Warnsymptome in der Schwangerschaft

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Warnsymptome
in der Schwangerschaft
Julia J. Löytved-Hardegg,
Irene Hösli
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Kritische Situationen
während der Schwangerschaft müssen
rechtzeitig erkannt werden, um für Mutter und
Fetus rechtzeitig bedrohliche Verläufe abzuwenden. Wie kann der Hausarzt
Beschwerden seiner Patientinnen in dieser Phase korrekt
deuten und Warnsymptome,
die eine sofortige Einweisung und
Abklärung nach sich ziehen müssen, von physiologischen Schwangerschaftssymptomen abgrenzen?
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Der Allgemeinarzt 15/2016www.allgemeinarzt-online.de
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N
tabelle 1
Warnsymptome in der Schwangerschaft
ebenstehende Tabelle (Tabelle 1)
gibt eine Übersicht über die wichtigsten Warnsymptome in der Schwangerschaft, auf die im Folgenden eingegangen
werden soll: Physiologische Beschwerden sind
selten ein Hinweis für einen pathologischen
Verlauf, sollten aber bei Persistenz abgeklärt
werden (Tabelle 2).
Symptome
Mögliche Ursache
Andere Ursachen
Abklärungen (ergänzend
zur klinischen Untersuchung)
Abnehmende/
fehlende Kindsbewegungen
Hinweis für
­fetale Hypoxie,
intrauteriner
Fruchttod (IUFT)
Vorderwandplacenta,
Oligo-/Polyhydramnion,
mütterliche Position/­
Tätigkeit
Cardiotokogramm (CTG),
Ultraschall (US) + DopplerUntersuchung, HbF-Zellen,
Infektabklärung, HbA1c,
Thrombophilieausschluss
Blutungen
Vorzeitige Placentalösung,
Randsinusblutung, Placenta praevia, Vasa
praevia, Uterusruptur
Ektopieblutung, Zervix­
polyp, Zeichnungsblutung, Abortgeschehen
(in der Frühschwangerschaft)
Blutungsstärke, Vitalparameter, Urinausscheidung,
Spekulumuntersuchung,
CTG, transabdominaler/vaginaler Ultraschall, fetaler
Doppler, Blutbild (BB), Type
& Screen, HbF-Zellen, Gerinnung, Urinstatus
Kopfschmerzen,
Sehstörungen
Präeklampsie (ab Migräne, zerebrovaskuläres Ereignis (Sinusveca. 20. SSW)
nenthrombose, Aneurysmablutung etc.)
Blutdruck (RR), Urinstatus,
BB (Hb, Tc), Chemogramm
(Leberwerte, Nierenwerte,
Haptoglobin, CRP), Gerinnung, CTG, US, MRI
Übelkeit/Erbrechen
Präeklampsie (ab Gastrointestinaler Inca. 20. SSW)
fekt bzw. Erkrankungen,
Emesis gravidarum
RR, Urinstatus, BB (Hb, Tc),
Chemogramm (s. o.), Gerinnung, US, CTG
Abdominalbeschwerden
HELLP (ab ca. 20.
SSW), vorzeitige
Placentalösung,
(vorzeitige) Wehentätigkeit
Appendizitis, Ovarialtorsion, Cholezystitis, HWI,
Obstipation, Sodbrennen, Lumbago
RR, Urinstatus, -bakteriologie, BB (Hb, Tc), Chemogramm (s. o., insbes. Leberwerte, Hämolysezeichen,
CRP) Gerinnung, CTG, US,
vag. Untersuchung, vag.
US, vag. Bakteriologie, Fibronektintest
Flüssigkeitsabgang
Vorzeitiger Blasensprung
Vaginaler Infekt, Vaginalsekret
CTG, US, Spekulumuntersuchung: Nativ, Vaginal-pH,
PAMG-1- oder IGFBP-Test
(Fruchtwassernachweis vaginal), Vaginalbakteriologie, BB, CRP
Fieber, Schüttelfrost, Sepsis
Chorioamnionitis Pneumonie, Pyelo­
nephritis, perforierte Appendizitis, bakterieller
oder viraler Infekt
Vitalparameter, O2-Sättigung, Atemfrequenz, Urin­
ausscheidung, BB, CRP,
Gerinnung Blutkulturen,
CTG, US
Miktionsbeschwerden
HWI
Urinstatus und -bakteriologie, lokale Inspektion
1. Abnehmende/fehlende Kinds­
bewegungen
Kindsbewegungen werden von der Schwangeren etwa ab der 18. – 20. SSW wahrgenommen und erreichen ein Plateau an Intensität
und Frequenz mit ca. der 32. SSW.
