieMöglichkeit,ihre(Arbeits-)FähigkeitenunterrealistischenBedingungenzu
testenundzuverbessern.SieerhaltenpsychosozialeBegleitungundergotherapeutischeUnterstützung.
FolgendeRehabilitationsleistungenwerdenangeboten:
Anpassungsqualifizierung
Istsinnvoll,wennbereitseineBerufsausbildungabgeschlossenoderBerufserfahrungerworbenwurdeund
derWunschbesteht,indenerlerntenBerufzurückzukehren.DieberuflicheEignungdarfdurchdiepsychische
Erkrankungnichteingeschränktwerden.DieMaßnahmedauert12-15MonateundschließtinhaltlichanvorhandeneKenntnissean,diejedochaktualisiertunderweitertwerden.
VorbereitungaufeineUmschulungodereineandereAnschlussmaßnahme
TeilnehmerdieserMaßnahmehabenaufgrundihrerpsychischenErkrankungentwederkeineAusbildungabgeschlossen,ihrStudiumabgebrochenoderkönnennichtmehrindenerlerntenBerufzurückkehren.
Berufsfindung/Arbeitserprobung
DiesesAngebotrichtetsichanerkrankteMenschen,dienochnichtoderschonlängernichtmehrerwerbstätigwaren.SieerhaltenHilfestellungenbeiderErmittlungihresBerufswunschesundwerdenbeiderEntwicklungeinesrealistischenSelbstbildesinBezugaufihreArbeitsfähigkeitenunterstützt.GemeinsammitdemKlientenwirdgeklärt,überwelcheFähigkeitenundBegabungenerverfügtundfürwelchenBerufszweigergeeignetist.
BeruflicheOrientierung
MitdemKlientenwirdgemeinsameineDiagnostikseinerBerufsfähigkeitimRahmenvonFörderlehrgängen
oderdreimonatigenFeststellungsmaßnahmendurchgeführtundgeklärt,aufwelchemNiveaueineberufliche
RehabilitationodereinberuflicherWiedereinstiegmöglichist.
Berufsförderungswerk(BFW)
DiesegemeinnützigenBildungseinrichtungenbietenüberbetrieblicheAusbildungenundUmschulungenalsberuflicheRehabilitationan.Menschen,dienacheinerErkrankungoderinfolgeeinesUnfalls
inihremerlerntenBerufnichtmehrarbeitenkönnenundumschulenwollen,könnenhiereinenneuenBerufsabschlusserwerben.EswerdenAusbildungenundUmschulungenfürunterschiedlichste
Berufeangeboten.InderRegeldauerteineAusbildung24Monateundendetmiteinemqualifizier75
tenAbschlussvorderIndustrie-undHandelskammer.KostenträgersinddieRentenversicherung,
AgenturfürArbeitoder(nachBetriebsunfällen)dieBerufsgenossenschaften.
NebendenallgemeinenAusbildungs-undUmschulungsmaßnahmen,dienatürlichauchMenschen
mitpsychischenErkrankungenoffenstehen,gibtesspezielleAngebotefürMenschenmitpsychischen
Erkrankungen.BeispieleausdemProgramdesBFWKöln:
ArbeitserprobungundBerufsfindung(Dauer6Wochen)
hatzumZiel,dieberuflicheEignung,dievorhandeneBelastbarkeitunddiepersönlichenVoraussetzungen
mitdemjeweiligenBerufswunschderTeilnehmerinabzugleichenundgemeinsammitihrPerspektivenzu
erarbeiten.WährenddieserZeitstehenAusbilder,PsychologenundSozialarbeiterzurVerfügung.DasErgebniswirddemzuständigenKostenträgermitgeteilt,umggf.dienächstenSchritteeinzuleiten.
Rehabilitationsvorbereitungstraining(Dauer10Wochen)
VieleMenschenmitpsychischenErkrankungenhabenSchwierigkeiten,sichaufneueSituationeneinzulassen.DasBFWbietetdahereineMaßnahmean,indersichTeilnehmerallgemeinaufdiebevorstehendeberuflicheQualifizierungvorbereitenkönnen.Inhaltlichgehtesdarum,sichandieAusbildungssituationzu
gewöhnen,diePersönlichkeitzustärken,dieBelastbarkeitzusteigernundallgemeineberuflicheAnforderungenkennenzulernen.AuchdieserKurswirdvoneineminterdisziplinäremTeamgeleitet(Ausbilder,Psychiater,Psychologe,Sozialarbeiter).DasRehabilitationsvorbereitungstrainingfindetunmittelbarvordem
Rehabilitationsvorbereitungslehrgangstatt.
Rehabilitationsvorbereitungslehrgang(Dauer12Wochen)
UnmittelbarvorBeginndereigentlichenberuflichenQualifizierungbestehtdieMöglichkeit,sichspeziellauf
denausgewähltenAusbildungsberufvorzubereiten.ZieledesLehrgangssindnebendemSchließenvonWissenslücken,dieAneignungverschiedenerLernmethoden,dieAufklärungüberaktuelleAnforderungendes
ArbeitsmarktesunddieKomplettierungdesBerufsbildes.FernerwerdenFach-undPC-Kenntnissevermittelt.
WerkstättenfürbehinderteMenschen(WfbM)
WerkstättenfürbehinderteMenschenbietendieMöglichkeiteinerzweijährigenberuflichenRehabilitationmitderAussicht,danachfestübernommenzuwerden.AufgenommenwerdenMenschen,bei
deneneinepsychiatrischeErkrankungoderBehinderungvorliegt.AuftragderWerkstättenistdie
WiederherstellungderArbeitsfähigkeitunddieStabilisierungderGesundheitmitdemZielderVermittlungdesBeschäftigtenindenallgemeinenArbeitsmarkt.Beschäftigte,diediesenSprungnicht
schaffen,habenjedochdieMöglichkeit,weiterinderWerkstatttätigzuseinundsoamArbeitsleben
teilzuhaben(beschützterArbeitsplatz).
DasAngeboteinerWfBMumfasstinzeitlicherAbfolgedasEingangsverfahren(3Monate),das1.
Berufsbildungsjahr(Grundkurs),das2.Berufsbildungsjahr(Aufbaukurs)unddenArbeitsbereich.Über
dieInhaltedieserRehabilitationsphasenwirdanandererStelleinformiert.
SozialpädagogenundSozialarbeiterinnenimSozialenDienstderWerkstättennehmenfolgendeAufgabenwahr.Sie
- sindAnsprechpartnerfürBeschäftigteundGruppenleiterbeiProblemeninnerhalbdesBetriebes
- organisierenregelmäßigFallbesprechungen
- sindzuständigfürFörderplanung,Rehaverlaufsgespräche,Einzel-undReflexionsgespräche;
- übernehmendiePraktikumsbegleitung
- bietenBeratung,HilfestellungundVermittlungbeigesundheitlichenProblemen
- leistenKriseninterventionundtreffenEntscheidungenüberevtl.erforderlicheMaßnahmen
- unterstützendieBeschäftigtenbeiderBeantragungfinanziellerHilfen
- haltenKontaktzuBehörden,Kostenträgern,Wohnheimen,BetreuernundAngehörigen.
76
Alsweitere,begleitendeHilfenimArbeitslebensindIntegrationsfachdiensteundIntegrationsfirmen
zunennen.DieswirdausgeführtaufSeit89-90.EinezusammenfassendeÜbersichtüberdiedargestelltenInstitutionengibtdiefolgendeTabelle:
6.RehabilitationpsychischErkrankter
MöglichkeitenzurTeilhabeamArbeitslebenalseinzentralerBereichderRehabilitationpsychisch
Krankerwurdenbereitsbeschrieben.HierwirddieRehabilitationpsychischKrankerinsgesamtabgehandelt.
a. PsychischeStörungenundBehinderung
EinepsychischeBehinderungliegtvor,wennalsFolgeeinerpsychischenStörungnichtnurvorübergehenderheblicheBeeinträchtigungenindenBereichenderAlltagsbewältigung,derErwerbsfähigkeitunddersozialenIntegrationauftreten.
DieHäufigkeitvonpsychischenStörungenistgrößeralsallgemeinangenommenwird:
–MehralseinDrittelderBevölkerungleidetirgendwanneinmalimLebenaneinerpsychischenErkrankung.
–EtwazehnProzentderBevölkerungbegebensichjährlichwegeneinerpsychischenStörunginambulanteärztlicheBehandlung.DavonwirdderüberwiegendeTeilvonHausärztenbehandelt.
–EtwafünfProzentder16-bis64-jährigenBevölkerungsuchenjährlichwegeneinerpsychischenStörungeinenPsychiater,NervenarztodereinenPsychotherapeutenauf.
–EtwaeinProzentderVersichertendergesetzlichenKrankenversicherung(ohneKinderundRentner)
wirdjährlichwegeneinerpsychischenErkrankungdurchschnittlich36Tagearbeitsunfähig.
