elektroniknet: Analoge Bauelemente Page 1 of 6 URL: http://www.elektroniknet.de/bauelemente/technik-know-how/analogebauelemente/article/1549/1/Gestoerte_Operationsverstaerker/ 20. Oktober 2009 1| Drucken | CLEAR Eine Messumgebung zur Bestimmung der EMV-Empfindlichkeit Gestörte Operationsverstärker Der Fortschritt der Technik bringt immer leistungsfähigere und schnellere Technologien in der Elektrotechnik hervor. In diesem Zusammenhang stellt sich vermehrt die Frage nach der elektromagnetischen Verträglichkeit von elektronischen Komponenten. EMV-empfindliche Operationsverstärker verursachen in elektronischen Schaltungen große Probleme. Stefan Dikk und Stefan Wicki Anzeige Die Berechnung des EMSF Bild 1. Blockschaltung der Messumgebung für das DC-Verhalten von OpAmps unter Einfluss einer HF-Störung. Ein weitgehend unbekannter Effekt ist der, dass Operationsverstärker (OpAmp) einen DCOffset am Ausgang produzieren, wenn man ein HF-Signal über der Transitfrequenz des OpAmps einspeist. Das eingespeiste Signal wird gleichgerichtet und erscheint als DC-Offset am Ausgang. In der Literatur wird dieser Effekt als „Audio-Rectification“ beschrieben. Dieser Effekt ist besonders perfide, da man den DC-Offset auch mit den besten Tiefpassfiltern nicht wegfiltern kann. National Semiconductor hat im September 2007 eine Application Note (AN-1698) zu diesem Thema veröffentlicht (A Specification for EMI Hardened Operational Amplifiers). Dort wird dieser Effekt auch gemessen. Dies zeigt die zunehmende Bedeutung von immunen OpAmps. In neuen Datenblättern (LMV851/ LMV852/LMV854) von National Semiconductor ist die Störempfindlichkeit mit dem „EMIRR“-Faktor anzutreffen. Leider ist dieser nur bei einzelnen http://www.elektroniknet.de/bauelemente/technik-know-how/analoge-bauelemente/art... 01.07.2010 elektroniknet: Analoge Bauelemente Page 2 of 6 Frequenzen definiert. In diesem Artikel wird daher eine Größe „EMSF“ (Electro Magnetic Senstitivity Factor) eingeführt, welche beschreibt, wie empfindlich ein OpAmp bezüglich HF-Störungen ist. Die Größe „EMSF“ ist dabei eine Mittelung über das ganze Frequenzband. Messaufbau Das DC-Verhalten von OpAmps unter Einfluss einer HF-Störung wird mittels eines speziellen HF-Messplatzes untersucht (Bild 1). Die Mess-Software steuert über GPIB einen Signalgenerator (SG) und ein digitales Multimeter (DMM). Beide Geräte sind über Koaxkabel mit einer eigens für diese Arbeit erstellten Leiterplatte verbunden. Der Messaufbau wird von einem Labornetzgerät gespeist. Am Stecker „HF-In“ wird das HF-Signal eingespeist, am Stecker „DC-Aus“ der DC-Offset des OpAmp gemessen. Bild 2. Blockschaltung des „Measurement Device“. Ein flexibler Aufbau der Hardware ermöglicht es, OpAmps mit verschiedenen Speisespannungspegeln und in unterschiedlichen Gehäusetypen zu vermessen. Durch einen Drehschalter und mit Hilfe von HF-Switches wird das HF-Signal entweder an der OpAmpSpeisung, am OpAmp-Eingang oder am OpAmp-Ausgang eingespeist. Mit DIL-Schaltern wird die Versorgungsspannung des OpAmp eingestellt. Der HF-gerechte Aufbau der Hardware mittels impedanzkontrollierter 50-Ω-Leitungen erlaubt, Messungen bis zu einer Frequenz von 1 GHz durchzuführen. Wie die Blockschaltung des „Measurement Device“ (Bild 2) zeigt, kann das HF-Signal über vier Schalter wahlweise dem OpAmp zugeführt werden. Hinter jedem Schalter befindet sich ein