3 Zukunftsfähige Soziokultur Soziokultur, demokratische Kulturarbeit, Partizipation und Soziale Skulptur Cornelia Jacomet Soziokultur als Teil der Zürcher Sozial- und Kulturpolitik In der Stadt Zürich ist die Soziokultur seit 1999 in der Gemeindeordnung verankert. Es heisst dort: <Die Stadt unterstützt und fördert soziokulturelle Aktivitäten auf der Ebene der Quartiere und der gesamten Stadt, um den Zusammenhalt, die Eigeninitiative und das Sicherheitsgefühl der Bewohnerinnen und Bewohner zu verstärken.> Der Begriff Soziokultur ist von der Zürcher Politikerin Monika Stocker 1994 kurz nach ihrer Wahl zur Stadträtin in die Zürcher Kulturpolitik eingeführt worden. Überzeugt davon, dass eine Stadt in die Kultur des Zusammenlebens investieren muss, leitete sie umfassende Veränderungen im Sozialwesen ein. Die Stadt Zürich engagiert sich seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts kontinuierlich im Freizeitbereich. Sie liess damals für die Lösung des sogenannten <Freizeitproblems> in allen Quartieren Freizeitanlagen einrichten. Unter dem Motto <Weniger Konsum, mehr Engagement> stellte Monika Stocker das grosse Angebot an Dienstleistungen sowie Veranstaltungen, Kursen und Gruppenaktivitäten in Frage und setzte dagegen die Soziokultur als Unterstützung und Förderung von Eigeninitiative, Integration und Chancengleichheit. Durch die heftig und kontrovers geführte Diskussion, die sich über mehrere Jahre hin zog, erreichte sie, dass Soziokultur als präventiver Ansatz in der Sozialarbeit breit diskutiert wurde und als dynamische Kraft in der gesamten Gesellschaft einen vielfältigen Aktivitäts- und Wirkungsbereich hat. Mit der fachlichen Neuausrichtung, die sich an optimalen Leistungen und Wirkungen für die Bevölkerung orientiert und die Umsetzung der Stichworte <Eigeninitiative>, <Selbstorganisation> und <Selbsthilfe> ins Zentrum der Aktivitäten rückt, ist die Stadt Zürich für viele Städte zum Vorbild in der Förderung von Soziokultur geworden. Soziokultur mit staatlicher Unterstützung Wie etabliert die Soziokultur in der Stadt Zürich ist, zeigt sich daran, dass jedes Jahr über 30 Millionen Franken in die Kultur des Zusammenlebens investiert wird. Das Sozialdepartement handelt mit über 34 soziokulturellen Anbieterinnen und Anbietern befristete Leistungsaufträge aus. Diese Anbieter haben ihre Leistungen auf Zielgruppen mit einem hohen Integrationsbedarf auszurichten, diese immer wieder neu anzupassen. Sie sind verpflichtet, ihre Schwerpunkte bedarfsgerecht zu setzen. Einen hohen Stellenwert hat die Unterstützung von Familien mit Kindern und Jugendlichen, wie auch das Vernetzen der Freiwilligenarbeit, das Organisieren von Schüler/innen-Treffs und die Nachbarschaftshilfe. Für weitere innovative Projekte, die auf akute Problemlagen reagieren, steht ein zusätzlicher Kredit zur Verfügung. Investitionen in soziokulturelle Einrichtungen und Initiativen lohnt sich in mehrfacher Hinsicht. Einerseits werden sie von der Bevölkerung rege genutzt, anderseits wird die Überzeugung, dass man in die Kultur des Zusammenlebens investieren muss, weil soziokulturelle Einrichtungen die Lebensqualität in einer Stadt verbessern und Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl vermitteln können, von vielen geteilt. Menschen unterschiedlichster kultureller Herkunft haben in soziokulturellen Einrichtungen Gelegenheit, Toleranz und Respekt zu erproben und sich sozial und kulturell zu integrieren. Einwohner/innen haben die Möglichkeit, ihr kreatives Potenzial zu nutzen und ihre Ressourcen für die Stärkung des Gemeinwesens einzusetzen. 