Aufgabensammlung Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Hans-Peter Schröcker Arbeitsbereich Geometrie und CAD Universität Innsbruck Sommersemester 2008 Inhaltsverzeichnis 1 Merkwürdige Punkte im Dreieck 1 2 Unmögliche Körper 2 3 Kegelschnitte mit räumlicher Deutung 3 4 Turm des Lichts 4 5 Dachausmittlung 5 6 Kotierte Projektion 6 7 Bienenwaben 7 8 Drehkreuz 8 9 Die Dupinsche Indikatrix 9 10 Designertisch 10 11 Schneidewalze 11 12 Archimedische Schraube 12 13 Das Oloid 13 14 Teelichthalter »Twisted« 14 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 1 Merkwürdige Punkte im Dreieck • Konstruieren Sie den Schwerpunkt S, den Höhenschnittpunkt H, den Innkreismittelpunkt I und den Umkreismittelpunkt U eines Dreiecks. • Beschriften Sie diese vier Punkte und verifizieren Sie, dass S, H und U auf einer Geraden (der Eulerschen Geraden) liegen. • Stellen Sie In- und Umkreis dar und markieren Sie die Berührpunkte des Innkreises mit den Dreiecksseiten. H I S U Möglicherweise nützliche Rhinoceros®-Befehle: Circle, Extend, Intersect, Line, Notes, Point, PolyLine, Text, Trim. 1 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 2 Unmögliche Körper Modellieren Sie einen 3D-Körper K, der bei geeigneter Wahl von Projektionsart, Kameraposition und Blickrichtung den Eindruck eines »unmöglichen Körpers« erweckt. Stellen Sie die »unmögliche Ansicht« auch tatsächlich in einem Ansichtsfenster dar. Möglicherweise nützliche Rhinoceros®-Befehle: Box, BooleanUnion, CameraTarget, Extrude, Plane, Silhouette, Trim, Torus, ViewportProperties. 2 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 3 Kegelschnitte mit räumlicher Deutung Lösen Sie zwei der folgenden Konstruktionsaufgaben für Kegelschnitte mittels räumlicher Deutung: 1. Kegelschnitt aus zwei Linienelementen U, u und V, v sowie einem weiteren Punkt P. 2. Kegelschnitt aus zwei Linienelementen U, u und V, v sowie einer weiteren Tangente t. 3. Parabel aus zwei Tangenten u, v und zwei weiteren Punkten P, Q. 4. Kegelschnitt, der einen gegebenen Kreis doppelt berührt und drei weitere Punkte A, B, C enthält. 5. Kegelschnitt, der einen gegebenen Kreis hyperoskuliert und zwei weitere Punkte A, B enthält. Wieviele Lösungen gibt es in den angegebenen Fällen? Können die Angabestücke auch so gewählt werden, dass keine Lösung möglich ist? v u V U v V u u v U P P A Q B t Möglicherweise nützliche Rhinoceros®-Befehle: Cone, ExtendSrf, Hyperbola, Intersect, Plane, Project, Revolve, Sphere. 3 C B A Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD 4 Turm des Lichts Im »Turm des Lichts«, einem Gebäude am Campus der Tokyo Metropolitan University, sind verschiedene Aspekte des Laufes der Sonne am Firmament visualisiert. Unter anderem gibt es eine Treppe, auf die zu Mittag eines jeden Tages ein durch eine kleine Maueröffnung einfallender Lichtstrahl trifft. Nur zur Wintersonnenwende fällt der Lichtstrahl so flach ein, dass er den Fuß der Treppe erreicht. Im geometrischen Modell kann man den Lichtstrahl als Gerade interpretieren, welche die Oberkanten der Treppenstufen trifft (siehe untenstehende Abbildung). Konstruieren Sie unter der Annahme, dass der Lichtstrahl unter einem ersten Neigungswinkel (Winkel mit der Grundrissebene) von 25◦ einfällt, eine Treppe mit mindestens drei Stufen so dass 1. die Treppenstufen 17 cm hoch und 29 cm tief sind und 2. die Treppenoberkanten den Lichtstrahl jeweils in einem Punkt treffen! Hinweis Die Aufgabe kann günstig mit Methoden der Kotierten Projektion gelöst werden (Böschungskegel!). Möglicherweise nützliche Rhinoceros®-Befehle: Explode, Join, Offset, Rotate. 