–MehralseinhalbesProzentderBevölkerungwirdjährlichwegeneinerpsychischenErkrankunginpsychiatrischenKlinikenaufgenommen.
–EtwaeinhalbesProzentderBevölkerungbenötigteinelängerfristigeBehandlung,Rehabilitation,BegleitungundUnterstützungaufgrundeinerschweren,chronischverlaufendenpsychischenErkrankung
oderBehinderung.
DiefolgendeAbbildungveranschaulichtunterBezugnahmeaufdieInternationaleKlassifikationder
Funktionsfähigkeit,BehinderungundGesundheit(ICF)beispielhaftdieunterschiedlichenmöglichen
AuswirkungenundFolgeneinerpsychischenErkrankungundlässtdieWechselwirkungzwischen
77
denEbenenderFunktionen,derAktivitätenundderTeilhabeanLebensbereichenerkennen.Die
ErmittlungdesHilfebedarfserfordertdahereinegenaueKenntnisderPersondeserkrankten
Menschen,dervorhandenenundbeeinträchtigtenFähigkeitenundFertigkeitensowiedessozialen
UmfeldesmitdenvielfältigenWechselwirkungen.
b. RehabilitationszieleundRehabilitationsfähigkeit
Rehabilitationsziele.ZielvonLeistungenzurTeilhabe(Rehabilitationsleistungen)ist,denpsychisch
krankenoderbehindertenMenschenzubefähigen,einmöglichsteigenständigesLebenineinem
Umfeldzuführen,dassonormalwiemöglichist.DazusollenHilfenbeitragen,um
–dieverbliebenenFähigkeitenoptimalzunutzen,
–beeinträchtigteFähigkeitenwiederoderkompensatorischeFertigkeitenneuzuentwickeln
bzw.sichfehlendeFähigkeitenanzueignen,
–sozialeBenachteiligungenauszugleichen.
78
TeilzieleindiesemkomplexenProzessbeinhalten
–ZieledermedizinischenRehabilitation,
–Krankheitsbewältigung,
–VerhinderungvonPflegebedürftigkeit,
–gesellschaftlicheEingliederung,
–ErlangungderTeilerwerbsfähigkeit,
–HerstellungdervollenErwerbsfähigkeit.
DerRehabilitationserfolglässtsichinsbesondereandemAusmaßbeurteilen,indemjemand
–arbeitet,
–häuslicheundfamiliäreVerantwortungübernimmt,
–Freizeitsinnvollnutzenkann,
undsoinsgesamtZufriedenheitmitseinemLebenerreicht.IndieserZielsetzungbefasstsichRehabilitationmitderRealisierungbefriedigendersozialerRollen.
MedizinischeRehabilitation
BeidermedizinischenRehabilitationgehtesdarum,
- möglichstfrühzeitigFunktions-undAktivitätsstörungenzubeseitigen,zuvermindernodereine
Verschlimmerungzuverhütenoder
- drohendeoderbereitsmanifesteTeilhabestörungenzuvermeiden,zubeseitigen,zuvermindernodereineVerschlimmerungzuverhüten.
DiemedizinischeRehabilitationzieltnichtnuraufVerbesserungderalltagsrelevantensondernauch
derberufsbezogenenFunktions-/Aktivitätsstörungen(erheblicheGefährdungderErwerbsfähigkeit).
Krankheitsbewältigung
EinsichtineinepsychischeErkrankungoderBehinderungzuentwickelnunddenUmgangmitder
Krankheitzulernen,istinderRegelfürdenpsychischerkranktenMenschenmitvielfältigenKränkungenverbunden.IndemsichdieeigenePersonalsschwach,verletzlich,krank,eingeschränktund
behindertherausstellt,erfährtdasohnehingestörteSelbstwertgefühleineerneuteBeeinträchtigung.ImUnterschiedzusomatischkranken/behindertenMenschenkönnenbeipsychischkranken
undbehindertenMenschenFähigkeitengestörtsein,diefürdenProzessderKrankheitsbewältigung
wichtigsind.KrankheitsbewältigungerfordertzunächstdasAkzeptierenderDiagnoseundderStörungalsErkrankung.DerProzessderKrankheitsbewältigungwirdgeprägtvon
- derAuseinandersetzungmitderSituationderErsterkrankung,derErfahrungderDiagnose,den
AuswirkungenderErkrankungaufdieeigeneLebensgeschichte,
- derAufarbeitungvonErfahrungenderEtikettierungundStigmatisierung,derErfahrungenvon
AusgrenzungundsozialerEntwurzelung,
- demRingenumeinrealistischesSelbstbildjenseitsvonSelbstüberschätzungundUnterschätzung,
- derFragenachKontaktenundBeziehungenzuanderenMenschen,derFragevonPartnerschaft,
- derAuseinandersetzungmitdenAngehörigenunddasBemühenumAbstandundVersöhnung
mitihnen,
- derAngstvordemSterbenunddenSehnsüchtendanach,
- demWunschnacheinem„normalen“Leben,unabhängigvonBehandlungundBetreuungund
denÄngstenundBefürchtungenvoreinemeigenverantwortlichenLeben.
79
VerhinderungvonPflegebedürftigkeit
JenachArtundAusprägungderpsychischenErkrankungundBehinderungkönneninunterschiedlichemAusmaßBeeinträchtigungeninderFähigkeitzueinereigenverantwortlichenundselbständigenLebensführungvorübergehendoderauchfüreinenlängerenZeitraumauftreten.
DasRehabilitationszielderVerhinderungvonPflegebedürftigkeitbeinhaltetpositivformuliertden
Erhaltbzw.dieErlangungderimEinzelfallgrößtmöglichenSelbständigkeitundUnabhängigkeitvon
Pflege.EsstehendieHilfenzurStabilisierungderPersönlichkeitundzureigenverantwortlichenAlltagsbewältigungimVordergrund.
NebendermöglichstrealitätsnahenFörderungundErprobungalltagspraktischerFähigkeitenund
FertigkeitenkommenhierbeiMaßnahmenderAktivierungundderkörperlichensowiederpsychischenStabilisierungbesondereBedeutungzu.DapsychischerkrankteundbehinderteMenschen
häufigauchunterStörungeninderBeziehungzuundinderWahrnehmungihreseigenenKörpers
leiden,sindnebensozio-undmilieutherapeutischenMaßnahmenauchphysio-undbewegungstherapeutischeHilfenzurErkundungundErprobungdeseigenenKörpersunddamitdereigenenKräfte
undFähigkeitenerforderlich.
SofernderEintrittvonPflegebedürftigkeitnichtvermiedenwerdenkann,istauchhierderGrundsatz„ambulantervorstationärerHilfe“zuberücksichtigen,daineinervonderNotwendigkeitder
AlltagsbewältigunggeprägtenUmgebungamehestenAnreizezurErlangunggrößererSelbständigkeitentstehen.SoistfüreinenDemenzkrankenderVerbleibinvertrauterUmgebungwesentlich
besser,umFähigkeitenzuerhalten.DementsprechendistjeweilsimEinzelfallzuprüfen,inwieweit
eineBetreuungdurchambulanteEinrichtungenundDienstemitpsychiatrischqualifiziertemPersonalmöglichist.DielängerfristigeUnterbringungineinervollstationärenEinrichtung(Pflegeheim)
solltenurdanninBetrachtgezogenwerden,wennunterAusschöpfungderambulantenHilfenkeineausreichendeStabilisierungundEntlastungmöglichist.
TeilhabeamLebeninderGesellschaft
BereitsdieBewältigungderscheinbarselbstverständlichenAufgabendesalltäglichenLebenskann
fürpsychischerkrankteundbehinderteMenscheneinegroßeAnforderungdarstellen–auchwenn
siegrundsätzlichüberdasdafürnotwendigeWissenunddienotwendigenFertigkeitenverfügen.So
kannessein,dasssieaufgrundihrerwechselndeninnerenBefindlichkeithinsichtlichihrereigenen
Fähigkeitenverunsichertsind,sichauchbeiderBewältigungderalltäglichenAufgabennichtauf
sichselbstverlassenunddurchinnereIrritationendabeibeeinträchtigtwerdenkönnen.
DasAlltagslebenenthälteinerseitseinegroßeVielfaltvonsozialenRollen,dieesauszufüllengilt,
wie:
–imfamiliärenZusammenhang(z.B.alsMutter,Vater,SohnoderTochter),
–imFreundes-undBekanntenkreis(z.B.alsGastgeberoderGast,alsGesprächspartneroderPartnerfürgemeinsameUnternehmungen),
–imBereichdesWohnensalsMieteroderEigentümereinerWohnung,
–imBereichderAlltagsbewältigungundderSelbstversorgung(z.B.alsKundeinGeschäftenund
beiBanken),
–imsportlichen,kulturellenodergeselligenBereich(z.B.alsVereinsmitglied,Theater-oderKinobesucher,GasteinesRestaurants),
–imsozialenundpsychiatrisch/psychosozialenBereich(z.B.alsAntragstellerbeiBehörden,als
NutzervonAngeboten).
