Brain-Quickies – bewegt gedacht! – Ein Übungsprogramm für ein starkes Gehirn von Dr. Petra Mommert-Jauch In den letzten Jahrzehnten hat die Wissenschaft viele neue und wichtige Erkenntnisse über das Gehirn gewonnen. Von größter Bedeutung ist dabei die Feststellung, dass das Gehirn durch die Aufnahme und Verarbeitung von Reizen wie ein Muskel durch Hanteltraining formbar und trainierbar ist. Bei entsprechenden Reizen erweitert es seine Verdrahtung, bildet neue Nervenzellen und sorgt für die Bildung von «Wachstumsdüngern». Betätigt man sich körperlich, werden Gehirnregionen aktiviert, die sowohl die Denkleistung als auch die Informationsverarbeitung steuern. Dadurch wird das Gehirn veranlasst, sich neuen Herausforderungen zu stellen und erfolgreich zu denken. Drei wichtige Zielgruppen für das Brain-Quickie-Programm 1. Zielgruppe «Sitzende/Selbstständige/Unternehmer/ Manager»: Erfolgreich denken! «Wer viel denkt, denkt erfolgreich. Wer denkt und sich bewegt, denkt noch erfolgreicher!» Das 3-stufige mental-motorische Brain-Quickie-Programm, das in eintägigen Trainer-Seminaren erlernt und dem Fitness-Kunden anschließend attraktiv – entweder in Kursform oder auch im Personal-Training – weitervermittelt werden kann, setzt am erfolgreichen Denken an, denn es: • • • • • • erhöht die geistige Denk- und Leistungsfähigkeit durch eine verbesserte Konzentration, Merkfähigkeit und Kreativität beim Problemlösen, verbessert die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit durch schnelleres Erkennen, Verarbeiten und Reagieren, bringt das Kurzzeitgedächtnis auf Vordermann, vergrößert den geistigen Arbeitsspeicher, erhöht die Stresstoleranz und verbessert die Ökonomie der Gehirnaktivität, denn fitte Gehirne denken energiesparender, schneller und direkter. 2. Zielgruppe 60+: Lange lebensfroh und selbstständig! Der demografische Wandel mit steigenden Zahlen der Zielgruppe 60+ bringt es mit sich, nicht nur über die körperliche, sondern auch die geistige Fitness nachzudenken. Altert das Gehirn? Die biologischen Verbindungen zwischen Gehirn und Körper sind bei keinem anderen Thema so wichtig wie beim Altern. GymNess 03/2014 Denn der wohlverdiente Lebensabend ist doch nur dann zu genießen, wenn Körper und Geist gleichermaßen aktiv sein können. Eine bahnbrechende Forschungsstudie (Nurses Health Studies) aus der Mitte der 70er-Jahre mit mehr als 122 000 Krankenschwestern lieferte einen überzeugenden Nachweis über die positiven Effekte körperlicher Bewegung auf das alternde Gehirn: Bei denjenigen Frauen, die das höchste Maß an Energie auf körperliche Aktivitäten konzentrierten, lag das Risiko geistiger Beeinträchtigungen bei Tests über das Auffassungsvermögen und die allgemeine Intelligenz 20 Prozent niedriger. Selbst auf einem relativ niedrigen Niveau von nur 1½ Stunden «Gehen» in der Woche wurde ein nutzbringender Effekt auf die Denkleistung festgestellt, der im Vergleich zu den am wenigsten aktiven Frauen wesentlich höher liegt. Sehr vereinfacht sind altersbedingte Reduktionen in der Gehirnleistung auf folgende Prozesse zurückzuführen: • Mit zunehmendem Alter verlieren die Zellen im ganzen Körper allmählich die Fähigkeit, sich Stress anzupassen, was dazu führt, dass bei den Nervenzellen Verschleißerscheinungen auftreten. • Die Folge ist, dass die Synapsen angegriffen und Verbindungen der Nervenzellen untereinander zerstört werden. Ein Prozess, der schließlich die Dendriten und die Kapillaren schrumpfen lässt und damit die Sauerstoffversorgung des Gehirns einschränkt. • Ohne ausreichenden Sauerstoff, Nährstoffe und Reparaturmoleküle, die dem Gehirn alle über das Blut zugeführt werden, sterben weitere Zellen ab. • Erschwerend kommt hinzu, dass auch der BDNF- und Dopamin-Spiegel mit zunehmendem Alter sinkt. Damit werden die Bewegungsfunktionen erschwert und leider auch die Motivation untergraben. Ein