SCHILDDRÜSEN KRANKHEITEN BEI ÄLTEREN MENSCHEN Schilddrüsenkrankheiten im Alter sind tückisch und werden oft verkannt Aufnahme: The Stock Market Alte Menschen sind besonders gefährdet Krankheiten der Schilddrüse sind die häufigsten Störungen des endokrinen Systems – auch im Alter. Symptome schleichend und verschleiert Anscheinend harmlose Alterserscheinungen können Alarmsignale sein. Denn verschleiert hinter der Altersmaske entwickelt sich oft langsam eine schwere Schilddrüsenkrankheit. Lehrbuchwissen versagt Das Beschwerdebild und der Verlauf von Schilddrüsenkrankheiten sind im Alter selten so typisch ausgeprägt wie bei jüngeren Menschen. Deshalb werden Schilddrüsenkrankheiten im Alter oft zu spät erkannt. Die bedeutendsten Störungen imAlter Die Schilddrüse altert früh. Bereits mit dem 30. bis 40. Lebensjahr beginnt langsam ein Umwandlungsprozeß. Das Drüsengewebe schrumpft, atrophiert und degeneriert. Es bilden sich Knoten, Zysten und Verkalkungen. Auch der Regelkreis zwischen Hypophyse und Schilddrüse läßt im Alter in seiner Funktion nach. Dies hat auch zur Folge, daß sich die Konzentration der Hormone aus Hypophyse und Schilddrüse im Blutkreislauf verändert (bei Frauen und Männern unterschiedlich). Damit wird auch erklärbar, daß die entsprechenden Schilddrüsenhormon-Tests (T3, T4, TSH) bei älteren Menschen nicht mehr mit denen Fatale Folgen möglich Eine Verzögerung der richtigen Diagnose kann für die Schilddrüsenkranken schwerwiegende gesundheitliche Störungen nach sich ziehen. Schwere Eingriffe vermeidbar Insbesondere Operationen, die gerade für ältere Menschen ein erhöhtes Risiko darstellen, sind in vielen Fällen verzichtbar, wenn die Schilddrüsenkrankheit rechtzeitig erkannt wird. jüngerer Menschen übereinstimmen. Bei gesunden alten Menschen sind diese Veränderungen relativ diskret und betreffen besonders ein Absinken der T4-Konzentration um etwa 20 Prozent. Bei alten Menschen mit Begleiterkrankungen (sogenannte Multimorbidität) können diese Veränderungen jedoch wesentlich stärker sein und die Interpretation der Testergebnisse erheblich beeinflussen. Deshalb ist es nicht erstaunlich, daß bei vielen Menschen jenseits des 60. Lebensjahres eine reduzierte Versorgung mit Schilddrüsenhormonen vorliegt, und zwar bei Frauen fünfmal häufiger als bei Männern. Mit zunehmendem Alter entstehen schließlich auch vermehrt Krankheiten der Schilddrüse – Belastungen, mit denen gerade der alternde Organismus schwer fertig wird. Die im Alter bedeutendsten Störungen sind die Schilddrüsenunterfunktion oder Hypothyreose, und die Schilddrüsenüberfunktion oder Hyperthyreose, die jeweils verschiedene Ursachen haben können. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt auch das Schilddrüsenkarzinom. Hypothyreose – Schilddrüsenunterfunktion Was fällt beim Patienten auf? Sehr trockene Haut Starke Blässe von Haut und Schleimhäuten L Gesichts- und Lidödeme L Deutlich verlangsamter Pulsschlag L Tiefe Stimme L L Worüber klagt der Patient? Müdigkeit, Verlangsamung, Gedächtnisschwierigkeiten, Wandlung von Stimme und Sprache, Veränderungen der Haut und Schwellungen an den Augenlidern, Frieren, mangelnde Schweißbildung. Medizinische Merkmale, die auf das Krankheitsbild einer Hypothyreose hinweisen Störungen im Bereich peripherer Nerven und/oder Muskeln (Neuropathie, Myopathie) L Zentralnervöse Ausfälle, die unter dem Begriff »Demenz« eingeordnet werden L Oft rasch zunehmende Haltungs- und Bewegungsstörungen (Ataxie) L Akute Verschlechterung einer Schwerhörigkeit L Verstärkung und Auslösung von »depressiven Zuständen« L Verstopfung (Obstipation durch verminderte Darmbewegung) L Undefinierbare »Magenbeschwerden« L Gallensteinleiden L »Rheumatische Beschwerden« infolge Verschlechterung bereits bestehender Erkrankungen des Bewegungsapparates L Schwer behandelbare Anämie L Herzbeschwerden (Kardiomyopathie mit oder ohne Insuffizienz); Rhythmusstörungen, besonders mit starker Verlangsamung des Pulsschlages (Bradykardie); beides spricht auf die übliche Behandlung kaum an. L Daran denken und nachforschen Die beschriebenen Symptome können jeweils ganz isoliert auftreten oder sich auch über viele Jahre (vier bis sechs Jahre) nach und nach entwickeln. Selbst der Hausarzt hält diese allmählichen Veränderungen oft für »natürliche Alterserscheinungen«. Alte Menschen betreuen heißt auch immer, sorgsam auf Zeichen von Schilddrüsenkrankheiten zu achten. Ärzte und pflegendes Personal können und müssen entscheidend mithelfen, frühzeitig Störungen zu erkennen und schwere Schäden zu verhindern. Was ist