80
DerAlltagistauchvonderBewältigungregelmäßigwiederkehrenderHandlungsabläufegeprägt,
z.B.demEinkaufen,derZubereitungvonMahlzeiten,derKörper-undKleiderpflege,darüberhinaus
aberauchvonbesonderenTätigkeiten,wiederPflegevonInteressenundHobbys.
DasSpektrumdesmöglichenHilfebedarfsumfasstu.a.Hilfenzur
–AlltagsbewältigungundSelbstversorgung,
–TagesstrukturierungundFreizeitgestaltung,
–FörderungderBeziehungsfähigkeitundsozialerKontakte,
–Inanspruchnahmenotwendigermedizinischer,sozialeroderpsychiatrischerAngebote,
–FörderungvonNeigungenundInteressen,z.B.imkulturellenodersportlichenBereich.
JenachArt,AusprägungundUmfangdesHilfebedarfssindunterdemAspektdermöglichstalltagsnahenGestaltungderHilfen
–vorrangigambulanteHilfen(z.B.SozialpsychiatrischeDienste,PsychosozialeKontakt-undBeratungsstellen,ambulantepsychiatrischeKrankenpflege,Soziotherapie,ambulanteRehabilitation,
Institutsambulanz,BetreutesWohnen)und/odersolcheAngebote,dieeinVerbleibenimeigenenLebensumfeldermöglichen(z.B.tagesklinischeBehandlung,Tagesstätten)inAnspruchzu
nehmenunderst
–nachrangigstationäreAngebote(z.B.Rehabilitationseinrichtungen,Übergangswohnheime).
TeilhabeamArbeitsleben
ArbeitundstrukturierteBeschäftigungsindinsbesonderefürMenschenimerwerbsfähigenAlter
vonzentralerBedeutung.KeineandereeinzelneAktivitätistsovielfältigundkomplexinihrerpsychologischen,sozialenundmateriellenBedeutung.Arbeitvermittelt
–einGefühlfürpersönlicheLeistungundKönnendurcherfolgreicheBewältigungäußererAnforderungenunddieErfüllungderErwartungenanderer,
–eineMöglichkeit,sichineinernormalenRollezubetätigenunddamiteinenGegenpolzurRolle
desPatientenzubilden,
–eineinfachzuerkennendesKriteriumfürGenesungvonKrankheit,
–einGefühlfürsozialenStatusundIdentität,
–sozialeKontakteundUnterstützung,
–StrukturfürdenTages-undWochenablauf(Arbeit/Freizeit,Wach-undSchlafrhythmus),
–EntlohnungunddamitfinanzielleAnerkennungsowieHandlungsspielräumedurcheigenesGeld.
DieservielschichtigenundweitreichendenBedeutungvonArbeitistauchbeiverminderteroder
eingeschränkterLeistungsfähigkeitdurchRehabilitationsangeboteunterderPerspektivedesErhalts
oderderErlangungeinesArbeitsplatzes–möglichstaufdemallgemeinenArbeitsmarkt–Rechnung
zutragen.
DieZielederLeistungenzurTeilhabeamArbeitsleben(beruflicheRehabilitation)sindjenachLage
desEinzelfalles
➔aufdemallgemeinenArbeitsmarkt
–derErhaltdesArbeitsplatzes(z.B.durchbegleitendeHilfen,arbeitsplatzerhaltendesCaseManagement),
–dieBeschäftigungaufeinemanderenArbeitsplatz(z.B.beruflicheAnpassung,Weiterbildung),
–dieWiedereingliederungoder
–dieEingliederungaufeinemArbeitsplatz,ggf.beibehinderungsgerechterGestaltungdesArbeitsplatzes;
➔aufdembesonderenArbeitsmarkt(z.B.ineinerWerkstattfürbehinderteMenschen)
81
–dieAufnahmeeinerBeschäftigungoder
–derErhaltderBeschäftigung.
ÜberdieeinzelnenMaßnahmen(konkreteHilfenzurTeilhabeamArbeitsleben)wurdebereitsausführlichinformiert(s.o.–S.73-77).
SozialeSicherung
SofernderpsychischerkrankteoderbehinderteMenschnichtinderLageist,seineInteressenund
Ansprüchehinsichtlichder
–SicherstellungdermateriellenExistenz,insbes.GeltendmachungvonfinanziellenAnsprüchen
aufderGrundlagevonLeistungsgesetzen(z.B.gegenüberdemKranken-oderRentenversicherungsträger,demSozialhilfeträgeroderderArbeitsagentur);
–Erlangungbzw.demErhalteinerWohnung
selbstwahrzunehmen,istdiesemBereichbesondereAufmerksamkeitdurchdieBeteiligungder
entsprechendenSozialenDienstezuwidmen.
UmeinenetwaigenBedarfanHilfenzursozialenSicherungermittelnzukönnen,istdieserBereich
beiderInanspruchnahmevonpsychiatrischenDienstenundEinrichtungenregelmäßigzuklären.
InsbesonderebeieinerstationärenKrankenhausbehandlungistz.B.zuklären,ob
–derpsychischkrankeundbehinderteMenschz.B.eineeigeneWohnunghatunddiefortlaufendeZahlungderMietegesichertist,
–demArbeitgeberdieArbeitsunfähigkeitmitgeteiltwurde.
Rehabilitationsfähigkeit.BeiderRehabilitationpsychischerkrankterundbehinderterMenschenist
ebensowiebeianderenErkrankungenundBehinderungenvondenGrundsätzenauszugehen,dass
dieRehabilitationsleistungenmöglichst
–frühzeitigeinsetzen(sobaldderindividuelleRehabilitationsbedarfentsteht),
–ganzheitlich(durchIntegrationallerimEinzelfallnotwendigenHilfen),
–nahtlos(durchGewährleistungderKontinuitätimZugangwieauchinnerhalbderverschiedenenLeistungsartenderRehabilitation)und
–bedarfsgerecht(entsprechenddenErfordernissendesEinzelfalles)
erbrachtwerden.DabeisinddieGrundsätzezuberücksichtigen:
–ambulantevorstationäreHilfen(Wohnortnähe),
–RehabilitationvorRente,
–RehabilitationvorPflege.
WesentlichesInstrumentzurUmsetzungdieserGrundsätzeundzurAbklärungdesRehabilitationsbedarfsimEinzelfallistdieErarbeitungeineszielorientiertenRehabilitationsplans,dermitdemRehabilitandenundallenanseinerBehandlungundRehabilitationbeteiligtenFachkräftenabgestimmt
ist(IBRP–s.o.Hilfeplanverfahren).
LeistungenzurmedizinischenRehabilitationsinddannerforderlich,wennLeistungenderambulantenundstationärenKrankenbehandlungeinschließlichderVerordnungvonArznei-,Heil-und
Hilfsmitteln,darunterauchdieSoziotherapie,zurVerbesserungderFunktionsfähigkeit,derFörderungderAktivitätenundderTeilhabechancenanLebensbereichennichtausreichen.
FüralleLeistungsgruppen(medizinischeRehabilitation,TeilhabeamArbeitslebenundTeilhabeam
LebeninderGemeinschaft)gilt,dassdiesenurinBetrachtkommen,wenndieindividuelle
–Rehabilitationsbedürftigkeitund
–Rehabilitationsfähigkeitund
–positiveRehabilitationsprognose
82
festgestelltbzw.eingeschätztwurdenundeinrealistischesRehabilitationszielformuliertwerden
konnte.
Rehabilitationsbedürftigkeit
Rehabilitationsbedürftigkeitbesteht,wennalsFolgeeinerBeeinträchtigungderKörperfunktionen
und-strukturen(hierinsbesonderediepsychischenFunktionsstörungen)und/oderEinschränkungenderAktivitätendieTeilhabeanLebensbereichenbedrohtoderbeeinträchtigtist.AuchbeistationärerpsychiatrischerBehandlungistdieReha-Bedürftigkeitzuklären.InsbesonderedieTatsachewiederholterAufenthalteinpsychiatrischenKrankenhäusernbeinhalteteinenoffenkundigen
HinweisaufeinedrohendeodereingetreteneChronifizierungeinerpsychischenErkrankungbzw.
Behinderung.
MaßgebendfürdieErmittlungdesindividuellenRehabilitationsbedarfssowiefürdiesozialmedizinischeBeurteilungsindnichtdieDiagnosennachICD-10,sondernArtundUmfangeinerdrohenden
odereingetretenenBehinderungundderenAuswirkungenaufdiepersönliche,familiäre,soziale
undberuflicheSituation.HierzuisteinemehrdimensionaleDiagnostikerforderlich,dienebendem
Krankheitsbildauchdiepersönlichen,beruflichenundsozialenFolgenderErkrankungberücksichtigt(nachderICF).EinedifferenzierteErfassungdernotwendigenAngabenwirdzumTeilerstwährendderDurchführungrehabilitativerMaßnahmenmöglichsein.
