Angebote der Psychiatrie für demenzerkrankte Menschen und ihre Angehörigen - Veranstaltung zum Weltalzheimertag am 19. September 2015 Dr. Jörg Breitmaier Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Inhalt • Demenzkranke in verschiedenen medizinischen Fachgebieten • Demenzkranke in der Psychiatrie • Gedächtnisambulanz • Diagnostik und Mitbehandlung im Allgemeinkrankenhaus: Konsilpsychiatrie • Stationäre psychiatrische Behandlung • Die Versorgungssituation in Ludwigshafen Demenzkranke in verschiedenen medizinischen Fachgebieten • Neurologie: Demenz als Hirnerkrankung ! Spezialisten für die medizinische Diagnostik • Neuropsychologie: Demenz als Hirnleistungsstörung ! Spezialisten für die psychologische Diagnostik • Geriatrie: Demenz als Erkrankung des Alters ! Spezialisten für die Diagnostik und Behandlung (multimorbider) alter Menschen • Allgemeinmedizin: Demenz als häufiger werdende Erkrankung in jeder Praxis ! Spezialisten für die umfassende, familien- und lebensweltbezogene medizinische Basisversorgung • Alle anderen medizinischen Fächer und Bereiche: Demenz (oder Vorstufen) als (häufiger) „Nebenbefund“ ! Spezialisten für Anderes mit unterschiedlich ausgeprägter Kompetenz und Erfahrung im Umgang mit Demenzkranken (z.B. „Demenzkompetenz im Krankenhaus“) Demenzkranke in der Psychiatrie • Demenz als körperlich verursachte seelische Störung (ICD 10-Kapitel V(F) ), nämlich als Störung von Kognition, Gedächtnis, Orientierung, Wahrnehmung, Denken, Affekt, Antrieb... , die sich in sozialen Zusammenhängen abspielt ! www.neurologen-und -psychiater-im-netz.org !...d.h. PsychiaterInnen und Mitglieder anderer in der Psychiatrie tätiger Berufsgruppen sind SpezialistInnen für die umfassende (seelisch-körperlichsoziale) Diagnostik, Behandlung und Beratung Demenzkranker und ihrer Angehöriger. Gedächtnisambulanz Die Gedächtnisambulanz beantwortet die Fragen: • • • • • Liegt eine Demenz vor, Wenn ja: welcher Art ist sie? Welche Behandlung ist sinnvoll? Welche anderen Hilfen sind nötig? Was ist dem Patienten und den Angehörigen zu raten? Frau A. • Die frühpensionierte Studiendirektorin hatte sich für den Ruhestand vorgenommen, ihre Fremdsprachenkenntnisse zu vertiefen. „Es fällt mir schwer, mir die Vokabeln zu merken.“ Gedächtnisambulanz Der Ablauf: • • • • • • Eigen- und Fremdanamnese Psychiatrische Untersuchung Testung Körperliche Untersuchung Zusatzuntersuchungen (CCT, NMR, Labor...) Beratung von Patient und Angehörigen Die psychiatrische Untersuchung 1 • Äußere Erscheinung, Verhalten • Bewusstseinslage • Orientierung zu Zeit, Ort, Situation und Person • Aufmerksamkeit, Konzentration • Gedächtnis • Denken (in formaler und inhaltlicher Hinsicht) Die psychiatrische Untersuchung 2 • Angst und Zwang • Wahrnehmung • Ich-Erleben • Affekt • Antrieb und Psychomotorik • Suizidalität Die Logik der Diagnostik • Klinische Untersuchung und (Fremd-) Anamnese • Psychologische Testung (MMST, Uhrentest, Demtect, ADAS) • Bildgebung (CCT, NMR, evtl. funkt.) • Ausschluss behandelbarer Ursachen (z.B. Labor, EKG etc.) Herr B. • Der pensionierte Schulrektor bemerkt, dass es ihm zunehmend schwerfällt, sich die Inhalte von Zeitungsartikeln zu merken. Die mit anwesende Ehefrau schildert, dass er mit dem Alltag gut zurecht kommt, allerdings beim Einkaufen jetzt immer einen Zettel braucht. „Wir unternehmen Vieles gemeinsam.“ Frau C. • Die verwitwete Patientin traut sich gar nichts mehr zu: „Ich kann nicht mehr denken, mir nichts mehr merken.