Hochpass, welcher verhindert, dass Gleichspannung auf den OpAmp geleitet wird. Die HF wird mit Hilfe von vorgeschalteten Tiefpässen von der Speisung UDD und USS ferngehalten. Bild 3. Messaufbau in der invertierenden Schaltung für die Verstärkungsfaktoren –1 (R1 = R2 = 1 kΩ) und –10 (R1 = 1 kΩ, R2 = 10 kΩ). Das HF-Signal kann am DC-freien (Hochpass) „Monitor“-Ausgang analysiert werden. An „DCAus“ wird nur der DC-Offset beobachtet. Dieser Ausgang liefert die eigentliche Messgröße. Durch ein selbst entwickeltes Lab-VIEW-Programm lässt sich der Testablauf einfach steueren. Die Einstellung der Peripheriegeräte (DMM, SG) erfolgt komfortabel in einer LabVIEWOberfläche. Hier werden alle relevanten Parameter zur Messung festgelegt: die Messfrequenz, http://www.elektroniknet.de/bauelemente/technik-know-how/analoge-bauelemente/art... 01.07.2010 elektroniknet: Analoge Bauelemente Page 3 of 6 die Signalleistung, der Messbereich und die Sweep-Geschwindigkeit. Messresultate Für die Bestimmung der EMV-Empfindlichkeit wird das HF-Signal an verschiedenen Pins des OpAmp eingespeist und der DC-Offset am Ausgang des OpAmps gemessen. Die Messbedingungen sind wie folgt definiert: Sinusförmiges HF-Signal (ohne Offset) mit 0 dBm Signalleistung (entspricht an 50 Ω einem Effektivwert von 224 mV) und einer Signalfrequenz von 10 kHz bis 1 GHz; die Frequenzpunkte sind logarithmisch verteilt. HF-Signaleinspeisung an Eingang, Ausgang, UDD und USS. Impedanzkontrollierte 50-Ω-Leitungen. OpAmp-Beschaltung mit Verstärkung –10, –1, +1 und +10. Gemessen wird der DC-Offset am OpAmp-Ausgang. Die OpAmps werden in der invertierenden Grundschaltung (Bild 3), Verstärkungsfaktoren –10 und –1) und in der nichtinvertierenden (Bild 4, Verstärkungsfaktoren +1 und +10) Grundschaltung betrieben. Messergebnisse Die Bilder 5 bis 8 zeigen die DC-Spannung am Ausgang unterschiedlicher OpAmps, und zwar jeweils von oben nach unten mit: HF-Einspeisung am Eingang, HF-Einspeisung am Ausgang, HF-Einspeisung an UDD und HF-Einspeisung an USS Bild 4. Messaufbau in der nicht invertierenden Schaltung für die Verstärkungsfaktoren +1 (R1 = ∞, R2 = 1 kΩ) und +10 (R1 = 1 kΩ, R2 = 9 kΩ). Es wird deutlich, das der DC-Offset nicht ein kleiner, unbedeutender Effekt ist, sondern einer, der in Schaltungen große Probleme verursachen kann. DC-Offsets bis zu 1 V konnten gemessen werden. Ein Vergleich der Ergebnisse aller untersuchten OpAmps macht mehrere Gemeinsamkeiten deutlich. Ein OpAmp ist bezüglich einer HF-Einspeisung empfindlicher, je größer die Verstärkung der Schaltung ist (Verstärkung +10/–10). Am empfindlichsten ist ein OpAmp mit nichtinvertierender Schaltungstopologie (Verstärkung +10 bzw. +1). Dies ist in der Schaltungstopologie begründet: Die HF wird direkt ohne Vorwiderstand in den OpAmp gespeist (Bild 4). http://www.elektroniknet.de/bauelemente/technik-know-how/analoge-bauelemente/art... 01.07.2010 elektroniknet: Analoge Bauelemente Page 4 of 6 Dass HF an einem OpAmp-Ausgang anliegt, kommt in der Praxis häufig vor. Ist am Ausgang eines OpAmp ein A/D-Wandler angeschlossen, so sieht der OpAmp-Ausgang eine sich stark ändernde Belastung bei jeder Abtastung des A/D-Wandlers. Dies ist gleichbedeutend mit einer Einspeisung von HF in den Ausgang. Wird HF in den Ausgang des OpAmp eingespeist, ist die Sachlage entgegengesetzt zur Einspeisung am Eingang: Je kleiner die Verstärkung