DualeHochschuleVS-Schwenningen–FakultätSozialwesen 2.Semester Modul8–Sommersemester GesundheitswissenschaftenfürdieSozialeArbeitI Vorlesung: „PsychiatrieundRehabilitation“ Dozent:Dr.WolfgangRuf-Ballauf www.ruf-ballauf.de VersionApril2017 Inhalt 1. Einführung a. Historisches b. Fachgebiete c. Behandlungsoptionen d. UnterbringungnachdemPsychKG 2. PsychiatrischeBegriffeundSymptome 3. PsychiatrischeKrankheitsbilder a. Demenz b. SchizophrenePsychosen c. Depression,AngstundZwangserkrankungen d. BipolareStörungen e. Persönlichkeitsstörungen f. ADHS 4. Notfälleeinschl.Suizidalität a. PsychiatrischeNotfallsituationen b. Suizidalität 5. PsychiatrieundSozialeArbeit a. Klienten-bezogeneArbeit b. UnterstützungundHilfeninwichtigenLebensbereichen 6. RehabilitationpsychischErkrankter a. PsychischeStörungenundBehinderung b. RehabilitationszieleundRehabilitationsfähigkeit c. HilfenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen Literatur(Bücher) Anhang(Fragenkatalog:Erkrankung/BehinderungundHilfebedarfI Seite 2 6 6 10 11 18 23 31 46 50 54 60 62 66 66 72 77 77 78 84 92 93 1 1. Einführung a. GeschichtederPsychiatrieinDeutschland SeitdemAltertumwurdenkörperlichewiepsychischeKrankheitendurchkörperlicheEingriffe behandelt,vorallemdurchReinigungdervierKörpersäfteBlut,Schleim,GelbeundSchwarze Galle.RegelnfürdenUmgangmitpsychischKrankenwurdenerstmalsdurchdenrömischenAutorCelsusim1.JahrhundertnachChristusformuliert.ErbeschreibtverschiedeneMöglichkeiten derpsychischenBeeinflussung,z.B.dieheilsameLüge,denheilsamenSchmerz,denheilsame Schrecken,dieheilsameAblenkungundvorallemdasheilsameGespräch,daseinfühlendeEingehenaufdiePatienten. DaschristlicheMittelalterentwickelteandereFormenderpsychischenBeeinflussung.Neben demExorzismuswardiesvorallemderGlaubeanwundertätigeReliquien InFrankreichundDeutschlandwurdeimspätenMittelaltermitdemBauvonDomspitälernbegonnen,indenennebenArmenundanderweitigHilfsbedürftigenauchGeisteskrankeaufgenommenwurden.VonbesondererBedeutungfürdieEntwicklungdeskirchlichenVersorgungssystemswardieTätigkeiteinigerOrdensgemeinschaften(AlexianerimheutigenNordrheinWestfalen,"BarmherzigeBrüder"inPolen,Italien,ÖsterreichundBayern). ParallelzudenkirchlichenentwickeltensichseitdemSpätmittelalterweltlicheFormenderIrrenfürsorge.DiesozialenVerpflichtungenderfreienReichsstädteinDeutschlandführtevielerorts zurGründungvonStädtischenBürgerhospitälern,indenennebenArmenundAltenauch"harmloseIrre"aufgenommenwurden.UnruhigeundaggressiveKrankewurdenallerdingsindieStadttoregesperrtodervordieStadtineigensdafüraufgestellteHolzkistenverbracht. ZuBeginndes17.JahrhundertsentstandinFrankreicheingegliedertesVersorgungssystem.Akut KrankewurdenzueinermehrwöchigeBehandlungindas"Hôtel-Dieu"verbracht.Wernichtgesundwurde,wechselteindas"Hôpitalgénéral”,bestehendausdem"HôpitaldeBicètre"für Männerunddem"HôpitaldelaSalpétrière"fürFrauen.BeideHäuserbeherbergtengroßeAbteilungenfürpsychischKranke.InDeutschlandentstandeninAbwandlungdiesesVorbildsZucht- undTollhäuser.GewaltgegenPatientenoderunterdenPatientenwaranderTagesordnung.Die unruhigenundgefährlichenPatientenwurdeninKettengelegtundgeprügelt. DieWendevom18.zum19.JahrhundertbrachteersteBemühungenummenschenwürdigeBehandlungpsychischKrankermitsich.BedeutsamfürdieEntwicklungderpsychosozialenVersorgungwarderneuetherapeutischeOptimismus.DieWurzelndiesesUmdenkensliegenvorallem inEngland.Eswurdenländliche„Retreats“gegründet,indenenaufPrügel,KettenundZwangsjackenweitgehendverzichtetwerdenkonnte.BesucherwarenvonderfreundlichenAtmosphäre beeindruckt.GeradeauchdeshalbbeeinflusstedasIdealderheilsamenländlichenEinsamkeitdie ZielvorstellungenderReformpsychiaterdes19.Jahrhundertsnachhaltig. DieDeutschePsychiatriezuBeginndes19.Jahrhunderts: Um1800herrschtenunerträglicheZuständeindendamaligenDeutschenZucht-undTollhäusern.WilhelmGriesinger(1817-1868)wareinerdererstenDeutschenPsychiater,diesicherfolgreichfürdiegewaltfreieBehandlungpsychischKrankereinsetzten.BiszurMittedes19.JahrhundertswarentrotzeinzelnerAusnahmenZwangundGewaltbeiderBehandlungundUnterbrin2 gungpsychischKrankeranderTagesordnung.SchlägemitRuten,StöckenundPeitschengehörtenebensozudenüblichenMaßnahmenwieDrehstühle,SturzbädermitkaltemWasser, ZwangsstehenoderschmerzhafteEinreibungenderKopfhaut.1861hieltsichGriesingerinEnglandaufundlerntedortdieBehandlungohneZwangsmittelkennen.EinegrößereAnzahlvon PsychiaternschlosssichnacheinemBerichtGriesingersdessenForderungnachEinführungder zwangfreienBehandlungan.GriesingerfordertezusätzlichdieErrichtungvon"Stadt-Asylen"zur kurzfristigenwohnortnahenstationärenBehandlung.NurunruhigeundgefährlichePatienten solltenweiterhininPflegeanstaltenaufdemLandversorgtwerden. NachdenVorstellungenGriesingersentstandenindenfolgendenJahrenanvielenOrtenneue Stadtasyle,fastimmerinFormvonUniversitätskliniken(z.B.Heidelberg1878,Freiburg1887).An diesenEinrichtungenundandenbereitsbestehendenKlinikenwurdendannauchwiederStudentenunterrichtet.DieAusbildungderÄrztegingteilweisewiederindieHändederUniversitätenüber.DieUniversitätsklinikenwarennatürlichnichtinderLage,diepsychiatrischeVersorgungderBevölkerungalleinsicherzustellen.BevölkerungswachstumundVerstädterungerfordertenimmerhöhereBehandlungskapazitäten.Überallwurdenseitetwa1870neueAnstaltengebaut,dieinallerRegelnochheuteinGebrauchsind. AlldieseErrungenschaftenwurdendurchdenBeginndes1.Weltkriegszunichtegemacht.Währenddes1.Weltkriegsstarbenetwa140.000MenscheninDeutschenAnstalten.Nachdem1. WeltkriegerholtesichdieDeutschePsychiatrielangsamwieder.EswarenvorallemzweiPersonen,dieneueImpulsefürdiepsychosozialeVersorgunggaben:HermannSimon(1867-1947)und die"aktivereKrankenbehandlung"inGüterslohsowieGustavKolb(1870-1938)unddieoffeneIrrenfürsorgeinErlangen. HermannSimonentwickelteab1914seinKonzeptderaktiverenKrankenbehandlunginGütersloh.DieOrganisationwaraufBeschäftigungallerPatientenausgerichtet.Täglichwurdendiearbeitenden,diekörperlichKrankenunddiewegenderpsychiatrischenSymptomatikunbeschäftigtenPatientennamentlichregistriert.DieserAnteillagbeieinerGesamtbettenzahlvon1350in derRegelunter1Prozent.GewalthandlungenkameninGüterslohsehrseltenvor,beruhigende Medikamentemusstenkaumgegebenwerden. GustavKolbwardererstePsychiater,derGrundzügedergemeindenahenPsychiatrieindieTat umsetzte.EröffnetedieAnstaltnachaußen,führtediepsychiatrischeFamilienpflegeeinund bauteinErlangeneinSystemderoffeneFürsorgeauf,dasspätervonfastallenKlinikenübernommenwurde.KolbsorgtefürArbeits-undBeschäftigungsmöglichkeiten.Erbefürworteteden AufbauvonKinderabteilungen,TrinkerheilstättenundAltenheimen.AlswichtigsteMaßnahme sahKolbdieOrganisationvonFürsorgemaßnahmenaußerhalbderAnstaltan.ZudenAufgaben der"offenenFürsorge"gehörtennachseinenVorstellungendieErfassungsowieberuflicheund sozialeWiedereingliederungderausdenAnstaltenentlassenenPatienten. PsychiatrieimNationalsozialismus:EugenikundEuthanasie 1920veröffentlichtenderJuristKarlBindingundderPsychiaterAlfredHocheeineSchriftmit demTitel"DieFreigabederVernichtunglebensunwertenLebens".ZudenMenschenleben,deren WeiterbestehennachderAuffassungvonBindingundHoche"fürdieLebensträgerwiefürdie GesellschaftdauerndallenWertverlorenhat..."zählendiedurchKrankheitoderVerwundung ”unrettbarVerlorenen,dieimvollenVerständnisihrerLagedendringendenWunschnachErlö- 3 sungbesitzenundinirgendeinerWeisezuerkennengeben”unddie"unheilbarBlödsinnigen... SiehabenwederdenWillenzuleben,nochzusterben." DieseIdeologiefandihrenNiederschlagim"GesetzzurVerhütungerbkrankenNachwuchses (GzVeN)"vom1.1.1934.SterilisiertwerdensolltennachdiesemGesetz"erbkranke"Personenmit denDiagnosen"angeborenerSchwachsinn,Schizophrenie,zirkuläresIrresein,erblicheFallsucht, erblicherVeitstanz,erblicheBlindheitoderTaubheit,schwereererbtekörperlicheMissbildung undschwererAlkoholismus".AlleAngehörigenvonHeilberufenmussten"Erbkranke"beim Amtsarztanzeigen.Zuwiderhandlungenwurdenstrafrechtlichverfolgt.DerAmtsarztbeantragt beim"Erbgesundheitsgericht"imBedarfsfalldieSterilisierung.ManbefürchteteeineexplosionsartigeVermehrungvon"Ballastexistenzen",durchwelchedie"Volksgesundheit"gefährdetund dasVolksvermögenbelastetwerde. AusgerechnetindieserZeitwurdendieerstenwirksamenbiologischenBehandlungsverfahren entwickeltwurden:dieInsulinkomatherapie(Sakel1933),dieCardiazolkrampftherapie(Meduna 1935)unddieElektrokrampftherapie(Bini,Cerletti1937).DieErfolgederneuenTherapieverfahrenwurdeninDeutschlandalsArgumentfüreineWeiterführungder"erbbiologischenMaßnahmen"insFeldgeführt. DieTötungpsychischKrankerundgeistigBehinderterwurde1939nichtdurcheinGesetz,sonderndurcheinen"GeheimenFührererlaß"eingeleitet.DieAktionwurdemitHilfevonvierTarnorganisationendurchgeführt:Die"ReichsarbeitsgemeinschaftHeil-undPflegeanstalten"übernahmdieAuswahlderPatienten,die"GemeinnützigeKrankentransportgesellschaft"dieTransporteindieTötungsanstalten.Die"GemeinnützigeStiftungfürAnstaltspflege"unddie"ZentralverrechnungsstelleHeil-undPflegeanstalten"warenfürdieverwaltungsmäßigeAbwicklungzuständig.DiePatientenwurdeninsechsTötungsanstalten(SchlossGrafeneck,KreisMünsingen, SchlossHartheimbeiLinz,ehemaligesZuchthaus,Brandenburg/Havel,Bernburg/Saale,SonnensteinbeiPirnaundHadamarbeiLimburgverbracht.Bis1941wurden70.253Patientendurch Kohlenmonoxidgasumgebracht. BiszumKriegsendewurdenzusätzlichinvielenAnstalten"dezentraleEuthanasien"durchInjektionenmitScopolaminoderLuminaldurchgeführt.AnderePatientenstarbendurch"Hungerkuren".Insgesamtwurdenbis1945wurdenmehrals150.000psychischKrankeermordet. DiePsychiatrienachdem2.Weltkrieg: InderNachkriegszeitwarniemandsorechtanderAufarbeitungderNazi-Verbrecheninteressiert.ZwarwurdendurchdenNürnbergerÄrzteprozeß1946-1947unddurchmehrals40Euthanasieprozessebisca.1965diewesentlichenFaktenderVernichtungsaktionenallgemeinbekannt. TrotzdemfandenbiszumEndeder70erJahreBücherüberdiePsychiatrieimNationalsozialismus keineBeachtung.ÜberhauptwurdedieSituationpsychischKrankervonPolitikundÖffentlichkeit kaumzurKenntnisgenommen. 1970wiesderMannheimerPsychiaterH.HäfneraufgravierendeMängelderpsychiatrischen Versorgunghin.1971erteiltederDeutscheBundestagseinerExpertenkommissiondenAuftrag, einenBerichtzurLagederPsychiatrieanzufertigen.EineersteErhebungkamzudenerwarteten alarmierendenErgebnissen.DiestationärepsychiatrischeVersorgungwurdegrößtenteilsdurch 68PsychiatrischeLandes-oderBezirkskrankenhäusersichergestellt.DiedurchschnittlicheGröße von1200,dasArzt-Patientenverhältnisvon1:64(alleÄrzte)bzw.1:87(nurAssistenzärzte)zeigte diepersonellenMängelauf.ZudemwarendiebaulichenMängelderveraltetenAnstaltengravierend.Beimehrals70%allerPatientenwurdedieBehandlunggegendenWillenderBetroffenen 4 durchgeführt.PositiveAusnahmewarlediglichdasLandBaden-Württembergmitca.10Prozent Zwangsbehandlungen.Bei80%derPatientenerfolgtedieBehandlungaufgeschlossenenStationen.Esgablediglich1200niedergelasseneNervenärztedieproPatientwenigerals15minmonatlichaufwendeten. DieKommissionerhobeineReihevonForderungen:SofortmaßnahmenzurBefriedigungvon Grundbedürfnissen,GleichstellungvonpsychischundkörperlichKranken,Verkleinerungder Großkrankenhäusermitwenigerals600BettenunddieSchaffungpsychiatrischerAbteilungenan AllgemeinkrankenhäusernmiteinerMindestgrößevon200Betten,dieBildungkleinererVersorgungsgebieteunddieSpezialisierungderstationärenEinrichtungen.ImAbschlussberichtder Sachverständigenkommissionvon1975wurdenVorschlägezurPersonalentwicklungunterbreitet:VerbesserungderRelationArzt-PatientenundPflegepersonal/Patienten,Einstellungvom MitarbeiternanderertherapeutischerBerufsgruppenwieDiplompsychologen,Sozialarbeitern undErgotherapeuten. DasSystemderpsychiatrischenVersorgungheute: Seit1975hatsichvielverändert.DasSystemderpsychiatrischenVersorgungwurdeimmerweiterdifferenziert.EsumfasstdieBereichederstationärenundteilstationärenBehandlung,der ambulantenBehandlungundBeratungundderkomplementärenEinrichtungen.Diestationäre undteilstationäreBehandlungwirdvondengroßenpsychiatrischenKliniken,denUniversitätskliniken,denAbteilungenanAllgemeinkrankenhäusernunddenautonomenoderineinKrankenhausintegriertenTagesklinikensichergestellt.DieAmbulanteBehandlungundBeratungerfolgt durchNiedergelasseneNervenärzte,PsychiaterundPsychotherapeuten,durchInstitutsambulanzenundPoliklinikenunddurchSozialpsychiatrischeDienste,dieinmanchenBundesländerneine ausschließlichberatendeFunktion,inanderendurchAnbindungandieGesundheitsämterzusätzlicheineKontrollfunktionwahrnehmen.DarüberhinausbestehenjenachBundeslandweitere beratendeDienste.ZudenkomplementärenEinrichtungenzählendieEinrichtungendesbetreutesWohnens(Wohngemeinschaften,betreutesEinzel-oderPaarwohnenundHeime)unddieHilfenamArbeitsplatz(DienstezurWiedereingliederungderPatientenamaltenArbeitsplatz,RehabilitationseinrichtungenfürpsychischKranke(RPK),WerkstättenfürpsychischBehinderte(WfB) undFirmenfürpsychischBehinderte(Selbsthilfefirmen). DieEntwicklungmodernerPsychopharmakawarmaßgeblichdaranbeteiligt,dassdieHäufigkeit stationärerAufenthalte–auchaufgeschlossenenStationen–deutlichverringertwerdenkonnte. Psychotherapie,PsychoedukationundAngehörigenarbeit: EinenweiterenFortschrittbedeutetedieIntegrationderPsychotherapieindiePsychiatrie.Seit 1994isteinefundiertepsychotherapeutischeAusbildungBestandteildesneugeschaffenen FacharztesfürPsychiatrieundPsychotherapie.EineSonderformderPsychotherapie,diePsychoedukationvermitteltdenPatientennotwendigeundhilfreicheInformationenundhilftihnenbei derAuseinandersetzungmitihrerKrankheit.Patientengruppenwerdenheute-ebensowieAngehörigengruppen-invielenpsychiatrischenKlinikenangeboten.WeitereTherapieverfahren sind:TrainierendeundtagesstrukturierendeVerfahren(Beschäftigungstherapie,gezieltesTraininggeistigerFähigkeitenundArbeitstherapie),KörperorientierteundkreativitätsförderndeVerfahren(Bewegungstherapie,Tanztherapie,KunsttherapieundMusiktherapie)ergänzenvorallen 5 DingenimRahmenstationärerundteilstationärerBehandlungendiePsychopharmako-undPsychotherapie.DiepsychosozialeBeratungebnetdenPatientendenWegausderKlinik. b. Fachgebiete Kinder-undJugendpsychiatrieund–psychotherapie DasGebietKinder-undJugendpsychiatrieund–psychotherapieumfasstdieErkennung,Behandlung,PräventionundRehabilitationbeipsychischen,psychosomatischen,entwicklungsbedingtenundneurologischenErkrankungen oderStörungensowiebeipsychischenundsozialenVerhaltensauffälligkeitenimSäuglings-, Kindes-undJugendalterundbeiHeranwachsendenauchunterBeachtungihrerEinbindungin dasfamiliäreundsozialeLebensumfeld. PsychiatrieundPsychotherapie(allgemein) DasGebietPsychiatrieundPsychotherapieumfasstdieVorbeugung,Erkennungundsomatotherapeutische,psychotherapeutischesowiesozial-psychiatrischeBehandlungundRehabilitationprimärerpsychischerErkrankungenundStörungeninZusammenhangmitkörperlichenErkrankungenundtoxischenSchädigungeneinschließlichihrersozialenAnteile, psychosomatischenBezügeundforensischenAspekte. Gerontopsychiatrie GerontopsychiatrieistkeineigenesFachgebiet.DadasSpektrumpsychischerErkrankungen ältererMenschenjedocheinanderesist,gibtesinvielenEinrichtungeneigeneAbteilungen fürGerontopsychiatrie.WichtigerSchwerpunktsindMaßnahmenderpsychosozialenBetreuung. ForensischePsychiatrie SchwerpunktistdiepsychiatrischeBegutachtungundBetreuungvonStraftätern,derenStraftatenimZusammenhangmiteinerpsychischenErkrankungbegangenwurden.DieFrageder SozialprognosevorEntlassungoderdieFragederSicherungsverwahrungspielendabeieine wichtigeRolle. Suchtmedizin HierhandeltessichumeineZusatzweiterbildung,dienichtnurPsychiaterdurchlaufenkönnen.DieZusatzweiterbildungSuchtmedizinumfasstinErgänzungzueinerFacharztkompetenzdieVorbeugung,Erkennung,BehandlungundRehabilitationvonKrankheitsbildernim ZusammenhangmitdemschädlichenGebrauchsuchterzeugenderStoffeundnichtstoffgebundenerSuchterkrankungen. c. Behandlungsoptionen ImFolgendensolleinÜberblicküberdieheuteüblichenBehandlungsmöglichkeiteninderPsychiatriegegebenwerden.ImDetailwirddieBehandlungbeideneinzelnenStörungsbildernbesprochenund,soweitpsychotherapeutischeMaßnahmenerfolgen,inderVorlesung„Psychotherapie“imWintersemesterausgeführt. Behandlungsrahmen(„setting“) 6 ambulant durchFachärzteinPraxen,PoliklinikenderUniversitätsklinikenoderInstitutsambulanzen teilstationär inTageskliniken,dieKlinikenoderInstitutenangeschlossensind stationär inFachabteilungenderUniversitätskliniken,ZentrenfürPsychiatrieundanderenKliniken ingeschlossenenStationen(beiEigen-oderFremdgefährdung)oderoffenenStationen WelcheBehandlungsforminFragekommt,hängtvomKrankheitsbildabundvorallemvonden Krankheitsfolgen(EinschränkungenderAktivitätenundTeilhabe). Therapieformen(Übersicht): MedikamentöseTherapie:Psychopharmaka-Überblick 1.Beruhigungsmittel(sog.Tranquilizer–meistausderStoffgruppederBenzodiazepine) (z.B.Valium,Tavor…)werdenbeiUnruhe,AngstundErregunggegeben.DieAnwendung solltestetszeitlichbegrenztsein,einelängerfristigeBehandlungiststetsmitderGefahr derAbhängigkeitverbunden,eineDauerbehandlungverbietetsich.DieMitteleignensich eheralsBedarfsmedikationinbestimmtenSituationenwiez.B.Panikattacken. 2.Schlafmittel(Hypnotika) werdenbeiEinschlafstörungen(kurzwirkendeMittel)oderDurchschlafstörungen(langwirkendeMittel)verabreicht.EbenfallsMedikamentemithohemAbhängigkeits-bzw. Suchtpotenzial.EineDauerbehandlungmitdiesenMedikamentensolltenichterfolgen, dieBehandlungsollteaufbestimmtePhaseneinesKrankheitsverlaufesbeschränktsein, wennderSchlafsichnichtdurchandereMaßnahmenverbessernlässt. 3.Antidepressiva sindbeiDepressionen,teilweiseauchalsergänzendeMittelbeiSchmerzkrankheit,sinnvoll.DieseMedikamentebesitzenkeinSuchtpotenzial!DerWirkungseintrittistverzögert, biszurvollenWirkungvergehenmeist2-4Wochen.DahererfordertdieBehandlung ebensoErfahrungseitensdesArzteswieDurchhaltevermögenseitensdesPatienten.Eine Dauerbehandlungistmöglichunddannnotwendig,wennrezidivierende(wiederkehrende)Depressionenbestehen.DieMitteldürfenkeinesfallseigenmächtigabgesetztwerden; esbestehtdieGefahrderSuizidalität,dieoftersteinigeWochennachabsetzenauftritt. 4.SpezielleMedikamente(z.B.PhasenprophylaktikawieLithium) werden(nur!)vomFachmannbeisog.bipolarenStörungeneingesetzt.Lithiummussin derDosierungmittelsBlutspiegelkontrollengenauangepasstwerden,dannistesdaseffektivsteMittelzurVermeidungvonmanischenPhasen(aberauchdepressivePhasenim RahmeneinerbipolarenStörungwerdenverhindert–nichtdepressivePhasenimRahmen einerdepressivenStörung).DieMedikamentedieserKategoriebesitzenkeinAbhängigkeitspotenzial,müsseninderRegeljedochdauerhafteingenommenwerden. 5.DämpfendeMittel(Antipsychotikabzw.Neuroleptika) dämpfenalleErregungszuständebeipsychischenErkrankungen.DurchdieseMedikamentesindentsprechendeKrankheitsphasenschnellerwiederindenGriffzubekommen,der stationäreAufenthaltverkürztsichundbeikonsequenterAnwendunglassensicherneute stationäreAufenthalteggf.mit„Zwangseinweisung“auchverhindern. DieMittelwerdeneingeteiltnachihrerWirkstärke(Wirkstärkeniedrig,mittelundhoch), wasparallelgehtmitderStärkebzw.HäufigkeitvonNebenwirkungen. 7 DieWirkungbestehtdarin,dassdieseMedikamenteanbestimmteRezeptorenderNervenzellengebundenwerdenundaufdieseWeisedieSignalübertragungblockieren.BetroffensindRezeptorenfürDopamin,Serotonin,Azetylcholin,MuskarinundNoradrenalin. DasichdieseRezeptorenanvielenStellenimZentralnervensystemundteilweiseauchin anderenOrganen(Herz,Blutgefäße,weitereOrgane)finden,könnenunerwünschteWirkungenauftreten,dieevtl.zumWechseldesMedikamentszwingen.Auchhiergilt:nur derFachmannsolltedarüberentscheiden,keinesfallsdarfeineÄnderungeigenmächtig vorgenommenwerden. DieseMittelhabenkeinSucht-bzw.Abhängigkeitspotenzialundeigenensich–beiguter Verträglichkeit–auchzurLangzeitbehandlung.AllerdingssteigtbeihochwirksamenMedikamentendannauchdieGefahrder„Spätsdyskinesie“(krampfartigeBewegungsstörung alsunerwünschteWirkung). Anmerkung:normalerweisetretenNebenwirkungenbaldnachEinnahmeeinesMedikamentsauf.WennmaneinMittelgutverträgt,verträgtmanesüblicherweiseauchlangfristig.BeihochwirksamenNeuroleptikakanndiesjedochanderssein. ApparativeBehandlungsformen Magnetstimulation BeidieserTherapieartwirdeinkleinerBereichdervorderenlinkenHirnhälfteeinemMagnetfeldausgesetzt.DiesesMagnetfeldhateinesehrhoheEnergie,ungefährvergleichbar mitdereinesKernspintomographen.DieseArtderTherapieerwiessichinmanchenFällen alshilfreich,manchmalsogardann,wennalleanderenTherapiennichtangeschlagenhaben.DieMagnetstimulationwirktbesondersgutbeijüngerenPatientenmitleichtenoder mittlerenDepressionenwirkt. DieMagnetstimulationregtdasGehirndazuan,vermehrtBotenstoffeauszuschüttenund erhöhtdenSauerstoffgehaltunddenGlukosestoffwechsel. Elektro-Krampftherapie DieElektrokrampftherapie(EKT)beruhtimWesentlichendarauf,dassinNarkoseundunterMuskelentspannungdurcheinekurzeelektrischeReizungdesGehirnseingeneralisierterKrampfanfallausgelöstwird.NachheutigemKenntnisstandistdieWirkungderEKTauf neurochemischeVeränderungenverschiedenerNeurotransmittersystemezurückzuführen.DieBehandlungistnurangezeigt,wenn • eineNotwendigkeitfüreineschnelle,definitiveVerbesserungaufgrundderSchwereder psychiatrischenErkrankungbesteht, • dieRisikenderEKTgeringersindalsdieandererBehandlungen, • ausderVorgeschichteeinschlechtesAnsprechenaufPsychopharmaka(Therapieresistenz)odereingutesAnsprechenaufEKTbeifrüherenErkrankungsepisodenbekanntist, • UnverträglichkeitodererheblicheNebenwirkungenderPharmakotherapieaufgetreten sind. PsychotherapiealsEinzel-oderGruppenbehandlung ÜberPsychotherapeutischeVerfahrenwirdimModul13informiert. InnerhalbderPsychiatriehatsichPsychotherapieerstindenletzten25Jahrenetabliert. DurchPsychotherapiewirdeinepsychiatrischeErkrankunginderRegelnichtgeheilt. DennochkannPsychotherapieeinewesentlicheHilfedarstellen.DieZielesindallerdings andere,alsbeineurotischenStörungen(auch:neurotischeDepressionen).Währendesbei neurotischenStörungenumdieAufdeckungundBearbeitungzuGrundeliegenderKonflikteundBelastungensowiedieErarbeitungundEinübungvonVerhaltensalternativengeht, 8 sinddieZielevonPsychotherapiebeipsychiatrischenPatientenimwesentlichenKrankheitsbewältigung,AkzeptanzderErkrankung,UmgangmitderKrankheit,stützendeund vertrauensvolleBegleitung,HilfeinschwierigenSituationen,BewältigungvonAlltagsproblemen,VermittlungvonHoffnung,Motivationusw. EsgibtKrankheitsphasen(z.B.manischePhasen,SchubeinerSchizophrenie,schwerste Depression),indenenPsychotherapienichtmöglichist.ErstnachAbklingenderakuten SymptomatiknachGabevonPsychopharmakaistmanchmaleinpsychotherapeutischer Zugangmöglich. Psychoedukation(Aufklärung,TrainingvonAlltagsfertigkeiten) PädagogischerAnsatzinderPsychotherapie.DurchInformation,Aufklärung,Motivation, Begleitungusw.wirdversucht,demPatientenundseinenAngehörigendasVerständnis derErkrankungzuermöglichen,imAlltageinenUmgangmitdenAuswirkungenderErkrankungzufinden.MotivationundCompliance(ZuverlässigkeitseitensdesPatientenin derTherapieinsbesondereinderMedikamenteneinnahme)werdenverbessert.Dortwo eigentlichePsychotherapienichtdurchführbarist,könnenpsychoedukativeMaßnahmen eineguteAlternativesein. Kreativtherapie:Kunst-undMusiktherapie FördertverbliebeneRessourcen,fördertKreativität,aktiviert,vermitteltErfolgserlebnisse,fördertsozialenKontaktundKommunikation.Kannauchbeisprachgestörtenoder– gehemmtenPatientendurchgeführtwerden. Arbeitstherapie(WerkstättenfürBehinderte) AlternativezurArbeitslosigkeitundAusgrenzungausdemErwerbsleben.OftbleibtchronischpsychischKrankennurderRentenantrag.DieBetreuungim„zweitenArbeitsmarkt“ hatsichalswichtigeIntegrationshilfeerwiesen.DieWerkstättensindentwederTeilpsychiatrischerKlinikenoderbestehenalseigeneInstitutionen,häufiginZusammenhangmit WohneinrichtungenfürpsychischKranke(betreutesWohnen,Wohngemeinschaften).Arbeitstherapieheißt,verbliebeneRessourceundFähigkeitenzunutzenunddenBetroffenendasGefühlgeben,dasssienoch„nützlich“sind.DiesfördertdasSelbstwertgefühlund Bewältigungsverhalten. Soziotherapie(Sozialberatung,betreutesWohnen,Wohngruppen,Angehörigenarbeit,Wiedereingliederungshilfen) SoziotherapiesolldenPatientInnenalszentralerBausteineinesintegriertenBetreuungs-und BehandlungsprogrammsdieAufnahmeoderauchFortsetzungdermedizinischenBehandlung ermöglichen.SiesolldenPatientInnendurchMotivationsarbeitundstrukturierteTrainingsmaßnahmenhelfen,psychosozialeDefiziteabzubauen. AngestrebtwirdeineStärkungderSelbsthilfeinderGesundheitsförderungderPatientInnen BedeutendeEckpfeilerderArbeitsindKooperation,TransparenzundVerbindlichkeit.Die EinbeziehungvonBetroffenenundderenAngehörigenistBestandteilderZusammenarbeit. FürdenBereichdergesetzlichenKrankenversicherungexistierenRichtlinienfürdieSoziotherapie(Download:http://www.g-ba.de/downloads/62-492-5/RL_Soziotherapie_2001-0823.pdf) 9 d. UnterbringungnachdemUnterbringungsgesetz(PsychKG) PsychiatrieistimVolksmundnochhäufigmitderVorstellung„Zwangseinweisung“(indie „Klapsmühle“)verbunden.InderTatliegtesinderNaturvielerStörungen,dassKrankheitseinsichtnichtbestehtundKontrollverlustzueinereigenenGefährdungoderGefährdunganderer führt.Jederhatz.B.dieFreiheit,sichzusuizidieren(SuizidistkeinStraftatbestand).Wennerdies jedochaufGrundeinerKrankheitmöchte,istdiePflichtdesStaates–letztlichimGrundgesetz verankert–ihndavorzubewahren. ImPsychKHwirddie"Zwangseinweisung"gereglt.NotwendigeVorrausetzungensind,1)derPatientmusspsychischkranksein.PsychischkrankimSinnedesUnterbringungsgesetzessindPersonen,beideneneinegeistigeoderseelischeKrankheit,BehinderungoderStörungvonerheblichemAusmaßeinschließlicheinerphysischenoderpsychischenAbhängigkeitvonRauschmitteln oderMedikamentenvorliegt.2.)DerPatientmussunterbringungsbedürftigsein.UnterbringungsbedürftigsindpsychischKranke,dieinfolgeihrerKrankheitihrLebenoderihreGesundheit erheblichgefährdenodereineerheblichegegenwärtigeGefahrfürRechtsgüterAndererdarstellen,wenndieGefährdungoderGefahrnichtaufandereWeiseabgewendetwerdenkann. DieAusübungvonZwanggegenpsychischKrankeisteinerheblicherEingriffundsolltesoselten wiemöglichnotwendigwerden.AufgrunddertotalitärenDiktaturerfahrungenwirdinDeutschlanddemSchutzindividuellerGrundrechteeinsehrhoherStellenwerteingeräumt.FürdieunfreiwilligeUnterbringungexistierteinjuristischesEntscheidungsmonopol;dieärztlicheStellungnahmedientlediglichalsEntscheidungshilfe.DieEinweisungwirdaufAntragderörtlichenOrdnungsbehördevomAmtsgerichtangeordnet.BeiakuterGefahrkanndasOrdnungsamtdieUnterbringungohnevorherigegerichtlicheEntscheidungvornehmenbiszumAblaufdesTages,der demBeginndesFreiheitsentzugesfolgt,mussjedochdierichterlicheEntscheidungeingeholt werden.DerArztselbstdarfdiezwangsweiseVerbringungnichtanordnen.Erdarfsiebeider Ortspolizeibehörde(Ordnungsamt)oderdemPolizeivollzugsdienstnuranregen.Alleindiesesind fürdasVerbringeneinesUnterbringungsbedürftigenzuständig.ObwohlderArztwederdenAntragaufeineUnterbringungstellenkannnochdirektdieEntscheidungfällt,sondernlediglichindirektaufdasGescheheneinwirkenkann,istseinEinflusssehrweitreichend:Ausdemärztlichen GutachtenziehendieanderenInstitutionenwesentlicheInformationen,diezuihrerEntscheidungsfindungführen. JedesLandhateineigenesPsychKG.FürBaden-WürttembergkannderGesetzestextdowngeloadedwerdenunterhttp://dejure.org/gesetze/UBG EinMerkblattzurUnterbringunghatdieÄrztekammerBaden-Württembergverfasst: http://www.aerztekammer-bw.de/20/merkblaetter/unterbringung.pdf 10 2. PsychiatrischeBegriffeundSymptome ÜberblicküberdiewichtigstenBegriffeundSymptome: Ø Bewusstsein/Bewusstseinsstörungen Ø Orientierung/Orientierungsstörungen Ø Auffassung/Auffassungsstörungen Ø AufmerksamkeitundKonzentration Ø Gedächtnis Ø Denken Ø Sinnestäuschungen(Illusionen,Halluzinationen) Ø Wahn Ø Ich-Störungen Ø Affektivität Ø Antrieb/Psychomotorik DieBeschreibungdergenanntengeistig-seelischenFunktionenbzw.FunktionsstörungenistAufgabedesPsychiaters,inihrerGesamtheitnenntmandieBeschreibungdenPsychopathologischenBefund. DieFunktionenundihreStörungenimDetail: Bewusstsein AlsBewusstseinkönntemandieaktuellePräsenzundderen„bewusste“Wahrnehmungbezeichnen.BewusstseinsstörungenspieleninderPsychiatrieeinewichtigeRolle.SiesindmeistAusdruckeinerStörungorganischerHirnfunktionen,daBewusstseinauchanWachheitgebundenist unddas„Wachzentrum“imHirnstammlokalisiertist.BewusstseinistjedochmehralsnurWachheit(WachheitistjedochdieVoraussetzungfürbewussteWahrnehmung).ZumBewusstsein könnennurVorgängegelangen,dieihrenNiederschlagimGroßhirnfinden. BewusstseinsstörungensinddasLeit-Symptom(dasführendeSymptom)beiakutenFunktionsstörungendesGehirnsz.B.durchSchädel-Hirn-Trauma,Infektion,Intoxikation(Vergiftung)oder akuterStörungenderDurchblutung. BewusstseinsstörungenwerdenunterteilinquantitativeundqualitativeStörungen. QuantitativeBewusstseinsstörungen –StörungenderWachheitwieBenommenheit,Somnolenz(Schläfrigkeit),Koma z.B.beiVergiftungen QualitativeBewusstseinsstörungen –Bewusstseinstrübung DieFähigkeitistgestört,verschiedeneAspektedereigenenPerson,derLebenswirklichkeit undderUmweltzuverstehenundsiesinnvollmiteinanderzuverbinden–z.B.beiPsychosen –Bewusstseinseinengung FokussierungdesDenkens,FühlensaufwenigeThemen,verminderteAnsprechbarkeitauf Außenreize-z.B.beiHypnose,starkerKonzentration,Psycho-Trauma –Bewusstseinsverschiebung SubjektivesErlebenerweitertenBewusstseins,SteigerungvonWachheitundSinnesempfindungen–z.B.beiDrogeneinnahmeoderPsychosenmitHalluzinationenoderWahnbildung 11 Orientierung OrientierungistebenfallseinedergeistigenBasisfunktionen.SiesetztWachheitvoraus.ManunterteildieOrientierunginverschiedeneQualitäten-auchdeshalb,weilnichtimmeralleQualitätengleichzeitigodergleichermaßenbeeinträchtigtsind. Orientierungwirdunterteiltin - ZeitlicheOrientierung Datum,Tag,Tageszeit,Monat,Jahr,Jahreszeitwerdengewusst - ÖrtlicheOrientierung gegenwärtigerAufenthaltsortistbewusst - zurSituation ErfassungderaktuellenSituationimBedeutungs-undSinnzusammenhangfürdieeigene Person(„Wasgeschiehtmitmirgerade?