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Die Kindsbewegungen zeigen zyklische Schlafund Wachrhythmen. Eine Schlafphase dauert
in etwa 20 bis 40 Minuten. Als normal wird
eine Frequenz > 10 Bewegungen in 2 Stunden
angesehen. Die Kindsbewegungen werden von
vielen Faktoren beeinflusst (z. B. mütterliche
Position/Tätigkeit, Lokalisation der Plazenta,
mütterliche Erkrankungen und Medikation,
fetaler Zustand) und geben Hinweise auf die
zentralnervöse Ausreifung und neuromotorische Integrität des Fetus (Tabelle 3) [15, 22].
Nephrolithiasis, Vulvitis
Die Kindsbewegungen geben Hinweise auf den
Zustand des Fetus.
Innerhalb der fetalen Verhaltenszustände sind
sowohl im fetalen Tiefschlaf (30 %) als auch in
der ruhigen Wachphase (1 – 3 %) keine oder nur
sporadische Kindsbewegungen vorhanden. Bei
Feten mit intrauteriner Wachstumsretardierung
ist die aktive Wachphase (6 – 8 %) mit besonders heftigen und lang anhaltenden Kindsbewegungen deutlich seltener [11].
8 – 10 % der Schwangeren im dritten Trimenon
geben reduzierte Kindsbewegungen an. Bei
55 % der intrauterinen Todesfälle hatten die
www.allgemeinarzt-online.de Abnehmende Kindsbewegungen können ein
Hinweis auf eine fetale Beeinträchtigung sein
und müssen weiter abgeklärt werden.
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Der Allgemeinarzt 15/2016
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Schwangeren zuvor abnehmende Kindsbewegungen wahrgenommen [17, 15]. Als häufigste Ursachen für einen intrauterinen Fruchttod
(IUFT) werden angenommen: Funktionsstörungen der Plazenta (34,4 %) und vorzeitige Plazentalösungen (11,0 %), letale Fehlbildungen
(7,3 %), Infektionen (7,9 %), Nabelschnurkomplikationen (7,3 %) [16].
Falls es sich anamnestisch um eine Risikoschwangerschaft handelt, sollte die Schwangere beim Frauenarzt vorgestellt werden. Falls
es sich anamnestisch um eine unauffällige
Schwangerschaft handelt, sollten die fetalen
Herztöne auskultiert und eine Routine-Schwangerschaftsuntersuchung durchgeführt werden
(RR, Puls, Urin, Temperatur, Gewicht, Leopoldsche Handgriffe). Die Schwangere sollte über
die fetalen Bewegungen informiert und diese
über zwei Stunden in Linksseitenlage beobachtet werden. Sind weniger als zehn Bewegungen in zwei Stunden zu verzeichnen bzw.
besteht weiter Unsicherheit, sollte die Schwangere beim Frauenarzt vorgestellt werden [15].
2. Vaginale Blutung
Vorgeburtliche Blutungen ereignen sich in
3 – 5 % der Schwangerschaften und zählen zu
den Hauptursachen perinataler und maternaler Mortalität weltweit. 20 % der Frühgeburten resultieren aus einer antepartalen Blutung
[12]. Die Ursache der Blutung muss geklärt und
ggf. behandelt werden, um bedrohliche Verläufe abzuwenden.
In der Frühschwangerschaft kann eine Blutung
Zeichen für ein Abortgeschehen sein. Ab ca. 24.
SSW ist von der extrauterinen Lebensfähigkeit
des Fetus auszugehen. Neben lokalen Blutungsursachen wie der physiologischen Zeichnungsblutung bei Geburtsbeginn oder Infektionen (Kolpitis/HWI) und Verletzungen im Genitalbereich
(z. B. Ektopieblutung nach Geschlechtsverkehr)
oder dem Zervixkarzinom gibt es potenziell akut
bedrohliche Blutungsursachen wie die vorzeitige
Plazentalösung, die Placenta oder Vasa praevia.