“ Ihre Tochter berichtet, dass sie nicht mehr aus dem Haus geht, Kontakte zu Freundinnen meidet und seit etwa zwei Monaten ängstlich und unsicher geworden sei und viel grübele. Konsilpsychiatrie: Altersverteilung 2001 160 140 120 100 80 m w 60 40 20 0 bis 20- 30- 40- 50- 60- 70- 8019 29 39 49 59 69 79 89 90 + Konsilpsychiatrie: Diagnosenverteilung F6 X Sonstigeo.A. 2% 1% 2% 3% F4 Neurotische F5 , Belastungs- 0% und somatof. St. 26% F3 Affektive St. 21% F0 Organische St. 29% F1 St. d. F2 Substanzen Schizophren 12% e St. 4% Frau D. Die 89jährige Landwirts-Witwe war wegen Gewichtsabnahme in die Innere gekommen. Es fällt auf, dass sie auf Station ihr Zimmer nicht findet. Jetzt steht an, dass sie über die Magenspiegelung aufgeklärt werden soll. Die behandelnde Ärztin ist sich nicht sicher, ob Frau D. versteht, was sie ihr erklärt. Frau D. (Fortsetzung) • ...In der Nacht nach der Magenspiegelung ist Frau D. ängstlich und unruhig. Sie sieht fremde Männer auf dem Nachbarbett im Krankenhauszimmer sitzen und befürchtet, diese wollten sie entführen. Stationäre Psychiatrische Behandlung • Typische Situationen, in denen es zu stationären Krankenhausaufnahmen Demenzkranker kommt: • Der Zustand hat sich deutlich verschlechtert, die Betreuenden halten jetzt eine Krankenhausbehandlung für nötig: „Thema Einstellung“ • Zu den kognitiven sind jetzt Verhaltensstörungen getreten, die in der bisherigen Umgebung nicht zu bewältigen sind (Weglaufen, Nahrungsverweigerung, Rufen, Aggressivität o.ä): „Thema Überforderung“ • Durch den Wegfall von (versorgenden) Angehörigen tritt die Erkrankung zutage oder dekompensiert die bisherige Betreuungssituation: „Thema Versorgungskatastrophe“ Stationäre Psychiatrische Behandlung: Die Möglichkeiten • Eingehende (multiprofessionelle) psychiatrische, aber auch körpermedizinische Diagnostik. • Multiprofessioneller Betreuung und Behandlung im geschützten Stationsrahmen. • Intensive medikamentöse Behandlung der Verhaltensstörungen. • Kompetente Beratung und (Unterstützung bei) Einleitung weiterer Maßnahmen. Demenz–Psychopathologie nicht–kognitiv kognitiv Depression Unruhe Psychose Amnesie Aphasie Apraxie „Verstörtheit“ „Verwirrtheit“ G e b o r g e n h e i t Struktur Akzeptanz Sensorik Rituale Ruhe Biographie Namen Lächeln Loben Locken Lassen Musik Haptik Farben Düfte Psychotherapeutisches Prinzip Aus: Schröder, S. 2004 Stationäre Psychiatrische Behandlung • Aber... ...der mit einer Krankenhausaufnahme verbundene, meist plötzliche, Wechsel in eine fremde, komplexe, oft bedrohlich wahrgenommene Umgebung ist für Demenzkranke in hohem Maß belastend. Deshalb sollte gerade bei an einer Demenz erkrankten Menschen jede Krankenhaus-Einweisung und –Aufnahme besonders sorgfältig überdacht und nach Möglichkeit zugunsten ambulanter VersorgungsAlternativen vermieden werden. Die Versorgungssituation in Ludwigshafen: Was sollten unsere Ziele sein? • Frühzeitige Diagnosestellung: Ermöglicht (ambulante) Behandlung, Beratung und Unterstützung für Patienten und Angehörige. • Ausreichende und flexible Beratungs-, Unterstützungs- sowie Behandlungs- und Pflegeangebote im ambulanten Bereich: Ermöglichen das Verbleiben in der gewünschten Lebenssituation und verhindern Klinikaufnahmen. • Zahlenmäßig ausreichende und qualifizierte Plätze für die stationäre Pflege auch schwerer Erkrankter (Weglaufgefährdung!) in Ludwigshafen: Machen die Verlegung in wohnortferne Heime und letztlich oft auch Klinikaufnahmen überflüssig. • „Demenzkompetenz“ im Allgemeinkrankenhaus: Ist Voraussetzung für Krankenhaus-Aufenthalte, die hilfreich und weniger belastend sind. • Vernetzung im Hilfesystem: Ermöglicht kompetente Zusammenarbeit zum Nutzen der Betroffenen und Weiterentwicklung der Angebote zum Nutzen der Ludwigshafener BürgerInnen.