Gesundheitspsychologische Modelle im - Schumann-ACC

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17.12.2008
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Gesundheitspsychologische Modelle
im Marketing & Verkauf
Sicherlich gehört es bereits zu Ihren Zielen im Verkaufsgespräch zu erfahren, wie lange Ihr
Interessent schon überlegt, etwas für sich und seine Gesundheit zu tun? Das ist gut und die
Antworten sind wertvoll! Fragen Sie dann aber auch weiterführend, warum er gerade heute bei
Ihnen ist, um sich zu informieren? Lesen Sie, wie Sie das Wissen fundierter gesundheitspsychologischer Modelle und Theorien nutzen können, um Ihre Interessenten nicht nur für den Abschluss der
Mitgliedschaft, sondern auch nachhaltig als Stammkunden zu gewinnen.
Die Interessentin Ingrid I. betritt zögerlich
das Studio. In der Hand hält sie einen
Flyer, der das neue Programm gegen
Übergewicht bewirbt. Damit tritt sie an
den Empfang und löst eine professionelle
Verkaufskette aus, die darin mündet, dass
Ingrid I. nach wenigen Minuten nicht nur
mit einem Kaffee und der Informationsbroschüre im Beratungsraum sitzt,
sondern auch freundlich von einem
Berater begrüßt wird.
Das Verkaufsgespräch nimmt einen
Verlauf, der vielleicht zu einem positiven
Ergebnis, sprich dem Abschluss der
Mitgliedschaft, führen könnte. Wie aber
kann die Abschlussquote um weitere
Prozentpunkte erhöht werden? Vielleicht
kann hier das Wissen über gesundheitspsychologische Modelle helfen!
Gesundheitspsychologische Modelle
im Verkauf
Das Verständnis davon, warum Menschen
bestimmte Verhaltensweisen zeigen, wie
man dieses Verhalten möglicherweise
beeinflussen und ihnen helfen kann, das
einmal geänderte Verhalten auch langfristig beizubehalten, kann von zentraler
Bedeutung für die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in der Fitness- und Gesundheitsbranche sein.
Im Folgenden wird ein Modell des
Gesundheitsverhaltens aus der Gesundheitspsychologie vorgestellt: Das Modell
gesundheitlicher Überzeugungen (HealthBelief-Modell) modifiziert von BECKER
(1974). Im Kern gibt es Aufschluss darüber, wie Menschen wie Ingrid I. ihre Ent-
scheidungen für ein positives Gesundheitsverhalten treffen und dieses aufrechterhalten. Das kann nicht nur bei der Planung
gesundheitsfördernder und präventiver
Maßnahmen hilfreich sein, sondern sich
auch positiv auf den Verkauf im
Allgemeinen und die Abschlussquote im
Besonderen auswirken.
Wenn Verkäufer nämlich die verschiedenen Variablen kennen, die bei der
Gesundheitsentscheidung der Menschen
eine Rolle spielen, sind Handlungsempfehlungen ableitbar, die nicht nur
den Beratungsverlauf positiv beeinflussen
sondern ihre komplette Erfolgskette stärken könnten: vom Marketing und
Verkauf, über das Training bis zur
Kundenbindung.
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Das Modell gesundheitlicher Überzeugungen versucht zu erklären wie der
Entschluss zu einer Handlung gebildet
wird und vor allem: Wie wahrscheinlich
ist es, dass Ingrid I. heute bei Ihnen eine
Mitgliedschaft abschließt.
Obwohl Übergewicht nicht automatisch
eine Krankheit darstellt soll mit dem
nachfolgenden Modell der Entscheidungsprozess beispielhaft an der Problemstellung „Übergewicht“ bzw. dem
Wunsch des Kunden nach Gewichtsreduktion dargestellt werden.
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der „Krankheit“ für ihre persönliche
Situation?