“) - zurPerson Persönliche,lebensgeschichtlicheSituation(Biographie)wirdgewusstbzw.erinnert;hierzugehöreneineReihevonBasisdaten(Geburtstag,Alter,Name,AnzahlundNameder Kinder,NamedesPartners). StörungenderOrientierungkommenvorallembeiDemenzundDelirvor,auchbeiVergiftungen undPsychosen. Auffassung Auffassungbedeutet,Wahrnehmungenrichtigeinordnenzukönnen.EineungestörteWahrnehmungistdaherVoraussetzungeinerrichtigenAuffassung.DabeideFunktionennichtleichtzu trennensind,istdiePrüfungderAuffassungauchschwierig.DieFähigkeitzurkorrektenAuffassungistgegeben,wennderBetreffende denallgemeinenGesprächskontexteserfassenkann, FabelnoderBildgeschichtenoffensichtlichverstehtund inderLageist,GemeinsamkeitenundUnterschiedenzwischenPersonen/Situationenfestzustellen. StörungenderAuffassungsindhäufig,jedochunspezifisch(d.h.nichttypischfüreinbestimmtes Krankheitsbild).Manunterscheidetverlangsamte,falscheoderfehlendeAuffassung. AufmerksamkeitundKonzentration Aufmerksamseinbedeutet,denFokusgezieltaufeineSache/Situation/Personrichtenzukönnen.VoraussetzungisterhaltenesBewusstsein.IndiesemSinneistAufmerksamkeitdieFähigkeit zurselektivenAusrichtungdesBewusstseins.Konzentrationist„versammeltesDabeibleiben“oderdieFähigkeit,dieAufmerksamkeitübereinenlängerenZeitraumaufrechterhaltenzukönnen.AufmerksamkeitundKonzentrationsindelementareFunktionen,diestetsgeprüftwerden sollten.HierzugibteseineReihevoneinfachenTests;BeispielemitsteigenderSchwierigkeit: Monatsnamenvorwärts Monatsnamenrückwärts von100immer5abziehen von100immer7abziehen. EinschwierigererTestistbspw.DerStroop-Test(s.VorlesungsfolieNr.19). StörungenderAufmerksamkeitundKonzentrationkommenhäufigvorundsindebenfallsunspezifisch.FastallepsychiatrischenKrankheitsbildergehenmitKonzentrationsstörungeneinher. 12 Gedächtnis GedächtnisistdieFähigkeitzurBewahrungvonInformationen,Kenntnissenund Fertigkeiten.DabeiwerdenProzesseder Speicherung,derKonsolidierungdesGespeichertenunddesAbrufens(Erinnern, Wiedererkennen)unterschieden.DieEinteilunginKurz-undLangzeitgedächtnis kanndurch eineMehrspeichermodellerweitertwerden: DiesensorischenSpeicherunddasArbeitsgedächtnishabenbegrenzteKapazitäten.Das(unbegrenzte)LangzeitgedächtniswirdineinendeklarativenundeinennichtdeklarativenTypunterschieden.DasdeklarativeGedächtnisbeinhaltetpersonenbezogene,situativ,zeitlichundräumlichgebundeneInformationendespersönlichenLebens(episodischesoderbiographischesGedächtnis),aberauchFakten,Ereignisse,Regeln,Normen,Wissen,Fertigkeiten,Erkenntnisse(semantischesGedächtnis).DasnichtdeklarativeGedächtniskannindreiSubsystemeunterteilt werden,dieeinebreiteVielfaltvonerworbenenFähigkeitenundkognitivenOperationenumfassen.DieseGedächtnisinhaltesindnichtmitbewusstenundverbalisierbarenErinnerungenverbunden. DieGedächtnisleistungisteinkomplexerVorgang.Wiegutmansicherinnert,hängtz.B.auch vomemotionalenGehaltderErinnerungab.Soneigtmandazu,Negativesschnellerzuvergessen.ÜberdieaktuelleErinnerungsfähigkeitentscheidenauchBewusstseinslage,innereEinstellung,Interesseusw. GedächtnisstörungensinddasführendeSymptombeiDemenz!Manchmalistesschwerzwischen Konzentrations-undGedächtnisstörungenzuunterscheiden,dadieAufnahmevonInformation vonderKonzentrationabhängt.Wasnichtaufgenommenwerdenkann,kannauchnichtabgespeichertwerden. DasLangzeitgedächtniswirddurchAbfragenautobiographischerDatenoderdurchallgemeinbekanntehistorischeDatengeprüft.DasKurzzeitgedächtniskannz.B.durchNennungvon5Begriffengeprüftwerden.ManbittetdiePerson,sichdieseBegriffezumerkenundfrägtbeiGesprächsendedieBegriffeab.Bei(beginnender)Demenzistcharakteristischerweisezunächstdas Kurzzeitgedächtnisbetroffen. ZeitlichbegrenzteErinnerungslückennenntmanAmnesie.BezogenaufdenzeitlichenAblauf sprichtmanvonretrograderAmnesie(vomgeprüftenZeitpunktoderEreignisanrückwärtsbetrachtet)undanterogradeAmnesie(vomEreignisnachvornebetrachtet). Nebeneinem„zuwenig“anErinnerungsvermögen,gibtesauchein„zuviel“bzw.VerfälschungendesGedächtnisinhaltes.DasGefühl,etwasschoneinmalerlebtzuhaben(„déjavu“)isthäufigundfürsichgenommennichtkrankhaft;demliegentatsächlicherlebte,ähnlicheInhaltezu Grunde.Manchmalkommtesauchzu„Konfabulationen“,d.h.lügenhaftausgeschmückteErinnerungen,diejedochfürdenBetreffendenRealitätsind(imUnterschiedzubewusstemLügen).Bei Kindernkommtdieshäufigervor. SchließlichkönnenPseudo-Erinnerungen(Scheinerinnerungen)z.B.beischizophrenenPsychosen alsAusdruckvonWahnideenvorkommen. 13 Denken DenkenalswesentlichekognitiveFunktionumfasstdenformalgeordnetenundinhaltlichschlüssigenAblaufderGedankengänge.DabeigibtesbeträchtlicheindividuelleUnterschiedehinsichtlichStruktur,Zielgerichtetheit,Assoziationusw.Entscheidendist,wieweitbeiBetroffeneneine VeränderungformalenoderinhaltlichenDenkensfeststellbarist. BeiderBeurteilungdesDenkvermögensiststetszuprüfen,obdieSprache(Sprachverständnis, Sprach-undSprechvermögen)beeinträchtigtist,daErgebnissevonDenkvorgängeninderRegel verbalisiertwerden. DenkstörungenwerdeninformaleundinhaltlicheDenkstörungenunterteilt. FormaleDenkstörungensindindenDimensionenSchnelligkeitundGeradlinigkeitzubetrachten. DasDenkenkannverlangsamt(z.B.Depression)oderbeschleunigt(z.B.beiManie)sein.DieVerlangsamungkannbiszurDenkhemmungreichen. DieGeradlinigkeitkannimSinnevon - umständlich(vielNebensächliches, verändertsein. kommtnichtaufdenPunkt) SchemafürumständlichesDenken: - perseverierend(haftenbleibend, kommtnichtweiter) - grübelnd(Gedankenkreise,denkt immerdasselbe) - ideenflüchtig(assoziativ,verliert sich,vom100stenins1000ende) - gesperrt(Gedankenabreissen,der Gedankeistwieweggeblasen) InhaltlicheDenkstörungenzeichnensichdurchfehlendenlogischenodergefühlsmäßigenZusammenhangaus.WeildasDenkenzusammenhangslosist,istesauchdieSprache.Vorallem WahnbildungenbeischizophrenenPsychosensindsolcheDenkstörungen.InderRegelsinddiese Störungensofortersichtlich.InderFachsprachewerdenverschiedeneFormeninhaltlicherDenkstörungenbeschrieben: Paralogik-unlogischesDenkenmiterhaltenemSatzbau Paragrammatismus-gestörterSatzbau Sprachzerfall,Schizophasie-sinnlosesWort-undSilbengemisch–Wortsalat(„Seele,mankannschön lebenundschaffenabermangehtkaputt.EsistauchwieSequestrierung,diederliebeGottdannheilt mitSalbenundMaschineninsHerzgetan“) Kontamination-VerschmelzungheterogenerSachverhalte(„DieBibelhabeichauchgelesen,ichverwechsleesimmer,weilichperfektfranzösischspreche“) Verdichtung-ZusammenziehenvonmehrerenIdeenineiner(„Manbade,seinichtfade,badeund balde“) Sinnestäuschungen(Illusionen,Halluzinationen) IllusionensindVerkennungen.EsliegteinphysikalischerReizvor,derjedochFehlgedeutetwird, weildieRealitätskontrollereduziertoderaufgehobenist.Beispiel:einängstlichesKindverkennt imDunkelnGegenständealsdrohendeGestalten.BeiFieberzuständenkommtdiesleichtervor (vgl.dasGedicht„DerErlkönig“). BeiHalluzinationenliegtkeinephysikalischeReizquellevor.SiesindtypischfürDelirundSchizophrenie.HalluzinationenkönnennachunterschiedlichenGesichtspunktenaufgegliedertwerden: EinteilungnachihrerKomplexität: 14 Einfache(elementare)Halluzinationen –Klopfen,Klicken,Blitze,Lichter,usw. KomplexeHalluzinationen –Bilder,Personen,Stimmen SzenischeHalluzinationen –Theaterstücke,Musikstücke,Dialoge EinteilungnachdemSinnesgebiet: Akustisch –Stimmenhören(Phoneme) –AndereakustischeHalluzinationenwieKnallen,Zischen,Pfeifen(sog.Akoasmen:„EsmachtimmerKlickimKopf,undjedesmalwerdeichintelligenter.“) Optisch(Blitze,Muster,Gegenstände,Personen,Szenen;z.B.„DerganzeRaumwarmitLichtblitzen undbuntenViereckenangefüllt.“) Körper –Taktil/haptisch(z.B.„Dahabeichgespürt,wiesicheinekalte,behaarteHandaufmeinenKörper legte;ganzdeutlichhabeichdiefünfFingergespürt.“„PlötzlichistmireiskaltesWasserüber denRückengelaufen.Alsichnachgesehenhabe,wardieHautaberganztrocken.“) –Leibempfinden:Qualitativabnorme,neu-undfremdartigeLeibempfindungen(z.B.„Elektrischer StromfliesstdurchmeinenBauch,dasHerzundderDarmziehensichzusammen.Inmeinem KopfschwapptdasGehirnhinundher.“) Olfaktorisch(Geruch)(z.B.„PlötzlichhatesnachGasgerochen,eswarganzmerkwürdig,weilessonst keinergemerkthat.“ Gustatorisch(Geschmack)(z.B.„AufeinmalhatteicheinenrichtigfauligenGeschmackimMund.“) StimmenhörenisteinSymptomerstenRangesfürSchizophrenie.DieStimmenkönnenDialoge führen(mehrereStimmen)oderdaseigeneHandeln(moralisch)kommentieren(„Ichhabedie StimmemeinertotenMuttergehört.Siehatmichimmergelobtodergetadelt,jenachdemwas ichgemachthabe“).FernergibtesimperativeStimmen.SolchebefehlendeStimmenkönnengefährlichsein:z.B.derBefehlsichoderandereumzubringen. Wahn Wahnvorstellungensindobjektivfalsch,jedochsubjektiveGewissheit.FürAußenstehendewird Wahnunmittelbarevident,fürdenBetroffenensinddieVorstellungenjedochnichtkorrigierbar, dasiefürRealitätgehaltenwerden. WahnbildungenkommenvorbeiSchizophrenieundManie,jedochauchbeischwererDepression. DieAusprägungvonWahnkannunterschiedlichsein,gemessenamVerhältniszurRealität: o WahnwirklichkeitistdieeinzigeWirklichkeit o Wahnwirklichkeitistdiebeherrschende,abernichtdieeinzigeWirklichkeit o WahnwirklichkeitundRealitätbestehennebeneinanderin„doppelterBuchführung“(für denBetroffenensinddieszweiRealitäten) o WahnwirklichkeitundRealitätfließennichtunterscheidbarineinander,vermischensich DieWahn-InhaltelassenkeineRückschlüssezu.EsgibtjedochcharakteristischeThemenbeiManie(Größenwahn),Depression(Verarmungs-undVersündigungswahn)undSchizophrenie(Verfolgungswahn).WeiterhäufigeWahninhaltesindEifersuchtswahnundhypochondrischerWahn (Gewissheit,aneinerKrankheitzuleiden–beiderHypochondriebestehtlediglicheineentsprechendeBefürchtung). AusdemWahninhaltkannnichtaufdieArtderStörunggeschlossenwerden! BesondereFormenodernichtvollausgeprägteFormenvonWahnbildungensind: 15 Wahnstimmung DieeigenePersonoderdieWeltwerdenveränderterlebt.BedeutungszumessenundInbeziehungsetzen,dasvonGesundennichtnachvollzogenwerdenkann(z.B.„EsliegtetwasinderLuft,allesummich herumistmerkwürdigverändert,allessoseltsam;dieLeutemachensoeinbösesGesicht,damuß dochetwaspassiertsein,oder?“). Wahnwahrnehmung WahnhafteFehlinterpretationeineransichrichtigenWahrnehmung(z.B.„InderBeizkameingroßer Mannherein.Dahabeichgewusst,dassdasderTeufelist“). Wahneinfall DasplötzlichundunvermittelteAuftretenvonwahnhaftenVorstellungenundÜberzeugungen(z.B. „Gesternistmirplötzlichaufgegangen,dassichdenFriedensnobelpreiserhalte,weilichdieSupermächtetelepathischausgesöhnthabe“). Beziehungswahn PatientfühltsichimMittelpunktdergezieltenAufmerksamkeitseinerUmwelt.Ausunbedeutenden EreignissenentnimmterSignale,dieihninganzbesondererWeiseangehen(z.B.„Siewerdenesnicht glauben,HerrDoktor,dieNummernschildervonallenAutoswarenaufmichumgestellt:überallBwie Beate“) Ich-Störungen EinewichtigeIch-FunktionistdieWahrnehmungderRealitätbzw.die(automatischerfolgende) PrüfungderRealität.HierbeigibteszweicharakteristischeStörungsmöglichkeiten:Derealisation undDepersonalisation. Derealisation AnderePersonenoderUmwelterscheinenunwirklich,fremdartig,räumlichverändert(z.B. „Allesistsoweitweg“oder„alleHäusersindkleiner,Straßenenger“),dieRealitäterscheint unwirklich,wirdabernochwahrgenommen.KannbeizahlreichenpsychischenStörungen vorkommen,nichtnurbeipsychiatrischenKrankheitsbildern.IstimextremenStressoderbei Trauma(Verkehrsunfallu.a.)ebenfallsmöglich. Depersonalisation DieeigenePersonkommtsichselbstfremdvor,unwirklich,unmittelbarverändert(z.B.„währendderAngstattackenspüreichmeinenKörpernichtmehr,ergehörtnichtmehrzumir“ oder„DerArm,deranmirhängtisttot,esistnichtmeiner“). AuchdieVorstellung,dassAndereEinflussausüben,gehörtzudenIch-Störungen.Diesbezieht sichaufeigeneGedanken,GefühleoderHandlungen,dievonAnderen„manipuliert“werden. DieseSymptometretenhäufigbeiSchizophrenieauf.Beeinflussungsideenkommenauchbei(paranoiden)Persönlichkeitsstörungenvor. Gedankenausbreitung DieGedankengehörennichtmehrdemPatientenalleine,anderehabendaranAnteilundwissen,was erdenkt(Gedankenlesen,Gedankenlautwerden:„Allewissen,wasinmeinemKopfvorgeht“oder„Der ArztkannmeineGedankenmithören“). Gedankenentzug DemPatientenwerdendieGedankenweggenommen,ausdemKopfabgezogen(z.B.„ichkannnicht mehrmeineGedankendenken,diehatmanmirabgezogen,dafürmussichdieGedankenvonanderen denken“). Gedankeneingeben Gedankenwerdenvonaußenbeeinflusst,odereingegeben(z.B.„Ichweiß,dassichsolcheGedanken nichtdenkenkann,essinddieGedankenvonanderen,diesiemirimplantierthaben“). AndereFremdbeeinflussungen 16 Fühlen,Streben,WollenoderHandelnwerdenalsvonaußengemachterlebt(z.B.„Diemachen,dass ichschreie“). Affektivität AffektesindstarkeGefühlemitHandlungsimpuls.SiesindinderRegelvonkurzerDauer(Gefühle undStimmungensindinderRegellängerdauernd).Affektesindsituativbedingt,d.h.siesind normalerweisederSituationangemessen(inderSituationderTrauerlachtmanbeispielsweise nicht).DieBeurteilungderAffektivitätisteinwichtigespsychopathologischesKriterium. GestörteAffektivitätkannsichäußernals Affektarmut(wenigAffekte) Affektstarrheit(keineAffekte) GefühlderGefühllosigkeit(subjektiveGefühllosigkeit) KlagsamerAffekt AmbivalenterAffekt(sichwidersprechendeAffektezugleich) ParathymerAffekt(derSituationgegenläufigerAffekt) Affektlabilität(InstabilitätderAffekte) Affektinkontinenz(leichtesDurchbrechenvonAffekten) StörungenderAffektivitätkönnenbeivielenpsychischenStörungenvorkommen,nehgativeoder eingeschränkteAffektivitätistz.B.typischfürDepressionen,gesteigerteoderenthemmteAffektivitätfürManieoderSchizophrenie. InabgemilderterFormkommenVariationenderAffektivitätauchpersönlichkeitsspezifischvor. Antrieb/Psychomotorik PsychomotorikistdasErgebnisderVerknüpfungvonseelischerBefindlichkeit(Emotionen,Affekte,Verwirrungu.a.)undmotorischemSystem.DasbeobachtbareVerhaltenerlaubtumgekehrt (oft,abernichtimmer)einenRückschlussaufdieaktuelleGefühlslage.DasdieseelischeBefindlichkeitbeipsychischenStörungenvorrangiggestörtist,istesauchdiePsychomotorik. InderBeschreibungeinergestörtenPsychomotorikwirdhäufigfolgendeBegrifflichkeitverwendet: o antriebsarm o antriebsgehemmt o antriebsgesteigert o motorischunruhig gesteigerteundungerichtetemotorischeEnergie o mutistisch WortkargheitbishinzumNichtsprechen o maniriert/bizarr BewegungenundHandlungenverschroben,verschnörkelt. o theatralisch WeiterePhänomenegestörterPsychomotoriksind: o Parakinesen – Qualitativabnorme,komplexeBewegungen,dieGestik,MimikundauchdieSprache betreffen o Stereotypien – SprachlicheundmotorischeÄußerungen,dielängereZeitinimmergleicherForm wiederholtzuwerden Verbigerationen(Wortstereotypien) Katalepsie(Haltungsstereotypien) 17 ParakinesienundStereotypientretenhäufigals„Defektzustände“nachSchübeneinerschizophrenenPsychoseauf. 3. Haltungsstereotypien PsychiatrischeKrankheitsbilder a. Demenz Fallbeispiel: Der68-jährigeSteuerberaterW.H.kommtindieGedächtnissprechstundezurambulantenUntersuchung. ErseiseitetwaeinemJahrsehrvergesslichgeworden,diesbeträfebesonderskurzzurückliegendeEreignissesowieauchNamen.ImmeröfterwürdenihmAufträgeentfallen,dieihmseineFrauimHaushaltaufgegebenhabe.ErschreibesichallesWichtigeauf,weilerAngsthabe,sonstzuvielzuvergessen.GelegentlichwürdenihmauchdieBezeichnungenvonvertrautenAlltagsgegenständennichtmehreinfallen,diessei ihmpeinlich,erhabesichdeswegenvonFreundenundBekanntenzurückgezogenundseiinsgesamtwenigeraktiv.MitseinerFraugebeesinletzterZeithäufigerStreit,weildieseseineZerstreutheitundVergesslichkeitaufrege.DeswegenkommeerjetztzurUntersuchung;erseihierzumitseinemAutozurKlinikgefahren. Epidemiologie ZurzeitlebeninDeutschlandca.1,5MillionenPersonenmitDemenz(Prävalenz).BiszumJahr 2050wirdsichdieAnzahlverdoppeln.DieseZunahmeerklärtsichausdemdemographischen WandelmiteinesteigendenAnteilältererMenscheninunsererGesellschaft.Diesistauchder Grund,dass2/3allerDemenzkrankenFrauensind–weilsieebendiegrößereLebenserwartung haben,nichtweilDemenzbeiFrauenhäufigerwäre. DemenznimmtalsomitdemLebensalterüber65Jahrestarkzu.DiefolgendenTabellenzeigen alterskorrigierteInzidenzraten(in2012)undPrognosenderPrävalenzbis2050: 18 Geschätzte Zahl der NeuerMittlere Inzidenzrate krankungen in Altersgruppe pro Jahr (%) Deutschland im Jahr 2013 Jahr Geschätzte Anzahl von über 65Jährigen in Millionen Geschätzte Krankenzahl 65-69 0,4 15.500 70-74 0,9 42.000 2010 16,8 1.450.000 75-79 1,9 63.800 2020 18,7 1.820.000 80-84 4,1 80.500 2030 22,3 2.150.000 85-89 6,5 65.600 2040 23,9 2.580.000 90 und älter 10,1 37.400 2050 23,4 3.020.000 1,9 304.800 TypischeSymptome DemenzimFrühstadium: DieAlltagsbewältigungistrelativunbeeinträchtigt,VergesslichkeitstehtimVordergrund.Das eingeschränkteErinnerungsvermögenbeziehtsichzunächstaufdasKurzzeitgedächtnis.Die Symptomesind„Schusseligkeit“,Konzentrations-undAufmerksamkeitsstörungen,unspezifische Beschwerden(z.B.Müdigkeit,Schlafstörungen,depressiveVerstimmung).AntriebundInitaitive sindreduziert. DemenzinmittlerenStadien: DieAlltagsbewältigungistdeutlicheingeschränkt,.EsbestehenunmittelbarauffälligeGedachtnisstörungen(auchLangzeitgedächtnis),Konzentrations-undAufmerksamkeitsstörungen,Orientierungsstörungen(zuZeit,Ort,undzuletztzurPerson),zunehmenkommteszuApraxie(StörungenderWillkürmotorik),Aphasie(Sprache)undAgnosie(Erkennen).AuffälligsindfernerKritikminderungundweitereVerhaltensauffälligkeiten.DiePatientensindhilfebedürftig,kommen nichtmehralleinzurecht. ImweiterenVerlauftretenauchVeränderungenderPersönlichkeitauf. Diagnose NachdenKriteriendesICD-10wirddieDiagnosewiefolgtbegründet: Ø AbnahmevonKurz-undLangzeitgedächtnis Ø AbnahmedesabstraktenDenkvermögens, Ø AbnahmevonUrteilsvermögen, Ø AbnahmevonPlanungs-undOrganisationsvermögens Ø andereStörungenhöhererkortikalerFunktionen,wieAphasieundAgnosie Ø BeeinträchtigungderAffektkontrolle,desAntriebsoderdesSozialverhaltens Ø BeeinträchtigungderAlltagskompetenz Ø keineStörungderBewusstseinslage(außeralsKomplikation) DieSymptomebestehenseitmindestens6Monaten InderRegelbestehenkeineSchwierigkeiten,dieStörungenderkognitivenFunktionen(Gedächtnis,Auffassung,Konzentration,Orientierung,Sprache,Aufmerksamkeit)zuerkennen.Auchim Frühstadiumwärediesdurchausmöglich,allerdingsversuchendieBetroffenen,ihreDefiziteund Schwierigkeitenzukaschieren.DaherwirddieDiagnosehäufigerstinfortgeschrittenenStadien gestellt.Diesbedeutet,dasseinGroßteil(leichterundteilsmittelschwerer)Demenzennichterkanntwird(„Eisberg-Phänomen“). 65 und älter 19 DietestpsychologischeundapparativeDiagnostiklieferteindeutigeErgebnisse.IndenVorlesungsfolienistder„Uhrentest“dargestellt.InderkommendenVorlesung„Psychodiagnostikund Psychotherapie“(Wintersemester)werdenweitereTestsbesprochen.DieTestsbasierenimPrinzipaufAufmerksamkeitundKonzentrationsowieaufPrüfungdesKurzzeitgedächtnisses. BildgebendeVerfahren(Magnet-Resonanz-Tomographie–MRT)sicherndieDiagnose.Wennsich SymptomeeinerDemenzzeigen,sinddiestrukturellenVeränderungenimGehirnbereitssehr deutlich.DerHauptbefundistdieHirnatrophie(Gehirnschwund,rechtesBild). BestimmteEiweißstoffe(Beta-AmyloideundTau-Protein–s.u.)könnenimHirnwasser(Rückenmarkspunktion)nachgewiesenwerden. 20 ErgänzendwerdenLaboruntersuchungen,HirnstrommessungenundDurchblutungsmessungen mitUltraschall(Doppler-Sonographie)gemacht.DieseMethodensichernnichtdieDiagnose, sondernschließenandereUrsachenauswiez.B.Infektionen,Vitaminmangel,Hormonstörungen u.a. FormenundUrsachen EsgibtverschiedeneFormenvonDemenz: DemenzvomAlzheimertyp: Präsenile(vorzeitige)Demenz,diedurchdenAbbauvonNervenverbindungen(Synapsen)undNervenzellenistbestimmtenHirnregionenzustandekommt(s.u.) VaskuläreDemenz Vaskulärheißt„gefäßbedingt“.DurchRisikofaktorenkommteszuArteriosklerosederkleinen SchlagaderndesGehirns,wasletztlichzuregionalenDurchblutungsstörungenundUntergangvon Nervenzellenführt(häufigbeiDiabetesmellitus,Bluthochdruck,hohenBlutfettwerten,Rauchen…) MischformAlzheimer-Vaskulär DemenzvomAlzheimer-Typ,diedurchArteriosklerosebeschleunigtoderkompliziertwird. SelteneDemenzformen: Fronto-temporaleDemenz VererbteStoffwechselstörung,dieaufGrundderLokalisation(Vorderhirn)eherzuPersönlichkeitsveränderungenalszuGedächtnisstörungenführt(auchbekanntalsMorbusPICK). DemenzbeiM.Parkinson ImfortgeschrittenenStadiumderParkinsonschenErkrankung(„Schüttellähmung“)kommtes ebenfallszumIntelligenzabbau. ChoreaHuntington MiteinerInzidenzratevon5/100.000auftretendeErbkrankheit,diesichdurchungewollte BewegungenundimSpätstadiumdurchDemenzauszeichnet(alteBezeichnung:„Veitstanz“) SekundäreDemenzen(ca.10-20%allerDemenzen) DamitwerdenDemenzformenbezeichnet,dieinderFolgevonanderenErkrankungenentstehen, die,z.B.DemenzinderFolgevonAlkoholmissbrauch(sog.Korsakow-Syndrom),Hirntumoren,Infektionen(HIV,Borreliose),schwerenHerzerkrankungen,Lebercirrhoseu.a. UrsachenderAlzheimer-Demenz: DieDemenzvomAlzheimer-Typistinzwischenguterforscht.Manweiß,dasssichimLaufederKrankheit immermehrdasbereitsvonAloisAlzheimerbeschriebeneEiweiß-Abbauprodukt(Beta-Amyloidgenannt) imGehirnablagert.EinweitererEiweißstoff(dassog.Tau-Protein)lagertsichebenfallsab.DieseEiweißstoffebehinderndieInformationsübertragungzwischendenNervenzellen.DiesesZusammenspielder NeuronenfindetüberbestimmteBotenstoffe,dieNeurotransmitter,statt.DiesewerdenanSynapsenin dendazwischenliegendenSpalt(synaptischerSpalt)abgegebenundbindenanbestimmteRezeptoren. PasstderBotenstoffzumRezeptorwiederSchlüsselineinSchloss,sendetdieNervenzelleeinSignalaus– dieKommunikationfindetstatt.EsgibtvieleunterschiedlicheNeurotransmitterimGehirn.BeiderAlzheimer-DemenzspielenvorallemGlutamatundAzetylcholineineRolle.BeiAlzheimer-PatientenwirdimLaufeihrerErkrankungimmerwenigerAzetylcholinproduziert. EinewichtigeRollebeiderEntwicklungeinerDemenzspieltauchderNeurotransmitterGlutamat.Ersteuert70%derNervenzellen.BeimgesundenMenschensorgtGlutamatdafür,dassLern-undGedächtnisvorgängestattfindenkönnen.BeiPatientenmitDemenzistdieGlutamatkonzentrationzwischendenNervenzellenanhaltenderhöht,dieNervenzellenwerdenquasidauererregt.Dadurchkönnen(Lern-)Signalenicht mehrrichtigerkanntundweitergeleitetwerden.SchließlichkanndieNervenzellederständigenÜberreizungnichtmehrstandhalten,verliertihreFunktionsfähigkeitundstirbtletztlichab.JemehrNervenzellen 21 aufdieseWeisezugrundegehen,destoausgeprägterwerdendiewahrnehmbarengeistigenundalltäglichenDefizite. Behandlung BehandlungszielekonzentrierensichaufvierBereiche: 1. Vorbeugung:VerhinderungderKrankheitsentwicklungundÄnderungdesRisikoprofils DieswärePrimärprävention;bisjetztexistierenallerdingskeineStrategien,daerblicheFaktorennicht beeinflussbarundRisikofaktorenderKrankheitsentwicklungnochzuwenigerforschtsind. 2. ModifizierungdesVerlaufs StillstandoderVerzögerungdesVerlaufs(Sekundärprävention).DurchkognitivesTrainingistdiesin geringemUmfangmöglich.AuchhierbedarfesderEntwicklungweitererStrategien.. 3. Symptomatik BesserungkognitiverDefiziteundderAlltagskompetenz.MöglichstlangerErhaltdernochvorhandenenFunktionen. 4. SystemischeDimension:sozialeAuswirkungenberücksichtigen MöglichstlangerVerbleibinvertrauterUmgebung,Angehörigenbelastungberücksichtigen,Pflegebedürftigkeitprüfen,Institutionenggf.beteiligen,Palliativversorgungorganisieren(„SterbeninWürde“) Behandlungsoptionensind: Medikamente EinevorbeugendeMedikationgibtesbishernicht.DiemedikamentöseBehandlungkonzentriertsich aufzweiBereiche:spezifischeMedikationundbegleitendeMedikation. SpezifischeMedikamente(Antidementiva): Weilu.a.derÜberträgerstoffAzetylcholinfehlt,werdenMedikamenteeingesetzt,diedenAbbau vonAzetylcholinhemmen(sog.Azetylcholinesterasehemmer,dieWirkstoffeheißenDonezepil,RivastigminoderGalantamin).NachgewiesenisteineVerlangsamungdesKrankheitsverlaufsbeiDemenzvomAlzheimer-TypundbeiParkinson-Demenz.Umstrittenist,obdieLebensqualitättatsächlichverbessertwirdundobPflegebedürftigkeitgeringerwird.ZudemhabendieseMittelhäufig Nebenwirkungen(Herzrhythmusstörungen,Durchfall,Erbrechen,Muskelkrämpfe). EinweitererWirkstoffistMemantine(einsog.NMDA-Rezeptorantagonist),vergleichsweiseteuer, jedochmitnachgewiesenerWirkungbeimittelschwererAlzheimer-Demenz.DieNebenwirksungsrateistgeringer. DanebenwerdenpflanzlichePräparatewieGingkooderanderes(Knoblauch,VitaminEu.a.)angeboten,derenWirkungnichtnachgewiesenistunddievondenKrankenkassennichtbezahltwerden. Begleitmedikation(symptomatischeMedikation) DieseBehandlungzieltdaraufab,begleitendeErkrankungenzuBehandelnbzw.derenSymptome zureduzieren.Beispiel:häufigbestehenanfangsauchDepressionen,diedannmedikamentösbehandeltwerdenmüssen.AuchbeiextremerUnruhemüssenmanchmalBeruhigungsmittelgegeben werden. DieProblemederBehandlungmitAntidementivasindvielfältig:dieWirkungwirdoftangezweifelt,teilweisehandeltessichumsehrteureMedikamente,dieWirkungwirdsubjektivnichterlebt,Nebenwirkungensindhäufig,diesinnvolleDauerderTherapieistungeklärt,derEffektauf dieLebensqualitätistumstritten. PsychologischeTherapienundBeratung PsychotherapieistimAnfangsstadiumdannsinnvoll,wennKrankheitsbewältigungundKrankheitsverarbeitungunterstütztwerdensollen.AuchdiepsychotherapeutischeBetreuungvonAngehörigenist häufigererforderlich. 22 WeiterepsychologischeTherapiensindz.B.kognitivesTraining,Kreativtherapie,Bewegungstherapie (psychologischbegleitet)–aberauchAngehörigengruppen. MedizinischeBeratung,AufklärungundBeratungderFamilieundAngehörigen SoziotherapieundErgotherapie Einbindunginambulanteund(teil-)stationäreVersorgungsstrukturen,z.B.Gedächtnissprechstunde), Sozialberatung(rechtlicheFragen,finanzielleAspekte,Pflegestufenu.a.VermittlunginSelbsthilfegruppenundspezifischeBeratungsangebote.MilieutherapeutischeMaßnahmen(Gestaltungder Wohn-undFreizeitsituation).Beschäftigungs-undArbeitstherapie.PrüfungvonMaßnahmenzurTeilhabe. Pflege durchambulantePflegedienstoderinteilstationärenundstationärenEinrichtungen.DieAngehörigen solltensoweitmöglicheingebundensein.Esistwichtig,denKreisderPersonenaufeinüberschaubaresMaßzubegrenzen(soweitmöglich). DieEinstufungderPflegestufenrichtetsichnachdengesetzlichenVorgaben,wobeieinerhöhterPflegeaufwandbeifortgeschrittenerDemenzinzwischenanerkanntwird. BehandlungsproblemetretensehrhäufigdurcheinegleichzeitigbestehendeDepressionauf(betrifftetwadieHälftederDemenz-Patienten).DieSymptomewerdenoftverwechseltoderübersehen,daz.B.AntriebsarmutbeibeidenKrankheitsbildernvorkommt.ÄltereMenschendie (erstmals)eineDepressionbekommen,solltenstetsaufeinemöglicheDemenzhinuntersucht werden. EinweiteresProblemstellenVerhaltensauffälligkeitendar,diebeiDemenzwegenparanoider IdeenbishinzumWahnvorkommenkönnen.OftwerdenAngehörigeundPflegepersonendes DiebstahlsundderUntreueverdächtigt.AusErinnerungslückenentstehtUnsicherheitundein allgemeinesMisstrauen.GelegentlichkommtesdeshalbzuAggressivitätundGewalt. GrundprinzipienimKrankheitsmanagement: • OhneguteDiagnostikkeineTherapie:DifferentialdiagnostikistVoraussetzung(Ausschluss sekundärerDemenzendurchz.B.BluthochdruckoderDiabetes) • MedikamentöseTherapiegegenkognitiveStörungenundnicht-kognitiveStörungen(Depression,Wahn,Agitation),evtl.alsKombinationstherapie,Stadien-undStörungsspezifischeAnpassungderMedikation,„Einstellung“internistischerKomorbidität(Diabetes, Bluthochdrucku.a.).KomorbiditätmeintBegleiterkrankkungen. • Nicht-medikamentöseInterventionen(z.B.kognitivesTraining,Kreativtherapie)beiBegleitstörungen(Depression,Wahn,Verhaltensstörungen),BeratungvonPatientenund Angehörigen(Copingstrategien,PsychoedukativeGruppenfürAngehörige) • AnpassungderLebenssituation,Institutionsberatung(Alten-undPflegeheime),finanzielle undrechtlicheBeratungderAngehörigen,Care-Management. b. SchizophrenePsychosen Fallbeispiel: FrauK.wohntalleineineinerWohnungdiesiemitihremEhemannvor18Jahrengekaufthaben.IhrEhemannistseit8Jahrentot.AusderEhehatsie2Kinderdiesieregelmäßigbesuchen.FrauK.istineinem gepflegtenZustand,dasiesehraufihrÄußeresachtet. InderVergangenheitarbeitetesiealsSachbearbeiterinimStraßenverkehrsamtundhatgutfürihrAlter vorgesorgt,sodasssiesichnunkeineSorgenüberfinanzielleAngelegenheitenmachenmuss.Insgesamtist FrauK.einlebenslustigerMenschundliebtdieGesellschaft. 23 InletzteZeitwurdeFrauK.immervergesslicher,verlegteDingeundbeklagesichüberGedächtnisstörungen.VorkurzemfingsieanGestaltenzusehenundvermuteEinbrecherinihremHaus.Spätermeintesie eswürdenachtsjemandinIhremBettliegen. NachdemdieTochterbeieinemBesuchdasmerkwürdigeVerhaltenfeststellte,begabsiesichmitihrer MutterineinePsychiatrischeKlinik. Epidemiologie DieLebenszeit-Prävalenzliegtum0,6–1%,diePunktprävalenzbei200-600pro100.000,dieInzidenzratenum0,05%.InEuropasinddieZahlenfürSchwedenundIrlandetwasniedriger. MännerundFrauensindgleichermaßenbetroffen,wobeiderErkrankungsbeginnbeiMännern ca.5Jahrefrüherliegt.DasHaupterkrankungsalterliegtzwischenPubertätunddem30.Lebensjahr.DiescheinbareHäufigkeitszunahmeinunterensozialenSchichtenisteherFolgederErkrankung(->sozialerAbstieg,sog.„Drift-Theorie“).DieSterblichkeit(Mortalität)istdoppeltsohoch alsinderAllgemeinbevölkerung,dieLebenserwartungum10Jahregeringer. EsgibtkeinewesentlichenkulturellenUnterschiedeinderPrävalenz. ErkrankungsbeginnnachLebensalter(Häfner,2000). KrankheitsbildundEinteilung KennzeichnendsindtiefgreifendeStörungenvonWahrnehmungundDenkensowieVeränderungendesAffekts(abgeflachtoderinadäquat).DieBewusstseinsklarheitundintellektuellenFähigkeitensindinderRegelnichtbeeinträchtigt,obwohlsichimLaufederZeitgewissekognitiveDefiziteentwickelnkönnen.DiewichtigstenpsychopathologischenPhänomenesindGedankenlautwerden,GedankeneingebungoderGedankenentzug,Gedankenausbreitung,Wahnwahrnehmung,Kontrollwahn,BeeinflussungswahnoderdasGefühldesGemachten,Stimmen,dieinder 24 drittenPersondenPatientenkommentierenoderüberihnsprechen,DenkstörungenundNegativsymptome. DasklassischeKonzept(K.Schneider)unterscheidetSymptomeerstenRanges(Gedankenlautwerden,Gedankeneingebung,Kontrollwahn,GefühldesGemachten,kommentierendeoderdialogischeStimmenundanhaltendeWahnideen)undSymptomezweitenRanges(anhaltendeHalluzinationen,formaleDenkstörungenz.B.Gedankenabreißen,katatoneSymptomewieMutismus,negativeSymptomewieApathie). DieSymptomewerdenhäufigauchunterschiedeninPositivsymptomatikundNegativsymptomatik,wasprognostischbedeutsamist(schlechterePrognosebeiNegativsymptomatik). Positivsymptomatik: Halluzinationen,Wahn,bizarresVerhalten,positive(=zuviel)formaleDenkstörungen,psychomotorische Symptome Negativsymptomatik: Affektverflachung;Alogie(Pat.sprichtnicht),Apathie,Anhedonie(GefühlderGefühllosigkeit),sozialer Rückzug,Aufmerksamkeitsstörungen HäufiggehtdersichtbarenErkrankungeinVorstadiumvoraus,welchesjedochsounspezifische Symptomezeigt,dassmandarausaufkeinenFallaufeinebeginnendeschizophreneErkrankung schließenkann.OftsinddieseVorboten-Symptomenurrückblickenderkennbar.DasVorstadium kannsichüberJahreerstrecken. VorbotenderErkrankungkönnensein: Affekt:Depressivität,Affektlabilität, Energieverlust,AbnahmevonInitiativen VegetativeFunktionen:Schlafstörungen,Appetit,Sexualfunktiongestört Kognition:AbnahmederLeistungsfähigkeit,biographischer„Knick“ SozialesVerhalten:Rückzug,ReduktionderKommunikation,besondereInteressen NachdemICD-10werdendieschizophrenenPsychoseninfolgendeUntergruppeneingeteilt: Schizophrenie ParanoideSchizophrenie DieparanoideSchizophrenieistdurchbeständige,häufigparanoideWahnvorstellungengekennzeichnet,meistbegleitetvonakustischenHalluzinationenundanderenWahrnehmungsstörungen. StörungenderStimmung,desAntriebsundderSprache.