ist (Verstärkung +1/–1), desto größer ist der DC-Offset. Wiederum ist ein OpAmp mit nichtinvertierender Schaltungstopologie empfindlicher. Generell ist der durch HF-Einspeisung am Ausgang verursachte DC-Offset etwa 6- bis 15-fach geringer, als wenn die HF am Eingang anliegt. Bei einer Verstärkung von +1 ist der Widerstand R1 nicht vorhanden. Das heißt, die HF gelangt direkt über R2 in den Minus-Eingang des OpAmp. Bei einer Verstärkung von –1 sind die Widerstände R1 und R2 gleich groß. Die vom Ausgang herrührende HF wird halbiert und in den Minus-Eingang des OpAmp geleitet. Der DC-Offset halbiert sich etwa von +1 zu –1. Somit ist gezeigt, dass der Effekt von HF verursacht wird, die in die OpAmp-Eingänge gelangt. Obwohl der DC-Offset aufgrund von HF in den OpAmp-Eingang weitaus weniger schlimm erscheint, als wenn HF direkt in die Eingänge gelangt, täuscht dies. Im Schaltungsdesign platziert man häufig parallel zu R2 einen Kondensator, um ein Tiefpassfilter zu realisieren. Darüber gelangt die HF vom Ausgang direkt in den Minus-Eingang des OpAmp und verursacht große DC-Offsets. Es muss mittels Π- oder T-Filter verhindert werden, dass HF in den Ausgang eines OpAmp gelangt. Bei HF an der Speisung sind wiederum die Schaltungen mit hohen Verstärkungen (+10/–10) empfindlicher als solche mit geringen. Die nichtinvertierende Topologie ist bei hohen Verstärkungen empfindlicher als die invertierende. Bei kleinen Verstärkungen lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen. Generell ist die negative Speisung USS empfindlicher als die positive UDD. Dies lässt sich wie folgt erklären: Die meisten OpAmps sind im Grunde mit NPN-Transistoren oder N-KanalMOSFETs aufgebaut. In beiden Fällen gelangt das Störsignal auf der negativen Speisung mehr oder weniger direkt an die Emitter bzw. Sources, und das sind bedauerlicherweise die Steuerelektroden der Transistoren. Störungen an der positiven Speisung sehen im Kollektor oder Drain mehrheitlich eine wesentlich weniger empfindlichere, weil hochohmige Stromquelle. Was ist der „EMSF“? Um die EMV-Empfindlichkeit verschiedener OpAmps untereinander zu vergleichen, wurde die Größe EMSF eingeführt. EMSF steht für „Electro Magnetic Sensitivity Factor“ oder „elektromagnetischer Empfindlichkeits-Faktor“. Je größer dieser Faktor ist, desto empfindlicher ist ein OpAmp gegen HF-Störungen. Dieser Faktor wurde eigens für die zuvor beschriebene Messumgebung definiert. Um den EMSF zu bestimmen, wird der DC-Offset der OpAmps mit den Verstärkungsbeschaltungen –1, +1, –10 und +10 und der HF-Einspeisung an OpAmp-Eingang, OpAmp-Ausgang sowie der UDD- und USS-Speisung gemessen (16 Messkurven, Bilder 5 bis 8). Die Messkurven zur Bestimmung des EMSF http://www.elektroniknet.de/bauelemente/technik-know-how/analoge-bauelemente/art... 01.07.2010 elektroniknet: Analoge Bauelemente Page 5 of 6 Fotostrecke starten: Klicken Sie auf ein Bild (4 Bilder) Für den EMSF wird der DC-Offset aller Messkurven relativ zur Verstärkung und relativ zur HFSpannung normiert. In einem nächsten Schritt werden pro Messkurve die einzelnen DCSpannungen quadriert und summiert, zuletzt wird die Wurzel gezogen. Man erhält eine Spannungsdichte in V/√Hz. Die einzelnen Messpunkte sind logarithmisch über den Frequenzbereich verteilt. So wird ein DC-Offset, der im Bereich von 1 MHz bis 10 MHz auftritt, gleich gewichtet wie ein