Die beiden aufgezeigten Variablen münden in der wahrgenommenen Bedrohung
durch die ‚Krankheit x’ (in diesem Beispiel
das Übergewicht) und ihre Folgen. Die
subjektiv wahrgenommene Bedrohung
reicht alleine jedoch noch nicht aus, damit
eine Person ein bestimmtes Gesundheitsverhalten an den Tag legt bzw. sich
dafür entschließt, mit einem Programm
gegen die Krankheit x (hier das Übergewicht) zu beginnen. Dazu bedarf es zweier
weiterer Variablen:
Das Health Belief Modell
demografische Variablen
(Alter, Geschlecht etc.)
soziopsychologische Variablen
(soziale Schicht, Persönlichkeitsmerkmale)
strukturelle Variablen
(Wissen über eine Krankheit,Vorerfahrungen)
wahrgenommene
Empfänglichkeit
für die Krankheit X
(Vulnerabilität)
wahrgenommene
Ernsthaftigkeit
der Krankheit X
(Schweregrad)
wahrgenommener
Nutzen des Gesundheitsverhaltens
Programms 10kg abnehmen würde. Durch
den erneuten Einsatz einer Skala von 1-10
können Sie beide auch einen Einblick
bekommen, wie sehr Ingrid I. daran
glaubt, dass die einzelnen Vorteile durch
das Absolvieren des Programms realisiert
werden können.
D Wahrgenommene Kosten/Barrieren des
Gesundheitsverhaltens.
Machen Sie mit Ingrid I. eine KostenAnalyse. Neben dem wahrgenommenen
Nutzen bestimmen nämlich auch die
wahrgenommenen
Hindernisse
die
Einschätzung der Effektivität der
Maßnahme. Unterstützen Sie Ingrid I.
dabei, wie sie mit den subjektiv wahrgenommenen Barrieren umgehen kann, z. B.
die Angst vor dem unbekannten Training.
Erarbeiten Sie zusammen mit ihr für diese
Barrieren Lösungsmöglichkeiten, z. B. das
Training mit einer Bekannten oder dem
Lebensgefährten.
wahrgenommene
Bedrohung
durch Krankheit X
Handlungsauslöser
(cue to action)
massenmdiale Kampagnen
Beratung durch andere
Erinnerung durch den Arzt
Zeitungsartikel etc.
Wahrscheinlichkeit
des Gesundheitsverhaltens
Kosten-Nutzen-Analyse
erwarteter Nutzen
wahrgenommene
Kosten/Barrieren
des Gesundheitsverhaltens
Das Health Belief Modell modifiziert nach BECKER (1974)
Die Variablen
A Wahrgenommene Empfänglichkeit (Vulnerabilität) für die ‚Krankheit x’.
Finden Sie heraus wie sehr Ingrid I. davon
überzeugt ist, dass sie persönlich anfällig
für Übergewicht und auch deren Folgen
ist. Verwenden Sie hierfür eine Skala von
1-10, wobei 10 sehr anfällig bedeutet.
B Wahrgenommene Ernsthaftigkeit der Erkrankung, d. h. wie schwer die Folgen dieser ‚Krankheit’ für den Betroffenen wären.
Mit offenen Fragen erfahren Sie, welche
direkten und weiterführenden Folgen
Ingrid I. durch das Übergewicht erlebt, z.
B. in welcher Weise sie sich körperlich
und/oder psychisch schlecht fühlt: Was
fällt ihr, bedingt durch das Übergewicht,
schwerer als früher? Oder: In welchen
Situation fühlt Sie sich durch das Übergewicht unwohl? Wie beurteilt sie die Folgen
C Wahrgenommener Nutzen des Gesundheitsverhaltens.
Wichtig in der Beratung: Nutzen des Gesundheitsverhaltens vermitteln
Fragen Sie Ingrid I., welche Vorteile es
hätte, wenn sie durch das Absolvieren des
Gemeinsames Training gibt Sicherheit und
macht Spaß.
E Handlungssignal.
Das in der Abbildung aufgeführte Handlungssignal (cue to action) könnte zu der
Entscheidung geführt haben, sich beraten
zu lassen. In dem dargestellten Beispiel
stellt der Flyer ein solches Handlungssignal
dar.
