Leseprobe Kuckertz Grundlagen – Gleichstrom und Felder ELEKTROTECHNIK / ELEKTRONIK Studienbrief 2-050-1001 3. Auflage 2007 HDL HOCHSCHULVERBUND DISTANCE LEARNING Verfasser: Prof. Dipl.-Ing. Heinz Kuckertz Professor für Elektrotechnik und Regelungstechnik im Fachbereich Produktions- und Verfahrenstechnik an der Fachhochschule Braunschweig / Wolfenbüttel Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das Studienfach „Elektrotechnik / Elektronik“ verfasst. Die Bestätigung des Curriculums erfolgte durch den Fachausschuss „Wirtschaftsingenieurwesen“, dem Professoren der folgenden Fachhochschulen angehörten: HS Anhalt, FHTW Berlin, TFH Berlin, HTWK Leipzig, HS Magdeburg-Stendal, HS Merseburg, HS Mittweida, FH Schmalkalden, FH Stralsund, TFH Wildau und WH Zwickau. Redaktionsschluss: Mai 2007 3. aktualisierte Auflage 2007 2007 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning mit Sitz an der FH Brandenburg. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Service-Agentur des HDL (Hochschulverbund Distance Learning) Leiter: Dr. Reinhard Wulfert c/o Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V. Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg Tel.: 0 33 81 - 35 57 40 Fax: 0 33 81 - 35 57 49 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.aww-brandenburg.de Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Formelzeichen.................................................................................................. 4 Randsymbole .............................................................................................................................. 6 Einleitung ................................................................................................................................... 7 Literaturempfehlung.................................................................................................................. 8 1 Gleichstrom .................................................................................................................. 8 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 Elektrische Grundgrößen ............................................................................................... 8 Elektrische Ladung und Leitungsmechanismus .............................................................. 8 Elektrischer Strom ....................................................................................................... 11 Stromdichte ................................................................................................................. 12 Elektrische Spannung................................................................................................... 13 Elektrische Leistung, Arbeit und Wirkungsgrad ........................................................... 15 Der elektrische Widerstand .......................................................................................... 16 Ohmscher Widerstand.................................................................................................. 18 Ohmsches Gesetz......................................................................................................... 18 Bemessungsgrößen von linearen Widerständen ............................................................ 21 Temperaturverhalten von Widerständen ....................................................................... 23 Widerstandsnetzwerke ................................................................................................. 25 Kirchhoffsche Sätze, Netzberechnungen ...................................................................... 