fmi_red_schumann_1208.qxd 17.12.2008 11:17 Uhr Seite 1 Gesundheitspsychologische Modelle im Marketing & Verkauf Sicherlich gehört es bereits zu Ihren Zielen im Verkaufsgespräch zu erfahren, wie lange Ihr Interessent schon überlegt, etwas für sich und seine Gesundheit zu tun? Das ist gut und die Antworten sind wertvoll! Fragen Sie dann aber auch weiterführend, warum er gerade heute bei Ihnen ist, um sich zu informieren? Lesen Sie, wie Sie das Wissen fundierter gesundheitspsychologischer Modelle und Theorien nutzen können, um Ihre Interessenten nicht nur für den Abschluss der Mitgliedschaft, sondern auch nachhaltig als Stammkunden zu gewinnen. Die Interessentin Ingrid I. betritt zögerlich das Studio. In der Hand hält sie einen Flyer, der das neue Programm gegen Übergewicht bewirbt. Damit tritt sie an den Empfang und löst eine professionelle Verkaufskette aus, die darin mündet, dass Ingrid I. nach wenigen Minuten nicht nur mit einem Kaffee und der Informationsbroschüre im Beratungsraum sitzt, sondern auch freundlich von einem Berater begrüßt wird. Das Verkaufsgespräch nimmt einen Verlauf, der vielleicht zu einem positiven Ergebnis, sprich dem Abschluss der Mitgliedschaft, führen könnte. Wie aber kann die Abschlussquote um weitere Prozentpunkte erhöht werden? Vielleicht kann hier das Wissen über gesundheitspsychologische Modelle helfen! Gesundheitspsychologische Modelle im Verkauf Das Verständnis davon, warum Menschen bestimmte Verhaltensweisen zeigen, wie man dieses Verhalten möglicherweise beeinflussen und ihnen helfen kann, das einmal geänderte Verhalten auch langfristig beizubehalten, kann von zentraler Bedeutung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Fitness- und Gesundheitsbranche sein. Im Folgenden wird ein Modell des Gesundheitsverhaltens aus der Gesundheitspsychologie vorgestellt: Das Modell gesundheitlicher Überzeugungen (HealthBelief-Modell) modifiziert von BECKER (1974). Im Kern gibt es Aufschluss darüber, wie Menschen wie Ingrid I. ihre Ent- scheidungen für ein positives Gesundheitsverhalten treffen und dieses aufrechterhalten. Das kann nicht nur bei der Planung gesundheitsfördernder und präventiver Maßnahmen hilfreich sein, sondern sich auch positiv auf den Verkauf im Allgemeinen und die Abschlussquote im Besonderen auswirken. Wenn Verkäufer nämlich die verschiedenen Variablen kennen, die bei der Gesundheitsentscheidung der Menschen eine Rolle spielen, sind Handlungsempfehlungen ableitbar, die nicht nur den Beratungsverlauf positiv beeinflussen sondern ihre komplette Erfolgskette stärken könnten: vom Marketing und Verkauf, über das Training bis zur Kundenbindung. fmi_red_schumann_1208.qxd 17.12.2008 11:17 Uhr Das Modell gesundheitlicher Überzeugungen versucht zu erklären wie der Entschluss zu einer Handlung gebildet wird und vor allem: Wie wahrscheinlich ist es, dass Ingrid I. heute bei Ihnen eine Mitgliedschaft abschließt. Obwohl Übergewicht nicht automatisch eine Krankheit darstellt soll mit dem nachfolgenden Modell der Entscheidungsprozess beispielhaft an der Problemstellung „Übergewicht“ bzw. dem Wunsch des Kunden nach Gewichtsreduktion dargestellt werden. Seite 2 der „Krankheit“ für ihre persönliche Situation? Die beiden aufgezeigten Variablen münden in der wahrgenommenen Bedrohung durch die ‚Krankheit x’ (in diesem Beispiel das Übergewicht) und ihre Folgen. Die subjektiv wahrgenommene Bedrohung reicht alleine jedoch noch nicht aus, damit eine Person ein bestimmtes Gesundheitsverhalten an den Tag legt bzw. sich dafür entschließt, mit einem Programm gegen die Krankheit x (hier das Übergewicht) zu beginnen. Dazu bedarf es zweier weiterer Variablen: Das Health Belief Modell demografische Variablen (Alter, Geschlecht etc.) soziopsychologische Variablen (soziale Schicht, Persönlichkeitsmerkmale) strukturelle Variablen (Wissen über eine Krankheit,Vorerfahrungen) wahrgenommene Empfänglichkeit für die Krankheit X (Vulnerabilität) wahrgenommene Ernsthaftigkeit der Krankheit X (Schweregrad) wahrgenommener Nutzen des Gesundheitsverhaltens Programms 10kg abnehmen würde. Durch den erneuten Einsatz einer Skala von 1-10 können Sie beide auch einen Einblick bekommen, wie sehr Ingrid I. daran glaubt, dass die einzelnen Vorteile durch das Absolvieren des Programms realisiert werden können. D Wahrgenommene