Mikromechanische Drucksensoren

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Ferienakademie 2004
Kurs 8: Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik –
Schlüsseldisziplinen der heutigen Hochtechnologie
Mikromechanische
Drucksensoren
Michelle Karg
September 2004
Mikromechanische Drucksensoren
1.
1.
Seite 1
Einführung
Auf dem mikroelektronischen Markt ist eine Vielzahl an mikromechanischen Drucksensoren
erhältlich. Sie unterscheiden sich in Signalaufnahme, Aufbau, Größe, Belastbarkeit, Preis und
vielen weiteren Eigenschaften. Gegenüber herkömmlichen Druckmessgeräten bieten
Sensoren, die auf der Mikrosystemtechnik basieren, wesentliche Vorteile. Sie sind kleiner,
billiger und hervorragend integrierbar. Weiterhin erzielen sie meist eine höhere Genauigkeit,
so dass sie für präzise Regelkreismessungen geeignet sind.
Es existieren die verschiedensten Messverfahren:
Der Druck auf eine bestimmte Fläche lässt sich durch die Kraft messen, die auf eine definierte
Membranoberfläche ausgeübt wird. Dieses Prinzip liegt den herkömmlichen Barometern und
Manometern zu Grunde. Ebenfalls bewirkt eine Krafteinwirkung bei einem
Dehnungsmessstreifen eine Änderung des Widerstandes oder bei einem kapazitiven
Siliziumsensor eine Änderung der Kapazität.
Eines der ältesten Verfahren zur Bestimmung des Drucks ist die Gegendruckmethode. Bis
heute wird sie verwendet um den Blutdruck zu messen. Dabei wird mit Hilfe einer
Manschette Druck auf die Blutgefäße ausgeübt. Liegt der Manschettendruck zwischen oberer
und unterer Blutdruckgrenze, so entstehen Turbulenzen im Blut, die durch ein Stethoskop
hörbar sind.
Durch den Einfluss von Druck können sich Festkörperparameter verändern. Für Messungen
werden die spezifische Leitfähigkeit, die Permeabilität, der Brechungsindex oder auch die
Fluoreszenzfähigkeit herangezogen.
Am häufigsten und am weitesten verbreitet sind die piezoresistiven und die kapazitiven
Drucksensoren.
2.
Piezoresistive Drucksensoren
Piezoresistive Sensoren nutzen den Effekt, dass sich der spezifische Widerstand unter Druck
ändert.
Wird auf ein Element, z. B. auf ein Kreisförmiges, Druck ausgeübt, so ändert sich sein
Querschnitt und seine Länge.
R = ρ0 ⋅
l
l
= ρ0 ⋅
A
π ⋅r2
(2.1)
Diese Änderung wirkt sich auf den Wert des Widerstandes aus. Bei einer Zugkraft entlang des
Widerstandes wird der Querschnitt kleiner und seine Länge größer. Der Wert des
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Widerstandes nimmt insgesamt zu und basiert im Wesentlichen auf einer Änderung seiner
Geometrie.
Dieses Verhalten beschreibt noch nicht den eigentlichen Piezoeffekt. Im engeren Sinne
versteht man unter dem piezoresistiven Verhalten, dass neben der Geometrie die
Kristallstruktur so stark beeinflusst wird, dass sich der spezifische Widerstand des
Sensorelements verändert.
Bei Metallen überwiegt die Änderung der Geometrie, so dass sie überwiegend für
Dehnungsmessstreifen verwendet werden. Bei einigen Halbleitern wie Germanium und
Silizium jedoch ist der piezoresistive Effekt gut beobachtbar.
2.1.
Mathematische Beschreibung des piezoresistiven Effekts
Als Vergleichsfaktor unterschiedlicher piezoresistiver Sensoren wird der k-Faktor
herangezogen. Er beschreibt das Verhältnis zwischen relativer Widerstandsänderung zu
relativer Längenänderung.
∆R / R
(2.2)
k=
∆l / l
Bei Metallen liegt der k-Faktor bei 2 mit einer Streuung von 5%. Halbleiter können dagegen
einen k-Faktor aufweisen, der bis zu hundertmal größer sein kann. Folgende Tabelle enthält
einige Werte für den k-Faktor in n-Silizium:
Orientierung
Stromrichtung
Kl -Faktor
Kt -Faktor
(100)
<110>
-52,7
-29,7
(110)
<001>
-132,9
90,2
(110)
<111>
-14,1
10,4
(111)
<110>
-52,7
50,19
Der k-Faktor hängt von dem Material, der Stromrichtung und der verwendeten
Kristallorientierung ab. Es sind sowohl negative als auch positive Werte für den k-Faktor
möglich.
Die Änderung des spezifischen Widerstandes ergibt sich über Matrizenrechnung direkt aus
dem angelegten Druck. Dazu wird der spezifische Widerstand zunächst in einen druckfreien
Anteil ρ0 und einen druckabhängigen Anteil ∆ρ getrennt.