zu tun? Daran denken ist das oberste Gebot! L Beim Verdacht auf eine Schilddrüsenkrankheit sollten Labortests, also Hormonbestimmungen, veranlaßt werden. L Experten empfehlen sogar, die TSH-Messung (Schilddrüsen-stimulierendes Hormon) in das Erstuntersuchungsprogramm in Alters- und Pflegeheimen sowieAkutund Rehabilitations-Kliniken aufzunehmen. L Besonderes Augenmerk sollte dabei Patienten gelten, die vorausgeL hend bereits eine Schilddrüsenoperation (»Kragenschnittnarbe«), eine Therapie mit Radio-Jod oder Röntgenstrahlen in der Halsregion hatten, oder die schon einmal Schilddrüsenhormone eingenommen hatten. Für die häufigste Ursache der Schilddrüsenunterfunktion im Alter – eine chronische Entzündung der Schilddrüse (die Autoimmunthyreoiditis Hashimoto) – gibt die Krankengeschichte des Patienten Hinweise, wenn nämlich bereits weitere Autoaggressionskrankheiten beim Patienten selbst oder in seinerVerwandtschaft bekannt sind (Vitiligo, perniziöse Anämie, My- Mit Unterstützung von J Herausgeber: Forum Schilddrüse e.V. J Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med.W. Meng (Vorsitzender), Internist, Greifswald; Prof. Dr. med. W. Becker, Nuklearmediziner, Göttingen; Prof. Dr. med. H. G. Bohnet, Gynäkologe, Hamburg; Dr. rer. nat. C. Eckert-Lill, Apothekerin, Eschborn/Ts.; Prof. Dr. med. P. E. Goretzki, Chirurg, Düsseldorf; Prof. Dr. med.A.Grüters-Kieslich, Pädiaterin, Berlin; Prof. Dr. med.J.P. Hanker, Gynäkologe,Trier; Prof. Dr. med. R. Hehrmann, Internist, Stuttgart; Prof. Dr. med. M. B. Ranke, Pädiater, Tübingen; Prof. Dr. med. C. Reiners, Nuklearmediziner, Würzburg; Prof. Dr. med. K.-H. Rudorff, Internist, Wuppertal J Sekretariat: Heimhuder Straße 70, 20148 Hamburg asthenia gravis, Typ-I-Diabetes, rheumatoide Arthritis und vor allem endokrine Orbitopathie bzw. Morbus Basedow). Schließlich ist zu klären, ob die Patienten Medikamente bekommen haben, die eine Schilddrüsenunterfunktion auslösen könnten: Lithium, Thyreostatika oder jodhaltige Medikamente wie manche Asthmamittel oder manche Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen (zum Beispiel Amiodaron). Vorsicht bei jodhaltigen Mitteln Die Ursache der Schilddrüsenüberfunktion ist meist in einem Knotenkropf auf dem Boden eines schon lange bestehenden Jodmangels in der Nahrung zu suchen. Eine Unterversorgung mit Jod führt dazu, daß große Anteile des Schilddrüsengewebes ihre Arbeit einstellen, während andere Bereiche dagegen praktisch ungesteuert Schilddrüsenhormone produzieren. Die Stoffwechsellage kann dabei durchaus im Gleichgewicht bleiben. Gefährlich aber ist dann eine plötzliche hohe Jodzufuhr, die zu einer überschießenden Produktion von Schilddrüsenhormonen führen kann und damit zur Entgleisung der gesamten Stoffwechsellage. Deshalb sollte grundsätzlich vor der Gabe von jodhaltigen Medikamenten oder jodhaltigen Röntgenkontrastmitteln bei älteren Menschen überprüft werden, ob der Patient an einer Schilddrüsenüberfunktion leidet. Bei Verdacht auf Schilddrüsenfunktionsstörungen sollte immer auch ein Spezialist hinzugezogen werden! Schildknorpel Zungenbein Kehldeckel Schilddrüse Luftröhre Hyperthyreose – Schilddrüsenüberfunktion Was fällt beim Patienten auf? Beschleunigter Herzschlag (Tachykardie) Pulsunregelmäßigkeit (absolute Arrhythmie) L Große Blutdruckamplitude L Zittern der Hände (feinschlägiger Tremor) L Nervosität L Allgemeine Hinfälligkeit, Depressivität, Apathie L Eventuelle Verdickung in der Halsregion (Struma) L Eventuell Veränderungen an den Augen (Orbitopathie) L L Worüber klagt der Patient? Herzklopfen, Schwäche, Gewichtsverlust, allgemeine Unruhe, Schlafstörungen, Durchfälle (infolge vermehrter Darmtätigkeit), Wärmeempfindlichkeit, Schwitzen, feuchte Haut, seelische Veränderungen, allgemeine Interesselosigkeit, eventuell Veränderungen an den Augen mit Druckgefühl oder Hervortreten der Augäpfel. Ein Kropf oder Augenveränderungen sind Warnsignale Ein Kropf oder eine Verdickung der Schilddrüse sind Hinweise darauf, daß die Schilddrüsenfunktion gestört sein kann. Diese Anzeichen sind aber nicht immer deutlich. Denn eine normal große Schilddrüse schließt keinesfalls aus, daß der Patient nicht doch an einer hyperthyreoten Stoffwechsellage leidet. Eine besondere Form der Schilddrüsenüberfunktion, der Morbus Basedow, von der Frauen in jedem Lebensalter fünfmal häufiger betroffen sind als Männer, kann sich durch Veränderungen an den Augen äußern. Entsprechendes Klagen des Patienten oder sogar ein sichtbares Hervortreten der Augäpfel sollte sofort zu weiteren Maßnahmen Anlaß geben.