„Klassische“FormderSchizophrenie. HebephreneSchizophrenie EineFormderSchizophrenie,beiderdieaffektivenVeränderungenimVordergrundstehen, WahnvorstellungenundHalluzinationenflüchtigundbruchstückhaftauftreten,dasVerhaltenverantwortungslosundunvorhersehbaristundManierismen(Haltungsstereotypien)häufigsind.Die Stimmungistflachundunangemessen.DasDenkenistdesorganisiert,dieSprachezerfahren.Der Krankeneigtdazu,sichsozialzuisolieren.WegenderschnellenEntwicklungderMinussymptomatik,besondersvonAffektverflachungundAntriebsverlust,istdiePrognosezumeistschlecht.Eine HebephreniesollinallerRegelnurbeiJugendlichenoderjungenErwachsenendiagnostiziertwerden. KatatoneSchizophrenie DiekatatoneSchizophrenieistgekennzeichnetvondenimVordergrundstehendenpsychomotorischenStörungen,diezwischenExtremenwieErregungundStuporsowieBefehlsautomatismus undNegativismusabwechselnkönnen.Zwangshaltungenund-stellungenkönnenlangeZeitbeibehaltenwerden.EpisodenhafteschwereErregungszuständekönneneinCharakteristikumdieses Krankheitsbildessein. SchizotypeStörung 25 EineStörungmitexzentrischemVerhaltenundAnomaliendesDenkensundderStimmung,dieschizophrenwirken,obwohlnieeindeutigeundcharakteristischeschizophreneSymptomeaufgetretensind. AnhaltendewahnhafteStörungen EinlangandauernderWahnodereinWahnsystemistdaswesentlicheSymptom,anderetypische SymptomederSchizophreniefehlen. AkutevorübergehendepsychotischeStörungen RascheEntwicklungvielfältigerSymptomewiebeieinerSchizophrenie,diejedochraschundvollständigwiederverschwinden. SchizoaffektiveStörungen EpisodischeStörungen,beidenensowohlaffektivealsauchschizophreneSymptomeauftreten,aber diewederdieKriterienfürSchizophrenienochfüreinedepressiveodermanischeEpisodeerfüllen Diagnose DieSymptomevonschizophenenErkrankungenwurdenausführlichdargestellt.ImICD-10ist festgelegt,dasssolcheSymptomemindestens4Wochenvorliegenmüssen,umdieDiagnosezu rechtfertigen(imDSM-IVsogar6Monate!).HierbeiwerdendieSymptomeinzweiGruppeneingeteilt(s.SymptmeerstenundzweitenRanges),imDetail: 1. Gedankenlautwerden,-eingebung,-entzug,-ausbreitung 2. Kontroll-,Beeinflussungswahn,GefühldesGemachten,Wahnwahrnehmung 3. KommentierendeoderdialogischeStimmen 4. Anhaltender,kulturellunangemessener,bizarrerWahn 5. AnhaltendeHalluzinationenjederSinnesmodalität 6. GedankenabreißenoderGedankeninterferenzmit„Zerfahrenheit“,Danebenredenoder Wortneuschöpfungen 7. KatatoneSymptome(Erregung,Haltungs-oderBewegungsstereotypien,Starre) 8. „negativeSymptome“wieApathie,Sprachverarmung,verflachteoderinadäquateAffekte DieDiagnosewirdgestellt,wennmindestens1SymptomderGruppe1-4oder2Symptomeder Gruppe5-8währenddermeistenZeiteinesMonatsoderwährendeinigerZeitandenmeisten Tagenbestehen. DieDiagnoseeinerSchizophreniedarfnurgestelltwerden,wennfolgendeErkrankungenausgeschlossenwurden: KörperlicheErkrankungen(3%) Stoffwechselstörungen, Infektionen, Hormonstörungen(z.B.Schilddrüsenüberfunktion) NebenwirkungeneinesMedikaments ErkrankungendesZentralnervensystems(8%) Hirnentzündungen(Enzephalitis) Epilepsie(Krampfleiden) Hirntumor HIV/AIDS Drogen(Halluzinogene) Ursachen GenetischeFaktoren:EinefamiliäreHäufungistbekannt,60-80%desRisikosgiltalsgenetisch bedingt.DaseigeneRisikobeträgt 26 wennGeschwisterodereinElternteilkranksind: 16% einGeschwisterkrank,jedocheinElternteilgesundist: 9% Kindererkranktsind: 13% BeiErkrankungenvonAngehörigen2.Grades: 2-4% BeiErkrankungenvonAngehörigen3.Grades: 2% eineiige/zweieiigeZwillinge 46%/16% FernerwerdeneineReihebegünstigenderFaktorengenannt: - Vorgeburtlich:IndenWintermonatensindüberproportionalvieleschizophrenErkrankte geboren.AlsUrsachenwerdendiskutiert:Temperaturminderungen,Ernährungsdefizite undInfektionenimletztenSchwangerschaftsdrittel - unterderGeburt(Sauerstoffmangel) - Cannabiskonsum,Migration;nichtbewiesensind:Stadt(ReizüberflutungalsFolgeder „Urbanisierung“)undIndustrialisierung - SozialeFaktoren:AlleinstehendePersonenweiseneinehöhereSchizophrenie-Prävalenz aufalsVerheiratete.Allerdingskönntediesauchdadurchbedingtsein,dassMenschen mitschizophrenenStörungen(auchschonimVorstadium)nichtsohäufigheiraten. - HoheStressbelastungbeierhöhterVulnerabilität(s.Stress-Vulnerabilitätskonzept) HinweisefüreineHirnreifungsstörungergebensichausfolgendenBefunden: - geringgradigeneurologischeAuffälligkeiteninderKindheit - oftherabgesetzteLese-undSprechfertigkeitenalsKind - frühzeitigProblemedersozialenInteraktion - geringeHemisphärenspezialisierungdesGehirns Verlauf VerschiedeneVerlaufsformensindbekannt: Verlaufsform Häufigkeit MöglicheVerlaufsformensind(vgl.Grafik-vonobennachunten): - einzelnerSchubmitvollständigerRemission, - schubweiserVerlaufmitjeweilsvollständigerRemissionzwischendenSchüben - schubweiserVerlaufmitstabilenRestsymtptomen(„Defekt“)zwischendenSchüben 27 - schubweiserVerlaufmitZunahmedesDefektszwischendenSchüben WelcheVerlaufsformvorliegt,kannbeimerstenKrankheitsschubnichtvorhergesagtwerden. RestsymptomezwischendenSchübenkönnensein:kognitiveStörungen,körperlicheundgeistige Erschöpfbarkeit,StörungdesAllgemeinbefindens,Leistungsschwäche,EinbußenanSpannkraft, Energie,Ausdauer,Geduld,Kontaktstörungen,ErhöhteErregbarkeit,Irritierbarkeit,Intoleranz gegenStress,EmpfindlichkeitgegenWitterungundGeräusche,Schlafstörungen,Verstimmung. EsgibtErfahrungswerte,obdieAussichten(Prognose)ehergutoderschlechtsind. SchlechtePrognose ehergutePrognose soziodemographischeundfamilienbezogeneDaten ledig,geschieden,getrennt verheiratet hoheEE-Werte* niedrigeEE-Werte* prämorbidePersönlichkeitundAnpassung schizoidePersönlichkeit extrovertiertePersönlichkeit sozialeIsolation guteAnpassungimArbeits-und Freizeitbereich vorausgegangeneKrankheitsperioden häufigerundvonlängererDauer seltenerundvonkürzererDauer ArtdesKrankheitsbeginns Schleichend akut langeLatenzbisBehandlungsbeginn sofortigeneuroleptischeMedikation AnfänglichesKrankheitsbild Negativsymptomatik affektiveAuffälligkeiten andereVariablen abnormesMRT,HirnschwundimCCT Drogenkonsum(Cannabis) *EE-Konzept(EE=expressedemotion):EE-WertesinderhöhtbeifolgendenSituationen:kritischeund feindseligeÄußerungeninderFamilieüberdenPatienten,überprotektiveÄußerungenundVerhaltensweisen,besondersenge,distanzgeminderteBeziehungen;diesführtzuerhöhteremotionalerSpannungund Überforderung,insbesonderewennkeineRückzugsmöglichkeitenbestehen;ferneristdasRezidivrisikoerhöht. Behandlung Medikamente MedikamentedererstenWahlsinddieNeuroleptika(Synonym:Antipsychotika–vgl.auchS. 7-8).DieMittelwerdennachchemischenKlassenundihrerWirksamkeit(ingering,mittelstarkundstarkwirkendeNeuroleptika)unterschieden.DieseEinteilungbeziehtsichaufdie antipsychotischeWirkung,nichtsosehraufdiedämpfendeWirkung.Geringantipsychotisch wirkendeNeuroleptikawirkeneherdämpfend,habenwenigerBewegungsstörungenalsNebenwirkung.SstarkantipsychotischwirkendeNeuroleptikawirkenwenigersedierend,dieRatevonBewegungsstörungenistjedochdeutlichhöher.DieWirkungentfaltenalleNeuroleptikadurchBeeinflussungderSignalübertragunganbestimmtenRezeptoren(Dopamin-,Azetylcholin-,Serotonin-,alpha1-undHistaminrezeptoren).NebenwirkungenderNeuroleptika sind - Bewegungsstörungen(sog.Dyskinesien,d.h.unwillkürlichekomplexeBewegungendurchdas sog.extrapyramidalemotorischeSystem;manunterscheidetFrühdykinesien,diebaldnach Einnahmeauftreten,undSpätdyskinesien,dieu.U.erstnachJahrenauftreten); 28 - Parkinsonoid:diessindBewegungsstörungen,wiesiebeiParkinson-Erkrankungvorkommen (Zittern,kleinschrittigerGang,erhöhteMuskelspannung) WeitereNebenwirkungenkönnensein:Gewichtszunahme,Hormonstörungen(z.B.kanndas milch-förderndeProlaktinerhöhtsein),sexuelleFunktionsstörungen,Müdigkeit,Dysphorie (missmutige-gereizteStimmung),seltenauchHerzrhythmusstörungen DieAuswahldesgeeignetenMedikamentsistSachedesFacharztes.DieDauerderBehandlungwirdbeieinererstenEpisode(1.SchizophrenerSchub)über2Jahre,beimehrerenEpisodenübermindestens5Jahreempfohlen.WenneinMitteldefinitivnichtwirkt,mussauf einanderesumgestelltwerden–frühestensnach6Wochen. BeigeringerCompliance(Patientenzuverlässigkeitund–mitarbeit)gibtesMittel,diealssog. Depot-Spritzeverabreichtwerdenkönnen. ApparativeBehandlung EKT(Elektrokrampftherapie)–vgl.S.8 WirdbeiSchizophrenieangewandt,wennandereBehandlungennichtwirkenundeineBehandlungdringlichist.BesondersbeiderkatatonenSchizophrenie(maximaleinnereErregungbeiäußererStarreundAnspannung–evtl.einlebensbedrohlicherZustand)istdieIndikationgegeben.WirdheutenurinKurznarkosemitMuskelrelaxationdurchgeführt. TKMS(transkranielleMagnetstimulation)–vgl.S.8 DurchMagnetimpulsesollengestörteHirnfunktionenverändertwerden;alsIndikationgelten andauerndeHalluzinationen. PsychologischeBehandlung Verhaltenstherapie(SchwerpunktpsychotherapeutischerVerfahren) Psychoedukation,TrainingsozialerFertigkeiten,sozialesKompetenztraining(s.u.),TrainingkognitiverFunktionen,kognitiveVerhaltenstherapie,Angehörigenarbeit PsychodynamischeVerfahren Krankheitsbewältigung,KonfliktlösungimAlltag,Unterstützung,Bearbeitungproblematischerund konflikthafterSituationen Gesprächstherapie Ergotherapie andereFachtherapienz.B.Ergotherapie Kreativtherapie,Beschäftigungs-undArbeitstherapie,Milieutherapie BeispielsozialeKompetenz:Kontaktearrangieren,aufrechterhalten,beenden;Gesprächebeginnen, führen,beenden-Unterbrechungenunterbinden;Sichentschuldigen,Schwächeneingestehen;Gefühleoffenzeigen;PersönlicheWünscheundBedürfnisseäußern-Nein-Sagen,wennmanneinmeint;Auf Kritikreagieren,Konfliktelösen;Komplimentemachenundakzeptieren. Soziotherapie StrukturierungderUmgebung,InitiierungvonAngehörigengruppen,OrganisationderWohnsituation(betreutesWohnen,Übergangswohnheim,Langzeitwohnheim),Rechtsberatungin sozialrechtlichenFragen(Erwerbsminderung,Schwerbehinderungu.a.),EinleitungvonRehabilitationsmaßnahmen-LeistungenzurTeilhabe(z.B.amArbeitsleben:Berufstrainingsmaßnahme,Umschulung,VermittlunginspezielleFirmen,geschützteWerkstatt). AusführlicherimKapitel„PsychiatrieundsozialeArbeit“und„Rehabilitation“. Behandlungsprobleme DieCompliance(Patientenzuverlässigkeitund–mitarbeit)isthäufigeingeschränktwegen mangelnderKrankheitseinsicht.DiestationäreWiederaufnahmeistoftFolgedeseigenmächtigenWeglassensderMedikation. 29 EinhäufigesBehandlungsproblemsindbegleitendeSuchterkrankungen.MissbrauchvonAlkohol(bei57%männlicherPatienten),Psychostimulantien,Benzodiazepinen,KaffeeundNikotinsowieHalluzinogenen(ca.1/3konsumierenillegaleRauschmittel). Hauptursachederum1oJahrekürzerenLebenserwartungsindSuizide(ca.10%derErkrankten).BesondersbetroffensindmännlichePatientenjüngerenAlters.EinebesondereGefährdungbestehtkurznachderEntlassungausderstationärenBehandlung,wenndiePatienten imRahmeneinerpostschizophrenenDepressionihreeigenenDefizitebesondersdeutlich wahrnehmenundHoffnungslosigkeitverspüren. ZwangsunterbringungensindebenfallseinhäufigeresBehandlungsproblemundverschlechterndiePrognose.IndiesemZusammenhangseiaufdieGrundsätzeimUmgangmiterregten Patientenverwiesen(vgl.Folie54). SozialeFolgen DiesozialenFolgeneinerErkrankungausdemschizophrenenFormenkreissinderheblich.Die StigmatisierungpsychischKrankenführtzusozialerIsolation,Arbeitsplatzverlustundsozialem Abstieg. InderfolgendenTabellewerdenPatientenmitSchizophreniemiteinerBevölkerungsgruppeohneSchizophrenieverglichenhinsichtlichsozialerParameter. AusdiesenZahlenlassensichZieleundHandlungsfeldersoziotherapeutischerMaßnahmenableiten. DasFührenvonKraftfahrzeugenistinderRegelbeidiesenKrankheitsbildernnichterlaubt,teilweiseauchwegenderMedikationswirkungen(„DieFahrerlaubnisistzuverweigernbeiPersonen,derenRealitätsurteilerheblichbeeinträchtigtoderderenallgemeineLeistungsfähigkeitunterdaserforderlicheMaßherabgesetztist“). 30 c. Depression,AngstundZwangserkrankungen Fallbeispiel: Ein53-jährigerPatientkommtindiehausärztlicheSprechstundeundberichtetüberwiederholtauftretendeSchlafstörungen.DerPatientistVerwaltungsangestellterinderZentralstelleeinesSpeditionsunternehmens.EristverheiratetundhatzweiKinder,dieallerdingsschonnichtmehrimgemeinsamenHaushaltleben.SeineEhefrauistnichtberufstätig. ImVerlaufeinesvorangegangenenGesprächeswirddeutlich,dassersichkaumnochüberEreignisseim alltäglichenLebenfreuenkönne,unddassseinInteresseanDingen,dieihmfrüherFreudegemachthaben, nachgelassenhabe.SeineEhefrauhabeihnauchschondaraufaufmerksamgemacht,dasserhäufig schlechterStimmungsei.ImdarauffolgendenGesprächwerdendeutlicheBeeinträchtigungenderKonzentrationundeinerkennbaresNachlassendesAppetitsberichtet.DerPatientgibtüberdieseEinzelheiten inleiserundweinerlichklingenderStimmeAuskunft.AufdieFrage,seitwannerdieseBeschwerdenindieserFormbemerke,gibtderPatientdenZeitraumvonetwa3bis4Wochenan. Epidemiologie Depression Angststörungen Zwangskrankheit Punktprävalenz 7% 7-9% ? Lebenszeitprävalenz 15-25% 15% 1-3% Inzidenz(jährlich) 2% ? ? DieAngabenschwankeninderLiteraturstark.Beiüber65-JährigenistdiePrävalenzfürDepressionenmit25%deutlichhöher.InSeniorenheimenschätztmandieHäufigkeitaufbiszu40%. Frauenerkrankendoppeltsohäufig,ebensobeiAngststörungen.DiemeistenDepressionenbeginnenzwischendem30.Und40.Lebensjahr,einzweiterHäufigkeitsgipfelliegtjenseitsdes60. Lebensjahres(Altersdepression). BeiAngststörungenistdieHäufigkeitunterschiedlichentsprechendderArtderStörung(Panikstörungca.3,6%,einfachePhobieca.9%,sozialePhobiebis16%-Lebenszeitprävalenzen).StatistikenfürdieUSAweiseneineLebenszeitprävalenzbiszu25%aus.EinendifferenziertenÜberblick erhältmanunter:http://www.panikattacken.at/angst-daten/angst-daten.htm. Zwangsstörungensindseltener,derErkrankungsbeginnliegtfrüher,bei2/3lassensichretrospektivbereitsinderPubertätleichteZwangssymptomenachweisen.EpidemiologischeAngaben beiZwangsstörungensindunsicher.EineZwanghaftePersönlichkeit(„Zwangscharakter“)disponiertnichtzurZwangsstörung! DEPRESSION KrankheitsbildundEinteilung DieDepressionalsKrankheitsbildzeichnetsichdurchdieUnfähigkeitaus,GefühlewieTraueroderFreudeüberhauptempfindenzukönnenundaufZuwendung,Anregung,Aufmunterungoder Kontaktvonaußenpositivreagierenzukönnen,fernerauchdurchdasGefühlderinnerenErstarrtheitunddurchdieErschwernisbzw.dieUnfähigkeit,denüblichenLebensvollzügennachkommenzukönnen.TraurigkeitisthäufigeinTeileinesdepressivenZustandsbildes,typischerist jedochdiequälendeinnereHerabgestimmtheit,einhergehendmitFreudlosigkeit,NiedergeschlagenheitundBedrücktheit.HinsichtlichseinesDenkensunterscheidetsichderdepressiv KrankevomgesundenMenschenimWesentlichendurcheineEinengungaufnegativeErlebensaspekte,nämlichaufGedankenvonLeistungsunfähigkeit,Wertlosigkeit,Versagen,Sinnlosigkeit, 31 VerlustderkörperlichenGesundheitundIntegrität.DieseDenkinhaltekönnensichimEinzelfall zurwahnhaft-depressiven,unkorrigierbarenÜberzeugungsteigern,nämlichderschuldigste, schlechteste,unfähigste,sündhaftesteoderkränkesteMenschüberhauptzusein:“Ichkann nichts,ichbinnichts,keinermagmich,daswarschonimmerso,daswirdsichniemehrändern, eshatgarkeinenSinn,dassichmichbemühe,wennesmichnichtmehrgibt,fälltesgarnicht auf,dasBesteist,ichbringemichum”. HinzukommenMerk-undKonzentrationsstörungen,diekeinenHinweisaufhirnorganische ErkrankungdarstellenundhäufigmiteinemlangsamenundmühsamenDenken,einem HängenbleibenanGedanken,dieimmerumdiegleicheThematikkreisenundmitder UnfähigkeitzurEntscheidungverbundensind.GedankenvonHoffnungs-undHilflosigkeit,führen überdenWunschnachRuhe,nachPauseimLeben,überTodeswünschehinzukonkretenSuizidideenund-absichten. HinsichtlichderkörperlichenVitalitätbeschreibensichDepressivealsenergie-undkraftlos, raschermüd-underschöpfbar,wobeioftmalsüberStörungenderLeibgefühle,alsoder EmpfindungenfürdeneigenenKörper,geklagtwird,z.B.Kopfdruck,DruckhinterdenAugen, DruckimBrustkorbwievoneinemschwerenStein,EngegefühlewievoneinemReifenoderdiffuseSchweregefühle.FastimmersindSchlafstörungenvorhanden,neben EinschlafstörungenauchderzerhackteoderderverkürzteSchlafmitdemmorgendlichen FrüherwachenohnedasGefühldesErholtseins.WeitereKennzeichensindAppetitlosigkeitund Gewichtsverlust,LibidostörungenundsexuelleStörungen. Lust-undAntriebslosigkeitsindmeistmiteinersichtbarenStörungderPsychomotorik verbunden,derPatientwirktverlangsamt,zeigtwenigMimikundGestikbishinzurvölligenErstarrtheit.BeideragitiertenDepressionkommteszumGegenteil:eineäußere UmtriebigkeitundziellosesUmherlaufenistmeistverbundenmitinnererUnruheundAngst. StimmungundAntriebsindhäufigindenMorgenstundenschlechteralsimweiterenTagesverlauf. Diagnose VoneinerDepressionsprichtman,wenn2derfolgendenHauptsymptomeundmindestens1weiteresSymptomüber2Wochenkonstantvorhandensind. Hauptsymtpome: 1. GedrückteStimmung 2. Interessenverlust/Freudlosigkeit 3. VerminderungdesAntriebs WeitereSymptome 4. Konzentration/Aufmerksamkeitsverlust 5. VerlustvonSelbstwertgefühl/-vertrauen 6. GefühlvonSchuld/Wertlosigkeit 7. Negative/PessimistischePerspektive 8. Suizidgedanken/-handlungen 9. Schlafstörung 10. VerminderterAppetit Häufige,jedochunspezifischeSymptome 11. Libidominderung(sexuellesDesinteresse) 12. Insuffizienzerleben/Angst 32 13. psychomotorischeStörungen 14. körperlicheSymptome FormenundUrsachen DepressiveEpisodenwerdennachICD-10inleichte,mittelschwereundschwereEpisodenaufgeteilt(imDSM-IVteiltmanin„minordepression“und„majordepression“auf). WenneinerdepressivenEpisodebereitseinmalimLebeneinesolcheEpisodevorausgegangen ist,sprichtmanvonrezidiverender(wiederkehrender)depressiverStörung. DieepisodenhafteDepressionistdiehäufigsteForm.DanebengibtesdieüberJahrehinwegzunehmendedepressiv-mürrischeVerstimmtheit,diemanalsDysthymiebezeichnet.Fürdiese Form(früherauchalsneurotischeDepressionbezeichnet)machtmankonflikthafteLebenssituationenverantwortlich,dieFolgeinnererWidersprüchlichkeitensind. DepressionenimRahmeneinerbipolarenStörungsindursächlichvondenübrigendepressiven Störungenzutrennen.BeidenbipolarenStörungenwechselnsichmanischeunddepressivePhasenab.DieseStörungensindvorwiegenderblichbedingt.DieBehandlungderbipolarenStörung unterscheidetsichvonderBehandlungder„reinen“Depressionen(vgl.auchAbschnittd.). FürdieepisodenhafteDepressionwirdeinmultifaktoriellesUrsachenmodellbetrachtet: EineerhöhteAnfälligkeitfürDepressionenentstehtdurchdievererbte Neigung,frühePrägunginderFamilie(Erziehungsstil)undVerlusterfahrungeninfrühenLebensjahren. DieAuslösereinerDepressionsind dannaktuelleBelastungen(Krankheit,Überforderung,Stress)oder chronischeBelastungen(berufliche oderfamiliäre/privateSituation). AuchbelastendeLebensereignisse („lifeevents“)sindalsAuslöserhäufig. DasModellbasiertaufdemVulnerabilitäts-Stress-ModellderStressforschung. RisikofaktorenimSinnediesesModellssindfolgendeSituationen: •FrüheredepressiveEpisoden •Substanzmissbrauch •BelastendeLebensereignisse,Traumata •KörperlicheErkrankungen •Single •FehlendesozialeUnterstützung •AngstinderVorgeschichte,besondersVerlustängste •hormonell:WochenbettunddieZeitdanach,Klimakterium •HöheresAlter 33 •NiedrigesozialeSchicht •WeiblichesGeschlecht •VerlusteinesElternteilsvordem10.LebensjahrundandereBelastungeninderKindheit InderDepressionsinddieÜberträgerstoffeSerotoninundNoradrenalininbestimmtenRegionen desGehirnsvermindert.DiesistjedocheherFolgeundnichtUrsacheeinerDepression.AusdieserErkenntnisergibtsichdennochderBehandlungsansatzmitneuerenAntidepressiva(densog. Serotonin-bzw.Noradrenalinwiederaufnahme-Hemmern). BehandlungundVerlauf DiemeistendepressivenEpisodenklingenauchohneBehandlungab.AllerdingsdauertdiesunwägbarlangeunddieGefahrderSuizidalitätsteigt–abgesehenvomLeidenderBetroffenen.Die RückbildungeinerDepressiondauertinderHälftederFällebiszu6Monate,in25-30%derFälle biszueinemJahrundimRestderFällelängeralseinJahr.Beietwa10%derBetroffenenbesteht dieDepressionübermehrereJahrefort. DepressionsbehandlunghatdasZiel,depressivePhasenabzukürzenunderneutePhasenzuverhindern.FerneristSuizidprophylaxeeinwesentlichesZiel. DasBehandlungskonzeptumfasst:eigeneAktivitäten,Psychotherapie,Medikamente Ø beileichterEpisodemeistkeineMedikamenteerforderlich, Psychotherapiemeistsinnvoll -Hausarzt,Psychotherapeut,Reha Ø beimittlererundschwererD.medikamentöseBehandlungerforderlichggf.zusätzlich Psychotherapie -Facharzt,Psychotherapeut,Reha Ø beischwersterD.oderakuterSuizidgefährdungstationäreBehandlungerforderlich -psychiatrischeBehandlung NachBesserung:EntscheidungüberdieweitereBehandlung(Medikamente,Psychotherapie)und UmsetzungvorbeugenderStrategien. EigeneAktivitäten körperlicheAktivitäten Sport,Ausdauertraining sozialeKontakteundUnterstützung Freunde,Verein,Gespräche,Aufgaben, Partner,Angehörige gedanklicheStrategien DurchbrechennegativerGedankenzirkel positiveBewertungkleinerSchritte korrigierennegativerVerallgemeinerungen kein„Alles-oder-Nichts-Denken!“ strukturieren z.B.durchWochenpläne Eintragungvon(kleinen)Erfolgen undVergnügen 34 Psychotherapie Formen,ZieleundStrategien: Einzel-oderGruppentherapie VorteilederGruppentherapie:sozialeUnterstützung,Erfahrung,dassmannichtalleinsteht ErkennenvonKonflikten,Enttäuschungen,Kränkungen,Verlusten ErarbeitenvonProblemlösungen VerbesserungenderSelbstwahrnehmung,Selbsterkenntnis ErkennennegativerDenkmuster,EntwicklungalternativerDenk-undHandlungsmuster AnalyseundVerständnisderaktuellenLebenssituationvordemHintergrunddereigenenLebensgeschichte AktivierungundStrukturierung vertrauensvolleBegleitungdurchTherapeutundGruppe Medikamente(Antidepressiva) „klassische“AD(sog.trizyklischeAD) Saroten,Aponal,Stangyl,Equilibrin,Sinquan neuereAD:Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Fluctin(=Fluoxetin),Cipramil,Sepram,Fevarin,Fluvohexal,Seroxat,Tagonis neuereAD:Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer Edronax neuereAD:SerotoninundNoradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer Trevilor,Remergil andereAntidepressiva Dogmatil,Meresa,Neogama,Johanniskraut(Jarsin,Laif,Neuroplant,Remotivu.a.) BehandlungsgrundsätzemitAntidepressiva: - NurderArzt(Facharzt)kannentscheiden,welchesMedikamenteingesetztwerden sollte. - LangsameDosissteigerungbiszumEintritteinerausreichendenWirkung,dievolle Wirkungsetzterstnach3-6Wochenein. - AuchbeieinerDosisänderungkannderEffekterstnacheinigenWochenabgeschätzt werden. - Wennnach6WochenkeineausreichendeWirkungeintritt:EntscheidungdesArztes, obdasPräparatgewechseltwerdenmuss. - BeiausreichenderWirkung:FortführungderBehandlungmindestensfür6Monate. - NieeigenmächtigdieDosisändern,dieskannnochWochenspäterzuRückschlägen führen! - BeiBesserung:aufkeinenFalldasMedikamentunvermitteltabsetzen! - BeiBedenkengegendieBehandlungunbedingtmitdemArztsprechen. - BeieinerVorgeschichtewiederkehrenderDepressionenFortführungderBehandlung übermehrereJahre. MöglicheNebenwirkungen:Mundtrockenheit,Übelkeit,Kopfschmerzen,SchläfrigkeitamTage, VerstopfungoderDurchfall,verschwommenesSehen,ProblemebeimWasserlassen,sexuelle Funktionsstörungen,Gewichtsschwankungen(Zu-oderAbnahmemöglich). AlleNebenwirkungenklingennachAbsetzenderMittelwiederab! 35 WeitereBehandlungsoptionen Schlafentzug:wirksameBehandlungsmethode,allerdingsklingtderEffektklingtraschwiederab, wenndieMethodenichtdurchgehaltenwird;sieistambulantkaumpraktikabel. Elektrokrampftherapie:istnurbeischwerstenDepressionenmitWahnvorstellungenangezeigt, dannjedochsehreffektiv(DurchführungnurinNarkose!) TranskranielleMagnetstimulation:bisherwenigerprobtesVerfahren,offensichtlicheffektiv, anwendbarbeischwerenundschwerstenDepressionen. Lichttherapie:nursinnvollbeisaisonalen(lichtabhängigen)Depressionen,beitäglicherAnwendungdanneffektiv. Behandlungsprobleme SuizidalitätistdasHauptproblem.Dieswirdausführlicherweiterunten(PsychiatrischeNotfälle undSuizidalität)erläutert.DasRisikofürSuizidsteigtbeiDepressionenunterfolgendenBedingungen: starkeAngst,anhaltendeSchlaflosigkeit,Unfähigkeit,Freudezuempfinden,Hilf-undHoffnungslosigkeit,Impulsivität,Substanzmissbrauch(z.B.Alkohol),höheresAlter,frühereSuizidversuche,Häufung vonSuizidenundSuizidversucheninderFamiliedesDepressiven,Partnertrennung. AbhängigkeitundSuchtkommenhäufigervor.SiesindmeistdasErgebnisvonSelbstbehandlungsversuchenmitAlkoholoderBeruhigungsmitteln. Complianceprobleme:dashäufigsteBehandlungsproblemistdaszufrühe(eigenmächtige)WeglassenderMedikation.VielePatientendenken,wennesIhnenwieder(einigermaßen)gutgeht, siebenötigtendieMedikamentenichtmehr.DaAntidepressivalängereZeitbiszumvollenWirkungseintrittbenötigen,klingtauchderenWirkungnurlangsamab.NachWeglassenderMedikamentegehtzunächstallesgut,nach4-6WochenkommtdieDepressionjedochzurück,oftso heftig,dassderSuizidfolgt.ÜberdaslangsameAbsetzenderMedikationsolltestetsmitdem Facharztgesprochenwerden.InjedemFallmussdieMedikationnocheinigeZeitfortgesetzt werden,wennBesserungeingetretenist. ANGSTSTÖRUNGEN Fallbeispiel:generalisierteAngststörung FrauH.,37Jahrealt,verheiratetmiteinemAußendienstmitarbeiter,MuttervonzweiVorschulkindernund seiteinemJahrhalbtagsberufstätig,machtsichständigwechselndeSorgen:obsieHaushalt,KinderbetreuungundBerufaufDauerohneÜberforderungbewältigenkönne;obdemGattenbeiseinentäglichen, beruflichveranlasstenReisennichtdocheinmaletwaspassierenkönnteoderihmseineungesundeund unregelmäßigeErnährungnichteinmalschadenkönnte;obdieKinderwährendihrerArbeitszeitvonihrer Mutterwirklichausreichendbetreutwerden;obsienichtimFalleeinerGrippederKinderdurcheinennötigenPflegeurlaubvonderKündigungbedrohtseinkönnte;obsiebeiihrenSchlafstörungennichteinmal ausKonzentrationsmangeleinengröberenFehlerinderArbeitmachenkönnte;obsienichtwegendes starkenVerkehrsöfterverspätetindieArbeitkommenkönnteunddannmitKritikvonseitenihresChefs rechnenmüsste;obtatsächlichgenugGeldvorhandenist,umnachdenVorstellungendesGatteneinen Hausbauzuwagen;obsiesichdanebenwirklichauchnocheinAutofürdieFahrtzurArbeit,einebessere WaschmaschineundeinenneuenOfenleistenkönne;obihrgeliebterherzkrankerVaternichtbaldsterben könnte,weilerzuletztöfterimKrankenhauswar. Fallbeispiel:Panikattacken KarinS.saßinderU-Bahn,alsdiePaniksiezumerstenMalüberfiel:„NachdemdieTürzuging,fingmein Herzanzurasen.MeinPulsstiegsofortindieHöhe.IchbekamkeineLuftmehr.Ichhabegedacht,icher- 36 sticke.AmganzenKörperliefmirderSchweißrunter,abergleichzeitighabeichgefroren.Ichwussteüberhauptnicht,wasmitmirloswar.IchwolltenurnochrausausderUBahn.“ Fallbeispiel:sozialePhobie HerrM.,ca.40Jahrealt,zeigtFurchtvornichtkontrollierbarenGruppensituationen.DieSymptomedafür tretenbeiihminderAdoleszenzauf,ca.mit16Jahren.ErvermeidetbestimmteSituationen,speziellsozialeSituationen,wiez.B.spontaneAusflügemitdenKollegenoderirgendwelche„Partyspiele“.Schonlange imVorausgrautesihmvorsolchenAnlässen.MartinöffnetsichlediglichinseinemvertrautenUmfeld. Fallbeispiel:Prüfungsangst BeiFrank,15Jahre,trittdiePrüfungsangstbereitsinderGrundschuleauf,inder7.Klassehatererstmals körperlicheBeschwerden.ErkanntagelangvorPrüfungennichtschlafenundlernen,wasdazuführt,dass ernichtvorbereitetist(Teufelskreis).HinzukommtÜbelkeit,erisstkaumnochwasundamTagderPrüfungbleibterwegenKrankheitzuHause. KrankheitsbildundEinteilung AngstgehörtzumnormalenRepertoiremenschlicherGefühle,siehateineSchutzfunktionund warntunsvorGefahren.WennwirkeineAngstempfindenwürden,würdenwirunsständigverletzenundinGefahrbringen.Die„normaleAngst“nenntmanauchRealangst.Dasbedeutet, dassdasAusmaßderAngstdemAnlassentspricht,dasAngstgefühlistangemessenundfürjeden nachvollziehbar. EindemAnlassnichtmehrentsprechendes,gesteigertesAngstgefühlnenntmanPathologische Angst.Sieerscheintals„übertriebeneAngst“,dieunangemessend.h.übertriebenstarkauftritt. PathologischeAngstkannauchohnesichtbarenäußerenAnlassauftreten.DannistesofteininnererAnlass,derauchunbewusstseinkann,welchesAngstoderAngstphantasienauslöst. EinallgemeinesAngstgefühlisthäufigungerichtet,essignalisiertebenGefahrundlösteine Alarmbereitschaftaus. OftrichtetsichAngstauchgegenetwasganzKonkretes,diesnenntmanFurcht.Diesistzunächst ebenfallsetwasNormales(dieFurchtvoreinembissigenHundistsehrsinnvoll!).EineFurcht,die inihremAusmaßdemAnlassnichtangemessenerscheint,heißtdannPhobie.MitanderenWorten:einePhobieistgerichtetepathologischeAngst.PhobienbestehenvorkonkretenSituationen oderPersonen;objektivgesehenbestehtjedochkeinGrundzurFurcht.DieBetroffenenwissen dieseigentlich,könnenesjedochnichtkontrollierenundentwickelneinVermeidungsverhalten. OftistdasVermeidungsverhaltendaseigentlicheProblem.ObeinePhobiebehandeltwerden muss,richtetsichnachdenausdemVermeidungsverhaltenresultierendenEinschränkungenund demdamitverbundenenLeidensdruck. PanikattackensindanfallsartigauftretendeÄngste,diesich(manchmalausschließlich)inkörperlichenSymptomenäußern,diealsbedrohlicherlebtwerden(Herzversagen,Erstickung…).Esist selten–meistnurbeiBeginnderStörung–einäußererAnlasszuerkennen,meisttrittdiePanikattacke„ausheiteremHimmel“auf.ManchmalwirddieAngstalssolchegarnichtgespürt,im VordergrundstehendannkörperlicheSymptomewieHerzjagenundsubjektivempfundeneLuftnot.Letzterekannaucheine„Hyperventilation“(zustarkeAtmung)auslösen,wasweitereSymptomezurFolgehat:KribbelnumdieLippenundindenExtremitäten,SchwindelundÜbelkeit, VerkrampfungenderMuskulatur.DieseSymptomekönnenalssobedrohlicherlebtwerden,dass häufigderNotarztoderdieNotaufnahmedesKrankenhausesinAnspruchgenommenwird.Die DauereinerPanikattackekannvonwenigenMinutenbiszueinerhalbenStundegehen(längerist selten!). 