30 Knotensatz................................................................................................................... 30 Maschenregel............................................................................................................... 32 Netze mit mehreren Knoten und Maschen .................................................................... 34 2 Felder ......................................................................................................................... 39 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.2.7 2.2.8 Das elektrische Feld..................................................................................................... 39 Stromfluss und elektrische Feldstärke .......................................................................... 39 Das elektrostatische Feld ............................................................................................. 41 Plattenkondensator....................................................................................................... 44 Parallel- und Reihenschaltung von Kondensatoren ....................................................... 46 Spannung und Strom am Kondensator.......................................................................... 47 Energieinhalt eines aufgeladenen Kondensators ........................................................... 48 Bauformen von Kondensatoren .................................................................................... 48 Das magnetische Feld .................................................................................................. 50 Magnetismus ............................................................................................................... 51 Magnetfeld stromdurchflossener Leiter ........................................................................ 52 Die magnetische Feldstärke H...................................................................................... 53 Die magnetische Induktion (Flussdichte) B .................................................................. 55 Der magnetische Fluss Φ ............................................................................................. 58 Spannungsinduktion..................................................................................................... 58 Induktivität .................................................................................................................. 62 Energieinhalt einer stromdurchflossenen Spule ............................................................ 63 Lösungen zu den Übungsaufgaben .......................................................................................... 66 Literaturverzeichnis................................................................................................................. 68 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Elektrotechnik / Elektronik Verzeichnis der Formelzeichen Physikalische Größe Formelzeichen Einheitenzeichen Querschnitt A m2 Magnetische Flussdichte, Induktion B 1 T = 1 Vs/m2 Tesla Kapazität C 1 F = 1 As/V Farad Abstand d m Meter Dicke des Kunststoff-Dielektrikums dK m Dicke der Metallschicht dm m Elektrische Feldstärke E V/m Durchschlagfeldstärke Ed V/m Leitwert G 1 S = 1/Ω Magnetische Feldstärke H A/m Strom, klein: zeitlich veränderlicher Strom I, i A Gesamtstrom Iges A Stromdichte J A/m2 Länge l m Meter Induktivität L 1 H = 1 Vs/A Henry Windungszahl N Leistung P W Watt zeitlich veränderliche Leistung P(t) W abgegebene Leistung P ab W in Lampe umgesetzte Leistung PL W in Widerstand R umgesetzte Leistung