Erziehung von Hunden: Die Frage nach dem was statt dem wie

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Erziehung von Hunden: Die Frage nach
dem was statt dem wie
Quelle: http://www.planethund.com/hundeerziehung/erziehung-hunde-frage-was-wie1912.html
Autorin: Nina Dany
Was heißt eigentlich Erziehung? Zwar erzieht jeder seinen Hund, aber die wenigsten können
die Frage eindeutig beantworten, was sie da tun. Die Fähigkeit zur Erziehung ist etwas, was
den Menschen angeboren ist. Kinder wurden schon immer erzogen und das sogar ohne
Erziehungsbücher und Ratschlägen von Fachleuten. Erziehung „kann“ jeder psychisch
gesunde Mensch leisten. Warum sollte man also etwas definieren, wenn man doch eh weiß
wie es geht?
Es ist schon erstaunlich, dass mittlerweile auf die sauberen und korrekten
Begriffsbezeichnungen so gepocht wird, aber Erziehung dabei außen vor gelassen wird.
Wehe jemand schreibt von „Trieben“ oder sagt, sein Hund würde in einem „Rudel“ leben.
Aber „Erziehung“ wird als Begriff überall verwendet, ohne sich dessen bewusst zu sein, was
es bedeutet.
Erziehung – Was ist das?
Erziehungsfragen werden häufig mit methodischem Vorgehen beantwortet, das sich rein auf
die Konditionierung beschränkt. Dabei bedeutet Erziehung nicht, im richtigen Moment einen
Clicker zu betätigen oder einen Leinenruck zu geben. Es scheint die einstimmige Meinung
vorzuherrschen, dass alles was man tut um Verhalten zu ändern, sich innerhalb einer nackten,
behavioristischen Lerntheorie abspiele. Die Zeit ist gekommen, dass wir anfangen darüber
zu reden, was Erziehung ist und was sie nicht ist. Um aber über einen Begriff diskutieren zu
können, muss man sich auf eine gemeinsame Definition einigen. Hier kommt die
Wissenschaft ins Spiel, die bereits Definitionen bietet.
Wer sich jedoch mit der Erziehungswissenschaft auseinandersetzt, merkt schnell, dass
ausgerechnet diese keine einfachen Definitionen bietet. Zu einem Begriff gibt es meist viele
verschiedene Definitionen, die je nach Theorie, Blickwinkel und geschichtlichem Hintergrund
eingeordnet werden müssen. An dieser Stelle erspare ich den Lesern eine ausführliche
Auseinandersetzung mit den verschiedenen Begriffsbestimmungen und deren theoretischen
Kontext. Vergleicht man die verschiedenen Definitionen von Erziehung, stellt man allerdings
Gemeinsamkeiten fest. So gehen die meisten Definitionen davon aus, dass Erziehung eine
soziale Interaktion ist. Diese Interaktion geschieht unter der Berücksichtigung der
Bedürfnisse und der Persönlichkeit des zu Erziehenden. Ziel davon ist, diesen in eine
bestehende Gesellschaft zu integrieren (beispielhaft: Hurrelmann, Klaus (1994): Mut zur
demokratischen Erziehung! In: Pädagogik (49), 7-8, S.13).
Die Eingliederung in die Gesellschaft geschieht somit nicht „zu jedem Preis“, sondern in einer
Art und Weise, die sowohl Bedürfnisse als auch die individuelle Persönlichkeit
berücksichtigt. Erziehung ist dementsprechend im hohen Maße sozial und individuell.
Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob diese auf Menschen gemünzte Definition sich auch
auf das Zusammenleben mit unseren Vierbeinern übertragen lässt. Meiner Meinung nach ist
dies hervorragend möglich, wenn man den Aspekt der Gesellschaft anders betrachtet.