Teufelskreis nimmt seinen Lauf, den man aber unterbrechen kann! Denn der natürliche Alterungsprozess ist nicht der Hauptgrund für eine nachlassende Gedächtnis- und Denkleistung des Gehirns. Ursache ist eher mangelndes Gehirntraining, bedingt durch zu geringe geistige und körperliche Anforderungen. Ein typisches Beispiel ist der Eintritt ins Rentenalter: Die sozialen Kontakte reduzieren sich, die Herausforderungen am Arbeitsplatz fallen weg, und körperliche Bewegung oder gar Sport treten eher in den Hintergrund. Das Gehirn wird nicht mehr auf die Probe gestellt und zum Lernen animiert. Folge ist die Rückbildung des Denkorgans, das ebenso wie ein Muskel degeneriert, der nicht mehr gefordert wird. Nur durch ein gekoppeltes Denkund Bewegungstraining kann man sicherstellen, dass sich neue Gehirnmuster und -strukturen bilden, sodass die gegenwärtige Denk- und Gedächtnisleistung nicht nur beibehalten, sondern auch noch gesteigert werden kann. 11 Der beste Weg, nicht nur, um erfolgreicher denken zu können, sondern sich vor dem kognitiven Leistungsverlust und entsprechenden Krankheiten zu schützen, ist, für ein starkes Gehirn zu sorgen. Das Brain-Quickie-Programm Hinsichtlich des Faktors BDNF, der auch als «Meistermolekül des Lernprozesses» bezeichnet wird, wurde dieser direkte biologische Zusammenhang zwischen Bewegung und kognitiver Funktion hinreichend bestätigt, denn: • BDNF kann durch körperliche Aktivität ganz wesentlich erhöht werden! • • • optimiert die Sauerstoffversorgung des Gehirns, um Zellen vor Schädigung oder Krankheiten zu schützen, verbessert die Stimmung und stärkt das Selbstbewusstsein, reduziert altersbedingte degenerative Erkrankungen bzw. Leistungsverluste, verringert möglicherweise sogar die Einnahme bestimmter Medikamente. Das erreicht man am besten durch Bewegungen, die auch geistig fordern, denn dann • • • • werden die Verbindungen zwischen den Nervenzellen gestärkt, entstehen neue und leistungsfähigere Synapsen (Verbindungsstellen zwischen den Nervenleitungen), werden neugebildete Stammzellen zur Teilung angeregt, und neue Nervenzellen können entstehen. Um diese Effekte zu provozieren, braucht das Gehirn «Dünger». Der neurotrophe Wachstumsdünger BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) spielt dabei eine ganz wichtige Rolle: Stellt man sich eine Nervenzelle im Gehirn wie einen Baum vor, so «trägt» sie anstatt der Blätter an ihren Verästelungen (Dendriten) viele Synapsen. Wird der Nervenzelle jetzt der Dünger BDNF zugeführt, wachsen neben vielen weiteren kleinen Ästen (Dendriten) auch die Synapsen, und es werden zusätzliche Verbindungsstellen darüber hinaus gebildet – das Gehirn «wächst» und formt sich: Konzentration, Kreativität, Merkfähigkeit und Informationsverarbeitung werden erhöht. BDNF trägt dabei nicht nur, wie oben bereits erwähnt, zum Wachstum neuer Nervenzellen und Synapsen bei, sondern verbessert auch die Signalstärke der Übertragung zwischen den Nervenzellen. Es baut also nicht nur Straßen, sondern sorgt auch für einen besseren Verkehrsfluss. Darüber hinaus ist BDNF auch ein entscheidendes biologisches Bindeglied zwischen unseren Gedanken, Emotionen und der Bewegung. Deshalb können mit körperlicher Aktivität, die den BDNF-Spiegel erhöht, nicht nur mehr Wachstumsfaktoren als durch andere Reize produziert werden, sondern das Gehirn wird dadurch auch gegen Stresseinflüsse geimpft. Wir haben das Wachstum unserer Nervenzellen und Nervenverbindungen zu einem großen Teil selbst in der Hand. Geistige Fitness lässt sich – genau wie körperliche Fitness – trainieren! 