PR W Verlustleistung PV W zugeführte Leistung P zu W Ladung, klein: zeitlich veränderliche Ladung Q, q 1 C = 1 As Coulomb Widerstand bei einer Temperatur Θ RΘ Ω Ohm Widerstand, klein: zeitlich veränderlicher Widerstand R, r 1 Ω = 1 V/A Ersatzwiderstand Rers Ω Innerer Widerstand Ri Ω Vorwiderstand Rv Ω Zeit t s 4 Physikalische Einheit Siemens Ampere Sekunde Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder Physikalische Größe Formelzeichen Einheitenzeichen Physikalische Einheit Spannung, klein: zeitlich veränderliche Spannung U, u V Volt Klemmenspannung an den Klemmen AB UAB V Spannung am Kondensator uC V Durchschlagsspannung Ud V Spannung an Lampe UL V Spannung an der Induktivität uL V Quellenspannung Uq V Spannungsabfall am Widerstand UR V Geschwindigkeit v m/s Energie, Arbeit W Ws Wattsekunde Temperatur Θ °C, K Grad Celsius,Kelvin Differenz ∆ Magnetischer Fluss Φ Vs Voltsekunde Elektrisches Potenzial ϕ V Spezifischer Widerstand ρ Ωmm2/m Spezifische Leitfähigkeit γ m/Ωmm2 Temperaturkoeffizient bei 20 °C α20 1/°C Dielektrizitätskonstante ε0 As/Vm Relative Dielektrizitätskonstante εr Permeabilitätskonstante µ0 Relative Permeabilität µr Wirkungsgrad η zu berechnende (unbekannte) Größe Index x Vs/Am 5 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Randsymbole B D K M S Ü Z 6 Beispiel Definition Kontrollfragen Merksatz Studienziele Übungsaufgaben Zusammenfassung Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder Elektrotechnik / Elektronik Metallschicht Kunststoff-Folie Kontakte Bild 2.11 Blockkondensator – Perlkondensatoren: Sie bestehen z. B. aus einem Sinterkörper aus kleinen Tantalkörnern, dessen Oberfläche mit einer dünnen Oxidschicht überzogen ist. Durch die Perlen entsteht eine sehr große Oberfläche. Da auch hier das Dielektrikum elektrolytisch erzeugt wird, ist ein Betrieb nur mit Gleichspannung möglich. Ü 2.1 Das Bild 2.11 zeigt einen Blockkondensator. Dieser besteht in diesem Beispiel aus 7 Lagen einer metallisierten KunststoffFolie, die wechselseitig kontaktiert werden. Überdeckende Plattenfläche: 5 mm x 10 mm = 1 µm Dicke der Metallschicht: dm Kunststoff-Folie: Dicke dK = 2 µm, = 500 kV/cm, ED = 2,5. εr a) Berechnen Sie die Gesamtkapazität dieses Blockkondensators! b) Wie groß ist die zulässige Betriebsspannung bei 3-facher Sicherheit? c) Die technische Ausführung solcher Kondensatoren besteht aus vielen Lagen, z. B. aus 401 Lagen. Bestimmen Sie die Gesamtkapazität dieses technischen Blockkondensators! 2.2 S 50 Das magnetische Feld • In diesem Abschnitt werden Sie die Erscheinungen von Dauermagneten und des Elektromagnetismus kennen lernen. Der Elektromagnetismus wird bewusst nur mittels der Zylinderspule betrachtet, da sie in der Technik die häufigste Anwendung findet. Elektrotechnik / Elektronik 2.2.1 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Magnetismus Im magnetischen Feld werden Kräfte auf magnetische Materialien ausgeübt. Schon im Altertum kannte man natürliche Magnete aus Magnetit (Fe3O4), die Kräfte auf Eisenteile ausüben. Die Kraftwirkung ist an zwei bestimmten Stellen konzentriert, diese bezeichnet man als Pole. Jeder Dauermagnet hat zwei unterschiedliche Pole, wie man aus dem skizzierten Versuch sehen kann (Bild 2.12; N – Nordpol, S – Südpol, F – Kraft). Dabei werden die Kräfte betrachtet, die zwei stabförmige Dauermagnete aufeinander ausüben. Wir beobachten: – Gleichartige Magnetpole stoßen sich ab. – Ungleichartige Magnetpole ziehen sich an. Bild 2.12 N S F N F S F F N S S N S F N N S F Kraftwirkungen bei Dauermagneten Den Feldverlauf in der Umgebung eines Magneten kann man mit einer reibungsfrei