Zwar müssen Hunde nicht später selbstständig in der Gesellschaft zurechtkommen, aber auch
sie müssen sich in unsere Gesellschaft einfügen. Sie dürfen nicht wildern gehen, sie dürfen
niemanden belästigen und schon gar nicht zur Gefahr für ihre Umwelt werden. „Ganz
nebenbei“ sollen sie auch unseren Alltag bereichern. Sie sollen nicht über Tische und Bänke
gehen, uns beim Spaziergang nicht den Arm ausreißen oder uns beißen, wenn wir ihnen etwas
wegnehmen wollen. Dass die Erziehung nur unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und
Bedürfnisse geschehen muss, sollte ebenfalls eine Selbstverständlichkeit sein. Und auch wenn
unsere Hunde sich nicht alleine in der Gesellschaft bewegen, sollen sie trotzdem in vielen
Situationen selbstständig die von uns gewünschten Verhaltensweisen zeigen.
Erziehung ist also ein sozialer Akt, der es dem Hund ermöglichen soll, sich in die Gesellschaft
einzugliedern und dies im besten Falle unter der Berücksichtigung dessen, was der Hund an
Individualität mitbringt.
Was ist Erziehung nicht?
Konditionierung ist keine Erziehung. Konditionierung ist eine Lerntheorie, die besagt, dass
man Verhalten durch Verknüpfung zweier Reize, bzw. durch das Bestätigen und Bestrafen
gewisser Verhaltensweisen, Verhalten verändern kann. Konditionierung muss nicht in einem
sozialen Kontext geschehen, die Beziehung des Erziehers zum Hund ist dabei nebensächlich,
auf die Persönlichkeit wird nicht eingegangen und auch die gesellschaftliche Eingliederung
wird nicht betrachtet. Sicherlich kommt Konditionierung im Erziehungsprozess auch zum
Tragen, es lässt sich aber absolut nicht damit gleichsetzen.
Leider geschieht genau dies immer wieder. Erziehungsfragen werden oft damit beantwortet,
dass man im richtigen Moment nur richtig verstärken oder im Gegensatz nur im richtigen
Moment angemessen bestrafen müsste. Sicherlich sind dies Dinge über die man sich
Gedanken machen sollte, aber sie alleine machen keine Erziehung aus.
Auch ein Hund, der perfekt zig Kommandos ausführen kann, ist nicht automatisch gut
erzogen. Kommandos werden klassischerweise über Konditionierung eingeübt und unter
Ablenkung weiter trainiert. Sie sind somit letzten Endes Tricks. Auch Tricks können den
Alltag erleichtern, aber sie sind keine Erziehung. Und somit entlockt es mir allenfalls ein
müdes Lächeln, wenn immer wieder propagiert wird, dass Wildtiere im Zoo ja auch geklickert
würden um sie händelbarer zu machen und man es deswegen auch so mit Hunden machen
müsste. Ganz nach dem Motto: Wenn die das so können, sollten wir das auch so machen. Nun
liegen die Wildtiere doch eher in den seltensten Fällen mit ihren Pflegern auf der heimischen
Couch. Wer als Erziehungsziel ein dressiertes Äffchen vor Augen hat, hat nicht verstanden,
was Erziehung eigentlich ausmacht. Einkonditionierte Kommandos sind lediglich Dressur.
Im Alltag mit unseren Vierbeinern sind diese sicherlich unabdingbar, wie zum Beispiel beim
Rückruf, aber dem artgenossenaggressiven Hund einfach einen Handtouch bei
Hundesichtung beizubringen, ist weder Erziehung, noch löst es das Problem. Dem Hund
wurde einfach ein netter Trick beigebracht, der im besten Fall den Hund so weit ablenkt, dass
er seine Aggressionen in dem Moment „vergisst“. Sozialer ist der Hund dadurch jedoch nicht
geworden. Es wurde weder ein Beitrag dazu geleistet, dass er sich in hündischer Gesellschaft
besser verhält, noch wurde ihm deutlich gemacht, was eigentlich von ihm erwartet wird. Es
hat allenfalls eine Wirkung auf das Verhalten aufgrund eines gegebenen stimmlichen
Kommandos. Ob er sich ohne das Zureden des Menschen neutral verhält, ist sicherlich
fraglich. Ob er in einer späteren Situation eher den Weg der Deeskalation, statt der Eskalation
geht, muss ebenfalls bezweifelt werden.