3. Zielgruppe «Psychosomatische Beschwerdebilder»: Seelische Gesundheit erlangen! Die nachweisbar zunehmenden psychosomatischen Beschwerdebilder – z. B. Depressionen, Burnouts, stressbedingte körperliche Erkrankungen usw. – fordern mehr als nur die rein körperliche Intervention. Gezielte körperlich-mentale Bewegung fördert die verloren gegangene Netzwerkbindung und provoziert die Ausschüttung von so genannten Botenstoffen im Gehirn, wie zum Beispiel Die Verbindung zwischen Gehirn und Körper • Wo aber ist jetzt die Verbindung zwischen diesen chemischen Prozessen und körperlicher Bewegung? • Nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen besteht zwischen dem Bewegungszentrum (motorischer Cortex) unseres Gehirns und dem Stirnhirn (präfrontaler Cortex), das unsere Emotionen, Gedanken, sozialen Fertigkeiten und auch unsere Aufmerksamkeit und Konzentration steuert, eine enge Verbindung. Generaldirektor ist der präfrontale Cortex, der in enger Zusammenarbeit mit dem leitenden Geschäftsführer, dem motorischen Cortex – natürlich in Abstimmung mit vielen anderen Arbeitsgruppen (Regionen des Gehirns) –, die «Geschäfte» unseres Gehirns leitet. Bewegung hat selbstverständlich Einfluss auf den Körper, aber auch auf psychische und biochemische Vorgänge im Gehirn. Andersherum provoziert alleine nur eine «gedachte» Bewegung Gehirnaktivität und eine bessere motorische Koordination. 12 • • körpereigene Opiate, die ganz legal das Wohlbefinden steigern und für gute Laune sorgen; Dopamin, welches in enger Verbindung zum Lernen und zur Aufmerksamkeit steht und die Motivation erhöht. Da der Dopaminspiegel mit zunehmendem Alter nachlässt und er aber der Haupttransporteur von Signalen des Belohnungsund Motivationssystems ist, sollte ein Interventionsschwerpunkt auf Bewegung liegen; Noradrenalin, welches die Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und die mentale Aktivierung steigert; oder auch Serotonin, welches Angstzustände mindert, die Stimmung beeinflusst und das Selbstvertrauen steigert. Als Gegenspieler zum Cortisol – einem wesentlichen Stresshormon – kann es Stress entgegenwirken. Außerdem wird Serotonin gerne als die «Polizei» des Gehirns bezeichnet, da es bei einer Vielzahl von Hirnsystemen eine außer Kontrolle geratene Reaktion unterdrücken kann. GymNess 03/2014 Beispiele für Brain-Quickies für die Zielgruppe der «Sitzenden» Übung 1 : «Zugspannung» 1.Schritt: Sie sitzen aufrecht. Die Unterarme und die Finger liegen – maximal gespreizt – auf dem Schreibtisch auf. 2.Schritt: Zusammen mit dem Ausatmen «spannen» Sie mit den Händen die Tischplatte nach außen und ziehen sie fiktiv zu sich her. 3.Schritt: Gleichzeitig mit der Zugspannung der Hände «spannen» die Füße den Boden nach außen und ziehen ihn fiktiv zu sich her. 4.Schritt: Wechseln Sie flott zwischen der Hand- und Fußspannung ab. Wiederholungen: Wechseln Sie 5 – 10 Mal zwischen der Hand- und Fußspannung ab und halten Sie die Spannung jeweils nur für 2 – 5 Sekunden. Übung 2: «Der Arm- und Bein-Mix» 1.Schritt. Sie sitzen aufrecht. Schließen Sie die Hände zu Fäusten und überkreuzen Sie die Arme auf dem Tisch. 2.Schritt: Dann spreizen Sie die Arme und die Finger weit auseinander, um sie danach wieder zu kreuzen und die Hände zur Faust zu ballen. Merken Sie sich dabei, welcher Arm oben kreuzt und wechseln Sie die Arme dabei ab. 3.Schritt: Gleichzeitig zu den Armen strecken und beugen Sie die Beine im Wechsel nach vorne und hinten. 4.Schritt: Das klappt gut? Dann bleiben Sie variabel, indem Sie die Aufgaben von Armen und Beinen tauschen: Die Arme «boxen» im Wechsel nach vorne und die Beine scheren auseinander und schließen sich wieder. Wiederholungen: Kreuzen und spreizen Sie die Arme jeweils 10 Mal und versuchen Sie entsprechend jedes Bein mindestens 10 Mal zu beugen und 10 Mal zu strecken. Viel Spaß! Ihre Dr. Petra Mommert-Jauch Weitere Informationen zum Thema Brain-Quickie bekommen Sie bei der ISR-Gesundheitsakademie unter [email protected]. Auch der BGB bietet in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Mommert-Jauch am 23. August 2015 einen Seminartag zum Thema «Neurofitness» an. GymNess 03/2014 13