Diese gehen mit schwerwiegenden mütterlichen
und fetalen Komplikationen einher.
Man unterscheidet eine leichte Blutung (minor
haemorrhage < 50 ml) von einer starken Blutung (major haemorrhage: 50 bis 1.000 ml ohne Schockzeichen) und einer massiven Blutung
(massive haemorrhage: > 1.000 ml und/oder
Schock). Der Blutverlust wird oft unterschätzt
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tabelle 2
Symptome, die physiologisch in der Schwangerschaft sind, bei Persistenz oder Beschwerdezunahme jedoch weiterer Abklärung bedürfen
Physiologische
Symptome
Pathophysiologie bei Persistenz,
akuter Verschlechterung
Abklärungen
Obstipation
Subileus, Ileus, Obstruktion, inflammatorische Darmerkrankung
MRI, Kolonoskopie
Schwere Beine,
Atembeschwerden
Tiefe Beinvenenthrombose,
Lungenembolie
Duplexsonographie, D-Dimer-Bestimmung, Blutgasanalyse, SpiralCT, kardiale Abklärung
Müdigkeit
Chronische Anämie, Niereninsuffizienz, chronischer Infekt
BB, Eisenstatus, Retikulozyten, Vit.
B12, Thalassämieabklärung, CRP, Retentionsparameter
Trockene Haut –
Pruritus
Intrahepatische Cholestase
ASAT, ALAT, Bilirubin, Gallensäuren
(nüchtern)
und entspricht nicht immer einer sichtbaren vaginalen Blutung. Eine vorzeitige Plazentalösung
geht gelegentlich nur mit einer okkulten – aber
nicht weniger bedrohlichen – Blutung einher.
Ein brettharter, schmerzhafter Uterus kann darauf hinweisen und muss unbedingt erkannt
werden. Zur Beurteilung des Blutverlustes ist
es daher wichtig, auf klinische Schockzeichen
zu achten und den fetalen Zustand in die Beurteilung einzubeziehen (zunächst mütterliche, dann fetale Zustandsbeurteilung: Vitalparameter, Herztöne, Schmerzen).
3. Vaginaler Flüssigkeitsabgang
Die wichtigste Differenzialdiagnose des vaginalen Flüssigkeitsabganges ist der vorzeitige Blasensprung. Die Eröffnung der Fruchtblase ist in
der Regel von Wehen gefolgt und muss erkannt
werden, um ungünstige Verläufe – insbesondere eine Chorioamnionitis – abzuwenden und/
oder im Rahmen einer drohenden Frühgeburt
zwischen 24. und 34. SSW eine Lungenreifung
durchzuführen [14]. Je länger die Fruchtblase
eröffnet ist, desto größer wird das Risiko eines
Amnioninfektionssyndroms. Differenzialdiagnostisch muss an einen Vaginalinfekt gedacht
werden. Ist dies ausgeschlossen, lässt sich das
Symptom oft durch die vermehrte Vaginalsekretion, Schwitzen oder ungewollten Urinabgang erklären.
Da eine vaginale Blutung in der
Schwangerschaft ein
Zeichen für einen
geburtshilflichen
Notfall sein kann,
sollte die Patientin
(nach Stabilisierung)
unmittelbar in einer
geburtshilflichen Klinik vorgestellt werden [12] .
Zur Abklärung sollte eine geburtshilfliche Untersuchung mit vaginaler Spekulumeinstellung
(Zeichen eines Blasensprunges, pH- und/oder
Farnkraut-Test zum Nachweis von Fruchtwasserproteinen (AmniSure®, Actim PROM Test®)),
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tabelle 3
Schwangerschaftsfaktoren und -Outcomes, die mit verminderten
Kindsbewegungen assoziiert sein können [22]
Schwangerschaftsfaktoren
Schwangerschafts-Outcomes
Intrauterine Wachstumsretardierung
(IUWR)
Kongenitale Fehlbildungen
„Small for gestational age“-Feten
Frühgeburtlichkeit
Plazentainsuffizienz
Perinatale Hirnschädigung
Oligohydramnion
Störungen der neurologischen Entwicklung
Vorzeitige Wehentätigkeit
Niedriges Geburtsgewicht
Fetomaternale Transfusion
Niedriger Apgar-Wert
Intrauterine Infektionen
Fetale Hypoglykämien
4. Kopfschmerzen/Sehstörungen
Sectio caesarea
Geburtseinleitungen
Intrauteriner Fruchttod (IUFT)
Neonataler Tod
Vaginaler Flüssigkeitsabgang in der Schwangerschaft erfordert den Ausschluss eines vorzeitigen
Blasensprunges.