Rehabilitationsfähigkeit
DerBegriffderRehabilitationsfähigkeitbeziehtsichaufdiekörperlicheundpsychischeVerfassung
desRehabilitanden(Motivation/MotivierbarkeitundBelastbarkeit)fürdieTeilnahmeaneinergeeignetenLeistungzurRehabilitationundTeilhabe.
DieRehabilitationsfähigkeitistdurcheineärztliche(sozialmedizinische)Begutachtungfestzustellen
alsVoraussetzungfürdieGewährungvonLeistungenzurRehabilitationundTeilhabe.DavielepsychischeErkrankungeneinensehrwechselndenVerlaufzeigen,könnensichRehabilitationsfähigkeit
und-bedarfwandeln.Diesistzuberücksichtigen.
StabilisierungimAlltagundbeiderAlltagsbewältigungsinddiedieVoraussetzungenfürdieEinleitungerfolgversprechenderLeistungenzurTeilhabeamArbeitsleben.DerEinleitungvonLeistungen
zurTeilhabeamArbeitslebensollteeineErprobungderberuflichenBelastungsfähigkeit–z.B.im
RahmendesArbeitstrainings(Arbeitserprobung)–vorausgehen.
IndiesemZusammenhangkommtderInformationundAufklärungdespsychischkrankenundbehindertenMenschenwieauchseinerAngehörigenüberSinnundZielvoninBetrachtkommenden
MaßnahmengroßeBedeutungzukommt,umdenBetroffenenzurMitwirkungunddieAngehörigen
zurUnterstützungzugewinnen.
DieseAufklärungübergeplanteLeistungenzurRehabilitationundTeilhabesolltehandlungsorientierterfolgen.Ausgangs-undBezugspunktbildendabeieinerseitsdievorhandenen,andererseits
diebeeinträchtigtenbzw.nichtvorhandenenFähigkeitenundFertigkeiten,dieeswiederbzw.neu
zuentwickelngilt.DabeisindjeweilsklareundmöglichstrealistischeZieleanzustreben,dieinnerhalbeinesüberschaubarenZeitraumserreichtwerdensollen.
Rehabilitationsprognose
DieRehabilitationsprognoseisteinemedizinischbegründeteWahrscheinlichkeitsaussageaufder
BasisderErkrankung,desbisherigenVerlaufsundderRückbildungsfähigkeitunterBeachtungund
FörderungderpersönlichenRessourcen(Rehabilitationspotenzial)überdieErreichbarkeiteines
festgelegtenRehabilitationsziels
–durchgeeigneteLeistungenzurRehabilitationundTeilhabe,
–ineinemnotwendigenZeitraum.
83
WährendfrüherdieRehabilitationsfähigkeitunddieErfolgsaussichtenbeipsychischenErkrankungenundBehinderungenoftunterschätztwurden–wasbeieinemchronischenVerlaufderErkrankungvielfachineineNegativprognosemündete–,weisendieneuerenStudiensowohlbeiErst-und
Wiedererkrankungenwieauchbeiz.T.jahrzehntelanghospitalisiertenpsychischbehindertenMenschenaufRehabilitationserfolgehin.
c. HilfenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen
ZurFeststellungdesHilfebedarfswerdenimRahmenderRehabilitationsdiagnostikverschiedene
Verfahrenangewandt.EinFragenkatalogistimAnhangbeispielhaftwidergegeben.AufdieErstellungeinesIntegriertenBehandlungs-undRehabilitationsplanes(IBRP)wurdeimRahmendesHilfeplanverfahrensbereitshingewiesen.
Grundprinzipien:
–Problemdefinition
DiemöglichstgenaueErfassung
undBeschreibungdesProblems,
BeschreibungdesProblemsunter
BezugaufdieangestrebteindividuelleLebensform.
–Zieldefinition
DieErmittlungundAbstimmung
einesangestrebten(undrealisierbaren)Ziels(ggf.unterBerücksichtigungvonTeilzielen),dasinnerhalbeinesüberschaubarenundzu
vereinbarendenZeitraumserreicht
werdensoll.
–MittelzurZielerreichung
DieFestlegungvongeeignetenund
notwendigenMaßnahmenzurZielerreichung.
–ÜberprüfungderZielerreichung
DiesestehtamEndeeinesjeden
ProblemlösezirkelszumAbschlusseinerMaßnahmeoderzueinemvereinbartenZeitpunktalsGrundlage
fürdennächstenProblemlösezirkel.
ImFolgendenwerdendiekonkretenHilfenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschenals
ÜbersichtmitkurzenErläuterungendargestellt.TeilweisewurdendieInstitutionenbereitsoben
beschrieben(SozialeArbeitinderPsychiatrieS.72ff).
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Krankenbehandlung
-Niedergelassenepraktische-undAllgemeinärzte
SindvielfachersteAnlaufstellenfürpsychischKranke.BeileichtgradigenErkrankungenoderBefindlichkeitsstörungenkanndieBehandlungausreichen(sog.psychosomatischeGrundversorgung),andernfalls
bestehtdieAufgabedarin,denPatientenandierichtigeStelle(Facharzt)zuverweisen.
-niedergelasseneFachärztefürPsychiatrieundPsychotherapie
-FachärztefürNervenheilkunde(Nervenärzte)
-FachärztefürPsychosomatischeMedizinundPsychotherapie
-FachärztefürKinder-undJugendpsychiatrieund–psychotherapie
DieFachärztlicheVersorgungumfasst:
–Diagnostik,
–BeratungauchunterEinbeziehungvonBezugspersonen,
–Einzel-undGruppengespräche,
–Pharmakotherapie,
–psychosomatischeGrundversorgung,
–Psychotherapie,
–NotfallbehandlungundKrisenintervention,
–VerordnungvonErgotherapie,Soziotherapie,häuslicherKrankenpflege.
EinigeÄrztehabenüberdasinderärztlichenPraxisüblichePersonalhinauszusätzlichspezifischeFachkräfte(z.B.fürKrankenpflege,Soziotherapie)indereigenenPraxisoderkönnenimBedarfsfalldaraufzurückgreifen.
-NiedergelassenePsychotherapeuten(ärztlicheoderpsychologischePsychotherapeuten)
DieBerufsbezeichnungPsychotherapeutistseitdem1.Januar1999gesetzlichgeschützt.Siedarfnur
nochvonÄrzten,PsychologischenPsychotherapeutenoderKinder-undJugendpsychotherapeutengeführtwerden.ImBereichderGesetzlichenKrankenversicherunggehörtdiePsychotherapiezudenLeistungen,dieimRahmendervertragsärztlichenVersorgungerbrachtwerden.NähereszurIndikation,ZielsetzungundDurchführungsowiedenzugelassenenBehandlungsverfahreneinerpsychotherapeutischen
Behandlungistinden„Psychotherapie-Richtlinien“geregelt.
-PsychiatrischeKliniken
DiePsychiatrie-Personalverordnungbasiertaufeinemrehabilitativausgerichtetenmehrdimensionalen
Behandlungskonzept,dassichindieBereicheAllgemeinePsychiatrie,AbhängigkeitskrankeundGerontopsychiatriegliedert,diedannjeweilswiederuminsechsBehandlungsbereicheuntergliedertsind:
–Regelbehandlung,
–Intensivbehandlung,
–RehabilitativeBehandlung,
–LangdauerndeBehandlungSchwer-undMehrfachkranker,
–Psychotherapie,
–TagesklinischeBehandlung.
TagesklinischeBehandlungerfüllteineBrückenfunktionzwischenvollstationärerundambulanterBehandlung.DieBehandlungkommtfürPatienteninBetrachtanStelleodernachstationärerBehandlung,
wenn
–durchstationäreBehandlungeinegewisseStabilisierungeingetretenist,
–einAufenthaltwährendderAbend-undNachtstundensowieamWochenendeinhäuslicherUmgebungmöglich,aber
–eineambulanteBehandlungnichtodernochnichtausreichendist.
PsychiatrischeInstitutsambulanzen
Institutsambulanzen(§118SGBV)sindanpsychiatrischeKrankenhäusersowieanAllgemeinkrankenhäusermitselbständigen,fachärztlichgeleitetenpsychiatrischenAbteilungenmitregionalerVersorgungsverpflichtungangegliedert.IhrvorrangigesZielbestehtinderVermeidungvonKrankenhausaufenthaltenund
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derVerkürzungderKrankenhausverweildauer.SiezeichnensichdurchdiemultiprofessionelleZusammensetzungdesMitarbeiterteams(z.B.Facharzt,PsychologischerPsychotherapeut,Sozialarbeiter/Sozialpädagoge,(Fach-)Krankenpflegekraft)aus.
-Soziotherapie-Leistungserbringer
BeidenLeistungserbringernvonSoziotherapiehandeltessichumSozialarbeiter/Sozialpädagogenoder
FachkrankenpflegekräftefürPsychiatrie,diedieseTätigkeithauptberuflichausüben,hierübereinenVertragmitdenKrankenkassenbzw.derenLandesverbändenabgeschlossenhabenundineingemeindepsychiatrischesVerbundsystemodervergleichbareVersorgungsstruktureneingebundensind.