Finden Sie heraus, was Ingrid I. an dem
Flyer reizvoll fand und warum er sie angesprochen hat. So bekommen Sie nebenbei
noch Hinweise für die weitere Verbesserung ihrer Handlungssignale, sprich
ihr Marketing.
Gesundheitspsychologische Modelle
im Marketing
STROEBE und STROEBE (1998, S. 37) leiten aus dem Health-Belief-Modell beispielsweise ab, dass jede Interventionsmaßnahme wie z. B. das Verteilen
von Flyern, die auf die Veränderung von
Gesundheitsverhalten abzielen, Argumente beinhalten sollte, die die jeweilige
Zielgruppe davon überzeugen, dass
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1. ihr ernsthafte gesundheitliche Konsequenzen drohen, wenn sie gewisse Aspekte
ihrer Lebensweise nicht ändert und dass
2. das Aneignen bestimmter gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen das Erkrankungsrisiko dieser Zielgruppe erheblich vermindert.
Verzichten Sie in Ihrer Werbung und Ihren
Beratungen allerdings auf das reine
Einsetzen von Furchtappellen: „Übergewicht erhöht die Gefahren für Rückenschmerzen, Diabetes und Herz-KreislaufErkrankungen“. Obwohl Ängste eine
negative Einstellung verändern und sogar
eine Absicht zur Verhaltensänderung hervorrufen können, gehen solche Gefühle
mit der Zeit verloren und fließen auch
nicht mehr ein, wenn eine konkrete
Entscheidungssituation vorliegt. Das ausschließliche Arbeiten mit der Angst kann
zur Ablehnung bis hin zur bewussten
Vermeidung entsprechender Informationen führen. Dies kann z.B. bei den
Rauchern beobachtet werden, die sich
von den massiven Warnungen auf den
Zigarettenpackungen nicht vom „Glimmstengel“ wegbringen lassen.
Handlungsempfehlung für das Beispiel:
Erarbeiten Sie mit Ingrid I. deren persönliche Ressourcen, indem Sie Folgendes herausfinden. Was hat Ingrid I. schon einmal
erreicht und kann dadurch beweisen, dass
sie die Ausdauer hat, das Programm
erfolgreich zu absolvieren. Vielleicht hat sie
es schon einmal geschafft, mit dem
Rauchen aufzuhören und dadurch sowohl
Konsequenz und durch den anhaltenden
Erfolg bewiesen, Ausdauer zu haben.
Dieses Vorgehen ist effektiver als die
Vermittlung von Risiken: „Wenn sie nicht
sofort Gewicht verlieren, dann…“.
Das Konsequenzsummenspiel
‚Spielen’ Sie mit Interessenten wie Ingrid
I. das Konsequenzsummenspiel (vgl.
HÖFLING 2001). Dabei handelt es sich
um eine Interventionsmaßnahme aus der
Lerntheorie. Sie basiert auf der Annahme,
dass das Verhalten der Menschen von
den Konsequenzen ihres Verhaltens
bestimmt wird. Sind diese positiv oder
werden sie als positiv betrachtet, dann
werden sie sich eher entsprechend verhalten. Das ‚Konsequenzsummenspiel’
geht davon aus, dass Menschen dazu neigen, den kurzfristigen positiven Konsequenzen die langfristigen negativen
Konsequenzen gegenüberzustellen, um
ihr gesundheitsschädigendes Verhalten
vorübergehend zu rechtfertigen.