tabelle 4
Diagnostische Kriterien der Präeklampsie
Erhöhter Blutdruck
≥ 140 mmHg systolisch oder ≥ 90 mmHg diastolisch während zwei Messungen mit mind. 4 Stunden Abstand bei Frauen nach der 20. SSW ohne
vorbekannte Hypertonie
≥ 160 mmHg systolisch oder 110 mmHg diastolisch während mehrerer
Messungen hintereinander in einem kürzeren Zeitintervall (Minuten)
und
Proteinurie
≥ 300 mg/24h
oder
Protein (mg/dl)/Kreatinin(mg/dl)-Ratio ≥ 0,3
Proteinurie von 1+ im Teststreifen (falls andere Methoden nicht verfügbar sind)
oder in Abwesenheit einer Proteinurie: eine neu aufgetretene Hypertonie mit mindestens
einem der folgenden neu aufgetretenen Symptome:
Thrombo­
zytopenie
Thrombozytenzahl ≤ 100.000/µl
Nieren­
insuffizienz
Serum-Kreatinin-Konzentration: > 1,1 mg/dl oder Verdopplung ohne andere Nierenerkrankung
Gestörte Leberfunktion
Transaminasenerhöhung über das Doppelte der Norm
Lungenödem
Zentralnervöse Symptome/­
Sehstörungen
nach [1]
www.allgemeinarzt-online.de Nativ-Abstrich, Vaginalbakteriologie, CTG und
ggf. Ultraschall erfolgen. Eine Blutbild- und CRPBestimmung kann die Untersuchung ergänzen
und einen systemischen Infekt ausschließen.
Kopfschmerzen sind auch in der Schwangerschaft häufig: Ca. 10 % der Schwangeren sind
betroffen [20]. Klagt eine Schwangere in der
zweiten Schwangerschaftshälfte oder postpartal über Kopfschmerzen oder Sehstörungen,
sollte zunächst eine Präeklampsie ausgeschlossen werden. Die diagnostischen Kriterien einer
Präeklampsie sind in Tabelle 4, die Häufigkeit
der Symptome, die einer Eklampsie vorausgehen können, in Tabelle 5 dargestellt.
Spätestens mit der Diagnosestellung einer Präeklampsie sollte die Patientin in einer geburtshilflichen Klinik vorgestellt werden. Prinzipiell
ist die Therapie der Wahl die Entbindung nach
Stabilisierung der Patientin. Je nach Schwangerschaftsalter und Dynamik der Erkrankung
ist vorher eine Lungenreifungsinduktion und/
oder engmaschige Überwachung der Patientin sinnvoll.
Sind bedrohliche Differenzialdiagnosen der
Kopfschmerzen (vgl. Tabelle 1) ausgeschlossen
bzw. unwahrscheinlich,
kann ein Therapieversuch z. B. mit Paracetamol bis 4 x 1 g/d p. o. unternommen werden.
5. Kontraktionen, Wehen,
­abdominale Beschwerden
Mittels Palpation, Tokogramm und vaginalsonographischer Zervixmessung kann eine eventuell zervixwirksame Wehentätigkeit festgestellt
werden. Die vaginale Untersuchung mit Kon­
trolle von pH, Nativpräparat und Vaginalbakteriologie kann einen Vaginalinfekt als mögliche Ursache aufdecken, der vaginale Nachweis
von fetalem Fibronektin kann zur Einschätzung
des Risikos einer drohenden Frühgeburt herangezogen werden. Die abdominale Ultraschalluntersuchung gibt Hinweise auf mögliche ute- →
Der Allgemeinarzt 15/2016
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rine oder fetale Ursachen vorzeitiger Wehen;
ein BB, CRP und Urinstatus können auf einen
systemischen Infekt bzw. einen Harnwegsinfekt oder eine Pyelonephritis hinweisen, die oft
ebenfalls mit Wehentätigkeit einhergehen. Leidet die Schwangere unter Oberbauchschmerzen, muss eine Präeklampsie bzw. ein HELLPSyndrom ausgeschlossen werden. Auch an eine
vorzeitige Plazentalösung (s. o.) sollte bei Abdominalschmerzen gedacht werden. Obstipationsbedingte Beschwerden können durch stuhlregulierende Maßnahmen und ergänzend mit
Flohsamenschale, Magnesium oder ggf. einem
Glycerol-Suppositorium behandelt werden.