⎛ ρ1 ⎞ ⎛ ρ 0 ⎞ ⎛ ∆ρ1 ⎞
⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜
⎟
⎜ ρ 2 ⎟ ⎜ ρ o ⎟ ⎜ ∆ρ 2 ⎟
⎜ ρ ⎟ ⎜ ρ ⎟ ⎜ ∆ρ ⎟
⎜ 3⎟ =⎜ 0⎟+⎜ 3⎟
⎜ ρ 4 ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎜ ∆ρ 4 ⎟
⎜ ρ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ∆ρ ⎟
⎜ 5⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎜ 5⎟
⎜ ρ ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎜ ∆ρ ⎟
⎝ 6⎠ ⎝ ⎠ ⎝ 6⎠
(2.3)
Die sechs Komponenten des spezifischen Widerstandes ergeben sich aus den drei
Komponenten, bei denen eine elektrische Stromdichte in einer bestimmten Richtung ein
elektrisches Feld lateral dazu erzeugt. Beim piezoresistiven Effekt können zusätzlich neben
lateralen elektrischen Feldern auch transversale elektrische Felder auftreten. Da die
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verwendeten Kristalle symmetrisch sind, reichen drei weitere Komponenten für den
spezifischen Widerstand aus, um den transversalen Effekt zu berücksichtigen.
E =ρ⋅ j
(2.3)
Somit ergibt sich für den spezifischen Widerstand ρ ein Tensor zweiter Stufe mit neun
Einträgen. Da die Matrix symmetrisch ist, lassen sich die sechs verschiedenen Komponenten
auch als Vektor darstellen. Diese Variante wird in der Regel bevorzugt, um den Einfluss des
mechanischen Drucks σ auf den spezifischen Widerstand zu beschreiben.
Über einen Tensor 4.ter Stufe ist der druckabhängige Anteil ∆ρ mit dem mechanischen Druck
σ verknüpft.
1
∆ρ = π ⋅ σ
(2.4)
ρ
0
Die 81 Komponenten des Tensors π
ergibt:
⎛ π 11
⎜
⎜ π 12
⎜π
π = ⎜ 12
⎜ 0
⎜ 0
⎜
⎜ 0
⎝
reduzieren sich auf drei, so dass sich folgende Matrix
π 12 π 12
π 11 π 12
π 12 π 11
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
π 44
0
0
π 44
0
0 ⎞
⎟
0 ⎟
0 ⎟
⎟
0 ⎟
0 ⎟⎟
π 44 ⎟⎠
(2.5)
Die Elemente πii sind abhängig von Dotierart, Dotierhöhe und der Temperatur. Ebenfalls
beeinflusst die Richtung der Krafteinwirkung die Koeffizienten. In Silizium unterscheidet
man drei Hauptrichtungen:
- (100) als Richtung längs einer
Würfelkante
(aus Symmetriegründen sind z. B. die
Richtungen (100), (010) und (001)
gleichbedeutend)
- (110) als Richtung längs einer
Flächendiagonale
- (111) als Richtung längs einer
Raumdiagonale
Folgende Tabelle enthält verschiedene Werte für die piezoresistiven Koeffizienten in
Abhängigkeit von der Richtung des Drucks und des angelegten Stroms:
Orientierung
Stromrichtung
πl / 10-11 Pa
πt / 10-11 Pa
(100)
<110>
-31,2
-17,6
(110)
<001>
-102,2
53,4
(110)
<111>
-7,5
6,06
(111)
<110>
-31,2
29,7
Es wird zwischen dem piezoresistiven Koeffizienten in Richtung des Drucks, lateral, und dem
Koeffizienten senkrecht zu dieser Richtung, den transversalen, unterschieden. Beide lassen
sich durch Koordinatentransformation aus π11, π12 und π44 berechnen.
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2.2.
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Physikalische Erklärung des piezoresistiven Effekts
Durch die Einwirkung von Druck auf den Kristall wird die Kristallstruktur deformiert. Daraus
resultiert eine Änderung der Valenz- und Leitungsbänder. Zum einen ändert sich der
Bandabstand, so dass sich mehr oder weniger Ladungsträger im Leitungsband befinden. Zum
anderen verformen sich die Bänder. Wird zum Beispiel die Krümmung des Leitungsbandes
flacher, so sinkt die Beweglichkeit der Elektronen. Damit steigt der spezifische Widerstand.
Die Verformung der Bänder ist schwer vorhersagbar und erfordert
aufwendige
Rechenverfahren. Folgende Graphik soll das Verhalten in n-Silizium veranschaulichen:
2.3.
Piezoresistive Druckmessung
Zur Messung des Drucks mittels Piezowiderständen werden vier Widerstände auf einer
Membran angeordnet. Die Widerstände werden zu einer Wheatestone-Brücke verschaltet.
In einer anschließenden Signalverarbeitung werden die Signale
verstärkt und in die gewünschte Signalform gebracht.