-Ergotherapie-Praxen
Arbeits-undBeschäftigungstherapiegehörtzudentherapeutischenDienstleistungen,dieunterdieHeilmittelfallen.SeitAugust1990kanndieseLeistungfürpsychischkrankeoderbehinderteMenschenauch
ambulantdurchniedergelasseneErgotherapeutenerbrachtwerden.
-Pflegedienste
AmbulantePflegeeinrichtungen(teilweisesindauchandereBezeichnungengebräuchlich,wiez.B.Sozialstation,Hauskrankenpflege,ZentrumfürpflegerischeDienste)erbringenambulanteLeistungenimBereichderhäuslichenKranken-,Haus-,Familien-undAltenpflege.Sieverfügenübereinbreitgefächertes
Leistungsangebot,dasinderRegelfolgendeBereicheumfasst:
–häuslicheKrankenpflege(gem.§37SGBV)alsLeistungderKrankenbehandlung,
–HilfezurPflegenachBSHG,
–Haushaltshilfenach§38SGBV.
IneinigenBundesländernbzw.RegionenverfügendieDienstezurhäuslichenKrankenpflegeschonseit
längeremüberpsychiatrischqualifiziertesPersonalundbieteninsbesonderezurVermeidungoderVerkürzungvonKrankenhausaufenthaltensowiezurSicherungdesZielsderärztlichenBehandlungvorallembei
chronischpsychischerkranktenMenschenHilfeninderhäuslichenUmgebung.
MedizinischeRehabilitationundTeilhabeamLebeninderGemeinschaft
-RehabilitationseinrichtungenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen(RPK)
DieEinrichtungenwurdenbereitsoben(S.74)imZusammenhangsozialerArbeitbeiLeistungenzurTeilhabeamArbeitslebenvorgestellt.DasVersorgungsangebotumfasstauchärztlicheBehandlung,Psychotherapie,Beschäftigungstherapie,ArbeitstherapieundBelastungserprobung,Krankenpflege,Bewegungstherapie,TrainingderFähigkeitenzurselbständigenLebensführungsowieberufsvorbereitendeMaßnahmenundArbeitstrainingimRahmeneinerintegriertenKomplexleistung.HierzuverfügendieRehabilitationseinrichtungenübereininterdisziplinäresTeam,bestehendausÄrzten,Psychologen,Krankenpflegefachkräften,Sozialarbeitern/Sozialpädagogen,nichtärztlichenTherapeutenundFachkräftenfürberufsbezogeneHilfen/Maßnahmen.
-Psychosomatisch-psychotherapeutischausgerichteteRehabilitationseinrichtungen
Diessindz.B.diePsychosomatischenRehabilitationsklinikenderRentenversicherungsträger.Schwerpunkt
istdieRehabilitationvonneurotischenoderpsychosomatischenErkrankungen,Persönlichkeitsstörungen
oderAnpassungsstörungenimRahmenvonLebenskrisen.EinpsychotherapeutischorientiertesRehabilitationsangebotz.B.fürRehabilitandenmitschizophrenenPsychosenwirdimRahmendermedizinischen
RehabilitationnurineinzelnenRehabilitationseinrichtungenvorgehalten.HierbestehenrechthoheAnforderungenhinsichtlichderpsychischenStabilitätderRehabilitandenundderpsychotherapeutischen
KompetenzsämtlicherMitarbeiterdesRehabilitationsteams.ImRahmeneinesintegrativen,biopsychosozialenRehabilitationsansatzesliegtderBehandlungsschwerpunktvorallemimverbalenundinteraktionellenBereich;ergänzendkommenübende,aktivitätsförderndeundkreativtherapeutischeElementezum
Einsatz.TherapeutischeInterventionenerfolgenvorwiegendinoffenerbzw.geschlossenerGruppenform.
-SozialpsychiatrischeDienste
IndenmeistenBundesländernsindSozialpsychiatrischeDiensteBestandteildesöffentlichenGesundheitswesensundorganisatorischandiekommunalenbzw.staatlichenGesundheitsämterangegliedert.Sie
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nehmenhierinderRegelauchhoheitlicheAufgaben(BeteiligungamUnterbringungsverfahren)nachden
LandesgesetzenüberHilfenundSchutzmaßnahmenfürpsychischKranke(PsychKG)bzw.denUnterbringungsgesetzenderLänderwahr.SozialpsychiatrischeDiensteverfügeninderRegelübereinmultiprofessionellesTeam(Facharzt,Sozialarbeiter/Sozialpädagogenund/oderpsychiatrischeKrankenpflegefachkräfte,z.T.Psychologen),dessenpersonelleAusstattungteilweisevonRegionzuRegionunterschiedlichist.
BadenWürttembergundBayernhabeninBezugaufSozialpsychiatrischeDiensteeinenSonderwegbeschrittenmitzumTeilspezifischenAufgabenstellungen.
-EinrichtungenmitKontaktstellenfunktion/PsychosozialeKontakt-undBeratungsstellen
DieAufgabenderEinrichtungenmitKontaktstellenfunktionsindjenachBundeslandunterschiedlichausgerichtetundverbreitet.SiearbeitenzumeistimVerbundmitanderengemeindepsychiatrischenHilfeangeboten(beispielsweiseTagesstätte,AngebotedesBetreutenWohnens)undbietenpsychischkranken
undbehindertenMenscheneinenniedrigschwelligenZugangzuBeratung,BetreuungundHilfe.IhrAngebotsspektrumumfasstinsbesondereBeratung,auchfürAngehörigeundBezugspersonenundunterBerücksichtigungderregionalenBesonderheitenggf.auch
–HilfenzurTagesgestaltung,
–lebenspraktischesTraining,
–Arbeits-undBeschäftigungstherapie,
–HilfezumErhaltundzumAufbauzwischenmenschlicherBeziehungen,
–HilfenzurSicherungvonhäuslichenundmateriellenAnsprüchen.
-Tagesstätten
FürTagesstättenbestehtindeneinzelnenBundesländernkeineeinheitlicheKonzeption,zumTeilwerden
ineinigenRegionenauchoffeneKontakt-undBetreuungsangebotealsTagesstättebezeichnet.TagesstättenalsteilstationäreEinrichtungverfügeninderRegelübereinkleinesmultiprofessionellesTeamohne
ärztlicheMitarbeiterundbietenvorrangigchronischpsychischkrankenundbehindertenMenschenein
AngebotzurTagesstrukturierung,dasinderRegel
–Arbeits-undBeschäftigungstherapie,
–FörderungalltagspraktischerFähigkeitenundFertigkeiten,
–FörderungderKontakt-undBeziehungsfähigkeit,
–FörderungderNeigungenundInteressenimBereichderFreizeitgestaltung(kulturelleundsportlicheAktivitäten)sowie
–sozialeBeratungumfasst.
DasAngebotwendetsichanehemaligepsychiatrischePatienten,dieeinenumfassendenBedarfanBetreuunghaben,fürdiedasAngeboteinerbegleitendenundaktivierendenHilfe(z.B.durchbetreute
Wohnangebote)odereinernachgehendenambulantenBetreuung(z.B.durchSozialpsychiatrischeDienste)nichtausreichtunddienochnichtdiehinreichendeStabilitätundBelastbarkeitfüreinregelmäßiges
Arbeits-undBeschäftigungsangeboterlangthaben.
-BetreuteWohnangebote(BetreutesWohnen):Einzelwohnen,Paarwohnen,Wohngemeinschaften
BetreuteWohnangebotehabensichindenBundesländernmiteinerVielfaltunterschiedlicherOrganisationsformen,konzeptionellerOrientierungenundpersonellerAusstattungenentwickelt.Dieherkömmlich
zumeistangebotsbezogenvereinbartenPersonalausstattungenvariierenbundesweitzwischen1:2,5und
1:15,wobeiessichinderRegelauchbeieinerintensiverenBetreuungdurchFachkräfte(zumeistSozialarbeiter/Sozialpädagogen,Krankenpflegefachkräfte,z.T.auchPsychologenundErgotherapeuten)umein
ambulantesHilfeangebothandelt,dasjenachZielgruppeundKonzeptionzumeistauchaufeinelängerfristigeBetreuungentsprechenddemBedarfdesEinzelfallesausgerichtetist.IneinigenBundesländern
habenintensiverbetreuteWohnangeboteinFormvonWohngemeinschaftendenStatuseinesteilstationärenHilfeangebotes.DieärztlicheVersorgungerfolgtinderRegeldurchniedergelasseneFachärzteoder
Institutsambulanzen.DasBetreuungsangebotumfasstbeiallenbetreutenWohnangebotenHilfeundFörderungimBereichalltagspraktischerFähigkeitenundFertigkeitenmitdemZieleinermöglichsteigenständigenLebensführungsowiesozialeBeratungundUnterstützungbeiderSicherungderfinanziellenund
sonstigenLebensgrundlagen:GeltendmachungvonAnsprüchenauffinanzielleLeistungenwiez.B.Hilfe
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zumLebensunterhalt,Rente,UnterhaltsgeldsowievonAnsprüchenaufHilfenindenBereichendermedizinischenVersorgungunddersozialenund/oderberuflichenHilfen.
