Gefängnis Burg: "Schöner Rahmen ohne Inhalt"

Werbung
104 Bilder beim 13. "Knastmalwettbewerb" eingereicht /
Gewinner reflektieren Zustände in der JVA Burg
Gefängnis Burg: "Schöner Rahmen ohne
Inhalt"
24.08.2011 05:31 Uhr

Artikel
Von Bernd Kaufholz
1. Preis: "Impressionen aus der JVA Burg" von Andreas D. und Oliver H. | Foto: LSB
1. Preis: "Impressionen aus der JVA Burg" von Andreas D. und Oliver H. | Foto: LSB
70 Strafgefangene aus den Haftanstalten Sachsen-Anhalts haben sich an der 13. Galerie der
"Knastmaler" beteiligt. Gewonnen hat ein Bild, das sich mit den Zuständen in der JVA Burg
beschäftigt. Andreas D. bzeichnte sein Bild nicht als "Gemälde", sondern als "Kunst, die
etwas aussagen soll".
Dessau-Roßlau/Burg. "Unser Anspruch ist es, mit dem Bild Aufmerksamkeit zu erzielen",
sagt Andreas D. im Besucherraum der JVA Burg. Durch diese Art von Kreativität wollten er
und sein inzwischen aus der Haft entlassener "Mitmaler" Oliver H. auf den Haftalltag
aufmerksam machen. Ein Haftalltag, der aus ihrer Sicht unter den vorherigen JVA-Leitern
"Verwahrvollzug" gewesen sei - ohne Inhalt. Deshalb der jungfräuliche Bildinnenraum.
Die weiße Fläche sei zudem ein Hinweis darauf, dass man sich mit der Zeit in der Haftanstalt
arrangiere.
2. Preis: "See, Bäume Schwimmer" von Putnins D. | Foto: LSB
2. Preis: "See, Bäume Schwimmer" von Putnins D. | Foto: LSB
Auch die immer kleiner werdende Handschrift auf dem Bildrand sei ein beabsichtigtes
Element, erklärt D.: "Schwarz auf Weiß zeigen die beiden Extreme: Weiß gleich draußen,
Schwarz hier drinnen. Dazwischen nichts. Handschrift als letztes Privates, das ein
Strafgefangener hat. Aber auch die Schrift wird immer kleiner und verschwindet irgendwann
ganz."
Auf sein Vorhaben, das Werk, das provoziert und auch provozieren soll, heute mit
überklebtem Mund an Justizminis-terin Angela Kolb (SPD) zu übergeben, hat Andreas D.
allerdings kurzfristig verzichtet.
3. Preis: "Jeder bestimmt seinen Weg selbst" von Hermann Sch. | Foto: LSB
3. Preis: "Jeder bestimmt seinen Weg selbst" von Hermann Sch. | Foto: LSB
"Nachdenkliche und fantasievolle Arbeiten"
Andreas D. sitzt seit elf Jahren hinter Gittern. Erst in Naumburg, seit Januar 2010 in Burg.
Das Landgericht Dessau-Roßlau hat den heute 32-Jährigen wegen gefährlicher
Körperverletzung in zwei Fällen und Beihilfe zum Mord zu insgesamt zwölfeinhalb Jahren
Haft verurteilt.
Er hat inzwischen sogenannte Vollzugslockerung und hofft, noch in diesem Jahr frei zu
kommen. Zur heutigen Prämierung durfte er selbst anreisen - in "Zivil" und ohne Begleitung
eines Vollzugsbeamten.
Der Gewinner des 1. Preises, Andreas D., in der Justizvollzugsanstalt Burg. | Foto: Bernd
Kaufholz
Der Gewinner des 1. Preises, Andreas D., in der Justizvollzugsanstalt Burg. | Foto: Bernd
Kaufholz
Die vierköpfige Jury hatte es auch beim 13. Malwettbewerb nicht leicht, die Preisträger
herauszufiltern. "Es sind nachdenkliche, sehnsüchtige, stimmungsvolle, detailgetreue,
anklagende und insgesamt fantasievolle Arbeiten", so die Juroren.
Jedes Bild werde seine "Bewunderer und Interessenten" finden und deshalb macht die Jury
allen Teilnehmern Mut, weiter so kreativ zu arbeiten.
Speziell zum Gewinnerbild: "In diesem Bild ist es gelungen, die eigene Reflexion der
Umgebung, in einer Situation, in der sich die Kreativen befinden, das Sein mit allen
Emotionen und den gesellschaftlichen Rahmen, den die Gesetzestexte dem Strafvollzug und
seinen Zielen geben, in eine intelligente Abstraktion umzuformen.
104 Bilder beim 13. "Knastmalwettbewerb" eingereicht /
Gewinner reflektieren Zustände in der JVA Burg
Gefängnis Burg: "Schöner Rahmen ohne
Inhalt"
24.08.2011 05:31 Uhr