gelagerten Magnetnadel (Kompassnadel) untersuchen. Sie dreht sich an jedem Ort in eine bestimmte Richtung, es liegt ein Vektorfeld vor. Die Magnetnadel dreht sich stets so, dass sie die Tangente an einer Feldlinie bildet. Das gesamte Magnetfeld lässt sich auch durch Eisenfeilspäne darstellen, die auf eine Glasplatte oder Papier gestreut werden. Jedes Eisenteilchen wird magnetisiert und dreht sich daher wie eine Magnetnadel in die Richtung der Feldlinien. Bild 2.13 zeigt eine solche Anordnung im Feld eines Stabmagneten. Bild 2.13 Eisenfeilspäne beim Stabmagneten Die Magnetnadel ordnet den Magnetpolen eine genaue Bezeichnung zu: Die Nadelspitze eines Kompasses zeigt immer nach Norden, sie wird als Nordpol definiert: Der geographische Nordpol ist also der magnetische Südpol. Damit können auch die Richtungen der Feldlinien definiert werden: Magnetische Feldlinien treten immer am Nordpol aus, dargestellt im Bild 2.14. 51 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Elektrotechnik / Elektronik N S Bild 2.14 Feldlinienbild eines Stabmagneten 2.2.2 Magnetfeld stromdurchflossener Leiter Jeder stromdurchflossene Leiter ist von einem Magnetfeld umgeben (Christian OERSTEDT, 1820); die Bewegung elektrischer Ladungsträger ruft ein Magnetfeld hervor. Das einfachste Feldbild erhält man bei einem langen, geraden, zylindrischen Stromleiter (Draht), siehe Bild 2.15. Die Eisenfeilspäne bilden konzentrische Kreise um den Leiter. Bild 2.15 Eisenfeilspäne um einen Stromleiter Eine genaue Ausmessung ergibt den in Bild 2.16 dargestellten Feldlinienverlauf. Die Feldrichtung ergibt sich aus der Rechtsschraubenregel: M Fasst man den Richtungssinn des elektrischen Stroms als axiale Bewegung einer rechtsgängigen Schraube (normale Schraube) auf, so ergibt die Drehbewegung der Schraube die Richtung der Feldlinien. Stromleiter Feldlinien Kompassnadeln Bild 2.16 52 Feldbild eines Stromleiters (x – Stromrichtung in die Blattebene) Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder Im Bild 2.16 sieht man den Strom in die Zeichenebene hineinfließen, dargestellt durch das Kreuz (Pfeilende sichtbar). Ebenfalls ist zu erkennen, dass die magnetischen Feldlinien in sich geschlossene Kurven bilden. Dies gilt auch für Dauermagnete, wo man sich im Innern ausgerichtete Molekularmagnete vorstellt. Wenn man den Draht aus Bild 2.16 zu einer Leiterschleife formt, ergibt sich das Feldbild 2.17. Das Magnetfeld wird verstärkt. Bild 2.17 Feldbild einer Leiterschleife Eine noch größere Verstärkung erreicht man durch eine Spule, bei der ein Draht gleichsinnig um einen Spulenkern gewickelt wird. Das Feldbild einer solchen Zylinderspule entspricht dem eines Stabmagneten. Im Innern der Spule besteht ein homogenes magnetisches Feld (siehe Bild 2.18): N S Bild 2.18 Feldbild einer Zylinderspule 2.2.3 Die magnetische Feldstärke H Um den Zusammenhang zwischen Stromstärke und der magnetischen Kraftwirkung zu beschreiben, betrachten wir die Versuchsanordnung in Bild 2.19. Eine lange dünne Zylinderspule wird von einem Gleichstrom durchflossen, die Kraftwirkung auf einen Eisenkörper (Fe) wird gemessen. 