Die Jungbrunnen-Metapher Bewegung und Kognition – Eine notwendige Einheit Volker Cihlar Institut für Gerontologie Universität Heidelberg Lucas Cranach der Ältere, um 1550 Entwicklung der Lebenserwartung in der Schweiz von 1990 bis 2060 ♀ 84,4 Zunahme der Hochaltrigen ♀ 90,0 1.472.000 (+53%) ♂ 86,0 962.000 ♂ 79,8 382.000 (Bundesamt für Statistik, 2010) (Bundesamt für Statistik, 2010) 1.071.000 (+180%) Nachlassende Mobilität Heidelberg (N=296) 100 Anteil von Personen, die 1 KM oder mehr ohne Schwierigkeiten gehen können 80 Ressourcen: Mobilität und Kognition % 60 40 20 0 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90-94 95-99 100 Alter Mobilität im Dritten und Vierten Alter Heidelberg 65-79 Jahre 80-94 Jahre 100% (158) 100% (142) 5,7% 7,0% 10,2% 77,1% 19,5% 26,6% 20,1% 33,8% Gehen ohne Schwierigkeiten Gesamtgruppe - weniger als 100 m zwischen 100 m und 500 m zwischen 500 m und 1 km mehr als 1 km p < 0,001 Komponenten der Mobilität • • • • Ausdauer Kraft Beweglichkeit Koordination Trainierbarkeit der Ausdauer Trainierbarkeit der Kraft • In einer 24 wöchigen Trainingsstudie zeigten 79 bis 91 Jährige Zuwächse in der VO2max. • 86 bis 96 Jährige zeigten in einem 8 wöchigen Krafttraining der Oberschenkel einen Kraftzuwachs von ø 174%. • Außerdem zeigten die Personen eine Verringerung der Herzfrequenz bei moderater Belastung. • Außerdem eine Muskeldickenzunahme von ø 10%. (Fiatarone et al., 1990) (Malbut, Dinan & Young, 2002) Einflüsse auf Gehirn und Kognition Neurotransmission • Dopamin stellt einen zentralen Neurotransmitter für das Arbeitsgedächtnis dar. Ressource Kognition • Die Wirksamkeit von Dopamin lässt mit dem Alter (Reeves, Bench & Howard, 2002) nach. Einflüsse auf Gehirn und Kognition Neurotransmission • Dopamin ist zu einem erheblichen Teil für die Variabilität in kognitiver Leistungsfähigkeit verantwortlich. Einflüsse auf Gehirn und Kognition – Strukturelle Veränderungen des Gehirns • MRT-Studien zeigen Volumenabnahmen im Hippocampus mit fortschreitendem Alter (gesunde Erwachsene, 26-82 Jahre alt, etwa 1,18%/J; ≥ 50) (Raz et al., 2004). • Entscheidend für das Speichern von Information über kurze • Stellt außerdem einen stärkeren Prädiktor als das Alter dar. (Bäckman et al., 2000) Zeiträume hinweg (Arbeitsgedächtnis) • Generierung von Information bzw. neuer Erinnerung Einflüsse auf Gehirn und Kognition – Strukturelle Veränderungen des Gehirns • Messungen zeigen verringertes Volumen des Frontallappens im höheren Alter (Albert & Killiany, 2001). Einflüsse auf Gehirn und Kognition – Strukturelle Veränderungen des Gehirns Exekutive Kontrollfunktionen beinhalten (1) Entscheidungsfindung (2) Konfliktlösung (in der IV) • Steuert die Ausführung von Bewegungen, reguliert die Auswahl von Bewegungen und ist stark mit exekutiven Kontrollfunktionen assoziiert. (3) Fehlerkorrektur (in der IV) (4) Inhibition (Hemmmechanismus; Moral) Wie können die Einbußen der kognitiven Strukturen kompensiert bzw. verhindert werden? Positive Effekte von Training auf das Gehirn (Colcombe et al., 2003) Alterskorrelierter Rückgang der Gehirnmasse • 55 Personen im Alter von 55 bis 79 Jahren unterschiedlicher Ausdauerleistungsfähigkeit • Hochauflösende Magnet-Resonanz-Bildgebung, Unterscheidung von grauer und weißer Substanz • Unterschiede in verschiedenen Regionen des Gehirns zwischen Ausdauertrainierten und wenig Trainierten • Aufschlüsselung nach Alter und nach VO2max (Fitness) (Colcombe et al., 2003) Ausdauertraining kompensiert Verluste der Gehirnmasse Wachstum von Gehirnzellen • Brain-derived neurotropic