37 GeneralisierteÄngste:durchgängigvorhandene(pathologische)Ängste,dieentwederumkonkrete,oftwechselnde,abernichtbegründeteBefürchtungenkreisenoderalsdiffusesAngstgefühlkaumfassbarsind(„freiflottierendeÄngste“).Diffuse,generalisierteÄngsteführenstetszu starkenEinschränkungenimAlltagsvollzug. Diagnose DieDiagnosevonAngststörungenbereitetinderRegelkeineProbleme.Gelegentlichistunklar, wodieGrenzevonRealangstzupathologischerAngstliegt.AuchgibtesMenschen,dievomCharakterher„übertrieben“ängstlichsind.InwieweitÄngsteunangemessengroßsind,lässtsichan evtl.EinschränkungenimAlltagerkennen. Panikattackenwerdenallerdingshäufigverkannt,wennkörperlicheSymptomeganzimVordergrundstehen.NichtseltenführtdieszurAbklärungbeimKardiologen(Herzspezialist).Phobien werdenmanchmalverheimlicht,weilesdenBetroffenenpeinlichist,weilsiediePhobieals Schwächeoder„Macke“empfinden.DabeisindPhobienausgeprochenhäufig.DiemeistenPhobienmüssennichtbehandeltwerden(s.u.). AnsonstenwerdenÄngstemeistohneHemmungundausführlichgeschildert.DieNaturder Angstbringtesmitsich,dassdieMenschendarüberreden(wollen). Angststörungensindabzugrenzenvonder„Ängstlich-vermeidendenPersönlichkeitsstörung“,bei derGefühlevonAnspannungundBesorgtheit,UnsicherheitundMinderwertigkeitcharakteristischsind.AuchbestehteineÜberempfindlichkeitgegenüberZurückweisungundKritik(vgl.auch Persönlichkeitsstörungenweiterunten). CharakteristischfürAngststörungenistsehrhäufigeinTeufelskreisausAngst,körperlichenSymptomenundVermeidungsverhalten. 38 DurchdiesenTeufelskreisverstärkensichkörperlicheundseelischeSymptomegegenseitig.Ein besonderesProblemstelltdie„AngstvorderAngst“dar,diebeiPanikattackenauftritt.Diedurch körperlicheSymptomeverstärkteAngstwirdzurErwartungsangst:nichteinemöglichePanikattackeselbstistdanndasProblem,sonderndieängstlicheErwartung,wannwohldienächsteAttackeauftretenwird. Panikstörung– Teufelskreis Panikattackenwerdenkörperlichalssehrbedrohlicherlebt.In derFolgebeherrschtnichtdieursprünglicheAngst,sonderndie AngstvordernächstenAttackedieBetroffenen:dieANGSTvor derANGST. es entsteht die Angst davor, wieder eine Attacke zu erleiden Erwartungsangst Körpersymptome „Angst vor der Angst“ Körpersymptome werden als bedrohlich erlebt und verstärken die Angst FormenundUrsachen DieverschiedenenAngstformenwurdenbereitserwähnt.HierwirddieSystematikdesICD-10 dargestellt: PhobischeStörungen sindeineGruppevonStörungen,beiderAngstausschließlichoderüberwiegenddurcheindeutigdefinierte,eigentlichungefährlicheSituationenhervorgerufenwird.InderFolgewerdendieseSituationentypischerweisevermiedenodermitFurchtertragen.DieBefürchtungendesPatientenkönnensichaufEinzelsymptomewieHerzklopfenoderSchwächegefühlbeziehen,häufiggemeinsammitsekundärenÄngsten vordemSterben,KontrollverlustoderdemGefühl,wahnsinnigzuwerden.AlleindieVorstellung,dassdie phobischeSituationeintretenkönnte,erzeugtmeistschonErwartungsangst. Agoraphobie KennzeichnendsindBefürchtungen,dasHauszuverlassen,Geschäftezubetreten,inMenschenmengenundauföffentlichenPlätzenzusein,alleinemitBahn,BusoderFlugzeugzureisen.EinePanikstörungkommtalszusätzlichesMerkmalhäufigervor.DepressiveundzwanghafteSymptomesowiesozialePhobiensindalsweitereMerkmaleebenfallshäufigvorhanden.DieVermeidungderphobischen SituationstehtoftimVordergrund,undeinigeAgoraphobikererlebennurwenigAngst,dasiedie phobischenSituationenmeidenkönnen. SozialePhobien FurchtvorprüfenderBetrachtungdurchandereMenschen,diezuVermeidungsozialerSituationen führt.UmfassenderesozialePhobiensindinderRegelmitniedrigemSelbstwertgefühlundFurchtvor Kritikverbunden.SiekönnensichinBeschwerdenwieErröten,Händezittern,ÜbelkeitoderDrangzum Wasserlassenäußern.DabeimeintdiebetreffendePersonmanchmal,dasseinesdieserFolgesymptomederAngstdasprimäreProblemdarstellt.DieSymptomekönnensichbiszuPanikattackensteigern. 39 Spezifische(isolierte)Phobien Phobien,dieaufengumschriebeneSituationenwieNähevonbestimmtenTieren,Höhen,Donner, Dunkelheit,Fliegen,geschlosseneRäume,UrinierenoderDefäkierenauföffentlichenToiletten,GenussbestimmterSpeisen,ZahnarztbesuchoderaufdenAnblickvonBlutoderVerletzungenbeschränkt sind.ObwohldieauslösendeSituationstrengbegrenztist,kannsiePanikzuständewiebeiAgoraphobie odersozialerPhobiehervorrufen. AndereAngststörungen BeidiesenStörungenistdasHauptsymptome„Angst“nichtaufeinebestimmteUmgebungssituationbezogen.DepressiveundZwangssymptome,sogareinigeElementephobischerAngstkönnenvorhandensein, vorausgesetzt,siesindeindeutigsekundäroderwenigerausgeprägt. Panikstörung(Angstanfälle) DaswesentlicheKennzeichensindwiederkehrendeschwereAngstattacken(Panik),diesichnichtauf einespezifischeSituationoderbesondereUmständebeschränkenunddeshalbauchnichtvorhersehbarsind.WiebeianderenAngsterkrankungenzählenzudenwesentlichenSymptomenplötzlichauftretendesHerzklopfen,Brustschmerz,Erstickungsgefühle,SchwindelundEntfremdungsgefühle(DepersonalisationoderDerealisation).OftentstehtsekundärauchdieFurchtzusterben,vorKontrollverlustoderdieAngst,wahnsinnigzuwerden. WenngleichzeitigeineDepressionvorliegt,könnenPanikattackensekundäreFolgederDepression sein. GeneralisierteAngststörung DieAngstistgeneralisiertundanhaltend.SieistnichtaufbestimmteUmgebungsbedingungenbeschränkt,oderauchnurbesondersbetontinsolchenSituationen,sieistvielmehr"freiflottierend".Die wesentlichenSymptomesindvariabel,BeschwerdenwieständigeNervosität,Zittern,Muskelspannung,Schwitzen,Benommenheit,Herzklopfen,SchwindelgefühleoderOberbauchbeschwerdengehörenzudiesemBild.HäufigwirddieBefürchtunggeäußert,derPatientselbstodereinAngehöriger könntendemnächsterkrankenodereinenUnfallhaben. AngstunddepressiveStörung,gemischt NichtseltenbestehenvonAngstundDepressiongleichzeitig,ohnedasseinederbeidenStörungen eindeutigvorherrscht.IneinemsolchenFallstelltmandiese„Mischdiagnose“. DieUrsachenvonAngststörungenliegeninderRegelinfrühkindlichenPrägungenundEreignissenderLebensgeschichte.AuchkörperlicheKrankheitenkönnenursächlichsein.Vererbung spielteineuntergeordneteRolle. FrühkindlichePrägung ängstlicheBezugspersonen: wennBezugspersonenübertriebenängstlichsind,werdenderenVerhaltensweisenoftunmerklich aufdasKindübertragen;dasKind„verinnerlicht“EigenschaftenderBezugspersonen. - ErlernenvonangstverstärkendenVerhaltensmusterninderUrsprungsfamilie frühesErlernenvonVermeidungsverhalten,SanktionenbeirisikofreudigemVerhalten,Belohnung einesangepasstenund„folgsamen“Verhaltensusw. - fehlendesErlernenderBewältigungvonKonfliktenoderschwierigenLebenssituationen: KonfliktvermeidungundfehlendeKonfliktlösungen,„Verinnerlichung“vonKonfliktenmitBezugspersonen(z.B.restriktivesVerhalteninder„Trotzphase“desKindes),keineUnterstützunginder BewältigungschwierigerLebenssituationen(z.B.SchwellensituationenwieKindergarten-oder Schuleintritt),keinebeispielhaftenKonfliktlösungenbeiKonfliktenmitAußenstehenden. Lebensereignisse Traumatisierungen seelischeund/oderkörperlicheVerletzungen,Missbrauch,Gewalterfahrungen 40 - Trennungserlebnisse VerlustvonSicherheitgebendenPersonenoderSituationen - Überforderung,Anpassungsprobleme häufigeUmzüge,unsichereWohnverhältnisse,ökonomischeBedrohungusw. körperlicheAuslöser Hormonstörungen z.B.Schilddrüsenüberfunktion BehandlungundVerlauf AnersterStellestehenpsychotherapeutischeBehandlungsoptioneninFormdertiefenpsychologischfundiertenPsychotherapie(bzw.Psychoanalyse)oderderVerhaltenstherapie. TiefenpsychologischePsychotherapie Istdannangezeigt,wenn(ungelöste)KonfliktsituationenimSinneneurotischerKonflikteAuslöser derStörungsind.DieKonflikttheoriederTiefenpsychologiebesagtzusammengefasstfolgendes: UrsprünglicheKonfliktemitfrühenBezugspersonenwerdendurchWiederholungbzw.Unlösbarkeitverinnerlicht,siewerdenzuinnerenKonflikten.InnereKonfliktesindzumeistsog.Ambivalenzkonflikte,d.h.eininneresHin-und-her-gerissenseinzwischenzweigegensätzlichenWünschenoderBedürfnissen.WennhintereinemdieserKonfliktpoleeinalsunangemessenerlebter Wunschsteht,wirddieserverdrängt.DurchVerdrängungentstehtderneurotischeKonflikt. WennimweiterenLebeneineSituationeintritt,dieandiedamaligeSituationerinnert,inderein TeildesKonfliktsverdrängtwurde,sprichtmanvonReaktivierungdesKonflikts.DiedemKonflikt innewohnendeSpannungführtdannzurSymptombildung. ZieltiefenpsychologischerPsychotherapieistes,denverdrängtenKonfliktzuentdecken,ihn sichtbarzumachen,d.h.demBewusstseinseinzugänglichzumachenundeine„reife“Konfliktlösungzuerarbeiten.Sobalddieserreichtist,verschwindetdieAngstodergehtstarkzurück. Verhaltenstherapie(VT) DiefolgendeTabellegibteinenÜberblicküberMethodenderVerhaltenstherapie: 41 Wennerlernte(angstbesetzte)Verhaltensmusterbzw.frühkindlichePrägungenalsUrsachein Fragekommen,sindverhaltenstherapeutischeTechnikenerfolgversprechend.BewährteTechnikensindz.B.kognitiv-behavioraleVT,Desensibilisierung,Reizkonfrontation.EineÜbersichtzeigt dieobigeTabelle(GAS=generalisierteAngststörung). → ZuEinzelheitenderpsychotherapeutischenVerfahrenseiAufdieVorlesung„PsychodiagnostikundPsychotherapie“desWintersemestersverwiesen. Medikamente Spezifische„Angstmedikamente“existierennicht.BeiAngstattackenwerdenmeistBeruhigungsmittel(Tranquillizer)vomTypderBenzodiazepine(Beispiel:Valium,Tavor)gegeben,die durchallgemeineBeruhigungauchAngstgefühlereduzieren.Wieobenbereitsdargestellt,haben dieseMitteleinerheblichesSucht-undAbhängigkeitspotential.Manchmalgenügtesauch,wenn PatientenfürdenNotfalleine„Pille“inderTaschehaben.AlleindiesberuhigtoftunddieHäufigkeitvonPanikattackennimmtab,weildie„AngstvorderAngst“dadurchgeringerwird. Beischweren,längerbestehendenAngststörungenkommenMedikamenteinFrage,dieauchbei Depressioneneingesetztwerden.DiessindjedochnichtdieklassischenAntidepressiva,sondern neuereSubstanzen,diesowohlantidepressivwieauchAngstlösendwirken(Wirkstoffbeispiele: Citalopram,Doxepin,Opipramol,Venlafaxin).EinAbhängigkeitspotentialbestehtnicht.DieBehandlungmussvoneinemerfahrenenFacharztüberwachtwerden.DieseMedikamentesindbesondersdannsinnvoll,wenngleichzeitigeineDepressionbesteht–wasnichtseltenderFallist!-, odereinegemischteStörung(AngstundDepression,gemischt–s.o.,ICD-10)vorliegt. Entspannungsverfahren EntspannunglöstAngst.AllerdingskönnensuggestiveVerfahren(Beispiel:autogenesTraining) beidafürempfänglichenMenschenauchÄngsteverstärken.ImautogenenTrainingistdieInnenwahrnehmunggesteigert,wasgelegentlichKörpersymptomeundfolgendÄngstestärkererscheinenlässt. IndiesemFallwärealsEntspannungsverfahrendieProgressiveMuskelrelaxationnachJacobson zuempfehlen. AndereEntspannungsverfahren(z.B.Imaginationsübungen)könnenebenfallsangewandtwerden. TippsfürBetroffene SowieeigeneAktivitätenbeiDepressioneneinwichtigesBehandlungselementsind,sosinddie folgenden10TippsfürPatientenmitAngststörungenofthilfreich: 1. AngstgefühleunddabeiauftretendekörperlicheSymptomesindverstärktenormale Stressreaktionen 2. AngstreaktionensindnichtschädlichfürdieGesundheit 3. VerstärkenSieAngstreaktionennichtdurchfurchterregendePhantasievorstellungen 4. BleibenSieinderRealität;beobachtenundbeschreibenSieinnerlich,wasumSieherum wirklichgeschieht 5. BleibenSieinderSituation,bisdieAngstvorübergeht 6. BeobachtenSie,wiedieAngstvonalleinewiederabnimmt 7. VermeidenSiedieAngstsituationennicht! 8. SetzenSiesichbewusstSituationenaus,dieIhnenAngstmachen:dosiertundinkleinen Schritten 9. SeienSiestolzaufErfolge,auchaufdiekleinenErfolge! 10. NehmenSiesichinAngstsituationenZeit 42 Behandlungsprobleme DieBehandlungserfolgesindgut:10-30%werdenvollkommengesund,50-80%erlebeneine deutlicheBesserung. BehandlungsproblemeergebensichoftausdemVermeidungsverhalten,welcheshäufigzusozialemRückzugführt.WenngleichzeitigeineDepressionbesteht,wirddiesehierdurchverstärkt undesbestehtdieGefahrvonSuizidalität. NebeneinerDepressionalsBegleiterkrankungbestehthäufigdanneineSuchtgefährdung,wenn häufigerBenzodiazepineeingenommenwerden. ZWANGSSTÖRUNGEN Fallbeispiel Eine21-jährigePatientinstelltsichinBegleitungihrerMutterinderAmbulanzeinerKlinikfürPsychiatrie undPsychotherapievor.DerPatientinistesoffensichtlichsehrunangenehm,überihreBeschwerdenzu berichten.Zögerlich,denBlickaufdenBodengerichtetäußertsieschließlich,dasssieseitetwasechsMonatenkaumnochaußerHausgehe,weilsiebefürchte,sichmitdemHI-Viruszuinfizierenbzw.infiziertzu haben.AusAngstvorAIDSkönnesieauchniemandenindieWohnunghereinlassenundmüssemehrmals täglichduschen,umsichzureinigen.Siewisseaberandererseitsgenau,dassdieseAngstunbegründetsei undihreHandlungenerscheinenihrunsinnig.SogardieMuttermüssesichduschenundumziehen,wenn diesevondraußenkomme.WennsieselbstaußerhalbderWohnunggewesensei,müssesiesichgründlich vonKopfbisFußdesinfizieren,wasbiszuzweiStundeninAnspruchnehme.AuchGegenstände,dieandere berührthaben,müssesiegenauestensreinigen.IndenletztenzweiMonatenhabesiepraktischnurnoch ihreigenesZimmerbenutzt(auchzumEssen),weilsiediesesfüreinigermaßensauberhalte.InderWohnungtragesieeinespezielle,„reine“Bekleidung.IhreMutterhabesiesoweitgebracht,ihrpraktischalles abzunehmen.DasGanzehabevordreiJahrenbegonnen,zunächstmitÄngsten,sichzuinfizieren.Vorzwei Jahrenhabesieangefangen,sichzuwaschen,seiteinemJahrseiesganzschlimm.KurzvorBeginndererstenSymptomehabesieerfahren,dasssicheinehemaligerSchulkameradmitHIVinfizierthabe. KrankheitsbildundEinteilung PatientenmüssengegenihrenWillenundihreÜberzeugungZwängedurchführen,siekönnen dieswillentlichnichtodernurkurzunterdrücken.Manunterteiltin Zwangsgedanken,dassindwiederkehrende,unkontrollierbare,intrusive(sichaufdrängende, nichtsteuerbare)Gedanken,dieinitialalssinnloserlebtwerdenund ZwangshandlungenalswiederkehrendeVerhaltensweisen/Rituale TypischenZwangsgedankenund–handlungensindz.B. Problem(Gedanken) Handlungen •Verschmutzung ->Putzen/Händewaschen •Zweifel ->Kontrollieren/wiederholen •Ordentlichkeit ->Ordnen •AggressiveImpulse ->Kontrollieren/vermeiden •SexuelleVorstellungen ->Waschen •Katastrophen ->Rückversicherungeinholen FrüherwurdenZwangsstörungenalseigenständigeErkrankunggesehen,heutereihtmansieunterdieAngststörungenein,weilAngstdietreibendeKraftfürZwängedarstellt.DerZusammenhangvonAngstundZwangistderart,dassZwangsgedankenAngstauslösenundZwangshand43 lungendieAngstdannmindern.WennZwangshandlungenunterdrücktwerden,steigtdasAngstniveaudeutlichanundlöststarkeUnruheundUnwohlseinaus. Diagnose BeioffenerSchilderungderSymptomatikkanndieDiagnoseohneSchwierigkeitengestelltwerden.DaseigentlicheProblemist,dassdiePatienteneineZwangssymptomatikalsausgesprochen schambesetzterleben(sieheFallbeispiel!)undvonsichauskaumdarüberberichten.Oftbesteht dieSymptomatikseitJahren,bisHilfegesuchtwird–meistensdann,wenndieAlltagsbewältigungstarkeingeschränktist.Diesistz.B.derFall,wennbeiGrübelzwangkeineEntscheidungen mehrgetroffenwerdenkönnenoderwennbeiKontrollzwang(imHaushalt)dieWohnungnicht mehrverlassenwerdenkann. WennZwängeimRahmenandererErkrankungenauftreten(ZwangsgrübelnbeiDepression, ZwängebeiSchizophrenie)istdiesnichtalseigenständigeZwangsstörungzudiagnostizieren. AbzugrenzenvoneinerZwangsstörungistdie„zwanghaftePersönlichkeit“,d.h.Charaktereigenschaften,diezwanghaftwirken.DiesbetrifftbeispielsweiseMenschenmitextrememOrdnungssinn,pedantischemVerhalten,kontrollierendemVerhaltenusw.DieseEigenschaftenwerdenjedochalssinnvollerlebtunddargestelltundmüssennicht„widerWillen“ausgeführtwerden. AuchinderextremenAusprägungderzwanghaftenPersönlichkeitinFormderzwanghaftenPersönlichkeitsstörungbestehtimGegensatzzurZwangsstörungkeinodernurgeringerLeidensdruck.HieristeherdieUmwelt„genervt“vomVerhaltendesBetroffenenundnichtderBetroffeneselbst. FormenundUrsachen Zwangsstörung(allgemein)–SystematiknachICD-10: WesentlicheKennzeichensindwiederkehrendeZwangsgedankenundZwangshandlungen.ZwangsgedankensindIdeen,VorstellungenoderImpulse,diedenPatientenimmerwiederingleicherWeisebeschäftigen.Siesindfastimmerquälend,derPatientversuchthäufigerfolglos,Widerstandzuleisten.DieGedankenwerdenalszureigenenPersongehörigerlebt,selbstwennsiealsunwillkürlichundhäufigabstoßend empfundenwerden.Zwangshandlungenoder-ritualesindStereotypien,dieständigwiederholtwerden. Siewerdenwederalsangenehmempfunden,nochdienensiedazu,ansichnützlicheAufgabenzuerfüllen. DerPatienterlebtsieoftalsVorbeugunggegeneinobjektivunwahrscheinlichesEreignis,dasihmSchaden bringenoderbeidemerselbstUnheilanrichtenkönnte.ImAllgemeinenwirddiesesVerhaltenalssinnlos undineffektiverlebt,eswirdimmerwiederversucht,dagegenanzugehen.Angstistmeistständigvorhanden.WerdenZwangshandlungenunterdrückt,verstärktsichdieAngstdeutlich. - VorwiegendZwangsgedankenoderGrübelzwang DiesekönnendieFormvonzwanghaftenIdeen,bildhaftenVorstellungenoderZwangsimpulsen annehmen,diefastimmerfürdiebetreffendePersonquälendsind.ManchmalsinddieseIdeen eineendloseÜberlegungunwägbarerAlternativen,häufigverbundenmitderUnfähigkeit,einfache,abernotwendigeEntscheidungendestäglichenLebenszutreffen.Grübelzwängekommen auchbeiDepressionvorundsindindiesemRahmennichtalsZwangsstörungzuwerten.. - VorwiegendZwangshandlungen[Zwangsrituale] DiemeistenZwangshandlungenbeziehensichaufReinlichkeit(besondersHändewaschen),wiederholteKontrollen,diegarantieren,dasssicheinemöglicherweisegefährlicheSituationnicht entwickelnkannoderübertriebeneOrdnungundSauberkeit.DiesemVerhaltenliegtdieFurcht voreinerGefahrzugrunde,diedenPatientenbedrohtodervonihmausgeht;dasRitualistein wirkungsloserodersymbolischerVersuch,dieseGefahrabzuwenden. 44 UrsachenvonZwangsstörungen EinegenetischeVeranlagungistmeistvorhanden.EingehäuftesAuftreteninbetroffenenFamilienundZwillingsstudiensindeinHinweis.EineerblicheBelastungbedeutetjedochnicht,dass dieKrankheitauchtatsächlichausbricht.SieerhöhtaberdieWahrscheinlichkeitfürdieEntwicklungeinerZwangserkrankung.EinewichtigeRollespielenEmotionen,vorallemGefühlevonUnsicherheit,ZweifelsowieAngstvorFehlernundKontrollverlust.DieseÄngsteverstärkensichin Situationen,diealsbedrohlichempfundenwerden.WennderUmgangmitsolchenGefühlssituationennichterlerntwurde,könnenZwangsgedankenund-handlungenderVersuchsein,diebedrohlichenGefühlezuverringernoderzuvermeiden. WiebeidenmeistenpsychischenStörungenbrichtauchhiereineentsprechendeAnlageumso eheraus,jegrößerdiepsychischeBelastungist.TraumatisierendeErlebnisseinderKindheiterhöhendasErkrankungsrisikoebensowieLebenskrisenundFrustrationen(Enttäuschungen,Misserfolge)zueinemspäterenZeitpunkt. BehandlungundVerlauf ZwangsstörungenwerdeninderRegelimmerineinerKombinationvonVerhaltenstherapieund Medikamentenbehandelt. Verhaltenstherapie Beispielhaftseidie„Expositionsmethode“kurzdargestellt: ZielistdiebewussteVerhinderungderZwangshandlungen.DabeiwirdderPatientnachausführlicherInformationundAufklärungüberdieZwangsstörungdazuangeleitetnichtseinesonstüblichenRitualebzw. Zwangshandlungenzuvollziehen(z.B.Wasch-oderKontrollzwänge),sondernvielmehrdieentstehenden GedankenundÄngstebzw.BefürchtungenzubenennenundsichderentstehendenAngstauszusetzen (Exposition).ObwohldiesauffreiwilligerGrundlagegeschieht,istesfürdiePatientenzunächsteine schrecklicheVorstellung,dasiejakatastrophaleFolgen(z.B.KrankheitvonAngehörigen,schlimmeEreignisse)befürchten.Daheristeszunächsterforderlich,dassgemeinsammiteinemTherapeutenodereiner entsprechendgeschultenPersonbestimmteSituationindenensonstdieZwangshandlungendurchgeführt werden,aufgesuchtwerden.StattnuneineZwangshandlungdurchzuführenwirddiesdurchdenTherapeutenverhindert,derPatientabergedanklichundemotionalstarkmitseinenÄngstenkonfrontiert.Er wirddieErfahrungmachen,dassdieszwarunangenehmimSinnevonAnspannung,UnruheundAngstist, aberimVerlaufderExpositioneinNachlassenderAnspannungzuverzeichnenist.Wichtigistdabeiauch dieErfahrung,dassebennichtdiebefürchtetenkatastrophalenAuswirkungeneintreten,essichalso„nur“ umgedanklichePhänomenehandelt. Medikamente MittelderWahlsindsog.serotonergeAntidepressiva(SSRI=selektiveSerotoninWiederaufnahmeHemmer)–sieheAntidepressivaaufS.7undS.35. Behandlungsprobleme WeilZwangsstörungenfürdieBetroffenenoftschambesetztsind,kommendiemeistenPatientenerstsehrspätindieTherapie.MitanderenWorten:dieStörungistbeieinemGroßteilder Fällebereitschronifiziert(etwabei2/3).HieristeineBeseitigungderSymptomatikkaumzuerwarten,jedochbeikonsequenterBehandlungeineBesserungingut60%.OhneBehandlung schreitetdieErkrankungindiesenFällenfortundführtzuschwerenEinschränkungen. SuizidalitättrittimRahmenvonsuizidalenZwangsgedankenaufundinsbesonderebeizusätzlichendepressivenEpisoden. 45 d. BipolareStörungen Fallbeispiel: EinjungerAutoverkäufer,Anfang20,dersonstverschlossenundzurückhaltendist,wirdübermehrere Wochengesprächiger,erfolgreicherbeimVerkaufundseinSelbstwertgefühlsteigt.Abendsgehteranders alssonstaus,trinktdeutlichmehrAlkohol,schläftweniger,ohnesichspätermüdezufühlen.Erspricht vermehrtFrauenanundfindeteineFreundin.SeineStimmungistgutundoptimistisch,auchwennereinmalwenigerErfolgbeimVerkaufhat.Spätersagter,daßdiesePhasediebesteseinesLebenswar. EinigeWochenspäterkannerdannaberkaumnocheinschlafenundschläftnurnoch1-2StundenamTag. Um5Uhrbeginnterbereitszuarbeiten,redetständigundwirdaggressiv,wennerunterbrochenwirdoderjemandseinenPlänenwiderspricht.Ersagtvonsichöfter,dasserderbesteVerkäuferderWeltistund plant,sichselbständigzumachen.DafürverschuldetersichbeimehrerenBanken.Eskommtdazu,dasser AutosverkauftunddasGeldfürsichbehält,sodassermitdemChefStreitbekommt.ErdrohtdemChef, ihnzuvernichtenundschlägtdieBüroeinrichtungkurzundklein.DannbringenihnAngehörigeindieKlinik,weilerschreienddurchdieGegendrenntundlauthalsaufderStraßeüberdiewirtschaftlicheSituation desLandesredet.InderKliniksprichterfastohneUnterbrechung,beantwortetFrageninfastnichtzuverstehenderWeiseunderzähltimmerwiedervonGeschäftsplänenundWirtschaftstheorien… Epidemiologie Mindestens2MillionenMenschensindinDeutschlandbetroffen,diePunktprävalenzwirdmit ca.2,5%angegeben,diePrävalenzweltweitbeträgt0,6–1,5%.FrauenundMännersindetwa gleichhäufigbetroffen,dasmittlereAlterbeiKrankheitsbeginnistimDurchschnitt25Jahre. GemäßWHO–Report2000gehörtbipolareStörungenzuden10Erkrankungen,dieweltweitam häufigstenzuandauernderBehinderungführen. ImVerlaufstelltSuizidalitäteinwesentlichenProblemdar:Mindestens20%derBetroffenen unternehmeneinenSuizidversuch,15%versterbenamSuizid.AusdiesemundweiterenGründenliegtdieMortalitätsrateinsgesamt2–3malhöheralsimBevölkerungsdurchschnitt. KrankheitsbildundEinteilung EshandeltsichumeinepsychischeStörung,diedurcheinekrankhaftePolaritätvonAffektivität undAntriebcharakterisiertist.TypischerweisewechselnsichPhasenvonkrankhaftgesteigerter Aktivität(manischePhase)mitPhasengehemmterAktivität(depressivePhase)ab,esgibtjedoch auchandereVerläufe(s.u.).TypischeSymptomeeinermanischenPhasesindinfolgendenFunktionsbereichenzufinden: Affektivität:euphorischeStimmung,„Allesisterfreulichundaufregend“,Allmachtsgefühle(„Ichhebedie WeltausdenAngeln“),häufiges,lautesLachen,derSituationnichtangemessen,auchschnellerStimmungswechselzudepressivoderaggressivmöglich. Antrieb:übersteigerterAntrieb,exzessiveBewegungsaktivität–auchaggressiverNatur, Willen,ungehemmte,intensivesozialeInteraktion,gesteigertesexuelleAktivität,Geldverschwendung (Schulden!). Empfinden,FühlenundWahrnehmungsindgesteigert. DenkenundanderekognitiveFunktionen:anfangssinddieGedankennochgeordnet,nurschneller; späterIdeenflucht,Sprunghaftigkeit,vomhundertsteninstausendste,chaotisch,desorganisiert.DasinhaltlicheDenkenbeziehtsichaufGrößenvorstellungenundOmnipotenz.DeutlicheSelbstüberschätzung („Alles,wasichanpacke,hatpositiveKonsequenzen“,„Alles,wasichmache,hatSinnundZweck“).Esent- 46 wickelnsichhäufigWahnideenund–vorstellungen,dieumMacht,Geld,Fähigkeiten,sexuelle,religiöse oderpolitischeAllmachtkreisen. GedächtnisundKonzentrationsindbeeinträchtigt,beziehensichaufgrandioseIdeenundInhalte. AusdruckundKommunikation:Non-verbalerAusdruckoftnichtzurSituationpassend,bizarr;starker RededrangmitendlosenArgumentations-bzw.Assoziationsketten,verletzendeÄußerungen,Beleidigungen vegetativesNervensystemundSchlaf:deutlichereduziertesSchlafbedürfnisundwenigSchlaf,derausreicht,gelegentlichbiszu36StundenohneSchlaf.GesteigerterAppetit,dennochGewichtsabnahme. Nebenden„klassischen“manischenPhasenkommengeringerausgeprägteEpisodenvor,die mandannhypomaneEpisodenennt. DieSymptomeeinerdepressivenPhasesinddieselben,wiebeiDepressionenanderenUrsprungs (s.o.). ZusammengefasstkannmandepressiveundmanischePhasensocharakterisieren: DepressiveEpisode ManischeEpisode •Denkhemmung •„Denkerregung“: sogenannteIdeenflucht •PsychomotorischeHemmung •PsychomotorischeErregung 1 •Sog.Vitalstörungen •GehobenheitderVitalgefühle •VegetativeStörungen •VegetativeSymptome •DepressiverWahneinfall •ManischerWahneinfall •DepressiveVerstimmung •ManischeVerstimmung PsychotischeSymptomesindnichtimmervorhanden.SolcheSymptomewärenz.B.wahnhaftes Denken,unrealistischeGrößenideen,Verfolgungsideen,IdeenfluchtbiszurvölligenUnverständlichkeit,Halluzinationen(selten,kommenabervor). Ø BeiVorhandenseinpsychotischerSymptomeistdieRückfallrate2-3malhöheralsbeiPatientenohnepsychotischeSymptome. Diagnose Schätzungsweisewirdbeiwenigerals50%derBetroffenenjediekorrekteDiagnosegestelltund eineBehandlungeingeleitet.ImSchnittvergehen10JahrezwischenersterKrankheitsepisode, korrekterDiagnoseundBeginneineradäquatenTherapie.GründefürdiesekatastrophalenZahlenliegenimWesentlicheninderNaturmanischerEpisoden: - dieBetroffenenhaltensichnichtfürkrankundlehnenjedeHilfeab, - beiwenigerstarkausgeprägtenPhasen(hypomaneEpisoden)erscheintdasLeistungsvermögenimAlltagnichteingeschränkt,imGegenteil,oftentstehtderEindruckbesondererLeistungsfähigkeit. EinemanischeEpisodewirddiagnostiziert,wennfolgendeSymptomemindestenseineWoche vorhandensind: - situationsinadäquatgehobeneStimmung - vermehrterAntrieb,RededrangundÜberaktivität - VermindertesSchlafbedürfnis - starkeAblenkbarkeit - GrößenideenundübertriebenerOptimismus - evtl.psychotischeSymptome(s.o.) 1 VitalstörungensindStörungenvitalerFunktionenwieSchlaf,Appetit,Gewichtsveränderungenu.a. 47 FormenundUrsachen NachdemICD-10gehörtdiebipolareStörungzudenaffektivenStörungen.BeidieserStörungsgruppeunterscheidetmanverschiedeneFormen: BiopolareStörungen:manischePhasenunddepressivePhasenwechselnsichab MonopolareStörungen:esliegenentwedernurmanischeodernurdepressivePhasenvor (letzteresistdierezidivierendedepressiveStörungundwurdeobenbereitsbesprochen). WiebeidenmeistenpsychischenStörungenistnichteineeinzelneUrsachevorliegend,sondern eineMischungausbiologischenBedingungen(Vererbung)undRisikofaktorenbzw.Auslösern. DiesemultifaktorielleEntstehungentsprichtdemVulnerabilitätskonzept,wieindenGesundheitswissenschaftenamBeispielStress-Vulnerabilitäsmodellerläutertwurde. EinegenetischeDispositionistaufGrundfamiliärerHäufungunddesfrühenErkrankungsbeginns sehrwahrscheinlich.AuslösesituationensindoftPhasengrößererAnspannung,Stress,übermäßigerArbeitsanfall,Reizüberflutung,Konflikte,Mobbing,Trennungen.AucheinbelastenderLebensstilkannAuslösefunktionhaben(wieSchichtarbeit,Schlafmangel,Substanzmissbrauch),wie auchtraumatischeErlebnisse(Unfall,Misshandlung,Todesfälle).BeispäterenEpisodenverlieren dieAuslöseranBedeutung.DieEpisodenscheinendannohneerkennbarenAnlassaufzutreten. HeutewerdenStörungenderSignalübertragunginbestimmtenRegionendesGehirnsalsUrsache vermutet.DieAusreifungderNervenscheidensoll(genetischbedingt)gestörtsein.DerÜberträgerstoffeSerotoninundNoradrenalinsindinderManieerhöht,inderDepressionerniedrigt. BehandlungundVerlauf EslassensichverschiedeneVerlaufsformenderaffektivenStörungenunterscheiden: DieMarkierungerstrecktsichaufdiebipolarenodermonopolar-manischenVerlaufsformen. 48 DieBehandlunggliedertsichinmedikamentöseundnicht-medikamentöseMöglichkeiten.Da meisteinchronischerVerlaufvorliegt,bedeutetdiesoftlebenslangeBehandlung! DiemedikamentösenBehandlungsoptionensindinderÜbersichtdargestellt: Neuroleptika(Antipsychotika) NeuroleptikasieheschizophrenePsychosen Ø Phasenprophylaktika:Lithium(z.B.Quilonum) WichtigsteundeffektivsteBehandlungzurRezidivprophylaxe(VermeidungvonvorwiegendmanischenPhasen).BehandlungnurdurchdenFachmannmitregelmäßigerKontrolledesLithiumspiegels! Antiepileptika Dassindkrampflösendebzw.KrämpfeverhinderndeMedikamente.WirkstoffeheißenCarbamazepinoderValproinsäure.MedikamenteeffektivbeioderzurProphylaxemanischerEpisoden. Benzodiazepine SindBeruhigungsmittel(Tranquillizer),diebeiAngst-undSpannungszuständensowievegetativen Störungen(z.B.Schlafstörungen)zusätzlichgegebenwerden.VorsichtAbhängigkeit(Suchtpotenzial)! Antidepressiva WurdenbeiDepressionenbesprochen;vorzugsweisewerdendiesog.SSRIeingesetzt. Diesog.PhasenprophylaktikawieLithiumsindeinespezifischeundeffektiveBehandlungsoption beibipolarenStörungen. Dienicht-medikamentöseTherapieumfasstPsychoedukationundPsychotherapie. Psychoedukation Ziele: - InformationundAufklärungüberdieKrankheit(„DieKrankheitverstehenlernen“) - FreundeundFamiliealsUnterstützungsichern - PsychoedukationsolldieMitarbeitundZuverlässigkeitdesPatienten(Compliance)verbessern - Selbstbeobachtungverbessern Psychotherapie - PsychotherapeutischeBehandlungkonzentriertsichauf HilfezurAlltagsbewältigung - dieKrankheitsbewältigunginsgesamt - BeratungbeiAlltagsproblemen(Problemlösungen) - diezuverlässigeMitarbeit(Compliance) - VermeidungoderLinderungenvonKrankheitsfolgen ErgänzendkönnenFamilienhilfe(Nachbetreuung),Sozialberatung(z.B.Schuldnerberatung)und Selbsthilfegruppenförderlichsein. Behandlungsprobleme ImVerlaufstelltSuizidalitäteinwesentlichenProblemdar:Mindestens20%derBetroffenenunternehmeneinenSuizidversuch,15%versterbenamSuizid.SuizidalitätentstehtmeistindepressivenPhasen,kommtaberauchbeimanischenEpisodenvor.SuizideindiesenPhasensindmeist durchradikaleMethodengekennzeichnetunddaherhäufig„erfolgreich“. FehlendeKrankheitseinsicht:InmanischenPhasenbestehtwegendereuphorisch-gereizten StimmungmeistkeinerleiKrankheitseinsicht;dieBetroffenensindkaumzuüberzeugen,sichbehandelnzulassen. 