Die Rolle der Beziehung und der inneren Haltung
Wird sich auf rein technische Abläufe konzentriert, so wird das Wesentliche zwischen
Mensch und Hund ausgeklammert: die Beziehung. Auch wenn sicherlich nicht jedes
Erziehungsproblem ein Beziehungsproblem ist, so sollten wir diese bei Problemen nicht außer
Acht lassen. Mittlerweile dürften die Fälle der Überbehütung, verbunden mit einer
Ratlosigkeit, aufgrund zig unterschiedlicher Meinungen und Ansichten verbreiteter sein, als
die Vernachlässigung des Hundes.
Bei all den Meinungen, Methoden, widersprüchlichen Expertenaussagen und der Liebe zum
eigenen Tier vergessen viele Menschen schlicht und ergreifend ihre Haltung gegenüber ihrem
Hund. In der sozialen Interaktion ist diese allerdings elementar.
Nur wer seine Haltung bewahrt und sich eindeutig positioniert, kann seine Forderungen
seinem Gegenüber derart klar machen, dass sie akzeptiert werden. Dies lässt sich an einem
menschlichen Beispiel gut veranschaulichen. Wenn der kleine Kevin alles bekommt, was er
haben möchte, weil die Eltern von ihm weiterhin geliebt werden möchten und sich nicht
trauen, sich durchzusetzen, wird die Integration in die Gesellschaft misslingen. Spätestens
dann, wenn es nicht möglich ist, dass Kevin das bekommen kann, was er gerne haben möchte,
wird er Probleme haben. Probleme die vor allem er selbst und nicht die Eltern ausbaden
müssen. Dasselbe gilt auch für unsere Hunde.
Wer sich nicht traut, gegenüber seinem Hund Stellung zu beziehen und auch situativ zu sagen
„das was du da grade tust, wünsche ich nicht“, kann sich sozial gar nicht positionieren um
entsprechend zu erziehen. Derjenige wird bei Verhaltensproblemen Konflikte eher
vermeiden, als sie auszutragen. Derjenige wird aber auch für den Hund in anderen
Situationen nicht die Orientierung bieten, die dieser eigentlich benötigt. Wozu sollte der
Hund sich an jemanden wenden, der überfordert wirkt?
Manchmal knallt es doch: Konflikte und Grenzen
Das Ertragen und Aushalten von Konflikten gehört zur Erziehung dazu. Dies kann
durchaus anstrengend sein. Ein Kevin der sich schreiend an der Supermarktkasse auf den
Boden wirft, ist sicher ähnlich peinlich, wie ein Hund, der bei Hundesichtung schreiend in der
Leine hängt.
Erziehung verläuft aber schlicht und ergreifend nicht immer harmonisch. Hunde bringen
ihre eigenen Vorstellungen mit in den Alltag. Ein Herdenschutzhund hat andere
Vorstellungen als wir, was Besuch betrifft. Und die Meerschweinchen die wir niedlich finden,
findet der deutsche Jagdterrier an unserer Seite vermutlich sehr lecker. Hier den passenden
Weg zu finden, ist nicht immer leicht. Ein Hund kann so manch Erziehungsmaßnahme
ablehnen und dies deutlich zum Ausdruck bringen. Auch die Kommunikation verläuft nicht
immer perfekt. Jeder hat schon mal die Erfahrung gemacht in einer Diskussion am
menschlichen Diskussionspartner vorbeigeredet zu haben. Diese Missverständnisse gehören
zur Kommunikation dazu und sind kein Beinbruch.
Als kleine perfekte Beobachter, die in der Regel auch noch arbeitslos auf dem heimischen
Sofa rumlümmeln, haben Hunde zudem die Möglichkeit uns nahezu 24 Stunden am Tag zu
studieren. Sie kennen uns, wissen wann wir schlecht drauf sind und bemerken natürlich auch
unsere Fehler. Es ist nicht so, dass sie unsere Fehler suchen um sie auszunutzen – man sollte
sich aber dessen bewusst sein, dass unser Hund sein Verhalten immer auch an uns ausrichtet.
Und hierfür nutzt er nicht nur unser situatives Verhalten, sondern das Verhalten was wir im
gesamten Alltag zeigen.