DC-Offset, der im Bereich von 10 MHz bis 100 MHz vorhanden ist. Die einzelnen Messpunkte sind logarithmisch über den Frequenzbereich verteilt. So wird ein DC-Offset, der im Bereich von 1 MHz bis 10 MHz auftritt, gleich gewichtet wie ein DC-Offset, der im Bereich von 10 MHz bis 100 MHz vorhanden ist. Nun werden die Spannungsdichten aller Messkurven gemittelt. Dies ermöglicht es auf einfache Weise, die generelle EMV-Empfindlichkeit von OpAmps grafisch darzustellen und mit anderen OpAmps zu vergleichen. Der EMSF ist somit eine definierte Messgröße, die das EMV-Verhalten eines OpAmp beschreibt und für jeden OpAmp ermittelbar ist, eine summarische Größe für die Störverträglichkeit von OpAmps auf HF-Einspeisung, eine charakterisierende Größe zur Beschreibung des DC-Offsets eines OpAmp unter HFStörung an OpAmp-Eingang, OpAmp-Ausgang und Speisung bei Verstärkungen von –10, –1, +1 und +10, relativ zur Verstärkung der Schaltung und zur HF-Spannung. http://www.elektroniknet.de/bauelemente/technik-know-how/analoge-bauelemente/art... 01.07.2010 elektroniknet: Analoge Bauelemente Page 6 of 6 Mathematische Definition des EMSF: Von einer Messung mit n Messpunkten pro Kurve und m Kurven berechnet sich der EMSF eines OpAmp. (mit Gain = Verstärkungsfaktor der Schaltung) Der Wert steigt, je empfindlicher ein OpAmp bezüglich HF-Störungen ist, und ist Null, wenn ein OpAmp durch HF nicht gestört wird. Durch die Quadrierung der einzelnen Terme ist gewährleistet, dass die negativen Offsets die positiven nicht kompensieren. Zudem werden große Störamplituden mehr gewichtet. Die Definition ist ähnlich zum Klirrfaktor. Die Messpunkte sind n-logarithmisch über die Frequenzachse verteilt. Bild 9 zeigt den EMSF aller gemessenen OpAmps. Diese Größe wurde gegen die Slew-Rate (SR), das Verstärkungs-Bandbreite-Produkt (GBP) und die Technologie der OpAmps aufgetragen, um Regeln bezüglich der Vorhersagbarkeit der EMV-Empfindlichkeit von OpAmps zu machen. Der LM358 von National Semiconductor weist mit SR = 0,1 V/µs von den ausgemessenen OpAmps den schlechtesten EMSF von etwa 0,09 V/√Hz auf. Der AD8676 von Analog Devices (geeignet für Präzisionsinstrumente) ist mit einem EMSF von etwa 0,02 V/√Hz am robustesten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Eingänge des OpAmp bezüglich HF-Störungen am empfindlichsten sind. Beim Design ist darauf zu achten, mögliche Störungen von den Eingängen fernzuhalten (Filter). Durch Filterkondensatoren parallel zum Feedback-Widerstand können HF-Störungen vom Ausgang her in den Eingang des OpAmp gelangen. Bild 9. Auswertung des elektromagnetischen Empfindlichkeits-Faktors EMSF von verschiedenen OpAmps. Auch die Spannungsversorgung eines OpAmp reagiert auf HF-Störungen. Der negative Anschluss ist generell empfindlicher als der positive. Deshalb sollte die Versorgung eines OpAmp durch RC-Filter oder Ferrit-Beads mit Kondensatoren vor HF geschützt werden. Bei „dual-supply“ gilt dies für den Plus- und den Minus-Anschluss, bei „single-supply“ ist auf eine möglichst gute Masse-Anbindung zu achten. Mit dem „Electro Magnetic Sensitivity Factor“ (EMSF) konnte ein Weg gefunden werden, die HFEmpfindlichkeit von OpAmps zu quantifizieren. In Datenblättern sind keine Daten bezüglich der HF-Empfindlichkeit von OpAmps vorhanden. http://www.elektroniknet.de/bauelemente/technik-know-how/analoge-bauelemente/art... 01.07.2010