49 Risikoverhalten:InmanischenPhasenwirdoftunfallträchtigesVerhaltenpraktiziert(Selbstüberschätzung)mitderFolgevon(Verkehrs-)Unfällen. AggressivesVerhalten:InderManiegeratendieBetroffenenoftinStreitdurchprovozierendes Verhalten.DiesendethäufiginKörperverletzung(Schlägereien). Verhaltenskonsequenzen:HäufigwerdenwährendderManieteureAnschaffungengetätigtund hoheSchuldenaufgetürmt.GesteigertesexuelleAktivitätführtzuÜbergriffigkeit,Heiratsversprechen,Schwangerschaften… MangelndeCompliance:HauptproblemistdaseigenmächtigeAbsetzenderMedikationinPhasen relativenWohlbefindens.InderManiebestehtdannkeinerleiEinsichtmehr. e. Persönlichkeitsstörungen Fallbeispiele Beispiel1 - schizoidePersönlichkeitsstörung HerrS.istein38jährigerunverheirateterLabortechniker.Währendderletzten5JahrehatHerrS.ineinem ForschungslabormehroderwenigeralleineaneinemProjektgearbeitet,wobeiersehrerfolgreichwar. DerArbeitgebervonHerrnS.erhieltjetzteineVerlängerungvonForschungsgeldern,wasdieWeiterbeschäftigungvonHerrnS.undeineerheblicheAusweitungesProjektsermöglicht.DerWissenschaftlerstelltedahereinigeneueBeschäftigefürdieArbeitimLaboreinunderwartetevonHerrnS.,dassdiesersie einarbeitete. EinigederneuenAngestelltenkündigteninnerhalbvondreiWochenundgabenan,vonHerrnS.könne manwederetwaslernen,nochkönnemanmitihmzusammenarbeiten.Siebeklagtensich,erhabesiein keinerWeiseangeleitetundseiunfreundlichundarrogant.AlsderWissenschaftlerHerrnS.nachderdrittenKündigungmitdiesenBeschwerdenkonfrontierte,erschiendieserverwundertundüberrascht.Ergab an,erhabeseinBestesversuchtundkönnedieBeschwerdennichtverstehen. AusderBiographiewirddeutlich,dassHerrS.immereinEinzelgängergewesenist,derkeineengenFreunde,auchniePartnerbeziehungenbzw.sexuelleKontaktegehabthabe.ErverneinteentsprechendeWünsche.InderFreizeitmacheeramliebstenComputerspiele. Beispiel2- Borderline-Persönlichkeitsstörung Eine35-jährigeKrankenschwesterstelltsichzurAufnahmeineinPsychotherapieprogrammvor,sieberichtetoffenüberihreProblemeundistsehrraschgutimKontakt.IhregrößtenProblemeseienextremeAnspannungszuständeundstarkerSelbsthass,diemeistgleichzeitigundvonihrunvorhersehbaraufträten. DieseProblemebestünden,seitsieinihrerKindheitübereinenlangenZeitraumvoneinemVerwandten regelmäßigsexuellmissbrauchtwordensei.UmihreAnspannungzuregulieren,schneidesiesichinbeide ArmeundmissbraucheAlkoholundMedikamente.SiehabeeinenkleinenBekanntenkreis,diemeistenBeziehungenverliefenwechselhaftundkompliziert,nichtswünschesiesichsehnlicheralseinefestePartnerschaft.HäufigeKonflikteaufderStationentstehen,weilsichdiePatientinsichsehrschnellzurückgewiesen undungeliebtfühlt. Beispiel3– selbstunsicherePersönlichkeitsstörung Die26-jährigeFrauP.mussalsgelernteGärtnerinimVerkaufauchKundenberaten.Diesfalleihrextrem schwer,siehabeAngstsichlächerlichzumachen,meldesichdeshalbauchhäufigkrankundhabedaher immerwiederÄrgermitihrerChefin.Auchprivatseisieextremschüchtern,fühlesichAltersgenossenunterlegen,trauesichnicht,ihrwenigbekanntePersonenanzusprechenundfühlesichmeistenstapsigund unbeholfen. 50 CharakteristikaundSymptome BesondereAusprägungenderPersönlichkeitundPersönlichkeitsstörungsindoftschwerzutrennenbzw.zeigeneinenfließendenÜbergang. DiePersönlichkeit(gleichbedeutendmitCharakter,Temperament,persönlicherStil)lässtsichso definieren: PersönlichkeitistdieGesamtheitderindividuellenPersönlichkeitseigenschaften,wodurchein einmaligesMustercharakteristischerVerhaltensweisenentsteht.PersönlichkeitseigenschaftenergebensichausdernormalenVarianzmenschlichenVerhaltens.„Normal“entsprichdabeigesellschaftlichenundkulturellenNormen. Persönlichkeitsstörungenwerdenwiefolgtbeschrieben: KennzeichnendsindabweichendeVerhaltensmuster,dienichtdensozio-kulturellenErwartungenentsprechen.InwieweitsolcheVerhaltensmusterals„Störung“oderalstolerableVerhaltensbesonderheitaufgefasstwerdenkönnen,entscheidetsichdanach,obdasVerhaltenin zahlreichensozialenSituationenbesteht,alsonichtnursituativbedingtist,vonAußenstehendeneinhelligalsunangemessenerlebtwirdundggf.dieEinsichtsfähigkeitindieUnangemessenheitfehlt,dieGestaltungvonBeziehungunddieErledigungvonAufgabendarunter leidetunddasVerhaltenseitvielenJahrennahezuunverändertbesteht. PersönlichkeitsstörungensinddieextremenundnegativenAusprägungenbestimmterPersönlichkeitsstile(dieteilweiseauchalserwünschtgelten). DieSymptomerichtensichnachderArtderPersönlichkeitsstörungundwerdenweiterunten (Systematik)erläutert.Hierbeigehtesnicht(oderselten)umspeziellekörperlicheoderseelische Erscheinungen,sondernumtypischeVerhaltensweisen.DasVerhaltenwirdvonAußenstehenden eindeutigalsunangemessenerlebt,vomBetroffenenmeistensnicht.Das„Leiden“ergibtsich nichtsosehrausderStörungselbst,sondernausdenVerhaltenskonsequenzenz.B.durchSanktionendesUmfeldes(z.B.Ausgrenzung,Kündigungen,interpersonelleKonflikte,Gerichtsverfahren u.a.). BeibestimmtenPersönlichkeitsstörungen(s.Fallbeispiele2und3)liegtnatürlicheinsubjektiver Leidensdruckvor.BeianderenStörungenfehltdieserjedochundentstehteherausdenVerhaltenskonsequenzen(s.o.). Diagnose DieDiagnose-DefinitionnachICD-10lautet: - EinePersönlichkeitsstörungkanndiagnostiziertwerden,wenneinüberdauerndesMustervon inneremErlebenundVerhaltenbesteht,dasmerklichvondenErwartungendersoziokulturel51 lenUmgebungabweicht.DiesesMustermanifestiertsichinmindestenszweiderfolgenden vierBereiche: (1)Kognition(alsodieArt,sichselbst,andereMenschenundEreignissewahrzunehmen undzuinterpretieren), (2)Affektivität(alsodieVariationsbreite,dieIntensität,dieLabilitätundAngemessenheit emotionalerReaktionen), (3)GestaltungzwischenmenschlicherBeziehungen, (4)Impulskontrolle. - DasüberdauerndeMusteristunflexibelundtiefgreifendineinemweitenBereichpersönlicher undsozialerSituationen. - DasMusterführtinklinischbedeutsamerWeisezuLeidenoderBeeinträchtigungeninsozialen, beruflichenoderanderenwichtigenFunktionsbereichen. - DasMusteriststabilundlangdauernd,undseinBeginnistzumindestbisindieAdoleszenzoderinsfrüheErwachsenenalterzurückzuverfolgen. SoweitanderepsychischeStörungenvorliegen,erklärensienichtdasVerhaltensmuster.AuszuschließensindauchDrogenkonsumoderMedikamenten-Effekte. Systematik–nachICD-10 ParanoidePersönlichkeitsstörung istdurchübertriebeneEmpfindlichkeitgegenüberZurückweisung,NachtragenvonKränkungen,durch Misstrauen,sowieeineNeigung,Erlebteszuverdrehengekennzeichnet,indemneutraleoderfreundlicheHandlungenandereralsfeindlichoderverächtlichmissgedeutetwerden,wiederkehrendeunberechtigteVerdächtigungenhinsichtlichdersexuellenTreuedesEhegattenoderSexualpartners, schließlichdurchstreitsüchtigesundbeharrlichesBestehenaufeigenenRechten.DiesePersonenkönnenzuüberhöhtemSelbstwertgefühlundhäufiger,übertriebenerSelbstbezogenheitneigen. SchizoidePersönlichkeitsstörung EinePersönlichkeitsstörung,diedurcheinenRückzugvonaffektiven,sozialenundanderenKontakten mitübermäßigerVorliebefürPhantasie,einzelgängerischesVerhaltenundinsichgekehrteZurückhaltunggekennzeichnetist.EsbestehtnureinbegrenztesVermögen,GefühleauszudrückenundFreude zuerleben. DissozialePersönlichkeitsstörung SieistdurcheineMissachtungsozialerVerpflichtungenundherzlosesUnbeteiligtseinanGefühlenfür anderegekennzeichnet.ZwischendemVerhaltenunddenherrschendensozialenNormenbestehteineerheblicheDiskrepanz.DasVerhaltenerscheintdurchnachteiligeErlebnisse,einschließlichBestrafung,nichtänderungsfähig.EsbestehteinegeringeFrustrationstoleranzundeineniedrigeSchwellefür aggressives,auchgewalttätigesVerhalten,eineNeigung,anderezubeschuldigenodervordergründige RationalisierungenfürdasVerhaltenanzubieten,durchdasderbetreffendePatientineinenKonflikt mitderGesellschaftgeratenist. EmotionalinstabilePersönlichkeitsstörung EinePersönlichkeitsstörungmitdeutlicherTendenz,ImpulseohneBerücksichtigungvonKonsequenzenauszuagieren,verbundenmitunvorhersehbarerundlaunenhafterStimmung.EsbestehteineNeigungzuemotionalenAusbrüchenundeineUnfähigkeit,impulshaftesVerhaltenzukontrollieren.FernerbestehteineTendenzzustreitsüchtigemVerhaltenundzuKonfliktenmitanderen,insbesondere wennimpulsiveHandlungendurchkreuztoderbehindertwerden.ZweiErscheinungsformenkönnen unterschiedenwerden:EinimpulsiverTypus,vorwiegendgekennzeichnetdurchemotionaleInstabilitätundmangelndeImpulskontrolle;undeinBorderline-Typus,zusätzlichgekennzeichnetdurchStörungendesSelbstbildes,derZieleundderinnerenPräferenzen,durcheinchronischesGefühlvonLee- 52 re,durchintensive,aberunbeständigeBeziehungenundeineNeigungzuselbstdestruktivemVerhaltenmitparasuizidalenHandlungenundSuizidversuchen. ImpulsiverTyp:vorwiegendgekennzeichnetdurchemotionaleInstabilitätundmangelndeImpulskontrolle,Launenhaftigkeit,Streitsuch,Konflikte… Borderline-Typ:zusätzlichgekennzeichnetdurchStörungendesSelbstbildes,derZiele,durch einchronischesGefühlvonLeere,durchintensive,aberunbeständigeBeziehungenundeine NeigungzuselbstdestruktivemVerhaltenmitparasuizidalenHandlungenundSuizidversuchen. HistrionischePersönlichkeitsstörung DiesePersönlichkeitsstörung,diedurchoberflächlicheundlabileAffektivität,Dramatisierung,einen theatralischen,übertriebenenAusdruckvonGefühlen,durchSuggestibilität,Egozentrik,Genusssucht, MangelanRücksichtnahme,erhöhteKränkbarkeitundeindauerndesVerlangennachAnerkennung, äußerenReizenundAufmerksamkeitgekennzeichnet.Früherverwendetemanstatt„histrionisch“den Begriff„hysterisch“. Anankastische[zwanghafte]Persönlichkeitsstörung CharakteristischsindGefühlevonZweifel,Perfektionismus,übertriebenerGewissenhaftigkeit,ständigenKontrollen,Halsstarrigkeit,VorsichtundStarrheit.EskönnenbeharrlicheundunerwünschteGedankenoderImpulseauftreten,dienichtdieSchwereeinerZwangsstörungerreichen. Ängstliche(vermeidende)Persönlichkeitsstörung EinePersönlichkeitsstörung,diedurchGefühlevonAnspannungundBesorgtheit,Unsicherheitund Minderwertigkeitgekennzeichnetist.EsbestehteineandauerndeSehnsuchtnachZuneigungundAkzeptiertwerden,eineÜberempfindlichkeitgegenüberZurückweisungundKritikmiteingeschränkter Beziehungsfähigkeit.DiebetreffendePersonneigtzurÜberbetonungpotentiellerGefahrenoderRisikenalltäglicherSituationenbiszurVermeidungbestimmterAktivitäten. AbhängigePersönlichkeitsstörung PersonenmitdieserPersönlichkeitsstörungverlassensichbeikleinerenodergrößerenLebensentscheidungenpassivaufandereMenschen.DieStörungistfernerdurchgroßeTrennungsangst,Gefühle vonHilflosigkeitundInkompetenz,durcheineNeigung,sichdenWünschenältererundandererunterzuordnensowiedurcheinVersagengegenüberdenAnforderungendestäglichenLebensgekennzeichnet.DieKraftlosigkeitkannsichimintellektuellenemotionalenBereichzeigen;beiSchwierigkeitenbestehtdieTendenz,dieVerantwortunganderenzuzuschieben. NarzisstischePersönlichkeitsstörung–nurimDSM-IV(nichtICD-10) DienarzisstischePersönlichkeitsstörungzeichnetsichausdurchmangelndesSelbstbewusstseinund AblehnungdereigenenPersonnachinnen,wechselndmitübertriebenemundsehrausgeprägtem Selbstbewusstseinnachaußen.DahersinddiesePersonenimmeraufderSuchenachBewunderung undAnerkennung,wobeisieanderenMenschenwenigechteAufmerksamkeitschenken.Siehabenein übertriebenesGefühlvonWichtigkeit,hoffeneineSonderstellungeinzunehmenundzuverdienen.Sie zeigenausbeutendesVerhaltenundeinenMangelanEmpathie.EskönnenwahnhafteStörungenmit Größenideenauftreten.ZudemzeigenBetroffeneeineauffälligeEmpfindlichkeitgegenüberKritik,die sienichtseltenglobalverstehen,wasinihnenGefühlederWut,SchamoderDemütigunghervorruft. HäufigisteinenarzisstischePersönlichkeitsstörungvoneinerBorderline-Persönlichkeitsstörung schwerzuunterscheiden. Behandlung Psychotherapie Kognitiv-behavioralePsychotherapie(Verhaltenstherapie)undPsychoanalyse/tiefenpsychologischfundiertePsychotherapiesindwirksam.InderRegelbedarfeseinerlangfristigenTherapie,teilweiseübermehrereJahre. ProblemeinderPsychotherapievonPersönlichkeitsstörungensind 53 - oftgeringerLeidensdruckunddahergeringeMotivationdesBetroffenen(esleidet manchmalmehrdieUmgebungalsderBetroffeneselbst:„dieanderenhabenein Problem…“,„Schuldsinddieanderen…“usw.) - geringeEinsichtsfähigkeitindenStörungscharakterdesVerhaltens,daseigeneVerhaltenwirdalsnormalempfunden - Schwierigkeiten,einetragfähigetherapeutischeBeziehungzuetablieren,weilunrealistischeBeziehungsgestaltungund–erwartungenoftTeilderStörungsind(z.B.AbwertungdesTherapeuten,Misstrauen,Kritikintoleranzu.a.) - KomplikationenimVerlaufderBehandlung,diestörungsbedingtauftretenkönnen wieImpulsivität,depressiveEinbrüche,Suizidalität,Substanzmissbrauch ZielderBehandlungistzumeistnichtdie„Heilung“–dieswäreunrealistisch-,sondernein Symptomrückgang(z.B.Impulskontrolle,VermeidungvonSuizidalität)undeineVerbesserung derBelastbarkeitundSozialkompetenz. Medikamente sindnurinbesonderenSituationenerforderlichodersinnvoll,z.B.bei -Suizidalität,erheblicherDepressivität -Erregungszustände,ausgeprägtevegetativeStörungen -unerträglicheAnspannungundAngstzustände -paranoideÄngsteundpräpsychotischeSymptome -Kontrollverlustfür(schädliche)Impulse,Aggressivität AnwendungderMedikamenteerfolgtwiebeidenKrankheitsbildern(Depression,Angst, Zwangusw.)erläutert. WeitereBehandlung SoziotherapiewirdbeiPersönlichkeitsstörungenwenigpraktiziert.Inden„SoziotherapieRichtlinien“(§37aSGBV)sindPersönlichkeitsstörungennichtaufgeführt.Beibestimmten Störungenkönntediesejedochhilfreichsein,um -die(sozialen)FolgeneinerPersönlichkeitsstörungzumildern -sozialangemesseneVerhaltensweiseneinzuüben -stabilisierendaufdiesozialenBeziehungeneinzuwirken -diesozialeIntegrationzufördern -AngebotefürProblemzeiten(Suizidalität,Einsamkeit…)bereitzuhalten f. ADHS DasStörungsbildgehörtnichtzuden„klassischen“PsychiatrischenKrankheitsbildern,istjedoch inderKinder-undJugendpsychiatrieund–psychotherapieeinwichtigerSchwerpunkt.Dasoziale ArbeitoftinderJugendhilfestattfindet,wirddasStörungsbildindieserVorlesungbehandelt. ADHSisteineAbkürzungfürADHS=AufmerksamkeitsDefizit-/HyperaktivitätsSyndrom.Esgibt auchdieVarianteADS,wennkeineauffälligeHyperaktivitätvorliegt(oftbeiMädchen). Fallbericht(Elternbericht) „Maxist13Jahrealt.Seitseinem2.Lebensjahristerverhaltensauffällig.ErwarständiginBewegung,turnteüberdieMöbelundsprangvonSchränken.ErhattekeineAngstdavor,sichwehzutun,undseine Schmerzgrenzelagsehrhoch.DaherwarersehrunfallgefährdetundwirwarenzeitweilighäufigindenUnfallaufnahmenderKrankenhäuser. 54 EinganznormalerAlltagmitunseremMaxbeginntmorgensum6UhrmitdemWecken.Daerabendsvor 22UhrniezurRuhekommt,kannermorgensnichtgutwachwerden.OftwirdschondasWeckenzum KampfunddauertseineZeit.AnschließendgehtesinsBad:JederHandgriffderMorgentoilettemusseinzelnangesagtundeingefordertwerden.DasFratzenziehenvordemSpiegelbeimZähneputzenistinteressanteralsdasZähneputzenselbst!NunkommtdasAnziehen.Stehtnichteinervonunsdabei,sokannes vorkommen,dassMaximWintermitkurzenHosenundT-ShirtamFrühstückstischerscheint.Esistjetzt schonwiedersovielZeitvergangen,dassdasFrühstückimEiltempoundnurmitständigemAntreibenunsererseitserfolgenkann. BereitsimKindergarten,besondersaberinderSchulefälltMaxdadurchauf,dassersichunkonzentriert undfahrig,übermütigundkörperlichsehrenergischverhältsowieeinsensiblesGerechtigkeitsempfinden zeigt.DieLehrerInnenklagendarüber,dassunserSohnsehrleichtablenkbarist,denUnterrichtstört,sich verweigertundArbeitsunterlagenzerstört.BeiThemenjedoch,dieihnsehrinteressieren,arbeiteterkonzentriertundbegeistertmit.AuchfürdieLehrerInnenisteseinimmerwährendesErmahnenundSichbemühen,umMaxdurchdenSchultagzuhelfen.“ Störungsbild DasBilddes„Zappelphilip“kenntjeder.BereitsalsSäuglingefallendieKinderoftdurchextreme Unruheundhäufiges,ausdauerndesundschrillesSchreienauf.BeizahlreichenbekanntenPersönlichkeitenwirdvermutet,dasssieADHShatten(z.B.Mozart). Die3Leitsymptomesind Ø BeeinträchtigteAufmerksamkeit Ø Impulsivität Ø MotorischeÜberaktivität(nichtzwingend) CharakteristischfüreineAufmerksamkeits-Defizit-Störung(ADS)isteinausgeprägtunaufmerksamesundimpulsivesVerhalten,voralleminGruppensituationen. BeiderAufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung(ADHS)kommtnochUnruheund übermäßigerBewegungsdrangdazu. DieStörungtrittschonimfrühenKindesalteraufundistnichtnurvorübergehend(hältalso schonmindestenslängeralssechsMonatean). InDeutschlandsollen3-10%derKinderbetroffensein,Jungenetwa4malhäufigeralsMädchen. DieAufmerksamkeitsstörungmachtsichbesondersinderSchulebemerkbarundistgekennzeichnetdurch Träumen"HansGuckindieLuft" LeichteAblenkbarkeit(imKlassenraumhängenBilderanderWand,derHintermannrascheltmiteinemPapiero.ä.) hastigerWahrnehmungsstil(bekommteinerseitsschnelletwasmit,aberübersiehtwiederWichtiges) vergisstseinHeft,Turnzeug,Aufgaben überhört(schulische)Anweisungen kontrolliertnichtgenügend(z.B.abgeschriebeneWörter) Stimmungsschwankungen Reizoffenheit(springtaufallesNeuean) Impulsivitätbzw.StörungenderImpulskontrollefallenaufdurch DasKindsagtwasesdenkt(ohnejedochdieSituationzuberücksichtigen,istmanchmaltaktlos) "Kaumgedacht,schongetan" unterbrichtandereoderplatztinsGespräch/Spielhinein redetzuviel,beachtetdabeisozialeSignale(z.B.obesdemanderenzuvielwird)nicht renntohnezuschauenüberdieStraße,begibtsichingefährlicheSituationen drängeltsichvor,kannnichtabwarten 55 Jähzorn,Wutanfälle,heftige,plötzlicheGefühlsausbrüche, Stimmungsschwankungen Hyperaktivität PlötzlicheinschießendeBewegungen(Kindschreibt,plötzlichgrabschtesausladendnachdemRadiergummi,dassdieUmsitzendensicherschrecken) redetmitHändenundFüßen "HummelnimHintern" Weitere,jedochunspezifischeHinweisesind: Einschlafschwierigkeiten,Kaspern/Stören,LernstörungenundSchulschwierigkeiten,geringeFrustrationstoleranz,Ungeschicklichkeit,SchwierigkeitenfremdgestellteAufgabenzutätigen,krakelige Schrift,verbiegtFedern,brichtBleistifteab,beeinträchtigesSelbstwertgefühl,schlägtöfterüberdie Stränge,testetpermanentdieGrenzenaus,sozialeBeziehungsstörung,Aggressivität,Angeberei, Überempfindlichkeit,Entwicklungsverzögerung,Distanzlosigkeit. DiagnosekriteriennachICD-10 Mindestens3KriterienausdemBereichhäuslicheAktivitätenundAufmerksamkeit: • • • • • • • • • KurzeDauerspontanerAktivitäten. MangelndeAusdauerbeimSpielen. ÜberhäufigesWechselnzwischenverschiedenenAktivitäten. StarkbeeinträchtigteAusdauerbeiderBewältigungvonAufgaben,dievonErwachsenengestellt werden. UngewöhnlichhoheAblenkbarkeitwährendschulischerArbeitenwieHausaufgabenoderLesen. StändigemotorischeUnruhe(rennen,hüpfen,Füßewippenetc.). BemerkenswertausgeprägteZappeligkeitundBewegungsunruhewährendspontanerBeschäftigungen. BemerkenswertausgeprägteAktivitätinSituationen,dierelativeRuheverlangen(wiez.B.Mahlzeiten,Reisen,Besuche,Gottesdienst). Schwierigkeiten,sitzenzubleiben,wennesverlangtwird. Mindestens3KriterienausdemBereichAktivitätenundAufmerksamkeitinKindergartenund Schule: AußergewöhnlichgeringeAusdauerbeiderBewältigungvonAufgaben. AußergewöhnlichhoheAblenkbarkeit,d.h.häufigesZuwendenzuexternenStimuli. ÜberhäufigerWechselzwischenverschiedenenAktivitäten,wennmehrerezurAuswahlstehen. ExtremkurzeDauervonspielerischenBeschäftigungen. BeständigeundexzessivemotorischeUnruhe(Rennen,Hüpfen,Füßewippenetc.)inSituationen, indenenfreieAktivitäterlaubtist. • BemerkenswertausgeprägteZappeligkeitundmotorischeUnruheinstrukturiertenSituationen. • ExtremvielNebenaktivitätenbeiderErledigungvonAufgaben. • FehlendeFähigkeit,aufdemStuhlsitzenbleibenzukönnen,wennesverlangtwird. • • • • • AuchbeiErwachsenenkommtADHSvor(weilesfrühernichterkanntwurde).DieKriterienwerdenweiteruntenbesprochen. Ursachenbzw.Entstehung Vermutlichwirkenbiologische,psychologischeundsozialeFaktorenzusammen.InderDiskussionumdieUrsachenreichendieAnsichtenvon(ausschließlich)neurobiologischerVerursachung bishinzurEinschätzungalsNormvariantedesVerhaltens.KritikerverweisenaufgesellschaftlicheVeränderungen,diedasKonstruktADHSerstmöglichgemachthätten(Reizüberflutung, Leistungsdruck,Bewegungsarmut,Sinnentleerung,Vernachlässigung).Hierdurchhabesichder 56 ErziehungsstilverändertundprägendeKindheitserfahrungenverursacht,diespätereinalsADHS bezeichnetesVerhaltensmusterbewirkenwürden.ADHS-KinderhättenauchvielepositiveEigenschaften. EinerseitsistdieDiagnoseADHSfasteineModediagnosegeworden,dieoftvorschnelletikettiert wird.DiesbewirktaucheinezugroßzügigundunkritischeAnwendungvonRitalin. AndererseitsgibtesohneZweifelKinder,dietrotzfürsorglicherundachtsamerErziehungdiese StörungaufweisenundbeidenenderkritischeEinsatzvonRitalineinewesentlicheBesserung bewirkt. Vererbung WennElternselbstADHShatten(haben),habendieKindereine50%-igeWahrscheinlichkeit, ebenfallsADHSzubekommen.Zwillingehabenzu80%(eineiigeZ.)bzw.in30%(zweieiigeZ.) ADHS.Verwandte1.Gradeshabenein5-facherhöhtesRisiko.Esistdaherunstrittig,dassesErbfaktorengibt(vermutlichsindmehrereGeneverändert–sog.polygeneVererbung).DiesebetreffendieSignalübertragungdurchDopamin,SerotoninundNoradrenalininbestimmtenHirnregionen.. BauundFunktioneineshemmendenNeurons DieneurobiologischeForschungkonnte bei50%derADHS-Patienteneinen Defektdessog.Dopamin-Transporters nachweisen(durchspeziellebildgebendeVerfahren–SPECT).Dopaministder ÜberträgerstofffürhemmendeNeurone.EineÜberaktivitätdesDopaminTransportersführtzueinemMangelan DopaminimsynaptischenSpaltund daherzueinerEnthemmung.Ritalin blockiertdenDopamin-Transporterund verstärktsodieHemmwirkung. Ritalin PsychosozialeFaktoren Erziehungsfehleroder„negativeKindheitserfahrungen”wurdenlangediskutiert.Siesindwohl nichtursächlich,stellenjedocheinezusätzlicheBelastungdarundkönnensichaufdenSchweregrad,denKrankheitsverlaufunddieEntwicklungvonbegleitendenStörungen(z.B.Aggressivität, Angst)negativauswirken.ZudenpsychosozialenRisikofaktorenzählenz.B.: Ø unvollständigeFamilie,d.h.AufwachsenmiteinemalleinerziehendenElternteiloderohne Eltern, Ø psychischeErkrankungeinesElternteils,vorallemantisozialePersönlichkeitsstörungdes Vaters, Ø familiäreInstabilität,ständigerStreitzwischendenEltern, Ø niedrigesFamilieneinkommen,sehrbeengteWohnverhältnisse, Ø InkonsequenzinderErziehung,fehlendeRegeln, Ø häufigeKritikundBestrafungen, Ø unstrukturierterTagesablauf. 57 RisikofaktorenimMutterleib:Nikotin,AlkoholoderandereDrogenwährendderSchwangerschaftsowieeinSauerstoffmangelbeiderGeburterhöhenvermutlichdasRisikodesKindes, späteranADHSzuerkranken. Behandlung DieBehandlungsollteheutewederreinmedikamentösnochreinpsychotherapeutischerfolgen. Eine„Multimodale“Therapiemitmedizinischen,pädagogischen,psychologischenoderpsychotherapeutischenElementenisterforderlich–abhängigvomAlterdesKindesundderAusprägungderStörung. Therapie-Bausteinesind •AufklärungundBeratungderEltern,desKindes/JugendlichenunddesErziehersbeziehungsweisedesKlassenlehrers, •Elterntraining,Familiemiteinbeziehen(einschließlichFamilientherapie),umdieSymptomatikinderFamiliezuvermindern, •Kindergarten/Schule:ZusammenarbeitmitErziehernundLehrern, •KognitiveTherapiedesKindes/Jugendlichen(abdemSchulalter):ImpulsivesundunorganisiertesVerhaltenändern(Selbstinstruktionstraining),AnleitungdesKindes/Jugendlichen,wie sichdasProblemverhaltenändernlässt, •TherapiemitentsprechendenMedikamenten(meistAmphetamine),umSymptomeinder Schule(imKindergarten),inderFamilieoderinanderenUmgebungenzuvermindern(s.u.– Medikamente). Verhaltenstraining DieBeratungderEltern,AngehörigenundanderenBezugspersonengehörtebensozurTherapie vonADHSwiepsychotherapeutischeundpsychosozialeBehandlungs-undBetreuungsmaßnahmen.MittelseinerPsychotherapielernenADHS-Kinder,mitihrerAblenkbarkeitundGereiztheit umzugehen.ElterntrainingundVerhaltenstherapiestehenbeiKindernmitADHSvordemsechstenLebensjahranersterStelle.NurwenndieseMaßnahmennichtausreichen,sollteeinezusätzlicheTherapiemitMedikamentenerwogenwerden. DasElterntrainingistbeiADHSeineguteErgänzungzuprofessionellenTherapieangeboten.Klare UmgangsregelnsollenesdenElternermöglichen,bessermitihrenhyperaktivenKindernzurechtzukommen.VielebetroffeneElternsuchenauchHilfebeiElterninitiativen.DerAustausch mitanderenBetroffenenhilftihnenausderIsolationundbewahrtsievorSchuldgefühlen.Oft schaffenElternvonADHS-KindernerstmitdemRückhaltdieserGruppendenwichtigenSchritt, ihrhyperaktivesKindsozuakzeptieren,wieesist. Medikamente Methylphenidat(Handelsnamen:Ritalin,Concerta,Medikinet)isteinMedikamentderAmphetamingruppe,eigentlichdieWachheitstimulierendeMittel.DurchdieVerbesserungderSignalübertragunganhemmenderDopamin-SynapsenimGehirnwirktesbremsendaufÜberaktivität (vgl.obigeAbbildung). DieVerabreichungsetzteinesichereDiagnosevoraus.DieVerschreibungsolltenurvonKinder- undJugendpsychiaternvorgenommenwerden,nichtetwavonHausärztenoderKinderärzten. RitalinunterliegtdemBetäubungsmittelgesetz(obwohleskeinesist),umMissbrauchzuverhindern.DieBehandlungistmeistensübermehrereJahreerforderlich,manchmalbisinsErwachsenenlebenhinein.DieDosismusssorgsamangepasstwerde.EinmalimJahrsollte-fachmännisch 58 überwacht-einAuslassversucherfolgen,umdieSchweredesStörungsbildesneuzubeurteilen. BeikorrekterIndikationundAnwendungkönnenvieleKindereinfastnormalesLebenführen. ÜbermöglicheLangzeitschädenistnichtsbekannt,jedocherfolgteinebreiteAnwendungerst seit10-15Jahren.Tierversuche,dieaufdieEntwicklungeinerParkinson-ErkrankungbeiRatten hinweisen,geltenausnichtaussagekräftig.DennochistVorsichtgeboten. DieAnwendungvonRitalinerfolgtteilweiseunkritisch.DerRitalinverbrauchistinDeutschland drastischangestiegen(s.SchaubildVorlesungsfolien),indenUSAisternoch5-fachhöher! Nochmals:eineVerschreibungdurchRitalinsolltebeiklarerIndikationnurdurchKinder-und JugendpsychiaterundnichtdurchHaus-oderKinderärzteerfolgen!Übrigens:Ritalinwirktbei MenschenohneADHSgegenteilig,nämlichaufputschend! Verlauf DasBeschwerdebildvonADHSbleibtnichtinjederAltersstufegleich,sondernwandeltsichmit demAlter.ÜberaktivitätundImpulsivitätweichenofteinerallgemeinenLeistungs-undKonzentrationsschwäche. HäufigtrittdiemotorischeHyperaktivitätalshervorstehendeSymptomatikimKindergarten- undVorschulalterzuTage.Zwischendem3.Bis6.LebensjahrbessertsichdieSymptomatikbei ungefährderHälftederKinder. MitderEinschulungverlagertsichdieProblematikvorallemaufdenLern-undLeistungsbereich. IndiesemAltersbereichvonsechsbisneunJahrenbehalten2/3derBetroffenendieSymptome. ImJugendalterunterliegtdieSymptomatikeinemWandel,dadiemotorischeHyperaktivitätin derRegelnachlässt.BeietwaeinemDrittelergibtsichineineBesserung.DieImpulsivitätund Aufmerksamkeitsstörungbleibenjedochhäufigerhalten.WeiterhinkönnennebenderSchulleistungsproblematikinzunehmendemMaße(25-50%)StörungendesSozialverhaltensundkriminelleHandlungenauftreten.EinProblemkannauchdieerhöhteGefährdungfürAlkohol-und Drogenmissbrauchein. ADHSimErwachsenenalter EntgegenfrühererAnnahmenerhaltensich(mehralsin50derFälle)einzelneTeilbereichdes hyperkinetischenSyndromsbisinsErwachsenenalterhinein.ÜberdieHäufigkeit(Prävalenz)der hyperkinetischenStörungimErwachsenenalterliegensehrunterschiedlicheDatenvor,man gehtetwavon2bis7%aus.FastalleerwachsenenADHS-Patientenfühlensichinnerlichruhelos undgetrieben.ImBerufs-undimPrivatlebenerreichensieoftnichtdieZiele,diesiesichursprünglichgesteckthatten.VieleleidenvorallemunterdensozialenFolgenvonADHS. AusdenErgebnisseneinigerLangzeitstudienwirddeutlich: WenninderKindheitADHSfestgestelltwurde,beobachtetmanfolgendeAuffälligkeitenbeiErwachsenenhäufiger: • Drogenmissbrauch, • StörungenimSozialverhalten • Angstsymptome, • Alkoholprobleme • Strafauffälligkeiten • ErhöhteUnfallneigung • SchlechtereberuflichePosition,häufigeStellenwechsel • HöhereScheidungsrate 59 • HäufigeWohnortwechselundUmzüge DieDiagnosevonADHSbeiErwachsenenkanndurchFragebogen(Selbstbeurteilungsverfahren) gestütztwerden.Beispiel: CopyrightWHO2003 EinenetwasausführlicherenFragebogenkannmanansehenunter: http://www.zentrales-adhsnetz.de/pdfs/material_diag/erw/Selbstbeurteilungs_Skala_zur_Diagnostik_ADHS_im_Erwachsenenalter_ ADHS_SB.pdf 4.Notfälleeinschl.Suizidalität a.PsychiatrischeNotfallsituationen PsychiatrischeNotfällesindnichtselten,imärztlichenNotdienstbetreffensieetwa12%allerNotfälle.AlspsychiatrischerNotfallwirddefiniert:„EinimZusammenhangmitpsychopathologischen SymptomenauftretenderZustand,derzurAbwendungvonLebensgefahroderanderenschwerwiegendenFolgenunverzüglichdersachverständigenBeurteilungundBehandlungbedarf.