Auszug aus „Essen forscht und heilt“ Integrative Medizin - Essener Modell: Naturheilkunde und Schulmedizin sollen gemeinsam Hilfe zur Selbsthilfe leisten PD Dr. Gustav Dobos Zwei können vereint gegen einen Gegner mehr ausrichten als einer allein. Der Beweis, dass diese simple Lebensweisheit auch auf dem Gebiet der Medizin gilt; dass die sogenannte „Integrative Medizin“ die Naturheilkunde und die Schulmedizin erfolgreich miteinander kombinieren kann, ist dem Land Nordrhein-Westfalen immerhin elf Millionen Mark wert. Erforscht, praktiziert und weiterentwickelt wird die Integrative Medizin als „Essener Modell“ im zu den Essener Kliniken Mitte gehörenden Knappschaftskrankenhaus von Chefarzt Priv. Doz. Dr. Gustav Dobos und seinem Team in der eigens dafür neu eingerichteten Abteilung „Innere Medizin V - Naturheilkunde und Integrative Medizin“. Den Sinn und Zweck der integrativen Medizin und damit seiner Arbeit sieht der Internist darin, die bewährte Schulmedizin durch wissenschaftlich fundierte Naturheilverfahren sinnvoll zu ergänzen. Dabei ist er in prominenter Gesellschaft: Auf dem gleichen Gebiet © Essen Marketing GmbH 2001 forschen in den USA z. B. so namhafte Hochschulen wie Harvard, Stanford und die Columbia University. Um das noch vom ehemaligen Landesvater und heutigen Bundespräsidenten Johannes Rau initiierte Projekt des Landes NordrheinWestfalen bewarben sich 60 medizinische Einrichtungen, von denen die Essener Kliniken Mitte das Rennen machten. Unterstützt wird die Einrichtung insbesondere auch von der Karl und Veronica Carstens-Stiftung. Diese in Europa führende Wissenschaftsorganisation für Naturheilkunde hat kürzlich sogar ihr Quartier zu den Kliniken Essen Mitte verlegt. Vorurteile der Schulmedizin gegen die Naturheilkunde will das Essener Modell evidenzbasiert, d. h. anhand von vergleichbaren wissenschaftlichen Nach-weisen abbauen. Nicht nebenoder gar gegeneinander, sondern miteinander sollen sich beide auch jener Patienten annehmen, die im konventionellen System nur eingeschränkt oder unter Inkaufnahme von Nebenwirkungen behandelt werden können und bei denen der Hausarzt, der Facharzt und die Pharmaindustrie nur eingeschränkte Erfolge erzielen können. Kooperative Forschung Die Nähe der Essener Modellklinik zur Forschung und der Wille zur Kooperation mit der konventionellen Medizin dokumentiert sich nicht nur in einem wissenschaftlichen Beirat aus Mitgliedern der Universitätsklinik Essen, sondern auch in der gemeinsamen Arbeit an Forschungsprojekten mit den Essener Professoren Diener, Jöckel, Philipp und Voith vom Universitätsklinikum, Professor Budde vom Krupp Krankenhaus und Pro1 Auszug aus „Essen forscht und heilt“ fessor Konietzko von der Ruhrlandklinik. Das Spektrum der gemeinsamen Projekte reicht damit von der nichtmedikamentösen Therapie bei schwerer Migräne über die unterstützende Therapie bei Mukoviszidose bis hin zur zusätzlichen Behandlung von Herzkranzgefäßerkrankungen durch gezielte Lebensstilveränderungen, einem Projekt, das von der Krupp-Stiftung gefördert und in Zusammenarbeit mit Professor Budde und Professor Philipp durchgeführt wird. Klinikleiter Dr. Dobos hat 12 Jahre lang als Internist und Wissenschaftler an der Universitäts-Klinik in Freiburg gearbeitet. Bereits als Student lernte er in China Akupunktur und arbeitete später 2 Jahre an renommierten Forschungsinstituten in den USA. Zuletzt sammelte er bei der Behandlung von rund 4.500 Patienten an einer naturheilkundlichen Klinik der DAK weitere Erfahrungen, ehe er nach Essen kam, um hier die Leitung der neuen Modellklinik zu übernehmen. Als Privatdozent liest er an der Universitätsklinik Essen über Themen der wissenschaftlich fundierten Naturheilkunde und Integrativen Medizin. Klinik wird ausgebaut Den Patienten – rund die Hälfte kommt nicht aus Essen – stehen aktuell in der Abteilung 20 Betten, demnächst 54, zur Verfügung. Vier Betten werden z. Zt. im Rahmen einer Tagesklinik genutzt. Im Ausbau befindet sich aktuell das Zentrum für physikalische Therapie. Auch ein Forschungsschwerpunkt für Traditionelle Chinesische Medizin, bei dem chinesiche Ärzte zusammen mit Ärzten und Wissenschaftlern