tabelle 5
Häufigkeit von Symptomen vor einer antepartal bzw. postpartal auftretenden
Eklampsie [6]
Symptome
Antepartum
n=31 (%)
Postpartum
n=15 (%)
Kopfschmerzen
25 (81)
13 (87)
Sehstörungen
14 (45)
7 (47)
Epigastrischer
Schmerz
4 (13)
5 (33)
Übelkeit / Erbrechen
0 (0)
1 (6)
Asymptomatisch
5 (17)
1 (6)
Proteinurie
18 (58)
5 (33)
Schwere Hypertonie 24 (77)
6 (40)
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6. Fieber, Schüttelfrost, Sepsis
Klagt eine Schwangere über abdominale Beschwerden oder Rückenschmerzen, muss neben
den nicht-schwangerschaftsspezifischen Ursachen auch an vorzeitige Wehen mit eventuell
drohender Frühgeburtlichkeit, einen Infekt, eine Präeklampsie/HELLP
und eine vorzeitige Plazentalösung gedacht
werden.
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In den letzten Jahren ist die maternale sepsisbezogene Mortalitätsrate im Vereinigten
Königreich Großbritannien von 0,85/100.000
zwischen 2003 und 2005 auf 1,13/100.000 zwischen 2006 und 2008 gestiegen, so dass die
Sepsis nun die häufigste direkte mütterliche
Todesursache darstellt [5]. Unter den maternalen infektionsbedingten Todesfällen zwischen
2009 und 2012 waren 20 auf eine GenitaltraktSepsis durch A-Streptokokken oder E. coli zurückzuführen, 36 auf Influenza und 27 auf Infektionen anderer Ursache (Pneumokokken,
Appendizitis, Herpes, Tuberkulose ...) [9]. Eine
schwere Sepsis mit akuter Organdysfunktion
weist eine Mortalität von 20 – 40 % auf, die auf
60 % steigt, wenn sich ein septischer Schock
entwickelt. Eine Chorioamnionitis geht mit einem erhöhten Risiko für eine kindliche Enzephalopathie und Zerebralparese einher [13].
Übersicht 1 führt die wichtigsten Risikofaktoren für eine Sepsis in der Schwangerschaft auf.
Schwangere erleiden häufig besonders rasch
progrediente Krankheitsverläufe, die Symptome
sind oftmals jedoch weniger deutlich als außerhalb der Schwangerschaft. Es ist daher wichtig, die Krankheitszeichen frühzeitig zu erkennen, sie richtig einzuordnen und zu behandeln
[13]. Da die Vitalparameter – Wegweiser einer
drohenden, möglicherweise schwerwiegenden
Erkrankung – in der Schwangerschaft deutlich
verändert sein können, wurden im letzten Jahr
durch eine Arbeitsgemeinschaft des National
Partnership for Maternal Safety mütterliche
Frühwarnzeichen erarbeitet, die leicht zu er-
Risikofaktoren für die
Entwicklung einer Sepsis
in der Schwangerschaft
[13]
••Adipositas
••Gestationsdiabetes
••Immunsuppression/Immundefizienz
••Anämie
••Vaginaler Ausfluss
••Pelvic Infection in der
Vorgeschichte
••St. n. Amniocentese oder
anderen invasiven Prozeduren
••Cerclage
••Länger bestehender Blasensprung
••Vorkommen von GruppeA-Streptokokken im nahen Umfeld
••Angehörige ethnischer
Minderheiten/schwarze
Hautfarbe
Übersicht 1
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Diese Frühwarnzeichen sind nicht spezifisch
für eine Sepsis, können aber darauf hinweisen.
Weitere Symptome wie Fieber > 38°C oder eine
Körpertemperatur < 36°C, Diarrhö, Erbrechen,
Exantheme, abdominale Schmerzen, pathologischer Fluor vaginalis, produktiver Husten
oder Miktionsbeschwerden können Zeichen
für das Vorliegen einer systemischen Infektion bzw. deren Ursache sein.