“ GefährdungenkönnenalsEigen-oderFremdgefährdungauftreten. GründefürEigengefährdungkönnensein: -Suizidalität(u.a.beischwererDepression,schizophrenenPsychosen,ZuständengestörterImpulskontrolle,z.B.beimassiverErregungoder/undunterdemEinflussvonDrogen)–über SuizidalitätsiehefolgendesKapitel -imRahmenvonPsychosen(Schizophrenie,Manie) -imRahmenkognitiverDefizite(Delir,Demenz,Intoxikation=Vergiftung) 60 -weitereGründe:unzureichendeNahrungs-undFlüssigkeitszufuhr,schwerekörperlicheErkrankungenu.a. GründefürFremdgefährdungenkönnensein: -erweiterterSuizid(„Mitnahme“AndererindenTod,z.B.Amokläufe,Selbstmordattentate) -inFolgekognitiverDefizite(Delir,Demenz,Intoxikation) -inFolgevonPsychosen(z.B.StimmenbeiSchizophrenie,dieentsprechendeBefehleerteilen) -inFolgeeinesImpulskontrollverlustes(z.B.inmanischenPhasen) Erregungszustände AlleaggressivenpsychomotorischenErregungszuständesindNotfälle.DiehäufigstenGründefürErregungszustände,dieauchohnepsychiatrischeErkrankungauftretenkönnen,sindfolgende: Ø Alkoholintoxikation(evtl.inVerbindungmiteinerPersönlichkeitsstörung), Ø akutePsychosen(schizophreneoderbipolarePsychosen), Ø psychosozialeKonfliktsituationen(ohneprimärepsychiatrischeErkrankung), Ø MischintoxikationbeiPolytoxikomanie(multipleDrogensucht), Ø Persönlichkeitsstörung(z.B.Borderline-StörungvomimpulsivenTyp) FolgendeGrundsätzeimUmgangmitakuterregtenPatienten/Klientenwerdenempfohlen: - BeiunbekanntenPatientenseelischeundräumlicheDistanzwahren, - NiealleinmitdemPatientenbleiben-achtenSieaufeinenFluchtweg,Abstandimmermindesten2Armlängen(„2-ArmRegel“),seitlicheBegegnungenwerdenwenigerbedrohlich empfundenalsfrontale, - DrohgebärdenoderverbaleDrohungenvermeiden,nichtprovozierenlassen, - Versuchen,eineverbaleKontaktebenezuetablieren,, - StellenSiesichvor,SprechenSiedenPatientenmitdemNachnahmenan, - AufkurzeGesprächsphrasenachten,umdieBelastbarkeitderPatienten/Anwesendennicht zustrapazieren, - Ruhigundberuhigendauftreten,takt-undrespektvollesVorgehen,klarer,einfacherunddirektiverGesprächsstil,KeineDeutungengeben,keineVersprechungenmachen,dienicht einhaltbarsind - DemPatienten(ohneDrohung)zuverstehengeben,dassSieihnggf.füraggressiveHandlungenverantwortlichmachen. Delir DasDeliristeinederhäufigstenpsychiatrischenNotfallsituationen.Esistgekennzeichnetdurcheinequantitative(undqualitative)EinschränkungdesBewusstseins(Bewusstseinstrübung),StörungenderAufmerksamkeit,EinschränkungkognitiverLeistungen(z.B.Gedächtnis,Orientierung,Sprache)oderWahrnehmungsstörungen.DieBeschwerdenentwickelnsichsehrraschinnerhalbvon StundenoderwenigenTagen.DieStörungistdurchdieAuswirkungeneinerkörperlichenErkrankungaufdasGehirnerklärbar. AlsweitereSymptomekommenvor:Wahn,Halluzinationen.Depressivität,Ängstlichkeit,Reizbarkeit-StörungenderPsychomotorik,StörungendesSchlaf-Wach-Rhythmus,weiterevegetativeund allgemeineSymptome. DiehäufigstenUrsachensind: - Alkoholentzug/Drogenentzug - SchwereInfektionen(Lungenentzündung,Hirnhautentzündungu.a.) 61 - Stoffwechselentgleisungen(Diabetes-Koma,BlutsalzverschiebungbeiFlüssigkeitsmangel) - schwereLeber-undNierenfunktionsstörungen - schwereHerzerkrankungen(z.B.Herzschwäche) - schwereLungenerkrankungenmitSauerstoffmangel - erheblicheAustrocknung(z.B.beihohemFieber) - NebenwirkungvonMedikamenten(selten) - KrisenhafteHormonstörungen DashäufigsteDeliristdasAlkoholentzugsdelir,wegendesdabeihäufigauftretendenZitternsauch „Deliriumtremens“genannt.DerAlkoholentzugistentwederbeabsichtigtoder–wasoftderFallist –unbeabsichtigt(z.B.kannwegenandererErkrankungmitBettruhekeineAlkoholmehrbesorgt werden).AnzeichendesAlkoholentzugsdelirssind: Tremor(Zittern),Kopfschmerzen,Schwitzen,Schlaflosigkeit,Übelkeit,Würgen,allgemeinesKrankheitsgefühl,Erbrechen,Herzrasen,HalluzinationenoderIllusionen,hoherBlutdruck,psychomotorischeUnruhe,zerebraleKrampfanfälle.FürdieDiagnosestellungsindmindestens3dergenannten Symptomeerforderlich. DasAlkoholentzugsdeliriststetseinschweresKrankheitsbild,dieBehandlungerfolgtinderRegel aufeinerIntensivstation.DieLetalitätistrelativhoch. AndereNotfälle Intoxikationen:VergiftungenmitMedikamenteninsuizidalerAbsichtoderversehentlich.InderRegelistraschesHandelnmitintensivmedizinischerVersorgungerforderlich. Panikattacken:wirkenstetsdramatisch,obwohl keinerealeGefahrbesteht(dieskannmanalsLaie natürlichnichtwissen).DieärztlicheVersorgungbestehtinderVerabreichungeinesBenzodiazepinPräparateswieValium.BeruhigendesZuredenund Unterstützungisthilfreich.BeiHyperventilationin eineTüteatmenlassen(diessolltemanalsLaienur dannveranlassen,wennmansichsicherist,bzw. HyperventilationszuständebeidemBetreffenden bereitsbekanntsind). Stupor(Starre),wiez.B.beikatatonerSchizophrenie,istebenfallseineNotfallsituation,diemanchmal nurdurchElektrokrampftherapiebehandelbarist (s.o.). b.Suizidalität UnterSuizidalitätverstehtmanGedankenundHandlungen,diedenWunschnachBeendigungdes Lebensausdrücken.DieskannteilweiseinversteckterFormerfolgen.Suizidalitätisteinehäufige KomplikationpsychiatrischerErkrankungen.AmhäufigstentrittSuizidalitätbeiDepressionenauf, aberauchbeischizophrenenPsychosen,bipolarenStörungenoderPersönlichkeitsstörungen(z.B. Borderline-Störung).AuchbeiderPTBS(posttraumatischeBelastungsstörung)istSuizidalitäthäufig vorhanden.DaSuizidediegesteigerteMortalitäteinigerpsychischerErkrankungenbegründen,ist dasErkennenunddieEinschätzungvonSuizidalitätsehrwichtig. 62 AutoaggressiveHandlungen,z.B.RitzenbeiBorderline-Störungen,erfolgeninderRegelnichtinsuizidalerAbsicht.SiesindSelbstschädigungenohnedieMotivationderSelbsttötung. ParasuizidaleHandlungensind"suizidaleGesten",oftohnekonkreteTötungsabsichtausgeführt, dieTodesfolgejedochbilligendinKaufnehmend. DiePrävalenzvonSuizidversuchenistnichtgenaubekannt,dürfteum100/100.000liegen,Frauen unternehmendeutlichmehrSuizidversuchealsMänner.VollendeteSuizide(Prävalenz17/100.000) kommendoppeltsohäufigbeiMännernvor. BeiallenStörungsbildern,diemitSuizidalitäteinhergehenkönnen,sollteexplizitdanachgefragt werden!VielePatienten,vorallembeiDepressionen,schämensichihrerSuizidgedankenundverschweigensie,sindjedochdankbar,wennsievomArztoderAnderen(z.B.Sozialarbeiterinnen)daraufangesprochenwerden.DiesentlastetdieBetreffendenundsieredendanndarüber. DieFragennachSuizidalitätsolltenumfassen: o DassubjektiveBefinden:“WiegehtesIhnen?”.AusdenAntwortenkannmanbeivorhandenerSuizidalitätfastimmerAndeutungendarübererkennen(z.B.„Esgehtmirnichtgut,ich wollteichhättemeineRuhe“u.ä.) o JedeutlicherdieHauptsymptomeeinerDepressionhervortreten,destogrößerdieWahrscheinlichkeitvonSuizidalität. o FragennachVerzweiflungundHoffnungslosigkeit(„IchhabedenEindruck,Siesindsehrverzweifelt“oder„Siewirkenaufmichziemlichhoffnungslosodertäuscheichmich?“). o DirekteFragenachlebensüberdrüssigenGedanken(„HabenSieinletzterZeitGedankengehabt,dasLebenseisinnlosundsiewürdenesamliebstenbeenden?“).MankanndieScham darüberabbauen,wennmandaraufverweist,dasssolcheGedankenz.B.beiDepressionen „normal“sindundhäufigvorkommen. o DirekteFragenachSuizidideen/Suizidabsichten(„HabenSieschoneinmaldarübernachgedacht,wieSiesichdasLebennehmenwürden?“,evtl.auch„HabenSieschoneinmalkonkreteVorbereitungengetroffen?“) Suizidekommennichtunvermittelt! EsgehteinemehroderwenigerlangeEntwicklungvoraus.Zunächst kommteszupassivenTodeswünschen(„Ichwärefroh,wennmorgen allesvorbeiwäre“),danachentwickelnsichmanifesteSuizidgedanken und–ideen.DieGefahrwächstmit BeginnvonkonkretenVorbereitungen,dieschließlichindiesuizidale Handlungmünden.DerinnereProzessgehtvonderErwägungüber eineAmbivalenzphasezumEnt NachAlthaus&Hegerl2004 schluss. ImUmgangmitSuizidalitätwerdenhäufigFehlergemachtoderHinweisenichtbeachtet: o NichtansprechenvonSuizidgedanken. o Fehleinschätzungder“RuhevordemSturm”:nachdemEntschlusszumSuizidtrittofteineRuheundAufgeräumtheitauf,dietrügerischist.InWirklichkeithabendieBetreffendenmitdem Lebenabgeschlossen,derEntschlusszumSuizidisteineArtErlösung. 63 FruchtloseDiskussionenüberdieNotwendigkeiteinerstationärenAufnahme(anStellederErörterungderUrsachenfürdiesuizidaleGefährdung). o NichterkennenvonBagatellisierungstendenzen:dieBetroffenenspielenihreGefährdungherab. o ÜbersehenentsprechenderHinweisevonDritten(Freunde,Angehörige). o NegativeemotionaleReaktion(derÄrzte,Therapeuten,Freundeusw.)aufdasVerhaltendes Patienten(Schrecken,Angst,moralischeVorhaltungen…). o VerordnungunnötighoherDosierungennebenwirkungsträchtigerPharmaka. o UnverbindlicheTherapieempfehlungstattfesterAbsprachenzurweiterenTherapie. VordereigentlichenSuizidhandlunggibtesdas„präsuizidaleSyndrom“,wasdurcheineauffällige EinengungimDenken,inderWahrnehmungundinderBeziehungsgestaltunggekennzeichnetist. WennsichderBlickwinkelz.B.beiDepressionimmermehreinengt,istdiesalsoeinAlarmzeichen! RisikofaktorenfürSuizidsind: - SuizidversucheinderVorgeschichte - Suizide/-versucheinderFamilienanamnese - PsychiatrischeErkrankungen - Stationär-psychiatrischeBehandlungwährendderletzten6Monate - (ältere)Menschenmitschweren(chronischenoderMehrfach-)Erkrankungen - MenscheninakutenTrennungs-undBelastungssituationen,beiEntwurzelung,Isolation, schicksalhaftenLebensereignissenoderanderenpsychosozialenKrisen - WeitereEinflussfaktoren:AlterundGeschlecht(ältereMänner),kulturellesUmfeld,VerfügbarkeitderMethoden,„WertherEffekt“(Nachahmung). AbschätzungderGefährlichkeiteinesSuizidversuchs: (+höhereGefährlichkeit-niedrigereGefährlichkeit) Intention:sollteeinbestimmtesZielserreichtwerden? -nurschlafenoderRuhehabenwollen -Kurzschlusshandlung:imAffekt -DurchsetzungeinesWunsches +sichselbstdasLebennehmenwollen Planung: -keine +geplant/vorbereitet +Abschiedsbrief Methode: -weich +hart Hilfe: -holteselbstHilfe +wurdeaufgefunden Gefährdung: -keinemedizinischeMaßnahmennotwendig +Magenspülung/medizinischeÜberwachungerforderlich +stationäreBehandlungerforderlich +Intensivstation/OP +bleibendeSchäden o 64 MaßnahmenundZielederKriseninterventionbeiSuizidalitätundSuizidversuch: Ø Ø Ø Ø Ø Ø Distanzierung von der akuten Problematik Perspektivenwechsel / Reframing 2 Ressourcenaktivierung Beziehungsangebot Pharmakotherapie Beschützende Umgebung Suizidprävention WaskannimRahmensozialerArbeitgetanwerden? •Beziehunganbieten:ernsthaftunddirektnachkonkretenSuizidideenoderSuizidhandlungenfragen(SuizidalitätistAusdruckvonNot!) •AkutenHandlungsdruckerfragen(s.o.–FragenzurSuizidalität) •Zeit,Zuwendung,FürsorgezurVerfügungstellen •DieSorgendesBetroffenenernstnehmen •GeduldigesZuhören •GegebenenfallszueinerHilfseinrichtung(z.B.Klinik)begleiten •VermeidenvonVorhaltungen •VermittelnvonZuversicht •AngehörigeoderalspositiverlebteBezugspersoneneinbeziehen •Vermitteln,dassderBetroffenewichtigist •EigeneGrenzenerkennenundalsHelferUnterstützungsuchen Wassolltemannichttun? •MoralischeVorhaltungenmachen •DenBetroffenenalleinelassen •AllgemeineRatschlägegeben •KritikandemWunschdesBetroffenenäußern •Bagatellisieren(„Dasistdochallesnichtsoschlimm“) FolgendeInternetseitenwerdenzumThemaempfohlen: http://www.suizidprophylaxe.de/ http://www.suizidpraevention-deutschland.de 2 DieWahrnehmunghängtunteranderemvomKontext,vom„Rahmen“ab.Bilderwerdenz.B.unterschiedlichwahrgenommen,wennsieinunterschiedlichenRahmenpräsentiertwerden.SoweisenauchmenschlicheDenkmuster,Zuschreibungen,ErwartungeninderRegeleinenRahmen(englisch:frame)auf,eineäußereOrdnung,nachderEreignisseinterpretiertunddannwahrgenommen werden.EntwederistdasGlashalbvolloderhalbleer.ObwohlscheinbardasGleichebezeichnet wird,istderAkzentunddieBedeutungjeweilsunterschiedlich,weileinmaleineherpositiverund dasandereMaleinehernegativerRahmengesetztwird.GelangtmanausderSichtdeshalbleeren zurSichtdeshalbvollenGlases,sohateinReframing,eineUmdeutung,stattgefunden.Beim ReframinggehtesalsoumdenPerspektivenwechselvoneinerausschließlichnegativenPerspektive ineineauchpositiveAspektebeinhaltendePerspektive. 65 5.PsychiatrieundSozialeArbeit ImFolgendenwirdeineÜbersichtüberdieMöglichkeitensozialerArbeitmitdemSchwerpunktpsychischeErkrankungengegeben.Zielistnicht,einzelneMöglichkeitenoderMethodengenauerdarzustellen.DieDarstellungbeinhaltetjedochbereitsvieleElementevonRehabilitation. Erstinden70-erJahrendesletztenJahrhundertshabensichdieSozialwissenschaftenintensivermit derPsychiatriebeschäftigt(Sozialpsychiatrie).Hierbeiwurdezumeinenfestgestellt,dassauchpsychischeErkrankungeneinestarkeSchichtabhängigkeitaufweisen,zumanderenwurdedeutlichgemacht,dassdiePsychiatrieinsbesonderedurchdieInstitution„PsychiatrischeAnstalt“häufigzueinerStigmatisierungunddamitgesellschaftlichenAusgrenzungderKrankenbeitrug.DenStempel „Psychischkrank“wurdeman–einmalaufgedrückt–nichtmehrlos,sozialeAusgrenzung,Abwertung,EntrechtungundEntmündigungwarenundsinddieFolgen.DieErkenntnissederSozialwissenschaftenhabendurchausEinganggefundenunddiemodernePsychiatriehatsichdemgegenübergewandelt. SozialpsychiatrischesDenkenhat Einganggefundeninverschiedene Ansätze.SowurdederBegriffder „gemeindenahenPsychiatrie“als GegengewichtzurAnstaltspsychiatrieentwickelt.Zielistes,möglichst vieleVersorgungsangeboteinden ambulantenSektorvorOrtzubringenunddurchvernetzteStruktureneineweitgehendeIntegration psychischKrankerzuerreichen. NebenstehendesBildsolldiesverdeutlichen. (ausdemLehrbuch„SozialeArbeit inderPsychiatrie“–s.Literaturanhang). a. Klienten-bezogeneArbeit Voraussetzungfürklienten-bezogeneArbeitistdieKenntnisderMethodenderGesprächsführung. BeiklarerRollenverteilungmüssenäußererRahmen,AnlassundZieldesGesprächsfestgelegtwerden.DasErstgesprächdurchläuftbestimmtePhasen(Anfangsphase,Motivierungs-undOrientierungsphasesowieeigentlicheInterviewphasemitBestandsaufnahme).DasErstgesprächistinder RegeleindiagnostischesGesprächmitunterschiedlicherStruktur:vomeherfreienklinischenInterviewbiszumstandardisiertenInterviewnachLeitfadenbzw.Manual.Einzelheitenwerdeninder Vorlesung„PsychodiagnostikundPsychotherapie“imkommendenSemesterbesprochen. 66 JenachGesprächsanlassund–zieldienendieerhobenenInformationenderpsychosozialenAnamnese,derbiographischenAnamneseimweiterenSinneodersiesindproblemzentriert. GeradebeipsychischKrankenistdieRessourcenorientierungeinesGesprächswichtig.Esgilt,„vergessene“FähigkeitenundStärkenwiedernutzbarzumachenfürdieGesundungundStabilisierung (Salutogenesekonzept).AuchDinge,diebewältigtwerdenkonntenodergelungensind,könnenerfragtundspäterfürdiesozialeArbeitgenutztwerden. Krisenintervention EinebesondereFormdesGesprächsistdieKrisenintervention(s.o.„PsychiatrischeNotfallsituationen“,S.60).KrisenkönnenausgelöstwerdendurcheinepsychischeErkrankungselbst(akutePsychosen,DepressionmitSuizidalität,Delirusw.)oderdurchVerlust,TraumaundBedrohung.FolgendeEmpfehlungenkönnengegebenwerden: 1.UnmittelbareOrientierunganderKrisensituation: -ErmittlungvonArt,GradundAusmaßderReaktionenaufseitenderbetroffenenPersonen -BeobachtungundDiskussiondergegenwärtigenSituationdesKlienten;seinekörperlicheVerfassung undSymptome,seinedysfunktionalenGedanken,Gefühle,VerhaltensweisenundsozialenRollen abklären. -IdentifikationdesAnlassesundAufdeckungderdarauffolgendenEreigniskette(Beispielfragen:KönnenSiesichdaranerinnern,wodurchIhrejetzigeSituationausgelöstwurde?HabenSieetwaserlebt,wodurchsichIhreGefühleveränderthaben?HabenSiedanachnochetwasÄhnlicheserlebt, wodurchähnlicheGefühlehervorgerufenwurden?) -ErmittlungderBeschaffenheitundDauerdes»vulnerablestate«,dersubjektivenReaktiondesIndividuumsaufdasursprünglicheEreignissowiederbereitsunternommenenVersuchederProblembewältigung(Beispielfragen:WiehabenSiesichanfangsnachdemEreignisgefühlt?SeitwannbelastetSiediesesEreignissosehr?HabenSieinderFolgezeitschoneineBesserunggespürt?) 2.AnregungenzurkognitivenReflexionderKrise -DiskussionüberdiegegenwärtigeSituation;VentilationvonVerlustgefühlen,Schuldgefühlen,Furcht undÄngsten;EinleitenvonTrauerarbeitusw. -BestimmendersubjektivenBedeutungderSituation;HerauskristallisierendesspezifischenProblems desKlienten;AufzeigenderBeziehungzufrüherenKonflikten(Beispielfragen:WeshalbhatSiedas Ereignissoschwergetroffen?WeshalbquälenSiesichso,obwohldieanderendieSachedochgar nichtalssoschlimmempfinden?HabenSiediesesErlebniszumerstenMalgehabt?) 3.Versuch,dieSituationzuuntergliedernundsichaufeinzelneAusschnittezukonzentrieren -FormulierungdesProblemsundderBedürfnissedesKlientendurchihnselbst -EinschätzendergegenwärtigenSituationdurchdenHelfer -GemeinsamesFestlegendesProblems,dasbearbeitetwerdensoll;DefinitionvonNahzielen;AbsteckendesUmfangsderIntervention;EntscheidungfürdenBeginnderMaßnahme 4.Beginndersozialpädagogisch-psychiatrischenIntervention -ÜberprüfenvorhandenerundakzeptablerAlternativen;Erstelleneinesspezifischen,zeitlichbegrenztenBeratungs-oderTherapieplans -ÜberlegungundEntscheidungüberdieEinbeziehungwichtigerKontaktpersonen -ÜberprüfungweitererRessourceninnerhalbderGemeinde;zusammenfassendeDiskussionüberdie KriterienderIntervention Hilfeplanverfahren FachlichorientierensichHilfeplanverfahrenanzweiZielsetzungen,diezugleicheineAbkehrvon traditionellenVersorgungsformenbewirken: • Hilfeformen:nichtdieFrage,inwelcherEinrichtungistderPatient/Klientambestenunterzubringen,sonderndieFrage,inwelchenBereichenwirdHilfebenötigt(Haushalt,Erledigung 67 bürokratischerFragen,GestaltungdesTagesablaufsusw.)stehtimVordergrund.Hierbei gilt:ambulantvorstationär. • Hilfebedarf:nichtdieFrage,welcheHilfsangebotewerdenregionalvorgehalten,sonderndie Frage,welchenkonkretenBedarfhatderPatient/Klient,istentscheidend.ZurFeststellung desHilfebedarfsgibtesverschiedeneVerfahren(Beispiel:s.Anhang). InderKonsequenzbedeutetdieseineträger-undinstitutionsübergreifendeArbeit,angefangenvon derKenntnisnahmedesHilfebedarfs,dieErmittlungdeskonkretenBedarfs,dieBedarfsmeldung unddieBewilligungdesUmfangsderBetreuungineinerHilfeplankonferenz.AlsBeispielseihier dasVerfahrenimRheinlanddargestellt: ErgebnisdesVerfahrensistdieErstellungeinesintegriertenBehandlungs-undRehabilitationsplans (IBRP),dersichamBehinderungsbegriffderWHOundderBegrifflichkeitderICForientiert. DadiepsychiatrischeVersorgungLändersacheist,sinddieHilfeplanverfahrenindeneinzelnen Bundesländern(leider)sehrunterschiedlich.InBaden-WürttembergwirdfürdenstationärenBereichalsErhebungsinstrumentderHMB-W3eingesetzt.FürdenambulantenBereichexistiertkein einheitlichesVerfahren. DieTendenzgehtzurAnwendungvonInstrumenten,diesichanderTerminologiederICForientieren(ITP=intergrierteTeilhabeplanungoderTHP=individuelleTeilhabeplanung). DieDurchführungvonHilfeplänenistinderPsychiatrieandasVorhandenseingemeindenaherPsychiatrie-Verbündegebunden.SolcheVerbündeexistierennochnichtflächendeckend. BeispielhaftsolldiePlanungimLandkreisEsslingenerwähntwerden(empfohleneInternetseiten: FürdieBedarfsplanung:http://www.landkreis-esslingen.de/servlet/PB/menu/1306717_l1/index.html FürdieDurchführungdesHilfeplangesprächshttp://www.landkreisesslingen.de/servlet/PB/show/1224185/Z.Hilfeplangesprch%20Verfahrensregelungen.pdf). MitderErstellungeinesintegriertenBehandlungs-undRehabilitationsplanswirdnichtnurderfachlicheHilfsumfangfestgelegt,sondernauchderökonomische:ausdemPlanleitetsichz.B.dieAnzahlder„Fachleistungsstunden“fürSozialarbeiterinnenabunddamitdasHonorar. CaseManagement HistorischentstandCaseManagementindenUSAundKannadaauseherökonomischenZwängen herausmitdemZielderRessourceneinsparung. 3 HMB-W=HilfebedarfvonMenschenmitBehinderungen,FragebogenzurErhebungimLebensbereichWohnenundindividuelleLebensgestaltung(entwickeltvonderForschungsstelle„LebensweltenbehinderterMenschen“(Dr.H.Metzler) 68 InDeutschlandbedeutetCaseManagementLotsenfunktion,AuswahlderoptimalenHilfe,BegleitungundÜberprüfungderWirksamkeit–möglichst„ineinerHand“.EsfindetaufzweiEbenen statt: - individuelleHandlungsebene:UnterstützungderKlientenbeiderAuswahlbenötigterHilfen, Hilfeplanverfahren(s.o.),Koordinationevtl.konkurrierenderLeistungsanbieter,Verwaltung einespersönlichenBudgets,usw. - Organisations-/Systemebene:SteuerungdesLeistungseinsatzes,Optimierungderfinanziellen Ressourcen,VernetzungvonSystemenzurErzielungvonSynergieeffekten,Vernetzungan Nahtstellen(z.B.ÜbergangvonstationärerpsychiatrischerKlinikzurTagesklinikoderambulantenDiensten)u.a. CaseManagementistimmerdannerforderlich,wennbeichronischenErkrankungenmitBehinderungoderdrohenderBehinderungkomplexeHilfenerforderlichsind.DapsychischeErkrankungen sehrhäufigzuBehinderungenführen,istCaseManagementindiesemBereichbesonderswichtig. HandlungsschritteimCaseManagementsind: - Einschätzung(Assessment):(Vorläufige)FeststellungdesHilfebedarfsdurchdieEinschätzung derLebenssituationmitdenspezifischenProblemendesKlienten.EinbesonderesAugenmerkliegtaufderQualitätdessozialenNetzes,aufdenSelbsthilfekräftenundvorhandenen Ressourcen.DieEinbeziehungandererDienstekannerforderlichsein(z.B.sozialpsychiatrischerDienst).DasAssessmentistGrundlagederHilfeplanung(Beispiel:s.Anhang). - Planung:AufstellungdesHilfeplansnachdenobenbeschriebenenVerfahrenunterEinbeziehungallerBeteiligten.DarinsindHandlungszieleundAufgabensowiedererforderliche AufwandanPersonal-undSachmittelnverbindlichfestgelegt.Hilfeplänemüssenregelmäßigüberprüftundggf.angepasstwerden. - Durchführung(Intervention):EinerseitsimKontaktmitdemKlienten,andererseitsmitden beteiligtenDienstenkoordiniertderCaseManagerdieeinzelnenInterventionen,führtsie teilweiseselbstdurch(AufklärungundInformation,Begleitung,Verhaltenstraining,Vereinbarungentreffenu.a.).ZielistimmerauchdieStärkungverbliebenerSelbsthilfefähigkeiten. - Kontrolle(Monitoring):HiermitistsowohlSteuerungalsauchÜberprüfungderFallentwicklunggemeint.DiebeteiligtenDienstesinddemCaseManagerrechenschaftspflichtig.Dieser achtetaufEffektivität(Qualität)undEffizienz(Wirtschaftlichkeit)desMitteleinsatzes.FernergehörenInformationundBeratungderDiensteebensowieKonfliktlösungen(zwischen DienstenoderzwischenKlientenundDiensten)zudenAufgaben. - Bewertung(Evaluation):EineabschließendeBewertungdesgesamtenHilfeprozessesisterforderlich,umdenNutzenfürdenKlientenzuprüfenundumgegenüberdenLeistungsträgern(damitauchderÖffentlichkeit)Rechenschaftabzulegen.GrundlageisteinedifferenzierteDokumentation.DasErgebnissolltevierDimensionenberücksichtigen: o o o o Veränderung:washatsichtatsächlichverändert? Umwelt:sozialeAkzeptanzundPraktikabilitätderProblemlösungen SubjektiveDimension(„Kundenorientierung“):ZufriedenheitdesKlienten Zukunft:welcheneuenMöglichkeiten(derLebensgestaltung)wurdenerschlossen? PsychiatrischesCaseManagement(PCM)orientiertsichzunächstandenallgemeinenPrinzipiendes CaseManagements,wiesieobendargestelltwurden.EsexistiertnochkeineinheitlichesVorgehen fürpsychiatrischePatienten/Klienten.EinzelneFunktioneneinesPCMwerdenvonunterschiedlichenInstitutionenundDienstenwahrgenommen: • BetreuernachdenBetreuungsgesetzen:GesetzlicheBetreuermüssenbeihilflosenPersonennichtnurüberAusübungvonZwangentscheiden,sondernauchdarüber,welche 69 Hilfsmaßnahmengeeignetwären.HerrschendePraxisisteineindividuelle(guteoder schlechte)EntscheidungspraxisjenachEngagementdesBetreuers. • PsychiatrischeKliniken:DurchdenZwangzurLiegezeitverkürzung(aufuntersiebenWochen)müssendieKlinikenbereitszuBeginnderstationärenBehandlungdieEntlassPlanungbeginnenunddieweitereVersorgungklären.DiesisteigentlicheinPCMElement. • SozialpsychiatrischerDienst(SPD):DiesenichtinallenBundesländernverfügbarenDienstehabenalsTeilderöffentlichenGesundheitsdiensteunteranderemdieAufgabe,individuelleHilfeundHilfsangebotezukoordinieren.LeiderfehlenauchhierStandards,weshalbdieeinzelnenSPDsdieseAufgabesehrunterschiedlicherfüllen. • PsychiatrischeAmbulanzen:Nebendermedizinischen(Langzeit-)Betreuungumfassendie Aufgabenderseitden80-erJahrenbestehendenAmbulanzenauchdieGesamtbetreuung mitdemAufgabenspektrumeinesSPD.DamitkämediesenAmbulanzenauchPCMFunktionzu. • BetreutesEinzelwohnen:SeitMitteder90-erJahrenexistiertdiesesAngebot,welchesrelativgutausgebautistundElementedesPCMaufweist(beispielhaftseiaufdieInformationdesLandschaftsverbandesWestfalen-Lippeverwiesenunter http://www.lwl.org/spur-download/bag/Berlin_an11.pdf). • ModellregionenimHilfeplanverfahren:DasVerfahrenwurdeobenbeschrieben.Fürdie UmsetzungderindividuellenBehandlungs-undRehabilitationspläne(IBRP)werdenindiesenRegionen„KoordinierendeBezugspersonen“benannt,dieimPrinzipPCM-Funktion haben.InderSchweizwirddasBezugspersonensystemfavorisiert. ErgebnissedesPCMinModellregionensindermutigend:Sokonntez.B.imVersorgungssektor München-SüdbeiMenschenmiteinerPsychoseausdemschizophrenenFormenkreisdiestationäre Behandlungsdauererheblichreduziertwerden,nämlichvon139TagenproJahrauf48Tage.HierbeiwarenIBRPsundFallkonferenzendiewichtigstenElementedesPCM. Psychoedukation PsychoedukationalsSonderformvonVerhaltenstherapiekannzwarvonPsychotherapeutInnengeleistetwerden,invielenFällenjedochgenausogutvonanderenProfessionenimsozialenFeld, wennentsprechendgeschultwurde.InDeutschlandhatsichPsychoedukationdurchSozialarbeiterInnenvoralleminderSuchthilfebewährt.AberauchbeianderenpsychischenErkrankungenist Psychoedukationhilfreich.ImVordergrundstehenInformationsvermittlung,BewältigungsstrategienundKompetenzerweiterung.DurchAufklärungderBetroffenenundihrerAngehörigenüber dieKrankheit,denVerlauf,Behandlungsmöglichkeiten,NebenwirkungenvonMedikamentenusw. wirddasWissenunddamitdieSelbsthilfefähigkeitgestärkt.OftgelingtsodieVermeidungoder frühzeitigeErkennungvonRückfallkrisenbzw.akutenKrankheitsschüben.AuchsteigtdieZuverlässigkeitderPatienten,wasz.B.dieEinnahmevonMedikamentenbetrifft. 70 DieAbbildunggrenztdieBereichePsychotherapie,PsychoedukationundSozialpädagogikvoneinanderab(ausdemLehrbuch„SozialeArbeitinderPsychiatrie“–s.Literaturliste). Psychoedukation,diemeistinGruppenstattfindet,nutztdiePrinzipiensozialerGruppenarbeit.Das VorgehensollteeinemfestenSchemafolgen.Schrittesind: - PlanungderGruppe(Thema,Zielgruppe,institutionellerRahmenusw.) - KlärungderVorgehensweise(Methoden,Informations-undArbeitsmaterial,Referenten, Gruppentyp(offeneodergeschlosseneGruppe),Moderator,Supervisionbzw.fachlicheBegleitung) - VorbereitungderTeilnehmer(Aufklärung,Arbeitsbündnis,Befürchtungen,Ängste,Informationsblattusw.) - Durchführung(SchaffungeinerangenehmenAtmosphäre,strukturierteGruppenleitung, gleichbleibendeAufmerksamkeit) - Evaluation(FeedbackrundeninderGruppeoderAuswertungenmitdefiniertenInstrumenten) BeispielzurDurchführungeinerstrukturierten,psychoedukativenGruppefürPatientenundAngehörigebeiPsychosenausdemschizophrenenFormenkreis: 1.Sitzung:VorstellungderTeilnehmer ErwartungenandieGruppe,aktuelleSituation("Binichhierrichtig?") 2.Sitzung:KrankheitsbegriffundSymptomatik ("IstdasüberhaupteinePsychose?") 3.Sitzung:Ursachen:"SomatischeBrücke" ("WiekannmansichdasZustandekommendieserBeschwerdenerklären?") 4.Sitzung:Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell ("WoherkommtdieseErkrankung?") 5.Sitzung:MedikamenteundNebenwirkungen ("SchadendieseMedikamentenichtmehralssienutzen?") 6.Sitzung:Rückfallschutzbehandlung,FrühwarnzeichenundKrisenplan ("WaskannmanbeidrohendenRückfällenmachen?") 7.Sitzung:PsychotherapieundsoziotherapeutischeMaßnahmen ("KannmandeninnerenKnackpunktfinden?""WelcheUnterstützungsmaßnahmenkommeninFrage?") 8.Sitzung:Wiederholung,offeneFragen,Selbsthilfegruppen,Zukunftsperspektiven WeitereInformationenz.B.unterhttp://www.psychoedukation.net/(diesisteinegemeinsameInternetseitederCharitéBerlin,desSchattauer-VerlagesundderJanssen-CilagAG)–getrenntnach InformationenfürPatienten/AngehörigeundFachkreise. BiographiearbeitamBeispielDemenz DieBiographieeinesMenschenkannalswichtigeRessourceindersozialenArbeitbetrachtetwerden.BeiMenschenmitDemenzerscheinteinegenaueKenntnisderBiographiewichtig,umVerständnisfürdieBetroffenenzuentwickelnundihrVerhaltenundErlebenzuverstehen.NichtzuletztkanndasSelbstvertrauenalterMenschendurchBiographie-Arbeitgestärktwerden.Eskann daraussogarneuerElanfreigesetztwerden,umsichmitderGegenwartauseinanderzusetzen. FernersuchenMenschenmitDemenzhäufignachIdentitätundVertrautheit,dieihnenSicherheit geben,ineinerWelt,dieihnenaufgrunddernachlassendenErinnerungsfähigkeitimmerfremder erscheint.Erinnerungen,dieaufdasLangzeitgedächtniszurückgreifen,gebenihnenHalt.Einean derjeweiligenBiographieorientierteStruktur,dieanGewohnheitenderaltenMenschenanknüpft, schafftVertrautheit.AnalteVorliebenundGewohnheitenoderHobbyskanngutangeknüpftwer71 den,umaltenMenscheneineAufgabezugeben.ZudemkannBiographiearbeitMenschen,deren Gedächtnisimmermehrnachlässt,inihrerIdentitätstärken. AnsätzederBiographiearbeitmitDemenzkrankenkönnensein: - BiographiebezogeneEinrichtungdesZimmers(Bilder,Gegenstände) - AnlegeneinesErinnerungsalbums(wennmöglichgemeinsammitAngehörigen) - Erinnerungspflege:MöglichenThemenreichenvonHeimat,überHobbys,Arbeit,Ausflüge/Reisen,RedewendungenundSprichwörterbishinzuSchulbesuchoderTanztee. - BesondereStrategienundMethodenanwenden o o o o o o o o o VertrauteGegenständebetrachtenundbefühlen FotosundBilderbetrachten(s.a.Erinnerungsalben) VorlesenvonTextenzurVorbereitung/EinstimmungaufeinThema InGruppen:reihumfragen SammlungvonStichpunktenzubestimmtenThemen Zeitschieneanlegen(z.B.aufeinergroßenPapierrolle) MusikundTanz(dieErinnerunganLiedertextebleibtbesonderslangeerhalten) ReimeundRedensarten AktivitätenausdemAlltag(beiFrauenz.B.KochenundBacken) ZielederBiographiearbeitmitdementenMenschensindunteranderem: - VerständnisdesBetroffenenfürseineBiographiefördern -FörderungdesBewusstseinsdereigenenGeschichteunddamitdesSelbstbewusstseins (Be)WahrungdereigenenIdentität -Aufarbeitung/BewältigungderVergangenheit(soweitmöglich) -BedürfnisseinderGegenwarterkennen -VerbesserungderindividuellenKommunikation -ErkennenderlebensgeschichtlichenZusammenhänge -TagesgestaltungaufindividuelleBedürfnisseundWünscheabstimmen -möglichstlangeAufrechterhaltungdessozialenBeziehungsgeflechtes -ZusammenarbeitzwischenKrankenundBetreuernverbessern. b. UnterstützungundHilfeninwichtigenLebensbereichen ImRahmendesVorlesungsthemaswirdaufdieBereicheWohnenundArbeiteingegangen. ZurSelbsthilfes.abSeite90. Wohnen BetreutesWohnen FrüherwarenvieleMenschenmitpsychischenErkrankungendauerhaftinpsychiatrischenAnstalten oderinHeimenuntergebracht.DasBemühengehtheutedahin,die„eigenenvierWände“möglichstlangezuerhalten.DemliegtdieErkenntniszuGrunde,dassdieeigeneWohnungoderbesondereWohnformen(Wohngemeinschaften)derpsychischenStabilitätdienen.Menschenin stabilenWohnverhältnissensindwenigergefährdethinsichtlichRückfällenundKrisen.OberstesZiel istalso,dasselbstständigeWohnendurchambulanteHilfenmöglichlangezuermöglichen. DiePatienten/Klientenlebenentwederallein,mitPartnerInoderinWohngemeinschaften.ImSinne aufsuchenderArbeiterfolgtderregelmäßigeKontaktmitdemBetreuer.IneinemBetreuungsvertragodereinemHilfeplan(s.o.)werdenUmfangundInhaltederBetreuungfestgelegt.DerMietver72 tragistseparaterBestandeil.EntwederdieKlientenwohnenindereigenenWohnung,oderineiner vomTrägerangemietetenWohnung. WelcheFormdesbetreutenWohnensinFragekommt,entscheidetsichnachdemWunschdesBetroffenenundnachseinenEinschränkungen.AlleinodermitPartnerInzuwohnen,wahrtdie größtmöglicheAutonomie,erfordertjedocheinhöheresMaßanAlltagsbewältigung.Geradebei psychischKrankensindnegativeBeziehungserfahrungenhäufigeinHindernis,inWohngemeinschaftenzuleben.RegelverstößeundKonfliktesinddieFolgen. FolgendeAufgabenstellungenfürSozialpädagogen/SozialarbeiterimbetreutenWohnensindzuberücksichtigen: ErhaltdereigenenWohnungalserstePriorität SicherungderMietzahlungen,Mietschuldenregulieren,Behördenangelegenheitenerledigen,Ordnen vonPapierenundUnterlagen,WahrnehmungvonGemeinschaftspflichten(Treppenhausreinigung, Müllentsorgung),Konfliktlösungen(mitHausbewohnern,Vermietern) Alltagsgestaltung StrukturierungdesAlltagsalsstabilisierendesElement,Haushaltsführung,Selbstsorge(Ernährung,Gesundheit),Einkaufen,UnterstützungbeiderSuchenacheinerBeschäftigung(Tagesklinik,RehaMaßnahmenzurTeilhabeamArbeitsleben) FörderungsozialerKontakte EntlastungderBeziehungzwischenBetroffenenundihrenAngehörigen,ErmutigungneuerKontakte unterBerücksichtigungevtl.negativerBeziehungserfahrungen,AusgewogenheitvonNäheundDistanz UmgangmitkrankheitsbedingtenEinschränkungen AkzeptanzderKrankheitunddendarausresultierendenEinschränkungen,EntwicklungvonBewältigungsstrategien,Überforderungenrechtzeitigerkennen,TeilnahmeanpsychoedukativenGruppenanregen,zuregelmäßigerMedikamenteneinnahmeundFacharztbesuchenmotivieren UmgangmitKrisen BeiKrisen(s.PsychiatrischeNotfälleS.60)mussgeprüftwerden,obeinvorübergehenderhöhterBetreuungsaufwandausreicht.AndernfallssindspezielleMaßnahmenderKriseninterventionerforderlich;dieskanndievorübergehendeUnterbringungineiner„Krisenwohnung“erforderlichmachen.Bei Eigen-oderFremdgefährdungistdiestationäreUnterbringungnachdemPsychKGunvermeidlich. Wohnheime DieWohnformenumfassenÜbergangs-undDauerwohnheime.