1 Soziokultur ohne staatliche Unterstützung Soziokultur braucht bei weitem nicht immer staatliche Unterstützung. Der Begriff Soziokultur bringt die vielen Facetten des Zusammenlebens in einer modernen Stadt auf einen Nenner. Soziokultur ist vielfältig und an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu beobachten. Soziokultur ist auch das, was schnell und unspektakulär zwischen Menschen passiert, z.B. unter Nachbarinnen und Nachbarn, unter Gästen im Stammlokal, Kundinnen und Kunden im Quartierladen, Kindern in Parkanlagen und auf Spielplätzen. Enger gefasst, versteht man unter Soziokultur, dass sich Menschen zu bestimmten Zeiten für eine bestimmte Dauer an einem Ort, in einem Raum treffen und eine lose oder engere Gemeinschaft bilden, weil sie gemeinsame Interessen verbinden. Orte der Soziokultur sind Plätze, Häuser, Räume, die eine Anziehungskraft ausüben, so zu einem Treffpunkt werden, der für kürzere oder längere Zeit und in einem bestimmten Kontext existiert und wieder verschwindet. Auch Sport-, Kultur- und Freizeitvereine decken ein breites und wertvolles Spektrum an soziokulturellen Bedürfnissen ab. Zukunftsfähige Soziokultur Mit dem von Monika Stocker formulierten Motto <Soziokultur ist nichts Fertiges, sie muss immer wieder geschaffen werden>, klingt bereits an, was die Soziokultur zukunftsfähig macht: Soziokultur ist Kultur in Bewegung. Ein kurzer Blick in die Geschichte der Soziokultur und die Definition des Begriffs sind nötig, um ihre Zukunftsfähigkeit zu skizzieren. Die Anfänge von Soziokultur gehen in die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Kulturbewusste Staatskritiker/innen, arbeitssuchende Akademiker/innen sowie Aktive aus der Arbeiter- und Frauenbewegung in England engagierten sich damals für eine Demokratisierung der Kultur und entwarfen ein erstes soziokulturelles Konzept. Sie regten Diskussionen an über Formen der Kultur, über deren Herstellung und die Teilhabe an Kultur, und sie suchten nach Formen und Möglichkeiten, wie sich breite Bevölkerungsschichten als Kulturschaffende betätigen können. Hinter dem Begriff Soziokultur verbirgt sich ein Reformanspruch, der Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Deutschland formuliert wurde. Den Begriff selbst brachten Hermann Glaser und Karl Heinz Stahl in die kulturpolitische Debatte ein. Glaser und Stahl ging es darum, mit einem elitären Kulturverständnis zu brechen und die Gesellschaft durch Kultur zu demokratisieren. Kultur demokratisieren heisst - und dazu dient die Vorsilbe <sozio> -, sie ganzheitlich zu fassen, Chancengleichheit zu verwirklichen, Mitbestimmung zu ermöglichen und sie mit dem Leben zu versöhnen, will heissen, Probleme, Gegenstände des Alltags werden Themen der Kultur. Mit dem Begriff Soziokultur sollen Trennungen überwunden werden, die Trennung zwischen kulturellem und öffentlichem Raum, die Trennung zwischen Publikum und Künstlerinnen, Künstlern und auch jene zwischen professionalisierter Kunst und selbstorganisiertem künstlerischem Schaffen. Soziokultur ist Kultur, die Themen des gesellschaftlichen Alltags aufgreift. Soziokultur ist eine Bezeichnung für die unterschiedlichen kulturellen Ausdrucksformen, die Menschen in einer pluralen Gesellschaft hervorbringen. Soziokultur zeigt auf, wie breit das Verständnis von Kultur sein kann, wie vielfältig die Verarbeitungsformen sein können, wie verschieden die Menschen sind, die sich an der Schaffung von Kultur beteiligen und trägt so wesentlich dazu bei, dass unter Kultur nicht nur Hochkultur verstanden wird. Der Gestaltungsraum, der da geschaffen wurde, ist gross. Mit der Ausschöpfung dieses Potenzials ist erst begonnen worden. Soziokultur ist Kultur, Kultur ist Soziokultur Der Begriff Soziokultur ist eigentlich ein Pleonasmus wie <kaltes Eis> oder <weisser Schimmel>. Soziokultur heisst nichts anderes, als dass Kultur von Menschen geschaffen 2 wird, die in einer spezifischen Gesellschaft leben und sich über das, was sie umgibt, in kulturellen Formen äussern: Fotografieren, Malen, Zeichnen, Bildhauern, literarisch Schreiben, Filmen usw. Wenn es aber so ist, dass unter Kultur üblicherweise Hochkultur verstanden und nur jenen kulturellen Leistungen Wert zugemessen wird, die staatlich gefördert und in der Öffentlichkeit gewürdigt, kommentiert und kritisiert werden, braucht die (Hoch)Kultur eine Abgrenzung zu Volkskultur und Soziokultur. Soziokultur plädiert dafür, diese Grenzen aufzuheben oder zumindest durchlässig zu machen. Soziokultur ist zukunftsfähig, wenn sie Anreize gibt, wichtige kulturelle Werte zu schaffen und zu verbreiten. Mit dem Slogan <Kultur von Allen für Alle> ist es möglich, den Kulturbegriff sehr breit und einfach zu denken. Kultur ist z.B. überall dort, wo sich Menschen selbst als Kulturschaffende einführen, mit einer grossen Selbstverständlichkeit für sich in Anspruch nehmen, kulturelle Leistungen hervorzubringen, auch wenn sie keine Subventionen dafür bekommen. Sie geben sich selbst und gegenseitig Anerkennung für ihr kulturelles Schaffen, pflegen die kulturelle Vielfalt. Wenn Soziokulturschaffende das eigene Lebensumfeld und das anderer mit einbeziehen und sich mit den existenziellen Bedingungen der Menschen auseinander setzen sowie immer wieder die Frage nach dem Sinn ihres Schaffens und sogar nach dem Sinn des Lebens stellen, wird oder bleibt Soziokultur lebendig, anregend, konkret, überraschend und weltoffen. Sie lädt ein und fordert auf, schaut voraus, wenn sie in die Welt hinausschaut, die Gesellschaft beobachtet und Zusammenhänge sieht und herstellt. Soziokulturschaffende haben eine gesellschaftliche Vision. Soziokultur trennt den Alltag nicht von der Kultur und baut auf der Überzeugung auf, dass Kultur von allen Menschen in ihren verschiedenen Lebenslagen hervorgebracht wird. Sie bezieht verschiedene Kulturen, Generationen und soziale Zugehörigkeiten mit ein. Bürokratische Soziokultur, in der komplizierte Abläufe, enge Regeln und steile Hierarchien die Kreativität und Innovation ersticken, ist nicht zukunftsfähig. Soziokultur entsteht in Freiheit, in Freiräumen, wo Offenheit und Neugier herrschen, wo entscheidungsfreudige, mutige Menschen experimentieren, Konventionen sprengen und Neues ausprobieren. Soziokultur gedeiht unter Menschen - Menschen aus allen Völkern, Kulturen, Lebensalter und –lagen -, die sich in der Soziokultur bewegen und sich an der Definition von Soziokultur beteiligen. Als zukunftsfähig erweist sie sich, wenn sie sich dafür interessiert, wie Gesellschaften entstehen, sich entwickeln, verändern können, wenn sie das Gespräch und den Dialog sucht, wenn sie auf die Koexistenz verschiedener Interessen und Lebensstile, auf Partnerschaft und Kooperation setzt und das Mitspracherecht in allen lebenswichtigen Fragen einfordert. Zukunftsfähige Soziokultur öffnet den Blick weit in die Welt und sorgt sich um die Lebensbedingungen aller Lebewesen dieser Erde. Demokratische Kulturarbeit in soziokulturellen Zentren Soziokulturelle Zentren sind Treffpunkte und Begegnungsorte, wo Menschen ins gesellschaftliche Leben, das eigene Leben und das von anderen diskutieren und gestalten, sich informieren und Meinungsverschiedenheiten austragen können. Der öffentliche Raum, den soziokulturelle Zentren bieten, ist also immer auch Kulturraum. Kreatives und soziales Handeln schafft Kultur. Indem Menschen im Kulturraum aktiv werden, vernetzen sie sich, lösen Veränderungen aus und wirken gestaltend auf das gesellschaftliche Leben, die Politik, die Wirtschaft ein. In soziokulturellen Zentren finden sich Menschen auf kultureller Ebene, Kultur und Kunst werden zum Medium lebendiger und konstruktiver Auseinandersetzung. Unterschiedlichste 3 Interessengruppen schaffen Treffpunkte, an denen alle Formen von Kultur möglich sind. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Soziokultur ist, dass die Bevölkerung ein erhebliches Mass an Selbständigkeit und Eigeninitiative aufbringt, um Einfluss auf das gesellschaftliche, kulturelle und politische Umfeld nehmen zu können. Soziokultur hat somit grosse gesellschaftliche Bedeutung, besonders in der Schweiz mit ihrer direkten Demokratie. Die Bürgerinnen und Bürger sind gewohnt, sich politisch zu betätigen. Sie nehmen ihre Gedanken- und Meinungsfreiheit in Anspruch, es ist ihnen selbstverständlich, sich öffentlich äussern zu können. Sie schliessen sich in Interessegruppen zusammen, lancieren Initiativen und Referenden und nehmen nicht nur über Wahlen, sondern auch über Volksabstimmungen Einfluss auf die Gesellschaft. Mit der Aufforderung, Einfluss zu nehmen und initiativ zu sein, knüpfen wir an diesen Gewohnheiten an. Von Soziokultur, Partizipation und den Fachleuten dafür Partizipation ist in der Idee der Soziokultur angelegt, Partizipieren verstanden als Teilhaben und Teilnehmen, als Sich-ein-Stück-Macht-aneignen. In soziokulturellen Zentren geschieht Partizipation in einem definierten Kontext auf ein bestimmtes Ziel hin und dient der Gestaltung des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Mitarbeiter/innen soziokultureller Zentren sind Spezialist/innen in Soziokultur und Partizipation. Sie kennen sich in beiden Gebieten aus und sind von der Innovationskraft der Soziokultur begeistert und überzeugt. Sie haben selbst viele soziokulturelle Erfahrungen gemacht, die sie weitergeben können, und arbeiten aus der Haltung heraus, dass Menschen grundsätzlich in ihrem sozialen, ökonomischen und kulturellen Umfeld aktiv sind und ihr kulturelles Potenzial zeigen oder hervorholen wollen. Mitarbeiter/innen soziokultureller Zentren sind auch erfahren in der Stadt- und Gemeinwesenentwicklung. Sie wissen, dass Veränderungen in der Gesellschaft nur dann umgesetzt werden können, wenn das Vorgehen und die Entscheide öffentlich sind und von vielen mitgetragen werden und, als wichtigste Voraussetzung, wenn sich die Menschen einmischen können. Dass sich Menschen an Entscheidungen, die ihr Leben und ihre Umwelt in irgendeiner Weise beeinflussen, beteiligen wollen, ist Fachleuten für Soziokultur und Partzipation selbstverständlich. Sie setzen darauf, dass Frauen, Männer und Kinder Chancengleichheit und Gleichberechtigung wollen und deshalb bereit sind, sich sozial und kulturell zu engagieren. Sie sind überzeugt, dass die Bereitschaft sich zu beteiligen wächst, wenn Menschen spüren, dass sie etwas bewegen können. Die sich daraus ergebenden Prozesse zu begleiten oder zu ermöglichen, gehören zu den Aufgaben der Mitarbeiter/innen soziokultureller Zentren. Soziale Skulptur Das Ergebnis von soziokulturellem Handeln ist die <Soziale Skulptur> oder <Soziale Plastik>. Der Kunstbegriff <Soziale Plastik>, der wesentlich vom deutschen Künstler Joseph Beuys (1926-1986) geprägt wurde, setzt voraus, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, die Gesellschaft mitzugestalten, indem er gesellschaftlich und politisch tätig ist und einen kulturellen Beitrag leistet. Durch ihre Aktivitäten formen die Menschen die Gesellschaft in einem kunsthandwerklichen Sinn wie eine Skulptur. Diese Aktivitäten enthalten alle kreativen menschlichen Tätigkeiten und sämtliche Lebensbereiche des Menschen. Die soziale