Als erste Maßnahmen sollten bei Verdacht auf
eine Sepsis Blutkulturen und je nach verdächtigem Fokus entsprechendes Material (Urin/
Abstriche) zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen werden. Eine zügige Blutentnahme mit Bestimmung der Laborparameter einer Infektion und evtl. Organbeteiligung
(Leukozytose/-penie, Thrombozytopenie, CRP,
Laktat, Blutzucker, Kreatinin, Leberparameter,
Gerinnung und Blutgase) gibt Hinweise auf den
Schweregrad der Erkrankung. Möglichst innerhalb einer Stunde nach der Verdachtsdiagnose
sollte eine Breitspektrumantibiotikatherapie
begonnen werden. Evtl. muss die Fokussuche
durch eine Bildgebung ergänzt werden [13, 2].
Unter den vielen Ursachen einer schwerwiegenden Infektion soll hier gesondert auf die Influenza eingegangen werden, da sie saisonal
häufig vorkommt und Schwangere besonders
gefährdet sind, schwerwiegende Verläufe bzw.
Komplikationen zu erleiden [18, 7, 23, 8, 4]. Die
Warnsymptome einer Influenza sind Fieber
(97 %), Husten (94 %), Kopfschmerzen (47 %),
Halsschmerzen (35 %) und Myalgie (35 %).
Bereits bei Influenza-Verdacht sollte eine Therapie mit Oseltamivir (Tamiflu®) 75 mg p. o. 1-0-1
für fünf Tage begonnen werden, falls der Influenza-Nachweis negativ ausfällt, kann die Therapie gestoppt werden. Zur ergänzenden Therapie kann auch bei Schwangeren Paracetamol
bis 4 g/d angewandt werden. Präventiv sollten
schwangere Frauen ab dem zweiten Trimenon
zu Beginn der Grippesaison geimpft werden [3].
www.allgemeinarzt-online.de Frühwarnzeichen schwerwiegender Erkrankungen in der Schwangerschaft
müssen erkannt und zügig diagnostische/therapeutische Maßnahmen ergriffen werden.
7. Schmerzen bei der Miktion
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Miktionsbeschwerden müssen mittels Urinstatus und -bakteriologie auf das Vorliegen eines Harnwegsinfektes hin abgeklärt werden.
Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft sind
mit einem erhöhten Risiko für eine mütterliche Pyelonephritis und ein geringes Geburtsgewicht bzw. Frühgeburtlichkeit assoziiert. Eine asymp­tomatische Bakteriurie sollte in der
Schwangerschaft ebenfalls behandelt werden,
da die genannten Risiken so gesenkt werden
können. Ohne Therapie kann eine asymptomatische Bakteriurie in bis zu 30 % zur mütterlichen Pyelonephritis führen [19, 21]. In allen
Schwangerschaftstrimestern kann ein Harnwegsinfekt z. B. mit Amoxicillin/Clavulansäure 1 g p. o. 1-0-1 für sieben Tage therapiert werden [24]. Auch eine Vulvitis kann Ursache der
Miktionsbeschwerden sein und sollte ggf. ausgeschlossen werden.
▪
Prof. Dr. med.
Irene Hösli
Klinik für Geburtshilfe
und Schwangerschaftsmedizin, Frauenklinik, Universitätsspital Basel
CH-4031 Basel,
Schweiz
INTERESSENKONFLIKTE:
Die Autorinnen haben keine deklariert.
 online
Diesen Beitrag sowie die vollständige
Literaturliste finden Sie auch unter
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heben sind und bei Auffälligkeiten schnell zu
weiteren diagnostischen und therapeutischen
Schritten führen sollten [10].Dazu gehören ein
systolischer Blutdruck < 90 oder > 160 mmHg,
ein diastolischer Blutdruck > 100 mmHg, ein
Puls < 50 oder > 120/min, eine Atemfrequenz
< 10 oder > 30/min, eine O2-Sättigung < 95 %, eine Oligurie sowie Agitation, Verwirrung, NichtAnsprechbarkeit, Kopfschmerzen und Atemnot.
Miktionsbeschwerden
in der Schwangerschaft
müssen umgehend abgeklärt werden. Auch eine
asymptomatische Bakteriurie sollte behandelt
werden.
Der Allgemeinarzt 15/2016
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