Piezoresistive Sensoren sind weit verbreitet. Einige Anwendungen sind Mikrophone und Höhenmesser, wie zum Beispiel in
einem Schweizer Taschenmesser zu finden sind.
3.
Kapazitive Drucksensoren
Eine weitere, sehr häufig verwendete Messmethode ist das kapazitive Messprinzip. Dabei
ändert sich durch den Druck der Abstand zweier Kondensatorplatten. Folglich ändert sich die
gemessene Kapazität:
A
(3.1)
C = ε 0ε ⋅
d
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Der Zusammenhang ist im Allgemeinen nicht linear, da der Abstand d der Kondensatorplatten
im Nenner der Formel 3.1 vorkommt. Mit Hilfe eines RC-Schwingkreises lässt sich der
Zusammenhang linearisieren. Die Frequenz ω hängt dann linear vom Abstand d der Platten
ab.
d
1
ω=
=
(3.2)
R ⋅C R ⋅ε0 ⋅ε ⋅ A
Einen möglichen Aufbau für einen derartigen kapazitiven Sensor zeigt folgende Abbildung,
bei der ein Absolutdruckmesser dargestellt ist:
Die Membranen können unterschiedlich gefertigt sein - quadratisch oder kreisförmig, mit
oder ohne Verstärkung in der Mitte.
Eine Anwendung findet sich zum Beispiel im Auslöser für den Seitenairbag.
4.
Weitere Messverfahren
Weitere Messverfahren sind Dehnungsmessstreifen (DMS) und piezoelektrische Messung.
Für Dehnungsmessstreifen werden Metalle verwendet. Im Unterschied zu Halbleitern tritt bei
ihnen kaum eine Widerstandsänderung durch den piezoresistiven Effekt auf, sondern die
Widerstandsänderung beruht allein auf der Änderung der Geometrie durch die Einwirkung
des Drucks.
Die DMS-Elemente können auf einer Membran angebracht werden, um so den Druck auf die
Membran zu messen. Es ist vorteilhaft vier Elemente zu verwenden und sie zu einer
Wheatestone - Brücke zu verschalten. Wird der Aufbau geschickt gewählt, so dass bei
Druckbelastung der Membran zwei DMS-Elemente gedehnt werden und zwei gestaucht
werden, so lässt sich die Spannungsänderung auf eine einfache Formel reduzieren:
∆U k
= ⋅ε
U
4
Einen möglichen Aufbau zeigt folgende Abbildung:
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(4.1)
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5.
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Vergleich der Messverfahren
Einen Vergleich zwischen piezoresistiven und kapazitiven Sensoren zeigt folgende Tabelle:
piezoresistiv
Wirkprinzip
Langzeitstabilität
Überlastfestigkeit
Signalaufbereitung
kapazitiv
Piezoresistiver Effekt
Kapazitätsänderung,
Widerstandsänderung durch Veränderung des ElektrodenMembranverformung
abstands durch Membranverformung
Eingeschränkt aufgrund von Sehr hoch, da die Kapazität
Drifteffekten in den
keiner Alterung unterworfen
Piezowiderständen
ist
Typischerweise 2-5 des
Typischerweise 5-10 des
Nenndrucks
Nenndrucks
Einfach (Messgröße R)
Signalwandlung CÎU ist
nötig und aufwendig
piezoresistiv
kapazitiv
Leistungsaufnahme
hoch
gering
Aufbau des Sensors
unkompliziert
Empfindlichkeit der
Messgröße
Temperaturbereich
Gering
Komplex, eingeschränkte
Miniaturisierbarkeit
hoch
Verbreitung
stark
Hängt von den verwendeten
Materialien ab
weniger
Kennlinienverlauf
Linear
Nicht linear
6.
-60 – 150 °C
Fazit, Ausblick
Die Mikrosystemtechnik ermöglicht auf kleinstem Raum präzise Druckmessungen. Dazu
stehen für unterschiedliche Anwendungsbedürfnisse verschiedene Messverfahren zur
Verfügung.
Um die Leistungsfähigkeit zu steigern, ist es ein Ziel, die Signalverarbeitung in einem Schritt
mit dem Sensor zu fertigen. Ein Anwendungsgebiet hierfür ist die Luftdruckmessung im
Autoreifen oder die Implantation eines Blutdruckmesssensors in den Körper.
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Literaturangabe:
[1]
Eine funktionalanalytische Untersuchung zum Piezoelektrischen Feld
Anselm Dietz, 1995
[2]
CMOS-kompatibler kapazitiver Siliziumdrucksensor in der Oberflächenmikromechanik
Michael Kandler, 1993, VDI Verlag
[3]
Skript zur Vorlesung „Halbleitersensoren“
W. Hansch, SS 2003
[4]
Semiconductor Sensors
S.M.Sze, 1994, John Wiley & Sons
[5]
Kapazitiver Silizium-Drucksensor mit integrierter Signalverarbeitung,
T.Mehlhorn, 1995
[6]
http://www.waeco.de/pages_d/presse/290.htm
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