53 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Elektrotechnik / Elektronik Feder , Fe F Spule I Bild 2.19 I Messung der magnetischen Feldstärke Der experimentelle Befund ergibt: H= N⋅I . , (2.12) H ist die magnetische Feldstärke, I ist der Strom durch die Spule, N ist die Windungszahl der Spule, , ist die Länge der Spule. Gl. (2.12) gilt streng nur, wenn die Spulenlänge , deutlich größer ist als der Durchmesser d des Spulenkerns (, > 7 d). Die magnetische Feldstärke ist ein Vektor; im Folgenden wird aber nur mit dem Betrag gearbeitet. Die Einheit der magnetischen Feldstärke: [ H ] = B 54 B 2.7 [ I] = 1 [,] A . m Ein Relais (= elektromagnetischer Schalter) hat den im Bild 2.20 dargestellten schematischen Aufbau. Sobald ein Strom durch die Relaisspule fließt, wird ein Magnetfeld aufgebaut und der Anker aus Eisen wird angezogen. Dadurch wird der Schaltkontakt betätigt. Man kann damit mittels eines kleinen Steuerstroms (Spulenstrom) große Schaltströme schalten, z. B. den großen Strom des Fernlichts (10 A) im Kfz durch einen kleinen Steuerstrom am Armaturenbrett. Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder Fe Anker Schalter Spule mit Fe-Kern Steuerstrom Bild 2.20 Relais Hier sei: Spulenstrom I = 0,1 A, Spulenwindungszahl N = 400, Spulenlänge , = 20 mm, Durchmesser des Spulenkerns dsp = 10 mm. Dann ist gemäß Gl. (2.12) H = 2.2.4 N ⋅ I 400 ⋅ 0,1 A A = = 2.000 . − 3 , m 20 ⋅10 m Die magnetische Induktion (Flussdichte) B Wenn der Spulenkern der Spule in Bild 2.19 aus Eisen besteht, verstärkt sich die magnetische Wirkung. Um die Materialeigenschaften des Spulenkerns zu beschreiben, wird die Induktion B (oder Flussdichte) eingeführt. Es gilt: B=µ⋅H, (2.13) wobei der Proportionalitätsfaktor µ als Permeabilität bezeichnet wird. Die Flussdichte ist wie die magnetische Feldstärke ein Vektor; auch hier werden wir im Folgenden nur mit dem Betrag arbeiten. Die Permeabilität setzt sich zusammen aus der magnetischen Feldkonstanten (Permeabilitätskonstante) µ0 und einer dimensionslosen Zahl µr, der Permeabilitätszahl (relative Permeabilität). Sie dient zur Beschreibung der Materialeigenschaften des Spulenkerns. µ = µ0 ⋅ µr , (2.14) wobei µ0 = 1, 257 ⋅ 10−6 Vs (Permeabilität des Vakuums). Am (2.15) 55 Grundlagen – Gleichstrom und Felder B B 2.8 Elektrotechnik / Elektronik Berechnen Sie die Induktion in der Spule aus Beispiel B 2.7, wenn der Spulenkörper noch nicht auf den Eisenkern geschoben ist! Lösung: Luft hat annähernd die relative Permeabilität µr = 1. Dann ist gemäß Gl. (2.13): B = µ ⋅ H = µr ⋅µ0 ⋅ H = 1 ⋅1,257 ⋅10 −6 Vs A Vs ⋅ 2 ⋅10 3 = 2,514 ⋅10 −3 2 = 2,514 mT. Am m m Aus diesem Beispiel erkennt man die Einheit der Flussdichte B [ B] = 1 Vs =1T m2 (2.16) 1 T = 1 Tesla. Einige technische Größen: – Höchstleistungsmagnete 4 bis 5 T, – im Luftspalt elektrischer Maschinen ≈ 0,9 bis 1,2 T, – an der Oberfläche starker Dauermagnete 1,5 bis 2 T. Stoffe mit einer relativen Permeabilität µr wesentlich größer als 1 bezeichnet man als ferromagnetisch, dazu gehören außer Eisen auch Kobalt und Nickel. µr ist keine Konstante, sondern stark von B abhängig. Für die in der Elektrotechnik eingesetzten Eisenwerkstoffe wird der Zusammenhang zwischen B und H daher nicht über µr beschrieben, sondern in so genannten Magnetisierungskurven nach DIN 46400. Eine typische Magnetisierungskurve (hier annähernd Elektroblech V400-50A) ist in Bild 2.21 dargestellt. Zur Magnetisierungskurve (s. Bild 2.21): Bei kleinen Feldstärken beginnen sich die magnetischen Molekularmagnete im Eisenkern auszurichten und verstärken den magnetischen Effekt. Oberhalb des Sättigungspunktes, im Beispiel bei H ≈ 4.000 A/m, sind nahezu alle Molekularmagnete ausgerichtet und es findet keine weitere deutliche Verstärkung mehr statt. 