factor (BDNF) ist ein Protein, welches für Neuronenwachstum mitverantwortlich ist. • BDNF ist ein Schlüsselbaustein für die Effektivität neuronaler und synaptischer Verbindungen . • BDNF wird durch Lernen vermehrt . (Colcombe et al., 2003) BDNF Konzentration im Rattengehirn • (a) BDNF Konzentration in Teilen des Rattengehirns nach körperlichem Training (7 Tage Laufrad) • (b) BDNF Konzentration BDNF Konzentration im Rattengehirn • Höhere BDNF Konzentration im Hippocampus von Ratten bei trainierenden Tieren (EX) als bei inaktiven (SED) (* p < 0,05) bei inaktiven Ratten (Cotman & Berchtold, 2002) (Cotman & Berchtold, 2002) Steigerung von BDNF in Abhängigkeit von der Trainingsdauer Neubildung von Gehirnzellen (a) Mäuse in einer komplexen Umwelt (b) Freiwillig in einem Laufrad trainierend (c) Kontrollgruppe (d) Lernen in einem Labyrinth (e) Zum Schwimmen gezwungene • Ratten steigerten ihre freiwillige Rate an gelaufenen Kilometern (bis hin zu 20 km!) und damit steigerte sich auch die BDNF Konzentration (Cotman & Berchtold, 2002) (van Praag, Kempermann & Gage, 1999) Neubildung von Gehirnzellen (van Praag, Kempermann & Gage, 1999) Konsequenzen für die Praxis • Ausdauertraining durch Sportarten wie Walking, Lauftraining, Schwimmen, Rudern, Wandern oder Gerättraining • Koordinations- und Gleichgewichtstraining zur Steigerung von Aufmerksamkeit und räumlicher Wahrnehmung • Individuell • In der Natur Konsequenzen für die Praxis Voelker-Rehage et al., 2010 • Training in der Gruppe mit motivierenden Elementen wie Musik oder Partnerübungen • Fordernd, regelmäßig und in ausreichendem Umfang trainieren • Voelker-Rehage et al., 2010. Gehirntraining durch Bewegung. DTB. Empfehlungen des ACSM • Ausdauer: 5 mal pro Woche 2,5 Stunden insgesamt • Kraft: 2 mal pro Woche 1 Stunde insgesamt • Beweglichkeit: 2 mal pro Woche ½ Stunde insgesamt Ergebnisse • 21,7% der Stichprobe (n = 65) erreichten die Empfehlungen insgesamt. • Dabei waren 16% unter 80 Jahre und 5,7% über 80 Jahre (p < ,001, d = 0,45). • Im dritten Alter sind dies mehr Frauen als Männer, im vierten Alter umgekehrt. • Ohne Sportaktivitäten können die Empfehlungen selten erreicht werden. • Körperliche Alltagsaktivitäten spielen eine wichtige Rolle beim Training der Kraft. Erreichen der Empfehlungen insgesamt Erreichen der Empfehlungen für Kraft Insgesamt Kraft insgesamt 21,7% 47% Mit Sportbeteiligung Rein durch Alltagsaktivitäten Mit Sportbeteiligung Rein durch Alltagsaktivitäten 21% 0,7% 20,3% 26,7% Kombination Sport/Alltag Sport Kombination Sport/Alltag Sport 12,7% 8,3% 9,3% 11% Univariate Prognosemodelle Schlussfolgerungen Erreichen der Empfehlungen Soziodemographie OR 3,2 (CI 1,7-5,9) OR 1,1 (CI 0,6-1,9) Alter < 80 Jahre Hohe Schulbildung Gesundheit OR 3,0 (CI 1,6-5,7) OR 3,5 (CI 1,9-6,4) Pos. Subjektive Gesundheit Pos. Objektive Gesundheit Mobilität OR 5,0 (CI 2,5-10,1) OR 10,3 (CI 3,1-34,0) Gehstrecke > 1 km Keine Hilfsmittel Lebensqualität OR 1,1 (CI 1,1-1,2) Pos. Lebensbewertung OR 3,4 (CI 1,7-7,1) Pos. Zukunftsperspektive • Die Komponenten der körperlichen Leistungsfähigkeit sind bis ins hohe Alter trainierbar. • Bewegung hat einen starken Einfluss auf kognitive Strukturen. • Vernetzung von Neuronen durch Dendriten- und Synapsenbildung wird verbessert. • Sogar Neubildung von Gehirnzellen ist möglich. • Zum Erreichen dieser positiven Effekte muss ein gewisses Belastungsgefüge eingehalten werden. • Bewegung als potenzieller Jungbrunnen Vielen Dank! Volker Cihlar, Dipl.-Gerontologe Institut für Gerontologie Universität Heidelberg [email protected]