ZumbetreutenWohnensieheauchdieSeiten7–73!
-Übergangseinrichtungen
InderRegelhandeltessichumEinrichtungen,indenenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen
zeitlich–inderRegelaufzweibisdreiJahre–begrenztRehabilitationsleistungenangebotenwerden.
AufnahmefindendiesePersoneninsbesondereimAnschlussaneinestationäreBehandlung,wennsiegezielterrehabilitativerHilfenundFörderungzurErlangungweitergehenderSelbständigkeitbenötigen.Die
ÜbergangseinrichtungenverfolgendasZiel,psychischkrankeundbehinderteMenschenzufördernundin
ihrerSelbstbehauptungundBelastbarkeitsozustabilisieren,dasssie–einegrößtmöglicheSelbständigkeit
undFähigkeitzueinereigenverantwortlichenLebensführung(Wohnen,Alltagsbewältigung)erreichen,–
beruflichindenallgemeinenoderbesonderenArbeitsmarktintegriertwerdenkönnen.Schwerpunkteder
inÜbergangseinrichtungenangebotenenHilfenliegenimBereichmilieu-undsoziotherapeutischerAngebotezurFörderungsozialkommunikativerFähigkeiten,derpersönlichenStabilitätundderFertigkeitenzur
Alltagsbewältigung.MaßnahmenzurBelastungserprobungimVorfeldderberuflichenRehabilitationund
MaßnahmenimBereichderberuflichenRehabilitationwerdenzumeistinKooperationmitanderenEinrichtungenundDienstensichergestellt(z.B.Tageskliniken,Tagesstätten,Werkstättenfürbehinderte
Menschen,SelbsthilfefirmenundArbeitstrainingsmaßnahmenaufdemallgemeinenArbeitsmarkt).
DasLeistungsspektrumüberlapptsichvorallemmitdemvonAngebotendesBetreutenWohnensundder
RehabilitationseinrichtungenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen(RPK).
-Wohnheime
SieheauchS.73.
FürpsychischkrankeundbehinderteMenschen,diezwarnichtmehrstationärbehandlungsbedürftigsind,
jedochvorübergehendoderauflängereSichteinerBetreuungrund-um-die-Uhrbedürfen,stehenWohn-
undPflegeheimefürbehinderteMenschenzurVerfügung.DieWohnheimefürbehinderteMenschensind
–jenachdemspezifischenBedarfderBewohner–hinsichtlichderBetreuungsintensitätundderinternen
Ausgestaltungunterschiedlichstrukturiert.Zumeinenwerdenchronischpsychischkrankeundbehinderte
Menschenaufgenommen,diemehrjährigestationäreAufenthalteinKlinikenbzw.RehabilitationseinrichtungenhintersichhabenundinihrerFähigkeitzurselbständigenLebensführungundAlltagsbewältigung
weiterhinerheblichbeeinträchtigtsind.
ZumanderengibtesdenSchwerpunktinderFörderungvonbehindertenMenschen,dieaufdemallgemeinenoderdembesonderenArbeitsmarkttätigsindodernachentsprechenderFörderungtätigwerden
können.DieseEinrichtungenkonzentrierensichkonzeptionellaufdieVersorgungundFörderunginden
arbeitsfreienZeiten.DieärztlicheVersorgungderBewohnererfolgtinderRegelambulantdurchniedergelasseneÄrzte
HilfenzurTeilhabeamArbeitsleben
LeistungenzurTeilhabeamArbeitslebenwerdendannerbracht,wenndieAussichtenberuflichtätigzuwerdenoderzubleiben,infolgeeinereingetretenenoderdrohendenBehinderungnichtnur
vorübergehendwesentlichgemindertsindunddeshalbbesondereHilfenerforderlichsind.DiezahlreichenberufsförderndenLeistungenreichenz.B.vonderbehinderungsspezifischenAusstattung
desArbeitsplatzesbiszuumfassendenWeiterbildungsmaßnahmen.DieLeistungenzurTeilhabeam
Arbeitslebensindvorallemdaraufausgerichtet,denBetroffenenmöglichstaufDaueraufdemallgemeinenArbeitsmarkteinzugliedern.
-Integrationsämter
MitdemSGBIXsinddieHauptfürsorgestellen–bezogenaufihreLeistungenausderAusgleichsabgabe–
inIntegrationsämterumbenanntworden.DieVerwendungderAusgleichsabgabeistin§102SGBIXsowie
inderSchwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnunggesetzlichfestgelegt.SiedarfnurzurFörderung
derTeilhabeschwerbehinderterMenschenamArbeitslebeneingesetztwerden,einschließlichderDurch-
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führungvonAufklärungs-,Schulungs-undBildungsmaßnahmen.VorrangigwirdsiefürdiebegleitendeHilfeimArbeitslebenverwendet,mitderschwerbehindertenMenscheneinangemessenerPlatzimArbeitslebengesichertwerdensoll.
ImRahmenderbegleitendenHilfewerdensowohlLeistungenanschwerbehinderteMenschenalsauchan
Arbeitgeber,dieihrerBeschäftigungspflichtGenügetun,erbracht.BeidenindividuellenLeistungenan
schwerbehinderteMenschenbildentechnischeArbeitshilfendengrößtenPosten.BeiLeistungenanArbeitgeberspielendieSchaffungvonArbeits-undAusbildungsplätzen,diebehindertengerechteEinrichtungvonArbeits-undAusbildungsplätzensowieLeistungenbeiaußergewöhnlichenBelastungen(Lohnkostenzuschüsse)einezentraleRolle.DasIntegrationsamtkannbeiderDurchführungderbegleitenden
HilfenimArbeitslebenIntegrationsfachdiensteeinschließlichpsychosozialerDienstefreiergemeinnütziger
EinrichtungenundOrganisationenbeteiligen.
-IntegrationsfachdiensteundbegleitendeHilfeimArbeitsleben
BeidenIntegrationsfachdienstenhandeltessichumeinennochrelativneuen„Baustein“innerhalbder
Institutionen,dessenAufgabenimSGBIXerstmalsgesetzlichgeregeltwordensind(§§109ff.SGBIX).IntegrationsfachdienstesindDiensteDritter(insbesondereinTrägerschaftvondenVerbändenderFreien
Wohlfahrtspflege),diebeiderDurchführungvonMaßnahmenzurTeilhabeschwerbehinderterMenschen
imAuftragderBundesanstaltfürArbeit,derRehabilitationsträgerundderIntegrationsämterbeteiligt
werden.
AufgabensindBeratung,UnterstützungundVermittlungschwerbehinderterMenschenwieauchInformationundBeratungvonArbeitgebern.Diesumfasstkonkret
–dieFähigkeitenderzugewiesenenschwerbehindertenMenschenzubewertenundeinzuschätzenund
dabeieinindividuellesFähigkeits-,Leistungs-undInteressenprofilzurVorbereitungaufdenallgemeinenArbeitsmarktzuerarbeiten,
–geeigneteArbeitsplätzeaufdemallgemeinenArbeitsmarktzuerschließen,
–dieschwerbehindertenMenschenaufdenvorgesehenenArbeitsplatzvorzubereitenundsie–solange
erforderlich–amArbeitsplatzoderbeimTrainingderberufspraktischenFähigkeitenamkonkretenArbeitsplatzzubegleiten,
–mitZustimmungdesschwerbehindertenMenschendieMitarbeiterimBetrieboderderDienststelle
überArtundAuswirkungderBehinderungundüberentsprechendeVerhaltensregelnzuinformieren
undzuberaten,
–eineNachbetreuung,KriseninterventionoderpsychosozialeBetreuungdurchzuführen,
–alsAnsprechpartnerfürdenArbeitgeberzurVerfügungzustehen.
-Integrationsprojekte
IntegrationsprojektesindrechtlichundwirtschaftlichselbständigeUnternehmen(Integrationsunternehmen)odervonöffentlichenArbeitgeberngeführteBetriebe(Integrationsbetriebe)oderAbteilungen(Integrationsabteilungen)zurBeschäftigungschwerbehinderterMenschenaufdemallgemeinenArbeitsmarkt,derenTeilhabeaneinersonstigenBeschäftigungaufdemallgemeinenArbeitsmarktaufGrundvon
ArtundSchwerederBehinderungvoraussichtlichaufbesondereSchwierigkeitenstößt.