Plastik ist ein lebensnahes, eindrückliches und dynamisches Bild für eine menschliche Gesellschaft. Vor dem inneren Auge erscheinen beim Wort Plastik Figuren, überhaupt Gebilde, die Assoziationen an die Bildhauerei, an aus Knetmasse wie Plastilin, Ton oder Wachs geformte oder noch zu formende Werke wecken. Sozial (vom lateinischen Wort <socius> = gemeinsam, verbunden, verbündet abgeleitet) verweist auf die wechselseitigen Bezüge als Grundbedingung menschlichen Zusammenlebens. Dank der Fähigkeit, nicht nur fürs eigene Wohl, sondern auch für das der anderen denken 4 und handeln zu können, bildet sich zwischen den Menschen – sozusagen – eine Plastik, deren wichtigste Eigenschaft ihre Veränderbarkeit, Formbarkeit ist. Eine soziale Plastik ist ein Gebilde ohne feste Grenzen, das sich immer wieder neu formen, das auch wachsen oder sich auflösen und neu bilden kann. Soziale Plastiken werden jeweils nur vorübergehend sichtbar. Sie manifestieren sich beispielsweise in einer Veranstaltung oder einer Installation, an der viele als Kulturschaffende oder als Publikum und Kritiker/innen beteiligt sind. Die in Manifestationen entstehenden zwischenmenschlichen Kontakte oder Begegnungen hinterlassen Spuren im Leben der jeweils Beteiligten, obwohl die vielfältigen und unterschiedlichen Bezüge und Beziehungen dabei unsichtbar bleiben. Die Menschen sind Teil dieser Plastik und gleichzeitig diejenigen, die diese Plastik formen das heisst, der Mensch ist die Hauptfigur. So verstanden ist Bildung, Gestaltung und Entwicklung einer Gesellschaft ein kontinuierlicher, kreativer Prozess, an dem jede Frau, jeder Mann, jedes Kind beteiligt ist. Die kreative Leistung liegt dabei im Nachdenken und im aktiven Handeln. Jeder Mensch hat Fähigkeiten, die erkannt, ausgebildet und gefördert werden können. Dazu gehören sowohl manuelle Fähigkeiten als auch Eigenschaften wie Offenheit, Neugierde, Interesse. Sie sind es, die unter anderem Kreativität und Phantasie hervorbringen. Aufgrund dieser menschlichen Fähigkeiten, Eigenschaften und Tätigkeiten, wie auch Gedanken und Ideen - zum Ausdruck gebracht durch Sprache, Musik, Malerei - entstehen Strukturen und Beziehungen. Jeder Mensch hat so die Möglichkeit, als Individuum innerhalb der Gesellschaft zu handeln und sich für die gesamte Gesellschaft verantwortlich zu fühlen und zu zeigen. Die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft werden dadurch zu einander in Beziehung gebracht und wirken als Generatoren von immer neuen sozialen Plastiken. Soziokultur und Kunst sind interdisziplinäre Sprachen, die zwischen verschiedenen Interessen vermitteln können, die den Menschen ihre Gestaltungskraft bewusst machen und zur Wahrnehmung sowie zum Einsatz dieser Kräfte ermutigen sollen. Dabei steht die Realisierung einer Idee im Mittelpunkt. <Die Menschen müssen wissen, dass die ersten wichtigen Einrichtungen die Ideen selbst sind. Die Ideen sind wirklich. Wenn Menschen wirklich etwas denken, dann kommt es auch so wie sie denken. Die Realisierung einer Idee steht im Mittelpunkt des kreativen Schaffens. Die Kunst ist die einzige evolutionäre Kraft. Nur aus der Kraft des Menschen können sich die Verhältnisse ändern. Soziale Kunst ist die Aktionskunst, die jeden Menschen in Bezug auf seine Verantwortung für das soziale Ganze in die Pflicht ruft.