4 Sommersemester 2008 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 5 Dachausmittlung 45 45 ° Lösen Sie die folgende Aufgabe zur Dachausmittlung zuerst durch eine ebene Konstruktion im Grundriss. Fertigen Sie anschließend ein 3D-Modell der Dachlandschaft an. Es ist darauf zu achten, dass kein Wasser auf das umschließende Mauerwerk abrinnt. Alle Traufen befinden sich in derselben Höhe und alle Dachflächen sind (mit einer Ausnahme) unter 45◦ geneigt. ° 45 ° 45° 60° 45° Die Angabe kann in elektronischer Form von der Seite http://geometrie.uibk.ac. at/Lehre/gmvc/ heruntergeladen werden. Möglicherweise nützliche Rhinoceros®-Befehle: ExtendSrf, ExtrudeCrvTapered, Trim. 5 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 6 Kotierte Projektion Ein ebene Plattform mit gegebenen Abmessungen ist, unter Beibehaltung der Orientierung, so in ein durch eine Ebene angenähertes Gelände einzupassen, dass sich Dammund Einschnittsvolumen ungefähr die Waage halten. Stellen Sie die notwendigen Dämme (Böschung 2 : 3) und Einschnitte (Böschung 4 : 5) sowie ihre Verschneidungen untereinander und mit dem Gelände im Grundriss und in einem 3D-Modell. Die Falllinien der Geländeebene führen mit der Böschung 1 : 6 in Richtung Süd-Ost. Von der Plattform führt eine Straße mit dem Gefälle 1 : 6 weg. Stellen Sie auch die Straße und die zugehörigen Damm- und Einschnittsebenen mit den entsprechenden Verschneidungen dar. 26.00 6.00 19.00 R10.00 Plattform 1:6 Straße N 16.00 Maße in m! Möglicherweise nützliche Rhinoceros®-Befehle: InterpCrv, Loft, Offset. 6 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 7 Bienenwaben Bienenwaben bestehen aus zwei Schichten kongruenter Zellen. Die Schichten passen auf ihrer gemeinsamen Rückseite lückenlos aufeinander. Jede Zelle wird von einem regelmäßigen sechseitigen Prisma H berandet. Die Rückwand wird von den Seitenflächen einer regelmäßigen dreiseitigen Pyramide D gebildet. Prisma H und Pyramide D haben diesselbe Achse. Außerdem schließt jede Pyramidenseitenfläche mit zwei benachbarten Prismenseitenflächen einen Winkel von 120◦ ein. H S D • Modellieren Sie eine einzelne Wabe. Über Durchmesser und Tiefe der Wabe ist nichts ausgesagt – wählen Sie beides geeignet. • Wie groß ist der Winkel zwischen zwei Seitenflächen von D? Bemaßen Sie diesen Winkel in einer Ebene, in welcher er in wahrer Größe erscheint. • Demonstrieren Sie, dass zwei aus diesen Waben gebildete Schichten tatsächlich auf ihrer Rückseite lückenlos aufeinander passen. Positionieren Sie dazu drei Waben einer Schicht und eine Wabe der zweiten Schicht wie in untenstehender Abbildung. • Zeigen Sie weiters, dass die Teile der Pyramide D welche an der fertigen Wabe tatsächlich auftreten, drei Seitenfläche eines Rhombendodekaeders bilden. Verwenden Sie dazu die Eigenschaft, dass die kürzeren Diagonalen der an einem Rhombendodekaeder auftretenden Rhomben einen Würfel bilden. Hinweis: Alle Ebenen durch einen festen Punkt S, welche mit einer gegebenen Ebenen einen fixen Winkel (zum Beispiel 120◦ ) einschließen, umhüllen eine Drehkegel. Um eine Seitenfläche von D zu erhalten, müssen Sie eine gemeinsame Tangentialebene zweier derartiger Kegel bestimmen. Informationen zum Rhombendodekaeder: • http://en.wikipedia.org/wiki/Rhombic_dodecahedron • http://de.wikipedia.org/wiki/Rhombendodekaeder 7 S Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 8 Drehkreuz Ein Drehkreuz zum Zählen der durchgehenden Personen besteht aus einem orthogonalem Dreibein, dessen drehsymmetrisch angeordnete Beine von