BegriffundAufgabenderIntegrationsprojektesindmitdemSGBIXerstmalsrechtlichgeregeltworden(§§
132ffSGBIX).IhreVorläuferhabendieIntegrationsprojekteinden„Integrationsfirmen“bzw.„Selbsthilfefirmen“,dieseitden80-erJahrenalsArbeitsangeboteinsbesonderefürpsychischerkrankteundbehinderteMenschengegründetwurden,dienichtodernochnichtinderLagesind,denAnforderungenund
demDruckdesallgemeinenArbeitsmarktesStandzuhaltenoderdieaufdemallgemeinenArbeitsmarkt
keineStellegefundenhaben.
DieArbeitsbedingungensindhinsichtlichderGestaltungderArbeitszeit,desArbeitsklimasundderArbeitsorganisationsogestaltet,dasssiedenspezifischenBedürfnissendesPersonenkreisesentsprechen.
IntegrationsprojektebietenArbeitsplätzedesallgemeinenArbeitsmarktes,diesichimWesentlichenüber
dieamMarkterzieltenErlösefürerbrachteDienstleistungenoderproduzierteWarenfinanzieren.DanebenkommenFörderungendurchdieIntegrationsämterinBetrachtfürInvestitionskosten,AusgleichszahlungenbeiverminderterLeistungsfähigkeitderbehindertenMenschenundfürdenBetreuungsaufwand.
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WesentlicheVoraussetzungfürdieAufnahmeeinerBeschäftigungineinemIntegrationsprojektistdieFähigkeitdesBetroffenen,mitseinerArbeiteinengewissenMindestlohnzuerwirtschaften,dadieseFirmen
marktorientiertundwirtschaftlicharbeitenmüssen.DieBezahlungorientiertsichandeninderjeweiligen
BrancheüblichenTariflöhnen.
-Zuverdienstfirmenund-angebote
ZuverdienstfirmenwendensichinsbesondereanpsychischkrankeundbehinderteMenschen,dievorübergehendoderauchfürlängereZeitdemallgemeinenArbeitsmarktnichtodernurbedingtzurVerfügungstehen.GemeinsamistallenZuverdienstangeboten,dasssiedieMöglichkeitzubezahlterstundenweiserBeschäftigungeröffnen.ZuverdienstangebotebestehenimBereichderIntegrationsunternehmen,
danebenaberauchteilweiseinEinrichtungendergemeindepsychiatrischenVersorgung(beispielsweisein
Tagesstätten).
-RehabilitationseinrichtungenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen(RPK)
Wurdenbereitsbesprochen(medizinischeRehaS.86,beruflicheRehaS.74)
-BeruflicheTrainingszentren(BTZ)
SieheSeite75.
-Berufsbildungswerke,Berufsförderungswerke(BBW,BFW)
SieheSeite75.ZurDifferenzierungvonBBWundBFW:
BerufsbildungswerkesindEinrichtungenderberuflichenRehabilitation.SiedienendererstmaligenBerufsausbildungvornehmlichjugendlicherbehinderterMenschen,dienurineineraufihreBehinderungsart
undderenAuswirkungeneingestelltenAusbildungsorganisationundbeieineraufdiejeweiligenBelange
ausgerichtetenkontinuierlichenausbildungsbegleitendenBetreuungdurchÄrzte,Psychologen,SonderpädagogenundandereFachkräftederRehabilitationzueinemAusbildungsabschlussnachdemBerufsausbildungsgesetzunddadurchzurEingliederungaufdemallgemeinenArbeitsmarktbefähigtwerden
können.
BerufsförderungswerkesindüberregionaleundüberbetrieblicheRehabilitationseinrichtungen.Siedienen
inersterLiniederberuflichenWeiterbildung(z.B.Qualifizierungsmaßnahmen)behinderterErwachsener,
dienichtdurchbetrieblicheoderallgemeineLeistungenfürnichtbehinderteMenschenweitergebildet
werdenkönnen.DieEinrichtungenverfügennebendenAusbildungsstättenüberbegleitendemedizinische,psychologischeundsozialeDiensteundermöglichensomitnotwendigeentsprechendebegleitende
HilfenundbietendarüberhinausFreizeit-undSportmöglichkeitenfürbehinderteMenschen.DieMaßnahmensindinderRegelgegenüberderüblichenAusbildungszeitaufzweiJahreverkürzt.
-WerkstättenfürbehinderteMenschen(WfbM)
SieheSeite76.
Selbsthilfegruppen,Angehörigengruppen
-Selbsthilfegruppen
SelbsthilfegruppenvonundfürMenschenmitpsychischenStörungenundErkrankungenfindenerstin
denletztenJahrenzunehmendVerbreitung.ZudenälterenSelbsthilfegruppengehörendie„Emotions
Anonymous“,dienachdemVorbildderAnonymenAlkoholikerentstandensind.WichtigeImpulsezum
AufbauvonSelbsthilfegruppengingenundgehenzumeinenvondenvielerortsgeschaffenen„SelbsthilfeKontakt-undBeratungsstellen“(teilweisevoneigenenVereinengetragen,teilweisebeidenKommunalverwaltungenangegliedert,mancherortsauchbeidenKrankenkassen)undschließlichvondem1992gegründeten„BundesverbandPsychiatrie-Erfahrenere.V.“aus.NebendemZusammenschlussaufBundesebenebestehenzwischenzeitlichauchinfastallenBundesländernLandesverbände.NebenderInteressenvertretungisteinwesentlichesAnliegendiesesZusammenschlussesdieFörderungvonörtlichen
Selbsthilfegruppen.
-Angehörigengruppen
AngehörigengruppenhabensichineinergroßenVielfaltentwickeltundinsgesamtdazubeigetragen,die
Mit-BetroffenheitderAngehörigenvonderpsychischenErkrankungeinesFamilienmitgliedeszuverdeutli-
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chenunddieNotwendigkeitihrerEntlastungundEinbeziehungbeiderBehandlungundRehabilitation
herauszustellen.Angehörigengruppen,diesichzumgrößtenTeilimBundesverbandunddenLandesverbändenderAngehörigenpsychischKrankere.V.zusammengeschlossenhaben,besteheninzwischenin
denmeistenRegionen.EinewichtigeAufgabedieserGruppenliegtindergegenseitigenUnterstützung,
demErfahrungsaustauschunddergemeinsamenInteressenvertretung.DarüberhinausistdasAngebot
einerAngehörigengruppeinzahlreichenpsychiatrischenDienstenundEinrichtungenzueinemfestenBestandteilgeworden.SiedieneneinerseitsderFörderungdergegenseitigenUnterstützungundEntlastung
derAngehörigen,andererseitsderInformationz.B.überspezifischeAspektepsychischerErkrankungen
undBehinderungensowieüberBehandlungs-undRehabilitationsleistungen.
-„Psychose-Seminare“
EinebesondereFormderSelbsthilfeaktivitätensinddie„Psychose-Seminare“,dieindenletztenJahren
vergleichsweiseschnellVerbreitunggefundenhaben.Eshandeltsichumsogenannte„trialogische“
Zusammenkünfte–„aufgleicherAugenhöhe“–vonMenschenmitPsychose-Erfahrung,Angehörigen,
psychiatrischenFachkräftenundinteressiertenBürgern.SietragendenNamen„Seminar“,weilessichin
derRegelumeinezuBeginnfestgelegteZahlvonTreffenhandelt.ImMittelpunktstehtdieAuseinandersetzungmitundderErfahrungsaustauschüberdasErlebeneinerPsychoseausderSichtder(Mit-)Betroffenenbzw.Beteiligten.
-Patientenclubs/Bürger-undLaienhilfe
PatientenclubssindeinoffenesKontakt-undFreizeitangebot,daszumeistvonpsychischerkrankten
und/oderbehindertenMenschenimZusammenwirkenmitehrenamtlichtätigenBürgern(Bürger/Laienhelfer)organisiertundgestaltetwird.Gruppentreffs,gemeinsameGesprächeundUnternehmungen
bietenKontaktmöglichkeiten,GelegenheitzumpersönlichenInformations-undErfahrungsaustauschund
vermittelnAnregungenzurLebensgestaltung.Patientenclubssindorganisatorischhäufigambulanten
DienstenundEinrichtungenangegliedertundwerdenvondiesenStellenzumTeilmitbegleitet.DasehrenamtlicheEngagementvonBürgernunddieeigenverantwortlicheOrganisationvonUnternehmungenin
denPatientenclubsbeinhalteneinewichtigeBrückenfunktionzurGemeindeundderErschließungund
FörderungnatürlicherHilfspotentiale.