> (Joseph Beuys) Zukunftsfähige Soziokultur im Zentrum Karl der Grosse Die soziokulturelle Arbeit im Zentrum Karl der Grosse beruht auf den oben beschriebenen Grundlagen. Sie sind das Fundament, aus dem heraus wir die Arbeit entwickeln. Das Zentrum Karl der Grosse richtet seine Arbeit gesamtstädtisch aus. Im Fokus ist die Bevölkerung der ganzen Stadt. Die zentrale Lage in der Altstadt von Zürich bietet dazu drei wichtige Standortvorteile: Erstens ist das Zentrum mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Die Nähe zu (S)-Bahn-, Tram- und Buslinien ermöglicht es Menschen aus Stadt und Agglomeration Zürich das Zentrum als Treffpunkt und kulturellen Raum zu nutzen. Zweitens sind in der Nachbarschaft zahlreiche weitere grosse und kleine kulturelle Einrichtungen zu finden (Kunsthaus, Opernhaus, Tonhalle, Schauspielhaus, Theater am Neumarkt, Cabaret Voltaire, Literaturhaus, Theater Stadelhofen). Drittens ist die Altstadt eine sichere und schöne 5 Umgebung, ist übersichtlich und für jüngere wie auch ältere ein attraktiver Ort zum Ausgehen. Auch alleinstehende Frauen fühlen sich dort sicher und wohl. Partizipation und Eigeninitiative stehen an oberster Stelle. Partizipation geschieht auf ein bestimmtes Ziel hin in einem definierten Kontext: Wir gestalten das Kulturleben und das Aktions- und Veranstaltungsprogramm ausschliesslich unter der Beteiligung der Bevölkerung. Drei Formen der Partizipation stehen dabei im Vordergrund: Die Selbstverwaltung ist die am häufigsten praktizierte Form. Selbstverwaltung heisst, Menschen aus der Bevölkerung führen ihre Veranstaltungen autonom und selbstbestimmt durch, wir vermieten ihnen dazu unsere Räume. Die Mitwirkung und Mitentscheidung geschieht, indem wir die Veranstaltungsthemen publik machen und ausschreiben. Wir laden auch zu Gesprächen ein, zu Ideenbörsen und zum Mitwirken in Arbeitsgruppen. Interessierte können so Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung nehmen, aber auch Beiträge in den Veranstaltungen machen oder gar als Kooperationspartner/innen das Veranstaltungsprogramm mitgestalten. Diese Veranstaltungen erscheinen in unserem Programmheft, das wir fünfmal jährlich an Besucher/innen, Gäste, Kursteilnehmer/innen, Interessierte verschicken. Dieses Informationsmittel steht allen offen, man kann sich jederzeit in die Adresskartei eintragen und sich so über unsere Aktivitäten auf dem Laufenden halten. Auf der Internetseite www.stadtzuerich.ch/karldergrosse haben wir seit mehreren Jahren die Rubrik <Über unsere Arbeit> eingerichtet, darin können Berichte über den Entstehungsprozess von Veranstaltungen oder über erfolgreiche Projekte nachgelesen werden. Die Information, die einfachste Form der Partizipation, ist für viele der erste Schritt zur Teilnahme, sei es als Besucherin oder als Mitwirkender. Veranstaltungsthemen sind aktuelle Themen aus dem Alltagsleben Wir lassen also das kulturelle Angebot des Zentrums durch das Mitreden und Beteiligen vieler entstehen und setzen so unsere demokratische Haltung in die Praxis um. Zum einen stehen wir mit dem politischen, kulturellen, gesellschaftlichen und sozialen Umfeld in einem ständigen Austausch, zum andern setzen wir gesellschaftsund sozialpolitisch aktuelle Themen oder greifen existentielle Fragen breiter Bevölkerungskreise auf, beispielsweise Zeit, Arbeit, Geld, Dialog zwischen den Kulturen und Generationen. Die Themen bestimmen entweder wir selbst, indem wir das soziale und kulturelle Umfeld beobachten, oder wir nehmen Themen auf, die Menschen aus der Bevölkerung an uns herantragen. Ist ein Thema bestimmt, wird es von verschiedenen Seiten beleuchtet und diskutiert, es werden Veranstaltungen dazu konzipiert, so dass die unterschiedlichen Zielgruppen Gelegenheit haben, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Wir stehen mit unserer Umgebung in ständigem Dialog, pflegen bestehende Beziehungen, bauen unser Beziehungsnetz laufend aus, greifen Initiativen unterschiedlichster Menschen auf und rufen zu Teilnahme auf. Zu unserer Arbeit gehört das Reagieren