56 Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder B T 2,0 1,8 1,6 1,5 1,4 1,2 1,0 2 4 6 8 10 12 14 kA H m Bild 2.21 Magnetisierungskurve von Elektroblech B 2.9 Der Spulenkörper aus Beispiel B 2.8 wird über einen Kern aus Elektroblech V400-50A geschoben. Wie groß ist jetzt a) die Flussdichte und B b) die relative Permeabilität? Lösung: a) Bei ferromagnetischen Stoffen entnimmt man den Wert für B aus der Kennlinie. Für den Wert H = 2.000 A/m ergibt sich B = 1,5 T. b) Aus Gl. (2.13) und Gl. (2.14) ergibt sich damit Vs 1,5 2 B m µr = = µ 0 ⋅ H 1,257 ⋅10 −6 Vs ⋅ 2 ⋅10 3 Am A m = 597 . Anmerkung: Die Magnetisierungskurve wie in Bild 2.21 stellt nur einen Ausschnitt der so genannten Hystereseschleife dar. Diese Hystereseschleife (Bild 2.22) erhält man, indem man einen ferromagnetischen Stoff in einem elektromagnetischen Feld magnetisiert. Dabei tritt dieselbe Sättigung auf wie oben. Beim Abschalten des Stromes verbleibt aber ein gewisser Restmagnetismus, die Remanenzflussdichte Br. Erst wenn die Stromrichtung umgekehrt wird, verschwindet bei der Koerzitivfeldstärke −Hc die Flussdichte. Magnetwerkstoffe mit niedriger Koerzitivfeldstärke, also mit schmaler Hysterese, bezeichnet man als magnetisch weiche Stoffe. Sie werden dort verwendet, wo häufig ummagnetisiert wird, z. B. in elektrischen Maschinen, da dann die Ummagnetisierungsverluste gering bleiben. Magnetwerkstoffe mit breiter Hysterese werden als magnetisch harte Stoffe bezeichnet. Sie werden bei Dauermagneten eingesetzt. 57 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Elektrotechnik / Elektronik B Br Neukurve H Hc −Hc −Br Bild 2.22 Hystereseschleife eines ferromagnetischen Stoffes 2.2.5 Der magnetische Fluss Φ Die Anzahl aller Feldlinien durch eine Fläche A bezeichnet man als magnetischen Fluss Φ = ∫ B ⋅ dA . (2.17) Im homogenen Feld, z. B. in einer Zylinderspule, wenn das Magnetfeld die Fläche A senkrecht durchsetzt, gilt Φ = B⋅ A . (2.18) Dabei ist A also die Querschnittsfläche des Spulenkerns. Die Einheit des magnetischen Flusses ist [Φ] = 1 Vs = 1 Wb B B 2.10 (Weber). (2.19) In unserem Beispiel (B 2.7 ff.) ergibt sich A aus A sp = 2 π ⋅ d sp 4 = π ⋅ (10 mm )2 = 78,5 ⋅10 −6 m 2 . 4 Mit Eisenkern ergibt sich also Φ = 1,5 2.2.6 Vs m2 ⋅ 78,5 ⋅10−6 m 2 = 117, 75 ⋅10−6 Vs . Spannungsinduktion Nachdem bekannt war, dass jeder elektrische Strom von einem Magnetfeld umgeben ist, suchte man gezielt nach dem umgekehrten Effekt. Der elektrische Strom ist eine Bewegung von elektrischen Ladungen. Wenn diese von einem Magnetfeld umgeben sind, werden sie auch von einem äußeren Magnetfeld beeinflusst. Wenn also ein elektrischer Leiter, voll mit Ladungsträgern (freien Elektronen), in einem Magnetfeld bewegt 58 Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder wird, müssten die Elektronen wegen der auf sie einwirkenden magnetischen Kraft zu einem Leiterende abgedrängt werden. Diesen Effekt kann man mit der in Bild 2.23 dargestellten Versuchsanordnung nachweisen. Wenn der querliegende Leiterstab, der sich mit einer Länge , im Magnetfeld befindet, senkrecht nach unten mit der Geschwindigkeit v bewegt wird, also die Feldlinien senkrecht schneidet, wird zwischen den Leiterenden eine Spannung erzeugt (induziert). Wird ein elektrischer Verbraucher an die Leiterenden angeschlossen, fließt ein Strom. Die so erzeugte Spannung hat den Betrag u = B⋅, ⋅v . (2.20) , N S B v Bild 2.23 Spannungsinduktion in einem bewegten Leiter Bild 2.24 zeigt dieselbe Anordnung aus anderer Sicht. Die Klemmen AB sind feststehend, der Leiterstab wird bewegt. homogenes Magnetfeld A B v , U V B ds Leiterstab Bild 2.24 Bewegter Leiter im Magnetfeld B 2.11 Im Luftspalt elektrischer Maschinen beträgt die Induktion bis zu B = 1,2 T. Die Kupferdrähte der rotierenden Wicklung können mit Geschwindigkeiten bis zu v = 60 m/s bewegt werden (Grenze durch die Fliehkräfte). B Annahme: Der Leiterstab ist 0,5 m lang. 59 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Elektrotechnik / Elektronik Dann beträgt die induzierte Spannung: u = B ⋅ , ⋅v = 1, 2 Vs m 2 ⋅ 0,5 m ⋅ 60 m = 36 V . s ds bewegt dt wird, so ändert sich die Fläche, die der magnetische Fluss in der Leiterschleife, bestehend aus dem Leiterstab, den Zuleitungen und dem Voltmeter, durchsetzt, um den Betrag dA =, ⋅ds . Mit Gl. (2.20) ergibt dies: Wenn der Stab mit ungleichförmiger Geschwindigkeit v = u = B⋅, ⋅v = M B⋅, ⋅ds B ⋅ dA dΦ . = = dt dt dt (2.21) Allgemein formuliert: Solange sich der magnetische Fluss in einer von einem Leiter umdΦ schlossenen Fläche ändert ( ≠ 0 ), wird eine Spannung induziert. dt Dieses Gesetz gilt auch für ruhende Leiterschleifen, wenn sich der magnetische Fluss durch die Fläche zeitlich ändert. uq Bild 2.25 Φ = Φ(t) Spannungsinduktion durch Flussänderung In Bild 2.25 sind zwei gleichsinnig gewickelte, ruhende Leiterschleifen dargestellt. Sie werden von einem zeitlich veränderlichen Fluss Φ(t) durchsetzt. D Wenn N gleichsinnig gewickelte Leiterschleifen von demselben Fluss Φ(t) durchsetzt werden, gilt: u =N⋅ dΦ (Induktionsgesetz). dt (2.22) Das Induktionsgesetz ist eine der wichtigsten Gleichungen der Elektrotechnik. Auf diesem Gesetz beruht das Prinzip aller elektrischer Maschi- 60 Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder nen, wie Generatoren, Motoren und Transformatoren. Wir werden diese im Studienbrief „Elektrische Anlagen“ (K UCKERTZ, 2007) behandeln. Hier betrachten wir ein anderes Beispiel, nämlich einen induktiven Drehzahlmesser, wie er z. B. im Kfz zur Messung der Raddrehzahlen verwendet wird. B 2.12 B Der prinzipielle Aufbau ist in Bild 2.26 a) dargestellt. Gegenüber einem rotierenden eisernen Zahnrad befindet sich ein eisernes Joch mit einem Dauermagneten. Auf einem Schenkel ist eine Spule angebracht. Beim Drehen des Zahnrades wird durch den Wechsel von „Zahn“ zu „Lücke“ der magnetische Fluss verändert. Den zeitlichen Verlauf des magnetischen Flusses zeigt Bild 2.26 b). Bei kleinem Luftspalt (Zahn) „fließt“ der maximale Fluss, bei großem der minimale Fluss. a) b) u Φ [Vs] Φ max Φ min 1 2 3 4 5 6 t [ms] u [V] Fe n N 3,2 S t [ms] –3,2 Bild 2.26 Induktiver Drehzahlmesser Mathematische Auswertung: Magnetfeld: Φmax = 10·10−6 Vs, Φmin = 2·10−6 Vs; Spule: 200 Windungen; Zahnrad: 100 Zähne mit ideal geraden Flanken. Die geraden Zahnflanken bewirken einen linearen Anstieg von Φ. Ansteigender Fluss: Aus dem zeitlichen Verlauf erkennt man, dass sich der Fluss innerhalb von ∆s = 0,5 ms stetig von Φmin auf Φmax ändert, also mit Gl. (2.22) (10 − 2 ) 10−6 Vs Φ − Φ min dΦ u1 = N ⋅ = N ⋅ max = 200 ⋅ = 3, 2 V . dt ∆s 0,5 ⋅10−3 s Fallender Fluss: Bei der negativen Flanke des magnetischen Flusses gilt u2 = −u1 = −3,2 V. Bei ideal linearem Anstieg des Flusses wird eine Spannung induziert, die in diesen Bereichen konstant ist (Anmerkung: Die erste Ableitung einer Geraden ist eine Konstante). 61 Grundlagen – Gleichstrom und Felder 2.2.7 Elektrotechnik / Elektronik Induktivität Wenn eine Spule von einem zeitlich veränderlichen Strom i(t), z. B. beim Einschalten, durchflossen wird, baut sich ein veränderliches Magnetfeld auf. Dieser Aufbau ist zwangsläufig von einer induzierten Spannung begleitet. Bei einer Zylinderspule gilt gemäß Gl. (2.12): dH N ⋅ di = , ⋅dt dt Mit Gl. (2.18) und nach Gl. (2.13) dB µ r ⋅ µ0 ⋅ N di = ⋅ . dt dt , dΦ µ r ⋅ µ 0 ⋅ N ⋅ A di = ⋅ . dt dt , Wenn dies in Gl. (2.22) eingesetzt wird, erhält man u= D µ r ⋅ µ 0 ⋅ N 2 ⋅ A di ⋅ . , dt (2.23) In dieser Gleichung werden die Materialeigenschaften und die physikalischen Abmessungen der Spule zur Induktivität µr ⋅ µ0 ⋅ N2 ⋅ A L= l (2.24) zusammengefasst. Damit ergibt