Kosten/Barrieren des Gesundheitsverhaltens. Machen Sie mit Ingrid I. eine KostenAnalyse. Neben dem wahrgenommenen Nutzen bestimmen nämlich auch die wahrgenommenen Hindernisse die Einschätzung der Effektivität der Maßnahme. Unterstützen Sie Ingrid I. dabei, wie sie mit den subjektiv wahrgenommenen Barrieren umgehen kann, z. B. die Angst vor dem unbekannten Training. Erarbeiten Sie zusammen mit ihr für diese Barrieren Lösungsmöglichkeiten, z. B. das Training mit einer Bekannten oder dem Lebensgefährten. wahrgenommene Bedrohung durch Krankheit X Handlungsauslöser (cue to action) massenmdiale Kampagnen Beratung durch andere Erinnerung durch den Arzt Zeitungsartikel etc. Wahrscheinlichkeit des Gesundheitsverhaltens Kosten-Nutzen-Analyse erwarteter Nutzen wahrgenommene Kosten/Barrieren des Gesundheitsverhaltens Das Health Belief Modell modifiziert nach BECKER (1974) Die Variablen A Wahrgenommene Empfänglichkeit (Vulnerabilität) für die ‚Krankheit x’. Finden Sie heraus wie sehr Ingrid I. davon überzeugt ist, dass sie persönlich anfällig für Übergewicht und auch deren Folgen ist. Verwenden Sie hierfür eine Skala von 1-10, wobei 10 sehr anfällig bedeutet. B Wahrgenommene Ernsthaftigkeit der Erkrankung, d. h. wie schwer die Folgen dieser ‚Krankheit’ für den Betroffenen wären. Mit offenen Fragen erfahren Sie, welche direkten und weiterführenden Folgen Ingrid I. durch das Übergewicht erlebt, z. B. in welcher Weise sie sich körperlich und/oder psychisch schlecht fühlt: Was fällt ihr, bedingt durch das Übergewicht, schwerer als früher? Oder: In welchen Situation fühlt Sie sich durch das Übergewicht unwohl? Wie beurteilt sie die Folgen C Wahrgenommener Nutzen des Gesundheitsverhaltens. Wichtig in der Beratung: Nutzen des Gesundheitsverhaltens vermitteln Fragen Sie Ingrid I., welche Vorteile es hätte, wenn sie durch das Absolvieren des Gemeinsames Training gibt Sicherheit und macht Spaß. E Handlungssignal. Das in der Abbildung aufgeführte Handlungssignal (cue to action) könnte zu der Entscheidung geführt haben, sich beraten zu lassen. In dem dargestellten Beispiel stellt der Flyer ein solches Handlungssignal dar. Finden Sie heraus, was Ingrid I. an dem Flyer reizvoll fand und warum er sie angesprochen hat. So bekommen Sie nebenbei noch Hinweise für die weitere Verbesserung ihrer Handlungssignale, sprich ihr Marketing. Gesundheitspsychologische Modelle im Marketing STROEBE und STROEBE (1998, S. 37) leiten aus dem Health-Belief-Modell beispielsweise ab, dass jede Interventionsmaßnahme wie z. B. das Verteilen von Flyern, die auf die Veränderung von Gesundheitsverhalten abzielen, Argumente beinhalten sollte, die die jeweilige Zielgruppe davon überzeugen, dass fmi_red_schumann_1208.qxd 17.12.2008 11:17 Uhr 1. ihr ernsthafte gesundheitliche Konsequenzen drohen, wenn sie gewisse Aspekte ihrer Lebensweise nicht ändert und dass 2. das Aneignen bestimmter gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen das Erkrankungsrisiko dieser Zielgruppe erheblich vermindert. Verzichten Sie in Ihrer Werbung und Ihren Beratungen allerdings auf das reine Einsetzen von Furchtappellen: „Übergewicht erhöht die Gefahren für Rückenschmerzen, Diabetes und Herz-KreislaufErkrankungen“. Obwohl Ängste eine negative Einstellung verändern und sogar eine Absicht zur Verhaltensänderung hervorrufen können, gehen solche Gefühle mit der Zeit verloren und fließen auch nicht mehr ein, wenn eine konkrete Entscheidungssituation vorliegt. Das ausschließliche Arbeiten mit der Angst kann zur Ablehnung bis hin zur bewussten Vermeidung entsprechender Informationen führen. Dies kann z.B. bei den Rauchern beobachtet werden, die sich von den massiven Warnungen auf den Zigarettenpackungen nicht vom „Glimmstengel“ wegbringen lassen. Handlungsempfehlung für das Beispiel: Erarbeiten Sie mit Ingrid I. deren persönliche Ressourcen, indem Sie Folgendes herausfinden. Was hat Ingrid I. schon einmal erreicht und kann dadurch beweisen, dass sie die Ausdauer hat, das Programm erfolgreich zu absolvieren. Vielleicht hat sie es schon einmal geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören und dadurch sowohl Konsequenz und durch den anhaltenden Erfolg bewiesen, Ausdauer zu haben. Dieses Vorgehen ist effektiver als die Vermittlung von Risiken: „Wenn sie nicht sofort Gewicht verlieren, dann…“. Das