der Universitätsklinik in Essen über Inhalte der Traditionellen Chinesischen Medizin arbeiten, ist geplant. © Essen Marketing GmbH 2001 Behandelt werden z. Zt. vor allem Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, chronischen Schmerzerkrankungen, Asthma bronchiale, chronischentzündlichen Darmerkrankungen, mit arteriellem Bluthochdruck oder Erkrankungen der Herzkranzgefäße. In Zusammenarbeit mit der Abteilung für Onkologie der Huyssens-Stiftung werden unterstützend auch Patienten mit Krebs behandelt. Die naturheilkundlichen Behandlungsmethoden reichen u.a. vom Heilfasten (etwa bei schwerer Migräne) über Bewegungstherapie und Akupunktur bis hin zur Blutegeltherapie bei der Kniegelenksarthrose. Besonders wichtig ist auch die sogenannte Ordnungstherapie. Das Ärzteteam setzt sich zusammen aus Internisten, einem Arzt für Allgemeinmedizin sowie einem in der physikalischen Medizin ausgebildeten Arzt. Sie alle haben neben ihrer gründlichen schulmedizinischen Ausbildung zusätzlich eine mehrjährige naturheilkundliche Ausbildung absolviert. Dazu kommen die Ordnungstherapeuten: Ernährungswissenschaftler, Sportpädagogen, Psychologen bzw. Pädagogen. „Unser Konzept beruht auf drei Säulen“ stellt Dr. Dobos klar. „Erstens auf der konventionellen Medizin, zweitens auf den naturheilkundlichen Verfahren. Wir arbeiten allerdings nur mit Naturheilverfahren, für die es wissenschaftliche Nachweise oder zumindest eine hohe wissenschaftliche Plausibilität gibt. Die dritte Säule ist die Ordnungstherapie.“ Bewusste Lebensführung Dieser ziemlich preußisch klingende Begriff hat tatsächlich deutsche Wurzeln. Die fundamentale Überlegung dazu – nämlich durch eine bewusste Lebensführung die körper2 Auszug aus „Essen forscht und heilt“ eigenen Ressourcen zu stärken – hat bereits vor mehr als 100 Jahren der vielen nur durch Wassertreten und Wickel bekannte Pfarrer Sebastian Kneipp angestellt. Ordnungstherapie dient der Wiederherstellung oder NeuEtablierung einer gesundheitsfördernden Lebensordnung. Ihr Ziel ist es, den Lebensstil der Patienten so zu strukturieren, das die Selbstheilungskräfte des Körpers unterstützt werden. Basierend auf Erkenntnissen der Chronobiologie, nach denen konkurrierende Zeitrhythmen des Menschen (Konkurrierende Zeitrhythmen: Die „natürlich-biologische“ Abfolge der Schlaf - und Wachphasen konkurriert mit der „sozial-kultürlichen“ der alltäglichen Anforderungen) seiner Gesundheit auf die Dauer abträglich sind, soll in Einzel- und Gruppentherapien eine „Re-Rhythmisierung des Lebens“ erreicht werden. So Anna Paul, Leiterin der Ordnungstherapie. ten für die stationäre integrativmedizinische Behandlung, wie auch für die der Tagesklinik, da sich dadurch die Liegedauer der Patienten deutlich reduzieren läßt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Hausarzt oder ein Facharzt den Patienten eingewiesen hat. Die örtlichen Krankenkassen, allen voran die AOK, unterstützen die Essener Modellklinik nicht zuletzt deshalb, weil die Kostenträger von Anbeginn an der Konzeptentwicklung der Einrichtung beteiligt waren. Ob es mittelfristig tatsächlich zu der erwarteten Kostenreduktion durch eine Verringerung des Drehtüreffekts bei chronisch Kranken kommt, wird die wissenschaftliche Begleitung durch die Abteilung für Epidemiologie und Biometrie an der Universitätsklinik Essen zeigen. In Amerika populär In den USA ist die Ordnungstherapie als „Mind-Body-Medicine“ und „LifeStyle Modification“ sehr populär geworden. Kürzlich umschrieb ein bekannter deutscher Politiker eine solche Veränderung als ein Auswechseln und Neuschreiben seiner persönlichen Programm-Diskette. Und Dr. Dobos sagt: „Die Ordnungstherapie konzentriert sich darauf, den Patienten in die Lage zu versetzen, selbst etwas gegen seine Krankheit zu tun. Wesentlich dabei sind Stressbewältigung, Entspannung, körperliche Fitness und eine gesunde Ernährung.“ Hilfe zur Selbsthilfe also. Wie Ergebnisse aus den USA, aber auch Erfahrungen der Mitarbeiter in Essen bestätigen, gelingt es bei Patienten auf diese Weise tatsächlich, chronische Erkrankungen deutlich zu lindern. Die Krankenkassen übernehmen die Kos© Essen Marketing GmbH 2001 3