Artikel
Von Bernd Kaufholz
2. Preis: "See, Bäume, Schwimmer" von Dennis P. | Foto: Bernd Kaufholz
2. Preis: "See, Bäume, Schwimmer" von Dennis P. | Foto: Bernd Kaufholz
Durch die Information der textlichen Umrahmung werde die leere, weiße Fläche selbst "zum
korrespondierenden gestalterischen Inhalt", ziehe den Betrachter in ein Nichts und fordere
Nachdenklichkeit heraus.
Delia Göttke, Geschäftsführerin vom Landesverband für Straffälligen- und Bewährungshilfe,
der seit 13 Jahren die Galerie organisiert, nennt die Gründe für den Malwettbewerb: "Die
Häftlinge haben Beschäftigung. Besonders für Verurteilte, die viele Jahre hinter Gittern
sitzen, ein nicht zu unterschätzender Aspekt."
Zweitens könne Malen ein Teil der gesetzlich verankerten Resozialisierung sein. Göttke nennt
es: "In die eigene Seele schauen." Viele der Bilder, die in der Malgalerie ausgestellt wurden,
zeigten "Schuldaufarbeiten mit all ihrer Verzweiflung".
Drittens gehe es nicht ums "Gewinnen". Viele Straftäter hätten eine "Gewinnermentalität" Siegen um jeden Preis und mit allen Mitteln. "Beim Malwettbewerb erführen sie, dass jeder
gewinnt, weil jedes Werk präsentiert wird. Auch die Bilder, die keinen Preis erhalten haben."
"Ich habe früher Anerkennung am falschen Ort gesucht"
Andreas D. erinnert sich an jenen Abend im Hochsicherheitsgefängnis, als er sagte: "Jungs,
hört gut zu und schreibt mit: Kunst wird nicht gemacht, Kunst passiert."
Da habe er die Idee für das Bild gehabt. "Es war wie ein Feuerwerk in meinem Kopf. Erst
eine Rakete. Dann immer mehr."
Doch mit der Umsetzung der Bild-Idee sei es dann doch nicht so einfach gewesen. "Die einen
haben gesagt: Das könnt ihr nicht machen. So ein Motiv gibt Ärger. Die Leiterin vom sozialen
Dienst wollte das Bild, als es fertig war, erst gar nicht zulassen. Sie hat sich anfangs
geweigert, es einzuschicken und wollte es im Vorfeld aussortieren", erzählt D.
Der 32-Jährige will nach seiner Haftentlassung den Schulabschluss der 10. Klasse machen
und etwas Ordentliches lernen. Die Industrietischlerlehre hatte er abgebrochen.
Er will wieder zurück nach Bitterfeld-Wolfen. Aber nicht mehr in den Kreis der ehemaligen
Kumpel. "Ich habe früher Anerkennung am falschen Ort gesucht", sagt er. "Und erst zu spät
gelernt, dass die richtigen Plätze für Anerkennung Schule, Lehre und Familie sind."
Er sei ein schlimmer Chaot gewesen, räumt Andreas D. ein. Aber in Naumburg (einstige
Haftanstalt für sogenannte Langstrafler) habe er eine "totale Lernerfahrung" gemacht. "Der
JVA-Leiter, Herr Wurzel, hat mir immer wieder eine Chance gegeben, und das hat mir
geholfen."
Seitdem Thomas Wurzel die Leitung des Burger Gefängnisses übernommen hat, habe sich
dort schon vieles zum Besseren verändert. Besonders der Umgang mit den Gefangenen. Aber
es gebe immer noch eine Menge zu tun.
Und damit meint er nicht nur, dass die anderen Burger Gefangenen, die einen Preis oder eine
Anerkennung bekommen haben, heute zur Eröffnung der Malgalerie in der JVA DessauRoßlau in ihrer signalorangen Anstaltskleidung erscheinen müssen.
Quelle: http://www.volksstimme.de/nachrichten/sachsen_anhalt
Herunterladen