Konsequenzsummenspiel ‚Spielen’ Sie mit Interessenten wie Ingrid I. das Konsequenzsummenspiel (vgl. HÖFLING 2001). Dabei handelt es sich um eine Interventionsmaßnahme aus der Lerntheorie. Sie basiert auf der Annahme, dass das Verhalten der Menschen von den Konsequenzen ihres Verhaltens bestimmt wird. Sind diese positiv oder werden sie als positiv betrachtet, dann werden sie sich eher entsprechend verhalten. Das ‚Konsequenzsummenspiel’ geht davon aus, dass Menschen dazu neigen, den kurzfristigen positiven Konsequenzen die langfristigen negativen Konsequenzen gegenüberzustellen, um ihr gesundheitsschädigendes Verhalten vorübergehend zu rechtfertigen. Seite 3 Das Konsequenzsummenspiel in unserem Beispiel: Eine übergewichtige Person wie Ingrid I. genießt während des Naschens aus der Chipstüte den herzhaften Geschmack der Chips, die Entspannung, die sich dabei einstellt etc. Diese kurzfristigen Konsequenzen erhöhen die Attraktivität der Verhaltensweise „Chips essen“. Die langfristigen Konsequenzen wie Übergewicht, erhöhte Cholesterinwerte etc. werden ignoriert. Um dieses Verhalten zu ändern, müssen Sie Ingrid I. helfen, aus diesem selbst konstruierten Gedankendilemma auszubrechen: Ingrid I. soll die kurzfristigen positiven Folgen mit den kurzfristigen negativen Folgen vergleichen. Nach dem Chips essen ergeben sich neben dem kurzfristig positiven Folgen auch beispielhafte kurzfristige negative Folgen wie ein schlechtes Gewissen, eventuelles Unwohlsein, Frust über die eigene Inkonsequenz etc. Langfristige/kurzfristige Ziele Werben Sie in Ihren Marketingmaßnahmen und in Präventionskampagnen nicht nur ausschließlich mit der Aussicht auf langfristige positive Konsequenzen. Eine schlanke, durchtrainierte Figur, ein stabiles Herz-Kreislauf-System und das Nicht-Vorhandensein aller möglichen Erkrankungen sind attraktive Aussichten, die sich nach mehreren Jahren gesunden Verhaltens einstellen sollen. Dabei wird allerdings übersehen, dass die meisten Menschen umso motivierter eine Handlung ausführen, je schneller sie realistische Ziele erreichen können, z. B. sich nach relativer kurzer Zeit nach Trainingsbeginn wohler fühlen. Nutzen Sie das Potential und die Struktur der Modelle und Theorien aus der Gesundheitspsychologie um viele einzelne Bereiche in Ihrem Unternehmen stärken zu können: Das gilt bereits für Ihr Marketing, geht aber auch über den Rahmen des Trainingsverhaltens und der Mitgliederbindung hinaus. Die abgeleiteten Praxisempfehlungen können bereits in der Verkaufsphase systematisch eingesetzt werden und dadurch die Wahrscheinlichkeit für den positiven Abschluss erhöhen. Wenn Sie diese Erkenntnisse dann auch in die weiteren Schritte wie Ersteinweisung, Integration, Motivation und Mitgliedererhalt einbauen, dann können Sie Ingrid I. zu einem langfristig zufriedenen StammMitglied entwickeln und erreichen damit für Ihr Unternehmen einen wichtigen Faktor: Nachhaltigkeit. Literatur • BECKER, M. A.: The health belief model and personal health behavior. Thorofare, Slack N. J. 1974. • HÖFLING, S.: Prävention als Lebensstil. In: Innovative Aspekte der Prävention. Schriftenreihe der Landeszentrale für Gesundheit in Bayern, Band 7. 2001, S. 63-73. • STROEBE, W./STROEBE, M. S.: Lehrbuch der Gesundheitspsychologie – Ein sozialpsychologischer Ansatz. Dietmar Klotz Verlag, Frankfurt/M. 1998. • WANJEK, M.: Gesundheitscoach II. Lehrbrief BSA-Akademie, Saarbrücken 2006. Der Autor Dr. Oliver Schumann absolvierte das Studium der Sportökonomie an der Universität Bayreuth. Im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes forschte er u. a. in Mexiko und mit einem Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Japan. Seine Erfahrungen bei Rundfunk, Zeitungen und Fernsehen brachte er u. a. in der Öffentlichkeitsarbeit von Fitness- und Gesundheitsstudios ein, wo er auch für das Personalwesen Verantwortung trug. Im März 2007 promovierte Oliver Schumann am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre (Professor Oberender/Universität Bayreuth) zum Thema „Vertrauen in interkulturellen Prinzipal-Agent-Beziehungen“. Seit 2005 arbeitet er als Dozent,Tutor und Autor sowohl für die BSA-Akademie als auch für die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement. (www.dhpg-bsa.org) Training: Motivation durch Wohlfühlen.