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Literatur(Bücher)
→ EmpfohlenesLehrbuch:
LehrbuchSozialeArbeitinderPsychiatrievonMarianneBosshard,UrsulaEbert,undHorstLazarus
(GebundeneAusgabe-April2010)–PsychiatrieVerlag(EUR29,95)
→ SehrausführlichesStandardwerk:
PsychiatrischeRehabilitationvonCh.LauberundWulfRössler(GebundeneAusgabe-5.Juli2004)–
Springer-Verlag(EUR49,95)
→ Basiswissen:
Psychiatrie,PsychosomatikundPsychotherapie:Fürpsycho-sozialeundpädagogischeBerufevon
AlexanderTrostundWolfgangSchwarzer(GebundeneAusgabe-Juni2009)–VerlagModernesLernen(EUR25,50)
KlinischeSozialarbeitunddiesozialeDimensionderPsychiatrie:VonderExistenzsicherungzum
GelingenvonJosefSchoerghofer(Taschenbuch-2.April2010)-VDMVerlagDr.Müller(EUR49,99)
SozialeArbeitinderPsychiatrie(Uni-TaschenbücherS)vonMargretDörr(Broschiert-1.Oktober
2005)–UTB-Verlag(EUR16,90)
SozialeArbeitimArbeitsfeldPsychiatrie:EineEinführungvonJensClausen,Klaus-D.Dresler,und
IlseEichenbrenner(Taschenbuch-November1997)–LambertusVerlag(EUR21,60)
DieSozialePsychiatriealsTätigkeitsfeldfürdieSozialeArbeitvonChristianDreker(Broschüre-
2006)–GRIN-Verlag(EUR13,99)
DerKlientenzentrierteAnsatzinderpsychosozialenArbeitvonMarcusThomsen(Broschiert-Oktober2007)–GRIN-Verlag(EUR11,99)
ADHSimJugendalter:Grundlagen,InterventionenundPerspektivenfürPädagogik,Therapieund
SozialeArbeitvonHannesBrandauundWolfgangKaschnitz(Broschiert-Mai2008)–JuventaVerlag
(EUR18,-)
ADHSbeiErwachsenen:DiagnostikundBehandlungvonAufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung.vonGerhardW.LauthundWolf-RüdigerMinsel(Broschiert-12.August2009)–HogrefeVerlag
(EUR39,95)
ADHS-RatgeberfürErwachsenevonDieterPützundKlausGehrmann(Broschiert-März2006)-HogrefeVerlag(EUR19,95)
SuizidprophylaxebeipsychischenStörungen:Prävention-Behandlung-BewältigungvonAsmus
Finzen(Taschenbuch-1997)–PsychiatrieVerlag(EUR16,90)
SuizidprophylaxebeipsychischenStörungenvonAsmusFinzen,AndreasFrei,UlrikeHoffmannRichter,undUlrikeHoffmann-Richter(Taschenbuch-1997)–ThiemeVerlag(EUR16,90)
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Anhang
Fragenkatalog:Erkrankung/BehinderungundHilfebedarf4
DernachstehendeFragenkatalogveranschaulichtdieBedeutungeinerpersonen-undlebensfeldbezogenenBetrachtungsweise.ErillustriertzugleichexemplarischdieAspekteundLebensbereiche,die
imRahmenderRehabilitationsdiagnostikvonzentralerBedeutungsind.EinensystematischenLeitfadenzurErhebungundBeschreibungdesRehabilitationsbedarfsenthältder„IntegrierteBehandlungs-
undRehabilitationsplan“(IRBP–s.o.)
WelcheSymptome/Schädigungenliegenvoraus
–fachlicherSicht?
–SichtdeskrankenundbehindertenMenschen?
–SichtderBezugspersonen?
EntfaltungderPersönlichkeit
–IstdieFähigkeitzurSelbstwerteinschätzungbehindert/eingeschränkt?
–BestehteineNeigungzupsychischenFehlhaltungenundFehlreaktionen?
–LiegteinegehemmteodergesteigerteAggressivitätvor?
–BestehteinelabileStimmung?
–LiegenStörungenimBereichderSexualitätvor?
–InwelchemUmfangverfügtderBetroffeneüberNeigungenundFähigkeitenzurAusgestaltungseinesLebensundseinespersönlichenLebensraumes?
–VerfügtderBetroffeneüberdieFähigkeit,sichselbsteinfühlendzuerleben?
–WiewerdenpsychischeStörungenoderBehinderungen(insbesondereauchinihrenAuswirkungenhinsichtlicheinerverändertenLebensplanung)vondemBetroffenenverarbeitet?
ZusätzlicheandereErkrankungen
–BestehenzusätzlicheorganischeKrankheiten?
–WelcheBeziehungenbzw.WechselwirkungenbestehenzwischenorganischenErkrankungenunddenpsychischenStörungen?
–GibtesHinweiseaufAlkohol-,Drogen-und/oderMedikamentenmissbrauchoder-abhängigkeit?
Biologisch-psychologischeVeränderung(sofernsomatischeKrankheitsanteilevorliegen)
–WiewerdendiesomatischenKrankheitsanteileverarbeitet?
–ErfolgteineFixierungauforganischeKrankheitsbilder?
–WelchenStellenwerthatdersomatischeKrankheitsfaktorimsozialenZusammenhang?
–LiegenwechselndeorganischeStörungenvor?
–HandeltessichumeinepsychosomatischeReaktionsbildung?
–HabenMedikamenteAnteilansomatischenBeschwerden,ggf.welchen?
LebenspraktischeFertigkeitenhinsichtlicheinerselbstständigenLebensführung,istderBetroffene
hinsichtlicheinerselbstständigenLebensführunginderLage,
–seinepersönlichenInteressenauszudrückenundzuverwirklichen?
–sichausreichendmitLebensmittelnzuversorgenundMahlzeitenzuzubereiten?
–seineWohnung/seinZimmerzupflegen?
–sichundseineKleidungzupflegen?
–wirtschaftlichmitseinemEinkommenzuhaushalten?
–öffentlicheAngebote(z.B.imkulturellen,psychosozialenBereich)inAnspruchzunehmen?
4
DerKatalogwurdeentwickeltinAnlehnunganFrageninden„EmpfehlungenfürdiesozialmedizinischeBeurteilungpsychischerStörungen“,herausgegebenvomVerbandDeutscherRentenversicherungsträger,2001,und
das„ManualFähigkeiten,FähigkeitsstörungenundBeeinträchtigungen“inKruckenberg/Kunze1999.
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–ggf.notwendigeInformationen(z.B.beiBehörden)einzuholen?
–eigenverantwortlichärztlichverordneteMedikamenteeinzunehmen?
FamiliäreIntegration
–UnterhälterKontaktzuseinenElternundGeschwistern?
–BestehenAblösungsschwierigkeitenvondenEltern?
–WohnteralsErwachsenernochbeidenEltern?
–WurdenPartnerbeziehungenaufgebautundwiesindsieverlaufen?
–LebtergetrenntvomEhepartner/inScheidung?
–ErfährterUnterstützungvomPartner/vonseinerFamilie?
–VerhältsichdieFamilieüberbehütend?
–SprichterKonflikteinderFamilie/Partnerschaftanundträgtsieaus?
–UnterhältervonsichausKontaktzuweiterenVerwandten?
AußerfamiliäresozialeIntegration
–WieistseineWohnsituation(allein,ineinerWohngemeinschaft;Lage,GrößeundAusstattungderWohnung)?
–BestehteinfesterFreundeskreisamWohnort?
–UnterhälterKontaktezuNachbarnundanderenPersonenimWohngebiet?
–NimmtervonsichausKontakteauf?
–SprichterKonfliktemitNachbarnoderanderenPersonenanundträgtersieaus?
–NimmteramöffentlichenLebenteil(Vereine,Besuchvonkulturellen,sportlichen,politischenVeranstaltungen)?
BeruflicheLeistungsfähigkeit
–IstderBetroffeneinderLage,seineerworbenenQualifikationeneinzusetzen?
–IstderBetroffeneamgegenwärtigenArbeitsplatzüber-oderunterfordert;ggf.:worinbestehtdieÜber-
oderUnterforderung?
–LiegeninfolgederpsychischenStörungen/organischerStörungen/MedikamenteneinflüsseBeeinträchtigungeninderberuflichenBelastbarkeit/Leistungsfähigkeitvor?
SozialeIntegrationamletztenoderderzeitigenArbeitsplatz
–EntsprichtderArbeitsplatzdemLebensziel,demAusbildungsniveau?
–WieistdasVerhältniszuVorgesetzten/Kollegen/Mitarbeitern?
–ArbeitetderBetroffeneaneinemisoliertenArbeitsplatz,andemsichwenigKontaktezuanderenMenschen
ergeben?
–SinddieArbeitsanforderungenzuhoch/zuniedrig?
–UnterhältderBetroffenewährendderArbeitregelmäßigKontaktzuanderen
Kollegen–zuVorgesetzten?
–EntziehtersichdemKontaktzuKollegen?
–SprichterKonflikteamArbeitsplatzvonsichausanundversuchtersiezulösen?
–BringtderBetroffeneseineInteressenzumAusdruck,versuchtersiedurchzusetzen?
–WirdderBetroffeneinArbeitsabsprachenmiteinbezogen?
–WirderanGesprächen(z.B.UnterhaltunginPausen)beteiligt?
–WirderumseineMeinungoderseinenRatgefragt?
–WirddieIntegrationamArbeitsplatzdurcheineveränderte/beeinträchtigteSelbstwerteinschätzungbehindert?
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