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Das Konsequenzsummenspiel in unserem
Beispiel: Eine übergewichtige Person wie
Ingrid I. genießt während des Naschens
aus der Chipstüte den herzhaften Geschmack der Chips, die Entspannung, die
sich dabei einstellt etc. Diese kurzfristigen
Konsequenzen erhöhen die Attraktivität
der Verhaltensweise „Chips essen“. Die
langfristigen Konsequenzen wie Übergewicht, erhöhte Cholesterinwerte etc.
werden ignoriert. Um dieses Verhalten zu
ändern, müssen Sie Ingrid I. helfen, aus
diesem selbst konstruierten Gedankendilemma auszubrechen:
Ingrid I. soll die kurzfristigen positiven
Folgen mit den kurzfristigen negativen
Folgen vergleichen. Nach dem Chips
essen ergeben sich neben dem kurzfristig positiven Folgen auch beispielhafte
kurzfristige negative Folgen wie ein
schlechtes Gewissen, eventuelles Unwohlsein, Frust über die eigene
Inkonsequenz etc.
Langfristige/kurzfristige Ziele
Werben Sie in Ihren Marketingmaßnahmen und in Präventionskampagnen
nicht nur ausschließlich mit der Aussicht
auf langfristige positive Konsequenzen.
Eine schlanke, durchtrainierte Figur, ein
stabiles Herz-Kreislauf-System und das
Nicht-Vorhandensein aller möglichen
Erkrankungen sind attraktive Aussichten,
die sich nach mehreren Jahren gesunden
Verhaltens einstellen sollen. Dabei wird
allerdings übersehen, dass die meisten
Menschen umso motivierter eine
Handlung ausführen, je schneller sie realistische Ziele erreichen können, z. B. sich
nach relativer kurzer Zeit nach Trainingsbeginn wohler fühlen.
Nutzen Sie das Potential und die Struktur
der Modelle und Theorien aus der
Gesundheitspsychologie um viele einzelne Bereiche in Ihrem Unternehmen stärken zu können: Das gilt bereits für Ihr
Marketing, geht aber auch über den
Rahmen des Trainingsverhaltens und der
Mitgliederbindung hinaus. Die abgeleiteten Praxisempfehlungen können bereits
in der Verkaufsphase systematisch eingesetzt werden und dadurch die Wahrscheinlichkeit für den positiven Abschluss
erhöhen.
Wenn Sie diese Erkenntnisse dann auch in
die weiteren Schritte wie Ersteinweisung,
Integration, Motivation und Mitgliedererhalt einbauen, dann können Sie Ingrid I.
zu einem langfristig zufriedenen StammMitglied entwickeln und erreichen damit
für Ihr Unternehmen einen wichtigen
Faktor: Nachhaltigkeit.
Literatur
• BECKER, M. A.: The health belief model
and personal health behavior. Thorofare, Slack N. J. 1974.
• HÖFLING, S.: Prävention als Lebensstil.
In: Innovative Aspekte der Prävention.
Schriftenreihe der Landeszentrale für
Gesundheit in Bayern, Band 7. 2001, S.
63-73.
• STROEBE, W./STROEBE, M. S.: Lehrbuch
der Gesundheitspsychologie – Ein sozialpsychologischer Ansatz. Dietmar Klotz
Verlag, Frankfurt/M. 1998.
• WANJEK, M.: Gesundheitscoach II.
Lehrbrief BSA-Akademie, Saarbrücken
2006.
Der Autor
Dr. Oliver Schumann absolvierte
das Studium der Sportökonomie
an der Universität Bayreuth. Im
Rahmen eines internationalen
Forschungsprojektes forschte er
u. a. in Mexiko und mit einem Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Japan.
Seine Erfahrungen bei Rundfunk, Zeitungen und
Fernsehen brachte er u. a. in der Öffentlichkeitsarbeit
von Fitness- und Gesundheitsstudios ein, wo er auch
für das Personalwesen Verantwortung trug.
Im März 2007 promovierte Oliver Schumann am
Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre (Professor Oberender/Universität Bayreuth) zum Thema „Vertrauen
in interkulturellen Prinzipal-Agent-Beziehungen“.
Seit 2005 arbeitet er als Dozent,Tutor und Autor sowohl
für die BSA-Akademie als auch für die Deutsche
Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement.
(www.dhpg-bsa.org)
Training: Motivation durch Wohlfühlen.
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