Nur wenn wir akzeptieren, dass es innerhalb der Erziehung zu Konflikten kommen kann,
können wir angemessen reagieren. Eine Konstante ist auch hier wieder die Beziehung zu
unserem Hund. Es ist wichtig unsere Position dem Hund auch deutlich zu machen – es gibt
Grenzen an die der Hund sich halten muss. Dies belastet nicht die Beziehung zum Hund – es
bereichert sie. Der Hund weiß so sehr genau, woran er ist und kann sich völlig frei innerhalb
der Grenzen bewegen, die wir ihm abstecken. Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir
konfliktfähig sind.
Ethische Fragen bei der Erziehung
Wir haben uns unsere Hunde ausgesucht und nicht anders herum. Hunde haben ein Recht auf
Erziehung und ich möchte an dieser Stelle sogar noch weiter gehen: Sie haben ein Recht auf
die Entfaltung ihrer Persönlichkeit.
Natürlich muss man hier lenkend eingreifen und den Hund im besten Falle dabei
unterstützen, ein sicherer Vierbeiner zu werden, der die Welt seinen Interessen entsprechend
entdecken kann, ohne zur Gefahr seiner Umwelt zu werden oder unangenehm aufzufallen. An
dieser Stelle muss aber auch mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass ein
permanentes Konditionieren und die Reduktion des Hundes auf eine Reiz-ReaktionsMaschine ethisch bedenklich ist. Hunde leben mit uns in einem sozialen Verband. Sie auf
dressierte Äffchen zu reduzieren, wird ihnen nicht gerecht. Sie nie ihre Umwelt selbst
erkunden zu lassen, weil jegliches Verhalten kommentiert, konditioniert und gesteuert wird,
führt nicht zu Hunden, die selbstbewusst und frei ihre Umwelt erkunden können. Genauso
ethisch diskussionswürdig ist es, sie in eine starre „Rudelordnung“ einzunorden. Wenn der
Hund sich nicht mehr frei bewegen darf, aufgrund von überholten „Erziehungskonzepten“
oder er gar aufgrund von brutalem „Training“ Angst haben muss, kann er sich nicht frei
entwickeln. Beides ist keine Erziehung.
Fazit: Erziehung ist mehr als Konditionierung & Beziehung
Wie so oft, ist die Frage nach der richtigen Erziehung nicht eindeutig zu beantworten. Und
dies nicht nur, weil jeder Hund anders ist – auch weil jeder Mensch und das Zusammenspiel
der beiden Parteien einzigartig ist. Authentisch zu bleiben ist wichtig, um dem Hund zu
zeigen, wer wir sind und was wir möchten. Spielereien durchblicken unsere Vierbeiner und
verunsichern sie höchstens, weil das Bild, was wir ihnen präsentieren nicht mit dem
übereinstimmt, wie wir uns normalerweise verhalten.
Erziehung ist viel mehr als nur Konditionierung. Erziehung ist auch mehr als Beziehung. Sie
beinhaltet auch die innere Einstellung zum Hund und vollzieht sich in der sozialen Interaktion mit
dem Hund. Das verläuft nicht immer gradlinig und so, wie wir uns das vorstellen. Bei
Erziehungsproblemen kann es auch hilfreich sein, einfach mal Abstand von all den
Erziehungsratgebern und Tipp-Gebern zu nehmen und auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Eines
dürfen wir nicht vergessen: Uns allen wurde die Fähigkeit zur Erziehung in die Wiege gelegt. Bei
Problemen sollten wir uns nicht zu schade sein uns auch kritisch zu reflektieren. Was wollen wir
wirklich von unserem Hund? Wo stehen wir vielleicht nicht wirklich hinter dem, was wir sagen und
warum ist dies so? Gar nicht selten wird der Hund unterbewusst zu etwas gemacht, was er nicht ist.
Er kann weder Freund noch Kind ersetzen. Er ist auch weder das immer nach Dominanz strebende
Wesen, noch das harmoniesüchtige Tierchen, das aggressions- und konfliktfrei in den Tag leben
möchte. Im Interesse des Hundes sollten wir uns auch fragen, wie viele Freiheiten wir ihm
zugestehen können und an welchem Punkt diese Freiheit endet.
All diese Fragen sind spannend – und ihre Antworten sind oft sogar spannender und
lehrreicher, als jegliche Trainingstechniken oder das krankhafte Festhalten an „0-8-15-so
muss jeder Hund sein“-Erziehungskonzepten.
Autorin: Nina Dany
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