sich für den Zusammenhang zwischen Spannung und Strom an der Induktivität uL = L ⋅ di , dt (2.25) wobei der Index „L“ auf die in einer Spule induzierte Spannung hinweist. In Bild 2.27 ist das Schaltzeichen einer Induktivität mit Strom- und Spannungspfeil dargestellt. Wie der Kondensator beim elektrischen Feld ist die Induktivität ein Verbraucher. iL uL Bild 2.27 Spannung und Strom an einer Induktivität Die Einheit der Induktivität ist [L] = [u ]⋅ [t ] = 1 Vs = 1 H [i] A (Henry). Da die Induktivität meistens eine sehr kleine Größe ist, wird in der Technik im Allgemeinen mH als Einheit benutzt. Die Induktivität ist bei Spulen mit Eisenkern wegen der nicht-konstanten relativen Permeabilität µr ebenfalls eine stromabhängige Größe. Wenn dies vermieden werden soll, muss eine eisenlose Spule oder eine Spule mit Luftspalt im Kern benutzt werden. 62 Elektrotechnik / Elektronik B 2.13 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Berechnen Sie die Induktivität der Relaisspule aus Beispiel B 2.7! B Lösung: Aus Gl. (2.22) und Gl. (2.25) ergibt sich N⋅ dΦ di = L⋅ dt dt oder umgeformt L = N⋅ dΦ . di (2.26) Bei zeitlich konstanten Größen gilt dann L = N⋅ Φ . I Damit ergibt sich L = N ⋅ (2.27). Φ 117, 75 ⋅10−6 Vs = 400 ⋅ = 471 mH . I 0,1 A Anmerkung: Gl. (2.24) gilt nur für Zylinderspulen, für andere Spulenformen gelten andere Zusammenhänge, hier sei auf FÜHRER et al. (2006) verwiesen. 2.2.8 Energieinhalt einer stromdurchflossenen Spule Wie man aus Gl. (2.25) ersieht, ist der Aufbau des Magnetfeldes der Spule ein zeitabhängiger Vorgang. Es muss daher zur Berechnung des Energieinhalts Gl. (1.10), W = ∫ P( t ) ⋅ dt , herangezogen werden. Dann ist mit Gl. (1.8) und Gl. (2.25) W = ∫L I 1 di ⋅ i L ⋅ dt = L ∫ i ⋅ di = LI 2 . 2 dt 0 (2.28) D Darin ist I der Strom, der zu diesem Zeitpunkt durch die Spule fließt. Die Gleichung (2.28) zeigt, dass die Spule nur Energie speichert, solange ein Strom fließt. Weiterhin kann man erkennen, dass zum Abbau der in einer Spule gespeicherten Energie ein Strom fließen muss. Dies gilt es dann zu beachten, wenn Induktivitäten mittels Transistoren abgeschaltet werden: M di sehr groß dt wird – entsteht gemäß Gl. (2.25) eine hohe Spannung, die den Transistor zerstören kann. Wenn der Strom sehr schnell abgeschaltet wird – also B 2.14 Berechnen Sie die in der Relaisspule aus Beispiel B 2.7 gespeicherte Energie, wenn der Spulenstrom I = 0,1 A fließt! B 63 Grundlagen – Gleichstrom und Felder Elektrotechnik / Elektronik Lösung: Aus Gl. (2.28) folgt W= Ü Ü 2.2 1 2 Vs ⋅ 0, 01 A 2 = 2,355 mWs . LI = 0,5 ⋅ 471 ⋅10−3 2 A Die Zylinderspule für ein Relais hat folgende Daten: 2.000 Windungen, Länge 50 mm, Kerndurchmesser 7 mm, Widerstand der Kupferwicklung 60 Ω, Betriebsspannung 12 V. Der Eisenwerkstoff im Spulenkern zeigt die untenstehende Magnetisierungskennlinie. a) Geben Sie das Feldbild der Spule mit Polbezeichnungen und Flussrichtung an! b) Wie groß ist der magnetische Fluss? c) Berechnen Sie die relative Permeabilität! d) Wie groß ist die Induktivität? B [T] 2,0 1,5 1,0 0,5 2 Ü 2.3 10 kA H m Wenn an einer Zylinderspule ein Dauermagnet in kleinem Abstand vorbeigeführt wird, wird an den Klemmen der nebenstehende Spannungsverlauf gemessen. Daten der Spule: 1.000 Windungen, Länge 50 mm, Kerndurchmesser 7 mm. a) Zeichnen Sie den Verlauf des magnetischen Flusses in das folgende Diagramm ein! 64 Elektrotechnik / Elektronik Grundlagen – Gleichstrom und Felder U [V] 40 20 0 1 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5 6 t [ms] Φ [Vs] t [ms] b) Wie groß ist der Maximalwert der magnetischen Flüsse, wenn der Minimalwert 0 Vs beträgt? 65