Übergangswohnheimesindinder Regelaufmax.2Jahrebefristet.FernergibtesWohnheimefürspezifischeKlientengruppen(z.B.für MüttermitKindern).ModerneHeimstrukturenbeinhaltenkleineWohngruppenindezentralen HäusernundAppartements.DanebenexistierendieklassischenWohnheimemitmehrerenGroßgruppenineinemGebäude. DieAufgabenstellungensozialerArbeitineinemWohnheimfürpsychischkrankeMenschenumfassen: - GestaltungeinesentwicklungsförderndenMilieus KontaktundBeziehungsgestaltungzwischenBewohnernundMitarbeitern UnterstützungundBeratungimUmgangmitderErkrankung HilfestellungundAnleitungbeiderSelbstsorge(Körperpflege,Ernährung,Kleidung) AufbaueinerTagesstruktur AnregungundFörderungvonArbeitsmöglichkeitenundsinnstiftenderTätigkeit FörderungsozialerKontakteundBeziehungenzuAngehörigen,Bekannten,FreundenundMitbewohnern StabilitätundHaltinKrisensituationen UnterstützungundBeratungbeiBehördenangelegenheiten 73 Arbeit–TeilhabeamArbeitsleben/beruflicheRehabilitation FürdieRehabilitationpsychischKrankeristdieTeilhabeamArbeitslebeneinzentralerBereich.Arbeit gibteineTagesstruktur,dieMöglichkeitsozialerKontakteunddieChance,sichfüreinegewisseZeit vonderpsychischenErkrankungzudistanzieren. ÜbersichtüberZielsetzungenundInstitutionen: o Arbeitstherapie(AT)alsstabilisierendesAngebot, o RehabilitationseinrichtungfürpsychischKrankeundBehinderte(RPK), o beruflichesTrainingszentrum(BTZ), o Berufsförderungswerk(BFW), o WerkstättenfürbehinderteMenschen(WfbM), o begleitendeHilfenimArbeitsleben, o Integrationsfachdienste, o Integrationsfirmen. Arbeitstherapie(AT) PsychischKrankefür„nützliche“undalssinnvollerlebteArbeiteneinzusetzenstabilisiertdenGesundheitszustand,vermeidetRückfälleunderneuteKrankenhausaufenthalte,erhältdieTagesstrukturundfördertdieRehabilitationsfähigkeit.TypischeArbeitsbereichesindz.B.gärtnerische,hauswirtschaftlicheoderhandwerklicheTätigkeiten(Holz,Metall,Schneiderei)sowieBüro-undEDVArbeiten.ATwirdmeistvonErgotherapeutenbetreut,esgibtaberBerührungspunktezursozialen Arbeit.ATkanninstationäremRahmen,teilstationäroderambulanterfolgen.SieistTeildes(medizinischen)Behandlungsplanesundwirdärztlichverordnet.DerzeitlicheUmfangwirddenaktuellen MöglichkeitenangepasstundermöglichtsoeinenniederschwelligenEinstiegindieberuflicheRehabilitation.DiestationärbegonneneATkannteilstationär(WohnenindereigenenWohnung,tägliche FahrtzurEinrichtung)oderambulantfortgesetztwerden.HierfüristeineBelastbarkeitvonarbeitstäglich4-6StundenVoraussetzung.DieBewilligungsdauerbeträgtbis9Monate(nachjeweils3MonatenVerlängerungsantragmitZwischenberichterforderlich). DieberuflicheRehabilitationhatdieRückkehraufdenallgemeinenArbeitsmarktzumZiel.VoraussetzungistdasVorliegenvonRehabilitationsfähigkeit,d.h.einegrundsätzlicheStabilisierungund eineausreichendeBelastbarkeit.BeiderberuflichenRehabilitationhandeltessichimVergleichzur ArbeitstherapieumeinhöherschwelligesundverbindlicheresAngebot.ImFolgendenwerdendie Möglichkeitendargestellt. RehabilitationseinrichtungenfürpsychischKrankeundBehinderte(RPK) DieseregionalunterschiedlichgutentwickeltenEinrichtungenbietenMenschenmitpsychischerErkrankungoderBehinderungmedizinischeundberuflicheRehabilitationinVerbindungmiteinerbegleitendenpsychosozialenBetreuungan,vorwiegendinfolgendenSituationen: - NochnichtausreichendStabilisierungnachKrankenhausaufenthalt - FehlendestabileKontaktezurFamilie,zuFreundenoderzurNachbarschaft.EineselbstständigeLebensführungistnochnichtodernursehreingeschränktmöglich. - UnterbrechungderSchul-undBerufsausbildungdurchdiepsychischeErkrankung - ChronifizierungderErkrankung:NachmehrfachenpsychiatrischenKrankenhausaufenthalten kommtesimmerwiederzuRückfällenunderneutenKlinikunterbringungen.DemKlienten drohtdersozialeundberuflicheAbstiegbzw.dieErwerbsunfähigkeit. ZielistdieIntegrationindenallgemeinenArbeitsmarkt,alternativdieErlangungeinesbeschützten Arbeitsplatzes.DieRPKsverfolgeneinenganzheitlichenAnsatzunterEinbeziehungzahlreicherBe74 rufsgruppenineinmultiprofessionellesTeam(Ärzte,Psychotherapeuten,Ergotherapeuten,Sozialarbeiter,psychiatrischeKrankenschwestern,Krankengymnasten,Beschäftigungstherapeutenund FachkräftefürberuflicheRehabilitation).DieEinrichtungenstehenunterärztlicherLeitung. SozialeArbeitbeziehtsichhieraufUnterstützungundBeratungbeiFragenundProblemenausden BereichenArbeit,FamilieundFreizeit.Sozialarbeiter/SozialpädagogenbietenverschiedeneTrainingsmöglichkeitenimBereichKommunikationundInteraktionanundleistendarüberhinausHilfestellungbeimSchließenkrankheits-oderbehinderungsbedingterBildungslückenundübernehmen dieBegleitungderRehabilitandenwährendihrerPraktika,siehelfenbeiderErmittlungderpsychischenundphysischenLeistungsbreiteunddersozialenAnpassungsfähigkeit.BeruflicheRehabilitationwirdinKooperationmitregionalenPartnernangebotenz.B.alsBerufsfindung,Arbeitserprobung, BerufsvorbereitungoderberuflicheAnpassung. BeruflichesTrainingszentrum(BTZ) DieberuflichenTrainingszentrensindausschließlichEinrichtungenzurberuflichenRehabilitation. Menschen,dieanPsychosen,Neurosen,PersönlichkeitsstörungenoderpsychosomatischenStörungenleiden,sinddieZielgruppen.AusschlusskriteriensindgeistigeBehinderungen,SuchterkrankungenoderhirnorganischeSchädigungen.DieKlientenmüssenmindestens4Stundentäglichbelastbar sein.DasBTZbieteteineVielfaltvonArbeitsplätzenan,diealsTrainingsplätzedenbetrieblichenBedingungenweitestgehendentsprechenunddieAnforderungendeserstenArbeitsmarkteserfüllen. DieTeilnehmerhabendieMöglichkeit,ihre(Arbeits-)FähigkeitenunterrealistischenBedingungenzu testenundzuverbessern.SieerhaltenpsychosozialeBegleitungundergotherapeutischeUnterstützung. FolgendeRehabilitationsleistungenwerdenangeboten: Anpassungsqualifizierung Istsinnvoll,wennbereitseineBerufsausbildungabgeschlossenoderBerufserfahrungerworbenwurdeund derWunschbesteht,indenerlerntenBerufzurückzukehren.DieberuflicheEignungdarfdurchdiepsychische Erkrankungnichteingeschränktwerden.DieMaßnahmedauert12-15MonateundschließtinhaltlichanvorhandeneKenntnissean,diejedochaktualisiertunderweitertwerden. VorbereitungaufeineUmschulungodereineandereAnschlussmaßnahme TeilnehmerdieserMaßnahmehabenaufgrundihrerpsychischenErkrankungentwederkeineAusbildungabgeschlossen,ihrStudiumabgebrochenoderkönnennichtmehrindenerlerntenBerufzurückkehren. Berufsfindung/Arbeitserprobung DiesesAngebotrichtetsichanerkrankteMenschen,dienochnichtoderschonlängernichtmehrerwerbstätigwaren.SieerhaltenHilfestellungenbeiderErmittlungihresBerufswunschesundwerdenbeiderEntwicklungeinesrealistischenSelbstbildesinBezugaufihreArbeitsfähigkeitenunterstützt.GemeinsammitdemKlientenwirdgeklärt,überwelcheFähigkeitenundBegabungenerverfügtundfürwelchenBerufszweigergeeignetist. BeruflicheOrientierung MitdemKlientenwirdgemeinsameineDiagnostikseinerBerufsfähigkeitimRahmenvonFörderlehrgängen oderdreimonatigenFeststellungsmaßnahmendurchgeführtundgeklärt,aufwelchemNiveaueineberufliche RehabilitationodereinberuflicherWiedereinstiegmöglichist. Berufsförderungswerk(BFW) DiesegemeinnützigenBildungseinrichtungenbietenüberbetrieblicheAusbildungenundUmschulungenalsberuflicheRehabilitationan.Menschen,dienacheinerErkrankungoderinfolgeeinesUnfalls inihremerlerntenBerufnichtmehrarbeitenkönnenundumschulenwollen,könnenhiereinenneuenBerufsabschlusserwerben.EswerdenAusbildungenundUmschulungenfürunterschiedlichste Berufeangeboten.InderRegeldauerteineAusbildung24Monateundendetmiteinemqualifizier75 tenAbschlussvorderIndustrie-undHandelskammer.KostenträgersinddieRentenversicherung, AgenturfürArbeitoder(nachBetriebsunfällen)dieBerufsgenossenschaften. NebendenallgemeinenAusbildungs-undUmschulungsmaßnahmen,dienatürlichauchMenschen mitpsychischenErkrankungenoffenstehen,gibtesspezielleAngebotefürMenschenmitpsychischen Erkrankungen.BeispieleausdemProgramdesBFWKöln: ArbeitserprobungundBerufsfindung(Dauer6Wochen) hatzumZiel,dieberuflicheEignung,dievorhandeneBelastbarkeitunddiepersönlichenVoraussetzungen mitdemjeweiligenBerufswunschderTeilnehmerinabzugleichenundgemeinsammitihrPerspektivenzu erarbeiten.WährenddieserZeitstehenAusbilder,PsychologenundSozialarbeiterzurVerfügung.DasErgebniswirddemzuständigenKostenträgermitgeteilt,umggf.dienächstenSchritteeinzuleiten. Rehabilitationsvorbereitungstraining(Dauer10Wochen) VieleMenschenmitpsychischenErkrankungenhabenSchwierigkeiten,sichaufneueSituationeneinzulassen.DasBFWbietetdahereineMaßnahmean,indersichTeilnehmerallgemeinaufdiebevorstehendeberuflicheQualifizierungvorbereitenkönnen.Inhaltlichgehtesdarum,sichandieAusbildungssituationzu gewöhnen,diePersönlichkeitzustärken,dieBelastbarkeitzusteigernundallgemeineberuflicheAnforderungenkennenzulernen.AuchdieserKurswirdvoneineminterdisziplinäremTeamgeleitet(Ausbilder,Psychiater,Psychologe,Sozialarbeiter).DasRehabilitationsvorbereitungstrainingfindetunmittelbarvordem Rehabilitationsvorbereitungslehrgangstatt. Rehabilitationsvorbereitungslehrgang(Dauer12Wochen) UnmittelbarvorBeginndereigentlichenberuflichenQualifizierungbestehtdieMöglichkeit,sichspeziellauf denausgewähltenAusbildungsberufvorzubereiten.ZieledesLehrgangssindnebendemSchließenvonWissenslücken,dieAneignungverschiedenerLernmethoden,dieAufklärungüberaktuelleAnforderungendes ArbeitsmarktesunddieKomplettierungdesBerufsbildes.FernerwerdenFach-undPC-Kenntnissevermittelt. WerkstättenfürbehinderteMenschen(WfbM) WerkstättenfürbehinderteMenschenbietendieMöglichkeiteinerzweijährigenberuflichenRehabilitationmitderAussicht,danachfestübernommenzuwerden.AufgenommenwerdenMenschen,bei deneneinepsychiatrischeErkrankungoderBehinderungvorliegt.AuftragderWerkstättenistdie WiederherstellungderArbeitsfähigkeitunddieStabilisierungderGesundheitmitdemZielderVermittlungdesBeschäftigtenindenallgemeinenArbeitsmarkt.Beschäftigte,diediesenSprungnicht schaffen,habenjedochdieMöglichkeit,weiterinderWerkstatttätigzuseinundsoamArbeitsleben teilzuhaben(beschützterArbeitsplatz). DasAngeboteinerWfBMumfasstinzeitlicherAbfolgedasEingangsverfahren(3Monate),das1. Berufsbildungsjahr(Grundkurs),das2.Berufsbildungsjahr(Aufbaukurs)unddenArbeitsbereich.Über dieInhaltedieserRehabilitationsphasenwirdanandererStelleinformiert. SozialpädagogenundSozialarbeiterinnenimSozialenDienstderWerkstättennehmenfolgendeAufgabenwahr.Sie - sindAnsprechpartnerfürBeschäftigteundGruppenleiterbeiProblemeninnerhalbdesBetriebes - organisierenregelmäßigFallbesprechungen - sindzuständigfürFörderplanung,Rehaverlaufsgespräche,Einzel-undReflexionsgespräche; - übernehmendiePraktikumsbegleitung - bietenBeratung,HilfestellungundVermittlungbeigesundheitlichenProblemen - leistenKriseninterventionundtreffenEntscheidungenüberevtl.erforderlicheMaßnahmen - unterstützendieBeschäftigtenbeiderBeantragungfinanziellerHilfen - haltenKontaktzuBehörden,Kostenträgern,Wohnheimen,BetreuernundAngehörigen. 76 Alsweitere,begleitendeHilfenimArbeitslebensindIntegrationsfachdiensteundIntegrationsfirmen zunennen.DieswirdausgeführtaufSeit89-90.EinezusammenfassendeÜbersichtüberdiedargestelltenInstitutionengibtdiefolgendeTabelle: 6.RehabilitationpsychischErkrankter MöglichkeitenzurTeilhabeamArbeitslebenalseinzentralerBereichderRehabilitationpsychisch Krankerwurdenbereitsbeschrieben.HierwirddieRehabilitationpsychischKrankerinsgesamtabgehandelt. a. PsychischeStörungenundBehinderung EinepsychischeBehinderungliegtvor,wennalsFolgeeinerpsychischenStörungnichtnurvorübergehenderheblicheBeeinträchtigungenindenBereichenderAlltagsbewältigung,derErwerbsfähigkeitunddersozialenIntegrationauftreten. DieHäufigkeitvonpsychischenStörungenistgrößeralsallgemeinangenommenwird: –MehralseinDrittelderBevölkerungleidetirgendwanneinmalimLebenaneinerpsychischenErkrankung. –EtwazehnProzentderBevölkerungbegebensichjährlichwegeneinerpsychischenStörunginambulanteärztlicheBehandlung.DavonwirdderüberwiegendeTeilvonHausärztenbehandelt. –EtwafünfProzentder16-bis64-jährigenBevölkerungsuchenjährlichwegeneinerpsychischenStörungeinenPsychiater,NervenarztodereinenPsychotherapeutenauf. –EtwaeinProzentderVersichertendergesetzlichenKrankenversicherung(ohneKinderundRentner) wirdjährlichwegeneinerpsychischenErkrankungdurchschnittlich36Tagearbeitsunfähig. –MehralseinhalbesProzentderBevölkerungwirdjährlichwegeneinerpsychischenErkrankunginpsychiatrischenKlinikenaufgenommen. –EtwaeinhalbesProzentderBevölkerungbenötigteinelängerfristigeBehandlung,Rehabilitation,BegleitungundUnterstützungaufgrundeinerschweren,chronischverlaufendenpsychischenErkrankung oderBehinderung. DiefolgendeAbbildungveranschaulichtunterBezugnahmeaufdieInternationaleKlassifikationder Funktionsfähigkeit,BehinderungundGesundheit(ICF)beispielhaftdieunterschiedlichenmöglichen AuswirkungenundFolgeneinerpsychischenErkrankungundlässtdieWechselwirkungzwischen 77 denEbenenderFunktionen,derAktivitätenundderTeilhabeanLebensbereichenerkennen.Die ErmittlungdesHilfebedarfserfordertdahereinegenaueKenntnisderPersondeserkrankten Menschen,dervorhandenenundbeeinträchtigtenFähigkeitenundFertigkeitensowiedessozialen UmfeldesmitdenvielfältigenWechselwirkungen. b. RehabilitationszieleundRehabilitationsfähigkeit Rehabilitationsziele.ZielvonLeistungenzurTeilhabe(Rehabilitationsleistungen)ist,denpsychisch krankenoderbehindertenMenschenzubefähigen,einmöglichsteigenständigesLebenineinem Umfeldzuführen,dassonormalwiemöglichist.DazusollenHilfenbeitragen,um –dieverbliebenenFähigkeitenoptimalzunutzen, –beeinträchtigteFähigkeitenwiederoderkompensatorischeFertigkeitenneuzuentwickeln bzw.sichfehlendeFähigkeitenanzueignen, –sozialeBenachteiligungenauszugleichen. 78 TeilzieleindiesemkomplexenProzessbeinhalten –ZieledermedizinischenRehabilitation, –Krankheitsbewältigung, –VerhinderungvonPflegebedürftigkeit, –gesellschaftlicheEingliederung, –ErlangungderTeilerwerbsfähigkeit, –HerstellungdervollenErwerbsfähigkeit. DerRehabilitationserfolglässtsichinsbesondereandemAusmaßbeurteilen,indemjemand –arbeitet, –häuslicheundfamiliäreVerantwortungübernimmt, –Freizeitsinnvollnutzenkann, undsoinsgesamtZufriedenheitmitseinemLebenerreicht.IndieserZielsetzungbefasstsichRehabilitationmitderRealisierungbefriedigendersozialerRollen. MedizinischeRehabilitation BeidermedizinischenRehabilitationgehtesdarum, - möglichstfrühzeitigFunktions-undAktivitätsstörungenzubeseitigen,zuvermindernodereine Verschlimmerungzuverhütenoder - drohendeoderbereitsmanifesteTeilhabestörungenzuvermeiden,zubeseitigen,zuvermindernodereineVerschlimmerungzuverhüten. DiemedizinischeRehabilitationzieltnichtnuraufVerbesserungderalltagsrelevantensondernauch derberufsbezogenenFunktions-/Aktivitätsstörungen(erheblicheGefährdungderErwerbsfähigkeit). Krankheitsbewältigung EinsichtineinepsychischeErkrankungoderBehinderungzuentwickelnunddenUmgangmitder Krankheitzulernen,istinderRegelfürdenpsychischerkranktenMenschenmitvielfältigenKränkungenverbunden.IndemsichdieeigenePersonalsschwach,verletzlich,krank,eingeschränktund behindertherausstellt,erfährtdasohnehingestörteSelbstwertgefühleineerneuteBeeinträchtigung.ImUnterschiedzusomatischkranken/behindertenMenschenkönnenbeipsychischkranken undbehindertenMenschenFähigkeitengestörtsein,diefürdenProzessderKrankheitsbewältigung wichtigsind.KrankheitsbewältigungerfordertzunächstdasAkzeptierenderDiagnoseundderStörungalsErkrankung.DerProzessderKrankheitsbewältigungwirdgeprägtvon - derAuseinandersetzungmitderSituationderErsterkrankung,derErfahrungderDiagnose,den AuswirkungenderErkrankungaufdieeigeneLebensgeschichte, - derAufarbeitungvonErfahrungenderEtikettierungundStigmatisierung,derErfahrungenvon AusgrenzungundsozialerEntwurzelung, - demRingenumeinrealistischesSelbstbildjenseitsvonSelbstüberschätzungundUnterschätzung, - derFragenachKontaktenundBeziehungenzuanderenMenschen,derFragevonPartnerschaft, - derAuseinandersetzungmitdenAngehörigenunddasBemühenumAbstandundVersöhnung mitihnen, - derAngstvordemSterbenunddenSehnsüchtendanach, - demWunschnacheinem„normalen“Leben,unabhängigvonBehandlungundBetreuungund denÄngstenundBefürchtungenvoreinemeigenverantwortlichenLeben. 79 VerhinderungvonPflegebedürftigkeit JenachArtundAusprägungderpsychischenErkrankungundBehinderungkönneninunterschiedlichemAusmaßBeeinträchtigungeninderFähigkeitzueinereigenverantwortlichenundselbständigenLebensführungvorübergehendoderauchfüreinenlängerenZeitraumauftreten. DasRehabilitationszielderVerhinderungvonPflegebedürftigkeitbeinhaltetpositivformuliertden Erhaltbzw.dieErlangungderimEinzelfallgrößtmöglichenSelbständigkeitundUnabhängigkeitvon Pflege.EsstehendieHilfenzurStabilisierungderPersönlichkeitundzureigenverantwortlichenAlltagsbewältigungimVordergrund. NebendermöglichstrealitätsnahenFörderungundErprobungalltagspraktischerFähigkeitenund FertigkeitenkommenhierbeiMaßnahmenderAktivierungundderkörperlichensowiederpsychischenStabilisierungbesondereBedeutungzu.DapsychischerkrankteundbehinderteMenschen häufigauchunterStörungeninderBeziehungzuundinderWahrnehmungihreseigenenKörpers leiden,sindnebensozio-undmilieutherapeutischenMaßnahmenauchphysio-undbewegungstherapeutischeHilfenzurErkundungundErprobungdeseigenenKörpersunddamitdereigenenKräfte undFähigkeitenerforderlich. SofernderEintrittvonPflegebedürftigkeitnichtvermiedenwerdenkann,istauchhierderGrundsatz„ambulantervorstationärerHilfe“zuberücksichtigen,daineinervonderNotwendigkeitder AlltagsbewältigunggeprägtenUmgebungamehestenAnreizezurErlangunggrößererSelbständigkeitentstehen.SoistfüreinenDemenzkrankenderVerbleibinvertrauterUmgebungwesentlich besser,umFähigkeitenzuerhalten.DementsprechendistjeweilsimEinzelfallzuprüfen,inwieweit eineBetreuungdurchambulanteEinrichtungenundDienstemitpsychiatrischqualifiziertemPersonalmöglichist.DielängerfristigeUnterbringungineinervollstationärenEinrichtung(Pflegeheim) solltenurdanninBetrachtgezogenwerden,wennunterAusschöpfungderambulantenHilfenkeineausreichendeStabilisierungundEntlastungmöglichist. TeilhabeamLebeninderGesellschaft BereitsdieBewältigungderscheinbarselbstverständlichenAufgabendesalltäglichenLebenskann fürpsychischerkrankteundbehinderteMenscheneinegroßeAnforderungdarstellen–auchwenn siegrundsätzlichüberdasdafürnotwendigeWissenunddienotwendigenFertigkeitenverfügen.So kannessein,dasssieaufgrundihrerwechselndeninnerenBefindlichkeithinsichtlichihrereigenen Fähigkeitenverunsichertsind,sichauchbeiderBewältigungderalltäglichenAufgabennichtauf sichselbstverlassenunddurchinnereIrritationendabeibeeinträchtigtwerdenkönnen. DasAlltagslebenenthälteinerseitseinegroßeVielfaltvonsozialenRollen,dieesauszufüllengilt, wie: –imfamiliärenZusammenhang(z.B.alsMutter,Vater,SohnoderTochter), –imFreundes-undBekanntenkreis(z.B.alsGastgeberoderGast,alsGesprächspartneroderPartnerfürgemeinsameUnternehmungen), –imBereichdesWohnensalsMieteroderEigentümereinerWohnung, –imBereichderAlltagsbewältigungundderSelbstversorgung(z.B.alsKundeinGeschäftenund beiBanken), –imsportlichen,kulturellenodergeselligenBereich(z.B.alsVereinsmitglied,Theater-oderKinobesucher,GasteinesRestaurants), –imsozialenundpsychiatrisch/psychosozialenBereich(z.B.alsAntragstellerbeiBehörden,als NutzervonAngeboten). 80 DerAlltagistauchvonderBewältigungregelmäßigwiederkehrenderHandlungsabläufegeprägt, z.B.demEinkaufen,derZubereitungvonMahlzeiten,derKörper-undKleiderpflege,darüberhinaus aberauchvonbesonderenTätigkeiten,wiederPflegevonInteressenundHobbys. DasSpektrumdesmöglichenHilfebedarfsumfasstu.a.Hilfenzur –AlltagsbewältigungundSelbstversorgung, –TagesstrukturierungundFreizeitgestaltung, –FörderungderBeziehungsfähigkeitundsozialerKontakte, –Inanspruchnahmenotwendigermedizinischer,sozialeroderpsychiatrischerAngebote, –FörderungvonNeigungenundInteressen,z.B.imkulturellenodersportlichenBereich. JenachArt,AusprägungundUmfangdesHilfebedarfssindunterdemAspektdermöglichstalltagsnahenGestaltungderHilfen –vorrangigambulanteHilfen(z.B.SozialpsychiatrischeDienste,PsychosozialeKontakt-undBeratungsstellen,ambulantepsychiatrischeKrankenpflege,Soziotherapie,ambulanteRehabilitation, Institutsambulanz,BetreutesWohnen)und/odersolcheAngebote,dieeinVerbleibenimeigenenLebensumfeldermöglichen(z.B.tagesklinischeBehandlung,Tagesstätten)inAnspruchzu nehmenunderst –nachrangigstationäreAngebote(z.B.Rehabilitationseinrichtungen,Übergangswohnheime). TeilhabeamArbeitsleben ArbeitundstrukturierteBeschäftigungsindinsbesonderefürMenschenimerwerbsfähigenAlter vonzentralerBedeutung.KeineandereeinzelneAktivitätistsovielfältigundkomplexinihrerpsychologischen,sozialenundmateriellenBedeutung.Arbeitvermittelt –einGefühlfürpersönlicheLeistungundKönnendurcherfolgreicheBewältigungäußererAnforderungenunddieErfüllungderErwartungenanderer, –eineMöglichkeit,sichineinernormalenRollezubetätigenunddamiteinenGegenpolzurRolle desPatientenzubilden, –eineinfachzuerkennendesKriteriumfürGenesungvonKrankheit, –einGefühlfürsozialenStatusundIdentität, –sozialeKontakteundUnterstützung, –StrukturfürdenTages-undWochenablauf(Arbeit/Freizeit,Wach-undSchlafrhythmus), –EntlohnungunddamitfinanzielleAnerkennungsowieHandlungsspielräumedurcheigenesGeld. DieservielschichtigenundweitreichendenBedeutungvonArbeitistauchbeiverminderteroder eingeschränkterLeistungsfähigkeitdurchRehabilitationsangeboteunterderPerspektivedesErhalts oderderErlangungeinesArbeitsplatzes–möglichstaufdemallgemeinenArbeitsmarkt–Rechnung zutragen. DieZielederLeistungenzurTeilhabeamArbeitsleben(beruflicheRehabilitation)sindjenachLage desEinzelfalles ➔aufdemallgemeinenArbeitsmarkt –derErhaltdesArbeitsplatzes(z.B.durchbegleitendeHilfen,arbeitsplatzerhaltendesCaseManagement), –dieBeschäftigungaufeinemanderenArbeitsplatz(z.B.beruflicheAnpassung,Weiterbildung), –dieWiedereingliederungoder –dieEingliederungaufeinemArbeitsplatz,ggf.beibehinderungsgerechterGestaltungdesArbeitsplatzes; ➔aufdembesonderenArbeitsmarkt(z.B.ineinerWerkstattfürbehinderteMenschen) 81 –dieAufnahmeeinerBeschäftigungoder –derErhaltderBeschäftigung. ÜberdieeinzelnenMaßnahmen(konkreteHilfenzurTeilhabeamArbeitsleben)wurdebereitsausführlichinformiert(s.o.–S.73-77). SozialeSicherung SofernderpsychischerkrankteoderbehinderteMenschnichtinderLageist,seineInteressenund Ansprüchehinsichtlichder –SicherstellungdermateriellenExistenz,insbes.GeltendmachungvonfinanziellenAnsprüchen aufderGrundlagevonLeistungsgesetzen(z.B.gegenüberdemKranken-oderRentenversicherungsträger,demSozialhilfeträgeroderderArbeitsagentur); –Erlangungbzw.demErhalteinerWohnung selbstwahrzunehmen,istdiesemBereichbesondereAufmerksamkeitdurchdieBeteiligungder entsprechendenSozialenDienstezuwidmen. UmeinenetwaigenBedarfanHilfenzursozialenSicherungermittelnzukönnen,istdieserBereich beiderInanspruchnahmevonpsychiatrischenDienstenundEinrichtungenregelmäßigzuklären. InsbesonderebeieinerstationärenKrankenhausbehandlungistz.B.zuklären,ob –derpsychischkrankeundbehinderteMenschz.B.eineeigeneWohnunghatunddiefortlaufendeZahlungderMietegesichertist, –demArbeitgeberdieArbeitsunfähigkeitmitgeteiltwurde. Rehabilitationsfähigkeit.BeiderRehabilitationpsychischerkrankterundbehinderterMenschenist ebensowiebeianderenErkrankungenundBehinderungenvondenGrundsätzenauszugehen,dass dieRehabilitationsleistungenmöglichst –frühzeitigeinsetzen(sobaldderindividuelleRehabilitationsbedarfentsteht), –ganzheitlich(durchIntegrationallerimEinzelfallnotwendigenHilfen), –nahtlos(durchGewährleistungderKontinuitätimZugangwieauchinnerhalbderverschiedenenLeistungsartenderRehabilitation)und –bedarfsgerecht(entsprechenddenErfordernissendesEinzelfalles) erbrachtwerden.DabeisinddieGrundsätzezuberücksichtigen: –ambulantevorstationäreHilfen(Wohnortnähe), –RehabilitationvorRente, –RehabilitationvorPflege. WesentlichesInstrumentzurUmsetzungdieserGrundsätzeundzurAbklärungdesRehabilitationsbedarfsimEinzelfallistdieErarbeitungeineszielorientiertenRehabilitationsplans,dermitdemRehabilitandenundallenanseinerBehandlungundRehabilitationbeteiligtenFachkräftenabgestimmt ist(IBRP–s.o.Hilfeplanverfahren). LeistungenzurmedizinischenRehabilitationsinddannerforderlich,wennLeistungenderambulantenundstationärenKrankenbehandlungeinschließlichderVerordnungvonArznei-,Heil-und Hilfsmitteln,darunterauchdieSoziotherapie,zurVerbesserungderFunktionsfähigkeit,derFörderungderAktivitätenundderTeilhabechancenanLebensbereichennichtausreichen. FüralleLeistungsgruppen(medizinischeRehabilitation,TeilhabeamArbeitslebenundTeilhabeam LebeninderGemeinschaft)gilt,dassdiesenurinBetrachtkommen,wenndieindividuelle –Rehabilitationsbedürftigkeitund –Rehabilitationsfähigkeitund –positiveRehabilitationsprognose 82 festgestelltbzw.eingeschätztwurdenundeinrealistischesRehabilitationszielformuliertwerden konnte. Rehabilitationsbedürftigkeit Rehabilitationsbedürftigkeitbesteht,wennalsFolgeeinerBeeinträchtigungderKörperfunktionen und-strukturen(hierinsbesonderediepsychischenFunktionsstörungen)und/oderEinschränkungenderAktivitätendieTeilhabeanLebensbereichenbedrohtoderbeeinträchtigtist.AuchbeistationärerpsychiatrischerBehandlungistdieReha-Bedürftigkeitzuklären.InsbesonderedieTatsachewiederholterAufenthalteinpsychiatrischenKrankenhäusernbeinhalteteinenoffenkundigen HinweisaufeinedrohendeodereingetreteneChronifizierungeinerpsychischenErkrankungbzw. Behinderung. MaßgebendfürdieErmittlungdesindividuellenRehabilitationsbedarfssowiefürdiesozialmedizinischeBeurteilungsindnichtdieDiagnosennachICD-10,sondernArtundUmfangeinerdrohenden odereingetretenenBehinderungundderenAuswirkungenaufdiepersönliche,familiäre,soziale undberuflicheSituation.HierzuisteinemehrdimensionaleDiagnostikerforderlich,dienebendem Krankheitsbildauchdiepersönlichen,beruflichenundsozialenFolgenderErkrankungberücksichtigt(nachderICF).EinedifferenzierteErfassungdernotwendigenAngabenwirdzumTeilerstwährendderDurchführungrehabilitativerMaßnahmenmöglichsein. Rehabilitationsfähigkeit DerBegriffderRehabilitationsfähigkeitbeziehtsichaufdiekörperlicheundpsychischeVerfassung desRehabilitanden(Motivation/MotivierbarkeitundBelastbarkeit)fürdieTeilnahmeaneinergeeignetenLeistungzurRehabilitationundTeilhabe. DieRehabilitationsfähigkeitistdurcheineärztliche(sozialmedizinische)Begutachtungfestzustellen alsVoraussetzungfürdieGewährungvonLeistungenzurRehabilitationundTeilhabe.DavielepsychischeErkrankungeneinensehrwechselndenVerlaufzeigen,könnensichRehabilitationsfähigkeit und-bedarfwandeln.Diesistzuberücksichtigen. StabilisierungimAlltagundbeiderAlltagsbewältigungsinddiedieVoraussetzungenfürdieEinleitungerfolgversprechenderLeistungenzurTeilhabeamArbeitsleben.DerEinleitungvonLeistungen zurTeilhabeamArbeitslebensollteeineErprobungderberuflichenBelastungsfähigkeit–z.B.im RahmendesArbeitstrainings(Arbeitserprobung)–vorausgehen. IndiesemZusammenhangkommtderInformationundAufklärungdespsychischkrankenundbehindertenMenschenwieauchseinerAngehörigenüberSinnundZielvoninBetrachtkommenden MaßnahmengroßeBedeutungzukommt,umdenBetroffenenzurMitwirkungunddieAngehörigen zurUnterstützungzugewinnen. DieseAufklärungübergeplanteLeistungenzurRehabilitationundTeilhabesolltehandlungsorientierterfolgen.Ausgangs-undBezugspunktbildendabeieinerseitsdievorhandenen,andererseits diebeeinträchtigtenbzw.nichtvorhandenenFähigkeitenundFertigkeiten,dieeswiederbzw.neu zuentwickelngilt.DabeisindjeweilsklareundmöglichstrealistischeZieleanzustreben,dieinnerhalbeinesüberschaubarenZeitraumserreichtwerdensollen. Rehabilitationsprognose DieRehabilitationsprognoseisteinemedizinischbegründeteWahrscheinlichkeitsaussageaufder BasisderErkrankung,desbisherigenVerlaufsundderRückbildungsfähigkeitunterBeachtungund FörderungderpersönlichenRessourcen(Rehabilitationspotenzial)überdieErreichbarkeiteines festgelegtenRehabilitationsziels –durchgeeigneteLeistungenzurRehabilitationundTeilhabe, –ineinemnotwendigenZeitraum. 83 WährendfrüherdieRehabilitationsfähigkeitunddieErfolgsaussichtenbeipsychischenErkrankungenundBehinderungenoftunterschätztwurden–wasbeieinemchronischenVerlaufderErkrankungvielfachineineNegativprognosemündete–,weisendieneuerenStudiensowohlbeiErst-und Wiedererkrankungenwieauchbeiz.T.jahrzehntelanghospitalisiertenpsychischbehindertenMenschenaufRehabilitationserfolgehin. c. HilfenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen ZurFeststellungdesHilfebedarfswerdenimRahmenderRehabilitationsdiagnostikverschiedene Verfahrenangewandt.EinFragenkatalogistimAnhangbeispielhaftwidergegeben.AufdieErstellungeinesIntegriertenBehandlungs-undRehabilitationsplanes(IBRP)wurdeimRahmendesHilfeplanverfahrensbereitshingewiesen. Grundprinzipien: –Problemdefinition DiemöglichstgenaueErfassung undBeschreibungdesProblems, BeschreibungdesProblemsunter BezugaufdieangestrebteindividuelleLebensform. –Zieldefinition DieErmittlungundAbstimmung einesangestrebten(undrealisierbaren)Ziels(ggf.unterBerücksichtigungvonTeilzielen),dasinnerhalbeinesüberschaubarenundzu vereinbarendenZeitraumserreicht werdensoll. –MittelzurZielerreichung DieFestlegungvongeeignetenund notwendigenMaßnahmenzurZielerreichung. –ÜberprüfungderZielerreichung DiesestehtamEndeeinesjeden ProblemlösezirkelszumAbschlusseinerMaßnahmeoderzueinemvereinbartenZeitpunktalsGrundlage fürdennächstenProblemlösezirkel. ImFolgendenwerdendiekonkretenHilfenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschenals ÜbersichtmitkurzenErläuterungendargestellt.TeilweisewurdendieInstitutionenbereitsoben beschrieben(SozialeArbeitinderPsychiatrieS.72ff). 