kongruenten Drehzylindern (Radius rz = 3 cm, Höhe h = 50 cm) gebildet werden. Die Drehzylinder laufen in einer Kugel κ vom Radius rk = 6 cm zusammen. Beim Durchgehen einer Person wird das Zählkreuz aus der Raststellung, in der einer der Zylinder horizontale Lage hat, um die Achse a in die nächste Ruhestellung gedreht, wo es wieder einrastet. • Erstellen Sie ein 3D-Modell des Drehkreuzes und bestimmen Sie auch die Drehachse a. • Um welchen Winkel α dreht sich das Drehkreuz um die Achse a, während eine Person durchgeht? • Das Drehkreuz ist in einer senkrechten Wand verankert, die den Mittelpunkt der Kugel κ und zwei Drehzylinderachsen (in Ruhelage) enthält. Modellieren Sie die Mindestaussparung in der Wand, die notwendig ist, um die Beweglichkeit des Drehkreuzes zu garantieren. Welche Flächenteile und Schnittkurven treten dabei auf? 8 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 9 Die Dupinsche Indikatrix √ rn P √ rn √ rn Gegeben ist eine Fläche Φ. Zu jeder Flächentangente in einem regulären Flächenpunkt −1 . P gehört eine Normalkrümmung κn und ein Normalkrümmungsradius rn = κn √ Trägt man auf den Flächentangenten den Wert ± rn ab, so entsteht eine Kurve in der Tangentialebene von Φ in P – die Dupinsche Indikatrix. Sie ist entweder eine Ellipse, ein Paar von parallelen Gerade oder ein Paar von konjugierten Hyperbeln. Je nachdem wird der Flächenpunkt P auch elliptisch, parabolisch oder hyperbolisch genannt. P P Folgerungen • Ist die Dupinsche Indikatrix kein Kreis, so gibt es in jedem Flächenpunkt genau zwei Richtungen mit extremaler Normalkrümmung. Diese beiden Hauptkrümmungsrichtungen schließen einen rechten Winkel ein. • Ist die Dupinsche Indikatrix ein Kreis, so sind die Hauptkrümmungsrichtungen unbestimmt. Jeder solche Punkt wird Flachpunkt genannt. • In hyperbolischen Flächenpunkten gibt es zwei Richtungen, die Asymptotenrichtungen, mit verschwindender Normalkrümmung. Die zu diesen Richtungen gehörenden Normalschnittkurven besitzen in P einen Wendepunkt. Die Asymptotenrichtungen besitzen die Hauptkrümmungsrichtungen als Winkelsymmetralen. • Die Integralkurven der Hauptkrümmungsrichtungen, die so genannten Hauptkrümmungslinien, bilden ein orthogonales Kurvennetz auf der Fläche. Konstruieren Sie die Dupinsche Indikatrix in einem elliptischen, einem parabolischen und einem hyperbolischen Punkt eines Torus. Ermitteln Sie an einem dieser Punkte den Krümmungskreis eines allgemeinen Normalschnitts auf zwei verschiedene Arten: Einmal mit Hilfe der Dupinschen Indikatrix, ein zweitesmal mit Hilfe des Rhinoceros®Befehls Curvature. Möglicherweise nützliche Rhinoceros®-Befehle: CPlane, Curvature, Ellipse, Hyperbola, Intersection. 9 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 10 Designertisch Ein Beistelltisch besteht aus einer drehzylindrischen Glasplatte und drei ebenfalls drehzylindrischen Metallrohren, die um die Achse der Tischplatte drehsymmetrisch angeordneten sind und sich paarweise berühren. Die drei Beine werden durch einen torusförmigen Ring stabilisiert, der jedes der Beine genau einmal berührt. Die Trägerebene seines Mittenkreises schneidet die Beinachsen in einem möglichst kleinem Dreieck. Der Meridiankreisradius ist unter diesen Nebenbedingungen so groß wie möglich zu wählen. In der folgenden Skizze ist die Tischplatte und ein Tischbein so dargestellt, dass die Achse des Tischbeins in wahrer Größe erscheint. Erstellen Sie ein 3D-Modell des gesamten Tisches. Maße in cm 10 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 11 Schneidewalze Die Schneidewalze dient zum raschen