auf aktuelle gesellschaftliche, soziale, kulturelle und politische Themen und das Anbieten projektbezogener Tätigkeiten. Die Menschen, die sich beteiligen Jüngere und ältere Menschen, Studierende, Ausgebildete mit und ohne Berufserfahrung, Erwerbslose, Angestellte, Selbständigerwerbende, Hausfrauen und männer, Frühpensionierte, Menschen im dritten Lebensalter diskutieren und gestalten mit uns das Programm und gehen Kooperationspartnerschaften ein. Alle verfügen über Kompetenzen, die sie entweder beruflich ausüben oder sich zusätzliche in berufsfremden Gebieten angeeignet haben und nun als Autor/in, Regisseur/in oder Techniker/in ausüben. Aktiv können aber auch Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder werden, die – sozusagen - noch unerfahren sind, noch nicht über Kompetenzen 6 auf einem Gebiet verfügen. Voraussetzung allerdings ist die Fähigkeit zu konzeptuellem Denken, zudem braucht es Selbstsicherheit und den Mut, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, sowie die Bereitschaft, Anregung und Kritik entgegenzunehmen. Wichtig sind ebenso Ausdauer und die Fähigkeit, mit Frustration, Erfolg und Misserfolg umgehen zu können. Ein vielfältiges und flexibles Veranstaltungsangebot Das Veranstaltungsangebot, das wir bereitstellen, erlaubt, sich innerhalb unserer Organisation zu orientieren und erste Kontakte zu knüpfen. Das Angebot an immer wieder anderen Begegnungsformen fördert das Gefühl von Zugehörigkeit und Identifikation, erleichtert die gesellschaftliche und kulturelle Orientierung und ist damit auch ein Begegnungsfeld, auf dem der respektvolle und tolerante Umgang mit kultureller Verschiedenheit geübt werden kann. Wir offerieren Interessierten, die sich in der Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen entwickeln und entfalten möchten, einen Erlebnis- und Experimentierraum. Unser Grundsortiment an offenen Angeboten, für die entweder kein Eintrittsgeld bezahlt werden muss oder zu denen der Zugang einfach ist – z.B. Aktionen auf der Strasse -, ist gross und ständig wechselnd, so dass immer wieder auch neue Leute erreicht und angesprochen werden können. Mitmachen können Einzelpersonen und Gruppen, indem sie sich entweder an der Umsetzung von Veranstaltungen beteiligen oder selber solche initiieren und durchführen. Oft wird durch die Art einer Veranstaltungen beim Publikum die Lust zu eigener Initiative geweckt. Kulturelles Vernetzen Im weiteren bieten wir die Möglichkeit, sich kulturell zu vernetzen. Dabei hat die wechselseitige Kommunikation einen hohen Stellenwert. Wir sehen unsere Gesprächspartner/innen als Expert/innen im jeweiligen Fachgebiet, die es wagen, sich auf Experimente einzulassen und ein Risiko einzugehen. Dabei berücksichtigen wir die jeweilige gesellschaftliche, ökonomische und kulturelle Situation der Partner/innen und gehen eine den Interessen dieser Menschen entsprechende zeitliche und finanzielle Vereinbarung ein, wobei wir auch unseren eigenen Standpunkt mit einbringen. Wir nehmen Rücksprache mit unserem Kontaktnetz und regen unsere Kooperationspartner/innen dazu an, in ihrem Umfeld Erkundigungen einzuziehen. Mit grosser Offenheit gehen wir auf Menschen zu, denn wir interessieren uns für ihre Lebensweise und ihre Meinungen, führen Gespräche und treffen verbindliche Abmachungen. Indem wir uns mit verschiedenen Lebenswelten auseinandersetzen, können wir durch aktives Entgegenkommen kulturelle Schranken überbrücken. Wir bauen gezielt ein Netzwerk auf, besuchen andere kulturelle Einrichtungen und signalisieren Interesse an Zusammenarbeit. Und nicht zu vergessen, wir betonen es immer wieder: Wir laden alle ein, sich an unserem Programm zu beteiligen. 7