84 Krankenbehandlung -Niedergelassenepraktische-undAllgemeinärzte SindvielfachersteAnlaufstellenfürpsychischKranke.BeileichtgradigenErkrankungenoderBefindlichkeitsstörungenkanndieBehandlungausreichen(sog.psychosomatischeGrundversorgung),andernfalls bestehtdieAufgabedarin,denPatientenandierichtigeStelle(Facharzt)zuverweisen. -niedergelasseneFachärztefürPsychiatrieundPsychotherapie -FachärztefürNervenheilkunde(Nervenärzte) -FachärztefürPsychosomatischeMedizinundPsychotherapie -FachärztefürKinder-undJugendpsychiatrieund–psychotherapie DieFachärztlicheVersorgungumfasst: –Diagnostik, –BeratungauchunterEinbeziehungvonBezugspersonen, –Einzel-undGruppengespräche, –Pharmakotherapie, –psychosomatischeGrundversorgung, –Psychotherapie, –NotfallbehandlungundKrisenintervention, –VerordnungvonErgotherapie,Soziotherapie,häuslicherKrankenpflege. EinigeÄrztehabenüberdasinderärztlichenPraxisüblichePersonalhinauszusätzlichspezifischeFachkräfte(z.B.fürKrankenpflege,Soziotherapie)indereigenenPraxisoderkönnenimBedarfsfalldaraufzurückgreifen. -NiedergelassenePsychotherapeuten(ärztlicheoderpsychologischePsychotherapeuten) DieBerufsbezeichnungPsychotherapeutistseitdem1.Januar1999gesetzlichgeschützt.Siedarfnur nochvonÄrzten,PsychologischenPsychotherapeutenoderKinder-undJugendpsychotherapeutengeführtwerden.ImBereichderGesetzlichenKrankenversicherunggehörtdiePsychotherapiezudenLeistungen,dieimRahmendervertragsärztlichenVersorgungerbrachtwerden.NähereszurIndikation,ZielsetzungundDurchführungsowiedenzugelassenenBehandlungsverfahreneinerpsychotherapeutischen Behandlungistinden„Psychotherapie-Richtlinien“geregelt. -PsychiatrischeKliniken DiePsychiatrie-Personalverordnungbasiertaufeinemrehabilitativausgerichtetenmehrdimensionalen Behandlungskonzept,dassichindieBereicheAllgemeinePsychiatrie,AbhängigkeitskrankeundGerontopsychiatriegliedert,diedannjeweilswiederuminsechsBehandlungsbereicheuntergliedertsind: –Regelbehandlung, –Intensivbehandlung, –RehabilitativeBehandlung, –LangdauerndeBehandlungSchwer-undMehrfachkranker, –Psychotherapie, –TagesklinischeBehandlung. TagesklinischeBehandlungerfüllteineBrückenfunktionzwischenvollstationärerundambulanterBehandlung.DieBehandlungkommtfürPatienteninBetrachtanStelleodernachstationärerBehandlung, wenn –durchstationäreBehandlungeinegewisseStabilisierungeingetretenist, –einAufenthaltwährendderAbend-undNachtstundensowieamWochenendeinhäuslicherUmgebungmöglich,aber –eineambulanteBehandlungnichtodernochnichtausreichendist. PsychiatrischeInstitutsambulanzen Institutsambulanzen(§118SGBV)sindanpsychiatrischeKrankenhäusersowieanAllgemeinkrankenhäusermitselbständigen,fachärztlichgeleitetenpsychiatrischenAbteilungenmitregionalerVersorgungsverpflichtungangegliedert.IhrvorrangigesZielbestehtinderVermeidungvonKrankenhausaufenthaltenund 85 derVerkürzungderKrankenhausverweildauer.SiezeichnensichdurchdiemultiprofessionelleZusammensetzungdesMitarbeiterteams(z.B.Facharzt,PsychologischerPsychotherapeut,Sozialarbeiter/Sozialpädagoge,(Fach-)Krankenpflegekraft)aus. -Soziotherapie-Leistungserbringer BeidenLeistungserbringernvonSoziotherapiehandeltessichumSozialarbeiter/Sozialpädagogenoder FachkrankenpflegekräftefürPsychiatrie,diedieseTätigkeithauptberuflichausüben,hierübereinenVertragmitdenKrankenkassenbzw.derenLandesverbändenabgeschlossenhabenundineingemeindepsychiatrischesVerbundsystemodervergleichbareVersorgungsstruktureneingebundensind. -Ergotherapie-Praxen Arbeits-undBeschäftigungstherapiegehörtzudentherapeutischenDienstleistungen,dieunterdieHeilmittelfallen.SeitAugust1990kanndieseLeistungfürpsychischkrankeoderbehinderteMenschenauch ambulantdurchniedergelasseneErgotherapeutenerbrachtwerden. -Pflegedienste AmbulantePflegeeinrichtungen(teilweisesindauchandereBezeichnungengebräuchlich,wiez.B.Sozialstation,Hauskrankenpflege,ZentrumfürpflegerischeDienste)erbringenambulanteLeistungenimBereichderhäuslichenKranken-,Haus-,Familien-undAltenpflege.Sieverfügenübereinbreitgefächertes Leistungsangebot,dasinderRegelfolgendeBereicheumfasst: –häuslicheKrankenpflege(gem.§37SGBV)alsLeistungderKrankenbehandlung, –HilfezurPflegenachBSHG, –Haushaltshilfenach§38SGBV. IneinigenBundesländernbzw.RegionenverfügendieDienstezurhäuslichenKrankenpflegeschonseit längeremüberpsychiatrischqualifiziertesPersonalundbieteninsbesonderezurVermeidungoderVerkürzungvonKrankenhausaufenthaltensowiezurSicherungdesZielsderärztlichenBehandlungvorallembei chronischpsychischerkranktenMenschenHilfeninderhäuslichenUmgebung. MedizinischeRehabilitationundTeilhabeamLebeninderGemeinschaft -RehabilitationseinrichtungenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen(RPK) DieEinrichtungenwurdenbereitsoben(S.74)imZusammenhangsozialerArbeitbeiLeistungenzurTeilhabeamArbeitslebenvorgestellt.DasVersorgungsangebotumfasstauchärztlicheBehandlung,Psychotherapie,Beschäftigungstherapie,ArbeitstherapieundBelastungserprobung,Krankenpflege,Bewegungstherapie,TrainingderFähigkeitenzurselbständigenLebensführungsowieberufsvorbereitendeMaßnahmenundArbeitstrainingimRahmeneinerintegriertenKomplexleistung.HierzuverfügendieRehabilitationseinrichtungenübereininterdisziplinäresTeam,bestehendausÄrzten,Psychologen,Krankenpflegefachkräften,Sozialarbeitern/Sozialpädagogen,nichtärztlichenTherapeutenundFachkräftenfürberufsbezogeneHilfen/Maßnahmen. -Psychosomatisch-psychotherapeutischausgerichteteRehabilitationseinrichtungen Diessindz.B.diePsychosomatischenRehabilitationsklinikenderRentenversicherungsträger.Schwerpunkt istdieRehabilitationvonneurotischenoderpsychosomatischenErkrankungen,Persönlichkeitsstörungen oderAnpassungsstörungenimRahmenvonLebenskrisen.EinpsychotherapeutischorientiertesRehabilitationsangebotz.B.fürRehabilitandenmitschizophrenenPsychosenwirdimRahmendermedizinischen RehabilitationnurineinzelnenRehabilitationseinrichtungenvorgehalten.HierbestehenrechthoheAnforderungenhinsichtlichderpsychischenStabilitätderRehabilitandenundderpsychotherapeutischen KompetenzsämtlicherMitarbeiterdesRehabilitationsteams.ImRahmeneinesintegrativen,biopsychosozialenRehabilitationsansatzesliegtderBehandlungsschwerpunktvorallemimverbalenundinteraktionellenBereich;ergänzendkommenübende,aktivitätsförderndeundkreativtherapeutischeElementezum Einsatz.TherapeutischeInterventionenerfolgenvorwiegendinoffenerbzw.geschlossenerGruppenform. -SozialpsychiatrischeDienste IndenmeistenBundesländernsindSozialpsychiatrischeDiensteBestandteildesöffentlichenGesundheitswesensundorganisatorischandiekommunalenbzw.staatlichenGesundheitsämterangegliedert.Sie 86 nehmenhierinderRegelauchhoheitlicheAufgaben(BeteiligungamUnterbringungsverfahren)nachden LandesgesetzenüberHilfenundSchutzmaßnahmenfürpsychischKranke(PsychKG)bzw.denUnterbringungsgesetzenderLänderwahr.SozialpsychiatrischeDiensteverfügeninderRegelübereinmultiprofessionellesTeam(Facharzt,Sozialarbeiter/Sozialpädagogenund/oderpsychiatrischeKrankenpflegefachkräfte,z.T.Psychologen),dessenpersonelleAusstattungteilweisevonRegionzuRegionunterschiedlichist. BadenWürttembergundBayernhabeninBezugaufSozialpsychiatrischeDiensteeinenSonderwegbeschrittenmitzumTeilspezifischenAufgabenstellungen. -EinrichtungenmitKontaktstellenfunktion/PsychosozialeKontakt-undBeratungsstellen DieAufgabenderEinrichtungenmitKontaktstellenfunktionsindjenachBundeslandunterschiedlichausgerichtetundverbreitet.SiearbeitenzumeistimVerbundmitanderengemeindepsychiatrischenHilfeangeboten(beispielsweiseTagesstätte,AngebotedesBetreutenWohnens)undbietenpsychischkranken undbehindertenMenscheneinenniedrigschwelligenZugangzuBeratung,BetreuungundHilfe.IhrAngebotsspektrumumfasstinsbesondereBeratung,auchfürAngehörigeundBezugspersonenundunterBerücksichtigungderregionalenBesonderheitenggf.auch –HilfenzurTagesgestaltung, –lebenspraktischesTraining, –Arbeits-undBeschäftigungstherapie, –HilfezumErhaltundzumAufbauzwischenmenschlicherBeziehungen, –HilfenzurSicherungvonhäuslichenundmateriellenAnsprüchen. -Tagesstätten FürTagesstättenbestehtindeneinzelnenBundesländernkeineeinheitlicheKonzeption,zumTeilwerden ineinigenRegionenauchoffeneKontakt-undBetreuungsangebotealsTagesstättebezeichnet.TagesstättenalsteilstationäreEinrichtungverfügeninderRegelübereinkleinesmultiprofessionellesTeamohne ärztlicheMitarbeiterundbietenvorrangigchronischpsychischkrankenundbehindertenMenschenein AngebotzurTagesstrukturierung,dasinderRegel –Arbeits-undBeschäftigungstherapie, –FörderungalltagspraktischerFähigkeitenundFertigkeiten, –FörderungderKontakt-undBeziehungsfähigkeit, –FörderungderNeigungenundInteressenimBereichderFreizeitgestaltung(kulturelleundsportlicheAktivitäten)sowie –sozialeBeratungumfasst. DasAngebotwendetsichanehemaligepsychiatrischePatienten,dieeinenumfassendenBedarfanBetreuunghaben,fürdiedasAngeboteinerbegleitendenundaktivierendenHilfe(z.B.durchbetreute Wohnangebote)odereinernachgehendenambulantenBetreuung(z.B.durchSozialpsychiatrischeDienste)nichtausreichtunddienochnichtdiehinreichendeStabilitätundBelastbarkeitfüreinregelmäßiges Arbeits-undBeschäftigungsangeboterlangthaben. -BetreuteWohnangebote(BetreutesWohnen):Einzelwohnen,Paarwohnen,Wohngemeinschaften BetreuteWohnangebotehabensichindenBundesländernmiteinerVielfaltunterschiedlicherOrganisationsformen,konzeptionellerOrientierungenundpersonellerAusstattungenentwickelt.Dieherkömmlich zumeistangebotsbezogenvereinbartenPersonalausstattungenvariierenbundesweitzwischen1:2,5und 1:15,wobeiessichinderRegelauchbeieinerintensiverenBetreuungdurchFachkräfte(zumeistSozialarbeiter/Sozialpädagogen,Krankenpflegefachkräfte,z.T.auchPsychologenundErgotherapeuten)umein ambulantesHilfeangebothandelt,dasjenachZielgruppeundKonzeptionzumeistauchaufeinelängerfristigeBetreuungentsprechenddemBedarfdesEinzelfallesausgerichtetist.IneinigenBundesländern habenintensiverbetreuteWohnangeboteinFormvonWohngemeinschaftendenStatuseinesteilstationärenHilfeangebotes.DieärztlicheVersorgungerfolgtinderRegeldurchniedergelasseneFachärzteoder Institutsambulanzen.DasBetreuungsangebotumfasstbeiallenbetreutenWohnangebotenHilfeundFörderungimBereichalltagspraktischerFähigkeitenundFertigkeitenmitdemZieleinermöglichsteigenständigenLebensführungsowiesozialeBeratungundUnterstützungbeiderSicherungderfinanziellenund sonstigenLebensgrundlagen:GeltendmachungvonAnsprüchenauffinanzielleLeistungenwiez.B.Hilfe 87 zumLebensunterhalt,Rente,UnterhaltsgeldsowievonAnsprüchenaufHilfenindenBereichendermedizinischenVersorgungunddersozialenund/oderberuflichenHilfen. ZumbetreutenWohnensieheauchdieSeiten7–73! -Übergangseinrichtungen InderRegelhandeltessichumEinrichtungen,indenenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen zeitlich–inderRegelaufzweibisdreiJahre–begrenztRehabilitationsleistungenangebotenwerden. AufnahmefindendiesePersoneninsbesondereimAnschlussaneinestationäreBehandlung,wennsiegezielterrehabilitativerHilfenundFörderungzurErlangungweitergehenderSelbständigkeitbenötigen.Die ÜbergangseinrichtungenverfolgendasZiel,psychischkrankeundbehinderteMenschenzufördernundin ihrerSelbstbehauptungundBelastbarkeitsozustabilisieren,dasssie–einegrößtmöglicheSelbständigkeit undFähigkeitzueinereigenverantwortlichenLebensführung(Wohnen,Alltagsbewältigung)erreichen,– beruflichindenallgemeinenoderbesonderenArbeitsmarktintegriertwerdenkönnen.Schwerpunkteder inÜbergangseinrichtungenangebotenenHilfenliegenimBereichmilieu-undsoziotherapeutischerAngebotezurFörderungsozialkommunikativerFähigkeiten,derpersönlichenStabilitätundderFertigkeitenzur Alltagsbewältigung.MaßnahmenzurBelastungserprobungimVorfeldderberuflichenRehabilitationund MaßnahmenimBereichderberuflichenRehabilitationwerdenzumeistinKooperationmitanderenEinrichtungenundDienstensichergestellt(z.B.Tageskliniken,Tagesstätten,Werkstättenfürbehinderte Menschen,SelbsthilfefirmenundArbeitstrainingsmaßnahmenaufdemallgemeinenArbeitsmarkt). DasLeistungsspektrumüberlapptsichvorallemmitdemvonAngebotendesBetreutenWohnensundder RehabilitationseinrichtungenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen(RPK). -Wohnheime SieheauchS.73. FürpsychischkrankeundbehinderteMenschen,diezwarnichtmehrstationärbehandlungsbedürftigsind, jedochvorübergehendoderauflängereSichteinerBetreuungrund-um-die-Uhrbedürfen,stehenWohn- undPflegeheimefürbehinderteMenschenzurVerfügung.DieWohnheimefürbehinderteMenschensind –jenachdemspezifischenBedarfderBewohner–hinsichtlichderBetreuungsintensitätundderinternen Ausgestaltungunterschiedlichstrukturiert.Zumeinenwerdenchronischpsychischkrankeundbehinderte Menschenaufgenommen,diemehrjährigestationäreAufenthalteinKlinikenbzw.RehabilitationseinrichtungenhintersichhabenundinihrerFähigkeitzurselbständigenLebensführungundAlltagsbewältigung weiterhinerheblichbeeinträchtigtsind. ZumanderengibtesdenSchwerpunktinderFörderungvonbehindertenMenschen,dieaufdemallgemeinenoderdembesonderenArbeitsmarkttätigsindodernachentsprechenderFörderungtätigwerden können.DieseEinrichtungenkonzentrierensichkonzeptionellaufdieVersorgungundFörderunginden arbeitsfreienZeiten.DieärztlicheVersorgungderBewohnererfolgtinderRegelambulantdurchniedergelasseneÄrzte HilfenzurTeilhabeamArbeitsleben LeistungenzurTeilhabeamArbeitslebenwerdendannerbracht,wenndieAussichtenberuflichtätigzuwerdenoderzubleiben,infolgeeinereingetretenenoderdrohendenBehinderungnichtnur vorübergehendwesentlichgemindertsindunddeshalbbesondereHilfenerforderlichsind.DiezahlreichenberufsförderndenLeistungenreichenz.B.vonderbehinderungsspezifischenAusstattung desArbeitsplatzesbiszuumfassendenWeiterbildungsmaßnahmen.DieLeistungenzurTeilhabeam Arbeitslebensindvorallemdaraufausgerichtet,denBetroffenenmöglichstaufDaueraufdemallgemeinenArbeitsmarkteinzugliedern. -Integrationsämter MitdemSGBIXsinddieHauptfürsorgestellen–bezogenaufihreLeistungenausderAusgleichsabgabe– inIntegrationsämterumbenanntworden.DieVerwendungderAusgleichsabgabeistin§102SGBIXsowie inderSchwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnunggesetzlichfestgelegt.SiedarfnurzurFörderung derTeilhabeschwerbehinderterMenschenamArbeitslebeneingesetztwerden,einschließlichderDurch- 88 führungvonAufklärungs-,Schulungs-undBildungsmaßnahmen.VorrangigwirdsiefürdiebegleitendeHilfeimArbeitslebenverwendet,mitderschwerbehindertenMenscheneinangemessenerPlatzimArbeitslebengesichertwerdensoll. ImRahmenderbegleitendenHilfewerdensowohlLeistungenanschwerbehinderteMenschenalsauchan Arbeitgeber,dieihrerBeschäftigungspflichtGenügetun,erbracht.BeidenindividuellenLeistungenan schwerbehinderteMenschenbildentechnischeArbeitshilfendengrößtenPosten.BeiLeistungenanArbeitgeberspielendieSchaffungvonArbeits-undAusbildungsplätzen,diebehindertengerechteEinrichtungvonArbeits-undAusbildungsplätzensowieLeistungenbeiaußergewöhnlichenBelastungen(Lohnkostenzuschüsse)einezentraleRolle.DasIntegrationsamtkannbeiderDurchführungderbegleitenden HilfenimArbeitslebenIntegrationsfachdiensteeinschließlichpsychosozialerDienstefreiergemeinnütziger EinrichtungenundOrganisationenbeteiligen. -IntegrationsfachdiensteundbegleitendeHilfeimArbeitsleben BeidenIntegrationsfachdienstenhandeltessichumeinennochrelativneuen„Baustein“innerhalbder Institutionen,dessenAufgabenimSGBIXerstmalsgesetzlichgeregeltwordensind(§§109ff.SGBIX).IntegrationsfachdienstesindDiensteDritter(insbesondereinTrägerschaftvondenVerbändenderFreien Wohlfahrtspflege),diebeiderDurchführungvonMaßnahmenzurTeilhabeschwerbehinderterMenschen imAuftragderBundesanstaltfürArbeit,derRehabilitationsträgerundderIntegrationsämterbeteiligt werden. AufgabensindBeratung,UnterstützungundVermittlungschwerbehinderterMenschenwieauchInformationundBeratungvonArbeitgebern.Diesumfasstkonkret –dieFähigkeitenderzugewiesenenschwerbehindertenMenschenzubewertenundeinzuschätzenund dabeieinindividuellesFähigkeits-,Leistungs-undInteressenprofilzurVorbereitungaufdenallgemeinenArbeitsmarktzuerarbeiten, –geeigneteArbeitsplätzeaufdemallgemeinenArbeitsmarktzuerschließen, –dieschwerbehindertenMenschenaufdenvorgesehenenArbeitsplatzvorzubereitenundsie–solange erforderlich–amArbeitsplatzoderbeimTrainingderberufspraktischenFähigkeitenamkonkretenArbeitsplatzzubegleiten, –mitZustimmungdesschwerbehindertenMenschendieMitarbeiterimBetrieboderderDienststelle überArtundAuswirkungderBehinderungundüberentsprechendeVerhaltensregelnzuinformieren undzuberaten, –eineNachbetreuung,KriseninterventionoderpsychosozialeBetreuungdurchzuführen, –alsAnsprechpartnerfürdenArbeitgeberzurVerfügungzustehen. -Integrationsprojekte IntegrationsprojektesindrechtlichundwirtschaftlichselbständigeUnternehmen(Integrationsunternehmen)odervonöffentlichenArbeitgeberngeführteBetriebe(Integrationsbetriebe)oderAbteilungen(Integrationsabteilungen)zurBeschäftigungschwerbehinderterMenschenaufdemallgemeinenArbeitsmarkt,derenTeilhabeaneinersonstigenBeschäftigungaufdemallgemeinenArbeitsmarktaufGrundvon ArtundSchwerederBehinderungvoraussichtlichaufbesondereSchwierigkeitenstößt. BegriffundAufgabenderIntegrationsprojektesindmitdemSGBIXerstmalsrechtlichgeregeltworden(§§ 132ffSGBIX).IhreVorläuferhabendieIntegrationsprojekteinden„Integrationsfirmen“bzw.„Selbsthilfefirmen“,dieseitden80-erJahrenalsArbeitsangeboteinsbesonderefürpsychischerkrankteundbehinderteMenschengegründetwurden,dienichtodernochnichtinderLagesind,denAnforderungenund demDruckdesallgemeinenArbeitsmarktesStandzuhaltenoderdieaufdemallgemeinenArbeitsmarkt keineStellegefundenhaben. DieArbeitsbedingungensindhinsichtlichderGestaltungderArbeitszeit,desArbeitsklimasundderArbeitsorganisationsogestaltet,dasssiedenspezifischenBedürfnissendesPersonenkreisesentsprechen. IntegrationsprojektebietenArbeitsplätzedesallgemeinenArbeitsmarktes,diesichimWesentlichenüber dieamMarkterzieltenErlösefürerbrachteDienstleistungenoderproduzierteWarenfinanzieren.DanebenkommenFörderungendurchdieIntegrationsämterinBetrachtfürInvestitionskosten,AusgleichszahlungenbeiverminderterLeistungsfähigkeitderbehindertenMenschenundfürdenBetreuungsaufwand. 89 WesentlicheVoraussetzungfürdieAufnahmeeinerBeschäftigungineinemIntegrationsprojektistdieFähigkeitdesBetroffenen,mitseinerArbeiteinengewissenMindestlohnzuerwirtschaften,dadieseFirmen marktorientiertundwirtschaftlicharbeitenmüssen.DieBezahlungorientiertsichandeninderjeweiligen BrancheüblichenTariflöhnen. -Zuverdienstfirmenund-angebote ZuverdienstfirmenwendensichinsbesondereanpsychischkrankeundbehinderteMenschen,dievorübergehendoderauchfürlängereZeitdemallgemeinenArbeitsmarktnichtodernurbedingtzurVerfügungstehen.GemeinsamistallenZuverdienstangeboten,dasssiedieMöglichkeitzubezahlterstundenweiserBeschäftigungeröffnen.ZuverdienstangebotebestehenimBereichderIntegrationsunternehmen, danebenaberauchteilweiseinEinrichtungendergemeindepsychiatrischenVersorgung(beispielsweisein Tagesstätten). -RehabilitationseinrichtungenfürpsychischkrankeundbehinderteMenschen(RPK) Wurdenbereitsbesprochen(medizinischeRehaS.86,beruflicheRehaS.74) -BeruflicheTrainingszentren(BTZ) SieheSeite75. -Berufsbildungswerke,Berufsförderungswerke(BBW,BFW) SieheSeite75.ZurDifferenzierungvonBBWundBFW: BerufsbildungswerkesindEinrichtungenderberuflichenRehabilitation.SiedienendererstmaligenBerufsausbildungvornehmlichjugendlicherbehinderterMenschen,dienurineineraufihreBehinderungsart undderenAuswirkungeneingestelltenAusbildungsorganisationundbeieineraufdiejeweiligenBelange ausgerichtetenkontinuierlichenausbildungsbegleitendenBetreuungdurchÄrzte,Psychologen,SonderpädagogenundandereFachkräftederRehabilitationzueinemAusbildungsabschlussnachdemBerufsausbildungsgesetzunddadurchzurEingliederungaufdemallgemeinenArbeitsmarktbefähigtwerden können. BerufsförderungswerkesindüberregionaleundüberbetrieblicheRehabilitationseinrichtungen.Siedienen inersterLiniederberuflichenWeiterbildung(z.B.Qualifizierungsmaßnahmen)behinderterErwachsener, dienichtdurchbetrieblicheoderallgemeineLeistungenfürnichtbehinderteMenschenweitergebildet werdenkönnen.DieEinrichtungenverfügennebendenAusbildungsstättenüberbegleitendemedizinische,psychologischeundsozialeDiensteundermöglichensomitnotwendigeentsprechendebegleitende HilfenundbietendarüberhinausFreizeit-undSportmöglichkeitenfürbehinderteMenschen.DieMaßnahmensindinderRegelgegenüberderüblichenAusbildungszeitaufzweiJahreverkürzt. -WerkstättenfürbehinderteMenschen(WfbM) SieheSeite76. Selbsthilfegruppen,Angehörigengruppen -Selbsthilfegruppen SelbsthilfegruppenvonundfürMenschenmitpsychischenStörungenundErkrankungenfindenerstin denletztenJahrenzunehmendVerbreitung.ZudenälterenSelbsthilfegruppengehörendie„Emotions Anonymous“,dienachdemVorbildderAnonymenAlkoholikerentstandensind.WichtigeImpulsezum AufbauvonSelbsthilfegruppengingenundgehenzumeinenvondenvielerortsgeschaffenen„SelbsthilfeKontakt-undBeratungsstellen“(teilweisevoneigenenVereinengetragen,teilweisebeidenKommunalverwaltungenangegliedert,mancherortsauchbeidenKrankenkassen)undschließlichvondem1992gegründeten„BundesverbandPsychiatrie-Erfahrenere.V.“aus.NebendemZusammenschlussaufBundesebenebestehenzwischenzeitlichauchinfastallenBundesländernLandesverbände.NebenderInteressenvertretungisteinwesentlichesAnliegendiesesZusammenschlussesdieFörderungvonörtlichen Selbsthilfegruppen. -Angehörigengruppen AngehörigengruppenhabensichineinergroßenVielfaltentwickeltundinsgesamtdazubeigetragen,die Mit-BetroffenheitderAngehörigenvonderpsychischenErkrankungeinesFamilienmitgliedeszuverdeutli- 90 chenunddieNotwendigkeitihrerEntlastungundEinbeziehungbeiderBehandlungundRehabilitation herauszustellen.Angehörigengruppen,diesichzumgrößtenTeilimBundesverbandunddenLandesverbändenderAngehörigenpsychischKrankere.V.zusammengeschlossenhaben,besteheninzwischenin denmeistenRegionen.EinewichtigeAufgabedieserGruppenliegtindergegenseitigenUnterstützung, demErfahrungsaustauschunddergemeinsamenInteressenvertretung.DarüberhinausistdasAngebot einerAngehörigengruppeinzahlreichenpsychiatrischenDienstenundEinrichtungenzueinemfestenBestandteilgeworden.SiedieneneinerseitsderFörderungdergegenseitigenUnterstützungundEntlastung derAngehörigen,andererseitsderInformationz.B.überspezifischeAspektepsychischerErkrankungen undBehinderungensowieüberBehandlungs-undRehabilitationsleistungen. -„Psychose-Seminare“ EinebesondereFormderSelbsthilfeaktivitätensinddie„Psychose-Seminare“,dieindenletztenJahren vergleichsweiseschnellVerbreitunggefundenhaben.Eshandeltsichumsogenannte„trialogische“ Zusammenkünfte–„aufgleicherAugenhöhe“–vonMenschenmitPsychose-Erfahrung,Angehörigen, psychiatrischenFachkräftenundinteressiertenBürgern.SietragendenNamen„Seminar“,weilessichin derRegelumeinezuBeginnfestgelegteZahlvonTreffenhandelt.ImMittelpunktstehtdieAuseinandersetzungmitundderErfahrungsaustauschüberdasErlebeneinerPsychoseausderSichtder(Mit-)Betroffenenbzw.Beteiligten. -Patientenclubs/Bürger-undLaienhilfe PatientenclubssindeinoffenesKontakt-undFreizeitangebot,daszumeistvonpsychischerkrankten und/oderbehindertenMenschenimZusammenwirkenmitehrenamtlichtätigenBürgern(Bürger/Laienhelfer)organisiertundgestaltetwird.Gruppentreffs,gemeinsameGesprächeundUnternehmungen bietenKontaktmöglichkeiten,GelegenheitzumpersönlichenInformations-undErfahrungsaustauschund vermittelnAnregungenzurLebensgestaltung.Patientenclubssindorganisatorischhäufigambulanten DienstenundEinrichtungenangegliedertundwerdenvondiesenStellenzumTeilmitbegleitet.DasehrenamtlicheEngagementvonBürgernunddieeigenverantwortlicheOrganisationvonUnternehmungenin denPatientenclubsbeinhalteneinewichtigeBrückenfunktionzurGemeindeundderErschließungund FörderungnatürlicherHilfspotentiale. 91 Literatur(Bücher) → EmpfohlenesLehrbuch: LehrbuchSozialeArbeitinderPsychiatrievonMarianneBosshard,UrsulaEbert,undHorstLazarus (GebundeneAusgabe-April2010)–PsychiatrieVerlag(EUR29,95) → SehrausführlichesStandardwerk: PsychiatrischeRehabilitationvonCh.LauberundWulfRössler(GebundeneAusgabe-5.Juli2004)– Springer-Verlag(EUR49,95) → Basiswissen: Psychiatrie,PsychosomatikundPsychotherapie:Fürpsycho-sozialeundpädagogischeBerufevon AlexanderTrostundWolfgangSchwarzer(GebundeneAusgabe-Juni2009)–VerlagModernesLernen(EUR25,50) KlinischeSozialarbeitunddiesozialeDimensionderPsychiatrie:VonderExistenzsicherungzum GelingenvonJosefSchoerghofer(Taschenbuch-2.April2010)-VDMVerlagDr.Müller(EUR49,99) SozialeArbeitinderPsychiatrie(Uni-TaschenbücherS)vonMargretDörr(Broschiert-1.Oktober 2005)–UTB-Verlag(EUR16,90) SozialeArbeitimArbeitsfeldPsychiatrie:EineEinführungvonJensClausen,Klaus-D.Dresler,und IlseEichenbrenner(Taschenbuch-November1997)–LambertusVerlag(EUR21,60) DieSozialePsychiatriealsTätigkeitsfeldfürdieSozialeArbeitvonChristianDreker(Broschüre- 2006)–GRIN-Verlag(EUR13,99) DerKlientenzentrierteAnsatzinderpsychosozialenArbeitvonMarcusThomsen(Broschiert-Oktober2007)–GRIN-Verlag(EUR11,99) ADHSimJugendalter:Grundlagen,InterventionenundPerspektivenfürPädagogik,Therapieund SozialeArbeitvonHannesBrandauundWolfgangKaschnitz(Broschiert-Mai2008)–JuventaVerlag (EUR18,-) ADHSbeiErwachsenen:DiagnostikundBehandlungvonAufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung.vonGerhardW.LauthundWolf-RüdigerMinsel(Broschiert-12.August2009)–HogrefeVerlag (EUR39,95) ADHS-RatgeberfürErwachsenevonDieterPützundKlausGehrmann(Broschiert-März2006)-HogrefeVerlag(EUR19,95) SuizidprophylaxebeipsychischenStörungen:Prävention-Behandlung-BewältigungvonAsmus Finzen(Taschenbuch-1997)–PsychiatrieVerlag(EUR16,90) SuizidprophylaxebeipsychischenStörungenvonAsmusFinzen,AndreasFrei,UlrikeHoffmannRichter,undUlrikeHoffmann-Richter(Taschenbuch-1997)–ThiemeVerlag(EUR16,90) 92 Anhang Fragenkatalog:Erkrankung/BehinderungundHilfebedarf4 DernachstehendeFragenkatalogveranschaulichtdieBedeutungeinerpersonen-undlebensfeldbezogenenBetrachtungsweise.ErillustriertzugleichexemplarischdieAspekteundLebensbereiche,die imRahmenderRehabilitationsdiagnostikvonzentralerBedeutungsind.EinensystematischenLeitfadenzurErhebungundBeschreibungdesRehabilitationsbedarfsenthältder„IntegrierteBehandlungs- undRehabilitationsplan“(IRBP–s.o.) WelcheSymptome/Schädigungenliegenvoraus –fachlicherSicht? –SichtdeskrankenundbehindertenMenschen? –SichtderBezugspersonen? EntfaltungderPersönlichkeit –IstdieFähigkeitzurSelbstwerteinschätzungbehindert/eingeschränkt? –BestehteineNeigungzupsychischenFehlhaltungenundFehlreaktionen? –LiegteinegehemmteodergesteigerteAggressivitätvor? –BestehteinelabileStimmung? –LiegenStörungenimBereichderSexualitätvor? –InwelchemUmfangverfügtderBetroffeneüberNeigungenundFähigkeitenzurAusgestaltungseinesLebensundseinespersönlichenLebensraumes? –VerfügtderBetroffeneüberdieFähigkeit,sichselbsteinfühlendzuerleben? –WiewerdenpsychischeStörungenoderBehinderungen(insbesondereauchinihrenAuswirkungenhinsichtlicheinerverändertenLebensplanung)vondemBetroffenenverarbeitet? ZusätzlicheandereErkrankungen –BestehenzusätzlicheorganischeKrankheiten? –WelcheBeziehungenbzw.WechselwirkungenbestehenzwischenorganischenErkrankungenunddenpsychischenStörungen? –GibtesHinweiseaufAlkohol-,Drogen-und/oderMedikamentenmissbrauchoder-abhängigkeit? Biologisch-psychologischeVeränderung(sofernsomatischeKrankheitsanteilevorliegen) –WiewerdendiesomatischenKrankheitsanteileverarbeitet? –ErfolgteineFixierungauforganischeKrankheitsbilder? –WelchenStellenwerthatdersomatischeKrankheitsfaktorimsozialenZusammenhang? –LiegenwechselndeorganischeStörungenvor? –HandeltessichumeinepsychosomatischeReaktionsbildung? –HabenMedikamenteAnteilansomatischenBeschwerden,ggf.welchen? LebenspraktischeFertigkeitenhinsichtlicheinerselbstständigenLebensführung,istderBetroffene hinsichtlicheinerselbstständigenLebensführunginderLage, –seinepersönlichenInteressenauszudrückenundzuverwirklichen? –sichausreichendmitLebensmittelnzuversorgenundMahlzeitenzuzubereiten? –seineWohnung/seinZimmerzupflegen? –sichundseineKleidungzupflegen? –wirtschaftlichmitseinemEinkommenzuhaushalten? –öffentlicheAngebote(z.B.imkulturellen,psychosozialenBereich)inAnspruchzunehmen? 4 DerKatalogwurdeentwickeltinAnlehnunganFrageninden„EmpfehlungenfürdiesozialmedizinischeBeurteilungpsychischerStörungen“,herausgegebenvomVerbandDeutscherRentenversicherungsträger,2001,und das„ManualFähigkeiten,FähigkeitsstörungenundBeeinträchtigungen“inKruckenberg/Kunze1999. 93 –ggf.notwendigeInformationen(z.B.beiBehörden)einzuholen? –eigenverantwortlichärztlichverordneteMedikamenteeinzunehmen? FamiliäreIntegration –UnterhälterKontaktzuseinenElternundGeschwistern? –BestehenAblösungsschwierigkeitenvondenEltern? –WohnteralsErwachsenernochbeidenEltern? –WurdenPartnerbeziehungenaufgebautundwiesindsieverlaufen? –LebtergetrenntvomEhepartner/inScheidung? –ErfährterUnterstützungvomPartner/vonseinerFamilie? –VerhältsichdieFamilieüberbehütend? –SprichterKonflikteinderFamilie/Partnerschaftanundträgtsieaus? –UnterhältervonsichausKontaktzuweiterenVerwandten? AußerfamiliäresozialeIntegration –WieistseineWohnsituation(allein,ineinerWohngemeinschaft;Lage,GrößeundAusstattungderWohnung)? –BestehteinfesterFreundeskreisamWohnort? –UnterhälterKontaktezuNachbarnundanderenPersonenimWohngebiet? –NimmtervonsichausKontakteauf? –SprichterKonfliktemitNachbarnoderanderenPersonenanundträgtersieaus? –NimmteramöffentlichenLebenteil(Vereine,Besuchvonkulturellen,sportlichen,politischenVeranstaltungen)? BeruflicheLeistungsfähigkeit –IstderBetroffeneinderLage,seineerworbenenQualifikationeneinzusetzen? –IstderBetroffeneamgegenwärtigenArbeitsplatzüber-oderunterfordert;ggf.:worinbestehtdieÜber- oderUnterforderung? –LiegeninfolgederpsychischenStörungen/organischerStörungen/MedikamenteneinflüsseBeeinträchtigungeninderberuflichenBelastbarkeit/Leistungsfähigkeitvor? SozialeIntegrationamletztenoderderzeitigenArbeitsplatz –EntsprichtderArbeitsplatzdemLebensziel,demAusbildungsniveau? –WieistdasVerhältniszuVorgesetzten/Kollegen/Mitarbeitern? –ArbeitetderBetroffeneaneinemisoliertenArbeitsplatz,andemsichwenigKontaktezuanderenMenschen ergeben? –SinddieArbeitsanforderungenzuhoch/zuniedrig? –UnterhältderBetroffenewährendderArbeitregelmäßigKontaktzuanderen Kollegen–zuVorgesetzten? –EntziehtersichdemKontaktzuKollegen? –SprichterKonflikteamArbeitsplatzvonsichausanundversuchtersiezulösen? –BringtderBetroffeneseineInteressenzumAusdruck,versuchtersiedurchzusetzen? –WirdderBetroffeneinArbeitsabsprachenmiteinbezogen? –WirderanGesprächen(z.B.UnterhaltunginPausen)beteiligt? –WirderumseineMeinungoderseinenRatgefragt? –WirddieIntegrationamArbeitsplatzdurcheineveränderte/beeinträchtigteSelbstwerteinschätzungbehindert? 94