Ausschneiden eines Dreiecksmusters aus Teig. Sie besteht aus drei Rollkreisen, die durch Teile von Wendelflächen verbunden sind. Die ausgeschnittenen Dreiecke sind gleichschenkelig, haben eine Höhe von 18 cm und eine Basislänge von 14 cm. • Welchen Radius r besitzen die Rollkreise? • Wie groß ist der Schraubparameter der Wendelflächen? • Erstellen Sie ein 3D-Modell der Rollkreise, der Wendelflächen und des Mittenzylinders. Die Bandbreite der Wendelflächen nimmt linear mit dem Drehwinkel der Schraubung ab (ein Rand liegt also auf einem Drehkegel). Sie variiert von 0,5r am Rand bis zu r in der Mitte des Objektes. Der Mittenzylinder hat den Radius 0,25r. • Ergänzen Sie sinnvolle Griffteile nach eigenem Ermessen (Drehfläche mit frei geformter Randkurve). Schneidewalze Schnittskizze 11 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD 12 Archimedische Schraube Eine Archimedische Spirale ist ein Vorrichtung zum Heben von Flüssigkeiten oder Schüttgütern. Sie besteht aus einer Wendelfläche mit schräggestellter Achse, die von zwei koaxialen Drehzylinderflächen berandet wird. • Modellieren Sie ein Archimedische Schraube. • Wie groß ist der maximale erste Neigungswinkel der Achse, bei dem die Schraube gerade keine Flüssigkeiten (bei Vernachlässigung der Reibung) mehr beförden kann? • Bestimmen Sie das Volumen (bei gegebener zulässiger Achsneigung), dass bei einem Durchgang befördert werden kann. 12 Sommersemester 2008 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 13 Das Oloid Das Oloid ist der Rand der konvexen Hülle zweier Kreise mit gleichem Radius r, die so in zwei zueinander orthogonalen Ebenen liegen, dass ein Kreis den Mittelpunkt des anderen enthält. • Modellieren Sie ein 3D-Modell des Oloids. • Verifizieren Sie, dass die Oberfläche des Oloids gleich der Oberfläche der Kugel mit Radius r ist. • Verifizieren √ Sie, dass das Oloid durch Bewegung einer Strecke mit der konstanten Länge 3r erzeugt werden kann. • Werden die beiden Kreise fest miteinander verbunden, so entsteht ein Objekt, dass auf einer ebenen Fläche eine »torkelnde Rollbewegung« ausführen kann. Stellen Sie die Bahnkurven der Randkreise bei dieser Rollung dar. • Stellen Sie einige Lagen (darunter mindestens eine allgemeine) des Objektes während der Rollbewegung dar. z x y Weitere Informationen • http://de.wikipedia.org/wiki/Oloid • H. Dirnböck and H. Stachel. The development of the oloid. J. Geom. Graphics 1:1 (1997), 105–118. http://www.geometrie.tuwien.ac.at/stachel/jgg0113.pdf. 13 Geometrisches Modellieren, Visualisieren und CAD Sommersemester 2008 14 Teelichthalter »Twisted« Ein Teelichthalter besteht aus einem Gestänge, das sich zusammensetzt aus • zwei kongruenten, in horizontalen Ebenen liegenden regelmäßigen Sechsecken mit identischer Achse a und • kongruenten Verbindungsbögen zwischen je zwei Eckpunkten eines Sechsecks. Je zwei benachbarte Bögen können durch eine Drehung um 60◦ um die Achse a ineinander übergeführt werden. Die Segmente zwischen zwei benachbarten Verbindungsbögen und den entsprechenden Sechseckseiten sind mit einer abwickelbaren Bespannung abgedeckt. Konstruieren Sie den Teelichthalter so, dass die Verbindungsbögen ebene Kurven (zum Beispiel Kreisbögen oder Parabelsegmente) sind. Dabei ist zu beachten, dass je eine Seite des Basis- bzw. Decksechsecks eine Erzeugende der abwickelbaren Verbindungsfläche sein muss. Wie hat man zu diesem Zweck die Tangente im Start- bzw. Endpunkt des Verbindungsbogens zu wählen? Konstruieren Sie außerdem eine allgemein liegende Erzeugende der abwickelbaren Verbindungsfläche. 14